Hans Kissling, Dipl. Ing. ETH Hans

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Hans Kissling, Dipl. Ing. ETH Hans
Das Ausbildungs-Kompendium für den Transportlogistiker.
Autoren:
Hans Kissling, Dipl. Ing. ETH
Hans-Jörg Ziegler, Dipl. Math.
© H.KISSLING Ingenieurbüro für Logistik CH-8916 Jonen AG
Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 1
Inhaltsverzeichnis
1.
1.1.
1.2.
1.3.
1.4.
1.5.
1.6.
1.7.
EINFÜHRUNG
Begriffe
Güterverkehr
Alpenquerender Güterverkehr
Verkehrsleistungen
Emissionskategorien
Emissionen
LSVA
2.
2.1.
2.1.1.
2.1.2.
2.1.3.
2.1.4.
2.1.5.
2.2.
2.2.1.
2.2.2.
2.2.3.
2.2.4.
2.2.5.
2.2.6.
2.2.7.
2.2.8.
2.2.9.
2.3.
2.3.1.
2.3.2.
2.3.3.
2.3.4.
2.3.5.
2.3.6.
TRANSPORTPLANUNG
Aufgaben der betrieblichen Transportplanung
Ein Beispiel zur Einführung
Klassifikation
Wirtschaftliche Bedeutung
Die Vorteile einer EDV-Transportplanung
Die Nachteile einer EDV-Transportplanung
Allgemeine Grundlagen
Das Problem „Tourenplanung“
Travelling Salesman Problem
Chinese Postman Problem
Zuordnungsoptimierung
Ein-Depot-Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Mehr-Depot-Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Depotfreie Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Multiple Salesman Problem
Erweiterungen und verwandte Probleme
Die Elemente der Transportplanung
Kunden
Aufträge
Fahrzeuge
Distanzen
Touren
Planungsprozess
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3.
3.1.
3.1.1.
3.1.2.
3.1.3.
3.2.
3.2.1.
3.2.2.
3.2.3.
3.2.4.
3.3.
3.3.1.
3.3.2.
EDV-EINSATZ IN DER TOURENPLANUNG
Optimierungsverfahren
Das Hauptproblem: die Rechenzeit
Exakte und heuristische Optimierung
Standardverfahren zu Tourenoptimierung
Funktion und Bedienung von Planungsprogrammen
Maschinelle Tourenoptimierung
Fuhrparkinformationssystem mit manueller Tourenplanung
Interaktive Tourenoptimierung
Tourenoptimierung mit grafischer Ein- und Ausgabe
Aufbau von Tourenplanungsprogrammen
Programmablauf und Datenfluss
Daten-Input
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3.3.3.
3.3.4.
3.3.5.
3.3.6.
3.3.7.
3.4.
3.4.1.
3.4.2.
Netzwerkanalyse
Netzwerkpflege durch Einsatz mobiler Bordcomputer
Tourenplanung
Durchführung der Dialogfunktionen
Daten-Output
Realisation eines EDV-Systems
Phasenplan
Checkliste für die Software-Beschaffung
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36
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4.
4.1.
4.2.
4.2.1.
4.2.2.
4.3.
4.3.1.
4.3.2.
4.3.3.
NETZWERKANALYSE
Allgemeines
Erstellen einer Distanzmatrix
Verbindungsstrassenmethode
Koordinatenmethode
Reduktion eines Netzwerkes
Dekomposition
Sukzessive Komposition
Subsysteme
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41
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5.
DIE HÄNDISCHE PLANUNG
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6.
6.1.
6.1.1.
6.1.2.
6.1.3.
6.2.
6.2.1.
6.2.2.
6.2.3.
6.2.4.
6.3.
6.4.
6.5.
6.6.
DAS LOGISTIK-INFORMATIONSSYSTEM LISY
Allgemeine Einführung
Was ist ein LISY
Warum ein LISY ?
Die Voraussetzungen
Definition Bordcomputer
Das Datenerfassungssystem
Die Datenübertragungs-Station
Der Auswertungs-PC
Abgrenzung zu Tourenplanungssystemen
Die Auswertungen
Notwendige Anpassungen im Arbeitsablauf
Nutzen für das Gesamtunternehmen
Empfohlene Vorgehensweise
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Vorwort
Geld wird immer teurer - Sparen tut Not. Durch Reduzierung von Überkapazitäten im
Fuhrpark und bei Transportanlagen kann man die laufenden Kosten eines Betriebes
senken. Aber auch die Beseitigung von Engpässen und Unterkapazitäten kann Kosten senken.
Beim täglichen Einsatz von Fahrzeugen fallen Fehlplanungen nicht sofort auf. Überstunden und Lieferverzögerungen gleichen Entscheidungsfehler scheinbar wieder
aus, schleichen sich aber in die laufenden Transportkosten ein.
Eine sorgfältige Planung beim Einsatz und bei der Beschaffung von Transportmitteln
ist also unerlässlich. Computer und Mathematik können die menschliche Erfahrung
nicht ersetzen, aber sie sind, richtig eingesetzt, ein hervorragendes Hilfsmittel für den
Planer.
Der Einsatz von Tourenplanungsprogrammen trägt dazu bei, Fahr- und Stillstandszeiten zu reduzieren und die Auslastung von Fahrzeugen zu erhöhen. Sie helfen
beim Abbau von Überkapazitäten und steigern die Leistungsfähigkeit eines Fuhrparks. Sie entlasten den Disponenten von fehleranfälligen Routineaufgaben und machen die Planung transparenter.
Mit Simulationsmodellen kann man die Konzeption von Transportanlagen und die
Ausstattung eines Betriebes mit Transportmitteln optimieren. Mit ihnen lässt sich die
Funktionsfähigkeit von Transportsystemen bereits in der Planungsphase überprüfen.
Dadurch lassen sich Fehlinvestitionen vermeiden.
Dieses Skript ist als Einstiegsinformation für alle, die in der Praxis mit Transportplanung beschäftigt sind, gedacht. In ihm werden die Möglichkeiten und Grenzen von
Mathematik und Computer aufgezeigt. Die Leser lernen die Grundideen und Lösungskonzepte moderner Computerprogramme kennen.
Sie werden dadurch befähigt, Ansatzpunkte zur Verbesserungen ihrer Planung zu
erkennen, Lösungen zu konzipieren und Anforderungsprofile zu formulieren, sowie
EDV-Programme auszuwählen, einzusetzen und an betriebsspezifische Erfordernisse anzupassen.
Auch denjenigen, die sich bereits etwas mit der Thematik beschäftigt haben, bietet
das Buch praktische Hinweise, wie bestimmte Probleme mit neueren Computerverfahren gelöst werden können.
Hans Kissling
Weitere Ausführungen können an folgender Autorenadresse angefordert werden, ausserdem besteht auf der Homepage eine
umfangreiche Download-Bibliothek:
H.KISSLING Ingenieurbüro für Logistik
Logistik- und Managementberatung
Bristenweg 5
CH-8916 Jonen AG
Tel 056 634 44 55 Fax 056 634 44 58
Email:
[email protected]
Website: www.kissling-logistik.com
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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1. Einführung
1.1. Begriffe
Der Begriff Logistik für die materielle Versorgung von Bedarfs- und Leistungsträgern
geht auf den militärsprachlichen Gebrauch sowohl des griechischen Wortstamms logos (Verstand, Rechenkunst) als auch des germanisch-französischen Wortstamms
loger (versorgen, unterstützen) zurück. Im Hinblick auf die Versorgung der Streitkräfte sowie die Berechnung ihrer raumzeitlichen Bewegungen definierte der byzantinische Kaiser Leontos VI. (886 bis 911) neben Strategie und Taktik die Logistik als militärische Führungsaufgabe. Demgegenüber führte der französische General Jomini
(1779 bis 1869) die Bezeichnung Logistik für die Versorgung und Dislozierung von
Streitkräften auf den Wortstamm maréchal de logis (loger) zurück. In diesem Sinn
hat der Begriff Logistik als materielle Versorgung und Unterstützung von Leistungsprozessen Eingang in die Wirtschaftswissenschaften und die Wirtschaftspraxis gefunden. Danach umfasst Logistik in Wissenschaft und Praxis die Erforschung und
die ökonomische Gestaltung und Steuerung von Güterfluss-Systemen.
Das Transportwesen ist eine zentrale Anwendung der Logistik und hat die Planung
und Durchführung von Massnahmen zur Optimierung der zeitlich-räumlichen Veränderung von Gütern zum Inhalt. In erster Linie geht es dabei um die betriebswirtschaftlich optimale Wahl der Transportmittel, der Transportwege und des Transporthandlings.
Der Strassengüterverkehr gliedert sich in gewerblichen Strassengüterverkehr
(Transporte für andere) und Werkverkehr (Transporte für das eigene Unternehmen).
Abzugrenzen ist ausserdem nach Nah- und Fernverkehr. Der StrassengüterNahverkehr erfasst Beförderungen in der Nahzone (Umkreis von 75 km vom Standort des Transportunternehmens). Zu unterscheiden ist weiterhin nach
• Binnenverkehr (Transporte, deren Quelle und Ziel im Inland liegen),
• grenzüberschreitendem Verkehr (Transporte mit Quelle oder Ziel im Ausland)
und
• Transitverkehr (Durchgangsverkehr mit Quelle und Ziel im Ausland).
1.2. Güterverkehr
Die Bedeutung des Strassentransportwesens in der Schweiz kann mit einigen wenigen Zahlen dargelegt werden:
ƒ So ist zwischen 1980 und 2007 der Fahrzeugbestand im Sachentransport um
91% auf über 324'000 gestiegen.
ƒ Davon sind 268'750 leichte Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht kleiner als
3.5 Tonnen.
ƒ Dieser Bestand hat seit 1980 um den Faktor 1.21 zugenommen.
ƒ Die Fahrzeuge über 3.5 Tonnen sind bestandsmässig seit 1980 nur um 15%
auf 55'403 gestiegen, zudem ist eine Tendenz zu den SattelaufliegerFahrzeugen zu vermerken.
Zunehmende Gütertransporte sind eine Begleiterscheinung des wirtschaftlichen
Wachstums. Denn Produktivitätssteigerungen lassen sich insbesondere durch eine
Erhöhung der Stückzahlen (so genannte Skalenerträge) erreichen. Dies ist nur möglich, wenn die Produktion auf immer weniger Standorte konzentriert, respektive die
Arbeitsteilung erhöht wird. Die zunehmende Arbeitsteilung, der wachsende Lebensstandard wie auch der Trend zu Just-in-Time-Lieferungen führen zu einem Anstieg
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der Gütertransporte. Diese sind mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden (Lärm, Schadstoffausstoss, Flächenverbrauch und Landschaftszerschneidung). Deren Ausmass lässt sich durch die Wahl des Verkehrsmittels beeinflussen,
denn beim Transport auf der Schiene ist der Ausstoss an Schadstoffen und Treibhausgasen geringer als beim Strassentransport.
Abbildung 1: Verkehrsleistungen im Güterverkehr
Im rein schweizerischen Verkehr hat sich während der letzten 50 Jahren die Anzahl
der geleisteten Tonnen-Kilometer verzehnfacht. Dabei fand eine sukzessive Verlagerung von der Schiene auf die Strasse statt. Rein zahlenmässig gesehen wird somit
jede Tonne im Strassenverkehr rund 60km weit gefahren, auf der Schiene sind es
immerhin 180 km. Für die weitere Entwicklung ist davon auszugehen, dass im
schweizerischen Verkehr die mengenmässige Steigerung gesamthaft deutlich abflacht. Eine Rückverlagerung von der Strasse auf die Schiene ist mittelfristig nicht zu
erwarten; dies ist letztlich eine Kostenfrage und damit abhängig von der fiskalpolitischen Steuerung. Im Transitverkehr hingegen ist nach Inbetriebnahme der NEAT mit
einer Steigerung der absoluten Menge zu rechnen, weil Teile der Mengenströme im
alpenquerenden Güterverkehr vom Brenner, Mont-Blanc und Fréjus übernommen
werden können.
Der Strassen-Gütertransport hat also unzweifelhaft eine grosse und weiter steigende
Bedeutung. Dies begründet sich im Übergewicht der Vorteile gegenüber der Schiene:
• Hohe Terminflexibilität
• Flächendeckende Haus-zu-Hausbelieferung rund um die Uhr
• Hohe Schnelligkeit
• Niedrige Stillstands- und Wartezeiten
• Hoher Segmentierungsgrad der Fahrzeugtypen und -arten
Die objektiven Nachteile wiegen die obigen Vorteile nicht auf:
• Nachtfahrverbot für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht über 3.5 Tonnen
• Verkehrsüberlastungen der Strassen
• Witterungseinflüsse
• Einschränkungen im Gefahrgut-Transport
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•
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Rechtliche Einschränkungen.
1.3. Alpenquerender Güterverkehr
Der zunehmende internationale Güterverkehr ist unter anderem eine Folge der Konzentration von wirtschaftlichen Tätigkeiten an wenigen Orten und der damit verbundenen Steigerung der weltweiten Importe und Exporte. Die Schweiz ist wegen ihrer
geographisch zentralen Lage vom alpenquerenden Verkehr besonders betroffen.
Wegen der geringen Grösse der Schweiz ist die Aussenhandelsquote vergleichsweise hoch. Zudem durchqueren viele Güter die Schweiz als Transitware, denn oft führt
die nächste Verbindung zwischen wichtigen Industrienationen der EU-Staaten über
die Schweizer Alpen. 2004 waren 70 Prozent der Lastwagen, welche die Schweizer
Alpen überquerten, im Ausland registriert.
Abbildung 2: Güterschwerverkehr durch die Alpen
Der alpenquerende Güterverkehr (AQGV) konzentriert sich in der Schweiz auf die
Achsen Grosser Sankt Bernhard, Lötschberg/Simplon, Gotthard und San Bernardino. Vom AQGV betroffen ist vor allem die Bevölkerung, welche entlang dieser
Hauptverkehrsachsen wohnt. Sie hat mit überdurchschnittlichen Schadstoff- und
Lärmimmissionen zu leben. Diese Umweltbelastungen hängen vor allem von Anzahl
und Art der Güterfahrzeuge ab. Wie effizient die Ladekapazität des Transportmittels
genutzt wird, hat nur einen kleinen Einfluss.
Die Umweltbelastungen spielten eine wichtige Rolle in der Diskussion mit der Europäischen Union, welche im Rahmen der Bilateralen Abkommen I zu einer Begrenzung des AQGV führten. Der Bund hat das Ziel gesetzt, die Zahl der Fahrten im alpenquerenden Güterschwerverkehr auf 650 000 pro Jahr zu senken.
1.4. Verkehrsleistungen
Fortbewegung ist seit jeher ein Bedürfnis des Menschen und eine Voraussetzung für
eine leistungsfähige Wirtschaft. Wohn- und Arbeits- oder Ausbildungsorte rücken
immer weiter auseinander; ferne Freizeit- und Feriendestinationen werden leichter
zugänglich und Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungsangebote zentralisiert.
Diese Entwicklungen führen zur Verlängerung der Wegstrecken aber nicht automa© H.KISSLING Ingenieurbüro für Logistik CH-8916 Jonen AG
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tisch zu längeren Reisezeiten. Denn die verschiedenen Lebensbereiche werden immer lückenloser vernetzt und die Transportmittel schneller. Längere Wegstrecken
und Bevölkerungswachstum führen zu einem wachsenden Verkehrsaufkommen auf
Strasse, Schiene und auch in der Luft und somit zu erhöhter Belastung der Umwelt
(Lärm, Schadstoffausstoss, Flächenverbrauch und Landschaftszerschneidung). Dabei verzeichnet der Strassenverkehr ein stärkeres Wachstum als der Schienenverkehr, was sich auf die Umwelt negativ auswirkt.
Abbildung 3: Verkehrsleistungen im Personenverkehr
1.5. Emissionskategorien
Abbildung 4: Sachentransportfahrzeuge nach Emmissionskategorie
Technische Fortschritte ermöglichten es, die Schadstoffemissionen von Motoren laufend zu senken. Damit diese neuen Erkenntnisse im Alltag auch angewandt werden,
haben verschiedene Staaten Emissionsgrenzwerte festgelegt. 1993 wurden diese
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auf EU-Ebene vereinheitlicht. Die EU-Emissionskategorien (Euronormen), welche die
Fahrzeughersteller dazu verpflichtet, die jeweils höchste entwickelte Norm einzuhalten, gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Die Schweiz begann 1995, ihre Normen mit denjenigen der EU in Einklang zu bringen. Sie verwendet sie zum Beispiel zur Besteuerung der Lastwagen durch die
LSVA. Ältere Lastwagen, welche mehr Schadstoffe ausstossen (tiefe EURONormen), haben höhere Beträge zu entrichten.
Schweizer Lastwagen fahren weit weniger Kilometer als ausländische (Nachtfahrverbot). Die Fahrzeuge werden weniger schnell abgenutzt und ersetzt. Dies hat zur
Folge, dass ein vergleichsweise hoher Anteil der Schweizer Last-wagen nur den älteren EURO-Normen genügen.
1.6. Emissionen
Abbildung 5: Emissionen im Strassengüterverkehr
1.7. LSVA
Die Entwicklung eines leistungsfähigen und wirtschaftlichen Strassenverkehrs ist eines der erklärten Ziele der Strassenverkehrspolitik. In der Frage der Einbindung des
Verkehrsträgers Strasse in das gesamte Verkehrssystem steht der Strassengüterverkehr in einer Konfliktsituation: Einerseits ist er wegen seiner qualitativen und kostengünstigen Leistungseigenschaften für Wohlstand und Wachstum der Volkswirtschaft unentbehrlich, andererseits wird seine Art. 1 Zweck
1 Mit der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe
Verringerung wegen der
(Abgabe) soll der Schwerverkehr die ihm zurechenbaren Wegekosten und Kosten zulasten der Allgemeinheit
von ihm ausgehenden
langfristig decken, soweit er für diese nicht beUmweltbelastungen und
reits durch andere Leistungen oder Abgaben aufkommt.
2 Mit der Abgabe wird ausserdem ein Beitrag dazu geUnfallfolgen gefordert.
leistet, dass:
Im Bundesgesetz über
a. die Rahmenbedingungen der Schiene im Transportmarkt verbessert werden;
die leistungsabhängige
b. die Güter vermehrt mit der Bahn befördert werSchwerverkehrsabgabe
den.
(LSVA) steht in Art 1:
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Das Parlament hat das Bundesgesetz am 19. Dezember 1997 verabschiedet. In der
Volksabstimmung vom 27. September 1998 wurde es angenommen. Die LSVA löst
ab dem 1. Januar 2001 die bisherige pauschale Schwerverkehrsabgabe ab. Als Erhebungsgrundlagen dienen:
• das höchstzulässige Gewicht des Fahrzeuges (Gesamtgewicht)
• die in der Schweiz gefahrenen Distanz-Kilometer
• die Emissionskategorie des Fahrzeugmotors
Die Tarifansätze pro Tonne Fahrzeug-Gesamtgewicht betragen dabei:
Emission
Euro-Kategorie
Betrag in Rp pro Tonnen-Km
LSVA ab
LSVA ab
LSVA ab 05-08
01.01.2001 01.01.2005 01.01.2008 %-Diff
0 und 1
2.00
2.88
3.07
7%
2
1.68
2.52
3.07
22%
3
1.42
2.15
2.66
24%
4 und 5
1.42
Tabelle 1: LSVA-Tarifansätze
2.15
2.26
5%
Ein Hängerzug der Emissionskategorie 2 und mit 34 Tonnen Gesamtgewicht, der im
Jahr 70’000km fährt, hat also folgende leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgaben zu entrichten:
• ab 1. Jan. 2001 bis 31. Dez. 2004:
Fr
39'984.- pro Jahr
• ab 1. Jan. 2005 bis 31. Dez. 2007:
Fr
59'976.- pro Jahr
• ab 1. Jan. 2008:
Fr
73'066.- pro Jahr
Mit diesen Abgaben kann aus Sicht des Bundes der im LSVA-Bundesgesetz festgelegte Zweck angenähert werden: es werden Gelder generiert, welchen den zugedachten Verwendungen zugeführt werden können. Aus Sicht des Verladers entsteht
gleichzeitig ein Anreiz, die LVA-Kosten zu minimieren. Dies kann mit folgenden Effizienzsteigerungen erreicht werden:
• strategische Transportmittelplanung (Einsatz der günstigsten Transportmittel)
o Optimierung der zeitlichen und räumlichen Fahrzeug-Auslastung
o Reduktion des Leerfahrtenanteils
• Taktische Tourenoptimierung (Einsatz des günstigsten Transportprozesses)
o Nutzung von Tourenplanungssystemen
o Nutzung des gewerblichen Strassengüterverkehrs.
Tabelle 2: Wirkung der LSVA bei den Fahrdistanzen
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2. Transportplanung
2.1. Aufgaben der betrieblichen Transportplanung
2.1.1. Ein Beispiel zur Einführung
Produktionsbetriebe, Dienstleistungsunternehmen und Behörden führen täglich eine
Fülle von unterschiedlichen Transportaufgaben durch. Betrachten wir als Beispiel die
Geschichte eines Möbelstückes:
Zuerst wird Holz gefällt, eingesammelt und zu einem Sägewerk gebracht, wobei
Traktoren, Unimogs und Lastkraftwagen als Transportmittel eingesetzt werden. Charakteristisch für diesen Transportvorgang ist das Einsammeln eines Transportgutes:
man konzentriert das in einem weiten Gebiet verteilte Rohmaterial an mehreren Zwischenlagern und fährt es schliesslich zu einem einzigen Ziel.
Abbildung 6: der Transport (gestrichelte Linie) darf in seiner gesamtheitlichen Bedeutung nicht unterschätzt werden.
Für die innerbetrieblichen Transportvorgänge im Sägewerk werden Gabelstapler,
Schienenfahrzeuge und Förderbänder eingesetzt. Schienen und Bänder sind stationäre Transportanlagen mit einem festen Streckennetz, das nach Inbetriebnahme der
Anlage nur noch mit grossem Aufwand geändert werden kann. Gabelstapler und
LKW sind mobile Transportmittel. Sie können sich innerhalb eines Strassen- und
Wegenetzes frei bewegen.
Im nächsten Schritt erfolgt der zwischenbetriebliche Transport vom Sägewerk zur
Möbelfabrik. Transportmittel sind firmeneigene LKWs oder Speditionsfahrzeuge, als
Transportwege dienen Strassen. Die Kapazität dieser Transportmittel wird durch das
zulässige Ladegewicht begrenzt. Da sich die Transportaufgaben regelmässig wiederholen, kann man hier meistens einen festen Tourenplan durchführen.
Während der Möbelproduktion finden wieder zahlreiche innerbetriebliche Transporte
mit mobilen und stationären Transportmitteln statt: Gabelstapler transportieren Bretterstapel vom Rohmateriallager zu den Fertigungsbändern, auf den Bändern laufen
Bretter und Zwischenprodukte von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, und schliesslich
transportieren Stapler und Rollenförderer die Fertigprodukte zur Kommissionierung
und Verladung.
Die Fertigprodukte werden an Möbelhäuser ausgeliefert. Diese Warenverteilung an
die Kunden der Möbelfabrik geschieht im Allgemeinen auftragsbezogen. Sie wird mit
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Lastzügen in Pendeltouren, bei denen ein Grosskunde eine komplette Fahrzeugladung erhält, und Kombinationstouren, bei denen ein Fahrzeug mehrere Kunden beliefert, durchgeführt. Durch geschickte Zuordnung von Kundenaufträgen zu Fahrzeugen kann man die Transportkosten erheblich reduzieren.
Oft erschweren eine Vielzahl von Restriktionen die Planung, wie Fahrzeugkapazitäten, jahres- und tageszeitabhängige Fahrzeiten, nicht kalkulierbare Warte- und Entladezeiten, gesetzliche Pausenbestimmungen, kurzfristige Eilaufträge, Öffnungszeiten und Terminvorgaben der Kunden.
Die Möbelhäuser bilden zwar einen konstanten Kundenstamm, da sich aber ihr Auftragsvolumen von Woche zu Woche ändert, kann man nicht auf einen einmal erstellten Rahmentourenplan, der regelmässig wiederholt wird, zurückgreifen. Der Tourenplan muss für jeden Tag neu erstellt werden. Lediglich die Grossabnehmer sorgen für eine gewisse Regelmässigkeit.
Das Möbelhaus liefert an die Endverbraucher, montiert dort die gelieferten Möbel
oder führt andere Kundendienstleistungen durch. Die Kunden wechseln ständig. Kritische Restriktionen für die Tourenplanung sind die Montagezeiten vor Ort und die
Qualifikation der Fahrzeugbesatzungen. Die Begrenzung der Fahrzeugkapazitäten
hinsichtlich Volumen und Gewicht spielt hierbei keine Rolle. Zusätzlich wird die Tourenplanung dadurch erschwert, dass Möbel manchmal nicht abgeladen und montiert
werden können, weil der Kunde beim vereinbarten Liefertermin nicht zuhause ist.
Das Möbelstück macht im Lauf der Jahre mehrere inner- und zwischenbetriebliche
Transportvorgänge mit (Umräumaktionen innerhalb einer Wohnung und Umzüge).
Schliesslich landet es auf dem Sperrmüll. Seine letzte Tour erfolgt im Rahmen der
periodisch wiederkehrenden Kehrichtabfuhr, die mit einem einmal festgelegten Tourenplan immer wieder unverändert durchgeführt wird.
2.1.2. Klassifikation
Der im vorhergehenden Kapitel skizzierte Material- und Warentransport stellt nur einen Teil der betrieblichen Transportaufgaben dar. Daneben stehen andere Anwendungen, wie zum Beispiel:
•
•
•
•
Einsatz von Aussendienstmitarbeitern
Durchführung von Kundendienstleistungen und Montagearbeiten vor Ort
werksinterne Personenbeförderung
Informationsfluss: Transport von Daten, Akten, Plänen, Büchern usw.
Innerbetriebliche Transporte werden teils mit stationären Transportanlagen mit festem Wegenetz, wie z.B. Förderbänder, Rollenförderer und fahrerlose Transportsysteme, andernteils mit mobilen Transportmitteln, wie Gabelstapler, Schleppfahrzeuge
mit Hänger und Strassenfahrzeuge, durchgeführt.
Für ausserbetriebliche Transporte wird ein firmeneigener Fuhrpark (Werkverkehr)
eingesetzt und/oder Fremdleistungen von Speditionen (gewerblicher Speditionsverkehr), Bahn und Post in Anspruch genommen. Die grundsätzliche Unterscheidung
zwischen dem Werkverkehr und dem gewerblichen Speditionsverkehr liegt darin,
dass letzterer mit dem Einsatz von Fahrzeugen und Fahrern einen Gewinn erzielen
muss. Der Werkverkehr erwirtschaftet in der Regel keinen Gewinn. Vielfach ist es
eher so, dass mühsam erwirtschaftete Produktionsmargen durch eine wenig systematisierte Fahrzeugeinsatzplanung wieder erodiert werden.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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Oft findet man auch Mischformen: ein Betrieb besitzt einen eigenen Fuhrpark, der
fallweise durch den Einsatz von Speditionsfahrzeugen ergänzt wird. Die Tourenplanung für die Speditionsfahrzeuge wird zum Teil vom verladenden Betrieb selbst
durchgeführt und dient als Abrechnungsgrundlage für die Frachtberechnung.
In der folgenden Übersicht werden die vielfältigen Aufgaben der betrieblichen Transportplanung in einer allgemeinen, branchenunabhängigen Terminologie klassifiziert.
Tourenplanung
Planungsgegenstand:
Optimierungsziel:
Planungshorizont:
Planungsdimension:
Hilfsmittel:
Auslieferung, Abholung oder Transport von Waren
durch Fahrzeuge aufgrund von Kundenaufträgen,
Kundenbesuche durch Kundenbetreuer oder Servicetechniker, allgemein: Zuordnung von Aufträgen, Kunden usw. zu Fahrzeugen.
kurzfristige Minimierung der laufenden Transportkosten (Fahrleistung, Einsatzkosten), langfristige Minimierung der Fixkosten.
kurzfristig (Fahrzeugeinsatzplanung), mittelfristig (periodische Fahrzeugeinsatzplanung bei konstanten Touren oder als Rahmen für die tägliche Einsatzplanung),
langfristig (Fuhrparkdimensionierung).
ausserbetrieblich (weltweit, Land, Bezirk oder Stadt),
zwischenbetrieblich (Transporte zwischen Produktionsstätten, Lagern usw.), innerbetrieblich (Werksgelände).
EDV-Programme zur Tourenplanung mit manueller
Disposition und/oder mathematischer Tourenoptimierung, bzw. Reihenfolgeoptimierung.
Transportmittelplanung
Planungsgegenstand:
Optimierungsziel:
Planungshorizont:
Planungsdimension:
Hilfsmittel:
Kapazitätsplanung, Lieferstrategien, Zusammensetzung von Fuhrparks, Beschaffung von stationären
Transportanlagen und mobilen Transportmitteln.
langfristige Minimierung von Investitions- und Betriebskosten.
mittel- bis langfristig
ausserbetrieblich, zwischenbetrieblich, innerbetrieblich
Kostenrechnung, Tourenoptimierung, Simulation, lineare Optimierung (Transportproblem)
Anlagen-Kapazitätsplanung
Planungsgegenstand:
Optimierungsziel:
Planungshorizont:
Planungsdimension:
Hilfsmittel:
Kapazität von Be- und Entladeeinrichtungen, Förderanlagen, Fahrerlose Transportsysteme
Minimierung von Wartezeiten, Standzeiten, Hofzeiten
usw. und Anlagen-Kosten
mittel- bis langfristig
innerbetrieblich, selten zwischenbetrieblich
Simulation, Warteschlangentheorie
Standort-Planung
Planungsgegenstand:
Platzierung von Produktionsstätten, Lieferdepots, Servicebetrieben usw., Layout von Produktionsanlagen
und Betriebsgebäuden.
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Optimierungsziel:
Planungshorizont:
Planungsdimension:
Hilfsmittel:
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Minimierung der langfristig zu erwartenden Transportkosten
langfristig
ausserbetrieblich, zwischenbetrieblich, innerbetrieblich
Zuordnungsoptimierung, lineare Optimierung, Simulation
Verkehrswege-Planung
Planungsgegenstand:
Optimierungsziel:
Planungshorizont:
Planungsdimension:
Hilfsmittel:
Layout von Streckenführungen bei stationären Transportanlagen und Produktionsstätten, Linienführung im
Nahverkehr
Minimierung von Investitions- und Betriebskosten
langfristig
innerbetrieblich, selten zwischenbetrieblich
Simulation, heuristische Optimierung
2.1.3. Wirtschaftliche Bedeutung
Beim täglichen Einsatz von Fahrzeugen fallen Fehlplanungen und Unterkapazitäten
im Fuhrpark nicht sofort auf. Überstunden und Lieferverzögerungen gleichen Entscheidungsfehler scheinbar wieder aus, schleichen sich aber in die laufenden Transportkosten ein. Überkapazitäten und Sicherheitsreserven verursachen hohe Kosten
ohne Nutzen.
Zur Senkung der Transportkosten gibt es kurz- und langfristig wirksame Ansätze:
Abbildung 7: Ansätze zur Reduktion der Transportkosten
Ziel der strategische Transportmittelplanung ist die langfristig optimale Ausstattung eines Betriebs mit geeigneten Transportmitteln, also die Ausstattung mit minimalen Investitions- und Betriebskosten. Dazu gehört die Ermittlung des optimalen
Fahrzeugmix, gegebenenfalls die Erstellung von Rahmentourenplänen, die Redukti© H.KISSLING Ingenieurbüro für Logistik CH-8916 Jonen AG
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on von Überkapazitäten im Fuhrpark, aber auch die Beseitigung von Unterkapazitäten und Engpässen. Die wesentlichen Kostenfaktoren sind die Fixkosten und die zu
erwartenden Betriebskosten für die Transportmittel, sowie die Personalkosten von
Fahrern und Bedienungspersonal.
Abbildung 8: Beispiel zur Berechnung der Selbstkosten
Bei kurzfristigen Überlegungen sind die fixen Kosten im Allgemeinen nicht mehr beeinflussbar. Mit der taktischen Planung versucht man die kurzfristig anfallenden variablen Kosten zu minimieren. Das sind die Kosten für die Durchführung von vorgegebenen Transporten mit den vorhandenen firmeneigenen und fremden Transportmitteln.
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Diese Kosten stehen mit der Ausführung des Tourenplanes in direktem Zusammenhang, wie z.B. Kraftstoffverbrauch und Abnutzung der Fahrzeuge, Fahrpreise in öffentlichen Verkehrsmitteln, Kosten für Überstunden, Strafkosten für verspätete Auslieferung von Aufträgen. Zur Ermittlung eignen sich die Fahrzeugindividuellen Betriebskostenberechnungen, wie sie im folgenden Beispiel dargestellt sind.
Mit solchen Tabellen (vgl Abb. 3) soll nicht eine rappengenaue Übereinstimmung mit
der Betriebsbuchhaltung erreicht werden. Hingegen sollen die logistischen Selbstkosten des Transportes in einer Weise berechnet werden, damit davon ausgehend sowohl eine tourenbezogene als auch eine auftragsbezogene Deckungsbeitragsrechnung abgeleitet werden kann. Solche Verteiltouren-Analysen bezwecken das Auffinden von Schwachstellen und liefern gleichzeitig die Daten für eine Überprüfung der
Verteilstruktur und der Kundenrentabilität. Denn schliesslich wird die Bandbreite der
Aktivitäten wesentlich durch die Transportkosten beeinflusst.
Für betriebswirtschaftliche Berechnungen im Strassentransport sind die anfallenden
Kosten idealerweise nach ihrem Verhalten zu gruppieren:
• in distanzabhängige Kosten: Fahrkosten, variable Betriebskosten
• in zeitabhängige Kosten: Haltekosten, fixe Betriebskosten.
Im Blick auf die gestellte Aufgabe sind die Lohnkosten den Fixkosten, die Abschreibungen je hälftig der Abnützung (variabel) und der Entwertung (fix) zuzuteilen. Der
kalkulatorische Zins (Pt 9) ist zu berücksichtigen, weil es bei der Anschaffung von
Lastwagen um beträchtliche Summen geht. Wir verzinsen das halbe Anlagekapital
verteilt auf die voraussichtlich effektive Nutzdauer des Fahrzeuges, also nicht auf die
buchhalterische Nutzdauer. Die nicht jedem Fahrzeug offensichtlich zurechenbaren
Kosten, also die allgemeinen Verwaltungskosten und der Einsatzleitungs-Anteil (Overheadkosten) müssen durch Zuschläge angerechnet werden.
Zur taktischen Planung gehört die Tourenplanung für die eigenen Fahrzeuge und
gegebenenfalls auch für Speditionsfahrzeuge, die nur für den betreffenden Betrieb
eingesetzt werden. Ausserdem ist zu entscheiden, welche Transporte durch Stückgutspedition, Post oder Bahn durchgeführt werden sollen. Die grösste Bedeutung bei
der Senkung von Transportkosten haben EDV-Systeme zur Tourenplanung und optimierung. Ihr Einsatz verlangt nur organisatorische Massnahmen, aber keine
Änderung im Fuhrpark. Auch bei kleinen Fuhrparks ergibt sich ein täglicher (bzw.
wiederholter) kurzfristiger Nutzen.
An zweiter Stelle steht die Transportkapazitätsplanung. Im Laufe der Zeit finden
zwangsläufig Änderungen im Fuhrpark statt, wenn alte Fahrzeuge ausgemustert
werden, und neue als Ersatz oder Kapazitätserweiterung beschafft werden. Eine mittelfristige Kapazitätsplanung kann dabei unnötige Kosten durch Über- oder Unterkapazitäten vermeiden, wodurch Fix- und Betriebskosten erheblich gesenkt werden.
Die entsprechenden Anpassungen des Fuhrparks stellen selten einen wesentlichen
Eingriff in die Betriebsstruktur dar. Geeignete EDV-Hilfsmittel hierfür sind Simulationsmodelle in Verbindung mit Tourenoptimierung. In diesen werden realistische Planungsaufgaben mit simulierten Fuhrparks durchgespielt. Durch schrittweise Variation
des Fahrzeug-Mix kann die optimale Zusammensetzung des Fuhrparks ermittelt
werden. Die anderen Verfahren bedingen erhebliche Eingriffe in die Struktur eines
Unternehmens. Ihr Einsatz ist bei der Neuplanung oder Reorganisation von Unternehmensbereichen und bei der Beschaffung grosser Transportanlagen sinnvoll. Hier
hat die Simulation die grösste Bedeutung.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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2.1.4. Die Vorteile einer EDV-Transportplanung
Ein Transportplanungssystem kann die Wirtschaftlichkeit eines Fuhrparks erheblich
steigern. Folgende „Pluspunkte“ sprechen für ein solches System:
• Höhere Auslastung der Fahrzeuge, Verringerung von Stand- und Hofzeiten,
Vermeidung von Leerfahrten.
• Minimierung der Fahrleistung, kürzere Fahrwege und Fahrzeiten, Senkung
von Treibstoffkosten, Fahrzeugverschleiss, Einsatzkosten.
• Senkung von Personal-Kosten durch gezielten Einsatz von Beifahrern.
• Verbesserung des Kundenservice: Höhere Zuverlässigkeit durch Überwachung von Lieferterminen, Wettbewerbsvorteile durch kürzere Lieferzeiten.
• Planungssysteme mit integrierter Fertigungs- und Tourenplanung senken die
Kosten für Lagerhaltung oder machen die Lagerung von Fertigprodukten
überflüssig.
• Entlastung des Disponenten von Routineaufgaben. Dem Disponent bleibt
mehr Zeit für kostenreduzierende Massnahmen und strategische Langzeitplanung.
• Gesetzliche Regelungen werden eingehalten.
• Vereinfachung von Verwaltungsarbeiten, wie das Erstellen von Fahranweisungen, Ladelisten und Einsatzplänen. Keine Fehlplanung durch Schreib- und
Rechenfehler oder Zettelwirtschaft.
• Unabhängigkeit von eingefahrenen Rahmentourenplänen, die den momentanen Auftragsbestand nicht berücksichtigen.
• Grössere Transparenz der Planung, Unabhängigkeit von der Intuition des
Planers, dadurch ist eine leichtere Einarbeitung von Mitarbeitern, z.B. als Urlaubsvertretung und bei Kündigung, möglich.
• Die Transportkosten-Kontrolle liefert Ausgangsdaten für die langfristig optimale Beschaffung von Transportmitteln.
2.1.5. Die Nachteile einer EDV-Transportplanung
Den im vorhergehenden Abschnitt genannten Vorteilen stehen die üblichen Nachteile bei der Einführung eines EDV-Planungssystemes gegenüber:
• Hohe Kosten für Konzeption, Hardware, Standardsoftware und SoftwareAnpassung.
• Hoher Aufwand für betriebsinterne organisatorische Massnahmen.
• Aufwendige Datenbeschaffung mit grossem Datenbestand, vor allem bei der
Beschaffung von Distanzdaten.
• Zeitliche Verfügbarkeit: Änderungen im Auftragsbestand müssen dem Planungssystem sofort zur Verfügung stehen.
• Hohe Anforderung an Genauigkeit, Gültigkeit und Qualität des Datenbestandes.
• Die Modellbildung geht von idealisierten Voraussetzungen aus, dadurch wird
ggf. die Lösungsvielfalt begrenzt und die Behandlung von Sonderfällen erschwert.
• Umständliche Anpassung bei strukturellen Änderungen im Transport.
• Schulung und Einarbeitung des Disponenten.
• GIGO-Prinzip 1: „garbage in - garbage out“; ein ungeeignetes oder fehlerhaftes Modell liefert, ggf. immer wieder, eine entsprechende Planung.
• GIGO-Prinzip 2: „garbage in - gospel out“; nach der Einführung eines EDVSystemes werden Computerberechnungen meist kritiklos geglaubt und über© H.KISSLING Ingenieurbüro für Logistik CH-8916 Jonen AG
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Transportplanung und Tourenoptimierung
nommen, auch wenn sie aus fehlerhaften oder ungeeigneten Programmen
stammen.
Den genannten Aufwand und die Risiken kann man reduzieren, wenn man mit einer
Unternehmensberatung, die sich auf Transportaufgaben spezialisiert, zusammenarbeitet.
2.2. Allgemeine Grundlagen
2.2.1. Das Problem „Tourenplanung“
In einem logistischen Netzwerk ist das Transportproblem gekennzeichnet durch:
ƒ die Standorte der Liefer- und Empfangspunkte
ƒ das Transportgut (Aufträge)
ƒ die Struktur und Beschaffenheit des Liefergebiets
Gegeben:
ƒ sind die räumlichen und zeitlichen Entfernungen der Kunden vom Depot und
der Kunden untereinander
ƒ Bedarfsmengen aller Liefer- und Empfangspunkte
ƒ Kapazitäten der eingesetzten Fahrzeuge
Gesucht: ist ein Tourenplan mit folgenden Eigenschaften:
ƒ jeder Kunde wird jeweils nur von einem Fahrzeug bedient
ƒ jede Fahrzeugtour beginnt und endet im Depot
ƒ die Tourenlasten und Tourenzeiten überschreiten nicht die Kapazitätsgrenzen
des jeweiligen Fahrzeugs
ƒ die Summe aller Fahrstrecken oder Fahrzeiten (als einfaches Ersatzkriterium
für die Transportkosten) ist minimal.
Zusätzliche Probleme:
ƒ Kapazitätsbeschränkungen: Auftragsmengeneinheiten versus FahrzeugFassungsvermögen, arbeitsrechtliche Begrenzung der
Tourdauer
ƒ Heterogener Fuhrpark: unterschiedliche Typen, Ausstattungen, Fassungsvermögen,
Einsatzmöglichkeiten
ƒ Kundenzeitfenster: Lieferzeitfenster sind vielfach kleiner als
die Öffnungszeit
ƒ Fahrzeug-Verfügbarkeiten: unterschiedlich pro Wochentag
ƒ Mehrfacher Fahrzeugeinsatz pro
Tag
ƒ Etc
Abbildung 9: Typische Aufgabenstellung
Abbildung 9 zeigt die typische Aufgabenstellung der Tourenplanung:
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Verschiedene Kunden einer Region sollen von einem Auslieferungslager (Depot) aus
beliefert werden. Dafür stehen mehrere LKWs zur Verfügung. Die Liefermengen pro
Kunde sind unterschiedlich gross. Wie können die Kunden beliefert werden, so dass
möglichst wenige Fahrzeuge eingesetzt werden und die zurückgelegte Wegstrecke
möglichst kurz ist?
Typisch für derartige Problemstellungen ist, dass man zugleich mit der Zuordnung
von Kunden zu Touren auch die Reihenfolge, mit der jeder LKW seine Kunden beliefert, ermitteln muss.
Man hat also die in Abbildung 5 dargestellte Kombination von Zuordnungs- und Reihenfolgeproblem zu lösen:
Tourenplanung =
Zuordnungs-Optimierung + Reihenfolge-Optimierung
Die Zuordnungs-Optimierung (Clustering) soll die Elemente einer Ausgangsmenge (z.B.
alle
Aufträge im Depot) den Elementen einer Zielmenge (z.B. verfügbare Transportmittel)
optimal zuordnen. Optimal heisst zum Beispiel, dass möglichst wenige LKW eingesetzt
werden.
Die Reihenfolge-Optimierung (Routing) soll
die Elemente einer Menge (z.B. Aufträge in
einem LKW) in eine optimale (oder auch nur
zulässige) Reihenfolge bringen. Optimal
heisst hier beispielsweise, dass die zurückgelegte Wegstrecke minimiert wird.
Bei beiden Aufgabenstellungen müssen
normalerweise eine Reihe von Einschränkungen (Restriktionen) berücksichtigt
werden, wie z.B. das zulässige Gesamtgewicht der Fahrzeuge (Kapazitätsrestriktion) oder Anlieferzeiten der Kunden
(Terminrestriktion).
Abbildung 10: Die Lösung einer Tourenplanung
Massgeblich für die Reihenfolge-Planung sind die Distanzen zwischen den Kundenorten, bzw. Kundenort und Depot. Damit sind entweder die tatsächlichen Entfernungen (z.B. Strassenkilometer, Luftlinie) gemeint, oder die Fahrzeiten oder Fahrtkosten.
Die Aufgabenstellung der Tourenoptimierung man kann also wie folgt definieren:
Eine Menge von Aufträgen ist einer Menge von Transportmitteln unter Berücksichtigung der Distanzen und Restriktionen so zuzuordnen, dass die gesamten Transportkosten, die durch den Einsatz der Transportmittel und die
zurückgelegten Distanzen verursacht werden, minimiert
werden.
In den meisten Fällen sind die Transportmittel Strassenfahrzeuge, können aber auch
Schienenfahrzeuge, Flugzeuge oder Schiffe sein.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
2.2.2. Travelling Salesman Problem
Das Problem des Handlungsreisenden
ist ein reines Reihenfolgeproblem: man
sucht eine Rundreise mit minimaler
Wegstrecke durch eine vorgegebene
Menge von Punkten (Kundenorten).
Dabei muss jeder Punkt besucht werden. Gegebenenfalls sind - wie in Abbildung 6 - Terminrestriktionen zu berücksichtigen.
Eine typische Anwendung: eine Firma
setzt nur einen LKW ein. Dieser muss
im Laufe eines Tages an verschiedenen Orten Aufträge ausliefern.
Gesucht wird die Fahrtroute mit der geringsten Reisezeit.
Abbildung 11: Travelling-Salesman-Problem
2.2.3. Chinese Postman Problem
Der chinesische Postbote soll eine Menge von Verbindungswegen (Strassen) so durchlaufen, dass jeder Weg mindestens einmal durchlaufen wird (vgl
Abb. 7). Dabei soll die Wegstrecke minimiert werden. Auch das ist ein reines Reihenfolgeproblem.
Abbildung 7 zeigt das altbekannte schematische
Chinese Postman Problem.
Wie der Name schon sagt, ist die Briefzustellung innerhalb eines Zustellbezirkes eine typische Anwendung. Der Briefträger muss alle Strassen seines
Bezirkes mindestens einmal durchlaufen. Er wird
dabei versuchen, möglichst wenige Wege mehrmals
zurückzulegen.
Abbildung 12: Chinese-Postman-Problem
Man kann das Chinese-Postman-Problem in das Travelling-Salesman-Problem
transformieren, indem man jeden Verbindungsweg durch einen Punkt in der Mitte
des Weges ersetzt. Jeder Punkt muss dann mindestens einmal besucht werden. Mit
diesem Trick können Chinese-Postman-Probleme durch Optimierungsverfahren für
Travelling-Salesman-Probleme gelöst werden.
2.2.4. Zuordnungsoptimierung
Bei der Zuordnungsoptimierung soll eine Menge von Aufträgen den verfügbaren
Transportmitteln so zugeordnet werden, dass möglichst wenige Transportmittel eingesetzt werden, wobei Distanzkosten keine Rolle spielen.
Beim Transport von sperrigen Gütern (z.B. Möbel) tritt hierfür eine typische Anwendung auf: ein Grosskunde hat ein Auftragsvolumen von mehr als einem LKW. Man
kann also reine Pendeltouren bilden, die vom Depot nur zu dem einen Kunden und
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wieder zurück fahren. Durch eine geschickte Kombination von sperrigen und kleinen
Aufträgen sollen diese Touren optimal gefüllt werden. Das Restvolumen, das zusammen mit Aufträgen zu anderen Kunden verladen wird, soll minimiert werden.
2.2.5. Ein-Depot-Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Abbildung 13: das typische Ein-Depot-Problem
Beim Ein-Depot-Auslieferungs-Problem ist eine Menge von Kunden mit einer Menge
von Transportmitteln so zu beliefern, dass die gesamten Transportkosten minimiert
werden. Die Kapazität der Transportmittel (Gesamtgewicht, -volumen, Sitzplätze,
Einsatzzeit o.ä.) ist beschränkt. Die Struktur der Aufträge kann unterschiedlich sein,
ebenso die der Transportmittel. Die Belieferung geschieht von einem einzigen Depot
aus.
Das ist der klassische Anwendungsfall für Tourenplanungsprogramme: eine Firma
beliefert von einer Produktionsstätte oder Niederlassung alle Kunden in einem Bezirk. Für die Belieferung steht ein Fuhrpark mit unterschiedlichen Fahrzeugen zur
Verfügung.
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2.2.6. Mehr-Depot-Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Abbildung 14: Mehr-Depot-Problem
Gegenüber dem obigen Grundtyp werden die Kunden nicht von einem einzigen,
sondern von mehreren Depots mit unterschiedlichen Standorten aus beliefert. Dabei
besteht keine feste
Zuordnung von Kunde zu Depot. Für jede Tour ist also zusätzlich festzulegen, von
welchem Depot aus sie durchgeführt werden soll. Eventuell können bestimmte Aufträge nur von bestimmten Depots ausgeliefert werden, ausserdem können die Vorräte in den Depots begrenzt sein.
Bild 9 zeigt als Beispiel ein Mehr-Depot-Problem mit zwei unterschiedlichen Transportgütern. Im Depot 1 wird Kies (10 t) gelagert, im Depot 2 Sand (8 t) und im Depot
3 Kies (6 t) und Sand (7 t). Von den Depots aus sollen Baustellen mit kleineren Mengen Kies und/oder Sand beliefert werden. Dafür stehen 3 LKW zur Verfügung.
Massgeblich für ein Mehr-Depot-Problem ist nicht die Anzahl von Depots einer Firma, sondern die Tatsache, dass ein Kunde von mehreren Depots aus beliefert werden kann. Eine Firma, die in jedem Kanton eine Niederlassung unterhält, von der
aus nur die Kunden im selben Kanton beliefert werden, hat nicht das Mehr-DepotProblem zu lösen, sondern mehrere Ein-Depot-Probleme.
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2.2.7. Depotfreie Auslieferung mit Kapazitätsrestriktionen
Bei der depotfreien Auslieferung werden die
Aufträge nicht von einem Depot zu den Kundenorten, sondern zwischen den Kundenorten
transportiert. Solche Probleme treten z.B. beim
Stückgutverkehr von Speditionen, beim Einsatz
von Lasten- und Personentaxis und beim Rufbusverkehr auf (Bild 10).
Abbildung 15: Depotfreie Auslieferung
2.2.8. Multiple Salesman Problem
Bei der Vertreter-Einsatz-Planung stehen eine feste Anzahl Reisender bereit, um eine vorgegebene Menge von Orten zu besuchen. Jeder Ort soll von genau einem
Reisenden besucht werden. Alle Reisenden werden eingesetzt. Jeder Reisende soll
am Ende der Reise wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. Die Orte sollen den
Reisenden so zugeordnet werden, dass die Summe der Rundreisekosten minimiert
wird.
Die Reisende starten entweder an einem gemeinsamen Ausgangspunkt oder an
verschiedenen. Dabei können Terminrestriktionen eine Rolle spielen. Dieses Problem ist eine Sonderform des Ein-, bzw. Mehr-Depot-Lieferproblemes, bei der die Anzahl der durchgeführten Touren nicht minimiert wird, sondern von vornherein festliegt.
2.2.9. Erweiterungen und verwandte Probleme
Sammeltouren
Die oben genannte Typisierung gilt auch für das Einsammeln von Gütern oder Personen. Beispiele: Kehrichtabfuhr, Leerung von Post-Briefkästen, Abholung von
Rohmilch bei Landwirten und Milchsammelstellen durch die Fahrzeuge einer Molkerei.
Kombinierte Belieferung und Abholung
In vielen Fällen werden während einer Tour sowohl Waren ausgeliefert als auch abgeholt. Beispielsweise nehmen Brauereifahrzeuge auch Leergut entgegen.
Diese Probleme können wie reine Auslieferungsprobleme gelöst werden, wenn Volumen und Gewicht der Rückladung eines Kunden dem gelieferten Auftrag entsprechen.
Schulbus-Problem
Hier wird der Einsatzplan für eine Flotte von Schulbussen gesucht, die in einer Region Schüler von Bushaltestellen zur Schule und wieder zurück bringen. Das Problem
tritt auch bei der Tourenplanung im industriellen Werksverkehr auf. Es entspricht
dem Ein- oder Mehr-Depot-Auslieferungsproblem, wobei hier in erster Linie die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge und weniger die Fahrleistung zu minimieren ist.
Maschinen-Belegung
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Auf einer Maschine werden verschiedenartige Arbeitsgänge durchgeführt. Für jeden
Arbeitsgang muss die Maschine umgerüstet werden. Die dazu benötigte Umrüstzeit
ist von dem vorhergegangenen und nachfolgenden Arbeitsgang abhängig. Es soll die
Reihenfolge der Arbeitsgänge ermittelt werden, bei der die Summe der Rüstzeiten
minimal ist.
Die Problemstellung entspricht dem Travelling-Salesman-Problem, wenn man folgende Analogien zugrunde legt:
Arbeitsgang = Auftrag
Rüstzeit
= Distanz
Das Problem wird zum Multiple-Salesman-Problem, wenn mehrere Maschinen zur
Verfügung stehen und die Zuordnung von Arbeitsgang zu Maschine optimiert werden
soll. Wenn die Anzahl von eingesetzten Maschinen minimiert werden soll, ohne dass
an einer Maschine Überstunden entstehen, entspricht das Problem dem Ein-DepotAuslieferungsproblem.
Layout von Netzwerken
Eine Menge von Punkten soll durch ein zusammenhängendes Netzwerk miteinander
verbunden werden (Stromnetz, Telefonnetz, Wasserversorgung, Wegenetz, Transportnetz, Rechnernetz). Die Kosten für das Netzwerk sollen minimiert werden.
Variante: die Kapazität eines Netzes ist beschränkt, d.h. es kann nur eine bestimmte
Anzahl von Punkten angeschlossen werden. Es müssen also mehrere nicht zusammenhängende Netze gebildet werden, wobei die Gesamtkosten minimiert werden
sollen (verwandt zum Ein-Depot-Auslieferungsproblem).
2.3. Die Elemente der Transportplanung
Im Folgenden sind die Elemente von typischen Aufgaben der Transportplanung mit
ihren wichtigsten Eigenschaften beschrieben. In Einzelfällen können weitere Faktoren eine erhebliche Rolle spielen. So muss z.B. bei vielen Planungsaufgaben nicht
zwischen Kunde und Auftrag unterschieden werden.
Die verwendeten Begriffe Kunde, Auftrag usw. sind Bestandteile einer branchenübergreifenden Typologie. Sie sollen die Verständigung zwischen Transportfachleuten aus verschiedenen Anwendungsgebieten erleichtern.
2.3.1. Kunden
In einer Tour besucht ein Fahrzeug ein
oder mehrere Kunden. Das Wort „Kunde“
ist im übertragenen Sinn zu verstehen: so
werden z.B. bei Beschaffungstouren Lieferanten besucht, Linienbusse fahren Haltestellen an. Bei inner- und zwischenbetrieblichen Transporten sind Verladeeinrichtungen und Lagerstätten die Kunden im Planungsprogramm.
Die wichtigste Grundlage der Tourenplanung sind Daten des Kundenortes:
•
•
•
geographische Lage
Koordinaten
Distanzen zu anderen Kundenorten
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Kundendaten beinhalten:
•
•
•
•
•
Kundennummer und Lieferanschrift, Lage
des Kundenortes (ev. mit Koordinaten)
Kundenspezifische Lieferzeiten: Wochentage, Lieferfenster
Kundenspezifische Standzeit: fixe Standzeit, Abladeschwierigkeit
Anforderungen an den Fahrzeugtyp (z.B.
mit oder ohne Hebebühne), Zufahrtsbeschränkungen (maximale Fahrzeuggrösse
oder zulässiges Gesamtgewicht), notwendige Fahrzeugbesatzung (Anzahl Beifahrer)
Durchschnittsgewicht und -volumen pro
Lieferauftrag (strategische Planung)
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Transportplanung und Tourenoptimierung
•
•
durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit am Kundenort
Anordnung der Kundenorte: punktförmig, streckenförmig (entlang von Strassenzügen, z.B. Kehrichtabfuhr).
Für die Tourenplanung braucht jeder Kunde einen eindeutigen Standort. Mehrere Filialen eines Kunden an verschiedenen Orten werden wie getrennte Kunden behandelt.
Weitere Kundendaten sind:
• Lieferanschrift für Dialogplanung und Ladelisten
• Restriktionen für Fahrzeugtypen (z.B. Grössenbeschränkung, Belieferung nur
mit Zugfahrzeug, Hebebühne erforderlich)
• Anforderungen an die Fahrzeugbesatzung: Belieferung durch 1 oder 2 Mann
• kundenspezifische Standzeiten, Abladeschwierigkeiten
• Lieferzeitrestriktionen (Fussgängerzone), Öffnungszeiten, Geschäftstage, lokale Feiertage
• fester Lieferrhythmus oder sporadische Aufträge
• Bonität (Belieferung von kritischen Kunden nur bei Voraus-Inkasso)
Kundendaten sind meistens Stammdaten, die längere Zeit konstant bleiben und
nicht für jeden Planungslauf erfasst werden.
2.3.2. Aufträge
Die Elemente der Ausgangsmenge, die den
Elementen der Zielmenge (z.B. Fahrzeuge)
zugeordnet werden sollen, sind die Aufträge.
Ein Auftrag geht immer von einem Kunden
aus. Ein Kunde kann mehrere Aufträge erhalten.
Der allgemeine Begriff „Auftrag“ steht für eine
Vielzahl
von
realen
Anwendungsmöglichkeiten:
•
•
•
•
•
Auftragsdaten beinhalten:
•
•
•
•
Auftragsnummer, Kundennummer
Liefermenge in Stück, Kilogramm, Kubikmeter, Rollcontainer, Paletten
Zeitbedarf für Be- und Entladung im Depot,
Aufenthaltszeit beim Kunden, ggf. mit Berechnung aus Liefermenge, Abladeschwierigkeit und fixer Standzeit des Kunden
auftragsbezogene Liefertermine: Wochentag, Uhrzeit
Lieferung einer Ware an einen Kun• Ertrag für Tour-Kostenbilanz
den
• Anforderungen an Fahrzeugart und
ausstattung
Abholung einer Ware bei einem Kunden
Besuch eines Kunden zur Durchführung einer Dienstleistung
Fertigung eines Produktes
Beginn oder Ende einer Personenbeförderung
-
Aufträge werden durch eine Reihe von Attributen gekennzeichnet:
•
•
•
•
Kapazitätsbelastung: Menge, Volumen, Gewicht, Platzbedarf
Zeitbedarf: Be- und Entladezeit, Besuchsdauer, Produktionszeit
Liefertermin
Unverträglichkeit mit anderen Aufträgen
Über seinen Kunden ist jeder Auftrag mit einem Ort verbunden, dem so genannten
Kundenort. An diesem Ort wird der Auftrag ausgeliefert, eingesammelt oder ausgeführt. Eine Tour führt also über die Kundenorte ihrer Aufträge.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Ein Auftrag ist deterministisch, wenn zu Beginn der Tourenplanung alle Attributwerte
des Auftrages bekannt sind. Bei stochastischen (zufälligen) Aufträgen liegen während der Tourenplanung nicht alle Attributwerte vor. Bei manchen Waren entscheidet
der Kunde erst bei der Lieferung über den Umfang seiner Bestellung (Heizöl, Getränke). Die Zeiten für die Durchführung von Serviceleistungen vor Ort sind ebenfalls
schlecht vorhersehbar.
Teilbare Aufträge lassen sich in mehrere Teilaufträge zerlegen, die verschiedenen
Touren zugeordnet werden können (z.B. Auslieferung von Heizöl). Durch die Teilung
von Aufträgen kann eine bessere Auslastung von Touren erreicht werden.
2.3.3. Fahrzeuge
Fahrzeuge im Sinne einer Tourenplanung
sind nicht nur Strassenfahrzeuge oder
Gabelstapler, sondern auch Bahnwaggons,
Schiffe und Flugzeuge.
In der Regel unterscheiden sich die verplanbaren Fahrzeuge in ihrer Ladekapazität,
Ausstattung und Verfügbarkeit. Manche
Fahrzeuge sind nicht für alle Aufträge geeignet. So können z.B. LKW mit und ohne Hebebühne zur Verfügung stehen. Die
Fahrzeuge sind ungleichartig.
Fahrzeug und Tourendaten beinhalten:
•
•
•
•
•
•
•
betriebsinterne Fahrzeugnummer, Fahrzeugtyp, polizeiliches Kennzeichen
Ladekapazität in Stück, Kilogramm, Kubikmeter, Rollcontainer
Kostenfaktoren pro Kilometer und Einsatzstunde
Fahrzeugausstattung, -grösse und Besatzung (Anzahl Beifahrer) pro Tour
mögliche Fahrzeugeinsatzzeit (Fahrerarbeitszeit) pro Tour
Pausenregelung
Möglichkeit der festen Zuordnung von Fahrzeug zu Tour
Auch die Verfügbarkeit der Fahrzeuge eines Fuhrparks kann begrenzt sein. In den
meisten Fällen sind die Anzahl und die Einsatzzeiten begrenzt: zum Beispiel müssen
die Fahrzeuge am Ende eines Arbeitstages wieder am Ausgangspunkt der Tour
sein.
Weitere Fahrzeugdaten sind:
•
•
•
•
•
•
Fahrzeugtyp, Typbezeichnung, Polizei-Kennzeichen,
Kapazität: Gewicht, Volumen, Mengeneinheiten, Anzahl Paletten oder Rollcontainer.
Auslastung: Mindestauslastung für Fahrzeugeinsatz, zulässige Auslastung,
maximale Überlastung
Fahrzeugbesatzung (1 oder 2 Fahrer), Pausenregelungen
Einsatzgebiet (Nahverkehr, Fernverkehr)
Fahrzeugkosten: Betriebskosten pro km, Einsatzkosten pro Tag, Fixkosten
pro Jahr
Einem Fahrzeug kann ein Standort, das Depot, zugeordnet sein. Ein Depot ist eine
Produktionsstätte, ein Auslieferungslager, eine Schule, ein Grenzübergang usw. Die
Daten des Depots (z.B. Öffnungszeiten, Ladezeiten, Lagermenge) entsprechen den
Kundendaten.
2.3.4. Distanzen
Massgeblich für alle Probleme der Tourenoptimierung ausser den reinen Zuordnungsproblemen sind die Distanzen zwischen den Aufträgen. Damit sind meistens
die tatsächlichen Entfernungen zwischen den Kundenorten der Aufträge gemeint.
Bei kleinen Problemen lassen sich diese in einer Entfernungstabelle (Distanzmatrix)
darstellen (Tabelle 2). Solche Entfernungstabellen für die grösseren Städte eines
Landes finden sich z.B. in einem Autoatlas.
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in Real-Km
Depot
Kunde 1
Kunde 2
Kunde 3
Kunde 4
Kunde 5
Kunde 6
Depot Kunde 1 Kunde 2 Kunde 3 Kunde 4
59
59
65
34
87
107
125
43
58
49
73
85
65
43
35
59
87
93
34
58
35
88
93
89
87
49
59
88
53
64
Kunde
5
107
73
87
93
53
Kunde
6
125
85
93
89
64
35
35
Tabelle 3: Beispiel einer Distanzmatrix
Abhängig von Art und Umfang der Problemstellung werden die Entfernungen als
echte Strassenkilometer oder Luftlinie mal Korrekturfaktor ermittelt. Oft sind die geometrischen Entfernungen wenig aussagekräftig: so ist es für eine Tourenplanung
wesentlich, ob eine Strecke von 100 km auf einer Autobahn oder einer Landstrasse
zurückgelegt wird.
Die Tourenplanung arbeitet daher vielfach mit den Fahrzeiten als Distanz. Im Gegensatz zu den Entfernungen liegen die Fahrzeiten nicht immer a priori fest: Witterung (Schneefall) oder Tageszeit (Rushhour) können die Reisezeiten erheblich beeinflussen. In einigen Programmen kann man einen Witterungsfaktor eingeben und
damit die geplanten Fahrzeiten von Tag zu Tag den echten Strassenverhältnissen
anpassen.
Wenn bei der Tourenplanung auch Kostenfaktoren wie z.B. Strassenbenutzungsgebühren, Fährtarife oder Preise unterschiedlicher Verkehrsmittel berücksichtigt werden sollen, so können als Distanzen die Fahrtkosten von einem Kundenort zum anderen angesetzt werden.
In den Problemen der Maschinenbelegung sind die Distanzen die Rüstzeiten (Ausfallzeiten, Stillstandszeiten) von einem Arbeitsgang zum anderen.
Die wichtigsten Verfahren der Tourenoptimierung verwenden statt den Distanzen so
genannte Savingswerte (Ersparnis-Werte). Damit ist die Ersparnis gemeint, welche
durch die Zuordnung zweier Aufträge zur selben Tour entsteht.
Durch den unterschiedlichen Ansatz der Distanzen wird der Optimierungsansatz variabel:
•
•
•
•
•
Minimiere die Wegstrecke
Minimiere die Reisezeit
Minimiere die Reisekosten
Minimiere den Produktionsausfall
Maximiere die Savingswerte
Die unterschiedlichen Distanzmatrizen können auch kombiniert werden: So kann
man z.B. die Reisekosten unter Beachtung eines vorgegebenen Limits für die Reisezeit minimieren.
Eine Distanzmatrix heisst symmetrisch, wenn die Distanz vom Ort A zum Ort B immer gleich ist wie die Distanz von B zu A; wenn also die Distanz nicht von der Richtung abhängt, in der die Wegstrecke A - B zurückgelegt wird. Man spricht von der
Distanz zwischen A und B.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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Wenn die Richtung einer Wegstrecke massgeblich für die Distanz ist (z.B. Einbahnstrassennetz im Innenstadtbereich, Rüstzeiten), so ist die Distanz von A nach B ungleich der Distanz von B nach A. Die Distanzmatrix heisst unsymmetrisch.
Manchmal kann man eine Dekomposition (Zerlegung) der Tourenplanung in isolierte
Teilprobleme vornehmen. So werden z.B. häufig Auslands- und Inlandstouren getrennt geplant. Die Distanzen zwischen Aufträgen aus verschiedenen Teilproblemen
spielen dann für die Tourenplanung keine Rolle. Der Erhebungsaufwand und Rechenzeitbedarf einer Tourenplanung lässt sich durch Dekomposition erheblich verringern.
2.3.5. Touren
Eine Menge von Aufträgen, die einem Fahrzeug in einer bestimmten Reihenfolge
zugeordnet wurde, bildet eine Tour.
Eine depotgebundene Tour hat als Start- und/oder Endpunkt ein bestimmtes Depot,
dem alle Aufträge der Tour eindeutig zugeordnet sind. Depotfreie Touren haben kein
solches Depot und verbinden nur Kundenorte untereinander. Bei depotgebundenen
Touren unterscheidet man Ein-Depot- und Mehr-Depot-Problemen.
Bei geschlossenen Touren oder Rundreisen ist der Anfangspunkt der Tour gleich
dem Endpunkt, andernfalls heisst eine Tour offen.
Zwei Touren sind abhängig voneinander, wenn unterwegs Aufträge von einer Tour in
die andere umgeladen werden.
Oft muss man in der Tourenplanung zweckfremde Aktivitäten (z.B. Ruhepausen des
Fahrers, Wartezeiten an Grenzübergängen usw.) berücksichtigen. Solche Aktivitäten
sind zwar nicht Zweck der Tour, beeinflussen ihren Ablauf aber wesentlich.
Tourenoptimierung ist die Suche nach optimalen Touren für einen gegebenen Auftragsbestand.
2.3.6. Planungsprozess
Bei der Planung a priori (von vornherein) sind zu Beginn der Planung alle Auftragsund Fahrzeugdaten für die Planungsperiode bekannt. Während der Planung und
Durchführung der Touren ändern sich diese Daten nicht mehr. Zu Beginn der Planungsperiode kann ein vollständiger Tourenplan erstellt werden, der unverändert
ausgeführt wird. Die a-priori-Tourenplanung lässt den Einsatz von rechenintensiven
Verfahren zu.
Eine ad hoc-Planung ist notwendig, wenn während der Ausführung der Touren neue
Aufträge zu berücksichtigen sind, oder wenn vorhandene Aufträge wegfallen (Einsatz
von Taxis, Servicetechniker). Ad-hoc-Tourenplanung verlangt schnelle Entscheidungen.
Wenn der Umfang der kurzfristigen Änderungen relativ gering ist, und wenn zumindest die Kundenorte der neu hinzukommenden Aufträge zu Beginn der Planung bekannt sind, kann eine a-priori-Planung erfolgen, die ad-hoc nachkorrigiert wird.
Bei der Planung a-priori kann man zwei Fälle unterscheiden:
• Fall 1: Ein einmal erstellter Rahmentourenplan wird während einer längeren
Zeit unverändert wiederholt (z.B. Kehrichtabfuhr, Briefkastenleerung).
• Fall 2: Der Auftragsbestand unterscheidet sich von Planungsperiode zu Planungsperiode. Der Tourenplan wird für jede Planungsperiode neu erstellt und
nur einmal durchgeführt.
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Lösungstechnisch unterscheiden sich die beiden Fälle nur von der zur Verfügung
stehenden Rechenzeit und der Möglichkeit manueller Eingriffe.
Der Planungshorizont gibt an, für welchen Zeitraum (Tage, Wochen usw.) ein Tourenplan erstellt wird. Bei einperiodischen Problemen werden alle bekannten Aufträge
in der betrachteten Periode auch eingeplant. Dies setzt entsprechend grosse Transportkapazitäten voraus. Bei mehrperiodischen Problemen wird zusätzlich entschieden, in welcher Planungsperiode ein Auftrag eingeplant wird.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
3. EDV-Einsatz in der Tourenplanung
3.1. Optimierungsverfahren
3.1.1. Das Hauptproblem: die Rechenzeit
Im Prinzip ist die exakte Lösung von Tourenplanungsproblemen ganz einfach: es gilt
ja nur für jede mögliche Verbindung zwischen zwei Kundenorten zu entscheiden, ob
die Verbindung in den Tourenplan aufgenommen wird oder nicht.
Rein theoretisch geht das so:
1. Jede Verbindung kann eingeplant werden oder nicht. Alle Kombinationen von
eingeplanten und nicht eingeplanten Verbindungen werden ermittelt.
2. Die meisten Kombination ergeben keine fahrbaren Touren oder widersprechen
den vorgegebenen Restriktionen. Diese Kombinationen werden gelöscht.
3. Die übrigen Kombinationen sind alle zulässig. Für jede Kombination werden die
Kosten berechnet.
4. Die Kombination mit den geringsten Kosten ist die optimale Lösung.
Betrachten wir zunächst den Fall einer symmetrischen Distanzmatrix.
Bei 2 Kunden gibt es 1 Verbindung und 2 Kombinationen:
• Die Verbindung wird eingeplant: ergibt 1 Tour mit 2 Kunden.
• Die Verbindung wird nicht eingeplant: ergibt 2 Touren mit je 1 Kunden.
Bei 3 Kunden gibt es 3 Verbindungen und 8 Kombinationen, wie in Tabelle 3 dargestellt. Kombination 8 ist eine Rundreise, die anderen Touren sind offen.
Kombination
1
2
3
4
5
6
7
8
Verbindung
1-2 2-3
N N
N N
N J
N J
J N
J N
J J
J J
Tourenplan
3-1
N
J
N
J
N
J
N
J
Tour 1 Tour 2 Tour 3
1
2
3
1-3
2
2-3
1
2-3-1
1-2
3
3-1-2
1-2-3
1-2-3-1
Tabelle 4: Tourenpläne bei 3 Kundenstellen
Die Tabelle 3 auf der folgenden Seite zeigt, wie für eine wachsende Anzahl von
Kunden die Zahl der möglichen Verbindungen und die daraus resultierende Zahl der
möglichen Kombinationen wächst.
Bei N Kunden gilt allgemein:
Anzahl Verbindungen
Anzahl Kombinationen
= 1 + 2 + 3 + ... N-2 + N-1
= N* (N-1) / 2
= 2 hoch Anzahl Verbindungen
Dieser Wert ist auch bei kleinen Problemen schon so gross, dass das oben skizzierte Verfahren am Rechenaufwand scheitert.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Anzahl
Kunden
2
3
4
5
6
7
8
9
10
20
50
100
1'000
Anzahl
Verbindungen
1
3
6
10
15
21
28
36
45
190
125
4'950
499'500
Anzahl
Kombinationen
2
8
64
1'024
32'768
2'097'152
268'435'456
9
69 Trilliarden (= 69 x 10 )
12
35 Trillionen (= 35 x 10 )
Tabelle 5: Wachstum der Anzahl von Kombinationen
3.1.2. Exakte und heuristische Optimierung
Tourenoptimierungsprogramme können also nur einen geringen Teil aller denkbaren
Kombinationen ermitteln. Der erste Ansatzpunkt hierfür besteht darin, die Anzahl der
untersuchten Verbindungen einzuschränken. Daneben wird versucht, möglichst bald
möglichst grosse Gruppen von unzulässigen Kombinationen aus der weiteren Untersuchung auszuschliessen.
Die Mathematik unterscheidet exakte und heuristische Optimierungsverfahren. Exakte Verfahren erreichen nach einer endlichen Anzahl von Rechenschritten das absolute rechnerische Optimum des jeweiligen Problems.
Die exakten Verfahren ermitteln zuerst eine zulässige Ausgangslösung und berechnen deren Kosten. Die Ausgangslösung wird anschliessend schrittweise verbessert,
wobei immer nur solche Gruppen von Kombinationen untersucht werden, die eine
weitere Verbesserung erwarten lassen. Reine Reihenfolgeprobleme lassen sich mit
vernünftigen Rechenzeiten auf diese Weise lösen.
Meistens kommt es bei praktischen Aufgaben gar nicht so sehr darauf an, dass die
mathematisch optimale Lösung gefunden wird, sondern es genügt, eine suboptimale
(nahezu optimale) Lösung zu finden. Manchmal ist man bereits mit einer zulässigen
Lösung zufrieden.
Oft ist auch das zugrunde liegende Datenmaterial mit soviel Ungenauigkeiten und
Zufälligkeiten behaftet, dass es sinnlos ist, mit hohem Aufwand das rechnerische
Optimum zu ermitteln, wenn man mit wesentlich geringerem Aufwand eine suboptimale Lösung finden kann.
So unterscheiden sich die realen Ist-Fahrzeiten bei der Durchführung eines Tourenplanes mehr oder weniger von den Schätzwerten, mit denen die Planung erfolgt.
Daher ist nie garantiert, dass das rechnerische Optimum auch in der Realität die
beste Lösung ist. Schliesslich darf auch der Rechenaufwand für die Verbesserung
einer Lösung nicht höher sein als die zu erwartende weitere Einsparung.
Heuristische Verfahren versuchen dementsprechend nur eine suboptimale Lösung
zu finden. Sie simulieren das menschliche Vorgehen bei der Planung. Heuristische
Programme können leicht an ein spezielles Problem angepasst werden und eignen
sich daher auch für komplexere Planungsaufgaben.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Im Gegensatz zu den exakten Verfahren gibt es bei einem heuristischen Verfahren
keine Garantie dafür, dass immer eine (sub-)optimale Lösung gefunden wird. Die
Qualität der Optimierungsergebnisse kann nur mit Tests überprüft werden.
3.1.3. Standardverfahren zu Tourenoptimierung
Tourenoptimierungsverfahren haben 2 Funktionen zu erfüllen:
•
•
Tourenbildung, d.h. Zuordnung von Aufträgen zu Fahrzeugen
Reihenfolge-Optimierung (Routenplanung)
Beide Funktionen können in 2 Stufen durchgeführt werden:
•
•
Bildung einer zulässigen Ausgangslösung
Verbesserung der Ausgangslösung
Die beiden wichtigsten heuristischen Verfahren zur Tourenbildung sind das Savingsverfahren und das Sweep-Verfahren. Beide Verfahren werden an dieser Stelle nur
kurz skizziert, für ein detaillierteres Studium der mathematischen Herleitung und
Funktion wird auf die Fachliteratur hingewiesen (Anhang).
Savingsverfahren
Abbildung 16: Prinzip des Savingsverfahrens
Das
Savingsverfahren
berechnet für jedes Paar
von Kunden die Ersparnis,
die entsteht, wenn man die
beiden Kunden, statt in
zwei getrennten Touren,
zusammen in einer Tour
beliefert. Diese Ersparnis
ist der Savingswert der
Verbindung zwischen den
beiden
Kunden.
Die
Verbindungen
werden
gemäss dieser Ersparnis
absteigend sortiert und in
den
Tourenplan
aufgenommen, sofern keine
Termin- oder Kapazitätsrestriktionen verletzt werden.
Beim Savingsverfahren entstehen parallel zueinander immer grössere Teiltouren, bis
die Kapazität eines Fahrzeugs erreicht ist. Das Verfahren liefert für jede Tour eine
zulässige Reihenfolge, die allerdings noch verbessert werden kann.
Sweep-Verfahren
Das Sweep-Verfahren ermittelt zuerst für jeden Kundenort die Himmelsrichtung
(Winkel) vom Depot aus. Anschliessend werden die Orte nach dieser Richtung sortiert. Von einer Himmelsrichtung ausgehend werden im Uhrzeigersinn solange Kundenorte einer Tour zugeordnet, bis die Tour voll ist. Man bildet solange neue Touren,
bis alle Aufträge verplant sind und bestimmt dann für jede Tour die optimale Reihenfolge.
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Das ganze Verfahren wird mit einer anderen Himmelsrichtung beginnend wiederholt.
Dadurch erstellt man eine Vielzahl von zulässigen Tourenplänen, von denen man
den kostengünstigsten auswählt.
Beide Verfahren sind Eröffnungsverfahren, die einen zulässigen (machbaren) Tourenplan liefern, der unter Umständen durch ein Verbesserungsverfahren nachoptimiert werden kann. Eine Möglichkeit zur Verbesserung besteht darin, Aufträge zwischen benachbarten oder überlappenden Touren auszutauschen.
Generell gelten für alle Lösungsverfahren:
• Der Aufwand an Rechenzeit wächst bei steigender Problemgrösse überproportional (z.B. quadratisch zur Anzahl der Aufträge).
• Zulässige Lösungen werden relativ schnell gefunden, Verbesserungen einer
Lösung sind rechenaufwendig.
• Restriktionen verschlechtern die möglichen Lösungen und verursachen im
Allgemeinen einen höheren Rechenaufwand. Auftragsbezogene Restriktionen
können aber auch Rechenzeit einsparen, da sie die Menge der realisierbaren
Verbindungen einschränken.
Die in den Standardprogrammen verwendeten Optimierungsverfahren sind meistens
Modifikationen des Savings- oder Sweep-Verfahrens, wobei die Modifikationen Firmengeheimnisse sind.
Man kann keine allgemeingültigen Aussagen darüber machen, welches Verfahren
für eine konkrete Anwendung besser geeignet ist. Eine vergleichende Bewertung der
Algorithmen ist nur im Einzelfall möglich.
3.2. Funktion und Bedienung von Planungsprogrammen
In diesem Abschnitt werden Tourenplanungsprogramme nach ihrer Funktionsweise
und Bedienung klassifiziert. Die Reihenfolge der Gliederung entspricht der historischen Entwicklung der EDV-Programme.
3.2.1. Maschinelle Tourenoptimierung
Beim klassischen Planungsverfahren aus der Lochkartenzeit führt der Computer eine
vollautomatische Tourenplanung im Stapel-Betrieb (Batch-Betrieb) durch. Der
Disponent kann nicht direkt in die Berechnung eingreifen und die Tourenplanung nur
nachträglich auf den EDV-Listen ändern.
Für akzeptable Tourenpläne bei komplexen Planungsaufgaben mit vielen Nebenbedingungen benötigt man sehr aufwendige Optimierungsverfahren, die zwar einen
hohen Aufwand bei der Datenbeschaffung verursachen und lange Rechenzeiten haben, aber trotzdem nur selten hundertprozentig zufrieden stellende Ergebnisse hervorbringen.
Die Erfahrung und Intuition des Disponenten gehen nicht in die Computerlösung ein.
Der Computer arbeitet unter Umständen am Disponenten vorbei. Daher wurde diese
Art von Tourenoptimierung in der Vergangenheit nur selten vom Disponenten akzeptiert und eingesetzt.
Für die tägliche Disposition arbeitet eine rein maschinelle Optimierung nur bei einfachen Planungsaufgaben zufrieden stellend. Bei komplexen Aufgaben ist sie nur zur
Erstellung von langfristigen Rahmentourenplänen als Grundlage für die manuelle
Disposition geeignet.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 33
3.2.2. Fuhrparkinformationssystem mit manueller Tourenplanung
Nachdem Computer dialogfähig wurden, verzichtete man als Reaktion auf die Probleme mit der rein maschinellen Tourenplanung völlig auf eine mathematische Optimierung. Dialogprogramme entstanden, bei denen der Disponent selbst sämtliche
Planungsentscheidungen trifft und sie dem Computer nur mitteilt. Dieser übernimmt
die Datenverwaltung, sortiert Aufträge nach Kunden, Regionen, Terminen, zugeordneten Touren usw., überwacht die Planung und prüft Fahrzeugkapazitäten und Termine, führt aber keine Optimierung durch.
Der Disponent wird von fehleranfälligen Routineaufgaben (Kapazitätsberechnungen,
Sortierung) entlastet und kann sich auf den eigentlichen Planungsprozess konzentrieren. Allerdings wird die Fähigkeit des Computers, sehr schnell zahlreiche Alternativen eines Planungsfalles durchzuspielen, nicht genutzt. Die eigentliche Tourenplanung geschieht wie bei der manuellen Planung auf der Landkarte oder im Kopf des
Disponenten.
Gegenüber einer vollautomatischen Tourenoptimierung kann die Datenerfassung
und -pflege vereinfacht werden, wenn auf eine Entfernungs- oder Fahrzeitenüberwachung verzichtet wird. Der Programmeinsatz ist auch auf einfachen Personal Computern möglich und rentiert sich auch bei kleinen Fuhrparks.
3.2.3. Interaktive Tourenoptimierung
Die Optimierung im Dialog vereint die Vorteile der rein maschinellen Tourenoptimierung mit denen der manuellen Planung.
Die Tourenoptimierungsprogramme, die derzeit als Standardsoftware angeboten
werden, haben Dialog-Module zur Ausgabe der Optimierungsergebnisse und zur
Durchführung manueller Eingriffe. Sie gestatten entweder eine interaktive Nachplanung der optimierten Touren oder einen steten Wechsel zwischen Dialog-Planung
und Optimierung.
Diese Programme kombinieren die intuitive Erfahrung des Disponenten mit der
Schnelligkeit des Computers. Da der Disponent bei kritischen Sonderfällen eingreifen kann, können einfache und schnelle Optimierungsverfahren angewandt werden.
Der Disponent ist bei kurzfristigen Änderungen flexibel.
Die Optimierungsergebnisse werden umso eher vom Disponenten akzeptiert, je
mehr sie Vorschlagscharakter haben und kein starres Korsett darstellen, und je einfacher das Dialogsystem zu bedienen ist.
Die Mensch-Computer-Kommunikation geschieht über Tastatur und alphanumerische Bildschirmmasken. Der Disponent muss seine Strassenkarten im Kopf oder
neben sich liegen haben. Einige Systeme gestatten die grafische Darstellung der
geplanten Touren auf Bildschirm, Drucker oder Plotter. Die Grafik dient aber nur als
Ergänzung.
Leistungsfähige Systeme sind i.a. hardwareunabhängig und auf Personal Computern
und Anlagen der mittleren Datentechnik einsetzbar.
3.2.4. Tourenoptimierung mit grafischer Ein- und Ausgabe
Die grafische Ein- und Ausgabe verbindet die Tourenoptimierung im Dialog mit der
einfachen Bedienung eines Computerspieles. Die Arbeitsweise ist dieselbe wie bei
modernen CAD-Programmen und bietet hohe Softwareergonomie.
Auf dem Grafikbildschirm eines Personal Computers werden die Kundenorte quasi
als Landkarte dargestellt. Mit einer „Maus“ werden Kundenorte „angetippt“. So eine
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Maus ist ein kleines Kästchen, das auf dem Schreibtisch hin und her bewegt wird
und dabei die Bewegungen an einen Pfeil auf dem Bildschirm überträgt. Sobald der
Pfeil auf einen Kundenort deutet, werden die zugehörigen Kunden- und Auftragsdaten angezeigt.
Auf dem Rücken der Maus sind Tasten angebracht. Jede Taste löst eine Planungsanweisung aus. So können mit einem Tastendruck die angezeigten Aufträge in eine
Tour eingeplant werden. Der Computer gibt daraufhin die neue Fahrtroute und Auslastung der Tour aus, oder eine Meldung bei Überlastung.
Die Fahrtroute einer Tour lässt sich durch Verbindungslinien zwischen den Kundenorten darstellen. Im Zoom-Effekt können Landkarten-Ausschnitte herausgegriffen
werden. Die Verwendung von grafischen Symbolen statt Texten macht die Bildschirmdarstellung übersichtlicher.
3.3. Aufbau von Tourenplanungsprogrammen
3.3.1. Programmablauf und Datenfluss
Abbildung 12 zeigt ein allgemeines Schema des Programmablaufs und Datenfluss
eines dialogorientierten Tourenplanungsprogrammes, sowie dessen Einbindung in
die EDV-Umgebung eines Betriebs.
Abhängig von Aufgabenstellung, Betriebsorganisation und Software weichen realisierte Lösungen von dem Schema ab.
3.3.2. Daten-Input
In den meisten Betrieben ist schon
vor
der
Einführung
eines
Tourenplanungssystems Software
vorhanden, mit der die aktuellen
Kunden- und Auftragsdaten verwaltet werden (Auftragsabwicklung,
Fakturierung, Datenbank usw.). In
diesem Fall erstellt man entweder
Dateien als Schnittstellen zum
Tourenplanungssystem, oder man
ermöglicht ihm einen direkten
Zugriff auf die Datenbank.
Die Kundendatei muss dabei so
erweitert werden, dass auch die
geographische Lage der Kundenorte
(Koordinaten,
Zeitund
Fahrzeugrestriktionen) und die Kundenrestriktionen
gespeichert
werden können. Im Auftragswesen
müssen oft die Liefertermine
präziser formuliert werden.
Wenn ein Personal Computer für
die Tourenplanung eingesetzt wird,
erstellt man die entsprechenden
Abbildung 17:Schema eines Tourenplanungsprogramms
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 35
Dateien auf dem Zentralrechner und überträgt sie anschliessend zum PC. Soll die
Auftragserfassung vom Disponenten selbst durchgeführt werden, muss das Planungssystem mit Unterprogrammen für die Erfassung ausgerüstet werden.
Die Konzeption der Schnittstellen hängt vom Einzelfall ab.
3.3.3. Netzwerkanalyse
Die Netzwerkanalyse erstellt die Distanz- oder Savingsmatrix. Mit dieser Matrix und
den vorgegebenen Restriktionen versucht die Tourenoptimierung möglichst gute
Touren zu bilden. Die Grundlagen der Netzwerkanalyse werden im Kapitel 3 behandelt.
Im Normalfall führt ein spezielles Teilprogramm die Netzwerkanalyse durch und liefert die (ggf. auf- oder absteigend sortierten) Distanz- oder Savingswerte. Diese werden entweder in einer Netzwerk-Datei gespeichert oder nach der Optimierung wieder
gelöscht.
Wenn die Kunden ständig wechseln, muss die Netzwerkanalyse bei jedem Planungslauf durchgeführt werden. Bei einem konstanten Kundenstamm ist eine Netzwerkdatei empfehlenswert. Die Netzwerkanalyse braucht dann nur einmal durchgeführt zu werden. Die Planungsläufe verwenden nur die Verbindungen aus der Netzwerkdatei, zu denen gerade Aufträge vorliegen.
Zur Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten oder bei Änderungen im
Kundenstamm muss ein Update der Netzwerkdatei durchgeführt werden. Diese Pflege erfolgt entweder durch ein eigenes Update-Programm oder ist Teilfunktion der
Dialogprogramme zur Tourenplanung.
3.3.4. Netzwerkpflege durch Einsatz mobiler Bordcomputer
Mit mobilen Mikrocomputern, die in den Fahrzeugen installiert sind, kann die Netzwerkdatei automatisch auf den neuesten Stand gebracht werden (vgl Kapitel 4). Solche Fahrzeugcomputer ermöglichen neben der Speicherung von Fahr- und Standzeiten eine Auftragsverwaltung mit permanenter Inventur der mitgeführten Waren. Der
Ausdruck von Lieferscheinen und Rechnungen ist direkt beim Kunden möglich.
Die Übernahme der registrierten Fahr- und Standzeiten in die Tourenoptimierung
macht das Optimierungssystem lernfähig. Änderungen im Strassennetz oder in der
Abfertigung beim Kunden werden dem System automatisch mitgeteilt. Die Stammdatenpflege wird für den Disponenten erheblich vereinfacht.
3.3.5. Tourenplanung
Das zentrale Modul eines Planungsprogrammes führt die Funktionen
•
•
Tourenoptimierung
manuelle Planung im Dialog
und eventuell
•
Netzwerkpflege im Dialog
durch.
Die Verfahren zur Tourenoptimierung wurden bereits oben skizziert, die mathematischen Grundlagen sind der einschlägigen Literatur zu entnehmen.
Für die manuelle Planung werden die folgenden Dialogfunktionen benötigt:
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Transportplanung und Tourenoptimierung
•
•
•
•
•
•
•
Seite 36
Anzeigen und Drucken der Daten von Kunden, Aufträgen, Fahrzeugen und
Touren
grafische Darstellung von Tourenplänen
Ein-, Aus- und Umladen von ausgewählten Aufträgen
Auflösen von Touren
Zuordnung von Fahrzeugen zu Touren
Änderung der Fahrtroute einer Tour
Starten von Optimierungsverfahren
Der Leistungsumfang und die Funktionsweise der Dialogfunktionen in den Standardprogrammen unterscheiden sich erheblich (vgl. Kapitel 4).
3.3.6. Durchführung der Dialogfunktionen
Der Dialog mit dem Computer erfolgt bei den meisten Programmen alphanumerisch
über Tastatur und Bildschirm, zum Teil wird der Disponent durch grafische Ausgabe
der Touren auf dem Bildschirm oder Drucker unterstützt. Die Zuordnung eines Auftrages zu einer Tour geschieht auf „klassische“ Weise durch Eingabe von Auftragsnummer und Tournummer.
Das Tourenplanungsprogramm stellt die Kundenorte und Touren in einem Lageplan
auf dem Bildschirm dar. Mit einer Maus bewegt man darin einen Pfeil und wählt Aufträge, Touren und Planungsanweisungen aus. Die grafische Ein- und Ausgabe
macht die Tastatur für die Planung überflüssig, Tippfehler kommen nicht vor.
Auch in der Abfolge von Optimierung und manueller Planung bestehen Unterschiede
zwischen den Systemen:
Einige Systeme führen in einer festen Reihenfolge zuerst die Tourenoptimierung
durch und gestatten dann nur eine manuelle Nachplanung der optimierten Touren.
Das Auflösen kompletter Touren und eine erneute Optimierung der freien Aufträge
sind nicht möglich.
Andere Systeme starten mit der Optimierung, gestatten aber anschliessend einen
steten Wechsel zwischen Optimierung und Dialog-Planung. Hier ist es möglich,
komplette Touren aufzulösen, einzelne Aufträge manuell zu verplanen, und die restlichen Aufträge noch einmal zu optimieren.
Die grösste planerische Freiheit für den Disponenten bieten die Systeme, bei denen
er im Dialog ein Optimierungsverfahren startet, das schrittweise durchgeführt wird,
und das er jederzeit abbrechen kann, um kritische Sonderfälle manuell zu planen.
3.3.7. Daten-Output
Die Ergebnisse der Tourenplanung werden letztlich in Form von Drucklisten, wie z.B.
Einsatzpläne für Fahrzeuge und Personal, Ladelisten, Lieferscheine, FahrerAnweisungen, Statistiken, benötigt.
Bei jeder Anwendung ist festzulegen, welche Listen vom Tourenplanungsprogramm
erstellt werden, und welche Informationen in Form einer Tourendatei an die BetriebsEDV übergeben werden.
Ausserdem ist die Speicherung der Tourenplanungsergebnisse in einer StatistikDatei zu empfehlen. Mit dieser Statistik kann zur Überwachung des Fahrzeugeinsatzes und des Planungssystemes ein Soll-Ist-Vergleich von Planung und Auslieferung
durchgeführt werden. Die Statistik ermöglicht eine Transportkostenrechnung als
Grundlage einer mittel- bis langfristigen Logistikplanung.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 37
3.4. Realisation eines EDV-Systems
3.4.1. Phasenplan
Im Folgenden wird ein Phasenplan für die Entwicklung eines Planungssystemes mit
Beschaffung der zugehörigen Software und System-Einführung beschrieben.
Phase 0: Grobanalyse.
Bestandsaufnahme des gesamten Transportaufkommens mit Mengen- und Kostengerüst. Ermittlung von Einsparungsmöglichkeiten. Bewertung durch Kosten/Nutzen-Analyse. Aufstellung
eines Massnahmenkataloges mit Dringlichkeiten
und von Realisierungsplänen für die Einzelmassnahmen.
Die folgenden Phasen gelten für jede Einzelmassnahme:
Phase 1 - Detailanalyse:
Detaillierte Analyse des gesamten Transportaufkommens und der Transportmittel, die von der
Massnahme betroffen sind. Detailkonzeption der
Organisationsmassnahmen und EDV-Programme.
Kosten/Nutzen-Analyse der Einzelmassnahme.
Ggf. Revision der Grobanalyse.
Phase 2 - strategische Planung:
Planung und Auswahl der Transportmittel. Bewertung der Kapazitäten des eigenen Fuhrparks,
Mietfahrzeuge, Speditionen. Hilfsmittel: Tourenoptimierung, Warteschlangenanalyse, Simulation.
Ggf. Revision der Detailanalyse.
Phase 3 - taktische Planung:
Entwicklung eines Verfahrens zur kurzfristigen
Disposition. Auswahl eines geeigneten Planungsmodelles. Definition eines Minimalkernes. Schnittstellen zur EDV-Umgebung. Kosten/NutzenAnalyse unterschiedlicher Planungsmodelle.
Phase 4 - Marktanalyse:
Standardsoftware prüfen, ggf. Angebote für Programmierleistungen durch Softwarehäuser einholen. Wichtig: nicht der Betrieb hat die Anforderungen der Software zu erfüllen, sondern umgekehrt.
Phase 5 - Programmentwicklung: Programmierung, Test und Dokumentation der betriebsspezifischen Programmteile und DateiSchnittstellen. Ggf. zunächst nur für den Minimalkern.
Phase 6 - Organisation:
Parallel zu Phase 5: Durchführung der betrieblichen Organisationsmassnahmen zur Einführung
des Systems. Bereitstellung der erforderlichen Daten.
Phase 7 - Schulung:
Schulung des Disponenten und Systembetreuers
in der EDV-Abteilung.
Phase 8 - Einsatz:
Einsatz des Systems, bzw. Minimalkernes. Ständige Überprüfung des Planungsverfahrens.
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Phase 9 - Anpassungen:
Seite 38
Massnahmenkatalog und Phasenplan für Erweiterungen des Planungssystemes (bzw. Minimalkern)
und Anpassung an die Erfordernisse des laufenden Betriebes.
3.4.2. Checkliste für die Software-Beschaffung
Die folgenden Stichpunkte dienen zur Beurteilung von Angeboten für Standardsoftware, Auftragsprogrammierung und Beratung.
Allgemeines:
Programmname, Versionsnummer, Hersteller,
Bezugsquelle; Leistungsbeschreibung, Restriktionen, Mengengerüst, Optimierungsverfahren;
Beschreibung kundenspezifischer Anpassungen
und Erweiterungen
Software:
Dialogsprache, Benutzerführung, Fehlerbehandlung, Gestaltung von Bildschirmmasken und
Drucklisten
Hardware:
Anlagentyp, Hersteller, Betriebssystem, Arbeitsspeicher, Massenspeicher, Bildschirm, Drucker,
Plotter; Rechenzeit, Speicherbelastung, DialogAntwortzeiten
Dokumentation:
Umfang, Aufbau und Gestaltung des Benutzerhandbuches, Datei-Beschreibungen; Dokumentation der Optimierungsverfahren; Programmdokumentation, Quellcode
Zusammenarbeit:
Wer führt kundenspezifische Änderungen durch?
Auf welcher Anlage? Mitwirkung des Kunden?
Welche Personen mit welcher Qualifikation sind
verantwortliche Ansprechpartner?
Installation:
Wer führt Installation durch? Auf welcher Anlage?
Wer liefert Testdaten und führt Abnahmetests
durch? Umfang der Mitarbeit von Lieferant und
Kunde
Schulung und Beratung:
Umfang der Schulung, Ort der Schulung, Umfang
von persönlicher und telefonischer Beratung; Informationen nach Installation des Programms
(Firmenmitteilungen, Anwendertreffen)
Wartung:
Konditionen für Programmerweiterungen und Verbesserungen durch den Hersteller; kundenspezifische Programmanpassung im Lauf der Zeit
Garantie:
Art und Umfang der Garantie, Art und Weise der
Fehlerbeseitigung
Rechte:
Einfach- oder Mehrfachnutzung innerhalb eines
Unternehmens oder Firmengruppe, Nutzung
durch Dritte als Dienstleistung; Urheberrecht für
Standardsoftware, Anpassungen
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Kosten:
Preise für Standardsoftware, Hardware, Anpassungen, Schulung, Beratung, Wartung; Kauf
oder Miete, Zahlungsbedingungen; Kosten für Eigenleistungen (Personal, Hardware); Amortisation
Termine:
Projektbeginn; Fälligkeit von Zwischenberichten,
Testergebnissen; Installation, Echt-Einsatz
Vertraulichkeit:
Umfang der vertraulichen Betriebsdaten; Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen
Kündigung:
Gründe für berechtigte Kündigung während Anpassung, während Echt-Einsatz; Rechte an Arbeitsergebnissen bei Kündigung
Referenzen zum Softwarehaus:
Alter, Anzahl Mitarbeiter, Qualifikation, Arbeitsschwerpunkte, durchgeführte Projekte; Auskunftsbereitschaft, Schnelligkeit beim Beantworten von
Anfragen, Informationspolitik
Referenzen zum Programm:
Anzahl Installationen, Kundenanschriften, Telefonnummer von Ansprechpartnern, Einsatzzeit;
Vorführung, Test durch eigenes Personal, mit eigenen Daten, Probeinstallation, Demo-Programm
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4. Netzwerkanalyse
4.1. Allgemeines
Die Netzwerkanalyse hat als Aufgabe, für alle realisierbaren Verbindungen zwischen
2 Kundenorten die Distanz oder den Savingswert zu ermitteln. Die Distanz kann die
Entfernung, die Reisezeit oder die Reisekosten sein. Wenn nur eine Art von Transportmittel für die Tourenplanung zur Verfügung steht, so werden Savingswerte, Reisezeiten und -kosten direkt aus den Entfernungen abgeleitet.
Man kann die Entfernungen entweder aus fertigen Entfernungswerken, z.B. Datei mit
RKT-Entfernung, entnehmen oder selbst ermitteln. Hierfür gibt es zwei unterschiedliche Methoden: die Verbindungsstrassenmethode und die Koordinatenmethode.
Man kann den Rechenaufwand für die Tourenoptimierung verringern, wenn man
möglichst viele nicht realisierbare Distanzen aus der Distanzmatrix entfernt. Das ist
mit den Methoden Dekomposition, sukzessive Komposition und Zerlegung in Subsysteme möglich.
4.2. Erstellen einer Distanzmatrix
4.2.1. Verbindungsstrassenmethode
Auf einer Landkarte oder einem Stadtplan markiert man die Lage aller Kundenorte,
Depots und Verkehrsknotenpunkte. Von jedem markierten Punkt auf der Karte ermittelt man die echten Entfernungen zu jedem direkt erreichbaren Nachbarpunkt. Zur
Ermittlung von Reisezeiten multipliziert man die Entfernungen mit der Durchschnittsgeschwindigkeit des jeweiligen Strassentyps.
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Auf diese Weise erhält man ein Wegenetz, bei dem alle Entfernungen zwischen benachbarten Punkten bekannt sind. Mit einem Algorithmus zur Ermittlung von kürzesten Wegen ermittelt man die kürzesten Entfernungen zwischen allen Kundenorten.
Die Verbindungsstrassenmethode liefert auch für Verkehrsnetze mit unterschiedlichen Transportmitteln (z.B. PKW, Bahn, Flugzeug) und bei komplizierten Landschaftsstrukturen genaue Tabellen mit Reisezeiten oder -kosten. Mit ihr kann man
auch spezielle Gegebenheiten (Mautgebühr, Wartezeiten) berücksichtigen.
Da die Verbindungsstrassenmethode die Orte kennt, die auf dem Weg zwischen
zwei Kundenorten liegen, sind auch sinnvolle Optimierungen bei einer grossen Anzahl von Kundenorten pro Tour möglich.
Allerdings erfordert diese Methode einen erheblichen Datenerfassungsaufwand,
woran die Anwendung bei grösseren Problemen scheitert. Ein sinnvoller Einsatz ist
im Allgemeinen nur bei Datenbeständen mit bis zu 2000 Kunden möglich.
Die Genauigkeit der Ergebnisse kann natürlich nicht besser sein als das zugrunde
liegende Datenmaterial. Die tatsächlichen Fahrzeiten können so stark von den berechneten Werten abweichen, dass sich der Aufwand für die Verbindungsstrassenmethode nicht lohnt.
4.2.2. Koordinatenmethode
Auf einer Landkarte markiert man die Kundenorte und Depots. Über die Landkarte
wird ein Koordinatensystem (rechtwinkliges Gittersystem) mit X-Achse und Y-Achse
gelegt. Die Lage des Nullpunktes ist dabei beliebig. Dadurch kann man für jeden
Punkt eine X-Koordinate und eine Y-Koordinate ermitteln.
Die Koordinaten kann man entweder ablesen oder mit einem Digitizer (Digitalisiertablett) ermitteln. Beim Digitizer tippt man mit einem Stift auf jeden Punkt, oder man
positioniert eine Lupe mit einem Fadenkreuz auf die Punkte. Das Gerät ermittelt
selbständig die Punkt-Koordinaten und überträgt die Werte an einen Computer.
Bei groben Planungen kann man mehrere Kundenorte zu einem Punkt zusammenfassen (z.B. Postleitzahl, RKT-Gemeindetarifbezirk). Es gibt auch fertige Koordina-
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 42
tenwerke mit den Koordinaten für jeden RKT-Tarifbezirk, jede Postleitzahl oder Postleitzahl plus Zustellbezirk.
Aus den Koordinaten wird nun für jedes Punktpaar i und k die Luftlinienentfernung
berechnet (Satz von Pythagoras1):
Dik =
√ (xi - xk)2 + ( yi - yk )2
Die Luftlinienentfernungen sind natürlich erheblich kürzer als die echten Strassenkilometer, die man näherungsweise berechnet, in dem man die Luftliniendistanz mit
einem Korrekturfaktor multipliziert. Dieser Faktor liegt normalerweise zwischen 1,0
und 1,5 und hängt vom jeweiligen Gebiet ab. In der Schweiz kommt im Normalfall
der Faktor 1,28 den wahren Entfernungen am nächsten. Die Faktoren können pro
Bezirk oder pro Kunde festgelegt werden.
Natürliche Hindernisse wie Gebirge, Flüsse und Seen machen die Berechnung mit
der Koordinatenmethode sehr ungenau. Bei einer geringen Anzahl von Hindernissen
kann man Barrieren setzen. Bei einer Verbindung, deren Luftlinie über eine Barriere
führt, werden die Umwege über die beiden Endpunkte der Barriere berechnet. Der
kürzere Umweg ist die gesuchte Entfernung. Durch Barrieren können einzelne Hindernisse berücksichtigt werden, komplizierte Landschaftsstrukturen wie in der
Schweiz sind allerdings nicht realisierbar.
Der Erfassungsaufwand ist wesentlich geringer als bei der Verbindungsstrassenmethode. Vor allem für grossräumige Planungen lässt sich mit vertretbarem Aufwand
eine ausreichend genaue Distanztabelle aufbauen. Bei einer grossen Anzahl von
1
Pythagoras von Samos, geboren in Samos um 570 vor Chr., gestorben in Metapont (?)497/496, war ein griechischer Philosoph. Gründete die religiös-politische Lebensgemeinschaft der Pythagoreer. Der ihm zugeschriebene Satz des Pythagoras
(pythagoreischer Lehrsatz) beruht auf Erkenntnissen der vorgriechischen Mathematik.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 43
Kundenorten pro Tour können allerdings wenig sinnvolle Touren entstehen, da dem
System bei grösseren Entfernungen die dazwischen liegenden Kundenorte nicht bekannt sind.
Die Entfernungsberechnung kann hierbei auch während der Tourenoptimierung
durchgeführt werden. Die Distanzmatrix braucht dann nicht gespeichert werden, die
Speicherung der Koordinatenwerte genügt. Die Optimierung benötigt weniger Speicherplatz. Dafür werden allerdings unter Umständen dieselben Distanzen mehrmals
berechnet.
Ein Update im Kundenstamm ist relativ einfach durchzuführen. Bei einem grossen,
ständig wechselnden Kundenstamm ist die Koordinatenmethode das einzige realisierbare Verfahren der Distanzermittlung.
4.3. Reduktion eines Netzwerkes
4.3.1. Dekomposition
Die Zerlegung eines Wegenetzes in unabhängige Teilprobleme heisst Dekomposition. Durch Dekomposition eines Netzwerks kann der Rechenaufwand der Tourenoptimierung erheblich gesenkt werden.
Teilprobleme sind unabhängig, wenn das Optimum eines Teilproblems nicht von anderen Teilproblemen beeinflusst wird. Eine Optimierung des Gesamtsystems liefert
dieselbe Lösung wie die schrittweise Optimierung der Teilprobleme. Die Teilprobleme können also unabhängig voneinander optimiert werden. Die Zusammenfassung
aller optimalen Teillösungen ist die optimale Lösung des Gesamtproblemes.
Abbildung 18: Dekomposition eines Netzwerkes
Zur Dekomposition eines Netzwerkes gibt es vier Möglichkeiten:
•
•
•
Räumliche Dekomposition: das Streckennetz wird auf Grund regionaler Gegebenheiten zerlegt. Gewässer, Gebirge, Staatsgrenzen usw. grenzen die
Teilnetze voneinander ab.
Zeitliche Dekomposition: Aufträge mit einander widersprechenden Terminvorgaben werden in getrennten Planungsperioden optimiert.
Pendeltouren: Bildung von Touren, die nur zu einem einzigen Kundenort gehen.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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•
Transportmittelbezogene Dekomposition: es werden nur solche Aufträge miteinander optimiert, welche dieselben Transportmittel benutzen können.
Weitere Ansatzpunkte können sich durch spezielle Gegebenheiten einer Problemstellung ergeben.
4.3.2. Sukzessive Komposition
Manchmal sind Teilsysteme untereinander nur in einer Richtung abhängig. Das
heisst, die Optimallösung im Teilsystem A ist zwar unabhängig vom Teilsystem B,
beeinflusst aber die Lösung von B. Bei der sukzessiven Komposition optimiert man
zunächst nur das Teilsystem A und übernimmt die Ergebnisse in die Optimierung
von B.
So kann beispielsweise eine nichtvolle Auslandstour mit Inlandsaufträgen gefüllt
werden, die auf dem Weg zur Grenze ausgeliefert werden. In diesem Fall wird zunächst eine Tourenoptimierung mit den Auslandsaufträgen (Teilsystem A) durchgeführt, wobei als Depot der Grenzübergang genommen wird. Anschliessend werden
die Inlandsaufträge (Teilsystem B) optimiert. Hierbei werden die Auslandsaufträge
dieser Tour zu einem einzigen fiktiven Auftrag zusammengefasst, dessen Kundenort
die Grenzstation ist. In der Reihenfolge der Inlandsaufträge bildet die Grenzstation
das Tourenende.
Dieses Vorgehen ist immer möglich, wenn in einem schwach zusammenhängenden
Wegenetz Engpässe vorkommen.
4.3.3. Subsysteme
Bei vielen Anwendungen wird gefordert, dass nur Aufträge aus einer Region in einer
Tour sind. Touren, die von Bern über Chur nach Basel führen, sind selten erwünscht.
Unter Region wird dabei nicht ein völlig abgegrenzter Bezirk verstanden (sonst wäre
ja eine Dekomposition möglich), sondern ein mit den Nachbarregionen überlappendes Gebiet.
Ein solches Gebiet ist ein Subsystem. Jedem Kundenort wird ein Subsystem zugeordnet. Distanzen oder Savingswert werden nur zwischen den Kundenorten berechnet, die in einem gemeinsamen Subsystem liegen. Dadurch kann die Distanzmatrix
und der Aufwand für die Netzwerkanalyse erheblich reduziert werden.
Die Subsystembildung kann wie die Dekomposition nach räumlichen, zeitlichen und
transportmittelbezogenen Gesichtspunkten erfolgen.
•
•
•
Bei der räumlichen Subsystembildung werden überlappende Regionen gebildet. Zunächst teilt man das gesamte Liefergebiet in Bezirke ein, wobei man
sich an Postleitbereichen, Vertreterbezirken oder politischen Grenzen orientiert. Die Grösse der Bezirke sollte so gewählt werden, dass jeder Bezirk ungefähr die gleiche Anzahl Kunden enthält. Das Subsystem zu einem Kundenort setzt man aus dem Bezirk des Kundenortes und den Nachbarbezirken
zusammen. Für die Tourenoptimierung werden nur die Verbindungen berechnet, die von dem Ort zu den anderen Kundenorten in seinem Subsystem führen.
Bei der zeitlichen Subsystembildung werden Aufträge mit gemeinsamen Terminrestriktionen einem Subsystem zugeordnet, so dass keine Verbindungen
zwischen Aufträgen mit einander widersprechenden Terminen berechnet werden.
Bei der transportmittelbezogenen Subsystembildung ordnet man Aufträge mit
denselben Anforderungen an das Transportmittel einem Subsystem zu, so
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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dass nur Verbindungen zwischen Aufträgen, die ein Transportmittel gemeinsam benutzen können, berechnet werden.
Subsystembildung ist keine Dekomposition! Subsysteme überlappen und müssen
daher gemeinsam optimiert werden. Eine zu enge Subsystembildung kann die Lösungsvielfalt einschränken und zu einer Lösung führen, die erheblich schlechter als
das tatsächliche Optimum ist.
Bei einer stets wiederkehrenden Aufgabenstellung kann in einer Testphase überprüft
werden, ob eine gewählte Subsystembildung die Optimierung beeinträchtigt. Der
gleiche Datenbestand wird dazu mit und ohne Subsystembildung optimiert. Die Subsystembildung wird solange verfeinert, bis sich die gefundenen Optimallösungen verschlechtern.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
5. Die händische Planung
Das im Folgenden dargestellte 5-Schritte-Vorgehensprinzip gilt vornehmlich für die
Strategische Tourenplanung und führt zu einer mittelfristig gültigen RahmentourenOrdnung.
Für die tägliche (operative) Tourenplanung ist das Vorgehen zu aufwendig. Hingegen
kann ausgehend von der Rahmentouren-Ordnung und auf der Grundlage der aktuellen Lieferdaten sehr schnell ein verlässlicher Routenplan abgeleitet werden.
Es muss jedoch klar erkannt werden, dass mit der manuellen Planungsmethode sowohl für die mittelfristig gültige Rahmentouren-Ordnung, wie auch für den kurzfristig
wirksamen Routenplan, lediglich ein grob angenähertes Kostenminimum erreicht
werden kann, weil die notwendigerweise "eingebaute Flexibilität" immer nicht genutzte räumliche und zeitliche Kapazitäten einkalkulieren muss. Echte Kostenminima
werden nur mit edv-gestützten Planungsmethoden erreicht.
1. Schritt: Uebersicht verschaffen
Mengengerüst Kundenstellen
Geografische Standorte
Kunden-Restriktionen
bes tim m en der m ittleren A bladem enge pro S top in A nteilen der
A nz ahl LE O pro P LZ
Lieferrhy thm us -V orgaben
Zeitres trik tionen
Fz -Res trik tionen
ex ak te geogr. Lage bes tim m en
verdic hteten B odenbelegungs fläc he
Mengengerüst PLZ
bes tim m en der m ittleren A bladem enge pro P LZ in A nteilen der
verdic hteten B odenbelegungs fläc he
Lieferrhythmus pro PLZ
täglic h
M M F-Rhy thm us
Visualisierung auf detaillierte
Landeskarten
DDS -Rhy thm us
täglic he B elieferung = blau
m ehrm als pro W oc he = gelb
1x pro W oc he = rot
s poradis c h = weis s
für jede M ark ierung wird die A bladem enge fes tgehalten
Der erste Schritt ist gleichzeitig auch der zeitintensivste, denn es gilt, sämtliche für
die neue Tourenordnung relevanten Planungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen:
1. Mengengerüst der Kundenstellen: es ist die mittlere Ablademenge pro Stopp in
Anteilen der verdichteten Bodenbelegungsfläche zu bestimmen. Von dieser mittleren Ablademenge sollte die ungefähre Standzeit beim Kunden abgeleitet werden können.
2. Geografische Standorte: Dieser Punkt ist vor allem dann wichtig, wenn pro PLZ
mehrere Kundenstellen angefahren werden sollen. Idealerweise sollten sämtliche
Kundenstellen mit derselben PLZ auch der gleichen Tour zugeordnet werden
können. Um nun die effektive Routenreihenfolge innerhalb dieser Tour festzulegen, ist der exakte Kundenstandort wichtig.
3. Kundenrestriktionen: Hier wird festgelegt, an welchen Wochentagen die jeweiligen Kunden beliefert werden sollen. Normalerweise findet bei diesem Punkt eine
Abstimmung mit der Verkaufsabteilung statt.
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Gleichzeitig sind allfällige Zeitrestriktionen festzulegen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass kleine Lieferzeitfenster (z.B. zwischen 0800 und 0830 Uhr) die anschliessende Reihenfolgeplanung ungemein erschweren.
Ebenfalls auszusondern sind alle Kundenstellen, die nicht mit beliebigen Fahrzeugen angefahren werden können (z.B. innerstädtische Kunden mit Sattelschlepper).
4. Bei mehreren Kundenstellen pro PLZ werden die mittleren Ablademengen kumuliert (Zusammenfassung der Punkte 1 und 2).
5. Gegebenenfalls kann pro PLZ ein verbindlicher Lieferrhythmus abgeleitet werden.
6. Zur besseren Übersicht werden alle Planungsgrundlagen auf Landkarten eingetragen (visualisiert). Empfehlenswert ist die Verwendung von Landeskarten
1:50'000.
Im Idealfall entsteht so eine Karte für jeden einzelnen Wochentag, auf denen die
an diesem Wochentag zu beliefernden Kundenstellen sowie relevante Mengengerüst eingetragen sind.
2. Schritt: Bildung von Verteil-Regionen
Auf jeder Tageskarte werden
nun
die
geografisch
zusammenhängenden Gebiete
bestimmt, die sinnvollerweise
als Ganzes einer Tourenordnung zugewiesen werden können. Oder mit anderen Worten: es werden jene Gebiete voneinander getrennt, für die eine gemeinsame Tour nicht sinnvoll erscheint.
Geografisch "unmögliche" Gebiete trennen
Auf der Karte werden geografisch zusammenhängende Gebiete bestimmt, die sinnvollerweise als Ganzes
einer Tourenordnung zugewiesen werden. Als „Trennlinien" können gelten: Seen, Berge, Täler, etc.
Beispiele: Zürich-City, Zürich-Nord, Zürichsee-Süd, Mittelland-Nord, Wallis, etc
3. Schritt: Bildung von strategischen Tourgebieten
Es sind prioritär die grössten
Fahrzeuge für die am weitesten
entfernten Kundenstellen zu
verplanen. Dies deshalb, weil
die
grössten
Fahrzeuge
normalerweise auch die höchsten Fixkosten aufweisen und deshalb zeitlich auch voll
ausgelastet werden sollen. Zur Bildung der strategischen Tourgebiete werden die
standzeitrelevanten Ablademengen pro Kundenstelle sukzessive in die Fahrzeuge
verladen. Dabei ist aus der Sicht vom Depot aus von hinten nach vorne vorzugehen.
Das strategische Tourgebiet ist fertig gebildet, wenn das verladene Fahrzeug räumlich komplett ausgelastet ist. Selbstverständlich ist es dabei möglich, dass einzelne
PLZ auch von mehreren Fahrzeugen angefahren werden, also zu unterschiedlichen
Tourgebieten gehören. Dies vor allem dann, wenn die Ablademenge einer PLZ die
Ladekapazität eines Fahrzeuges übersteigt oder wenn zwei oder mehrer völlig unterschiedliche Lieferzeitrestriktionen einzuhalten sind (z.B. 0900 und 1500 Uhr).
LKW-Tourgebiete bestimmen
Von „hinten" nach „vorne" werden zuerst die grösseren Fahrzeuge sukzessive verladen, indem die mittleren
Sendungsmengeneinheiten pro PLZ kumuliert werden. Ein Strategisches Tourgebiet ist gebildet, wenn das
theoretisch zugewiesene Fahrzeug räumlich ausgelastet ist.
Eine PLZ kann dabei von mehreren Touren angefahren werden.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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4. Schritt: Tourenplanung
Erst der vierte Schritt
führt zur eigentlichen
Tourenplanung, indem pro Tourgebiet
Touren-Ordnung: Zeitliche Auslastung der Fahrzeuge bestimmen
und Fahrzeug unter
Von jedem gebildeten Tourgebiet wird der Zeitbedarf abgeleitet, in dem die Fahrzeiten und die Haltezeiten
abgeschätzt werden (mittlere km/h Stadtgebiet: 10-15, Ueberland 15-25, Ferngebiet mit Autobahn 25-45.
Einhaltung der vorMittlere Standzeiten pro Kundenstelle: 2 Min. Mittlere Standzeit im Depot pro Ausfahrt: 20-40 Min.)
gegebenen
Lieferzeit-Restriktionen die
besten (kostenoptiDienst-Einteilung: Zeitliche Auslastung der Fahrzeuge optimieren
malsten) Fahrtrouten
Die Fahrzeuge werden mit zusätzlichen Strategischen Tourgebieten ergänzt, bis die tägliche Soll-Arbeitszeit
ausgefüllt ist. Lange Touren erhalten zur Ergänzung eine oder mehrere kürzere Touren
festgelegt
werden.
Anschliessend
werden
für jede so
Organisatorische Attribute festlegen
Jede Tour und jeder Dienst erhält eine eindeutige, aber unterscheidbare Nummer, eventuell ist der
geplante Tour die
Wochentag in der Tournummer zu codieren.
zeitlich Auslastung
bestimmt, weil eine
optimal ausgelastete Tour in etwa der Tagesarbeitszeit des Chauffeurs entsprechen
soll. Zu diesem Zweck sind die Wegzeiten für die zurückzulegenden Distanzen zwischen den Kundenorten und gleichzeitig die Standzeiten an den jeweiligen Kundenstandorten abzuschätzen. Meistens genügt es, wenn mit folgenden Erfahrungszahlen gerechnet wird:
• Durchschnittsgeschwindigkeiten in Stadtgebieten: ca 10-15 km/h
• Durchschnittsgeschwindigkeiten im Überlandbereich: ca. 15-25 km/h
• Durchschnittsgeschwindigkeiten in Ferngebieten mit Autobahnanteilen: ca 25-45
km/h
• Durchschnittsgeschwindigkeiten im Fernbereich mit Autobahnanfahrt: ca 45-55
km/h
Es ist zu beachten, dass Durchschnittgeschwindigkeiten über 55 km/h nur dann erreicht werden, wenn gleichzeitig der Autobahnanteil mehr als 90% der Gesamtstrecke ausmacht. Durchschnittsgeschwindigkeiten über 65% werden von LKW im Normalfall nicht erreicht.
Die Kundenstandzeiten sind entweder aus den Ablademengen oder aus Erfahrungszahlen abzuleiten, für welche die Chauffeure hinzugezogen werden können.
Ermöglicht die Tourenplanung mehrere Ausfahrten pro Fahrzeug und Tag, so sind
Dienste zu bilden, welche sich an der Tagesarbeitszeit des Chauffeurs orientieren.
Jedem Fahrzeug werden also solange Touren zugeordnet, bis die Sollarbeitszeit erreicht ist.
Nach dieser Tourenplanung und Diensteinteilung werden die organisatorischen Attribute der Touren festgelegt. Dazu gehört vor allem die Tournummer, die eindeutig
sein soll. Die Tournummer 111 (als Beispiel) soll bei einem einwöchigen Planungshorizont nur ein einziges Mal vergeben werden.
Bildung der Routenreihenfolge
Pro Tourgebiet und Fahrzeug wird die unter Einhaltung der Zeit-Restriktionen kostenoptimalste Tour gesucht
(schnellste oder kürzeste Rundtour)
5. Schritt: Disposition
Dispositive Aufgaben der Transportleitung
Jeder Auftrag (Lieferschein) erhält je nach PLZ und Wochentag eine Tournummer und ist so automatisch
auch einem Dienst zugeordnet.
Ad hoc-Touren (Schnellschüsse, etc) erhalten separate Nummern.
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Nach erfolgter Tourenplanung können
also sämtliche Transportaufträge oder
Lieferscheine
mit
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einer eindeutigen Tournummer versehen werden. Der Disponent leitet diese Information aus einer speziellen Liste oder einer Datenbank ab.
Mit diesem Vorgehensprinzip können also durchaus kostenoptimale Touren geplant
werden. Es ist allerdings leicht einsehbar, dass allerlei „Wenn“ und „Aber“ zu Modifikationen führen und betriebsspezifische Eigenheiten ein anderes Vorgehen fordern
können.
Es ist uns letztlich bewusst, dass für die Lösung von Tourenplanungsproblemen nur
selten ein Standardvorgehen angewandt werden kann. Unsere Erfahrungen zeigen
deutlich, dass in der Regel vor allem die systematische Aufbereitung der Planungsgrundlagen zu scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten führen. Im Besonderen
ist das Distanznetz in der gesamten geografischen Vernetzung zu erwähnen sowie
die davon abhängigen Zeitbedürfnisse für die Distanzüberbrückung. Wo Distanz und
Zeitbedarf „Zürich - Bern“ noch allgemein bekannt sind, fehlen sie bei „Wolfwil - Ebersecken“ in den allermeisten Fällen. Damit entsteht eine Planungsunsicherheit, die
meistens mit Überkapazitäten und mangelhafter zeitlicher Auslastung der Fahrzeuge
kompensiert wird.
Echte betriebswirtschaftlich optimale Touren ergeben sich daher nur mit der Verwendung von hochspezialisierten Softwaresystemen, die mithilfe von mathematischen Algorithmen und in Kenntnis des Distanznetzes zu jedem Auftragsbestand innert kürzester Zeit die Zuordnung der Aufträge zu den Fahrzeugen festlegen können.
Wir sprechen dann von der „Maschinellen Tourenplanung“.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
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6. Das Logistik-Informationssystem LISY
6.1. Allgemeine Einführung
6.1.1. Was ist ein LISY
Die operative, planende und leitende Logistik eines distributionsabhängigen Betriebes benötigt zur Auftragserfüllung zielkonforme Instrumente. Ein solches Instrument
ist das Logistik-Informations-System LISY, welches folgende Zielsetzung zu erfüllen
hat:
Aufbereitung von handlungsorientierter, mengenmässiger
(Stunden, Km, Mengen), tagfertiger Führungsinformation für
den Transportbereich (Ein- und Ausgänge), die im Detail
(einzelne Tour/Fahrzeug/Chauffeur, etc) und verdichtet
(T/F/C-Kategorien
und/oder
Zeiteinheiten
(Tag/Woche/Monat/Jahr)) Auskunft gibt über die Auslastung und
die Effizienz des Mitteleinsatzes, mit dem Ziel, die kurzfristige Disposition zu verbessern, Tourenreorganisationen
vorzunehmen (sich verändernde Mengen der einzelnen Warenflüsse) und deren Effizienz zu überprüfen sowie mittelfristige Tendenzen zu erkennen (Personalbestand, Fahrzeugbestand, etc).
Für alle aufbereiteten Informationen sind Sollwerte zu führen und ein Vorperiodenund Soll/Ist-Vergleich zu ermitteln.
6.1.2. Warum ein LISY ?
Die Hauptzielsetzung der modernen Logistik-Strategie sieht u.a. vor, den Ressourcen-Einsatz der betrieblichen Logistik einem wirtschaftlichen Optimum zuzuführen
und langfristig zu sichern.
Das Transportwesen ist ein Subsystem im logistischen Warenfluss, welches die
Schnittstelle zwischen den Leistungserbringungsorten versieht und deswegen eine
besondere Beachtung verdient. Zudem ist gerade das Transportwesen einem gewaltigen Kostendruck unterworfen, besonders da die Kosten proportional zu Distanz und
Service-Qualität zunehmen.
Mit einem System von verbundenen Massnahmen trägt unter anderem folgender
Ansatz zur Leistungssteigerung und Kostensenkung der Transport-Organisation bei:
•
Implementierung eines Logistik-Informations-Systems (LISY) als FührungsInstrumentarium des laufenden Tagesgeschäftes und als Planungsgrundlage
für den Einsatz eines bereits installierten PC-gestützten TourenplanungsProgrammes.
6.1.3. Die Voraussetzungen
Für die Datenerfassung als auch für die Datenauswertung ergibt sich eine Zahlenflut,
die händisch nicht mehr zu bewältigen ist. Eine edv-gestützte Datenaufnahme, zwischenspeicherung und anschliessend -auswertung mittels eines Bordcomputers
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und nachgelagerten Personal Computer ist mit relativ einfachen Mitteln machbar und
in der Praxis schon mehrfach angewendet worden.
Die schnelle Wirksamkeit der unmittelbaren Wirtschaftlichkeit eines solchen Systems
lässt sich in vielfacher Hinsicht erwarten und in Anwendungsfällen auch belegen:
• umfassendes Führungsinstrumentarium für das laufende Tagesgeschäft
• Planungsgrundlage für den Einsatz von Tourenplanungsprogrammen
• Grundlage für die fahrzeugindividuelle Kostenträgerrechnung
• Grundlage für die Abrechnungs-Politik gegenüber den Fremdspediteuren
• Grundlage für die langfristige Ressourcen-Einsatzstrategie der Logistik
Eine weitere Voraussetzung für ein effizientes LISY ist neben dem Bordcomputer die
entsprechende Software, welche die gesammelten Daten in aussagekräftige Listen
zu verarbeiten vermag.
6.2. Definition Bordcomputer
Der Bordcomputer ist ein mobiles elektronisches Daten- und Zeiterfassungsgerät. Er
legt periodische Abfragen zum Fahrzeugstatus (Fahren, Halten, Laden, etc) als Protokoll-Ereignisse zusammen mit der Uhrzeit im internen Speicher ab und hält diese
für das Auslesen auf einen Standard-PC bereit.
Bestandteile:
•
•
•
•
Gerätehalterung: fest im Fahrzeug installiert, identifiziert Fahrzeug/Anhänger
Erfassungsgerät (Bordcomputer): liefert sämtliche Bewegungsdaten
Datenübertragungsstation: zur Datenübertragung vom Bordcomputer zum
Personalcomputer
PC/Drucker: für Auswertungen von bzw zur Datenübertragung an den HOSTRechner
6.2.1. Das Datenerfassungssystem
Für die Datensammlung braucht es ein robustes, einfach zu handhabendes und praxiserprobtes Speichermedium,
das fähig ist, fahrer- und
fahrzeugspezifische Daten über
festinstallierte
Sensoren
zu
erkennen
und
abzulegen.
Prinzipiell müssen sämtliche
Daten übernommen werden
können, um die unter Pt 5.3. erwähnten
Auswertungen
zu
erstellen. Das Speichermedium
soll fest mit dem Fahrzeug
verbunden,
aber
trotzdem
auswechselbar
sein.
Die
Fahrererkennung
geschieht
über die fahrerindividuelle Chip-Card, die gleichzeitig fähig ist, die während der Fahrt
im Speichermedium abgelegten Daten aufzunehmen, zwischenzuspeichern und über
eine noch zu definierende Schnittstelle dem PC zu übermitteln. Ohne eingesteckte
Chip-Card lässt sich der Motor nicht starten.
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Transportplanung und Tourenoptimierung
Seite 52
Im Weiteren kann das Datenerfassungssystem gleichzeitig als verdordnungskonformes Aufzeichnungsmedium gemäss ARV, Art 14 lit a herangezogen werden und hat
beweismittelfähige Aussagen über Restweg, Verzögerung und Signalbetätigung hinterlegt.
6.2.2. Die Datenübertragungs-Station
Für die Übertragung der Daten von der Chip-Card zum PC ist eine Übertragungsstation ausserhalb des Fahrzeuges notwendig. Die Übertragung ist einfach, sicher und
vor allem sehr schnell.
6.2.3. Der Auswertungs-PC
Die Auswertung der gesammelten Daten geschieht mithilfe des Auswertungsprogrammes. Das Übertragungs-Programm plausibilisiert die Vollständigkeit
der Anzahl eingelesener Chip-Card, verdichtet sie gegebenenfalls und stellt sie dem
Auswertungsprogramm zur Verfügung.
Die Führung durch das Auswertungssystem ist menugesteuert. Die einzelnen Auswertungs-Listen sind bereits fertig programmiert und lassen sich über ein List-Menu
auswählen.
6.2.4. Abgrenzung zu Tourenplanungssystemen
Im Gegensatz zum LISY kommt die Tourenoptimierung und Routenplanung vor der
Durchführung der Tour zur Anwendung. Tourenplanungssysteme sind für das LISY
in erster Linie Lieferanten von Sollwerten. Interessant ist es nun, diese Sollwerte mit
den effektiven Tourendaten einer Soll-/Ist-Abweichungsanalyse zu unterwerfen, um
einerseits Planungsschwachpunkte zu eruieren, anderseits nicht gerechtfertigtes
Verhalten der Chauffeure zu ergründen.
6.3. Die Auswertungen
Ziel:
Die Bordcomputer-Auswertungen sind eine edv-mässige Zusammenstellung
aller logistik-relevanten Führungsinformationen mit dem Ziel, Tendenzen
frühzeitig zu erkennen und die Effizienz der eingesetzten Mittel kurz-, mittelund langfristig zu verbessern. Ausserdem dienen sie als Grundlage der Plan/Ist-Abweichungsanalyse zwischen den Planvorgaben von Tourenplanungsprogrammen und den effektiv gefahrenen Einheiten.
Als rechtsgültiges Beweismittel schaffen gewisse Auswertungen bei Unfällen
sofort Klarheit.
Die Auswertungen geben in Form von:
•
•
•
Tourenstatistiken
Tourenkennzahlen sowie
Tour-Charakteristika
unter anderem Auskunft auf folgende Fragen:
•
•
•
•
•
an welchem Tage wendet welcher Chauffeur
mit welchem Fahrzeug auf welcher Tour
wie viel Zeit auf,
wie viel km legt er dabei zurück und
welche Menge transportiert er pro Tag und Tour
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Transportplanung und Tourenoptimierung
•
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Vorjahresvergleiche von km / Menge / Stunden
6.4. Notwendige Anpassungen im Arbeitsablauf
Für den Chauffeur wird neu:
•
•
•
•
Eingabe einer spezifischen Tour-Nummer
Eingabe aller von ‘Lenken’ abweichenden Betriebsarten
An- und Abmelden zu Arbeitsbeginn/-ende (‘Stechuhr’)
Diverse Abrufmöglichkeiten
ƒ · totale Arbeitszeit seit Arbeitsbeginn
ƒ · zurückgelegte Strecke
ƒ · Zeittotal pro Betriebsart (z.B. Pausen)
ƒ · Durchschnittsgeschwindigkeit
ƒ · Fahrzeug-/Personalnummer
ƒ · Arbeits- und Lenkzeit der letzten 8 Tage
Es fallen dafür weg:
•
manuelles Ausfüllen von Autorapporten/Arbeitsbüchern
Für die Einsatzleitung wird neu:
•
•
•
•
•
•
•
periodisches Einlesen der Daten
Plausibilisierung der Daten auf Fehleingaben durch den Chauffeur
‘Erste Hilfe’ für das Fahrpersonal
erste Detailauswertungen am PC
Ermittlung von ‘schwarzen Schafen’
Reinigung/Pflege des Bordcomputers
Weiterleitung von Störungen
Es fallen weg:
•
•
Abschreiben von Autorapporten zur Kennzahlenerfassung
Kontrolle der Tachoscheiben
6.5. Nutzen für das Gesamtunternehmen
Der Anwender kann mit folgendem Nutzen:
•
•
•
•
•
•
•
manuelle Datenerfassung wird unnötig
rasche edv-mässige Verfügbarkeit von genauen Leistungsdaten (auch systemübergreifend)
individuelle stufengerechte Auswertung in unterschiedlicher Aggregierung,
Terminierung und Sortierung
Grundlage zur ‘automatischen’ Kostenerfassung und -verrechnung (Kostenträgerrechnung)
Erkennen von Rationalisierungs-Potentialen
Einfache Überprüfung von Rationalisierungs-Massnahman
vereinfachte Einsatzplanung
Nachteile:
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Transportplanung und Tourenoptimierung
•
•
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Investitions- und Wartungskosten
Schulungsaufwand
oft anfängliche Akzeptanzschwierigkeiten
Grundsätzlich gilt: Je grösser der Fahrzeugpark und je detaillierter das Informationsbedürfnis über mehrere Führungsstufen ist, desto eher ist der Bordcomputer als Mittel zur Betriebsdatenerfassung amortisiert.
6.6. Empfohlene Vorgehensweise
Unsere Erfahrungen mit der Einführung von Bordcomputer- und Logistikinformationssystemen zeigen immer wieder, dass 3 Hauptvoraussetzungen für eine friktionsarme Einführung und dauerhafte Anwendung unerlässlich sind:
• Früher Miteinbezug der Mitarbeiter und im Besonderen der Chauffeure: mit
der frühzeitigen Information lernt der Chauffeur, dass es nicht primär um die lückenlose Kontrolle seiner Person, sondern des Fahrzeuges geht. Das Fahrzeug
ist ein sehr teurer Arbeitsplatz, das dem Flottenbesitzer nicht nur das Recht, vielmehr die Pflicht auferlegt, den täglichen Einsatz immer wieder zu überprüfen.
Bordcomputer sind heute Instrumente, die der professionell eingestellte Chauffeur
als Beweis für seine erledigte Arbeit und als Mittel zur qualitativen Unterstützung
seiner Arbeitserledigung fordert.
• Vorgängige Testinstallation auf einem Fahrzeug: zentraler Punkt des LISY ist wie gesagt - nicht der Bordcomputer, sondern die diesbezügliche AuswertungsSoftware. Diese erfordert in gewissen Bereichen eine betriebsindividuelle Anpassung oder Erweiterung. Es ist demnach zu empfehlen, dass in einem zwei- bis
dreimonatigem Testlauf die Auswertungs-Software dahingehend überprüft wird,
ob die Resultate überhaupt das aussagen, was gesucht ist. Erst diese Erfahrungen können ein eventuelles Pflichtenheft sinnvoll ergänzen.
• Verpflichtung der LISY-Empfänger: Bordcomputer, Auswertungen und viel Arbeit nützen überhaupt nichts, wenn das LISY anschliessend an die Einführung
nicht gelebt wird. Es sind also LISY-Zirkel mit Listen-Empfänger zu bilden, die ihre
persönlichen Interpretationen und Erkenntnisse einbringen und diskutieren können. Die Erfahrung zeigt, dass LISY-Zirkel oft eine aufschaukelnde Wirkung zeigen und mit einem gewissen Stolz immer neue Rekorde zu jagen versuchen.
‰
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