china im 21. jahrhundert

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china im 21. jahrhundert
MAI 2015
57. JAHRGANG
CHINA IM 21. JAHRHUNDERT
Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht
Inhalt
Vor wor te
6
25
28
12
16
INHALT
Vorworte 3
24 Stunden Rushhour 4
8 Fakten über Chinas Jugend 6
Familie und Gesellschaft 8
China auf einen Blick 10
Umweltpolitik 12
Dynastien in China 14
Von Kaisern und Kommunisten 16
Harmonie und Kontrolle 18
Supermacht auf der Suche 20
China und die Weltwirtschaft 22
Wanderarbeiter in China 24
Die drei Lehren 26
Chinas Gegenwartskultur 28
Didaktische Hinweise und Arbeitsblätter 30
Anhang 39
Impressum 40
2
38
Staatsministerin
Brunhild Kurth,
Präsidentin der Kultusministerkonferenz
China und Deutschland
verbindet die wechselseitige
Faszination für Kultur, Tradition und Wissenschaft. Beide
Länder kooperieren heute enger
miteinander als jemals zuvor.
Die Zahl der Studierenden, die
ein oder mehrere Semester im
jeweils anderen Land lernen, leben und Kontakte
knüpfen, wächst
kontinuierlich,
ebenso wie der
Wunsch, die
andere Sprache zu
erlernen.
Die Länder
unterstützen diese
positive Entwicklung durch
Lernangebote an Schulen und
Hochschulen. Chinesisch wird
an einer wachsenden Zahl von
Schulen unterrichtet – bis hin
zum Abitur. Und neben vielen
Gymnasien realisieren auch
die übrigen weiterführenden
Schulen sowie Grundschulen
Austauschprojekte. In Studium
und Lehre können wir auf zahlreiche Hochschulkooperationen
blicken.
Für den Erwerb fundierter
Sprachkenntnisse und die Entwicklung eines sozio-kulturellen
und geografischen Verständnises benötigen Schülerinnen und
Schüler Lernmedien, die sehr
hohen fachlichen und didaktischen Anforderungen genügen,
die zugleich aber auch altersgemäß Neugier wecken und
Freude am Lernen vermitteln.
Dem Zeitbild Wissen „China
im 21. Jahrhundert“ wünsche
ich eine aufgeschlossene Leserschaft und weite Verbreitung.
Dr. Michael Schäfer,
früherer deutscher
Botschafter in China
China hat in den vergangenen
30 Jahren eine atemberaubende Entwicklung erlebt.
Es ist heute nicht nur die
zweitgrößte Wirtschaft der
Welt, sondern auch eine globale Gestaltungsmacht. Für
Deutschland und Europa ist
China der wichtigste Partner
in Asien. Vielfältige Beziehungen in Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft und Kultur prägen unsere engen Beziehungen. Tausende junge Chinesen
studieren in Deutschland
und auch immer mehr junge
Deutsche interessieren sich
für ein Studium oder ein
Praktikum im Reich der Mitte. Das ist wichtig, denn nur
durch engen Austausch unserer Menschen werden immer
noch bestehende Vorurteile
abgebaut und Vertrauen zwischen unseren Bevölkerungen
geschaffen.
Professor Sebastian
Heilmann, Direktor
des Mercator Institute
for China Studies
(MERICS)
Wie auch immer die Welt der
Zukunft aussehen mag: Sie
wird „chinesischer“ sein als
je zuvor. China ist auf dem
Weg, politisch, wirtschaftlich und technologisch zur
mächtigsten Nation des 21.
Jahrhunderts aufzusteigen.
Schon heute ist die Volksrepublik eines der wichtigsten
Partnerländer Deutschlands.
Dabei hat das „Reich der
Mitte“ gerade erst damit
angefangen, die Welt zu verändern: Chinesische Internetund Telekom-Unternehmen
expandieren mit neuartigen
Geschäftsmodellen. Smartphones bislang wenig bekannter chinesischer Hersteller, die
mit neuen Funktionalitäten
ausgestattet und zugleich
preisgünstig sind, erobern die
Märkte von Entwicklungsund Schwellenländern und
werden demnächst auch in
Europa präsent sein. Chinesische Designer erobern
die Fashion Weeks in Paris
und New York. Chinesische
Erfindungen haben immer
größeren Einfluss auf unser
Leben. Made in China war
gestern. In Zukunft wird es
immer öfter heißen: Designed
in China.
China wird die Welt
weiter verändern – auch
Deutschland und Europa.
Darum ist es wichtig, dass
wir China im Blick haben.
Wenn wir die Welt des
21. Jahrhunderts verstehen wollen, müssen wir
China verstehen.
Jana Brokate,
Sinologie-Studentin
Wenn wir nicht wollen, dass
uns fehlendes Wissen über
China in Zeiten des globalen
Wandels schmerzhaft auf die
Füße fällt, liegt es in unser
aller Verantwortung, uns für
mehr China im Schulunterricht einzusetzen - und dem
Land dabei die
Komplexität
und Vielfalt
zuzugestehen,
die ihm tatsächlich innewohnt.
Ergänzend zum Unterricht
ermöglichen Schüleraustauschprogramme und Auslandsaufenthalte nach dem
Abitur jungen Menschen,
tiefer in die chinesische
Kultur einzutauchen. Über
solche Möglichkeiten zu
informieren, sollte fester Bestandteil der Lehrtätigkeit
an allen Schulen sein.
3
Jugend & Lif est y le
Shanghai hat sich zu einer
pulsierenden Metropole mit
über 23 Mio. Einwohnern
entwickelt.
24
STUNDEN
NIMEN HAO!
Wir heißen Jiachen und Fan. Wir sind
16 Jahre alt und leben in Shanghai.
SCHULE [JIACHEN ERZÄHLT]
Ich besuche die 10. Klasse einer Oberschule in Shanghai. Montags bis freitags
bin ich von 7 bis 19 Uhr, also fast den
ganzen Tag, in der Schule. Zu Hause
mache ich nach dem Essen gleich meine
Hausaufgaben. Häufig arbeite ich bis
Mitternacht daran. Das Lernen kommt
bei mir immer an erster Stelle. Ich will
mich in allen Fächern verbessern, um
später ein sehr gutes Abschlusszeugnis
zu erhalten – das zählt, um einen guten
Studienplatz zu bekommen.
FREIZEIT [FAN ERZÄHLT]
Am Wochenende lerne ich viel und gebe
jüngeren Schülern Nachhilfeunterricht.
Wenn gerade einmal keine Prüfung ansteht und ich ein bisschen Zeit habe, surfe ich im Internet, schaue fern oder höre
Musik. Außerdem gehe ich mit meinen
Freunden gerne essen oder ins Kino.
RUSHHOUR:
JUGEND
IN SHANGHAI
STUDIUM [JIACHEN ERZÄHLT]
In zwei Jahren bin ich mit der Oberschule fertig. Danach möchte ich an
der angesehenen Fudan-Universität in
Shanghai studieren, am liebsten das Fach
Jura – ich möchte nämlich einmal Anwältin werden. Ich weiß schon, die Aufnahmeprüfung, die Gaokao, ist ziemlich
schwer und nur wenige werden für ihren
Wunschstudiengang zugelassen. Wenn
ich die Gaokao nicht schaffe, lande ich
wohl an einer weniger angesehenen
Hochschule irgendwo in China.
ZWEI JUGENDLICHE AUS SHANGHAI
ERZÄHLEN VON SICH UND IHREM LEBEN
ZWISCHEN SCHULE UND FREIZEIT.
WOHNEN [JIACHEN ERZÄHLT]
Zusammen mit meinen Eltern lebe ich
in einer 80 Quadratmeter großen Dreizimmerwohnung in Shanghai. Meine
Mutter liebt Haustiere. Deswegen haben
wir einen Hund und eine Katze.
1
Tagesablauf
¼
½
Â
¸
½
¾
6-7 Uhr: Aufstehen,
frühstücken, zur Schule gehen
7-12 Uhr: Unterricht
12-14 Uhr: Mittagspause
14-19 Uhr: Unterricht
19-20 Uhr: nach Hause gehen,
Abendessen
20-24 Uhr: Hausaufgaben
und Lernen
1. Beim chinesischen
2.+3. Chinesische und ihrer Freizeit am
oft Zhou (Reissuppe)
haben viel gemeisam
Frühstück steht
auf dem Tisch.
4
ERNÄHRUNG [FAN ERZÄHLT]
Bevor ich morgens zur Schule fahre,
frühstücke ich zusammen mit meinen
Eltern. An den meisten Tagen gibt
es Zhou – das ist eine Art Reissuppe.
Mittags esse ich in der Schulkantine
hauptsächlich Reis, Gemüse und Fleisch.
Zum Abendessen sitze ich wieder mit
meinen Eltern zusammen und es gibt
häufig Nudeln mit gebratenem Gemüse.
Mit meinen Freunden gönne ich mir ab
und zu auch einen Burger. Das ist zwar
manchmal teurer als etwas typisch Chinesisches, aber mir schmeckt’s!
2
3
deutsche Jugendliche
liebsten mit Freunden,
− sie treffen sich in
und gemeinsam essen.
gehen gern einkaufen
5
Jugend & Lif est y le
„RIESIGER ERWARTUNGSDRUCK“
Im Gespräch mit Kristin Shi-Kupfer
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|
8 FAKTEN ÜBER
CHINAS JUGEND
1. Die sozialen Netzwerke
mit den meisten Nutzern
heißen QQMessenger
(ähnlich zu Skype), Weibo (ähnlich zu Twitter)
und RenRen (chinesisches
Facebook). Weixin (eine
Mischung aus Facebook und
WhatsApp) wird immer beliebter. Manche ausländische
Plattformen sind in China
ohne VPN/Proxy–Server
nicht aufrufbar.
2. Mehr denn je wollen
Jugendliche heute aus der
Masse herausstechen und
ihren eigenen Modestil
entwickeln. Dadurch sind
viele unterschiedliche Moderichtungen entstanden. Sie
heißen „Xiao Qinxin“
(dt. kleine Frische, s. Bild)
und „Zhong Kouwei“
(dt. schwerer Geschmack).
3. Das Fernsehen adaptiert
Formate aus dem Ausland.
Zum Beispiel: die Talentshow „The Voice of China“
oder die Seifenoper „iPartment“, die sich an „How
I Met Your Mother“ und
„FRIENDS“ orientiert.
Anklang finden außerdem
südkoreanische Soaps.
4. In China ist Pop sehr
angesagt. Die Charts
führen zur Zeit Kolor, eine
vierköpfige Boy-Band aus
Hongkong mit ihrer Single
生於憂患 (dt. Das Leben
entspringt der Trauer und
dem Unglück), der Sänger
und Schauspieler Leo Ku
und sein Lied 致少年時
代 (dt. Die Ursache liegt in
der Kindheit) und der Titel
一去不返 (dt. Vorbei) der
Gruppe Dear Jane an.
5. Der Markt für Schönheitsoperationen in China ist
groß. Gerade junge Chinesinnen lassen solche Eingriffe vornehmen. Sie hoffen auf
verbesserte Karrierechancen
und die Aussicht auf einen
„besseren“ Ehepartner.
6. Das Schulsystem verlangt
den Schülern eine Menge ab.
Der Höhepunkt ist die
Gaokao, die Prüfung für die
Hochschulzulassung. Darauf
bereiten sich die Jugendlichen ab der ersten Klasse vor.
7. Schon gewusst? Ein
Friseurbesuch mit Waschen,
Schneiden, Föhnen und Stylen kostet in Peking ab 20
Yuan. Das sind umgerechnet
gerade einmal 2,50 €.
8. In China gilt als schön,
wer eine helle Haut hat.
Bleichende Hautcremes sind
deshalb immer in Mode. Im
Sommer schützen Chinesinnen ihre vornehme Blässe
mit Sonnenschirmen und
Handschuhen vor der Sonne.
1. Was ist typisch für Jugendliche
in China?
Chinesische Jugendliche wachsen
mit einem hohen Erwartungsdruck in Bezug auf ihre schulischen Leistungen auf. Sie haben
wenig Zeit für Hobbys und ihnen
fehlt oft die Erfahrung, Teil einer
Gemeinschaft (z. B. einer Fußballmannschaft) zu sein. Ihre Eltern
möchten sie möglichst lange
vor einer als rau empfundenen
Gesellschaft beschützen, weshalb
es ihnen manchmal an Freiräumen
und der Möglichkeit, sich auszuprobieren, fehlt.
2. Sind diese Merkmale typisch für
alle jungen Chinesen und gibt es
innerhalb Chinas regionale Unterschiede, je nachdem wo die jungen
Leute leben?
In ländlichen Gebieten wachsen
viele Jugendliche bei Großeltern
oder Verwandten auf, da ihre
Eltern oft in größeren Städten
arbeiten. Junge Leute in Tibet
oder Xinjiang sind durch religiöse Institutionen (Tempel bzw.
Moschee) stärker in Gemeinschaften eingebunden. Sie erleben das
Spannungsfeld aus eigener Tradition und einer westlichen Moderne
noch sehr viel stärker als junge
Han-Chinesen. Eine wachsende
Zahl chinesischer Eltern der wohlhabenden Mittelschicht wünscht
sich für ihre Kinder eine weniger
an Buchwissen und Prüfungen
orientierte Bildung, die mehr Wert
auf Persönlichkeitsentwicklung
legt. Sie schicken ihre Kinder
daher auf internationale Schulen
oder sogar ins Ausland.
3. Welche Einstellung haben chinesische Jugendliche zur Politik ihres
Landes?
Für viele Jugendliche gilt: Politik ist etwas Abstraktes, auch
Unheimliches. In städtischen
Familien werden die kollektiven
Erinnerungen wie die Niederschlagung der Protestbewegung
von 1989 direkt oder indirekt an
die Kinder weitergegeben: Aus
Politik hält man sich besser raus.
Auf dem Land machen junge
Leute oft früher Erfahrungen mit
Politik, sei es durch Willkürakte
lokaler Kader oder auch durch
erfahrene Diskriminierung als
Landbewohner in den Städten.
Der politische Unterricht in den
Schulen langweilt die meisten. Sie
können mit der abstrakten und
verklausulierten Parteisprache
nichts anfangen.
4. Welchen Stellenwert haben
Familie, Eltern und Geschwister für
Jugendliche in China (heute)?
Die meisten Jugendlichen sind
Einzelkinder. Durch die nun
gelockerte Ein-Kind-Politik wird
sich das in der nächsten Generation möglicherweise ändern. Eltern
und Verwandte üben großen
Einfluss und auch direkten Druck
auf Entscheidungen der Jugendlichen aus. Junge Leute fühlen sich
gegenüber der Familie, die sie oftmals sehr verwöhnt und ihnen fast
jeden materiellen Wunsch erfüllt,
verpflichtet und zugleich von den
Erwartungen erdrückt. Manche
rebellieren und suchen sich ihren
eigenen Lebensweg. Direkte Zerwürfnisse sind aber selten.
HAN
HAN
Die Stimme einer
neuen Generation
N
achdem er die Schule abgebrochen hatte, veröffentlichte Han Han im Alter von 17
Jahren seinen ersten Roman, der
zum Bestseller wurde. In den darauffolgenden zehn Jahren verfasste er weitere Bücher, schrieb Chinas meistgelesenen Blog http://
blog.sina.com.cn/twocold, gründete ein Magazin und arbeitet
weiter an seinem Traum, professioneller Rennwagenfahrer zu werden. Chinesische Internetnutzer
lieben ihn, weil er seine Meinung
über die chinesische Politik und
Gesellschaft ohne Rücksicht auf
Tabus äußert.
Kristin Shi-Kupfer leitet den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft, Medien am Mercator Institute for China Studies (MERICS).
Die Sinologin und Politikwissenschaftlerin berichtete von 2007-2011 u. a. für ZEIT Online, taz und epd als Korrespondentin aus Peking.
Das MERICS ist ein im Jahr 2013 gegründetes Institut, das unabhängige Forschungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in China
durchführt. Das Institut informiert die Öffentlichkeit und außerdem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien.
6
7
Gesel lsc haf t
1
FAMILIE UND GESELLSCHAFT
D
ie chinesische Gesellschaft hat
sich in den letzten Jahrzehnten
stark gewandelt – die Verwirklichung des Traums von individuellem
Wohlstand ist für immer mehr Menschen in greifbare Nähe gerückt. Mit
dem Wohlstand einher gehen auch Forderungen nach mehr Partizipation und
Mitbestimmung. Die meisten Chinesen
setzen allerdings in Übereinstimmung
mit der Staatsführung auf Stabilität und
Harmonie.
Li Xiaohua kann eigentlich nichts aus
der Ruhe bringen. Gemütlich sitzt sie gemeinsam mit ihrer dreijährigen Tochter
Meilin und ihren beiden Freundinnen bei
Starbucks und nippt an ihrem Frappuccino. Erheitert schaut die kleine Runde
auf das flimmernde Display von Xiaohuas
iPad, das abwechselnd Fotos von Tochter
Meilin und dem Familienurlaub zeigt.
Xiaohua lebt mit ihrem Mann Wei in der
11-Millionen-Metropole Guangzhou im
Südosten des Landes.
ZIVILGESELLSCHAFT IM
WANDEL
Die Entwicklung zu mehr Wohlstand
wirkt sich auch auf die Zivilgesellschaft
aus, die zunehmend ihre Meinung kund
tut. Demonstrationen gegen Umweltverschmutzungen, Umsiedlungen, absurde
Bauvorhaben oder Korruption sind keine Seltenheit mehr. Gerade Bürger aus
der Mittelschicht sind in jüngster Zeit
vermehrt auf die Straße gegangen. Dass
die absolute Zahl der Proteste gestiegen
ist, lässt sich sogar in den offiziellen Statistiken nachlesen. So geht die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften
(CASS), eine dem chinesischen Staatsrat
nahestehende Organisation, von einer
Steigerung der Anzahl der Kundgebungen von 10.000 im Jahr 1993 auf 180.000
im Jahr 2010 aus.
Die chinesische Regierung reagiert auf
derlei Bestrebungen mit einer Verschärfung der Online-Überwachung. Die
sogenannte „Große Firewall“, die den
Zugang zu Seiten wie Twitter, Facebook oder westlichen Medien blockiert,
wird zunehmend von einer schärferen
Überwachung der Kommentare in chinesischen Foren und Blogs durch die Internetpolizei flankiert. Wer ein Gerücht
ins Netz stellt, das mehr als 500 Mal von
BEISPIEL WUKAN
anderen Usern verbreitet wird, oder mit
einem Beitrag zu einem Gerücht 5.000
Nutzer erreicht, erfüllt seit 2013 den
Tatbestand der „Verbreitung von Internetgerüchten“, der mit drei Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Streng
tabu sind auch die drei Ts: Tiananmen,
Tibet und Taiwan. Wer diese drei Begriffe bei Baidu, der führenden chinesischen Suchmaschine eingibt, wird nur
„bereinigte“ Artikel vorfinden. Wer bei
den beliebten Microblogs gar darüber
schreibt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen.
WAS WURDE EIGENTLICH AUS
DER EIN-KIND-POLITIK?
In China gilt seit 1979 die Regel, dass
jede Familie nur ein Kind bekommen
darf. Mit der Ein-Kind-Politik reagierte
die Regierung auf das fast explosionsartige Bevölkerungswachstum nach 1949:
Von 544 Mio. Einwohnern im Jahr 1950
wuchs die Zahl der Chinesen in nur 30
Jahren auf 984 Mio. Wurde diese Regelung in der Vergangenheit teilweise mit
rigorosen Mitteln wie hohen Kompensationsstrafen und sogar Zwangsabtreibungen durchgesetzt, hat die Regierung
mittlerweile zahlreiche Lockerungen eingeführt; inzwischen dürfen beispielsweise Paare zwei Kinder bekommen, wenn
einer der Partner Einzelkind ist – bisher
war das nur erlaubt, wenn beide Partner
Einzelkinder sind. Auch die 55 ethnischen Minderheiten in China unterliegen anderen Bestimmungen. So dürfen
sie, je nach städtischem oder ländlichem
Wohnsitz und der Größe der Minderheiten, zwischen zwei und drei Kinder
haben.
Insbesondere die hohe Abtreibungsquote bei Mädchen, der daraus resultierende
Männerüberschuss, aber auch eine relativ
geringe Geburtenraten von 1,55 Kindern
pro Frau (zum Vergleich Deutschland:
1,38 Kinder pro Frau) sind Fehlentwicklungen der Politik, welche die Regierung
mit den Lockerungen korrigieren will.
Sie ist Lehrerin, ihr Mann Webdesigner:
Gemeinsam kommt die kleine Familie
auf 15.000 Yuan im Monat – das sind
umgerechnet rund 1.800 Euro. Für eine
chinesische Familie ist das bereits ein gehobenes Einkommen.
Zwar sparen die Lis, wie viele Angehörige der chinesischen Mittelschicht, immer
einen Teil des Einkommens, doch die Inneneinrichtung ihrer 80-QuadratmeterWohnung zeugt auch nicht von einem
kargen Lebensstil. Ein Besuch in ihrem
Zuhause macht das deutlich. Neben bekannten chinesischen Markenprodukten
wie der Waschmaschine von Haier oder
dem Notebook von Lenovo stehen in der
Wohnung ein Fernseher von Sony und
ein Kühlschrank von Bosch.
* „Der chinesische
der KPCh mit dem
1. Die Mittelschicht
wenigen Jahrzehnten.
2. Erfolgreicher Pro-
illegale Enteignungen
Bezeichnung für das
zu alter (politischer)
deutlich höhere Ein-
sich auf die gesamte
Wukans gingen 2012
Dadurch erreichten sie
DER CHINESISCHE TRAUM*
Traum“ ist auch eine
politische Programm
8
Xiaohuas Schwiegermutter Danning lebt
ebenfalls hier und kann sich noch gut an
vergangene Zeiten erinnern: „Früher gab
es oft nur eine kleine Schale Reis für jeden
von uns. Heute können wir wirklich alles
kaufen, was uns gefällt. Uns geht es gut.“
Xiaohua und Wei nicken bestätigend mit
dem Kopf, während Danning erzählt. Im
Prinzip hätten sie keinen Grund zur Klage, so versichern die Lis fortwährend, nur
wenn Xiaohua über den Verkehr in Guangzhou spricht, dann blitzt für einen kurzen Moment so etwas wie echter Ärger in
ihrem Gesicht auf: „Die Straße vor unserem Haus ist jeden Tag total verstopft und
durch den Smog bekomme ich manchmal
Atembeschwerden. Besonders für meine
Tochter wünsche ich mir, dass sich daran
etwas ändert.“
So klingen derzeit viele Geschichten aus
der chinesischen Mittelschicht, die in den
letzten Jahrzehnten kräftig angewachsen
ist. Waren es im Jahr 2005 noch 42 Mio.
Haushalte, die über ein Nettoeinkommen
zwischen 3.000 und 12.000 US-Dollar
verfügten, steigt die Zahl dieser Mittelschichthaushalte nach einer Prognose auf
198 Mio. im Jahr 2015. Der chinesische
Traum vom Wohlstand erfüllt sich dadurch
für immer mehr Menschen, dennoch ist
der Grad an Ungleichheit innerhalb der
chinesischen Gesellschaft hoch.
Ziel, China wieder
Größe zu verhelfen.
verfügt heute über
kommen als noch vor
In dem ca. 13.000 Einwohner zählenden Städtchen Wukan, 120 km östlich von
Hongkong, konnten die Einwohner im März 2012 in unabhängigen Wahlen
über ihr Dorfkomitee abstimmen. Vorausgegangen waren monatelange Proteste gegen Korruption und illegale Enteignungen. Die Situation
eskalierte, als aufgebrachte Dorfbewohner nach dem Tod eines Protestierenden
in Polizeigewahrsam die Polizisten kurzerhand aus dem Dorf vertrieben. Menschenrechtsaktivisten hoffen nun, dass das Beispiel Wukan in Bezug auf freie,
unabhängige Wahlen beispielhaft für andere Kommunen sein kann.
Dieser Wandel wirkt
Gesellschaft aus.
test: Die Einwohner
2
gegen Korruption und
auf die Straße.
unabhängige Wahlen.
9
Geogr afie und Umwelt
CHINA AUF EINEN BLICK
M
it rund 10,5 Millionen
km2 nimmt China
7,2 Prozent der Erdoberfläche
ein. Deutschland kommt
auf weniger als 0,3 Prozent
(357.100 km2).
Flüsse
Chinas längster Fluss ist mit
rund 6.400 Kilometern der
Jangtsekiang, der drittlängste
Fluss der Erde. Der Rhein
erstreckt sich als längster
deutscher Fluss über 1.230
Kilometer.
10
ist die weltgrößte
Buddhastatue
Ausgangspunkt
der Seidenstraße
und beherbergt die
11
Terrakottaarmee
aus Stein.
5. In ganz China
Melonen bekannt.
des ersten Kaisers.
Harbin 17
8
10
3
Wulumuqi (Ürümqi)
6. Die Mogao-
Grotten umfassen
5
Seidenstraße Hami
etwa 100 Höhlen.
Gebi
(GobiWüste)
6
6
Beijing (Peking)
Huang He
Mogao ku (Mogao-Grotten)
13
13. In Peking, der Hauptstadt
Chinas, befindet sich die
13
Verbotene Stadt mit den
kaiserlichen Palästen.
Takelamagan Shamo
(Taklamakan- Wüste)
1
Shenyang
Wanli Changcheng
(Chinesische Mauer) 11
5
1 Shule
(Kashgar)
9. In Qufu, Provinz Shandong
9
(damals Lu) wurde 551 v. Chr.
9
Konfuzius geboren. Er prägte die
Qufu
14
Philosphie des Konfuzianismus.
14. Der Shaolin-Mönchs-
leben viele
Minderheit
in China. Die
Heytgah-
Moschee ist die
2. Der Mount
2
Everest ist mit
8.848 m der
höchste Berg
der Welt.
Tibets und liegt
18
Pandas. Sie stehen
unter besonderem
(1.230 km)
18
Shaoshan
Xiamen
12. In Shaoshan wurde
Deutschland (81 Mio.)
12
Zhu Jiang
Guangzhou
Macao
18. Shangri-La ist mit
China (1,37 Mrd.)
eine der größten
ihre Skyline.
12
Schutz.
Jangtsekiang
Rhein
16. Shanghai ist
und berühmt für
Shandong
wildlebende
auf 3.600 m Höhe.
(6.400 km)
Shanghai 16
Sichuans gibt es
7
16
Städte der Welt
7. In den Gebirgen
4
Nanjing
Chang Jiang
(Jangtsekiang)
Leshan
Chongqing
Shangri-La
4. Lhasa ist
die Hauptstadt
Zhengzhou
8
4
Zhumulangma
(Mount Everest)
Kung-Fu-Künste bekannt.
14
Chengdu
Himalaya
Lasa (Lhasa)
muslimische
orden ist weltweit für seine
Xi‘an 10
7 Sichuan
2
1. In Kashgar
Klima
China erstreckt sich über
18 verschiedene Klimazonen,
von extrem trockenem Wüstenklima bis hin zu tropischen
Klimaten.
(2.962 m)
insbesondere für die
Buddha von Leshan
München
größte in China.
Zugspitze
8. Der große
Eisfestival statt.
17
ist Hami für seine
Uiguren, eine
(8.848 m)
jedes Jahr das
Bauwerk der Welt.
10. Xi’an war der
3. Ürümqi ist berühmt
Frankfurt
6.350 km Gesamt-
weltbekannte
länge das größte
vielen Rosinensorten.
Vergleich.
17. In Harbin findet
Mauer ist mit
für seine Märkte und
3
und Chinas im
Köln
Peking
Peking ist die Hauptstadt der
Volksrepublik China. Hier leben
20,7 Millionen Einwohner;
in Berlin 3,4 Millionen.
Mount Everest
Deutschlands
Berlin
Gebirge
In Westchina erheben sich
Gebirge mit Hochebenen
und großen Becken, z.B. die
Mongolische Hochebene, das
Tarim- oder Sichuan-Becken.
Hier liegen auch der Himalaya – mit seinem Hauptgipfel
Zhumulangma (Mount Everest)
und mit einer durchschnittlichen
Höhe von 6.200 Metern das
höchste Gebirge der Welt –,
das Himmelsgebirge
(Tianshan), der Pamir und das
Hochland von Tibet.
Die Fläche
Hamburg
11. Die Chinesische
seinem weltberühmten
Kloster Gadan Songzanlin eine bedeutende buddhistische Pilgerstätte.
Xianggang
(Hongkong)
Zhonghua
Minguo
(Taiwan)
Mao Zedong 1893 geboren. Sein Geburtshaus
wurde originalgetreu
nachgebaut und kann
heute besichtigt werden.
15
15. Hongkong ist
eines der Finanz-
15
zentren der Welt
und heißt übersetzt
„Duftender Hafen“.
11
Geogr afie und Umwelt
uns später um die Umwelt; die Europäer, die Amerikaner und
Japaner haben es doch genauso gemacht!“ Damit soll es nun allmählich vorbei sein.
Derzeit wird jede zweite Tonne Kohle weltweit in China ver„China beginnt sich zu verändern“
brannt, seit 2006 stößt kein Land der Erde insgesamt mehr CO2
aus als die Volksrepublik. Bis zum Ende des Jahrhunderts, so
der Plan der Weltgemeinschaft, sollten weltweit allenfalls noch
knapp 500 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden, um einen
Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad zu vermeiden. Wenn
China so weitermacht wie bisher, wäre der Klimawandel wohl
nicht mehr aufzuhalten. Doch China beginnt, sich zu verändern.
1
2
3
UMWELTPOLITIK
von Christoph Giesen
W
er in einer chinesischen Großstadt lebt und ein
Smartphone besitzt, der hat meistens auch eine
App installiert, die die aktuelle Feinstaubbelastung
anzeigt. Vor allem im Herbst und im Winter sind die Werte oft
dramatisch erhöht. 16 der 20 weltweit am stärksten verschmutzten Städte, schätzt die Weltbank, liegen in China.
Die Zahlen auf den Handydisplays stehen für stechende
Schmerzen in der Lunge, für Sicht von wenigen Metern, Krankheit und tausendfachen frühen Tod. Für die alltägliche chinesische Katastrophe, die eine Begleiterscheinung des grenzenlosen
Wachstums ist. Und trotzdem zeigen die Zahlen, dass sich etwas verändert in China: Die Daten zur Luftverschmutzung sind
nicht mehr streng gehütete Geheimnisse.
Noch vor drei Jahren behaupteten die Behörden, die Luftqualität in den chinesischen Städten verbessere sich stetig. 2010 etwa
soll die Pekinger Luftqualität angeblich an 286 Tagen entweder
„exzellent“ oder „gut“ gewesen sein. 1998 hingegen, argumentieren die Beamten, sei lediglich an 100 Tagen des Jahres der blaue
Himmel zu sehen gewesen. Was die Behörden der Hauptstadt
verschwiegen: Im Jahr 2006 wurden zwei Messstationen in der
besonders verschmutzten Innenstadt geschlossen. Zwei Jahre
später, zu den Olympischen Spielen, verlegte das Umweltamt
sämtliche Messpunkte 20 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Die amerikanische Vertretung in Peking begann deshalb
zum Schutz der Botschaftsangehörigen mit eigenen Messungen.
Auf ihrem Twitterkanal (@beijingair) werden seitdem Ergebnisse im Stundentakt veröffentlicht. „Chinas Luftqualität sollte nicht anhand von Daten beurteilt werden, die ausländische
Botschaften in Peking erhoben haben“, beschwerte sich noch
2011 ein chinesischer Beamter. Wenige Wochen später knickten die Behörden nach lautstarkem Protest in Chinas sozialen
Netzwerken ein und verbreiten seitdem die Resultate eigener
realistischer Messungen. Schuld am Smog sind die Kohleöfen,
die stetig steigende Anzahl an Autos in den Straßen und vor al„Chinas Luftqualität sollte nicht anhand von
Daten beurteilt werden, die ausländische Botschaften
in Peking erhoben haben“
lem die vielen Kohlekraftwerke, Stahlmühlen und Müllverbrennungsanlagen, die ohne Filteranlagen betrieben werden. Das
Problem dabei: Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Strom
von vier großen Versorgern erzeugt wird, sind es in China Hunderte Betreiber. Alle Anlagen mit Filtern auszustatten ist sehr
teuer. Für kleinere Betriebe ist es oft eine rationale Abwägung:
1.+ 2. Die Luftquali-
3. Kohlekraftwerke
4. Erneuerbare
problematisch.
von Smog.
dem Vormarsch.
tät in Großstädten ist
12
sind Mitverursacher
entweder Strafen zahlen oder die hohen Anschaffungskosten
stemmen. Bisher wurden oft Bußgelder bezahlt, zukünftig soll
deren Preis jedoch steigen.
Schwierig ist es ohnehin zu überprüfen, ob sich jeder an die Auflagen der Behörden hält, viel zu oft drücken lokale Parteikader
gegen Schmiergeld einmal ein Auge zu.
Inzwischen ist die Führung in Peking aber bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren; Ende Februar 2014 wurden
Inspektoren in die Provinzen geschickt, um zu kontrollieren, ob
die Behörden vor Ort genug gegen Smog unternehmen. Und
als Premierminister Li Keqiang wenig später den alljährlichen
Volkskongress eröffnete, kündigte er an, die Umweltverschmutzung genauso intensiv zu bekämpfen wie die Armut. Für die
Mittelschicht in den großen Städten ist der enorme Smog längst
das größte Ärgernis.
KLIMASCHUTZ
Shenzhen, das ist Chinas Labor. Einst ein größeres Fischerstädtchen an der Grenze zu Hongkong gelegen, ist Shenzhen
inzwischen zu einer Metropole geworden. Heute leben hier über
zehn Millionen Einwohner – mehr als im benachbarten Hongkong. Keine Stadt hat von der wirtschaftlichen Öffnung Chinas
so stark profitiert wie Shenzhen. Die Exportindustrie hat sich
angesiedelt, Fabriken machten auf und beschäftigen Millionen
von Wanderarbeitern. 1990 bekam die Stadt sogar eine Börse.
Seit 2013 ist Shenzhen erneut die Versuchsküche des Landes.
Die staatliche Kommission für Entwicklung und Reform startete in Shenzhen den chinesischen Emissionshandel.
Lange galt in China der Satz: „Wir wachsen erst und kümmern
B
ei Klimakonferenzen hält sich China meistens bedeckt, derzeit ist geplant, dass die Emissionen ab
2030 zurückgehen sollen. Dazu beigetragen hat auch
das historische Abkommen zwischen China und den USA
im Jahr 2014, in dem beide Staaten gemeinsam den Weg zur
Eindämmung ihrer Schadstoffemissionen darlegen. In China
selbst werden erneuerbare Energien in rasantem Tempo ausgebaut, kleine, ineffiziente Kohlekraftwerke werden vom Netz
genommen. Und nun beginnt auch der Emissionshandel. Die
beteiligten Unternehmen erhalten dabei eine begrenzte Anzahl von Verschmutzungsrechten. Liegen ihre Emissionen über
den Grenzwerten, müssen sie zusätzliche Zertifikate erwerben; liegen sie darunter, können die Firmen ihre überschüssigen Rechte an andere Firmen verkaufen. Das System soll Investitionen in klimafreundliche Technologien begünstigen.
Chinas Vorbild ist der Emissionshandel in der Europäischen
Union.
Der Mann, der China den Emissionshandel bringt, heißt Felix
Matthes und arbeitet für das Öko-Institut in Berlin. In China
nennen sie ihn Meng Fei. Er ist ein führender Emissionshandelsexperte und berät im Auftrag der Weltbank die Führung
in Peking. Bis 2020 möchten die Chinesen den Emissionshandel im ganzen Land einführen, am liebsten schon früher.
„Den Handel zu organisieren, ist absolut kein Problem“, sagt
Matthes, „die Herausforderungen liegen in den anderen Teilen des Systems.“ Die Schwierigkeit in China: Es müssen
neutrale Instanzen her, die kontrollieren, dass sämtliche Unternehmen und Staatskonzerne sich künftig an die Regeln
halten und ihren CO2-Ausstoß korrekt angeben. „Das ist neu
in China, es werden keine staatlichen Institutionen mit der
Prüfung beauftragt, sondern anerkannte Unternehmen“, sagt
Matthes, „renommierte Verifikationsfirmen, z. B. internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.“
Energien sind auf
4
13
Gesc hic hte
Die chinesische Geschichtsschreibung kennt keine Epocheneinteilungen wie sie in der europäischen Geschichte (Antike,
Mittelalter, Neuzeit) üblich sind. Stattdessen wird auf die Kontinuität der Herrscherdynastien verwiesen.
ENTSTEHUNG DER DYNASTIE
QINDYNASTIE
221v. Chr.
206 v. Chr.
TANGDYNASTIE
SONGDYNASTIE
960 n. Chr.
1368 n. Chr.
1644 n. Chr.
618 n. Chr.
MINGDYNASTIE
QINGDYNASTIE
221 v. Chr.: Ying Zheng vereinte
die rivalisierenden
Einzelstaaten zu einem Kaiserreich und bestieg den Thron
(Kaisertitel: Qin Shihuangdi).
206 v. Chr.: Der Beamte Liu Bang
(Kaisertitel: Gaozu) setzte
sich im Kampf um die Nachfolge
durch und gründete die
Han-Dynastie.
618 n. Chr.: General Li Yuan
(Kaisertitel Gaozu) gründete die
Tang-Dynastie.
960 n. Chr.: General Zhao
Kuangyin (Kaisertitel: Taizu)
gründete die Song-Dynastie
im Anschluss an einen
Militärputsch.
1368 n. Chr.: Der erfolgreiche
Aufstand gegen die Herrschaft der
Mongolen mündete in die
Gründung der Ming-Dynastie
durch den Han-Chinesen Zhu
Yuanzhang (Kaisertitel: Hongwu).
1644 n. Chr.: Die Mandschu unter
Kaiser Fulin (Kaisertitel:
Shunzhi) machten Peking zur
neuen Hauptstadt und
beherrschten wenige Jahre
später ganz China.
Die Bezeichnung „China“ geht
auf den wirtschaftlich
und militärisch mächtigsten
Einzelstaat „Qin“ zurück.
Große Bauvorhaben:
u. a. Grabanlage mit
Terrakottaarmee, 5.000 kmAbschnitt der „Großen Mauer“.
Unterdrückung des
Konfuzianismus und der
Gelehrten, die sich z. B. in
Bücherverbrennungen äußerte.
Die Han-Dynastie gilt als
technologische und kulturelle
Blütezeit Chinas. Folgende Dinge
wurden u. a. erfunden: Papier,
Stahlerzeugung, Seismoskop.
Blütezeit des Konfuzianismus:
Staatliche Beamtenprüfung
auf Grundlage der
„Fünf Klassiker“ des Konfuzius.
Staatliche Anerkennung
der Lehren des Konfuzius.
Der aus Indien stammende
Buddhismus gelangt erstmals
nach China.
Die Tang-Dynastie gilt als
Glanzzeit des chinesischen
Kaisertums: Das Reich expandierte, der Handel erlebte einen
Aufschwung und die chinesische
Literatur florierte.
Wichtige Erfindungen wie das
Schießpulver und der
Buchdruck wurden gemacht.
Die einzige offizielle
Kaiserin Wu Zetian.
Blütezeit des Buddhismus.
Das Christentum erreichte
China.
Die Song-Dynastie wird als
kulturelle und gesellschaftliche
Blütezeit betrachtet:
Wirtschaftlicher Aufschwung und
Höhepunkte auf den Gebieten der
Malerei und Literatur gingen in
dieser Epoche einher.
Landreformen wurden durchgeführt: Kleinbauern erhielten
staatliche Kredite.
Einführung des Papiergeldes.
Bevölkerungswachstum
und vergleichsweise hoher
Lebensstandard.
Die Ming-Dynastie wird
allgemein als Ära von hoher
Stabilität bezeichnet.
Große Seiden- und
Porzellanmanufakturen entstanden als Folge einer hohen Nachfrage aus Europa.
Seereisen der Hochseeflotte u. a.
bis nach Ostafrika.
Letzte Herrscherdynastie
Chinas. Die Qing-Dynastie wird
als Periode des Friedens und
des Wohlstandes angesehen.
Das Tragen des mandschurischen
Zopfs wurde für alle männlichen
Chinesen zur Pflicht erklärt.
Flächenmäßig größte
Ausdehnung Chinas.
206 v. Chr.: Auf den Tod Qin
Shihuangdis (210 v. Chr.) folgte
ein Bürgerkrieg, der das Ende der
Qin-Dynastie besiegelte.
220 n. Chr.: Der mächtige
Kriegsherr Cao Pi erzwang
die Absetzung des letzten
Han-Kaisers.
907 n. Chr.: Dem Sturz der
Tang-Dynastie gingen
Aufstände und schwere
Naturkatastrophen voraus.
1279 n. Chr.: Korruption und
Veruntreuung führten zum
Niedergang der Dynastie, die
schließlich durch die Invasion der
Mongolen beendet wurde.
1644 n. Chr.: Die Angriffe und
Eroberungen der Mandschu besiegelten den Untergang der MingDynastie.
1911 n. Chr.: Die Xinhai-Revolution beendete die Herrschaft
des fünfjährigen Kaisers Puyi
und führte zur Gründung
der Republik China.
BESONDERE KENNZEICHEN
UNTERGANG
EUROPA
HANDYNASTIE
Einige Dynastien prägten das Reich der Mitte dabei stärker als andere und werden daher auf dieser Doppelseite vorgestellt.
Ergänzend dazu sind jeweils Ereignisse aus der europäischen Geschichte aufgelistet.
218 v. Chr.: Im Punischen Krieg
73-71 v. Chr.: Sklavenaufstand
einem Tross von Soldaten
100 n. Chr.: Bau des Limes
überquerte der Karthager Hannibal mit
und Kriegselefanten die Alpen.
14
710 n. Chr.: Die Mauren erobern Spanien.
unter Spartakus in Rom.
8. Jh n. Chr.: Klöster waren der Hort der mit-
in Germanien.
Karl der Große wird zum Kaiser gekrönt.
telalterlichen Kultur. 800 n. Chr.:
1095 - 13. Jh. n. Chr.:
Kreuzzüge nach Palästina.
11. - 14. Jh. n. Chr.: Blütezeit von
Rittertum und Minnesang.
1492 n. Chr.: Entdeckung Amerikas durch
Kolumbus. 1550 n. Chr.: Gutenberg erfindet den
Buchdruck. 1517 n. Chr.: Beginn der Reformation
durch Luther. 1618-1648 n. Chr.: 30-jähriger Krieg.
1708 n. Chr.: Entdeckung der Rezeptur für
Porzellan in Sachsen. 1750 n. Chr.: Beginn der
Industrialisierung. 1789-1799 n. Chr.: Französische Revolution. 1914-1918: 1. Weltkrieg.
15
Gesc hic hte
bruch der gesamten Wirtschaftstätigkeit
und insbesondere der Landwirtschaft.
So mündete der „Große Sprung“ in die
Hungersnöte der „Drei bitteren Jahre“
(1959 – 1961), denen zwischen 20 und 30
Millionen Chinesen zum Opfer fielen.
历史
VON KAISERN
UND KOMMUNISTEN
von Sebastian Heilmann und Marc Bermann
1912 – 1949: BÜRGERKRIEG
UND JAPANISCHE BESATZUNG
M
it der Absetzung des letzten
Kaisers der Qing-Dynastie,
des fünfjährigen Puyi, endete
am 12. Februar 1912 die Jahrhunderte
währende Epoche der Kaiser in China.
Die eigentlichen Forderungen der Revolutionsbewegung nach Beendigung der
Fremdherrschaft und Demokratisierung
des Landes verpufften jedoch rasch im
Chaos des überstürzten Machtwechsels.
Als nach Beendigung des Ersten Weltkriegs durch den Versailler Vertrag der
deutsche Kolonialbesitz in China unerwartet Japan zugesprochen wurde, führte das zu landesweiter Empörung. Die
Protestaktionen, die besonders von der
intellektuellen Jugend getragen wurden, mündeten 1919 schlussendlich in
der Bewegung des Vierten Mai. In dieser Zeit erreichten geistige Strömungen
wie der Marxismus oder Leninismus
das Land. Durch die beratende und finanzielle Unterstützung der russischen
Kommunisten gelang 1921 die Gründung
der Kommunistischen Partei Chinas.
In der Folgezeit kämpften die nationalistische Guomin-Partei, die Kommunistische Partei und regionale Kriegsherren
um die Vorherrschaft im Land. Der Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten gipfelte 1927 in einem Bürgerkrieg.
Die innere Spaltung und Schwäche
Chinas wurde in den 1930er Jahren insbesondere von Japan ausgenutzt. Dem
Einmarsch in die Mandschurei 1931
folgte 1937 eine groß angelegte japanische Invasion, die kurzfristig für einen
brüchigen Frieden zwischen den Nationalisten und Kommunisten sorgte. Der
Zweite Japanisch-Chinesische Krieg ist
durch Kriegsverbrechen der japanischen
Armee, wie etwa das Massaker von Nanjing, auch heute noch Ursprung von antijapanischen Ressentiments in der chinesischen Bevölkerung.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
und dem Rückzug der Japaner 1945
flammte der Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten erneut auf. Er
endete mit dem Sieg der Kommunisten
und der Flucht der Nationalisten auf die
Insel Taiwan im Jahr 1950. (mb)
1949 – 1976:
ÄRA MAO ZEDONG
Am 1. Oktober 1949 wurde die Volksrepublik (VR) China ausgerufen. Die
Kommunistische Partei Chinas (KPCh)
und deren Vorsitzender Mao Zedong
(1893 – 1976) hatten damit bereits eines
ihrer Ziele erreicht, nämlich die Befreiung Chinas vom Einfluss der „imperialistischen“ Mächte.
N
ach dem Scheitern des „Großen
Sprungs“ übernahmen für kurze Zeit pragmatische Reformer
die Ausrichtung der chinesischen Politik.
Sie legten den Fokus auf wirtschaftliche
Produktion in der Leichtindustrie und
stellten dabei den ideologischen Klassenkampf zurück. Mao Zedong und seine
radikalen Anhänger bezichtigten jedoch
die gemäßigten Vertreter des Verrates an
den Idealen der Revolution und gingen
1966 – gestützt auf die Armeezentrale
und mithilfe Millionen politisch gelenkter jugendlicher „Rotgardisten“ – zum
Gegenangriff über: Während der von
Mao initiierten „Großen Proletarischen
Kulturrevolution“ (1966 – 1976) wurden
gemäßigte Parteiführer gestürzt, misshandelt und eingekerkert. Viele kritische
Intellektuelle und willkürlich politisch
angeprangerte Menschen verloren in der
„Kulturrevolution“ ihr Leben.
Zwar blieb Mao Zeit seines Lebens der
unangreifbare „Große Steuermann“. Die
D
er Aufbau des Sozialismus nach
sowjetischem Vorbild erlitt
jedoch in Folge der von Mao
1958 ausgerufenen Kampagne „Großer
Sprung nach vorn“ einen herben Rückschlag. Radikale Kollektivierungsmaßnahmen und Massenmobilisierungen
sollten dabei helfen, Chinas ökonomischen und technologischen Rückstand
wettzumachen. Der „Große Sprung“ wurde zu dem in wirtschaftlicher und sozialer
Hinsicht opferreichsten Experiment in
der Geschichte Chinas. Der Versuch, die
Industrieproduktion ohne Rücksicht auf
Qualität und Nachfrage und ohne Abstimmung untereinander sprunghaft zu
steigern, bewirkte einen drastischen Ein-
TAIWAN
Wie die meisten Staaten, die diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik
an, dass die Provinz Taiwan Teil eines untrennbaren Chinas ist.
16
1976 – 2015: REFORM UND
ÖFFNUNG
Unter der Führung des erfahrenen Parteiveteranen Deng Xiaoping (1904 – 1997)
wurde die Umsetzung zentraler Elemente des Maoismus (Klassenkampf, Massenkampagnen und Egalitarismus, also
eine annähernde Gleichverteilung von
Vermögen und Geldeinkommen in der
Gesellschaft) in die Zukunft verlegt. Das
Zentralkomitee der KPCh leitete in den
folgenden Jahren tiefgreifende Strukturreformen zunächst vor allem in der Landwirtschaft, später aber auch im Industrieund Dienstleistungssektor ein.
„Nach den Steinen tastend
den Fluss überqueren“
„Nach den Steinen tastend den Fluss
überqueren“ – mit diesem bildhaften
Vergleich charakterisierte Chen Yun,
der Chefökonom der Volksrepublik, die
chinesische Reform- und Öffnungspolitik in den Jahren nach 1978. Deng gab
der KPCh vor, beim Umbau der sozialistischen Wirtschaftsordnung radikale
Reformmaßnahmen zu vermeiden und
stattdessen in kleinen, experimentellen
Schritten voranzugehen. Erfahrungen
und Errungenschaften kapitalistischer
Wirtschaftssysteme sollten konsequent
genutzt werden, getreu dem von Deng
ausgegebenen Motto: „Ganz gleich, ob es
eine weiße oder eine schwarze Katze ist –
Hauptsache, sie fängt Mäuse, dann ist es
eine gute Katze.“
Das neue Ziel war der Aufbau einer „Sozialistischen Marktwirtschaft“, in der die
Losung „Reich werden ist ehrenhaft“ gel1. Aisin Gioro Puyi
Kaiser. Nach Jahren
stehend) war von
Umerziehung starb
(rechts im Bild,
China unterhalten, erkennt Deutschland auf der Grundlage des Ein-China-Prinzips formell
De facto ist Taiwan seit 1949 aber Sitz der Regierung der Republik China.
wirtschaftliche Modernisierung Chinas
aber wurde unter seiner Führung nicht
erreicht. Nach Maos Tod im Jahr 1976
fand sich daher rasch eine breite Koalition, die sich für wirtschaftliche Reformen und eine internationale Öffnung des
Landes einsetzte. (sh)
1908 bis 1912 der
1
letzte chinesische
ten sollte. Während sich das Land ökonomisch zunehmend veränderte, waren
demokratische Reformen weiterhin unerwünscht. Insbesondere das militärische
Vorgehen gegen die studentischen Proteste um den Platz vor dem „Tor des Himmlischen Friedens“ (Tiananmen-Platz) im
Jahr 1989 machte den Umgang des Regimes mit Kritikern sichtbar. Wirtschaftliche Öffnung bei gleichzeitigem Beharren
auf dem Machtmonopol der KPCh blieb
auch unter den Nachfolgern Dengs das
politische Leitbild. Dieser pragmatische
– an konkreten Problemlösungen, nicht
an ideologischen Leitbildern orientierte –
Kurs wird allerdings seit dem Amtsantritt
des neuen Staatspräsidenten Xi Jinping
zunehmend in Frage gestellt. Unter Xi
sind Einzelelemente des Maoismus wie
etwa Disziplinierungskampagnen und
Personenkult wiederbelebt worden. Insgesamt ist der Druck auf politisch „abweichende“ und kritische Stimmen unter
Intellektuellen und im Internet unter Xi
Jinping deutlich gestiegen. Auch die Autorität der Parteizentrale in Peking ist
gegenüber den vorangegangenen Regierungen gestärkt worden.
D
ebatten über wirtschaftliche
und politische Modernisierungsstrategien
beschäftigen
die politischen und intellektuellen Eliten
Chinas dabei seit anderthalb Jahrhunderten. Die zentrale Frage lautet, ob die Modernisierung Chinas mit Hilfe westlicher
Technik und mit marktwirtschaftlichen
Elementen möglich ist, ohne die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft
aufzugeben.
Ebenso wie die konservativen Reformer
am Kaiserhof vor über einhundert Jahren versuchten, „mit den chinesischen
Lehren als Substanz die westliche Technik zu nutzen“, vertritt die Führung der
KPCh bis heute die Ansicht, dass sie die
autoritäre politische Ordnung mit einer
marktwirtschaftlichen Ordnung in einem
„Sozialismus chinesischer Prägung“ erfolgreich verbinden kann. (sh)
der kommunistischen
er 1967 als einfacher
Bürger der VR China.
17
Innenp olit ik
Mitglieder nach offiziellen Angaben jünger als 35 Jahre, fast vier Fünftel von ihnen
besaßen mindestens einen Oberschulabschluss. Eine Parteimitgliedschaft bietet
vielfältige Vorteile, wie zum Beispiel ein
hilfreiches Beziehungsnetz, Bevorzugung
bei Beförderungen oder Auslandsreisen.
Das Zentralkomitee der KPCh (ZK) bildet das zentrale Repräsentativorgan der
wichtigsten innerparteilichen Gruppen
aus Partei, Staat und Armee. Die rund
200 Vollmitglieder des ZK treten gewöhnlich nur einmal im Jahr zusammen.
Dann stimmen sie über die Besetzung
von Spitzenpositionen in Partei und Staat
und über politische Grundsatzfragen ab.
Im ZK sind verschiedene Interessengruppen aus der Staatsbürokratie ebenso
repräsentiert wie Vertreter aus den Provinzen und der Armee.
Das höchste Entscheidungs- und Führungsorgan der KPCh ist das ZK-Politbüro. Es hat derzeit 25 Mitglieder, aus
denen wiederum ein Ständiger Ausschuss
mit nur sieben Mitgliedern hervorgeht.
Dieser Ständige Ausschuss des Politbüros ist der Führungskern der KPCh und
setzt sich aus den wichtigsten aktiven
Parteiführern zusammen. An der Spitze
des Ständigen Ausschusses steht der KPGeneralsekretär.
1
HARMONIE UND
KONTROLLE
von Sebastian Heilmann
CHARAKTERISTIKA
DES POLITISCHEN SYSTEMS
D
er tiefgreifende wirtschaftliche
und gesellschaftliche Wandel
hat besonders seit den 1990er
Jahren markante politische Veränderungen bewirkt. Vom Totalitarismus der
Mao-Ära, als die Kommunistische Partei
einen totalen Zugriff auf das wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Leben ausüben konnte, hat sich die gegenwärtige politische Ordnung weit entfernt.
Politische Entscheidungen kommen heute anders zustande und werden auch mit
anderen Mitteln durchgesetzt als noch
Ende der 1980er Jahre.
Eine Demokratie nach westlichem Modell lehnt die Regierung als untaugliches
Ordnungsmodell ab. Weiterhin hält die
Heute vertritt die KPCh offiziell einen
„Sozialismus chinesischer Prägung“, der
sich vom sowjetischen Modell distanziert und die marxistischen Klassiker in
ihrer Bedeutung für die
Modernisierung Chinas
neu zu bewerten sucht.
Um Chinas Wirtschaft
zu modernisieren, werden
marktwirtschaftlich-kapitalistische Methoden
genutzt. Die Funktion der
Ideologie als Mittel politischer Disziplinierung
nimmt unter Staatspräsident Xi Jinping wieder zu.
KOMMUNISTISCHE PARTEI
CHINAS (KPCH)
2013 zählte die KPCh rund 85 Millionen
Mitglieder. In den letzten beiden Jahrzehnten waren fast drei Viertel der neuen
2. Xi Jinping ist
der Zentralen
besteht aus rund
Generalsekretär der
also der mächtigste
3.000 Mitgliedern.
18
STAATSIDEOLOGIE
Kommunistische Partei Chinas (KPCh)
an ihrem Machtmonopol fest, lässt keine
unabhängigen Kontrollinstanzen zu und
unterdrückt oppositionelle Aktivitäten.
Staatspräsident,
KP und Vorsitzender
D
ie von der Führung seit 1979
verbindlich vorgegebenen „Vier
Grundprinzipien“ – Führungsrolle der Partei, Demokratische Diktatur des Volkes, sozialistischer Entwicklungsweg und Marxismus-Leninismus/
Mao-Zedong-Ideen – werden von einem
großen Teil der Parteimitglieder nur noch
in ideologischen Lippenbekenntnissen
hochgehalten. Heute präsentiert sich die
Kommunistische Partei als Modernisierungs- und Volkspartei, die ein sehr rasches und dauerhaftes wirtschaftliches
Wachstum erreichen und zugleich eine
sozial möglichst ausgeglichene Mittelschichtsgesellschaft aufbauen will.
CHANCEN EINER
DEMOKRATISIERUNG
Die politische Führung Chinas hat seit
den 1990er Jahren eine Reihe von Strukturreformen durchgesetzt, die theoretisch
auch Voraussetzungen für eine künftige
demokratische Ordnung schaffen könn-
ten. Eine moderne, an internationalen
Vorbildern orientierte Wirtschaftsgesetzgebung wurde eingeleitet und eine
Pluralisierung gesellschaftlicher Lebensstile geduldet. In innerparteilichen Personalabstimmungen gibt es inzwischen
eine begrenzte Kandidatenkonkurrenz.
Gesetzgebungsverfahren sind verbindlich
geregelt und die Volkskongresse in ihren
Kontrollfunktionen aufgewertet worden.
Gegen Verwaltungsentscheidungen gibt
es eine zunehmende Zahl erfolgreicher
gerichtlicher Klagen, und die Bevölkerung wird sich ihrer eigenen Rechte
stärker bewusst. Die ökonomische Entwicklung fördert also auch in China eine
differenziertere und mit neuen Einflussmöglichkeiten ausgestattete Gesellschaft.
Manche Chinaforscher sehen hierin Ansatzpunkte für eine „schleichende Demokratisierung“, die sich auf längere Sicht
ähnlich wie in Taiwan oder Südkorea
durchsetzen werde. Zurzeit aber scheint
die Kommunistische Partei aufgrund
wirtschaftlicher Erfolge und des internationalen Machtgewinns fest im Sattel zu
sitzen. Durchgreifende politische Veränderungen sind kurz- und mittelfristig nur
für den Fall einer akuten wirtschaftlichen
Krise und innerparteilicher Führungskonflikte zu erwarten.
Merics – Look and Feel
1. Der Nationale
Volkskongress Chinas
„‚Eine schleichende
Demokratisierung‘ wie in Taiwan
oder Südkorea“
Xi Jinping…
…und die anderen 6 Mit­
glieder des Ständigen
Ausschusses des Politbüros
Familienclans
Militär
Staats­
unternehmen
Ministerien
Beschluss
des 3. ZK­Plenums
Think Tanks, Berater
Privatunternehmen
WWW
Lokale Regierungen
Bevölkerung
Befürworter der
wirtschaftlichen & politischen
Liberalisierung
Quelle:
Militärkommission,
Mann im Staat.
Wer hat’s geMACHT?
Das Kräftefeld der chinesischen Politik
Mercator Institute for
2
China Studies (MERICS)
19
Außenp olit ik
SUPERMACHT
AUF DER SUCHE
1
von Marc Bermann
V
iele Jahrhunderte war das chinesische Selbstverständnis hinsichtlich der eigenen Rolle in
der Welt geprägt von einem Konzept, das
die Chinesen „Tian Xia“ (天下) nennen,
was so viel bedeutet wie „alles unter dem
Himmel“. Das heißt, dass der Kaiser –
und wahrscheinlich die meisten seiner
Untertanen – China als die wichtigste
Zivilisation der Welt betrachteten. Diese
Sichtweise spiegelt sich auch in der chinesischen Bezeichnung für China wider:
„Zhongguo“ (中国), was übersetzt „Reich
der Mitte“ heißt.
Die unmittelbar an China angrenzenden
Staaten bezeichnete man als „Vasallenstaaten“, die dem chinesischen Kaiser zu
huldigen hatten. Alle anderen Länder,
1. Bundeskanzlerin
Keqiang und Teilneh-
2. China im Kreis
Jinping u.a. mit Barack
Staatsbesuch mit
chinesischen Sprachen-
G20-Gipfel in Bris-
ron, Matteo Renzi und
Angela Merkel auf
Ministerpräsident Li
20
die man kannte, wurden von „Barbaren“
bewohnt. China genügte sich über Hunderte von Jahren selbst und sah keinen
strategischen Mehrwert in der Pflege
internationaler Beziehungen. Die eigene
Wahrnehmung, dass China in jeder Hinsicht überlegen war, wurde in den 1840er
und späten 1860er Jahren zum ersten Mal
fundamental gestört. Zum Ende des 19.
Jahrhunderts zwang „der Westen“ China
mern des deutschjahres 2014.
der Mächtigen: Beim
bane 2014 traf sich Xi
Obama, David CameDilma Rousseff.
mit seiner „Kanonenbootdiplomatie“ in die Knie. In
den folgenden Jahrzehnten
wurde China von insgesamt
acht Nationen des Westens
besetzt und in verschiedene
Einflusssphären aufgeteilt.
China stürzte in eine tiefe,
lang anhaltende Identitätskrise, von der es sich bis
heute nicht ganz erholt hat.
Von dieser Zeit sprechen die
Schulbücher noch heute als
„100 Jahre Erniedrigung“.
Erst mit der Machtübernahme der Kommunisten
im Oktober 1949 befreite
sich die dann gegründete
Volksrepublik China von
den „ausländischen Teufeln“, indem Mao die Besatzungsmächte aus China
verdrängte und das Land
wiedervereinte. Seit dieser
Zeit wurde die chinesische
Außenpolitik (und auch die
Innenpolitik) in den Dienst
eines übergreifenden Ziels
gestellt: China an seinen
rechtmäßigen Platz in der
Mitte – bzw. an der Spitze –
der Welt zurück zu verhelfen
und nie wieder in die Lage
zu geraten, sich den eigenen Weg vom Ausland vorschreiben zu lassen.
In diesen Kontext muss man
die chinesische Haltung
hinsichtlich der oft zitierten
und teilweise kritisierten „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“ einordnen. Das erklärt zumindest zu einem
Teil, warum China sich in internationa-
len Konflikten lange neutral verhalten hat
und sich umgekehrt bei eigenen inneren
Konflikten, etwa im Falle von Tibet, Xinjiang oder Taiwan, stets Einmischung von
außen verbittet.
Peking präferiert eine multipolare Weltordnung, und wie in der Vergangenheit
verfolgt auch die gegenwärtige
Außenpolitik primär das Ziel,
die inneren Entwicklungsprozesse – allen voran die wirtschaftliche Entwicklung – abzusichern und für ein stabiles
regionales Umfeld zu sorgen.
Die Absicherung der Rohstoffund Handelswege und die Stabilisierung der Beziehungen zu
wichtigen strategischen Partnern wie den USA, Russland
und der Europäischen Union
haben dabei hohe Priorität. Seit
einigen Jahren vertieft die chinesische Regierung jedoch auch 2
systematisch die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu
Lateinamerika und Afrika. Als Gründer
und Mitglied der „Shanghai Cooperation Organisation“ (SCO) beeinflusst
China die Kooperation in Zentralasien
maßgeblich, und mit der Vertiefung der
regionalen Beziehungen in Ost- und
Südostasien verfolgt Peking gezielt seine
Entwicklungsinteressen. China versucht
gleichzeitig, Territorialinteressen im Ostchinesischen Meer gegenüber Japan und
im Südchinesischen Meer gegenüber den
dortigen Anrainern durchzusetzen. (mb)
D
ie vergleichsweise erfolgreiche
Bewältigung der Wirtschaftsund Finanzkrise und Chinas
stetiges Wirtschaftswachstum haben den
Fokus der Weltöffentlichkeit verstärkt
CHINAS ROLLE IN DER WELT
Als bevölkerungsreichstes Land der Welt, ständiges Mitglied des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, Nuklearmacht und dynamische
Volkswirtschaft strebt China verstärkt nach Mitwirkung in allen
bedeutenden weltpolitischen Fragen und verfolgt dabei selbstbewusst seine
nationalen Interessen. Mit dem Beitritt zur WTO am 11. Dezember
2001 ist China dem Ziel gleichberechtigter Integration in das multilaterale
Welthandelssystem ein großes Stück näher gekommen. Als aktives Mitglied
der G20 und der BRICS bringt sich China in die zukünftige Gestaltung des
internationalen Wirtschafts- und Währungssystems ein.
(vgl. www.auswaertiges-amt.de)
auf China gelenkt und die Erwartungen
der internationalen Gemeinschaft nach
aktiver Mitarbeit bei der Lösung globaler Probleme vor allem in den Bereichen
Entwicklung, Klima, Umwelt und Energie verstärkt. Der Widerspruch zwischen
dem wachsenden wirtschaftlichen und
politischen Gewicht Chinas in der Welt
und seiner eigenen Wahrnehmung – in
erster Linie als Entwicklungsland in einer schwierigen Entwicklungsphase – ist
dabei offensichtlich.
P
eking versucht, bestehende Ängste
der Nachbarn abzubauen, die
durch die schnelle Entfaltung
wirtschaftlicher, politischer und auch militärischer Macht und durch sein kompromissloses Verhalten in territorialen Fragen
entstehen. Die wachsenden Spannungen
in den Territorialkonflikten im Ost- und
Südchinesischen Meer berühren auch europäische Sicherheitsinteressen. Die EU
und Deutschland haben mehrfach alle beteiligten Parteien zur Streitbeilegung auf
der Grundlage internationalen Rechts
aufgefordert. Dazu ist China bisher allerdings nicht bereit. Die regionalen wirtschaftlichen Verflechtungen und gemeinsamen Interessen der asiatischen Staaten
und Chinas haben jedoch eine neue Qualität erreicht und wirken langfristig stabilisierend (vgl. www.auswaertiges-amt.de).
21
W ir tsc haf t
„DAS PASST ZUSAMMEN“
CHINA
UND DIE
WELTWIRTSCHAFT
von Christoph Giesen
S
eit Anfang 2014 ist China die größte Handelsnation der Welt. Dank
eines Zuwachses des Außenhandels
um 7,6 Prozent überholte die Volksrepublik die Vereinigten Staaten. Chinas
Handelsvolumen beträgt jedes Jahr inzwischen deutlich mehr als vier Billionen
Dollar. Es ist Jahrhunderte her, dass China zum letzten Mal die größte Handelsnation der Erde war. Damals regierten in
der Verbotenen Stadt in Peking die Kaiser
der Qing-Dynastie, Frauen wurden traditionell die Füße gebunden und in Europa
experimentierte James Watt noch an seiner Maschine. Nun ist es wieder soweit.
In absoluten Zahlen ist China heute die
zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Schon bald wird die Volksrepublik auch
die Vereinigten Staaten überholen. Ökonomen streiten eigentlich nur noch, wann
das der Fall sein wird. 2019 schon? Oder
doch erst 2022?
In nicht einmal 40 Jahren ist es China
gelungen, von einem der ärmsten Staaten
der Welt zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte aufzusteigen. Was in der
Volksrepublik passiert, hat globalen Einfluss, vor allem ökonomisch.
Zu sehen war das eindrucksvoll im September 2014. An der Säulenfront der
Wall Street wehten die amerikanische
und die chinesische Flagge, als der Internetkonzern Alibaba in New York an die
Börse ging. Alibaba ist eine Handelsplattform im Internet, bislang größtenteils auf
China beschränkt, und doch brachte der
Börsengang 25 Milliarden Dollar ein – so
viel wie noch kein anderes Unternehmen
jemals zuvor. Inzwischen sind die Anteile
von Alibaba mehr als 260 Milliarden Dollar wert, mehr als alteingesessene Schwergewichte wie Shell oder General Electric.
Auch andere chinesische Unternehmen
haben sich in den vergangenen Jahren
etabliert. Die staatlichen Ölkonzerne wie
Sinopec oder die großen Banken wie die
ICBC gehören inzwischen zu den umsatzstärksten Unternehmen der Welt.
Jörg Wuttke ist
der Chef der
Europäischen
Handelskammer
in Peking,
er lebt seit
über 20 Jahren
in China.
Herr Wuttke,
warum ist China so relevant für
deutsche Unternehmen?
Mit einer Bevölkerung von 1,4
Mrd. Menschen ist China zweifelsohne der Elefant im Raum. In
der Vergangenheit ist die chinesische Wirtschaft jährlich um zehn
Prozent gewachsen. Das heißt,
statistisch verdoppelt sich die
Wirtschaftsleistung alle sieben Jahre. Daran kommt man nicht vorbei.
1
Andere Namen werden in den kommenden Jahren groß werden. Für die deutsche
Industrie ist das China-Geschäft inzwischen fast überlebenswichtig geworden.
Die Maschinenbauer und großen Autokonzerne verdienen einen Großteil ihres
Geldes in der Volksrepublik. Etwa jedes
dritte Auto aus dem Volkswagen-Konzern wird zum Beispiel in China verkauft.
M
it dem gewaltigen Wachstum
gehen allerdings auch Probleme einher. Die Kluft zwischen
Arm und Reich ist in China so groß wie
in kaum einem anderen Land in der Welt.
Während in Shanghai Geschäftsleute
Porsche oder Ferrari fahren, leben Wanderarbeiter und Bauern von wenigen hundert Yuan im Monat. Diese Ungleichverteilung bietet Zündstoff für soziale
Konflikte. Genauso wie die Frage, was
passiert, wenn die Wirtschaft einmal doch
ins Straucheln geraten sollte. Die Legitimation der Kommunistischen Partei beruht im Wesentlichen auf dem wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte
– demokratische Wahlen wie in Deutschland gibt es nicht. Sechs bis sieben Prozent Wachstum, sagen manche Ökonomen, das sei die Untergrenze, damit es
keinen sozialen Unfrieden gibt. Weniger
Wachstum bedeutet schließlich auch weniger neue Arbeitsplätze. Und gerade diese sind in einem Land, das die Urbanisierung vorantreibt und aus Bauern Arbeiter
und Angestellte macht, dringend nötig.
Als Chinas Wirtschaft sich öffnete, lebten
80 Prozent der Chinesen auf dem Land,
heute sind über 50 Prozent Städter. Alleine um diese Umschichtung zu stemmen,
muss Chinas Führung jedes Jahr Millionen an neuen Arbeitsplätzen schaffen.
Sind die deutschen Unternehmen in
China gut aufgestellt?
Die erfolgreichsten europäischen
Unternehmen kommen sicherlich
aus Deutschland. Das merkt man
auf der Straße: Da fahren Autos
von BMW, Mercedes oder VW
vorbei. Viele deutsche Konzerne
sind seit Jahrzehnten hier, Siemens
hat 40 000 Mitarbeiter vor Ort,
Bayer dürfte etwa 20 000 haben
und die BASF hat 8000. Das
Handelsvolumen zwischen China
und der Europäischen Union beträgt eine Milliarde Euro und das
täglich. Die Hälfte davon beträgt
alleine der deutsch-chinesische
Handel.
Deutschland und China, das passt
also zusammen?
Oh ja, wie die Faust aufs Auge.
Ist China gar das Traumland für
deutsche Investoren?
Nun, Probleme gibt es trotzdem
noch jede Menge. Inzwischen
braucht man schon Überredungskünste, um gute Leute ins Land zu
holen. Und dann sind da noch die
vielen Einschränkungen, denen europäische Unternehmen in China
unterliegen, während sich chinesische Firmen in Europa problemlos
einkaufen können.
Haben Sie ein Beispiel?
Seit Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2001
dürfen Banken in der Volksrepublik
nur in zwei Städten pro Jahr neue
Filialen eröffnen. Die chinesischen
Institute verfügen bereits über
ein dichtes Filialnetz, aber für
Banken aus dem Westen ist diese
Einschränkung bei 150 MillionenStädten ein ernstes Problem, da es
Jahrzehnte dauern würde, bis man
halbwegs vertreten ist. Wir haben
einmal versucht zu beziffern, wie
groß der Nachteil ist, der uns in
China entsteht, und sind auf etwa
23 Milliarden Euro gekommen, die
den europäischen Unternehmen
jedes Jahr durch die Lappen gehen.
Man hört immer wieder, dass
Ideenklau ein Problem für deutsche
Unternehmen sei. Stimmt das?
Für die großen Konzerne mag das
lästig sein, es ist meistens aber
nicht bedrohlich, bestimmte Technologien werden deshalb gar nicht
erst nach China geholt.
Für Mittelständler kann ein Patentklau und die darauf folgende
weltweite Vermarktung durch die
Diebe allerdings schnell existenzbedrohend werden. Meiner eigenen
Beobachtung nach kommt es heute
aber nur noch in Einzelfällen vor,
dass Ideen abgekupfert werden.
1. Der Online-Konzern Alibaba 2014
beim größten Börsengang aller Zeiten.
22
23
W ir tsc haf t
DENG XIAOPING ,...
2
1
3
4
WANDERARBEITER
IN CHINA
von Christoph Giesen
E
inmal im Jahr, zum Frühlingsfest, wenn das ganze Land
Urlaub hat, sieht der sechsjährige Wang Lei seine Eltern
wieder. Er lebt in einem Dorf in Hunan in Zentralchina,
die Großeltern kümmern sich um ihn. Der Vater arbeitet Hunderte Kilometer entfernt in einer Fabrik im Süden Chinas, die
Mutter lebt in derselben Stadt wie ihr Mann und geht putzen.
Wenn die Eltern einmal im Jahr nach Hause fahren, haben sie
Geschenke und kleine rote Umschläge mit Geld dabei. Zehn
Tage bleiben sie im Dorf. Dann müssen sie wieder zurück zur
Arbeit, in eine Millionenstadt in der Provinz Guangdong.
So wie Wang Lei wachsen Millionen Kinder in China auf, sie
sind die Kinder der Wanderarbeiter. Ihre Eltern schuften fast
jeden Tag. Etwa 250 Millionen Wanderarbeiter sind es inzwi-
schen in China, die sich vom Land auf den Weg in die Städte
gemacht haben. Sie sind es, die die iPhones zusammensetzen,
T-Shirts nähen oder wie Wang Leis Vater Turnschuhe kleben.
Ohne sie wäre das chinesische Wirtschaftswunder undenkbar.
Sie leben in den Schlafsälen der großen Fabriken oder in heruntergekommenen Häusern am Stadtrand.
I
n den Metropolen wie Peking, Shanghai oder Guangzhou
schätzt man, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung Wanderarbeiter sind. Sie arbeiten in den Fabriken, sammeln den
Müll auf, verdingen sich als Flaschensammler, die Männer arbeiten schwarz auf dem Bau, viele Frauen wie Wang Leis Mutter
haben eine Anstellung als Zugehfrau gefunden, sie putzen und
kochen für wohlhabende Städter. Eine Ayi, eine Tante, nennen
die Chinesen sie. Jeden Yuan sparen Wang Leis Eltern, damit
ihr Sohn es einmal besser haben wird als sie.
Wer vom Land kommt und in großen Städten arbeitet, ist offiziell kein Bewohner der Stadt und hat keinen Anspruch auf
Sozialleistungen, seine Kinder muss er in der Heimatprovinz zur
Schule schicken. Ein Ummelden ist sehr kompliziert. Von einer
in eine andere Stadt ziehen, das geht gerade noch so, von einem
Dorf in Hunan nach Shenzhen oder nach Shanghai, das ist so
gut wie unmöglich für einen Wanderarbeiter. Ende Juli 2014
wurde eine Hukou-Reform vorgestellt, die bis 2020 umgesetzt
werden soll. Wer in eine Gemeinde oder Stadt mit weniger als
einer Million Einwohnern zieht, soll künftig alle kommunalen
Leistungen in Anspruch nehmen können. Schwierig bleibt es
hingegen, sich in Shanghai oder Peking niederzulassen. Es soll
ein strenges Punkte-System geben, in dem nach Kriterien wie
Arbeitserfahrung, Bildung und sozialer Absicherung die neuen
Bewohner ausgewählt werden. Für die meisten Wanderarbeiter
und ihre Kinder bleibt das eine kaum überwindbare Hürde.
1.+2. Wanderarbeiter
3. Die Arbeitsbedin-
4. Ob im Städtebau
Wanderarbeiter sind
Lebensunterhalt meist
in Europa nicht zu
beit für internationale
Wirtschaftswachstum
verdienen ihren
fernab ihrer Familie.
24
Dass Wang Lei nicht im Süden Chinas leben kann, daran ist
das sozialistische Meldesystem Schuld. Von der Geburt an hat
jeder Chinese einen eingetragenen ständigen Wohnsitz, die
sogenannte Hukou. Es gibt Land-Hukous für die Bauern und
Hukous für die Städter. Eingeführt wurde dieses System 1958 in
den Mao-Jahren, um die Bevölkerung zu kontrollieren; es sollte
sichergestellt werden, dass niemand den zugeordneten Wohnort
verlässt. Im Kern gilt dieses Gesetz noch immer, trotz der Millionen Wanderarbeiter, die ihre Dörfer längst verlassen haben.
gungen sind mit denen
vergleichen.
oder bei der FabrikarKonzerne – die
... der Mann, der China
nach den Wirren der Kulturrevolution wieder an die
Weltwirtschaft ankoppelte,
liebte es, in Bildern zu
sprechen. Jedes Schulkind
in China kennt heute seine
Aussprüche. Einer dieser
Sätze lautet: „Es ist mir
egal, ob eine Katze schwarz
oder weiß ist − Hauptsache
sie fängt Mäuse.“ Was er
damit meinte? Die Ideologie ist nicht mehr so wichtig, nur der wirtschaftliche
Erfolg zählt. Auch Dengs
Chefökonom Chen Yun
bediente sich der Bildsprache: Er versuche den Fluss
zu überqueren, indem er
vorsichtig nach Steinen im
rauschenden Wasser suche.
Wirtschaftliche Reformen
ja – aber auf keinen Fall
überstürzt handeln. Das ist
die eigentliche Erfolgsformel des chinesischen Wirtschaftswunders. Schritt für
Schritt baute Deng China
um.
Zunächst schaffte er die
sogenannten Volkskommunen ab, in denen Bauern im
Kollektiv die Felder bestellt
hatten. Statt gemeinsam zu
arbeiten, konnten sie Land
pachten. An der staatlichen
Planwirtschaft hielt Deng
zunächst dennoch fest, er
modifizierte sie nur leicht.
Weiterhin mussten Bauern
und Fabriken Quoten erfüllen. Wurde die vorgegebene
Menge allerdings erreicht,
durfte der Rest verkauft
werden. Viele
Bauern spezialisierten sich
deshalb, sie
bauten wieder
Gemüse an, nicht mehr
bloß Weizen und Reis. Sie
betrieben Viehzucht und
legten Teiche an, um Fische
zu züchten, und entkamen
der bitteren Armut. Auch
in den Städten griffen die
Reformen, kleine Firmen
durften öffnen.
In Südchina erklärte Deng
einige Städte zu Sonderwirtschaftszonen, vor allem
Shenzhen, eine Stadt an der
Grenze zu Hongkong, zog
viele ausländische Investoren an. Rasch entstand eine
auf den Export ausgerichtete Industrie. In den
Neunzigerjahren kamen
dann verstärkt ausländische Direktinvestitionen in
anderen Provinzen Chinas
hinzu.
Seitdem hat kein anderes
Land der Welt so viele
ausländische Investoren
angezogen wie die Volksrepublik. Außerdem wurde
geschickt verhandelt. Hersteller, die in China produzieren wollten, mussten mit
einer chinesischen Partnerfirma ein Gemeinschaftsunternehmen gründen. Die
Gewinne wurden geteilt,
mussten aber zum Großteil
im Land bleiben.
Die Folge: weitere Investitionen und weiteres
Wachstum für China.
für das chinesische
unverzichtbar.
25
Kunst und Kult ur
DIE DREI LEHREN:
KONFUZIANISMUS, DAOISMUS, BUDDHISMUS
D
ie chinesische Identität speist sich ganz wesentlich
aus den traditionellen Lehren des Konfuzianismus,
des Daoismus und des Buddhismus. Die drei großen
Lehren spielten eine wechselhafte Rolle in der chinesischen Geschichte – immer wieder gab es Kaiser, die einer Lehre besonders
anhingen und darum Anhänger der anderen Lehren verfolgen
ließen. In der Wahrnehmung vieler Chinesen verschmolzen die
Lehren aber miteinander. Sie kombinieren daoistische mit buddhistischen Elementen und orientieren sich gleichzeitig an der
Ethik des Konfuzius.
DAOISMUS
Der Daoismus (oder auch Taoismus) ist eine philosophische und
religiöse Weltanschauung, die auf den sagenumwobenen Denker
Laozi und eine anonym veröffentliche Sammlung von Spruchkapiteln, das Daodejing, aus dem 4. Jh. v. Chr. zurückgeht. Im
Zentrum der Lehre steht der Begriff „Dao“ (der Weg), der für
das Unbegreifliche und Geheimnisvolle steht. Dao kennzeichnet die höchste Wirklichkeit und die ursprüngliche Einheit aller Dinge. Gegensätze wie z. B. Tag und Nacht werden vereint,
indem davon ausgegangen wird, dass in jedem Tag bereits ein
Stück Nacht enthalten ist und umgekehrt. Das Begriffspaar Yin
und Yang steht stellvertretend für diese Gegensätze, die laut
Daoismus stets in einer rhythmischen Abfolge auftreten: So
wird zum Beispiel aus Sommer Winter oder aus Freude Trauer.
Dao bezeichnet außerdem die treibende Kraft, aus der alles
entsteht und die den Lauf der Zeit bestimmt. Dem Daoismus
zufolge gelangt der Mensch zu Harmonie, wenn er sich am
Dao ausrichtet. Dieses offenbart sich in der Welt als erkennbares
Prinzip der Natürlichkeit, der Spontaneität und des kontinuierlichen Wandels. Das Ziel besteht also darin, sich auf intuitive
Weise dem Lauf der Welt anzupassen.
Das Nicht-Handeln oder Nicht-Erzwingen (chin. „Wu Wei“)
ist somit eines der leitenden Prinzipien des Daoismus. Auch das
im Westen bekannte Konzept des ,,Feng Shui“, einer Harmonisierung der Wohn- und Lebensräume auf der Grundlage des
Qi (Energie), zählt zu der daoistischen Harmonielehre.
KONFUZIANISMUS
Der Konfuzianismus beschreibt die politische Lehre und Philosophie des Konfuzius (ca. 551 bis 495 v. Chr.) und seiner Schüler.
Im Zentrum dieser Lehre stehen vor allem die Selbstkultivierung und (Selbst-)Erziehung des Menschen sowie die Verantwortung und Pflichten gegenüber der Familie. Aufgrund der im
Mittelpunkt stehenden fünf menschlichen Elementarbeziehungen – Vater-Sohn, Herrscher-Untertan, Ehemann-Frau, älterer
Bruder-jüngerer Bruder und Freund-Freund – wird der Staat im
Konfuzianismus seit jeher als große, übergeordnete Familie gesehen. Ohne diesen gibt es auch keine Sicherheit für die Familie.
Hieraus ergibt sich ein hierarchisches Unterordnungsverhältnis,
das die Aufgaben des Menschen darin sieht, zunächst dem Staat
zu dienen, danach der Familie und zuletzt sich selbst. Diese fünf
Beziehungen werden maßgeblich durch die Tugenden der Menschenliebe, der Rechtschaffenheit und der Pietät der Kinder gegenüber ihren Eltern bestimmt.
Auch der Ahnenkult ist ein zentrales Element des Konfuzianismus. Neben den großen, offiziellen Feierlichkeiten zu Ehren
des Konfuzius und seiner Schüler als auch verstorbener kaiserlicher Vorfahren bildete sich auch in den Familien eine Form des
Ahnenkults heraus. Für alle wichtigen familiären Ereignisse, wie
Geburt, Hochzeit und Tod, schreibt die konfuzianische Tradition genaue Regeln vor.
Der über die Landesgrenzen Chinas hinaus einflussreiche Konfuzianismus wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders
von jungen chinesischen Intellektuellen und Revolutionären
für die Rückschrittlichkeit Chinas verantwortlich gemacht und
D
BUDDHISMUS
Der Buddhismus ist eine Weltreligion, die sich auf die Lehren
des Inders Siddharta Gautama aus dem 5. Jh. v. Chr. beruft.
Demnach ist der Mensch einem endlosen Kreislauf von Geburt
und Wiedergeburt ausgesetzt, der nur durch die Überwindung
von Leid und Unvollkommenheit durchbrochen werden kann.
Gläubige Buddhisten versuchen durch eine gute Lebensführung
und Meditation diesem Kreislauf zu entrinnen. Entscheidend
ist dabei das Konzept von Karma, das den Zusammenhang von
Ursache und Wirkung von menschlichen Taten beschreibt. Laut
buddhistischer Lehre hat es der Mensch selbst in der Hand,
durch gute oder schlechte Taten seine Zukunft zu prägen. Da
aber sowohl gutes als auch schlechtes Karma zur erneuten Wiedergeburt führen, ist das eigentliche Ziel der Buddhisten, gar
kein Karma zu erzeugen. Am Ende dieser Entwicklung tritt der
erleuchtete oder erwachte Mensch in den Zustand des vollkommenen Glücks, das sogenannte Nirwana, ein.
N
ach China gelangte der Buddhismus vermutlich erstmals im 1. Jh. n. Chr. Hier wurden die buddhistischen
Lehren weiterentwickelt und mit verschiedenen Elementen des Daoismus verschmolzen. In dem buddhistischen
Begriff „bodhi“ („Erleuchtung“) haben die frühen chinesischen
Übersetzer beispielsweise das Dao erkannt. Der Buddhismus
wurde folgerichtig von Daoisten häufig als indische Variante des
Daoismus bezeichnet. Anders herum erklärten die Buddhisten
Laozi zu einem Schüler Buddhas.
Prägende Kraft auf die chinesische Bevölkerung entfaltete der
Buddhismus insbesondere in der Tang-Dynastie (618-907
n. Chr.) als sich auch viele Kaiser zu den Lehren Buddhas
bekannten. Von den buddhistischen Tempeln und Klöstern
über chinesische Moralvorstellungen bis hin zu vielen chinesischen Wörtern und Sprichwörtern hat der Buddhismus seine
Spuren in China hinterlassen. Als größte Religionsgemeinschaft
in China wirkt er aber auch heute fort: Schätzungen gehen
von ca. 244 Mio. Anhängern aus.
er Übergang von Daoismus als
Philosophie zu Daoismus als
Religion ist fließend. Es gibt
kein geschlossenes Glaubenssystem, sondern eine Vielzahl an Quellen, die im
Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche
Spielarten hervorbrachten. Zu den auch
heute noch praktizierten Elementen des
religiösen Daoismus zählen u. a. die Verehrung von Gottheiten und Ahnen, Rituale wie Traumdeutung und Meditation
ebenso wie Atemübungen und Gymnastik.
1
1. Konfuzius präsen-
stand im 14. Jh. und
2. Der chinesischen
Suche nach Ruhe gen
Buddha. Das Bild ent-
Britischen Museum.
Laozi China auf der
Wasserbüffel reitend.
tiert Laozi den jungen
26
nach 1949 unterdrückt. Erst seit den 1990er Jahren und besonders seit der Regierungszeit von Hu Jintao und Wen Jiabao
(2003-2013) wurde Konfuzianismus wieder beliebt. In dieser
Zeit begann China auch damit, an ausländischen Universitäten sogenannte Konfuzius-Institute anzugliedern (ähnlich wie
die Goethe-Institute). Hohe Führungskader, wie der aktuelle
Staatspräsident Xi Jinping, reisen zu Konfuzius‘ Geburtsstätte
in Qufu und stellen die positive Rolle des konfuzianischen Denkens für Chinas heutige Entwicklung heraus.
befindet sich heute im
Legende nach verließ
Westen auf einem
3
2
3. Yin und Yang steht
gensätzlichkeit und
geprägt von Ge-
gigkeit voneinander.
für eine Beziehung
gleichzeitiger Abhän-
27
Kunst und Kult ur
1
CHINAS
GEGENWARTSKULTUR
von Michael Kahn-Ackermann
D
ie rasante Urbanisierung des
Landes ist gegenwärtig die
wichtigste gesellschaftliche
Entwicklung Chinas. Sie
verursacht tiefgreifende Veränderungen
von Lebensgewohnheiten und Weltanschauungen und bestimmt auch die chinesische Gegenwartskultur. Der Anblick
chinesischer Städte wird von Wolkenkratzern, Stadtautobahnen und gigantischen LED-Leuchtreklamen geprägt.
Auch moderne kulturelle Großbauten,
Museen, Kunst- und Musikhallen, Theater- und Opernhäuser entstehen dort in
großer Zahl und oft über Nacht, zumeist
entworfen von bekannten internationalen
Architekten. Nur noch wenige erhaltene
Kulturdenkmäler erinnern an die traditionelle Kultur chinesischer Städte. In den
schimmernden Einkaufszentren reihen
sich die Läden mit internationalen Designprodukten, auf Schritt und Tritt begegnet man Filialen von Starbucks, Mc
Donald’s und KFC. Die Menschen sind
westlich gekleidet und fahren Autos europäischer, nordamerikanischer oder japanischer Marken. In vieler Hinsicht bietet
China heute dem Betrachter äußerlich
das Bild einer „verwestlichten“ oder
„amerikanisierten“ Kultur. Doch dieses
Bild ist trügerisch.
Zum einen vergisst man über den manchmal futuristisch anmutenden Stadtsilhouetten leicht, dass auch heute noch
etwa die Hälfte der 1,4 Milliarden Menschen Chinas auf dem Land lebt, wo trotz
der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die auch dort stattgefunden
haben, viele der bäuerlichen Traditionen
und Lebensgewohnheiten erhalten bleiben. Ahnenkult und volksreligiöse Anschauungen und Gebräuche haben sich
dort zäh gegen kommunistische Indoktrination erhalten und sind sogar wieder
auf dem Vormarsch.
Z
um anderen täuschen Glasfassaden
und Designer-Klamotten darüber
hinweg, dass China auch heute keineswegs dem westlich-europäischen Kulturkreis angehört. Vielmehr ist Chinas
Gegenwartskultur von einer tiefen Ver1. Das Nationalsta-
„Vogelnest“ genannt.
2. „Homunculus“ von
3. Der Film „Bai Ri
aufgrund seiner
die Olympischen
der bekanntesten chi-
den Goldenen Bären
dion in Peking wird
Architektur auch
28
unsicherung geprägt, die ihre Ursache im
Zusammenstoß der jahrtausendealten eigenen Kultur mit der technologisch, wissenschaftlich und militärisch überlegenen
Zivilisation des westlichen Imperialismus
hat, der vor ca. 150 Jahren seinen Anfang
nahm.
Anders als Japan war China zunächst
nicht in der Lage, den „Einbruch des
Westens“ zu assimilieren. Zu weit lagen
die Weltanschauungen auseinander, zu
drückend war die wissenschaftlich-technologische und militärische Überlegenheit der westlichen Imperialmächte und
zu demütigend ihre Arroganz gegenüber
der Kultur und den kulturellen und politischen Eliten des Landes.
Die Konsequenz, die die intellektuelle
und später die politische Elite des Landes nach einigen
schmerzhaften
Niederlagen aus dieser
Situation zog, war die radikale
Ablehnung der eigenen kulturellen Tradition, insbesondere die Verwerfung des Konfuzianismus und die
bedingungslose Übernahme nicht
nur westlicher Technologien, sondern auch Ideologien. Das waren
insbesondere der Nationalismus, der
Darwinismus und der bedingungslose Glaube an den Fortschritt. Diese
Ideologien verschmolzen mit dem
am Ende siegreichen Marxismus-Leninismus zum Maoismus. Gemeinsam war diesen geistigen
und politischen Strömungen die Ablehnung der eigenen kulturellen Tradition.
Sie fand in der Zerstörungswut der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“
(1966-1976) ihren Höhepunkt: Etwa 80
Prozent des vorhandenen materiellen
kulturellen Erbes wurden während deren
Anfangsjahren vernichtet. Der „sozialistische Realismus“, die Ablehnung der
westlichen Moderne und die bedingungslose Indienstnahme der Kultur durch die
Partei bildeten die Grundlagen der kulturellen Doktrin der kommunistischen
Herrschaft. Damit entstand neben den
Traditionen des kaiserlichen Chinas eine
neue „Tradition“. Beide sind bis heute in
der Gegenwartskultur Chinas wirksam.
Mit dem Beginn der „Reform- und Öffnungspolitik“ Ende der 1970er Jahre
konzentrierte sich das Interesse der kulturellen Eliten des Landes zunächst auf
die Rezeption und Übernahme der westlichen Moderne des 20. Jahrhunderts, von
Nietzsche bis Derrida, von Duchamps bis
Andy Warhol, von Joyce bis Marquez. In
den 1990er Jahren entwickelten sich infolge der raschen Kommerzialisierung
aller Lebensbereiche eine riesige chinesische Populärkultur und ein milliardenschwerer chinesischer Kunstmarkt.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts macht
Darin wurden 2008
Spiele eröffnet.
Chen Wenling, einem
nesischen Künstler.
sich in der kulturellen Szene
Chinas eine zunehmende Distanzierung von
westlichen Vorbildern und die Wiederentdec kung
der
eigenen
kulturellen
2
Traditionen bemerkbar. Die Wiederbelebung dieser zerstörten und
nahezu vergessenen kulturellen Tradition ist allerdings
ein schwieriges und mühseliges Unterfangen und endet
nicht selten in Kitsch
und Kommerz, etwa bei
der Errichtung von
Wohnhäusern und Einkaufsstraßen im
„alten Stil“.
o präsentiert sich Chinas Gegenwartskultur heute als eine „Hybrid-Kultur“, ein Flickenteppich
aus noch existierenden oder wieder belebten kulturellen Traditionen (Konfuzianismus, Buddhismus, Volksreligion),
einigen von Staat und Partei mit viel Aufwand am Leben erhaltenen Traditionen
der „sozialistischen Kultur“, Importen aus
dem Westen (Modernismus, Postmodernismus, Individualismus, Zivilgesellschaft,
etc.) und Elementen der „Globalkultur“
(Konsumismus, Internetkultur). Einziges
gemeinsames Merkmal der heterogenen
Elemente, aus denen die chinesische Gegenwartskultur besteht, ist die Suche nach
einer „chinesischen“ Identität.
S
3
Yan Huo“ gewann
der Berlinale 2014.
29
Didakt ik und Ar b eitsblätter
METHODISCHE
UND DIDAKTISCHE
HINWEISE
FÜR DEN EINSATZ
IM UNTERRICHT
ÜBERSICHT
ÜBER DIE ARBEITSBLÄTTER:
CHINA KENNENLERNEN:
DER CHINA-CHECK
32
CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN
33
MANIEREN*
ESSKULTUR*
CHINA VERSTEHEN:
VIELVÖLKERSTAAT CHINA
Z
weifellos ist China seit langer Zeit
ein wichtiges Unterrichtsthema, das
in den letzten Jahren noch einmal an
Aktualität gewonnen hat. Mit ein wenig
Kreativität in der Auslegung der einzelnen Lehrpläne kann es in nahezu allen
Fächern behandelt werden.
Die Arbeitsblätter sind angelehnt an die
von der Kultusministerkonferenz erarbeiteten kompetenzbezogenenen Bildungsstandards. Sie enthalten Arbeitsanweisungen („Aufgaben“), die nach
Möglichkeit sämtliche Anforderungsbereiche (s. EPA) abdecken.
Es wurde darauf geachtet, dass das Heft
einen Grundstock an Wissen vermittelt.
Darüber hinaus sollen die Schülerinnen
und Schüler zu einer aktiven Auseinandersetzung mit den einzelnen Themenkomplexen ermuntert werden.
Als Zielgruppe der Arbeitsmaterialien
sind vordergründig Schülerinnen und
Schüler der Sekundarstufe II angesprochen, wobei grundsätzlich alle Arbeitsblätter, nach Entlastung, auch für die
Sekundarstufe I geeignet sind. Grundsätzlich sind die Arbeitsblätter auch einzeln einsetzbar, aber um der Komplexität
des Themas gerecht zu werden, empfehlen
wir den Einsatz im Rahmen eines fächerübergreifenden Projekttages oder einer
34
DAS CHINESISCHE BILDUNGSSYSTEM*
Projektwoche. Auf diese Weise wird für
die Bewertung einzelner Aspekte innerhalb der Themenkomplexe genug Raum
gelassen. Zur Vertiefung des Erlernten
bietet sich anschließend zum Beispiel,
sofern erreichbar, der Besuch eines Konfuzius-Institutes an.
AHNENKULT*
ROLLE DER FRAU IN DER GESELLSCHAFT*
POLITISCHES SYSTEM DER VR CHINA*
CHINAS ZUKUNFT:
D
ie Reihenfolge der Arbeitsblätter ist
zwar grundsätzlich variabel, es bietet sich jedoch an, in die Thematik über
eine Konfrontation mit dem „Unbekannten“ einzusteigen. So können zunächst
Vorurteile abgebaut werden, bevor im
weiteren Verlauf eine nähere Beschäftigung mit den Grundpfeilern von Staat
und Gesellschaft stattfindet. Es folgt ein
Komplex zur Zukunft der Volksrepublik, in der sowohl die Globalisierung als
auch die Situation im Land selbst aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und
bewertet wird. Den Abschluss bildet ein
Komplex zur Geschichte, in dem exemplarisch Entwicklungen Chinas dargelegt
werden.
Dieses Heft ist auch in einer digitalen,
durch weitere Arbeitsblätter angereicherten Version erhältlich – Sie können es
kostenlos herunterladen unter www.zeitbild.de/china und ohne rechtliche Einschränkungen für den Unterricht nutzen.
CHINAS ROLLE IN DER WELT*
GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG
35
KLIMASCHUTZ*
ZWISCHEN RESTRIKTION UND PARTIZIPATION
36
BINNENMIGRATION/WANDERARBEITER*
CHINAS GESCHICHTE:
CHINA UND DER WESTEN – EIN
„JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNG“?
37
MAO ZEDONG
38
DEUTSCHE SPUREN IN CHINA*
31
* Diese Arbeitsblätter finden sich nur in der digitalen Version.
1. Vom Jingshan Park
aus hat man einen sehr
guten Ausblick auf
Pekings Innenstadt.
30
31
Ar b eitsblatt 1
Ar b eitsblatt 2
CHINESISCHE SCHRIFTZEICHEN
u
w
z
~
DER CHINA-CHECK
W
er kennt sich mit
China aus? Im großen China-Check geht es
um Wissen über China, aber
auch um Vorstellungen und
Vorurteile. Mit Hilfe der
Fragen kann überprüft werden, welche Wissenslücken
und möglicherweise überholten Vorstellungen von
China und vom Leben der
Menschen dort existieren.
Mit Hilfe des Lösungswortes
kann leicht kontrolliert werden, welche Antworten richtig sind. Übrigens: Im Lexikon nachzuschlagen oder im
Internet zu recherchieren ist
ausdrücklich erwünscht!
Das
Lösungswort
ist die
chinesische
Bezeichnung
für die
„Mutter des
Universums“
Bitte tragen Sie die
10 Lösungsbuchstaben oberhalb
der Leerstriche ein:
_____L_____
1. Woher kommen die
Glückskekse?
aus China (E)
aus Japan (K)
Keiner weiß es genau. (Z)
2. Welches der folgenden
Länder ist KEIN
Nachbarstaat der VR China?
Vietnam (A)
Thailand (H)
Myanmar (I)
3. An welchem Fluss wird
das weltweit größte
Wasserkraftwerk gebaut?
Chang Jiang
( Jangtsekiang) (U)
Amur (B)
Huang He (G)
6. Aus wie vielen
Soldaten besteht die
Terrakotta-Armee?
ungefähr 5.500 (T)
ungefähr 7.300 (A)
ungefähr 9.600 (U)
1
2
7. Welche Würzsoße
stammt ursprünglich
aus China?
Senf (N)
Mayonnaise (O)
Ketchup (N)
8. Wer ist auf dem
100-Yuan-Schein
abgebildet?
Mao Zedong (G)
Xi Jinping (C)
Bai Ling (L)
4. Unter welchem Begriff
wurde die chinesische Bevölkerungspolitik bekannt?
Kein-Kind-Politik (L)
Ein-Kind-Politik (M)
Zwei-Kind-Politik (A)
9. Wie hoch ist
Chinas jährliches Bevölkerungswachtum aktuell?
0,5 % (M)
5 % (Z)
50 % (W )
5. Wie heißt das Meer
zwischen China und der
koreanischen Halbinsel?
Gelbes Meer (U)
Ostchinesisches Meer (O)
Südchinesisches Meer (M)
10. In welchem Land
wird am wenigsten
Fleisch gegessen?
Deutschland (O)
China (A)
USA (Q)
3
D
ie chinesische Schrift ist ca. 1.000
Jahre v. Chr. entstanden und verfügt schätzungsweise über 87.000 Zeichen. Für den Alltagsgebrauch genügt
bereits die Kenntnis von 3.000 – 5.000
Zeichen. Im Westen gibt es seit einigen
Jahren ein reges Interesse an Tattoos mit
chinesischen Schriftzeichen, dieses Interesse birgt allerdings immer ein Risiko: Da
die Schriftzeichen häufig nicht überprüft
werden können, kommt es manchmal zu
peinlichen Missgeschicken, die bei Chinesen bestenfalls zu Gelächter führen.
Das abgebildete Tattoo trägt beispielsweise die Bedeutung „Goldenes Schwein“.
Das Schriftzeichen für Schwein ist dabei
sogar noch verkehrt herum abgebildet.
ARBEITSAUFTRÄGE
1. Schauen Sie sich das Bild an und diskutieren Sie folgende Frage:
Welche Bedeutung haben chinesische Schriftzeichen für Sie?
2. Zeichnen Sie das oben abgebildete Schriftzeichen „Schiff“ nach. Was
ist die Schwierigkeit dabei im Vergleich zum lateinischen Alphabet?
3. Suchen Sie nach anderen Sprachen, die auch Schriftzeichen benutzen.
Erörtern Sie Vor- und Nachteile dieser Kommunikationsart.
Im Folgenden können Sie einmal selbst
versuchen, ein chinesisches Wort fehlerfrei zusammenzusetzen.
1. Vorsicht bei
Schriftzeichen für
2. Das Schriftzeichen
3. Kalligraphie
Wort heißt „Golde-
sogar noch verkehrt
besteht aus mehreren
wird in China
Tattoos! Das gezeigte
nes Schwein“. Das
32
Schwein ist dabei
herum abgebildet.
für das Wort „Schiff“
einzelnen Zeichen.
(Schönschreiben)
sehr geschätzt.
33
Ar b eitsblatt 3
VIELVÖLKERSTAAT CHINA
D
ie Volksrepublik China wird von
ca. 55 verschiedenen ethnischen
Volksgruppen bewohnt. Die Han-Chinesen bilden dabei mit einem Anteil von
rund 92 Prozent die größte Gruppe. Das
Verhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den Minderheiten kreist
besonders bei den Volksgruppen der
Uiguren und Tibeter um die Frage nach
Minderheitenrechten und Eigenständigkeit und ist zum Teil von Spannungen
und Gewalt gekennzeichnet.
[Artikel „Wie die Gewalt im Wes-
Ar b eitsblatt 4
ARBEITSAUFTRÄGE
ten Chinas entsteht“, sueddeutsche.de,
22.5.2014]
In der Autonomen Region Xinjiang (im
Nordwesten Chinas) leben nach Regierungsangaben etwa 22 Millionen Menschen. Die beiden größten Bevölkerungsgruppen sind die Uiguren (8,4 Millionen),
ein muslimisches Turkvolk, und die HanChinesen (10,4 Millionen). Nach der
Machtübernahme 1949 hatten sich die
chinesischen Kommunisten das ehemalige Ost-Turkestan einverleibt. Nun sind
die Uiguren in ihrer eigenen Region zu
1. Arbeiten Sie in Gruppen.
Erstellen Sie ein Lernplakat zu
einer der Minderheiten in China,
auf dem Sie diese vorstellen und
deren Handlungsspielräume
erläutern. Bereiten Sie eine
Präsentation vor!
2. Vergleichen Sie die Minderheiten. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede können Sie
feststellen? Ergänzen Sie die
Tabelle!
3. Stellen Sie die Grundsätze der
Ansiedlungspolitik der Regierung vor und bewerten Sie diese.
34
GLOBALISIERUNG UND URBANISIERUNG
D
ie zunehmende internationale Verflechtung
der Volkswirtschaften hat die
Volksrepublik China in den
letzten Jahrzehnten verwandelt. Die Investitionen von
internationalen und chinesischen Unternehmen sorgen
für eine andauernde Nachfrage
nach Arbeitskräften, vor allem
in den Städten.
WARUM ZIEHT
ES CHINESEN IN DIE
STÄDTE?
Als Erklärung von Wanderungsgründen
werden oft die Push- (Schub) und Pull(Sog) Faktoren genannt. Push-Faktoren
bewirken, dass Menschen ihre Heimat
auf dem Land verlassen, Pull-Faktoren,
ARBEITSAUFTRÄGE
1. Nennen Sie anhand der
Materialien die Push- und
Pull-Faktoren, die zur Verstädterung in China führen.
2. Erläutern Sie die Herausforderungen, die mit der Zuwanderung
in die Städte einhergehen.
Beziehen Sie sich auf die Grunddaseinsfunktionen der Menschen.
3. Beurteilen Sie die zunehmende
Verstädterung vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung und visualisieren Sie Ihr
Urteil, indem Sie Ihre Ergebnisse
in ein Nachhaltigkeitsdreieck
eintragen.
Zusätzlich gibt es viele Ballungszentren mit einer Bevölkerung von über 10 Mio. Menschen. In der Jangtse-Region
(Shanghai-Nanjing-Hangzhou) und im Pearl-River-Delta
(Hongkong-Guangzhou-Macao) entstehen derzeit
mega-urbane Regionen, die in
naher Zukunft bis zu 100 Mio.
Einwohner zählen werden. Die
zunehmenden Wanderungsbewegungen in die Städte sind
sogar zu einem gewissen Teil
von höchster Stelle erwünscht. Die chinesische Regierung plant mit der Urbanisierung, das Wirtschaftswachstum
langfristig zu garantieren. Produktionskapazitäten lassen sich auf diese Weise
zusammenlegen und bürokratische Doppelstrukturen abbauen; auch die Daseinsvorsorge lässt sich kostengünstiger umsetzen, wenn viele Menschen auf engem
Raum zusammenleben. Allerdings nehmen mit zunehmender Größe der Städte
auch die Herausforderungen zu: Smog,
Luftverschmutzung, Müll, Lärm und
Verkehrschaos sind nur einige Aufgaben,
welche die chinesische Gesellschaft in
Zukunft lösen muss.
ENTWICKLUNG DER STADT-/LANDBEVÖLKERUNG IN CHINA (in Tausend)
Quelle: UN DESA
einer Minderheit geworden, denn die chinesische Regierung lockt mit finanziellen
Anreizen immer mehr Han-Chinesen in
das rohstoffreiche Gebiet (Erdgas, Erdöl,
Kohle) im Westen des Landes.
Was Chinas Regierung als den Versuch
einer wirtschaftlichen Entwicklung der
Region verstanden wissen will, begreifen
die Uiguren als Angriff auf ihre Identität. Sie fühlen sich gegenüber den HanChinesen benachteiligt und an den Rand
gedrängt. Es gibt keine Religionsfreiheit
und kein gerechtes Bildungssystem. HanChinesisch ist auch an uigurischen Universitäten, Schulen und Kindergärten die
offizielle Sprache.
Vonseiten der Regierung werden uigurischen Gruppen terroristische Bestrebungen nachgesagt. Diese wollten die
„Einheit der Ethnien“ sabotieren und die
„soziale Stabilität“ unterwandern. Ihnen
wird auch vorgeworfen, eine extremistische religiöse Ideologie zu verfolgen. Teils
wird den Aktivisten eine Verbindung
zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt, zum Beispiel der Islamistischen
Partei Ost-Turkestans. Die Exilorganisation „Weltkongress der Uiguren“ mit Sitz
in München wird von der chinesischen
Regierung als Helfer der Terroristen betrachtet. Eine Verbindung zwischen einem globalen Dschihad und Anschlägen
in Xinjiang wurde allerdings nie nachgewiesen.
dass sie von Städten angezogen werden.
In China sind es insbesondere wirtschaftliche Gründe, die für das stetige Wachstum der Städte sorgen. Der Boom der
chinesischen Städte geht zu einem nicht
geringen Teil auf ausländische Investitionen zurück. Internationale Großkonzerne haben in der Vergangenheit viele
neue Jobs in den großen Ballungszentren geschaffen, für die wiederum immer
mehr Arbeitskräfte benötigt wurden. Inzwischen gibt es auch viele chinesische
Großkonzerne, die ebenfalls Arbeitskräfte suchen.
Das Gefälle zwischen Stadt und Land
nimmt seitdem immer weiter zu, da auch
ungelernte Arbeiter in den Städten deutlich mehr verdienen als Bauern auf dem
Land. Daher verdingen sich viele Chinesen über Jahre als Wanderarbeiter in den
aufstrebenden Metropolen und überweisen regelmäßig einen Teil ihres Einkommens an die Familie auf dem Dorf.
MEGACITIES* IN CHINA –
CHANCEN UND
HERAUSFORDERUNGEN
Mit Peking (20,7 Mio.) und Shanghai (23
Mio.) verfügt China über zwei Megacities.
*Megacities sind
Städte mit mehr als
1. Nächtliche Satellitenaufnahme der
10 Mio. Einwohnern. Ostküste Chinas,
Quelle: NASA
1
35
Ar b eitsblatt 5
Ar b eitsblatt 6
visten in ihrer Online-Kommunikation
mittlerweile Codewörter: So beschreibt
beispielsweise der Begriff „gelbe Ente“ ein
Foto des Tiananmen-Massakers.
ENGAGEMENT FÜR DIE
ZIVILGESELLSCHAFT*
ZWISCHEN RESTRIKTION
UND PARTIZIPATION
Z
ivilgesellschaftliches
Engagement
und Mitbestimmung haben in China, anders als im Westen, wenig Tradition
und beginnen erst sich zu entwickeln. Die
KPCh steht solchen Bestrebungen mit
Misstrauen gegenüber. Im Internet-zeitalter ist jedoch mittlerweile ein großer
Aufwand nötig, um die Kommunikation
der Bevölkerung zu überwachen. Eine
wachsende Mittelschicht ist zunehmend
daran interessiert, Einfluss auf gesellschaftliche Entscheidungen – außerhalb
der Parteistrukturen – zu nehmen. Die
Menschen nutzen dabei die Spielräume,
die ihnen die Regierung lässt.
Die Internetsuchmaschine Baidu und die
Nachrichten-App Weixin (wechat) sind
die chinesischen Pendants zu Google
und WhatsApp. Seit 2003 werden Internetseiten in China durch die sogenannte
„große Firewall“ systematisch gesperrt,
wenn sie – nach Ansicht der Regierung –
unliebsame Inhalte enthalten.
Das geht so weit, dass zu bestimmten
Themen wie zum Beispiel dem Tiananmen-Massaker von 1989 schlicht keine
Suchergebnisse gefunden werden können.
Andere Suchanfragen, wie etwa zu Tibet
oder Taiwan, liefern lediglich Ergebnisse
im Sinne der KPCh.
36
Während Baidu stark von der Internetzensur betroffen ist, fällt es den Behörden verhältnismäßig schwer, die
Instant-Kommunikation via Weixin
zu überwachen. Umgangen werden die
Zensurmaßnahmen von einigen Chinesen, einerseits über Proxy-Server oder
VPN-Clients, mit deren Hilfe sich technik-affine User über einen ausländischen
Server ins Internet einloggen. Andererseits verwenden chinesische Polit-Akti-
ARBEITSAUFTRÄGE
1. Arbeiten Sie mit Ihrem Partner.
Recherchieren Sie in der jeweiligen Suchmaschine (zu Baidu:
http://www.baiduinenglish.com)
nach folgenden Begriffen: Mao
Zedong, Marx, Facebook und Ai
Weiwei. Erstellen Sie eine
Tabelle und vergleichen Sie die
Ergebnisse.
2. Erklären Sie mithilfe der
Informationstexte die Gründe für
die unterschiedlichen Ergebnisse.
3. Der Zeitungsartikel zeigt
Möglichkeiten auf, wie Bürger in
China sich trotz der Zensur
engagieren. Recherchieren Sie
weitere Beispiele und erstellen Sie
ein Lernplakat, das die Bedeutung
von Bürgerinitiativen in China
thematisiert.
CHINA UND DER WESTEN –
EIN JAHRHUNDERT DER DEMÜTIGUNGEN?
D
ie Epoche vom ersten Opiumkrieg
(1839) bis zur Machtübernahme
der kommunistischen Partei (1949) wird
in China bis heute in weiten Kreisen als
Demütigung durch den Westen empfunden. Die Besetzung chinesischen Territoriums, die permanente Einmischung in
die innerchinesischen Angelegenheiten
und insbesondere das oftmals brutale
Vorgehen der Quasi-Kolonialherren gegen Aufständische (z. B. während des Boxeraufstandes 1900) haben in der chinesischen Gesellschaft Spuren hinterlassen.
Der Regierung sind sie suspekt, doch sie
sind aus dem öffentlichen Leben Chinas
nicht mehr wegzudenken. Sie kümmern
sich um Wanderarbeiter oder Landschulen, kämpfen gegen Plastiktüten oder
Wasserverschwendung: Bürgerinitiativen
und Nichtregierungsorganisationen, die
sich sozialer oder Umweltthemen annehmen, sprießen überall aus dem Boden.
Oft lavieren sie auf politisch schwierigem
Terrain. Wenn sie mit ihren Aktivitäten
örtlichen Behörden und Wirtschaftsinteressen in die Quere kommen, geraten
sie schnell unter staatlichen Druck oder
werden sogar zur Auflösung gezwungen.
ARBEITSAUFTRÄGE
Die Regierung weiß aber auch, dass sie die
Bürgerinitiativen besonders im sozialen
Sektor braucht, daher steckt sie ihre ideologischen Bedenken häufig zurück. Seit
einem Jahr können sich Nichtregierungsorganisationen (NROs) beim Innenministerium registrieren und brauchen keine
offizielle Dachorganisation mehr. 19.000
NROs haben sich im vergangenen Jahr
neu registriert. Nach offiziellen Angaben
gibt es jetzt rund 511.000 NROs in ganz
China.
Für die ausländischen Nichtregierungsorganisationen gelten die neuen erleichterten Bestimmungen nicht. Sie werden
als ein trojanisches Pferd gesehen, das
nicht nur ausländisches Geld und Expertise, sondern auch die westlichen Ideen
ins Land bringt, die zu einer „friedlichen
Evolution“ Chinas führen sollen.
Die chinesischen NROs sind vorsichtig
optimistisch. Immer mehr Menschen
wollten jetzt ihre eigene NRO gründen,
schreibt Blogger Bei Xiaochao, das sei ein
Zeichen für die Entstehung einer lebendigen Zivilgesellschaft.
1. Schauen Sie sich die Karikatur
an. Recherchieren Sie, welche
Personen dargestellt sind.
Informieren Sie sich über die
Hintergründe.
2. Teilen Sie sich in Gruppen auf
und erstellen Sie Standbilder zu
der im Titel genannten Leitfrage.
(zur Methode Standbild, siehe z.
B. hier: http://www.trg-oha.de/
unterricht/methodenkonzept/pdf/
standbild.pdf ) .
3. Bewerten Sie die Darstellungen
der jeweiligen Gruppen.
1
**Ausschnitt aus dem
Werte als trojanische
1. Karikatur von 1898:
den großen „Kuchen“
gesellschaft. Westliche
06.07.2014.
te streiten sich um
das Land auf.
Artikel „Chinas Zivil-
Pferde“, FAZ-Online
Die imperialen Mäch-
4. Recherchieren Sie, wie der
Westen die behandelte Zeit
aufgearbeitet hat. Sichern Sie Ihre
Werturteile in Form eines fiktiven
Interviews, das der deutsche
Außenminister einem Pekinger
Journalisten gibt.
China und und teilen
37
Ar b eitsblatt 7
Anhang
sischen Provinz Hunan zur Welt, seine
Eltern waren Bauern, die es zu einem
bescheidenen Auskommen gebracht hatten. Über die Zerrissenheit seines Landes
und die Machtlosigkeit seines Volkes tief
empört, nahm Mao frühzeitig Kontakt zu
kommunistischen Zirkeln auf und wurde
im Jahr 1923 in das Zentralkommitee der
KPCh gewählt.
1
MAO ZEDONG
M
ao Zedong war lange Zeit der einflussreichste politische Führer der
Volksrepublik China. Sein Ziel war ein
unabhängiges und wirtschaftlich starkes
China – die Modernisierung des Landes
im kommunistischen Sinne versuchte er
mit teilweise drastischen Maßnahmen
und Reformen zu erzwingen und nahm
dabei Opfer und Leiden der Bevölkerung
in Kauf. Unbestreitbar hat Mao jedoch
das Antlitz des Landes entscheidend geprägt und – wie niemand neben ihm – die
chinesische Geschichte
des 20. Jahrhunderts
gestaltet.
KURZPORTRÄT
MAO ZEDONG
Mao Zedong kam 1893
in der zentralchine-
In der Folge des chinesischen Bürgerkriegs konnte Mao seine Macht innerhalb
der Partei ausbauen. Nach der Gründung
der Volksrepublik China im Jahr 1949
war er bis zum Jahr 1973 gleichzeitig ihr
„Großer Vorsitzender“. Mao versuchte
mit aller Macht, Chinas wirtschaftlichen
Rückstand wettzumachen. So rief er während der Kampagne „Großer Sprung“
beispielsweise das ganze Land dazu auf,
in einer konzertierten, kollektiven Aktion
auf jedem Bauernhof, in jedem Hinterhof
unter Heranziehung selbst primitivster
Arbeitsmittel Hochöfen zu errichten und
Stahl zu produzieren. Im Zuge dieser
Aktion wurde der Ackerbau von vielen
Bauern vernachlässigt und so entstand
eine der größten Hungerkatastrophen der
Menschheitsgeschichte. Die Härte, mit
der Mao gegen seine Kritiker vorging,
kostete darüber hinaus in der sogenannten Kulturrevolution viele Menschen das
Leben. Nichtsdestotrotz wird er heutzutage nach wie vor von vielen Chinesen
verehrt.
DER MAOISMUS
Der Maoismus ist die chinesische Variante des Sozialismus. Er beruht, wie der Sozialismus sowjetischer Prägung, ebenfalls
auf den Werken von
Marx, Engels, Lenin
und Stalin. Die Eigenheiten des Maoismus
liegen in der Betonung
der revolutionären Rolle der Bauern (im Sozialismus kommt diese
Rolle der Arbeiterklas-
38
Im Westen erfreuten sich Mao und der
Maoismus einer gewissen Beliebtheit unter Anhängern der Studentenbewegung
rund um das Jahr 1968. Das kleine rote
Buch, auch „Mao-Bibel“ genannt, wurde
von einem Teil der westdeutschen Studierenden eifrig gelesen, diskutiert und
zitiert. Das Buch enthält eine Sammlung
mit Zitaten des „Großen Vorsitzenden“.
In China war es zwischen den Jahren
1966 und 1976 Bürgerpflicht, ein Exemplar mitzuführen.
ARBEITSAUFTRÄGE
1. Welche Rolle spielte Mao
Zedong im 20. Jahrhundert für
die Entwicklung Chinas?
Arbeiten Sie in Gruppen und
untersuchen Sie jeweils eine
Dekade. Bereiten Sie eine
multimediale Präsentation vor!
Informationen finden Sie
beispielsweise hier: Planet
Wissen, http://goo.gl/YC2F6L.
ÜBER DIE AUTOREN
Marc Bermann
Politikwissenschaftler und
Sinologe, Programmleiter
China der Stiftung Mercator
Christoph Giesen
Journalist, Wirtschaftsressort der
Süddeutschen Zeitung
Professor Dr. Sebastian Heilmann
Politikwissenschaftler und
Sinologe, Direktor des Mercator Institute
for China Studies (MERICS) in Berlin
Michael Kahn-Ackermann
Sinologe, Special Representative
der Stiftung Mercator in Peking
FACHLICHE BERATUNG
Professor Dr.
Christian Göbel
Universität Wien
Professor Dr.
Lena Henningsen
Universität Freiburg
2. Mao Zedong gilt als prominentes Beispiel für das Phänomen „Personenkult“. Recherchieren Sie zu diesem Begriff
und suchen Sie nach weiteren
Beispielen.
Jonas Humpert
Stiftung Mercator
3. Auch im Westen gelangte Mao
zu einem gewissen Kultstatus
(siehe auch das Mao-Porträt von
Andy Warhol, http://goo.gl/
Z8Vo8v). Versuchen Sie zu
erklären, warum.
Huawei Technologies Deutschland
GmbH: Deutschland und China –
Wahrnehmung und Realität. Berlin 2014.
Die Huawei-Studie vergleicht aktuell das
Wissen und die gegenseitige Wahrnehmung von Deutschland und China
anhand ausgewählter Themenfelder
und stellt die Ergebnisse in zahlreichen
Schaubildern dar.
Kostenloser Download:
www.huawei-studie.de/download
4.Kennen Sie Beispiele für
Personenkult in der westlichen
Welt? Vergleichen Sie!
1.+2. Der „Große
bis heute für den
die „Mao-Bibel“ stehen
Sozialismus.
Vorsitzende“ Mao und
2
se zu). Außerdem war der Maoismus national ausgerichtet und lehnte die zentrale
Führung der internationalen kommunistischen Bewegung ab.
Michał Mirski
Gymnasiallehrer, Berlin
LITERATURHINWEISE
Yang Liu:
Ost trifft West.
Mainz, 2008.
Die in Berlin lebende Designerin
Yang Liu hat die unterschiedlichen
Denk- und Verhaltensweisen von
Deutschen und Chinesen in Form
von Piktogrammen aufbereitet.
VIDEOS
http://bit.ly/1IyuCxG
Die Zeitbild Playlist „China im Wandel“
auf YouTube enthält Videos zu aktuellen
und historischen Themen rund um die
Volksrepublik China und wird ständig
ergänzt und aktualisiert.
LINKTIPPS
www.sinonerds.com
SINONERDS ist ein junges und
innovatives Magazin sowie eine Informationsplattform für junge Menschen
mit Interesse an China, chinesischer
Kultur und Sprache und Austausch.
www.merics.org
Das Mercator Institute for China
Studies (MERICS) ist ein unabhängiges
Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin.
MERICS betreibt gegenwartsbezogene
und praxisorientierte China-Forschung.
MERICS vermittelt Erkenntnisse und
Analysen in die Öffentlichkeit hinein,
stellt Entscheidungsträgern aus Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft China-Expertise zur Verfügung und ist Ansprechpartner für die Medien. MERICS ist
eine Initiative der Stiftung Mercator.
www.bpb.de/gesellschaft/migration/
laenderprofile/187111/china
Die Bundeszentrale für politische Bildung hält ein ausführliches
Länderprofil zu China mit
zahlreichen Informationen von
Politik bis Kultur bereit.
www.auswaertiges-amt.de/DE/
Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01Laender/China.html
Das Auswärtige Amt informiert über
China und die deutsche China-Politik.
LÖSUNGSHINWEISE
Arbeitsblatt 1
Das Lösungswort lautet:
ZHUMULANGMA
Arbeitsblatt 3
Stichworte zur Ansiedlungspolitik:
z. B. Umsiedlung von Han-Chinesen
nach Tibet und in das uigurische
Gebiet; finanzielle Anreize zur Umsiedlung, Chinesisch als „offizielle“
Sprache („Sinisierung“); Bewertung
z. B. anhand der „Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte“.
Arbeitsblatt 4
Push-Faktoren: z. B. Stadt-Land-Gefälle; höherer Verdienst in den Städten.
Pull-Faktoren: z. B. Wirtschaftsboom in
den Ballungsräumen; mehr Jobs;
persönliche Freiheit; kulturelle Vielfalt.
Nachhaltigkeitsdreieck
a) sozial: Schere zwischen Wanderarbeitern und Mittel- und Oberschicht;
b) ökologisch: Umweltbelastungen durch
Verkehr und Energieerzeugung, Wasserverbrauch durch Bevölkerungswachstum;
c) ökonomisch: Konzentration
von Wirtschaftswachstum, Konsum und
Einkommenschancen.
Arbeitsblatt 6
Dargestellte Personen: Queen Victoria
(Großbritannien), Kaiser Wilhelm II.
(Deutsches Reich), Zar Nikolaus II.
(Russisches Reich), Marianne (Symbolfigur für Frankreich), Samuraikrieger
(Symbolfigur für das kaiserliche Japan);
im Hintergrund ein chinesischer
Hofbeamter.
chinesischen
39
Impressum
IMPRESSUM
Zeitbild WISSEN „China im 21. Jahrhundert.
Politik, Wirtschaft und Kultur im Unterricht.“,
herausgegeben vom Zeitbild Verlag in Zusammenarbeit
mit der Stiftung Mercator, Mai 2015.
Gesamtherstellung:
Zeitbild Verlag und Agentur für Kommunikation GmbH,
Kaiserdamm 20, 14057 Berlin,
www.zeitbild.de
Verantwortlich für den Inhalt:
Frank J. Richter
Texte:
(soweit nicht anders gekennzeichnet)
Zeitbild
Gestaltung:
Christiane Rauert, München
Druck:
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Die enthaltenen Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich
geschützt. Eine kommerzielle Nutzung ist nicht gestattet.
Wir erklären im Hinblick auf die genannten
Internet-Links, dass wir keinerlei Einfluss
auf die Gestaltung und Inhalte der Seiten haben und uns
die Inhalte nicht zu eigen machen.
Bildnachweise:
Von links oben nach rechts unten
S. 3: Kultusministerkonferenz; BMW Stiftung Herbert Quandt; Mercator Institute for China Studies; von privat; S. 4: Wikimedia CC BY-SA 3.0/Photo by Wechselberger; S. 5: shutterstock.com,
Jan Siefke, Jan Siefke; S. 6: shutterstock.com; flickr.com: CC BY-NC-SA 2.0/Photo by Ding Zhou; Wikimedia Commons: Lizenziert unter Fair Use via Wikipedia; Wikimedia CC BY-SA 2.0/Photo
by Chun Lam; shutterstock.com; shutterstock.com; shutterstock.com; shutterstock.com; S. 7: Wikimedia CC BY 2.0/Photo by Laihiuyeung Ryanne; S. 8: Jan Siefke; S. 9: AFP/ Photo: Peter Parks;
S. 10: Illustratorin: Christiane Rauert; Wikimedia CC BY-SA 2.5/Photo by Colegota; Wikimedia CC BY-SA 2.5/Photo by Pavel Novak; Wikimedia CC BY-SA 3.0/Photo by Fanghong; Wikimedia
CC BY-SA 2.5/Photo by Luca Galuzzi; Wikimedia Commons: Lizenziert unter Creative Commons-Lizenz CC0/Photo by Tomwsulcer; Wikimedia CC GFDL/Photo by Zhangzhugang; Wikimedia
CC BY-SA 3.0/ Photo by J. Patrick Fischer; Wikimedia CC BY-SA 2.5 / Photo by Ariel Steiner; Wikimedia CC BY-SA 2.5 / Photo by Ariel Steiner; S. 11: Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia
CC/gemeinfrei; Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Georg Denda; shutterstock.com; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Shaolinsuomi; Wikimedia CC BY-SA 3.0/
Photo by Own; Wikimedia CC SA 1.0/ Photo by Own; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Lzy881114; Wikimedia CC BY-SA 2.1; S. 12: Fang kuang / Imaginechina; S. 13: Wikimedia CC BY 2.0/
Photo by Shubert Ciencia; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Popolon; S. 14+15: Illustratorin: Katharina Stipp; S. 17: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 18: Wei yao / Imaginechina; S. 19: istockphoto.
com/Photo by EdStock; S. 20: Bundesregierung / Photo by Steffen Kugler; S. 21: picture alliance / AA; S. 22: shutterstock.com; S. 23: von privat; S. 24: istockphoto.com/ Photo by EdStock;
Wu dongjun - Imaginechina; Weltbank: CC; S. 25: shutterstock.com; Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 26: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 27: Wikimedia CC/Public Domain; Wikimedia CC BY 2.0/
Photo by DonkeyHotey; S. 28: istockphoto.com/ Photo by tarzan9280; S. 29: Chen Wenling; Weltkino Filmverleih; S. 30: shutterstock.com; S. 32: Wikimedia CC BY-SA 3.0; Wikimedia CC BY-SA
3.0/ Photo by Christoph Filnkößl; Wikimedia CC/gemeinfrei; Wikimedia CC BY-SA 3.0/ Photo by Patrick Fischer; S. 33: China Internet Information Center (CIIC); istockphoto.com/ Photo by
Tony Yao; S. 34: picture alliance / M. Schmitt / APA-Grafik / picturedesk.com; S. 35: NASA/Image by Craig Mayhew and Robert Simmons, NASA GSFC; S. 36: shutterstock.com; shutterstock.com;
S. 37: Wikimedia CC/gemeinfrei; S. 38: Wikimedia CC BY-SA 2.0; Wikimedia CC/gemeinfrei.
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