Besamung ohne Brunstbeobachtung
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Besamung ohne Brunstbeobachtung
Herdenmanagement Herdenmanagement Besamung ohne Brunstbeobachtung W. Heuwieser, Berlin n dieser Reihe erarbeiteten wir die Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen eines erfolgreichen Fruchtbarkeitsmanagements beim Milchrind. I Im letzten Beitrag haben wir verschiedene Vorgehensweisen beschrieben, mit denen Sie Krisen in der Herdenfruchtbarkeit meistern können. Dazu gehört insbesondere eine Verbesserung der Brunstbeobachtung und -erkennung. Dieses Ziel kann durch eine Anpassung im Management, durch Einführen eines Fruchtbarkeitsprogramms zusammen mit Ihrem Tierarzt oder durch Anwendung von Hilfsmitteln zur Brunsterkennung (u. a. Kamar®, Schrittzähler, Heat Watch®) erreicht werden. Hier lesen Sie, wie Sie eine zufriedenstellende Herdenfruchtbarkeit ganz ohne Brunstbeobachtung erreichen können. Der kleine Unterschied Häufig finden Sie, daß die Begriffe „Brunstsynchronisation” und „Ovulationssynchronisation” mit gleicher Bedeutung verwendet werden. Dies ist allerdings nicht ganz richtig. Bei einer Brunstsynchronisation mit Prostaglandin F2a (PGF2a) werden lediglich die Zyklen der Kühe so gesteuert, daß die Brunsten in einem bestimmten, relativ engen und vorhersagbaren Zeitraum (z.B. 5 Tage nach der 2. PGF2a-Spritze) auftreten. Das Leitsymptom für eine Besamung ist aber immer noch die „stehende Brunst”. Das Ziel einer Ovulationssynchronisation ist es dagegen, die Ovulation (Eisprung) zeitlich so genau auszulösen, daß die Kühe ohne Brunstbeobachtung zu einem vorher geplanten Zeitpunkt besamt werden können. Dies ist ein wesentlicher Unterschied, den Sie kennen und beherzigen müssen. Bei der ersten Methode ist eine Brunstbeobachtung zwingend erforderlich, während bei der zweiten Methode die Brunstbeobachtung entfällt und stattdessen nach System gearbeitet wird. Dabei handelt es sich nicht um ein kritikloses „Spritzen und Besamen”, sondern um ein exakt geplantes Vorgehen, das tierärztlich überwacht und an den biologischen Reproduktionszyklus der Kühe angepaßt ist. Das „Ovsynch-Programm” Dieses Programm zur Ovulationssynchronisation („Ovsynch”) wurde 1994 an der Universität von Wisconsin (Prof. Wiltbank) in den USA für Milchkühe entwickelt. Die Methode basiert auf einer kombinierten Verabreichung von GnRH (Gonadotropin Releasing Hormon) und PGF2a im Abstand von 7 Tagen (Abbildung 1). Durch die erste GnRH-Verabreichung werden zwei Hormone ausgeschüttet. Dabei handelt es sich um das Luteiniesierende Hormon (LH) und das Follikelstimulierende Hormon (FSH). Durch deren Wirkung kommt es innerhalb von 24 bis 32 Stunden Abb. 1: Beispiel für den zeitlichen Ablauf eines Ovsynch-Programms. Die künstliche Besamung (kB) erfolgt terminiert ohne Brunstbeobachtung zur Ovulation des dominanten Follikels und damit zur Anbildung eines neuen oder zusätzlichen Gelbkörpers. Die Zeitspanne von 7 Tagen bis zur Verabreichung von PGF2a stellt sicher, daß dieser Gelbkörper ausreichend Zeit hat, zu reifen und somit ansprechbar für PGF2a ist. Durch die Verabreichung von PGF2a wird der Gelbkörper aufgelöst und damit eine Brunst induziert. Innerhalb von 1 bis 2 Tagen nach Verabreichung von GnRH kommt es ebenfalls zur Entwicklung einer neuen Follikelwelle. Einer der Follikel erlangt die Dominanz (Vorherrschaft) und kann nach Auflösung des Gelbkörpers ovulieren. Eine zweite Verabreichung von GnRH etwa 2 Tage nach der PGF2a-Gabe verursacht eine LH-Ausschüttung und damit die Ovulation des dominanten Follikels nach etwa 30 Stunden. Bei den meisten Kühen erfolgt die Ovulation in einem Zeitraum von nur 8 Stunden. Deshalb kann die Besamung terminiert (d. h. ohne Brunstbeobachtung) 8 bis 24 Stunden nach der zweiten GnRH-Spritze vorgenommen werden. In den wissenschaftlichen Untersuchungen ist gezeigt worden, daß der Be- Bei einem OvsynchProgramm soll die Kuh besamt werden, auch wenn sie keine äußeren oder inneren Brunstanzeichen zeigt samungserfolg bei Kühen, die nach dem „Ovsynch”-Programm besamt worden waren nur unwesentlich unter dem Besamungserfolg von entsprechenden Kontrolltieren lag. Ob diese Erfahrungen auch auf die Bedingungen der Milchproduktion in Deutschland zu übertragen sind, prüfen wir zur Zeit in einer großen Feldstudie. Diese ist noch nicht ganz abgeschlossen, zeigt jedoch schon jetzt, daß die konsequente Umsetzung eines Ovsynch-Programms mindestens befriedigende Fruchtbarkeitskennzahlen garantieren kann. Wir werden über die Ergebnisse an dieser Stelle berichten. Weiterhin müssen Sie wissen, daß das klassische Ovsynch-Programm nur bei Kühen, aber nicht bei Färsen befriedigende Ergebnisse erbringt. Dafür sind spezifische Programme erforderlich. Das größte Problem sind wir selber... Das Ovsynch-Programm kommt insbesondere für Betriebe in Frage mit schwer- wiegenden Fruchtbarkeitsproblemen, die ihre Ursache in einer mangelhaften Brunstbeobachtung haben und somit eine ungenügende Brunstnutzungsrate erzielen. Bevor Sie sich jedoch an ein derartiges Fruchtbarkeitsprogramm heranwagen, sollten Sie abklären, ob nicht doch eine Steigerung der Brunstnutzungsrate mit herkömmlichen Methoden (u.a. Intensivierung der Brunstbeobachtung, Verbesserung der Haltung, Fütterung und Dokumentation) erreicht werden kann. Ist dies nicht möglich, sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Tierarzt und Besamungstechniker den zeitlichen Ablauf („Fahrplan”) festlegen. Alle Wissenschaftler und Tierärzte, die mit dem Ovsynch-Programm Erfahrung haben, betonen immer wieder die große Bedeutung der zeitlichen Abstände. Dies gilt sowohl für die Verabreichung von GnRH und PGF2a als auch für die Besamung. Haben Sie einmal die optimalen Zeitabstände für Ihre Herde festgelegt, müssen diese peinlichst genau eingehalten werden. Auch ist es wichtig, eine lückenlose Dokumentation aller Aktivitäten (Verabreichungen der Medikamente und Besamungen) sicherzustellen. Diese kann insbesondere in größeren Herden zu einer anspruchsvollen – aber in jedem Fall lohnenswerten – Aufgabe werden. Es hängt von der Größe der Herde ab, wie oft mit einer Synchronisation begonnen werden soll. Aus arbeitstechnischen Erwägungen sollten Sie immer mehrere Tiere gleichzeitig „starten”. Dann kann bei jeder Aktivität gleich eine Gruppe von Kühen behandelt oder besamt werden. In kleineren Herden kann dies ein- oder zweimal im Monat sein, in größeren Herden jede Woche. Bei der Beurteilung des Erfolges eines Programms müssen Sie Geduld mitbringen. Nehmen Sie eine Bewertung der Fruchtbarkeitskennzahlen erst dann vor, wenn mindestens 50 Tiere besamt sind. Die Ergebnisse können nämlich von Durchgang zu Durchgang stark schwanken. Machen Sie sich auch bewußt, daß für den Erfolg eines solchen Fruchtbarkeitsprogramms, das auf die Brunstbeobachtung vollständig verzichtet, wirtschaftliche Überlegungen und menschliche Schwächen von Bedeutung sind. Der wirtschaftliche Erfolg eines Fruchtbarkeitsprogramms wird von der Geschwindigkeit bestimmt, mit der die nichttragenden Tiere trächtig werden und den dabei entstehenden Kosten. Bemerkenswert beim Ovsynch-Programm sind die höheren Medi- Fragen, die zu Recht immer wieder gestellt werden Soll ich eine Brunstbeobachtung machen? Nein! Ovsynch synchronisiert nicht die Brunst, sondern die Ovulation. Deshalb nicht nach Brunstanzeichen besamen. Soll ich eine Kuh besamen, deren Uterus keine gute Kontraktion hat? Ja! Eine Betastung der Gebärmutter vom Rektum her ist keine gute Methode, um die Ovulation vorherzusagen. Soll eine Brunstkontrolle 21 Tage nach der Besamung durchgeführt werden („Umbullerkontrolle”)? Grundsätzlich funktioniert das Ovsynch-Programm auch ohne Umbullerkontrolle. Am Anfang empfehlen wir eine etwa 4tägige Umbullerkontrolle um den 21. Tag herum. Je nach Anzahl der Umbuller können Sie dann bestimmen, ob sich diese Kontrolle für Ihren Betrieb rechnet oder nicht. Was soll ich mit Kühen machen, die zur Zeit der PGF2a-Gabe bullen? Bei wenigen Tieren klappt die Synchronisierung nicht. Von diesen bullen einige zur Zeit der PGF2a-Gabe. Wenn Sie diese Brunstanzeichen bemerken, können Sie das Tier besamen lassen (morgens-abendsRegel). Ich habe 2 bis 3 Tage nach der Besamung erneut Brunstanzeichen bemerkt. Was soll ich tun? Wenn der Duldungsreflex positiv ist („stehende Brunst”), lassen Sie das Tier besamen. Ein sehr geringer Teil der Kühe zeigt kurz nach der kB (manchmal auch 12 bis 14 Tage) Brunstanzeichen. Das liegt daran, daß nicht alle Follikel synchronisiert werden. Soll ein Tier besamt werden, das schon abgeblutet hat? In diesem Fall hat es natürlich keinen Sinn, eine Besamung durchzuführen. Dieser Befund ist bei weniger als 5 % der Kühe zu beobachten. kamentenkosten und die entfallenden Kosten für die Brunstbeobachtung. Bedenken Sie aber auch mögliche Widerstände des Besamungstechnikers und Tierarztes gegen terminierte Besamungen. Derartige Widerstände sind mit der traditionellen Ausbildung zu erklären und der Abneigung, alte Denkschemata aufzugeben. Wir alle sind über Jahrzehnte auf die Brunsterkennung und die Untersuchung vom Mastdarm her trainiert worden. Dies von einen auf den anderen Tag aufzugeben, fällt verständlicherweise schwer. Auch müssen die Besamungstechniker oder -tierärzte wissen, daß nicht alle Kühe, die ein OvsynchProgramm durchlaufen haben, äußerlich oder innerlich erkennbare Brunstanzeichen haben. Auch wenn das betreffende Tier offensichtlich nicht brünstig ist, muß es besamt werden. Ein solches systematisches Vorgehen fällt Landwirten und Besamungstechnikern aus Europa im Gegensatz zu den USA häufig schwer. Für eine erste Standortbestimmung nutzen Sie den in Teil 2 beschriebenen Fragebogen (MP 2/99). Damit können Sie feststellen, ob ein Ovsynch-Programm auf Ihrem Betrieb angezeigt ist und Erfolg verspricht. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, die Das Ovsynch-Programm eignet sich auch für Problemtiere mit langen Güstzeiten. Auch hier gilt: Dokumentation ist Alles Fragen zu beantworten und die Situation auf Ihrem Betrieb kritisch zu bewerten. Schließen Sie hier unbedingt die Erfahrungen und Meinungen des Tierarztes und Besamungstechnikers ein. Eine gemeinsame und intensive Planung und Besprechung möglicher Schwierigkeiten und Herausforderungen ist unseres Erachtens MP durch Nichts zu ersetzen. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. W. Heuwieser Arbeitsgruppe Bestandsbetreuung und Qualitätsmanagement, Tierklinik für Fortpflanzung, TU Berlin, Königsweg 63, 14163 Berlin, (http://bestandsbetreuung.de) Den Beitrag finden Sie in Milchpraxis 4/1999. Das Heft können Sie anfordern beim: Verlag Th. Mann, Nordring 10, 45894 Gelsenkirchen, Tel. 02 09/93 04-0, Fax 02 09/93 04-185 oder per E-Mail: [email protected]