Seid ihr stolz, deutsch zu sein?

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Seid ihr stolz, deutsch zu sein?
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sein?
Ein Spezial gefördert von der Stiftung
„Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“.
„Ich bin stolz, deutsch zu sein. Hier kann
ich etwas lernen und einen Abschluss
machen. Hier ist es viel besser als im
Libanon, da gibt es immer Kriege. Hier
ist es sicherer. Außerdem wohnen hier
auch meine Cousins.“
Adel, 13, Berlin
„Ja, weil wir gute Fußballspieler und weil
wir gute Bands haben, etwa Rammstein.
Damit meine ich alles außer Tokio Hotel.“
Daniel, 17, Erkner
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
„Nein, ich sehe mich eher als
Europäer. Für Patriotismus habe ich
nicht viel übrig. Deutsch sein macht
mich auch nicht besser!“
Robert, 24, Dresden
„Ja, weil hier gibt es viele gute Menschen. Hier
gibt es mehr Freiräume und die Leute sind
nicht gegen Muslime. Es gibt auch welche, die
gegen Ausländer sind – die sind doof.“
Sümeyye, 14, Berlin
Wir haben
alle unseren
Stolz
N
eulich kam mein kleiner Bruder
nach Hause und zeigte meinen
Eltern und mir seine Eins in Tschechisch.
Er war mächtig stolz und grinste bis über
beide Ohren. Aber nicht nur er war stolz,
wir waren es auch. Worauf gleich noch?
Richtig, auf eine Tschechisch-Arbeit, die
wir alle nicht geschrieben und für die wir
nicht gelernt hatten. Trotzdem freuten
wir uns. Stolz innerhalb der Familie,
stolz auf den kleinen Bruder – offenbar
die normalste Sache der Welt.
Sucht man nach Stolz, findet er sich
überall. Am Küchentisch, in der Schule,
in der Umkleidekabine am Sportplatz.
Als Teil einer Fußballmannschaft etwa
ist man stolz über den Sieg des Teams.
Man hat einen Anteil daran – selbst
wenn man das ganze Spiel nur auf der
Bank gesessen hat. Nur wenn es um die
deutsche Nation geht, gerät der Stolz ins
Stocken. „Stolz auf Deutschland? Wie
bitte? Nein, nicht doch ...“
Warum eigentlich nicht? Wir fragten Leute von der Straße, Wissenschaftler
und Promis, wie sie zu dem Thema stehen.
Wie schwer tun sich die Deutschen
wirklich mit ihrem Nationalstolz?
„Kein Kommentar“
Bei den Promis waren wir schnell am Ende.
„Keine Zeit“, so die häufigste Begründung,
wenn überhaupt eine kam. Absagen kamen
selbst von Prominenten, die sich sonst für
nix zu schade sind. Bei dem ein oder anderen
stimmt sicher, dass sie ein Zeitproblem
haben, klar. Aber nur drei Antworten von
fast 30 angefragten Menschen? Da muss
mehr dahinter stecken.
Ob Musiker wie Rosenstolz, Schauspieler
wie Bastian Pastewka oder Sportler wie
Lukas Podolski – sie alle haben für uns
keine Zeit. Sie haben sicher zu dem
Vorwort
Jeder Mensch hat ihn und er begleitet
uns bei all unserem Tun: der Stolz.
Fragt man aber nach dem Stolz auf
das eigene Land, bekommt man in
Deutschland sehr unterschiedliche
Reaktionen – viele leugnen ihn,
andere sind lieber Europäer. Muss
nicht sein, findet unsere Autorin
Tine Heynatz, 17
Thema eine differenzierte Meinung –
wollen sie uns aber nicht verraten. Der
Sprecher von Jogi Löw etwa hofft trotz
„Ich bin stolz,
Deutscher zu sein!“
Liebe Leser,
was ist eigentlich das Problem an der Aussage: „Ich bin stolz,
ein Deutscher zu sein“? Auf der Suche nach Antworten sind
uns eine ganze Reihe von Dingen begegnet, auf die wir als
Deutsche sehr stolz sein können. Und andere, die wir auch
nicht vergessen sollten.
Mit dem vorliegenden Spezial wollen wir euch anregen, über
unsere Heimat, unsere Herkunft und unsere Geschichte als
Deutsche nachzudenken. Unser Ziel: Den Satz „Wir sind stolz
auf Deutschland“ nicht den falschen Leuten zu überlassen.
Aber bildet euch ruhig eure eigene Meinung – und teilt sie uns
mit, wenn ihr wollt: [email protected].
Eure SPIESSER-Redaktion
Grußwort
Liebe Leser,
Deutschland hat vor fast 70 Jahren den Zweiten Weltkrieg
angezettelt. Ganz Europa lag in Schutt und Asche. Opfer
des Krieges leben bis heute in fast allen Ländern der Welt.
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurde
gegründet, um Millionen Zwangsarbeitern, die während des
Nationalsozialismus für Deutschland arbeiten mussten, eine
Entschädigung zu zahlen. Zugleich unterstützt die Stiftung
internationale Projekte, die heute die Verständigung mit den
Nachbarländern fördern.
Eine friedliche Zukunft ist keine Selbstverständlichkeit.
Intoleranz und Stolz allein auf die eigene nationale
Zugehörigkeit führen auch heute zu Ausgrenzung und Gewalt.
Wir wollen die heikle Diskussion, ob man stolz darauf sein
kann und darf, deutsch zu sein, nicht denen überlassen, die so
tun, als sei die Antwort einfach mit „ja“ zu beantworten. Wer
sich darüber Gedanken macht, muss sich mit der deutschen
Vergangenheit beschäftigen. Zu dieser Vergangenheit gehören
Verbrechen, aber auch der mühsame und erfolgreiche Weg in
die Demokratie in Deutschland nach 1945.
Dr. Martin Salm
Vorstandsvorsitzender
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
Bushido
Absage, dass wir bei der EM nächstes
Jahr die Daumen drücken. Ja, machen
wir, keine Sorge. Für die deutsche Elf.
Hoch lebe Deutschland!
Der eine oder andere PR-Manager
verrät auf Nachfrage mehr: Das Thema sei
zu schwierig, zu heiß – der Klient wolle
sich mit einer Antwort nicht irgendeiner
Gruppierung zuordnen lassen. Gerade
drei Antworten gehen also im Laufe
von drei Wochen E-Mail schreiben und
zahlreichen Telefonaten bei uns ein:
Während sich die TV-Moderatoren Peter
Kloeppel und Sandra Maischberger strikt
für „Stolz auf die eigene Leistung“ und
gegen „Stolz auf die Nation“ aussprechen,
antwortet Bushido simpel mit: „Ich bin
stolz, Deutscher zu sein!“
Bushido spricht damit die Meinung
vieler Jugendlicher in Deutschland aus:
Nach einer repräsentativen Studie, die
extra für dieses SPIESSER-Spezial
erhoben wurde, sind 86 Prozent der 14bis 18-Jährigen sehr oder etwas stolz
darauf, deutsch zu sein (siehe Grafik
nächste Seite). Nur zwölf Prozent sind
weniger oder überhaupt nicht stolz.
Das ist eine deutliche StolzSteigerung im Vergleich zu 2006
– damals hatte die Bundeszentrale für
politische Bildung im Rahmen der
Fußball-WM die gleiche Frage gestellt –
und nur 61 Prozent sehr (oder ziemlich)
stolze deutsche Jugendliche angetroffen.
Und warum?
Was ist die
deutsche Kultur?
Deutsche Kultur in vier Worten:
„Porsche, Genscher, Hallo und HSV“,
sagt Peter von der Flensburger
Punkband „Turbostaat“. Dass Punks zur
Kultur gehören, darf man mittlerweile ja
sagen, wenn Opa nicht dabei ist. Was
deutsche Kultur eigentlich ausmacht,
weiß trotzdem niemand.
Schüler – und damit Opfer der Lehrmeinung – denken erst mal an Goethe
und Faust. Mutti erklärt uns aber auch:
Kultur ist, mit dem Löffel zu essen.
Die Frage, wo dann die deutsche
Kultur anfängt und was sie besonders
macht, überfordert am Ende sogar die
Intendantin der Deutschen Oper in Berlin
– ihr Pressesprecher Felix SchniederHenninger: „Uns fällt dazu nichts ein,
das geben wir ganz ehrlich zu.“
Die Wissenschaft tut sich nicht
leichter. „Ich glaube, es gibt weniger
eine deutsche Kultur als eher lokale
und regionale Kulturen. Was sollte die
deutsche Kultur sein – die Bayrische?
Die Berliner? Die Hamburger?“, grübelt
Johannes Moser, Professor am Institut
für Volkskunde der Ludwig-MaximiliansUniversität München. „Typisch Deutsch“
gibt’s nicht. Die Definition von Turbostaat nimmt er auseinander: „Da haben
wir ihn doch, den Pluralismus! Porsche
ist ein Produkt für die schmale Elite.
Genscher führender Politiker einer
marginalen Partei, die nie über zehn
Prozent hinauskommt. Der HSV ist eine
regionale Erscheinung, und Hallo – wo
sagt man schon Hallo?“ Selbst beim
Fußball sei ja nichts mehr beim Alten:
Früher behaupteten Fans aus England,
die Deutschen spielten schlecht und
holten sich trotzdem die Titel. 2006
sah‘s anders aus. Deutsche Kultur
kann man 2008 nur noch über die
Dinge definieren, die vermutlich zu ihr
gehören – als Begriff hat Kultur keine
Grenzen. Im 19. Jahrhundert dachten
Politiker noch, sie gehöre untrennbar
zum Nationalstaat. Zu Beginn des
21. Jahrhunderts ist Globalisierung
wieder mal das Stichwort. Musik und
Klamotten kommen aus der ganzen
Welt zu uns. Kultur, so hört man, soll
das Gegenteil von Barbarei sein.
Barbarei wiederum ist der Run aufs
Drei-Euro-Hemd bei Kik. Bei Domian
im WDR erzählt indes die mollige
Claudi, dass sie im Chat Typen aufreißt
und dann zum Sex durchs ganze Land
fährt. Nicht im Porsche.
Martin Machowecz, 19
Links
❚ Goethe-Institut: goethe.de/kue
❚ Deutschland in einem Haus:
goethe.de/ins/jp/pro/goethe-haus
❚ Tatsachen über Deutschland: tatsachenueber-deutschland.de
❚ Deutsche Lebensart:
deutsche-lebensart.de
❚ Deutsche Kultur International: deutschekultur-international.de
„Ja, denn es gibt sehr guten Hiphop
in Deutschland.“
Florian, 17, Grünheide
„Ja, die Leute sind sehr offen hier. Ich finde, wir gehen unter
uns gut mit unserer Geschichte um. Die Ausländer machen
uns aber immer an Hitler fest und uns alle für den Krieg
verantwortlich. Das stört mich, wenn wir nur darauf reduziert
werden. Wir wissen aber, dass wir eine Verantwortung
haben, die Geschichte nicht zu wiederholen.“
Kathleen, 21, Altenburg
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
„Nein, weil ich überhaupt keinen Grund
dazu sehe.“
Alex, 22, München
„Ich bin stolz, deutsch zu sein,
da hier Werte wie Pünktlichkeit
und Zuverlässigkeit nicht so sehr
vernachlässigt werden, wie in anderen
Ländern. Die deutsche Genauigkeit
kann manchmal zwar nervig sein,
aber sie äußert sich auch in positiven
Dingen, wie etwa der Mülltrennung.
Außerdem haben wir eindeutig das
beste Bier, guten Wein und gute
Autos. Und Benjamin Blümchen.“
Jule, 18, Potsdam
„Ich bin stolz, Deutscher zu sein!“
Bushido, Musiker
„Dieses relativ neue Wir-Gefühl bringt einen guten
Zusammenhalt und das bringt uns alle vorwärts.
Ich meine damit nicht: ‚Wir sind besser!‘ Aber auf
uns Deutsche ist Verlass, im Gegensatz zu den
Spaniern – da habe ich ein halbes Jahr gelebt.“
Carolin, 22, Mannheim
„Ich bin stolz. Ich finde, die Deutschen
sollten auch das Recht darauf haben.
Sie sind die einzige Nation, die es nicht
ist und die einzige, die dafür büßt, was
ein Mensch getan hat.“
Jasmin, 18, Fulda
„Ja, ich bin schon stolz darauf, ein
Deutscher zu sein, da ich denke,
dass, natürlich abgesehen vom
20. Jahrhundert, Deutschland eine
tolle Vergangenheit hat, etwa die
Revolution 1848.
Was im Moment mit Deutschland
passiert, ist mir eigentlich egal, da ich
keine Zeit habe, um mich intensiv damit
zu beschäftigen.“
Stefan, 18, Wittlich
„Man kann nur auf eigene Sachen und
auf eigene Leistungen stolz sein. Ich
bin froh, in Deutschland geboren zu
sein und hier leben zu können.“
Tim, 28, Dortmund
„Ja, ich bin stolz ein Deutscher zu sein,
weil wir eine gute, funktionierende
und stabile Demokratie haben, die
in der politischen Debatte allzu oft
unterschätzt wird. Wir schauen,
das letzte Jahrhundert ausdrücklich
ausgenommen, auf eine große und
interessante Geschichte zurück.
Außerdem sind wir besonders breit
gefächert und erfolgreich im Sport.“
Erik, 19, Erlangen
„Ja, wir sind eine der führenden
Industrienationen und es geht uns
wirtschaftlich sehr gut. Ich finde
die Stolz-Diskussion aber sinnlos.
Junge Leute können nichts für ihre
Geschichte und das viele Meckern ist
überflüssig.“
Stefan, 25, Berlin
Für viele, die die Frage positiv
beantwortet haben, sind u.a. die guten
Bildungschancen und der Sozialstaat
Gründe für ihren Stolz. Die, die nicht
stolz sind, führen meist die deutsche
Vergangenheit, den Zweiten Weltkrieg
und die Zeit des Nationalsozialismus als
Gründe an. Dabei ist offensichtlich, dass
gerade die Älteren eher Probleme mit
dem Stolz haben als die Jüngeren.
Warum aber ist das mit dem Stolz
so ein Problem? Fragt man Leute auf
der Straße, heißt es oft, je älter sie sind:
„Nein, ich bin nicht stolz. An dem, was die
Gesellschaft macht, habe ich keinen Anteil.
Ich bin aber froh, deutsch zu sein ...“
Aha, Freude über Deutschland
scheint also unproblematisch zu sein.
Also freuen wir uns einfach! Wir sind
schließlich Fußballweltmeisterinnen!
und Deutsch finden sich immer wieder
Gründe, die Sprache auf die Verbrechen
der Nazis zu bringen.
Bei uns zu Hause um die Ecke
gibt es eine Gedenkstätte für die 15.000
Behinderten und psychisch Kranken, die
während des Nationalsozialismus dort
vergast wurden. Bei allem Respekt für
die 15.000 Menschen, die ohne Schuld
ihr Leben gelassen haben: Ich weiß
gar nicht mehr, wie oft ich in meinem
kurzen Leben schon da war. Zweimal
mit unserer Ethiklehrerin, zweimal mit
unseren tschechischen Austauschschülern
und fast noch einmal mit unserem
Gemeinschaftskundelehrer. Dem konnten
wir es gerade noch ausreden! Die Führung
und den Vortrag in der Gedenkstätte
könnte ich inzwischen fast selbst
übernehmen.
„Den Deutschen wird ihr
Stolz auf die Nation einfach
nicht zugestanden.“
Nobelpreisträger! Und Papst! Wir freuen
uns, gut ist. Und da ist wirklich kein
bisschen Stolz dabei? So gar nicht? Doch
schon, nur nicht unbedingt auf uns als
Deutsche: „Ich bin eher stolz, Europäer
zu sein. Ich sehe mich nicht nur als
Deutscher“, heißt es dann weiter.
Sehr seltsam – und wenig logisch:
Auf Deutschland will keiner stolz sein,
weil man keine eigenen Leistungen
vorweisen kann. Bei Europa darf man´s
dann doch. „Europäer zu sein ist für uns
eine unproblematische Ersatzidentität“,
sagt Ulrich Rosar vom Forschungsinstitut
für Soziologie in Köln. Seine Fachgebiete
sind die politische Soziologie, Vorurteile
und die europäische Integration. „Zeigen
wir im Alltag Nationalstolz, dann hat das
einen sehr merkwürdigen Anklang. Den
Deutschen wird ihr Stolz auf die Nation
einfach nicht zugestanden.“ Gemeint
sind unsere Nachbarn und der ganze Rest
der Welt, die zum Teil argwöhnisch auf
das Gebaren der Deutschen als Nation
schielen. Auch das ist ein Argument,
das einem auf der Straße oft begegnet:
„Stolz, das ist doch das mit dem NaziKram und der Geschichte – nee, damit
will ich nichts zu tun haben.“
Die lange Geschichte
der Vergangenheit
Wir schämen uns also. Oder distanzieren
uns zumindest. Von den Nazis, der NaziDiktatur, Hitler. Haben wir Angst, falsch
verstanden zu werden, wenn wir das nicht
extra erwähnen? Was wir in der Schule
lernen, ist eindeutig: Die zwölf Jahre des
Nationalsozialismus werden nicht nur in
Geschichte durchgekaut. Auch in Ethik,
Religion, Gemeinschaftskunde, Bio
Das nervt nicht nur mich,
sondern überhaupt ganze Generationen
von Schülern. In der Studie: „Ich
hab nichts gegen Juden, aber ...“ von
Albert Scherr und Barbara Schäuble
sagen Jugendliche offen, dass ihnen
das
Thema
„Nationalsozialismus“
zum Halse raushängt. Die DauerBeschallung mit den Verbrechen der
Vergangenheit führe wiederum zu
völlig absurden Argumentationen, so
die beiden Wissenschaftler: Teilweise
würden schon „die Juden“ selbst für den
Holocaust verantwortlich oder zumindest
mitverantwortlich gemacht. Ein Gedanke,
der einem wirklich nicht kommen darf.
Wenn sich aber die Lehrer
regelmäßig vorne hinstellen und als
Vertreter des einzig Guten immer wieder
das gleiche Problem thematisieren, dann
machen wir als Schüler zu und lernen, was
wir wissen müssen, eben auswendig.
„Seid ihr stolz, deutsch zu sein?“ Das sagen
Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren
52%
34%
9%
3%
sehr stolz
etwas stolz
weniger stolz
überhaupt
nicht stolz
Quelle
❚ Forsa, Januar 2008. Repräsentative Umfrage im Auftrag der Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ unter 500 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren
Schwarz, rot, geil–
Nationalgefühl und -symbole
Nation? Da war doch was! Die Gemeinschaft, in der keiner keinen kennt,
aber trotzdem alle zusammengehören.
In Deutschland gibt es für das
Nationalgefühl – in der Verfassung
verankert – gleich zweierlei: Zum einen
die dritte Strophe der von Joseph
Haydn komponierten und durch August
Heinrich Hoffmann von Fallersleben mit
Text versehenen Nationalhymne. Zum
anderen die während der WM wieder
salonfähig gewordene „Bundesflagge“.
„Schwarz-Rot-Geil“ – so hilft die BILDZeitung mit beigelegtem Aufkleber
bei der Flaggen-Interpretation. Der
Artikel 22 der Verfassung sieht
das anders: „Die ‚Bundesflagge’
ist schwarz-rot-gold.“ Auch eine
mögliche Zweckentfremdung, wie z. B.
die Verwendung als Grillanzünder ist im
Paragraf 90 a des Strafgesetzbuches
geregelt: Das „Beschädigen, Zerstören, Entfernen oder Unkenntlichmachen“ wird mit bis zu drei Jahren
Freiheitsentzug bestraft. Das gilt auch
für das „öffentliche Verunglimpfen“ der
Nationalhymne.
Aber sind Hymne und Flagge für das
Nationalgefühl wirklich unabdingbar?
Ich fürchte ja. Auch wenn mir der
Symbolgehalt von Nationalgerichten
weit sympathischer wäre. Man stelle
sich das vor: Sauerkraut mit Würstchen
flattern im Wind.
Hannes-Caspar Petzold, 18
Links
❚ Nationalsymbole: bpb.de/themen/
OVGX9N,0,Nationalsymbole.html
❚ Artikel „Deutsche leben gut ohne
großes Nationalgefühl“: epochtimes.
de/articles/2007/10/01/174041.html
❚ Vortrag „Deutsches Nationalgefühl in
rechten Jugendszenen“ (1999):
fes.de/fulltext/asfo/00230004.htm
Wer braucht eigentlich die Demokratie?
Eine
alltägliche
Situation:
Die
Freunde unterhalten sich über die
Abendplanung: Kino, Disko oder lieber
chilliger Barabend? Was tun, wenn
man sich nicht entscheiden kann? Wie
selbstverständlich stimmen wir ab: Der
ruhige Abend in der Bar gewinnt. Die
Mehrheit hat entschieden.
Das ist sie, unsere geliebte
Demokratie, zumindest im kleinen
Stile. Sie ist so alltäglich, dass wir sie
manchmal gar nicht mehr bemerken.
Es ist uns vielleicht nicht immer
bewusst, aber Demokratie ist in
unserem Alltag überall. Die höchste
Form ist: Wir wählen Politiker, die uns
regieren und vertreten.
Demokratie heißt, die größtmöglichen
Freiheiten für den Einzelnen, ohne die
Freiheiten der anderen einzuschränken.
Das ist nicht immer ganz einfach:
Wie bei der klassischen FamilienEntscheidung, wo der dominante
Vater vielleicht mal den nächsten
Familienausflug
festlegt,
kämpft
auch die Politik mit Schwierigkeiten
in der Ausübung von Demokratie.
Nicht selten fragen wir uns, warum
die Politik über die Köpfe der Bürger
hinweg entscheidet.
Warum etwa wird die Bevölkerung
nicht per Volksentscheid gefragt,
ob sie will, dass Schäuble ihre Mails
mitlesen kann? Das wäre eine gute
Möglichkeit, die Menschen direkter
in die Politik einzubinden. Immerhin
dürfen wir protestieren, ohne dass wir
dafür gleich verhaftet werden.
Demokratie ist und bleibt die beste
Staatsform. Warum? Weil jeder frei
entscheiden kann, ob er mit in die Bar
oder doch lieber ins Kino geht. Die
Demokratie sichert uns jeden Tag die
Grundrechte, die Möglichkeit der freien
Entfaltung und die Meinungsfreiheit.
Das nehmen wir manchmal vielleicht
schon als zu selbstverständlich.
Basti Weiss, 21
Links
❚ Bildungsserver D@dalos:
dadalos.org/deutsch/Demokratie/
demokratie/demokratie.htm
❚ Jugendseite des Deutschen Bundestags:
mitmischen.de
❚ Aktion für mehr Jugendbeteiligung:
du-machst.de
„Ich bin nicht stolz, Deutsche zu sein,
weil ich nicht weiß, warum man auf
eine Nationalität stolz sein sollte. Ich
bin doch nur zufällig hier geboren.
Außerdem kann ich nur stolz auf etwas
sein, was ich selbst erreicht habe,
woran ich selbst mitgewirkt habe.
Natürlich finde ich es gut, dass ich in
einer Demokratie lebe, und ich finde
es toll, dass wir die Wiedervereinigung
geschafft haben. Allerdings habe ich
dafür keinen Beitrag geleistet.“
Vicki, 21, Bremen
„Ich habe über diese Frage ehrlich
gesagt sehr wenig nachgedacht. Ich
weiß, dass mir meine Nationalität
überhaupt nicht wichtig ist und ich
damit keine patriotischen Gefühle
oder so was verbinde. Was in der
Vergangenheit passiert ist, ist natürlich
schrecklich und darf nicht vergessen
werden. Aber überbewerten darf man
die Vergangenheit auch nicht.“
Isabel, 16, Hetzerath
„Nein, weil ich die Sprache schrecklich
finde und mich mit den Bräuchen nicht
abfinden kann.“
Rebecca, 16, Köln
„Bedingt, man muss da vorsichtig sein
wegen der Geschichte. Ich bin JuraStudentin und weiß daher, dass wir
ein gut funktionierender Rechts- und
„Ja, weil ich Deutschland als soziales
Land empfinde – im Gegensatz
etwa zu Amerika oder Ländern in
Osteuropa, Asien oder Afrika.“
Florian, 23, Ravensburg
Sozialstaat sind. Ich finde, das sollte
man anerkennen – und nicht immer
nur nörgeln.“
Johanna, 20, Berlin
„Mir ist das egal. Alle Menschen sind
gleich, ich unterscheide das nicht nach
Nationalitäten.“
Tina, 21, Tuttlingen
„Stolz? Auf keinen Fall! Stolz kann
man, wenn überhaupt, nur auf das
sein, was man selbst leistet. Aber
ich schätze mich oft glücklich, eine
Deutsche zu sein – stellt euch mal
vor, ihr würdet aus Zufall in Somalia
oder Afghanistan zur Welt kommen!
Wir haben Glück, in einem Land wie
Deutschland leben zu können. Und
wir sollten unser Land vor Radikalen
und Deppen aller Art schützen.“
Sandra Maischberger, Moderatorin
„Ich bin Türke. Bei uns ist das normal,
stolz auf seine Heimat und seine
Herkunft zu sein. Für mich sind
alle Menschen gleich, aber es gibt
Unterschiede bei der Kultur. Da gibt es
viele Dinge, auf die
man stolz sein kann.“
Adel, 17, Rüsselsheim
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
„Ja, weil ich das nicht mit der Nazi-Geschichte
assoziiere, sondern mit einem Nationalstolz,
den jeder haben sollte. Gerade auf die kulturelle
Geschichte Deutschlands bin ich sehr stolz.“
Julius, 21, Leipzig
„Ja! Weil wir hier Kopftuch tragen dürfen und uns
niemand wegen unserer Religion diskriminiert!“
Büsra, 13, Berlin
Die Sucht nach Freiheit –
Erfahrungen in der Diktatur
Wie viel Recht
hat der Mensch?
Darf man von Terroristen entführte
Flugzeuge abschießen? Das Verteidigungsministerium meinte: Ja,
damit lassen sich viele unschuldige
Leben schützen. Die Richter des
Verfassungsgerichtes
sahen
das
anders – und kippten den GesetzEntwurf. Begründung: Der Staat darf
seine Bürger nicht schützen, indem er
die Passagiere entführter Maschinen
vorsätzlich tötet. Das Gesetz verstoße
gegen die Menschenwürde und das
Recht auf Leben.
Mit Menschenrechten verhält es
sich wie mit Talenten – sie sind
angeboren. „Alle Menschen sind frei
und an Würde und Rechten gleich
geboren“, heißt es in der allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte der
Vereinten Nationen. Dort sind sie
erstmals 1948 deklariert, also für
allgemeingültig erklärt worden. Sie
sind also keineswegs immer schon
Lerneffekt? Kaum ... 69,9 Prozent
der Schüler, so Scherr und Schäuble, sind
dafür, „dass unter die nationalsozialistische Vergangenheit ein Schlussstrich
gezogen wird.“ Offenbar läuft bei der
Vermittlung des Themas also einiges schief,
wenn es auf so breite Ablehnung stößt.
Wir Jungen wollen nicht die Schuld
für etwas tragen, das wir weder erlebt
haben noch hätten verhindern können.
Klar, das Ansinnen der sich immer
wiederholenden Wiederholung des Themas
ist, es nicht in Vergessenheit geraten zu
lassen: Nie wieder soll sich das Leid der
Opfer der beiden Weltkriege wiederholen.
Zwei Weltkriege gingen von deutschem
Boden aus – und die unvorstellbar grausame
industrielle Vernichtung der Juden war ein
Wendepunkt in der Zivilisation.
Stolz = rechts?
Aber ist man deswegen gleich rechts
oder gar Nazi, wenn man stolz auf
Deutschland ist? Kann nicht sein. Dafür
haben wir einfach auch zu viele Menschen getroffen, die offen mit „Ja“ auf
unsere Frage geantwortet haben.
Wir sollten genau unterscheiden:
„Patriotismus ist Liebe zu den Seinen,
Nationalismus ist Hass auf die anderen“,
hat der ehemalige Bundespräsident Richard
von Weizäcker mal gesagt. Da liegt wohl
der wunde Punkt in unserer Geschichte:
Die Nazis haben die Begriffe „Stolz“ und
„Rasse“ eng miteinander verknüpft – und
den Hass auf andere, die den Nazis nicht
passten, angefeuert.
Deswegen tun wir uns heute so
schwer mit dem Begriff „Stolz“. „Ebenso
wie bei Ärger, Ekel, Furcht, Traurigkeit,
Überraschung und Freude handelt es sich
beim Stolz um eine elementare Emotion,
die angeboren und nicht anerzogen
ist“, sagt Wikipedia. Stolz ist also ein
Gefühl, das man im Zweifel gar nicht
unterdrücken kann – es ist einfach da.
selbstverständlich. Aber vom bloßen
Dasein hat man weder bei Talenten
noch bei Menschenrechten etwas. Nur
wer sie pflegt, kann sie genießen.
Den Part des Aufpassers übernimmt
in Deutschland vor allem der Staat mit
seinen Institutionen – die von unseren
gewählten Vertretern, den Politikern,
kontrolliert werden. Für den Schutz der
Rechte gibt es einen groben Plan, das
Grundgesetz. Daran haben sich alle
staatlichen Institutionen zu halten, im
Zweifel entscheiden die Richter. Und
die sind von den Politikern unabhängig.
Der internationale Vergleich zeigt, dass
es uns richtig gut geht: Laut Amnesty
International sind im Jahr 2006 in 102
Staaten Menschen gefoltert worden.
Noch immer wenden 69 Länder die
Todesstrafe an.
Da mag unsere Diskussion, ob entführte
Maschinen nun abgeschossen werden
dürfen oder nicht, wie Haarspalterei
wirken. Ist es aber nicht.
Björn Urbansky, 21
Links
❚ Youth for Human Rights International:
jugend-fuer-menschenrechte.de
❚ Amnesty International: amnesty.de
❚ Internationale Gesellschaft für
Menschenrechte: igfm.de
Irgendwann hat Abdou die Wahlmanipulationen und die Diktatur in Togo satt.
Daraufhin zieht er mit seiner Meinung und
einigen Schulfreunden auf die Straße
und protestiert. Abdou will in seinem
Land etwas zum Positiven verändern
und die Bevölkerung zur Demokratie
bewegen. Doch er landet im Gefängnis
– zusammengeschlagen, drangsaliert.
Als er dann schließlich wieder frei kommt,
macht er sich mit einem Fluchthelfer auf
den Weg in ein anderes Land. Seine
Familie muss er zurücklassen.
Abdou muss so weit wie möglich von
Togo weg, denn die Polizei verfolgt
ihn. Er landet zuerst in Mailand, durch
Zufall kommt er schließlich im Oktober
2005 in Deutschland an. „Natürlich
wäre es bequemer und einfacher
für ihn gewesen, gar nicht erst seine
Meinung zu der Diktatur zu sagen und
dagegen aktiv zu werden. Aber nur so
kann etwas verändert werden“, sagt
Albert Riedelsheimer.
Bei ihm endete vorläufig die Reise
von Abdou. Riedelsheimer ist der
Sprecher des Bundesfachverbandes
unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge: „Am Beispiel der Nazi-Herrschaft
lassen sich Diktaturen gut erklären.
Es gibt immer eine kleine Gruppe
von engagierten Menschen, wie zum
Beispiel Abdou und eine Mehrheit, die
alles über sich ergehen lässt.“ Denn
viele Leute, die in einer Diktatur leben,
haben keine Lust ihr Leben wie Abdou
aufs Spiel zu setzen – für ein politisches
System, das sie möglicherweise gar
nicht kennen. Heute ist Abdou 18 Jahre
alt und lebt in einem Waisenhaus. Ob er
abgeschoben wird, weiß er noch nicht.
Rick Noack, 14
Der deutsche
Wille — die
Wiedervereinigung
Wer es verleugnet, leugnet die eignen
Gefühle. Ein Zustand, der nicht lange gut
gehen kann.
Aber gerade der Missbrauch
des Gefühls durch die Nazis bringt
vielleicht auch eine Verantwortung für
uns heute mit sich: Denn die Definition
der Nazis von Stolz beruhte und beruht
immer noch auf der Erniedrigung
von anderen. Die Nazis betrachteten
(und betrachten) „andere Rassen“ als
„minderwertiges Leben“ und fühlten
sich deswegen besser.
Deutschland kommt, muss die deutsche
Sprache beherrschen und bereit sein,
sich hier einzuordnen.“ Grundsätzlich
keine falsche Aussage, aber doch ein
gefährliches Spiel.
Denn er spricht unsere unterschwelligen Ängste vor dem Fremden an
und grenzt gleichzeitig eine große Gruppe
hier lebender Menschen aus: Allein in
Deutschland leben inzwischen über 15 Mio.
Menschen mit Migrationshintergrund,
von denen mehr als die Hälfte einen
deutschen Pass besitzt. Fast jedes
„Stolz, der auf Erniedrigung
und Ausgrenzung beruht,
ist ein Zeichen von
Schwäche.“
Der Stolz aber, der auf Erniedrigung und Ausgrenzung beruht,
ist ein Zeichen von Schwäche – und nur
etwas für einfache Gemüter. Das sind
dann die Leute, die nicht viel haben und
leisten, auf das sie stolz sein können: Sie
glauben, es reiche aus, einer bestimmten
Volksgruppe anzugehören, um „etwas
Besseres“ zu sein. Das sind aber auch
Leute, die wählen dürfen – weshalb
immer wieder Politiker mit dem Begriff
„stolz“ auf Wählerfang gehen.
„Ich bin stolz, ein Deutscher
zu sein“, sagte kürzlich ein wichtiger
Politiker aus Bayern, und: „Wer nach
dritte Kind unter fünf Jahren hat in
Deutschland laut dem Bundesamt für
Statistik einen oder zwei Elternteile, die
nicht in Deutschland geboren wurden.
Aber über Ausgrenzung und
Ängste Politik zu machen, führt in
eine Sackgasse. Wir wollen keine
Zweiklassengesellschaft auf Basis der
Herkunft. Man muss nicht jeden lieben
und immer gleich alle Menschen in die
Arme schließen.
Aber wenn wir etwas nach dem
Zweiten Weltkrieg gelernt haben sollten,
dann doch, dass uns das friedliche
Zusammenleben wesentlich weiter bringt.
Links
❚ Demokratischer Widerstand in
Deutschland: gegen-diktatur.de
❚ Junge Flüchtlinge: b-umf.de
❚ Forum Menschenrechte:
forum-menschenrechte.de
❚ Amnesty International: amnesty.de
Als die Berliner Mauer am 9. November
1989 fiel, war der Journalist Riccardo
Ehrmann nicht nur mit dabei, er war
indirekt auch dafür verantwortlich.
Heute kennt ihn fast keiner mehr. Am
Abend des 9. November allerdings
feierten ihn die Menschen. Denn einige
Stunden zuvor hatte er dem damaligen
ZK-Sekretär für Informationswesen
Günter Schabowski eine Frage gestellt.
Der verkündet als Antwort die Öffnung
der Grenzen. Wenn Riccardo Ehrmann
davon erzählt, wirkt er aufgeregt, denn
er glaubt, dass genau in diesem Moment Deutschland wieder vereint war.
Heute ist für viele Jugendliche die
Wiedervereinigung nur noch alter
Geschichtskram. Dabei ist das
eines der wenigen Dinge, auf die
Deutschland wirklich stolz sein kann.
Allein mit ihrem Willen hatten die
DDR-Bürger Deutschlands Territorium
verändert – friedlich. Und nicht gleich
mit einem Weltkrieg. Manchmal
kommen Riccardo Ehrmann Bedenken,
ob die Wiedervereinigung so richtig
war: „Ich glaube, heute würden die
Leute mich verprügeln. Den Leuten in
Ostdeutschland geht es schlecht.“
Vielleicht macht er sich da zu viele
Sorgen. Nur ein Fünftel der Deutschen
wollen wieder die DDR zurück, hat
Hendrik Berth mit einer Studie für sein
Buch „Einheitslust und Einheitsfrust“
ermittelt. Er schreibt, dass die DDRBürger nach der Wende erstmals
Bekanntschaft mit der Arbeitslosigkeit
machten. Dem SPIESSER sagt
Berth: „Insgesamt schätze ich die
Wiedervereinigung positiv ein. Die
Deutschen sind froh, zusammen leben
zu können.“ Und darauf sollten sie auch
stolz sein.
Rick Noack, 14
Links
❚ Chronik der Wende: chronikderwende.de
❚ Stiftung zur Aufarbeitung der SEDDiktatur: stiftung-aufarbeitung.de
❚ Meine ersten 100 Westmark:
100westmark.de
„Natürlich bin ich nicht stolz auf die
Vergangenheit meines Landes, das
ist nicht mein Deutschland. Mein
Deutschland ist das heutige Deutschland
und ich bin sehr stolz darauf, zu diesem
Deutschland dazu zu gehören. Das
liegt vor allem daran, dass es ein sehr
freies und im internationalen Vergleich
gesehen, ein sehr gerechtes Land ist.“
Anna, 17, Quint
„In gewisser Weise schon. Weil es ein
Glück ist, in Deutschland Student zu
sein.“
Melanie, 21, Osnabrück
„Manchmal ja, manchmal nein, das
kommt ganz auf die Situation an.
Nicht stolz bin ich, wenn sich andere
Deutsche peinlich verhalten und wenn
es um Teile unserer Geschichte geht.“
Maria, 19, Berlin
„Ja, weil so viele Ausländer herkommen
und Deutschland sehen wollen, wir so
viele Sehenswürdigkeiten haben und
unser Land so schön ist.“
Anne, 12, Neukirch bei Bautzen
„In gewisser Weise schon. Man lebt hier recht
sorgenfrei. Man kann stolz auf seine Herkunft sein.
Ich bin halber Japaner und bin auch stolz darauf.“
Kenji, 29, Berlin
„Ich bin nicht stolz. Weil es keine
Nation gibt, die Grausameres getan
hat. Zudem gibt es immer noch diese
rechten Idioten. Es gibt nichts an
Deutschland, was einen stolz machen
könnte.“
Jenny, 21, Fulda
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
„Ja, weil Deutschland eine wichtige
Position in der Weltpolitik hat und mit
Hilfe der Europäischen Union wichtige
Standards setzt. Außerdem hat fast
kein Land eine so prägende Geschichte
wie Deutschland. Insgesamt hat
Deutschland eine beeindruckende
Kultur, die durch viele herausragende
Persönlichkeiten geprägt wurde und
wird. Zudem ist Deutschland auch
als Land an sich sehr unterschiedlich.
So kann man im Sommer an die
Nord- oder Ostsee fahren und im
Winter in den Bergen Ski fahren. Nein,
weil die Mentalität der Deutschen zu
wünschen übrig lässt. Viele Deutsche
sind nicht besonders offen, lustig
oder leidenschaftlich. Eher diskret und
abweisend. Schade, dass nicht jedes
Jahr Fußball-WM in Deutschland ist.“
Elena, 17, Dahlem
„Ja, ich bin stolz, deutsch zu sein, würde
aber nicht ausschließen auszuwandern.
Ich bin vor allem stolz auf unsere
sportlichen Leistungen etwa bei
Olympia, der Handball- oder FußballWeltmeisterschaft. Eben immer, wenn
das eigene Team gut abschneidet.“
Andreas, 19, Zweibrücken
„Nein, ich finde die Menschen hier
unfreundlich. Außerdem kann ich mich
mit diesem Land nicht identifizieren.“
Linda, 15, Köln
„Ja, weil sich hier jeder verwirklichen kann.“
Nicole, 15, Ketzin
Das hat viel mit Toleranz zu tun.
Die sollten wir aufbringen, auch wenn
uns das Handeln anderer manchmal
fremd erscheint. Diese Toleranz muss
auf Gegenseitigkeit beruhen – jeder
von uns möchte gerne mit Respekt und
Anerkennung behandelt werden.
Wir brauchen keinen Stolz auf
Deutschland, der andere ausgrenzt und
erniedrigt. Wir müssen uns unserer
Leistungen bewusst werden und können
auf unsere Stärken stolz sein. Denn wer
echte Stärke hat, braucht für seinen Stolz
nicht die Schwächen anderer.
Die Geschwister des Stolzes
sind Eitelkeit und Hochmut, es heißt
also aufpassen. Das lateinische Wort
„stultitia“, von dem unser Begriff Stolz
abstammt, bedeutet Torheit. Genauso
kann übertriebener Stolz sein: töricht.
Aber das bedeutet nicht, dass der gesunde
Stolz schlecht ist.
Der Politikwissenschaftler Werner
J. Patzelt von der Universität Dresden sagt:
„Man ist oft auch auf seine Eltern stolz,
ohne doch deren Leistungen selbst erbracht
zu haben. Also geht Stolz klar über das
hinaus, was sich ein Einzelner persönlich
zurechnen kann. Und folglich darf man
durchaus auf seine Nation und auf deren
Kultur stolz sein“. Und weiter: „Stolz ist
die selbstverständliche Dankbarkeit für
die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die
etwas geleistet hat. Wenn wir keinerlei Stolz
empfinden, werten wir deren Leistungen
letztlich ab – und widmen uns alsbald auch
nicht mehr der Pflege von Voraussetzungen
weiterer Leistungen. Wie aber soll eine
solche Gruppe dann Zukunft haben?“
Eine Gesellschaft, mit der sich
keiner identifiziert, ist nur ein Zusammenschluss von Leuten, verbunden
durch Sprache und Wohnort – und der
ist nun wirklich Zufall. Wollen wir
aber, dass sich unsere Gesellschaft
20 x Deutschland
Die Alten sagen immer: „Früher war
alles besser.“ Stimmt nicht! Wir haben
20 Momente aus der deutschen
Geschichte nach 1945 aufgelistet,
deren Ergebnisse wir heute als selbstverständlich sehen – die es aber
nicht sind.
25.5.1950 Skandal: In Berlin (West) wird erstmals ein
Kino eröffnet, das mit Polsterbänken für
Liebespaare ausgestattet ist.
1955 Einführung des Kindergeldes in der
Bundesrepublik. Das Kindergeld wird
zunächst nur vom 3. Kind an gezahlt.
Geben und nehmen
– wie sozial ist der Staat?
Deutschland ist nach Artikel 28
des Grundgesetzes ein Sozialstaat,
also verpflichtet, seine Bürger sozial
abzusichern. Und das sind wir auch:
Unsere Grundbedürfnisse werden zum
Beispiel durch Kranken-, Arbeitslosenund Rentenversicherung, Wohn- und
Kindergeld, BAföG und staatliche
Schulen gesichert.
Deutschland
ist
hierbei
sogar
besonders fortschrittlich: Als erstes
Land der Welt führte es 1883 eine
gesetzliche Krankenversicherung ein.
Der internationale Vergleich verdeutlicht den hohen Standard – das
weiterentwickelt, müssen wir uns mit
ihr identifizieren – und dafür benötigen
wir auch das Gefühl Stolz. Denn nur wer
Stolz hat und stolz ist, ist auch bereit für
etwas zu kämpfen.
Das Gegenstück von Stolz ist die
Scham. Vielleicht ist das der Grund,
warum so viele Leute ausweichend auf
die Frage antworten, ob sie stolz sind,
zeigt der Unterschied zwischen dem
Gesundheitssystem der USA und
unserer Krankenversicherung.
Doch um stolz darauf zu sein, hat auch
das deutsche System zu viele Mängel
– und verliert beständig an Tiefe.
Spüren lassen das die Einführung von
Studien- und Praxisgebühr. Ganz zu
schweigen vom hohen bürokratischen
Aufwand für alle Sozialleistungen.
Auch in Deutschland gibt es Fälle von
Kinderarmut und eine Chancengleichheit
der verschiedenen sozialen Schichten
haben wir noch nicht erreicht.
Wir können froh sein, in einem Staat zu
der Soziologe Ulrich Rosar: „Stolz bestärkt
uns in unseren Leistungen und sorgt dafür,
dass wir nicht ständig an uns zweifeln.
Ohne Stolz ist man beeinflussbarer und
empfänglicher für die Meinung anderer.“
Also dürfen wir nun einfach stolz
sein auf Deutschland? Vielleicht sollte
man die Frage nicht nur schwarz-weiß
sehen: Sicher können wir heute stolz
10.9.1964 Der millionste Gastarbeiter in der BRD,
Hernando Rodrigues de Sá, bekommt zur
Begrüßung Blumen und ein Moped.
4.12.1964 Die Bundesregierung beschließt die
Gründung einer »Stiftung Warentest« mit
Sitz in Berlin (West).
1.9.1969 Nach einer Änderung des § 175 ist
Homosexualität ab 21 Jahren in der
Bundesrepublik Deutschland künftig
straffrei (in der DDR bereits seit 1957).
1970 Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht
ist in der BRD jetzt 18 statt 21 Jahre (in
der DDR seit 1949).
sein auf das, was unser Land erreicht
hat. Die deutsche Kultur bereichert
Millionen von Menschen, Deutschland
ist Exportweltmeister und hat einige
der besten Sportler der Welt. Und wir
sind die Pünktlichsten! Außerdem gilt
hier nicht nur das Recht des Stärkeren:
Schwache und Ärmere haben Rechte,
1.7.1973 In der BRD wird der zivile Ersatzdienst dem
Wehrdienst gesetzlich gleichgestellt.
1.1.1975 In der BRD sinkt das Alter der Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre. Das gilt
auch fürs Heiratsalter: Vorher durften
Männer erst mit Vollendung des 21., Frauen
aber schon nach Vollendung des 16.
Lebensjahres heiraten.
30.3.1976 BRD und DDR unterzeichnen ein Post- und
Fernmeldeabkommen und vereinfachen
damit die innerdeutsche Kommunikation.
1.1.1978 In der BRD tritt das erste
Bundesdatenschutzgesetz in Kraft.
1957 In BRD und DDR wird die Arbeitszeit auf
45 Stunden je Woche verkürzt.
18.3.1971 Das erste Bafög-Gesetz in der BRD:
finanzielle Unterstützung für Studenten aus
sozial schwachen Familien.
27.3.1979 Erstmals können Ehepartner in der BRD
auch den Nachnamen der Ehefrau als
gemeinsamen Familiennamen wählen.
1.7.1958 Mehr Rechte für Ehefrauen in der BRD:
Sie können nun ohne Zustimmung des
Ehemanns einen Arbeitsvertrag annehmen. In
der DDR steht die Gleichstellung von Mann
und Frau bereits seit 1949 in der Verfassung.
28.1.1972 „Radikalenerlass“: Anwärter für den
Öffentlichen Dienst der Bundesrepublik wie
Lehrer oder Polizeibeamte werden auf ihre
Verfassungstreue geprüft.
1987 West-Berlin feiert das 750-jährige StadtJubiläum mit einem großen Rock-Konzert
an der Mauer. Auf der Ost-Seite verfolgt die
Volkspolizei tausende zuhörende Fans.
Links
❚ Sozialpolitik: sozialpolitik.com
❚ Die soziale Situation in Deutschland:
bpb.de/wissen/37OUAU,0,Soziale_
Situation_in_Deutschland.html
❚ Uni Gießen: sozialpolitik-aktuell.de
erhalten Unterstützung und bleiben nicht
einfach sich selbst überlassen.
Aber: Es gibt auch Dinge, auf die
wir nicht stolz sein können. Armut und
Ungleichheit sind für viele Menschen
Alltag. Zuviel passiert jeden Tag in
Deutschland, das nicht gerecht ist. Die
täglichen Übergriffe auf Ausländer und
Schwächere sind genau wie die vielen
Versuche, einzelne Menschen aufgrund
ihrer Herkunft oder ihres „anders sein“
auszugrenzen, Gründe, sich zu schämen.
Stolz hat immer etwas mit Leistungen zu tun – den eigenen und denen
von anderen. Wenn wir uns ärgern über
„die da oben“ oder aufregen oder sogar
schämen, kommt es darauf an: Entweder
wir haben kein Interesse an diesem Land
– oder wir mischen uns ein.
Die Sache mit dem Stolz auf
Deutschland verhält sich am Ende genau
wie mit dem Stolz auf den kleinen Bruder:
Kommt er mit einer Eins nach Hause,
haben wir allen Grund, stolz zu sein. Ist es
eine fünf, heißt es nachdenken: Können wir
ihm helfen? Können wir etwas ändern?
Mitarbeit: Peter Stawowy
„Denn nur wer Stolz hat,
ist auch bereit für etwas
zu kämpfen.“
deutsch zu sein. Sie müssten zugeben,
dass sie sich für die Vergangenheit
schämen. Fragt man Jugendliche, heißt es
oft: „Nein, ich will mich nicht für etwas
schämen, für das ich nichts kann.“
Fakt ist: Die Fähigkeit stolz zu sein,
ist angeboren. Stolz sein zu können, macht
uns stärker und unabhängiger, meint auch
leben, der uns unterstützt. Doch stolz
sein, das könnten wir auf einen Staat,
in dem auch tatsächlich ein soziales
Klima herrscht.
Nele Fischer, 19
20.6.1991 Der Bundestag votiert nach heftiger
Debatte mit 388 gegen 320 Stimmen für
Berlin als Hauptstadt Deutschlands. Zuvor
hatten Regierung und Ministerien ihren Sitz
in Bonn am Rhein.
19.5.1993 In Schleswig-Holstein wird Heide Simonis
erste weibliche Regierungschefin in
Deutschland.
1.7.1998 Per Gesetz wird der Unterschied zwischen
ehelichen und unehelichen Kindern
aufgehoben. Das betrifft vor allem Sorge-,
Unterhalts- und Erbrecht.
15.6.2000 Industrie und Bundesregierung verständigen
sich auf einen „Fahrplan zum Ausstieg aus
der Atomkraft“ zum Schutz der Umwelt. Die
Dauer bis zum endgültigen Ausstieg wird auf
32 Jahre geschätzt.
Links
bundesarchiv.de, dhm.de, einestages.spiegel.de,
weltchronik.de, swr.de/100deutschejahre,
wikipedia.de, goethe.de, www.proasyl.de,
jugendopposition.de, zivildienst.de
„Nein, weil ich überhaupt
keinen Grund dazu sehe.“
Alex, 22, München
„Ich bin gebürtig aus Rumänien und
lebe in Deutschland. Ich bin stolz,
beides zu sein. Ich schätze Pünktlichkeit
und Zuverlässigkeit und bin das auch
selbst. Das ist irgendwie deutsch. Das
finde ich gut.“
Lalka, 23, Berlin
„Nein. Das ist Zufall, dass ich deutsch
bin. Das ist keine Leistung, da brauche
ich nicht stolz drauf sein.“
Tim, 33, Aachen
„Stolz empfinde ich – wenn überhaupt
– dann nur über eigene Leistungen.
Deutscher zu sein ist keine Leistung,
sondern ein Fakt, den ich gerne mit
rund 80 Millionen Mitbürgern teile.
Denn mit der Tatsache der deutschen
Staatsbürgerschaft geht auch die
Verantwortung einher dafür zu
sorgen, dass sich in unserem Land
Menschen aufgrund ihrer Nationalität
nicht als etwas besseres verstehen
und jeder seinen persönlichen
Beitrag dazu leistet, dass wir in
einem zusammenwachsenden
Europa als Zugewinn für die gesamte
Gemeinschaft wahrgenommen werden.“
Peter Kloeppel, RTL-NachrichtenModerator
„Ja, weil wir Fußballweltmeisterinnen
sind!“ Marina, 21, Ulm
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
„Ja, weil Deutschland ein schönes
Land ist, weil wir keine Armut haben
und weil es viele nette Leute gibt.“
Carolin, 22, Nürnberg
„Ich bin stolz, Deutsche zu sein, weil
wir es nach dem Zweiten Weltkrieg
geschafft haben, eine funktionierende
Demokratie aufzubauen.“
Lorina, 20, Hamburg
„Ich bin nicht unbedingt stolz auf
Deutschland, aber stolz darauf,
Deutsche zu sein. Weil man hier
geil Party machen kann, ohne schief
angeguckt zu werden. Die Leute hier
sind nett. Und sie können arbeiten.“
Esther, 21, Berlin
„Teilweise. Erstmal finde, ich ist es
egal, ob ich Deutsche, Französin oder
sonst was bin. Stolz bin ich, weil ich
mich hier wohlfühle. Obwohl hier
auch eine Menge läuft, das nicht so
prickelnd ist.“
Katharina, 21, Braunschweig
„Nein. Ich finde die Mentalität hier
katastrophal!“
Bartosz, 20, Herne
„In gewisser Weise schon. Es ist nur
schade, dass die Deutschen so viel
jammern. Die Italiener sind da ganz
anders!“
Fabian, 21, Herne
„Ja, ich finde es natürlich, stolz zu sein auf das
eigene Land. Jeder hat das Recht darauf.“
Jeffrey, 15, Berlin
Deutsche
Tugend-Haft
Herkunft und
Heimat
„Tugend“ klingt deutsch. Nach Günter
Netzer, so gescheitelt und gescheit. Er
spricht wohl auch deshalb allenthalben
davon: Disziplin, Ehrgeiz, Fleiß bräuchte
es, sagen die Fußballlehrer. Erzieher
schwören ohnehin durch die Bank
auf Ordnungsliebe und Sparsamkeit,
Pünktlichkeit zumal.
Tugend ist eine positive innere
Haltung und die Fähigkeit, gut zu
handeln. Doch den „alten Tugenden“
wird wehmütig nachgeschaut. Der
Bundespräsident wünscht sich, wohl
nicht nur aus Lust auf den Titelgewinn,
neuen deutschen Wind. „Ein bisschen
mehr Ehrlichkeit, Anständigkeit und
Redlichkeit im täglichen Umgang
können uns wirklich nicht schaden“,
sagte er. Denn auf der Straße schauen
wir ja doch nur weg.
Die preußischen Tugenden sind in
der Armee entstanden und dienten
dazu, die Soldaten zu disziplinieren,
so dass sie im Zweifel auch treu in
den Tod marschierten: Aufrichtigkeit,
Bescheidenheit, Fleiß, Treue. Die
Kriege der Preußen müssen wir
nicht mehr kämpfen, ihre Tugenden
aber haben überlebt – in Teilen: Die
Gesellschaft für Konsumforschung
hat herausgefunden, dass nur noch
18 Prozent der Deutschen Wert auf
Pünktlichkeit legen. Schüler sehen
das an ihren schlechten Kopfnoten,
die es in manchem Land wieder
gibt. Hoffentlich werden wir fürs
Zuspätkommen im Mathe-Unterricht
nicht bald ausgebürgert.
Martin Machowecz, 19
Links
Heimat ist ein Gefühl. Sie hilft uns
bei der Frage, woher wir kommen.
Für die meisten Deutschen ist Heimat
aber nicht ihr Land – nur 11 Prozent
verbinden einer Studie von 2004
zufolge mit dem Begriff „Heimat“ die
Bundesrepublik. Die Mehrheit, 89
Prozent, sehen in Familie, Freunden
und Heimatort ihre Wurzeln.
Das Gefühl Heimat macht sich
immer
dann
bemerkbar,
wenn
man nicht zu Hause ist. Erst dann
lernt man schätzen, was vorher so
selbstverständlich war. Auch viele der
6,7 Millionen in Deutschland lebenden
Ausländer kämpfen damit. Sie sind in
die BRD gekommen und sollen sich
nach Ansicht der meisten Deutschen
komplett in die Gesellschaft einfügen.
Integration ist das Schlagwort. Das
heißt, die deutsche Verfassung
akzeptieren, die deutsche Sprache,
Kultur und Geschichte lernen und sich
den Gepflogenheiten anpassen.
Wer die Integration schafft, kann sogar
die deutsche Staatsbürgerschaft erreichen. Das hat Vorteile, bedeutet aber
nicht zwangsläufig, dass Deutschland
auch die neue Heimat wird.
Wie umschreibt es Rapper Dendemann
in seinem Song „Liebes Logbuch“:
„Zuhaus ist, wo man sich so fühlt,
nicht, wo man herkommt...“.
Björn Urbansky, 21
Links
❚ Fremde Heimat, Migration weltweit:
migrationsblog.swr.de
❚ Junge Migranten: mitarbeit.de
❚ Das Integrationsportal: integration-indeutschland.de
❚ Fotoausstellung:
diekunstdeutscherzusein.wortbildner.de
❚ Wikipedia, „Tugend“:
wikipedia.org/wiki/Tugend
❚ Artikel „Brauchen wir Kopfnoten?“: jetzt.
sueddeutsche.de/texte/anzeigen/403916
❚ Artikel „Was ist typisch deutsch?“:
focus.de/wissen/bildung/deutsch/
stereotype_aid_21930.html
Die beiden dem Lateinischen entlehnten
Begriffe sind so verschieden wie alt.
Patriotismus kommt von „patria“, was
„Heimat, Vaterstadt oder Vaterland“
bedeutet. Folglich ist ein Patriot jemand,
der sich mit seiner Heimat, seiner
Vaterstadt oder seinem Vaterland
identifiziert.
Dem Nationalismus hingegen liegt „natio“
zugrunde, was Geburt oder Herkunft
bedeutet. Im Gegensatz zum Patriotismus beschreibt der Nationalismus
kein Verbundenheitsgefühl, sondern
eine politische Idee. Nationalisten
stehen für die Übereinstimmung eines
Staatskonstrukts mit einer Nation
im territorialen Sinne. Es wird davon
ausgegangen, dass Menschen mit
gleichem ethnischen, sprachlichen und
kulturellen Hintergrund zu einem „Volk“
zusammengefasst werden könnten.
Diesem „Volk“ soll ein eigener Staat
garantiert werden. Betont wird dabei
der Umstand, dass nur Angehörige des
eigenen „Volkes“ rechtmäßige Bürger des
Nationalstaates seien. Konfliktpotential
ist vorprogrammiert – die Geschichte
beweist das eindrucksvoll.
Hannes-Caspar Petzold, 18
Links
❚ Definition Patriotismus:
deutschland.or05.de
❚ Vom guten und schlechten Patriotismus:
bundestag.de/dasparlament/2007/01-02/
Beilage/006.html
❚ Artikel: „Wie entsteht Nationalismus?“:
zeit.de/2007/48/OdE5-Nationalismus
Deutsche
Geschichten
Was ist Nationalismus, was ist
Patriotismus?
Impressum
Das SPIESSER-Spezial entstand in Zusammenarbeit
mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ (www.stiftung-evz.de).
Herausgeber
SPIESSER – die Jugendzeitschrift
im Auftrag von Medienkulturhaus e.V.
Projektleitung
Anja Neufert, 0351-31540564
Redaktion
Peter Stawowy
Autoren
Nele Fischer, Tine Heynatz, Rick Noack, Martin
Machowecz, Hannes-Caspar Petzold,
Björn Urbansky, Bastian Weiß
Mitarbeit
Jenny Baldauf, Sabrina Greifenhofer, Jonas Großmann,
Maria Herwig, Laura Naumann, Antonie Rietzschel
Fachliche Beratung
Sonja Böhme, Franka Kühn,
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
Fotos
André Forner
Gestaltung und Satz
Ronny Pietsch, Maik Wankmüller
Bücher
Von Null auf Deutsch in
hundert Fragen
von Lothar-Müller Güldemeister
& Wojtek Fraczyk
Wer deutscher Staatsbürger
werden möchte, muss durch
den Einbürgerungstest. Doch den kann kaum
ein Deutscher fehlerfrei ausfüllen. Was tun?
Alle 100 Antworten, Kommentare und lustige
Bilder gibt es in diesem Buch.
Better Solutions Verlag, 11,80 Euro
Deutschstunde
von Sigfried Lenz
1954: Siggi Jepsen sitzt in einem
Internat für straffällige Jugendliche.
Als er einen Aufsatz über die
„Freuden der Pflicht“ schreiben
soll, kommen die Erinnerungen an seinen Vater.
Siggi findet keinen Anfang und gibt ein leeres
Blatt ab. Er wird eingesperrt und soll den Aufsatz
nachholen. Und er schreibt. Über seinen Vater,
der alles für den Führer tat.
dtv Verlag, 10 Euro
In meinem kleinen Land
von Jan Weiler
Deutschland einmal von der
anderen Seite: Statt sich durch
Großstädte zu drängeln, erforscht
Jan Weiler die unbekannteren
Ecken Deutschlands und lässt Sehnsucht und
Reiselaune aufkommen – nach Deutschland.
Rohwolt Verlag, 9,90
Filme
Wie bitte?!
Seid ihr stolz,
deutsch zu
sein?
Wir wollen eure Meinung wissen:
Seid ihr nun stolz, deutsch zu sein?
Oder geht das gar nicht, stolz auf
ein Land zu sein? Schreibt uns eure
Meinung, eine Geschichte oder ein
Gedicht, dreht einen Film oder bastelt
eine Collage. Die besten Antworten
veröffentlichen wir auf SPIESSER.de!
Kontakt
[email protected]
SPIESSER Redaktion,
Postfach 210220
in 01277 Dresden
Internetseiten
Am Ende kommen die
Touristen
ein Film von Robert Thalheim
Sven verweigert den Wehrdienst und will am liebsten nach
Amsterdam. Dort ist der Zivildienst
noch cool. Aber eine Stelle ist nur in Polen frei,
im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz.
Sven soll sich um die Gedenkstätte und den
Überlebenden Krzeminski kümmern. Aber der
hält so gar nichts von Deutschen.
Deutschland 2007, ab 16. Februar 2008 auf
DVD
Deutsche Geschichten
eine „work in progress“-Internetseite
Geschichte in Form von Geschichten erzählen,
das ist der Ansatz dieser spannenden Seite.
Dabei geben Texte die Einordnung für eine
Reihe von Filmen und Dossiers, die etwa von
Tunnelbauten unter der deutschen Mauer oder
dem Einsatz von Handels-U-Booten im Ersten
Weltkrieg berichten. Zum Mitgestalten.
Eine Produktion der Cine Plus Leipzig GmbH
in Co-Produktion mit der Bundeszentrale für
politsche Bildung (bpb)
Link: deutschegeschichten.tv
Leroy
ein Film von Armin Völkers
Leroy ist 17, intelligent, gebildet
und schwarz. Letzteres scheint
ein Problem zu sein, denn wenn
ein Schwarzer nicht auf HipHop
steht, stimmt irgendwas nicht. Als er sich in Eva
verliebt und diese auch in ihn, steht die nächste
Schwierigkeit ins Haus. Evas Familie ist so
deutsch, deutscher geht es nicht. Ihre Brüder
würden Leroy lieber bluten sehen, als an der
Seite ihrer Schwester.
Deutschland 2007, Regie: Armin Völckers
Eines Tages
ein Web 2.0-Projekt von Spiegel-Online
„Fummelbunker mit Heckschürze“ beschreibt
Einestages.de den Oldtimer Opel Manta, „Vom
Sexsymbol zum Kainsmal“ heißt es zur Zigarette.
Der Internet-Ableger von Spiegel-Online beteiligt
seine Leser am „Geschichtspuzzle“, indem es
nach Zeitzeugen und Dokumenten sucht. Das
Material wird dann ansprechend aufbereitet.
Eine Produktion der Cine Plus Leipzig GmbH
in Co-Produktion mit der Bundeszentrale für
politsche Bildung (bpb)
Link: einestages.de
Wie Feuer und Flamme
ein Film von Connie Walther
Berlin 1982: Im Westen lebt
Nele, im Osten Punker Captain.
Als sich die beiden zufällig
treffen, sprühen die Funken
und Nele schmuggelt ein selbstgedrehtes
Musikvideo von Captains Band in den Westen.
Dort werden die Jungs aber als Säufer und
Nazis dargestellt und die Stasi kommt auf den
Plan. Nele und Captain lieben sich, aber wie
soll das gutgehen?
Deutschland 2001, Regie: Connie Walther;
Drama, auf DVD erhältlich
Lernen aus der Geschichte
Nationalsozialismus im Unterricht
Was war das für ein Mensch? Der NS-Arzt
Friedrich Mennecke war unmittelbar an der Tötung
von sogenanntem „unwerten Leben“ beteiligt. Er
ist nur einer der möglichen Zugänge, wie die
NS-Zeit mit all ihren Schrecken vom Holocaust
über den Krieg bis zur Zwangsarbeit spannend
im Unterricht aufgegriffen werden kann. Zu den
Projekt-Ideen kommen noch Materialsammlungen
und weiterführende Hinweise. Ein Projekt der TU
Berlin, gefördert durch die Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“
Link: lernen-aus-der-geschichte.de
Hier seid ihr gefragt:
EUROPEANS FOR PEACE
Europeans for Peace ist ein Förderprogramm
der Stiftung für internationalen Austausch.
Ihr könnt euch mit einem Projekt zum Thema
„Herkunft & Vielfalt, Woher kommen wir – Wohin
gehen wir?“ bewerben. Einzige Voraussetzung:
Eure Schule sollte bereits Kontakte oder
Partnerschaften zu Schulen in Mittel-, Ost,
Südeuropa oder Israel haben. Mit denen
organisiert und realisiert ihr dann gemeinsam
euer Projekt. Die Form des Projektes könnt
ihr selbst wählen: ob Meinungsumfragen,
Kampagnen, Filme, Websites, Theaterstücke,
Publikationen oder Veranstaltungen – lasst eurer
Kreativität freien Lauf! Die Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“ prämiert und
veröffentlicht die besten Beiträge!
Begegnungen mit Opfern
des Nationalsozialismus
Die Stiftung fördert Einladungen von
Überlebenden des Nationalsozialismus aus
dem Ausland nach Deutschland. Vor allem
junge
Menschen
werden
aufgefordert,
sich mit den Lebensgeschichten der Opfer
auseinanderzusetzen. Wenn ihr ein solches
Projekt für den Geschichtsunterricht oder
in eurem Jugendklub plant, könnt ihr hier
Zuschüsse beantragen. Macht eure Lehrer und
Betreuer darauf aufmerksam!
ENTDECKE OSTEUROPA!
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft“ unterstützt Jugendliche, die ein
Schüleraustauschjahr in einem osteuropäischen
Land oder in Israel verbringen möchten.
Stipendien erhaltet ihr über die beiden
Schüleraustauschprogramme afs interkulturelle
Begegnungen und youth for understanding.
www.afs.de
www.yfu.de
www.stiftung-evz.de
www.europeans-for-peace.de
Die Stiftung „Erinnerung,
Handeln für
Demokratie und
Menschenrechte
Auseinandersetzung
mit der Geschichte
Humanitäre Hilfe
für Opfer des
Nationalsozialismus
Verantwortung und Zukunft“ . . .
. . . hat ihren Sitz in Berlin.
. . . wurde im Jahr 2000 gegründet.
. . . hat zwischen 2001-2007 an über
1,6 Millionen noch lebende ehemalige
Zwangsarbeiter, die während des Zweiten
Weltkrieges für Deutschland arbeiten mussten,
Geld ausgezahlt.
. . . unterstützt zum Beispiel den
internationalen Jugendaustausch.
. . . ermutigt junge Menschen, sich für
Demokratie und Menschenrechte zu
engagieren.
Mehr Informationen
www.stiftung-evz.de