ministerium für bildung, wissenschaft

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ministerium für bildung, wissenschaft
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Reader für Mentorinnen und Mentoren des Projektes
„keiner darf verloren gehen“
zur Schulung ehrenamtlicher Lernpatinnen und Lernpaten,
die Flüchtlingskinder im Grundschulalter fördern
Themenbereich: Sprachförderung (8 Einheiten)
Autorin: Prof. Dr. Ingrid Dietrich
1. Kontaktaufbau mit Flüchtlingskindern und Aufbau der Förderstunden
2. Sprachstandsbeobachtung in Deutsch als Zweitsprache
3. Wortschatzaufbau mit den Lernpatenkindern
4. Hören und Sprechen
5. Lesen und Schreiben lernen in der Zweitsprache
6. Grammatik
7. Spielerisches Lernen im DaZ – Fördertandem
8. Interkulturelles Lernen und DaZ-Erwerb
Literaturverzeichnis
Einheit 1:
Kontaktaufbau mit Flüchtlingskindern und
den
Aufbau der Förderstun-
Bei dem Stichwort „Flüchtlingskinder“ gehen uns dramatische Bilder und Vorstellungen durch den Kopf. Diese sollten wir bei einer Erstbegegnung mit einem Flüchtlingskind jedoch zurückstellen. Jedes Kind ist anders, auch in seinem Flüchtlingsschicksal,
und will in seiner Individualität wahrgenommen werden. Darum sollten sich die Lernpaten und -patinnen von dramatischen Presseberichten und Fernsehbildern frei machen und die Kinder zunächst als 'normale' Kinder auf ihrer Entwicklungsstufe, in ihrer
besonderen Situation und in ihrer Lernbereitschaft wahrnehmen. Laien und Ehrenamtliche können keine Sozialarbeiter und Traumatherapeuten für Flüchtlingskinder und
ihre Familien ersetzen. Sie können den Kindern aber zu einem guten Einstieg in das
Reader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
die Flüchtlingskinder betreuen (Vorab-Druck Februar 2016)
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deutsche Schulsystem verhelfen und sie auf diesem Weg begleiten. Damit kann den
Flüchtlingskindern ein Stück Normalität angeboten werden, das ihnen hilft, über
schlimme Erfahrungen hinwegzukommen.
Doch zunächst erleiden die Flüchtlingskinder erst einmal einen Fremdheits-Schock.
Unser Schulsystem, seine Regeln, Funktionsweisen und Rituale sind den meisten
Kindern und Jugendlichen aus anderen Herkunftsländern fremd. Stellen Sie sich vor,
Sie seien als deutsches Kind in Syrien oder Afghanistan in eine dortige Schule eingeschult worden, ohne die arabische Sprache bzw. Pashtu oder Dari zu beherrschen.
Dann können Sie den Grad der Fremdheit und Verwirrung ermessen, den die Flüchtlingskinder zu überwinden haben...
Manche von ihnen hatten noch nie Gelegenheit zu regelmäßigem Schulbesuch oder
haben lange Unterbrechungen in ihrer Schulkarriere hinter sich. Diese Kinder treten
aber mit dem Willen an, trotz aller Fremdheit, die sie der deutschen Schule gegenüber
empfinden, den Einstieg zu schaffen und möglichst bald gute Leistungen zu erbringen.
Die Lernpaten/Lernpatinnen werden ebenfalls zunächst Fremdheit empfinden gegenüber einem Grundschulkind, das eine vollkommen andere Kindheit hatte als die
LernpatInnen selbst bzw. deren Kinder und Enkelkinder.
Der Kontrast zwischen Kindheit in Deutschland (behütetes Aufwachsen im Wohlstand mit vielen Spielsachen, Anregungen und Hobbys) und der Kindheit der Flüchtlingskinder sollte zunächst bewusstgemacht werden. (Vgl. dazu Elschenbroich, Donata (2013): Weltwissen der Siebenjährigen: Wie Kinder die Welt entdecken können.
München: Verlag Kunstmann). Sie bringen mit Sicherheit ganz andere Erfahrungen
und Vorkenntnisse mit als deutsche Kinder.
Es ist für die ehrenamtlichen LernpatInnen daher wichtig, möglichst offen in die Situation der Erstbegegnung zu gehen und eigene Vorstellungen und Wertungen zurückzustellen, wie Kinder 'normalerweise' zu sein haben. Den Flüchtlingskindern sollte
nicht Mitleid, sondern Empathie entgegengebracht werden (laut Duden online: Fähigkeit, sich in jemanden, etwas hineinzuversetzen, jemanden, etwas zu verstehen;
innere Beziehung zu etwas; Einfühlungsvermögen - www.duden.de). Gefordert ist die
Fähigkeit zur Perspektiven-Übernahme: „in die Haut des Förder-kindes schlüpfen“ –
und so dessen emotionale und andere Reaktionen begreifen.
(Vgl. Zusatzmaterial 1: Aufsatz Dietrich, Ingrid (2013): Empathie in der Arbeit mit Migrantenkindern und
-jugendlichen. In: Brigitte Wieczorek-Schauerte (Hrsg.): Freiheit und Vernunft - „Ich bin anders als ...Du
bist anders als...Er ist anders als sie.“ Das Problem der Empathie in der Pädagogik. Humanistischer
Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg)
In dem Aufsatz: „Empathie in der Arbeit mit Migrantenkindern und -jugendlichen“ habe
ich versucht, anhand der Gegenüberstellung eines deutschen Mittelschicht-Kindes
und eines Mädchens aus einer kurdischen Einwandererfamilie die unterschiedlichen
Ausgangssituationen des Lernens aus der Sicht des Mädchens Hülya zu beschreiben
(wobei dieses Kind in Deutschland geboren ist, in einer gut ausgestatteten Wohnung
bei gut für sie sorgenden Eltern und in einer vergleichsweise komfortablen Situation
gegenüber den jetzt nach Deutschland kommenden Flüchtlingskindern aufgewachsen
ist):
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„Für Hülya ... ist die Schule ein Ort voller fremder Regeln und Rituale. Sie ist ebenfalls ein Ort voller fremder
Wörter, deren Bedeutung sie sich mühsam aus dem Kontext selbst erschließen muss. Das Lesen- und Schreibenlernen stellt hohe Anforderung an sie: Sie muss diese Fähigkeit an Hand von Sprachmaterial erwerben, das ihr
teilweise unbekannt ist. Damit erbringt sie eine intellektuelle Leistung, die vergleichbar ist mit der eines Linguisten, der einen unbekannten
Indianer-Dialekt transkribiert. Trotz ihres erheblichen Intelligenz-Einsatzes und einer hohen Frustrationstoleranz,
wenn Andere in ihrer Klasse immer schneller sind als sie mit den richtigen Antworten, gelingt es ihr nicht, die
Lehrerin von ihrem Fleiß und ihrer Lernbereitschaft zu überzeugen.
Oftmals wird sie dafür getadelt, dass ihre Hausaufgaben nicht in Ordnung sind (weil sie die Aufgabenstellung nur
ansatzweise verstanden hat....). Trotz erhöhter Anstrengungen sind gute Noten für sie rar. Sie wird oft gehänselt
und in die 'Außenseiter'-Ecke gedrängt, obwohl sie sich Mühe gibt, sich anzupassen und sich so zu verhalten, wie
es die Lehrerin und die KlassenkameradInnen es von ihr erwarten. Doch sie bleibt am Ball und lässt sich auch
durch fehlende Erfolgserlebnisse und mangelnde soziale Anerkennung nicht entmutigen.“
Diese schulische „Notsituation“ ist für Flüchtlingskinder noch viel gravierender, da sie zumeist
ohne Deutschkenntnisse eingeschult werden (wenn sie Glück haben, ist vor Ort für sie eine
Vorbereitungs- oder „Willkommensklasse“ vorhanden). Wenn dort nicht sensibel mit ihnen
umgegangen wird, erleiden sie zunächst in dieser Situation der „Submersion“ einen Sprachschock und verstummen nicht selten für längere Zeit (vgl. dazu Einheit 4: Hören und Sprechen
lernen) .
Eine Studentin, die im Jahr 2015 eine Lernpatenschaft für ein Flüchtlingskind übernommen
hat, berichtet:
„Mein Förderpartner ist der 7-jährige Junge aus Nordkorea namens XX. Er ist ein süßer, höflicher Junge. Er
benimmt sich in der meisten Zeit gut. Fast zwei Jahre wohnen er und seine Familie in der Flüchtlingsunterkunft in
H. Er besucht in diesem Schuljahr (2014/2015) zum zweiten Mal die erste Klasse Grundstufe.... Trotz seiner
bereits erworbenen Deutschkenntnisse vor der Einschulung versteht er wenig deutsch. Deswegen spricht er sehr
wenig und ganz selten deutsch, obwohl er von Natur aus kein ruhiges, stilles Kind ist.“ (Y. Tumthong)
Flüchtlingskinder sind übrigens keine "Nullsprachler. Manche von ihnen sind schon im
Herkunftsland zweisprachig aufgewachsen und beherrschen oft zusätzlich noch einige Ausdrucksmittel aus den Sprachen, mit denen sie auf ihren Fluchtwegen konfrontiert wurden, z. B. Türkisch. Wer von uns monolingual sozialisierten Erwachsenen
kann eine solche Vielfalt an Sprachkenntnissen aufweisen, wie diese Kinder sie oft
mitbringen?
Die LernpatInnen sollten sich bewusst machen, welche sprachlichen Fähigkeiten Kinder (auch die anfänglich „sprachlosen“ Flüchtlingskinder) im Allgemeinen im Laufe der
6 Jahre vor dem Schuleintritt schon erworben haben! Sie können sich im Rahmen ihrer Herkunftskultur innerhalb der Familie verständigen, mit ihren Altersgenossen Kontakte pflegen, sie kennen Lieder und Spiele, sie bringen je nach vorherigem Schulbesuch Kenntnisse, Fähigkeiten und Vorstellungen davon mit, welche sprachlichen und
sonstigen Verhaltensweisen gut und angemessen sind! Nur „wir“ haben keine Ahnung
davon, was in den Flüchtlingsfamilien aus den unterschiedlichen Herkunftskulturen
gerade als gut und angemessen gilt, weil wir oft andere Vorstellungen über angemessenes Aufwachsen haben! Es muss für Flüchtlingskinder schwierig sein, wenn
alles, was sie an Können, Wissen und sozialen Kompetenzen mitbringen, hier nichts
gilt!
Zu berücksichtigen sind die oft Monate und Jahre dauernden Wege nach Deutschland, die das Kind mit seiner Familie zurückgelegt hat, sowie auch die schwierigen
Lebensumstände, unter denen das Kind jetzt in Deutschland lebt. (Selbst in den fesReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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ten Unterkünften für Asylbewerber haben mehrköpfige Familien nur ein oder zwei
Zimmer zur Verfügung, wobei sie oftmals die Küche und sanitären Einrichtungen mit
anderen Familien aus anderen Kulturkreisen teilen müssen. Spannungen sind da vorprogrammiert, Privatsphäre für die Familienmitglieder und Ruhe für die Kinder zum
Lernen gibt es kaum.)
Die LernpatInnen sollten zu Beginn der Förderung versuchen, so viele Informationen
wie möglich über das Kind, seinen familiären Hintergrund, sein Flüchtlingsschicksal
und seine augenblicklichen Lebensumstände zu sammeln, um seine Reaktionen besser zu verstehen! Zu Beginn ist es auch ratsam, die Hilfe eines Dolmetschers (eventuell aus der Gruppe der Flüchtlinge selbst) heranzuziehen, der nach Rücksprache
mit den Eltern Näheres über den Werdegang und das bisherige Bildungsweg des Kindes mitteilen kann.
Sehr wichtig sind Informationen über den bisherigen Schulbesuch des Kindes:
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Familiensprache des Kindes (identisch mit der Sprache des Herkunftslandes?
abweichend davon? z.B. eine Dialekt-Variante der kurdischen Sprache, aber
Beschulung auf Türkisch......)
Ist das Kind im Herkunftsland schon zur Schule gegangen? (für viele
Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter gab es dazu keine Gelegenheit....)
Ist das Kind einsprachig, zweisprachig oder dreisprachig aufgewachsen?
(Beispiel: ein syrisches Kind, das in einer kurdischen Familie aufgewachsen ist
und auf seinem Weg nach Deutschland schon mehrere Jahre in einem anderen
Land gewohnt hat: in der Türkei, in Griechenland oder in einem anderen europäischen Land.....- Kinder aus afrikanischen Ländern sprechen zumeist eine
der vielen Stammes- oder Regionalsprachen; beschult werden sie dann aber
oft in den ehemaligen Kolonialsprachen Englisch oder Französisch)
Wurde das Kind schon alphabetisiert?
Beherrscht es ein anders Schriftsystem als das deutsche (arabische,
kyrillische Schrift.....)?
Kennt es schon das lateinische Alphabet?
Wo steht es im Lese- und Schreiblehrgang?
In welcher Schrift wird der Lese- und Schreiblehrgang in der aktuellen
Grundschulklasse
des Kindes
durchgeführt? Lateinische Ausgangsschrift? Vereinfachte Ausgangsschrift?
Druckschrift ?
(Dies sollten die LernpatInnen bei den Lehrpersonen erfragen. Sie sollten sich
eine Schrifttabelle in dieser Schrift besorgen (aus der Schule, aus dem Internet)
und selbst diese Schrift üben, damit das Kind nicht durch unterschiedliche
Buchstaben-Varianten verwirrt wird. (Vgl.dazu Zusatzmaterial 2:
„Schwünge oder Krakel“ )
Wird beim Lese-Schreiblehrgang mit einer Anlaut-Tabelle gearbeitet?(z.B. das
bekannte und in vielen Grundschulklassen benutzte „Buchstabentor“ von
Jürgen Reichen und andere Beispiele; s. Zusatzmaterialien Einheit 4 und 5)
Auf welcher Erwerbsstufe des Deutschen befindet sich das Kind? Hat es
schon Deutschkenntnisse erworben? (s. dazu Einheit 2)
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Thema: Kontaktaufnahme
Den LernpatInnen wird empfohlen: Beginnen Sie mit Begrüßungsformeln auf Deutsch!
Manche wird das Kind aus der Schule oder aus dem Kontakt mit seinem Umfeld
schon kennen – wenn nicht, sollten sie interaktiv eingeübt werden, d.h. als kleines
Rollenspiel mit den dazugehörigen Gesten und verteilten Rollen:
Guten Morgen! Guten Tag! Hallo! Auf Wiedersehen! Tschüss.....
Diese Formeln sollten zu Beginn und am Ende jeder Förderstunde wiederholt und
langsam erweitert und variiert werden.
Den LernpatInnen wird auch empfohlen, ein paar Begrüßungsformeln in der Muttersprache/ Erstsprache des Förderkindes mit ihm zusammen zu üben. Das signalisiert
dem Kind, dass es mit seinen 'mitgebrachten' Fähigkeiten akzeptiert wird und dass
die LernpatInnen diese Fähigkeiten und und seine 'mitgebrachte' Kultur wertschätzen.
Außerdem erfahren dabei die LernpatInnen 'am eigenen Leib', wie schwierig schon
einfache Sprechakte in einer neuen, fremden Sprache zu erlernen sind.....
Den LernpatInnen sollte auch die 'Angst' genommen werden, punktuell die Muttersprache des Kindes (bzw. die Sprache, die es am besten beherrscht) mit einzubeziehen. Es geht nicht darum, die einsprachige Lernsituation zu durchbrechen und den
Kindern Redezeit auf Deutsch wegzunehmen, sondern dem Kind Respekt vor seinen
vorhandenen Sprachkenntnissen zu zeigen.
Einstieg in die Förderung mit Kindern, die schon über basale Sprachkenntnisse
im Deutschen verfügen: z.B. über : Steckbrief bzw. Ich-Buch: "Das bin ich."
(s. Zusatzmaterial 3: Vorlagen „Steckbrief“ als Beispiel)
 gezeichnetes Selbstporträt oder Foto des Kindes /evtl. zusammen mit der Lernpatin
 Familienmitglieder
 Lieblingsfarbe
 Lieblingsessen
 Was kann ich schon? Was mache ich gern?
Es sollte realisiert werden, dass besonders jüngere Kinder sehr aufgeregt sind bei der
Begegnung mit einem unbekannten Erwachsenen aus einer anderen Kultur, der es
nicht versteht und den es ebenfalls nur ansatzweise versteht.
Wichtig: ein Exemplar des Steckbriefs füllt die Lernpatin / der Lernpate für sich selbst
aus
(kein Ausfragen - kein Aushorchen - das Kind nicht in Verlegenheit bringen ….., sondern Gegenseitigkeit / Reversibilität der Lernsituation herstellen)
Einige Fotos der eigenen Kinder und Enkelkinder bzw. des eigenen Lebensumfeldes
erleichtern das Kennenlernen.
Eine studentische Lernpatin berichtet über das Ausfüllen des Steckbriefs mit ihrem
Lernpartner:
„Natürlich füllte auch ich einen Steckbrief aus und er freute sich sehr über die Fotos, die ich beispielsweise
von meinem Lieblingsessen, meinem Studentenwohnheimszimmer oder meiner Familie
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mitgebracht hatte. Amüsiert bemerkte er, dass meine Mutter und meine Schwester exakt genauso
aussehen wie ich.“ (S.Hassani)
Mit Gesten arbeiten: Ich bin......
Du bist......
Mein Name ist.....
Dein Name ist.......
(Zusatzmaterial 5 und 6: Personalpronomen und Possessivpronomen)
Fotos zeigen: Das ist mein Mann. Er heißt.......
Das ist mein Sohn, meine Tochter.......Er heißt - sie heißt........
Das sind meine Enkelkinder......... Sie heißen...........A / B
A ist ein Mädchen. Sie heißt.........
Du bist ein Mädchen. Du heißt........
B ist ein Junge. Er heißt........
Dein Bruder ist ein Junge. Er heißt.........
Vielleicht kann das Lernpatenkind auch schon eine erste Malübung zu seinem sozialen Umfeld gestalten (s. Zusatzmaterial 7 - Grafik „Bilderrahmen“ (Freinet-Lernkartei).
Erforderliche Sprachstrukturen:
Personalpronomen und Possessivpronomen:
Ich......du..... er..... sie..... mit Verb „sein“ und „heißen“.(s. Zusatzmaterial 5 und 6 –
vgl. dazu auch die Internet-Seite:
http://www.cafe-lingua.de/deutsche-grammatik/pronomen-fuerwoerter.php)
• Konjugationsformen des Verbs "heißen", ebenso des Verbs „sein“
• Substantive: Der Mann, die Frau, die Eltern, der Bruder, die Schwester, der Sohn,
die Tochter, der Enkel, die Enkelin, der Freund, die Freundin, der Cousin, die Cousine
(vgl. dazu Einheit 8: Bezeichnungen für Familienmitglieder – abweichend vom Deutschen)
(Substantive von Anfang an mit Artikel einführen – Genus farbig kennzeichnen:
z.B. grün- maskulin; rot – feminin; blau – neutrum)
•
Redemittel: Guten Tag! Hallo......!Auf Wiedersehen.....! Tschüss........!
Zwei wichtige Faktoren sollten die LernpatInnen unbedingt beachten:
1. Der Aufbau einer vertrauensvollen Lehr- Lernbeziehung und einer
angenehmen, möglichst spannungsfreien Lernatmosphäre ist mindestens so wichtig
für das Gelingen der DaZ-Sprachförderung wie die inhaltliche Vermittlung von
Sprachstrukturen.
(vgl. dazu Zusatzmaterial 8: Die 10 goldenen Regeln der Sprachförderung)
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2. Eine Ritualisierung im Ablauf der DaZ-Förderstunden ist sehr zu empfehlen.
Diese könnte etwa folgendermaßen aussehen, wie es eine Studentin aus ihren DaZFörderstunden mit einem afghanischen Schüler beschreibt:
- Freies Sprechen mit echten Kommunikationsanlässen
- Wiederholung aus der vorigen Stunde
- Einführung bzw. Vertiefung eines Grammatikthemas
- Übungsphase
-Bearbeitung eines kleinen Themas mit geringem Schwierigkeitsgrad (i.d.R. Aussprache,Wortschatz)
(S. Hassani)
Am Schluss könnten sich die LernpatInnen die Hausaufgaben zeigen lassen und
schauen, wo da noch etwas unklar ist.
3. Lern- und Übungsmaterialien
Wichtig ist auch, den LernpatInnen Hinweise auf geeignete „Lernwerkzeuge“ zu geben, die – regelmäßig eingesetzt – bei der Ritualisierung der Förderstunden und bei
einer konsequenten Bewußtmachung, Übung und Vertiefung des Lernstoffes helfen.
a) Lerntagebuch führen: zu Beginn nur Kategorien zum Ankreuzen, aber auch die
Aufforderung zu freiem verbalem Feedback oder zum freien Malen (Zusatzmaterial 9,
10 und 10a)
Der regelmäßige Einsatz eines solchen Lerntagebuchs macht dem Förderkind mit der
Zeit seine Lernfortschritte bewusst und regt es an, über seinen eigenen Lernprozess
zu reflektieren. Er ist auch als Einstieg in die Portfolio-Arbeit zu sehen, die immer
mehr in den Schulen eingesetzt wird.
b) Konsequente und regelmäßige Arbeit mit der AOL – Lernbox (Erläuterung in
Zusatzmaterial 11 - s. auch Einheit 3 zum Wortschatzerwerb). Mit diesem Arbeitsinstrument kann ein persönlicher Grundwortschatz mit dem Lernpatenkind aufgebaut
und systematisch wiederholt und gefestigt werden. Zu Beginn des Lernprozesses
können Wort-/ Bildkarten von den LernpatInnen und deren Patenkindern selbst hergestellt werden. Diese können ein- oder zweisprachig sein, sollten aber bei Substantiven
die Kennzeichnung des Genus mit vorher festgelegten farbigen Punkten versehen
werden (immer mit den gleichen Farben dür die drei Genera, wie oben angegeben).
Eine hervorragende Quelle für selbst herzustellende Bildkarten zum Grundwortschatz ist:
Mahlstedt, Dagmar (1996, 2. Aufl.): Lernkiste Lesen und Schreiben. Fibelunabhängige
Materialien zum Lesen- und Schreibenlernen für Kinder mit Lernschwächen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Gut einsetzbar für einen Alphabetisierungskurs in DaZ ist auch das folgendes Bildwörterbuch: Specht, Gisela / Forßmann, Juliane (2010): Die 1 000 wichtigsten Wörter
in Bildern erklärt. Ismaning: Hueber Verlag
Zum Abschluss und zur Zusammenfassung sind noch einmal meine praktischen Tipps
zum Beginn der DaZ-Sprachförderung (mit Bezug auf die hier beschriebenen Materialien) überblicksartig zusammengefasst (Zusatzmaterial 12).
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Literatur:
Dietrich, Ingrid (2013): Empathie in der Arbeit mit Migrantenkindern und -jugendlichen.
In: Brigitte Wieczorek-Schauerte (Hrsg.): Freiheit und Vernunft - „Ich bin anders als
...Du bist anders als...Er ist anders als sie.“ Das Problem der Empathie in der Pädagogik. Humanistischer Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg
Elschenbroich, Donata (2013): Weltwissen der Siebenjährigen: Wie Kinder die Welt
entdecken können. München: Verlag Kunstmann
Mahlstedt, Dagmar (1996, 2. Aufl.): Lernkiste Lesen und Schreiben. Fibelunabhängige
Materialien zum Lesen- und Schreibenlernen für Kinder mit Lernschwächen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Rösch, Heidi (Hrsg.) u.a. (2009 – 1. Aufl. 2003): Deutsch als Zweitsprache – Grundlagen – Übungsideen – Kopiervorlagen. Braunschweig: Bildungshaus Schulbuchverlage
Specht, Gisela / Forßmann, Juliane (2010): Die 1 000 wichtigsten Wörter in Bildern
erklärt. Ismaning: Hueber Verlag
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Einheit 2 : Sprachstandsbeobachtung in Deutsch als Zweitsprache
Vorbemerkung:
Die Sprachbeherrschung des Deutschen als Zweitsprache entscheidet über den Integrationsund Schulerfolg der Flüchtlingskinder in Deutschland. Dieser Erwerb muss möglichst rasch
erfolgen. Kinder, die mit Deutsch als Muttersprache aufwachsen, haben dafür 5 – 6 Jahre Zeit
bis zum Schuleintritt, und während dieser Zeit sind sie ununterbrochen mit informellen
deutschsprachigen Lernprozessen beschäftigt. Daher müssen sich die Flüchtlingskinder mit
dem Erwerb des Deutschen als Zweitsprache „beeilen“, um überhaupt die Chance zu haben,
mit den kleinen deutschen MuttersprachlerInnen gleichzuziehen.
LernpatInnen, die ein Flüchtlingskind in DaZ fördern wollen, sind da als HelferInnen sehr
willkommen. Sie sollten sich jedoch auf diese Aufgabe vorbereiten. Dass sie selbst die
deutsche Sprache in Wort und Schrift gut beherrschen, ist eine notwendige Voraussetzung. Sie
ist aber nicht hinreichend, um den Spracherwerb des Deutschen bei einem Kind aus einer
anderen Sprach- und Kulturwelt zu begleiten und zu fördern. Sie müssen diesen Spracherwerb
aus der Perspektive der Lernenden wahrnehmen und steuern können (vgl. dazu Koeppel, Rolf:
Deutsch als Fremdsprache – Spracherwerblich reflektierte Unterrichtspraxis. 2. Aufl. 2013.
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren).
Dazu sollten sie sich ansatzweise mit Theorien des Zweitspracherwerbs beschäftigen und –
was noch wichtiger ist - mit dem Grammatik-System der deutschen Sprache, das sie selbst
zumeist 'unbewusst' richtig anwenden. Das reicht jedoch nicht, um die Anwendung der
Grammatik-Regeln den kleinen LernerInnen auch zu vermitteln (was nicht heißt, sie zu
erklären, denn das wäre allein schon angesichts des fehlenden Wortschatzes dafür unmöglich.
Es wäre auch lernpsychologisch unproduktiv, besonders bei jüngeren Kindern ...).
In dieser Einheit geht es nicht darum, dass die LernpatInnen den professionellen LehrerInnen
des Deutschen als Zweitsprache in der Schule Konkurrenz machen. Dennoch ist ein Minimum
an Kenntnissen in Sprachdidaktik erforderlich, wenn man ein Kind in Deutsch als
Zweitsprache fördern will. Der Zweck dieser Einheit besteht im Wesentlichen darin, die
LernpatInnen für die Schwierigkeiten des DaZ- Erwerbs zu sensibilisieren (entgegen der
landläufigen Meinung: „Kleine Kinder lernen ja soo schnell Deutsch!“). Sie sollen dazu zu
befähigt werden, den Flüchtlingskindern bei der Bewältigung von Anfangsschwierigkeiten
Hilfestellung zu geben. Denn auch schon für kleine und jüngere Kinder bedeutet der Erwerb
einer zweiten Sprache harte Arbeit.
Für LernpatInnen, die ein Flüchtlingskind auf diesem mühsamen Weg begleiten wollen, ist es
dabei nötig, sich selbst noch einmal einen Lernprozess zuzumuten. Sie werden sich
wahrscheinlich noch nicht ausführlich mit dem Lernbereich „Deutsch als
Zweitsprache“ befasst haben. Es geht darum, ein analysierendes Verhältnis zu der deutschen
Sprache zu entwickeln, derer sich die SprecherInnen der Muttersprache Deutsch Tag für Tag
ohne großes Nachdenken bedienen.
Sie sollten zunächst das Deutsche schriftlich und mündlich sicher beherrschen – im
Mündlichen dazu möglichst ohne zu starke regionale 'Einfärbung', damit sie mit ihrer
deutlichen Aussprache als Lernvorbild fungieren können. Sie sollten sich selbst mit
grundlegenden Regeln der deutschen Grammatik befassen (vgl. dazu Einheit 6) und über die
„Stolpersteine der deutschen Sprache“ Bescheid wissen (ebenda). Wichtig ist, dass sie in der
Lage sind, den Sprachlernprozess des Deutschen aus der Perspektive der Flüchtlingskinder (=
der Lernerperspektive) wahrzunehmen und sachgerecht zu steuern. Dazu gehört in einem
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ersten Schritt die Erfassung der Ausgangssituation, d.h. des schon vorhandenen Sprachstands
in DaZ.
Unterschiedliche Ausgangssituationen
Wenn es die LernpatInnen mit absoluten SprachanfängerInnen in DaZ zu tun haben, sollten sie
im wesentlichen den Vorschlägen in Einheit 1 folgen und die SchülerInnen fit machen für
basale Sprechakte des Begrüßens und des Sich-Vorstellens. Sie sollten mit Hilfe von
Lernspielen (Memorys, Wimmelbildern, Wortfeldübungen etc.) möglichst schnell einen
Grundwortschatz aufbauen - (s. Einheit 3) und diesen mit Hilfe abwechslungsreicher Übungen
und der Lernkartei (s.o., Einheit 1 – Zusatzmaterial 11) immer wieder in einfachen Sprechakten
'umwälzen' und festigen.
Manche Flüchtlingskinder weisen schon einige Deutsch-Kenntnisse auf. Wahrscheinlich halten
sie sich dann schon etwas länger in Deutschland auf(viele örtliche Behörden schöpfen den
gesetzlichen Ermessensspielraum aus und schulen die Flüchtlingskinder erst nach drei
Monaten oder sogar noch später ein). So hatten die Kinder vielleicht schon Gelegenheit, durch
außerschulische Kontakte etwas Deutsch 'aufzuschnappen'.
Wie mit der DaZ-Sprachförderung beginnen?
Wenn gar keine Vorkenntnisse vorhanden sind, sollten die LernpatInnen erst einmal nach den
Vorschlägen in Einheit 1 vorgehen (s. auch Einheit 1 - Zusatzmaterialien).
Doch auch bei geringen Vorkenntnissen werden die LernpatInnen wahrscheinlich erstaunt sein
über die Schüchternheit, die besonders Grundschulkinder mit anderer Herkunftssprache bei
der ersten Begegnung mit einem fremden Erwachsenen an den Tag legen. Verlegenheit und die
Angst, etwas Falsches zu sagen, lässt das Patenkind wahrscheinlich zunächst verstummen oder
nur sehr leise und unsicher auf Fragen antworten.
Manchmal werden die LernpatInnen aber vielleicht auch erstaunt sein, die Kinder schon
ziemlich 'flüssig' reden zu hören, oftmals auch mit regionaler Einfärbung. Das besagt jedoch
nicht, dass die Kinder schon alles 'verstehen', was sie selbst sagen oder was ihnen die
LernpatInnen sagen. Verbale Flüssigkeit, Gebrauch geläufiger Redewendungen, vielleicht
sogar in örtlichem Dialekt, rufen bei den LernpatInnen den Eindruck hervor, dass ihr Patenkind
schon ziemlich gute DaZ-Kenntnisse mitbringt. Dabei kann es sich jedoch um
„Versatzstücke“ (sog. chunks) handeln, die das Kind aus dem täglichen
„Sprachbad“ aufgeschnappt hat, ohne ihre Bedeutung genau zu kennen und ohne zu wissen,
wie es selbst solche formelhaften Redewendungen konstruieren könnte.
Globale Aussagen wie: „Mein Patenkind spricht ja schon ziemlich flüssig Deutsch“
helfen den LernpatInnen nicht dazu, den tatsächlichen Lernbedarf ihres Patenkindes
zu erkennen und an seinen Lernbedürfnissen wirkungsvoll anzusetzen. Übrigens meinen die Flüchtlingskinder oft selbst, sie könnten schon gut Deutsch und hätten daher
keinen Lernbedarf mehr – bzw. sinkt ihre Bereitschaft, sich beim Deutscherwerb anzustrengen:
„Weil D. schon vergleichweise lange in Deutschland ist und vergleichweise gutes Deutsch
spricht, hat sie in fast allen Sprachaspekten bereits Basiswissen, allerdings auch gefährliches
Halbwissen. Deshalb schien es mir am vernünftigsten, mit ihr die allgemeinsten Kompetenzen
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(Hörverstehen, Reden, Lesen, Schreiben) systematisch zu üben, ohne großen Fokus auf einzelne grammatikalische Phänomene zu legen. Das heißt, dass wir zwar solche Aspekte wie Steigerungsformen der Adjektive, Verbbildung und Zeiten, oder Diminutive behandelt haben, es aber
nicht mein Ziel war und nicht innerhalb meiner Möglichkeiten lag, ihr diese Themen ein für
alle Mal klar zu machen.“
(M. Romanova)
Die LernpatInnen sollten schon während der Erstbegegnung mit ihrem Patenkind versuchen, den augenblicklichen Stand seines Spracherwerbsprozesses in DaZ grob
einzuschätzen und diese Einschätzung in den nächsten Förderstunden immer weiter
zu verfeinern. Warum? Nach einigen anerkannten Spracherwerbstheorien ist es nicht
beliebig, wie und wo sie beim Deutsch lernen anfangen. Der DaZ-Spracherwerb läuft
in bestimmten Erwerbssequenzen ab: „Man kann sich den Zweitspracherwerbsprozess eines Lerners insgesamt vorstellen als eine Abfolge von sprachlichen Übergangssystemen, als Abfolge sich ständig verändernder Lernersprachen (Interlanguages), die dem Sprachsystem der Zielsprache – idealiter – immer ähnlicher werden.....In bestimmten grammatischen Teilbereichen folgt die schrittweise Erschließung
der zielsprachlichen Strukturen einer festen Phasenabfolge.“ (Kniffka/Siebert-Ott
2012, 3. Aufl., S. 45 und 46).
Darum ist es der Mühe wert herauszufinden, in welcher Phase sich Ihr LernpatInnenkind
inzwischen befindet. Es hat z.B. keinen Zweck, von einem Kind, das Verben hauptsächlich
noch im Infinitiv benutzt, perfekte Fragesätze mit Inversion zu erwarten. Diese können erst auf
einer späteren Stufe produziert werden.
Das besagt z.B. die Teachability-Hypothese nach Pienemann:
„Instruktion kann L2-Erwerb nur dann befördern, wenn die Lernersprache schon nahe an dem
Punkt ist, an dem die unterrichtete Struktur im ungesteuerten L2-Erwerb erworben wird.
Vorzeitige Vermittlung kann sogar kontraproduktiv wirken, d.h. die Lerner werden
verunsichert, da ihnen Operationen abverlangt werden, die sie mit den bereits erworbenen
Strukturen nicht bewältigen können. n + 1- Förderung: Der Lerner kann nur so gefördert
werden, dass er die nächste Erwerbsstufe / Erwerbssequenz erreicht.
Konsequenz für DaZ:
• Orientierung der Grammatikvermittlung an den Erwerbsstufen;
• keine didaktisch gefilterte, bzw. vereinfachte Sprache, sondern Sprache in ihrer
"natürlichen Form“ mit interessanten, altersangemessenen Inhalten;
• Differenzierender Grammatikunterricht auf der Basis des jeweils individuellen
Erwerbsstandes“
(nach der Power Point Pres. von Rena Thormann: Unterricht sprachsensibel gestalten – Quelle:
http://lehrerfortbildung.bw.de/allgschulen/hs/forum_wrs_2012/foren/4_sprachsens/1_fachwiss/
3_eben/ )
Theoretisch müssten die LernpatInnen genau erfassen, auf welcher Erwerbsstufe des Satzbaus,
des Verbgebrauchs und des Kasus– und Genussystems sich ihr Patenkind befindet. Denn nur,
wenn ihm Sprachstrukturen in der jeweiligen „Zone der nächsten Entwicklung“ angeboten
werden, kann er/ sie diese in sein schon erworbenes Sprachkönnen einbetten und nach
gezielten, mehrfach wiederholten Übungen in sein Ausdrucksrepertoire übernehmen.
Die LernpatInnen müssen sich für eine erste Einschätzung des Sprachstands ihres Patenkindes
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in DaZ zunächst nicht eingehend mit verschiedenen Erwerbssequenzen beschäftigen. Es
reicht, wenn sie bewusst eine beobachtende Haltung einnehmen und sich sprachliche
Besonderheiten, die ihnen auffallen, unmittelbar nach der Erstbegegnung notieren. Vor der
Erstbegegnung sollten die LernpatInnen so viele allgemeine Informationen wie möglich über
ihr Patenkind und sein bisheriges „Lernschicksal“ eingeholt haben (vgl. Dietrich Einheit 1, S. 3
sowie Rösch u.a. 2009), damit sie seine sprachlichen Fähigkeiten in DaZ in ein Gesamtbild
einordnen können.
Die Erstbegegnung sollte so gestaltet sein, dass das Eis zwischen Flüchtlingskind und
LernpatInnen möglichst bald durchbrochen werden kann (durch Mimik, Gestik, kurze
Begrüßungsformeln auf Deutsch und in der Herkunftssprache des Patenkindes – vgl. Einheit
1).
Bald - etwa ab der 2. Fördersitzung – werden die LernpatInnen mit Freude bemerken, dass
schon „etwas“ vorhanden ist – selbst wenn das Kind bei der Erstbegegnung kaum gesprochen
hat. Dieses „etwas“ kann z. B. Hörverstehen in DaZ sein – das Kind spricht selbst nicht, aber
es versucht, zu verstehen, was die LernpatInnen sagen und deren Anweisungen zu befolgen.
Die „four skills“:
Wie und wo können die LernpatInnen anfangen mit der systematischen Beobachtung und
Beschreibung der Deutsch-Fähigkeiten ihres LernpatInnenkindes? Für eine erste
Wahrnehmung und Beschreibung der vorhandenen DaZ- Kenntnisse eines Flüchtlingskindes zu
Beginn der Förderung eignen sich die sog. „four skills“. Diese grobe Einteilung erleichtert es
den LernpatInnen, ihre ersten Eindrücke vom Sprachkönnen des Kindes in DaZ zu ordnen und
in eine gewisse Systematik zu bringen.
rezeptiv
produktiv
mündlich
Hören
Sprechen
schriftlich
Lesen
Schreiben
(vgl. dazu auch Rösch.u.a.2003, S. 25)
Schwierigkeiten für die Flüchtlingskinder am Beginn ihres DaZ-Lernprozesses können in
allen vier Lernfeldern auftreten.
• Beim Hören: es fehlt die Fähigkeit zu genauer Diskriminierung der fremden
deutschen Laute und die phonologische Bewusstheit, die für den Schrifterwerb wichtig
ist (vgl. dazu Einheit 4)
• beim Leseverstehen: der Wortschatz ist nicht bekannt – Sinn und Kontext können
nur erraten werden
• beim Sprechen: das phonetische System der deutschen Sprache muss erst noch
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erworben werden – Aussprache von Vokalen und Konsonanten, Satzmelodie,
Betonung (vgl. dazu Einheit 4)
• beim Schreiben: Umsetzung der fremden Phoneme des DaZ in (lateinischer)
Schrift; Satzbau, Formenlehre (z.B. Verbkonjugation; Genus, Singular und Plural der
Substantive) (vgl. dazu Einheit 6)
Erste Beobachtungen zu den DaZ-Kenntnissen des Patenkindes können informell gemäß den
gegebenen Situationen erfolgen:
• Versteht es gesprochene Aufforderungen und befolgt es sie?
(z.B. Bitte setz dich! Hol bitte dein Heft heraus! Trink bitte eine Tasse
Tee!)
• Reagiert es sprachlich angemessen auf situative Äußerungen?
(Danke! Ich vergess Heft ..Mag kein Tee!)
• Erfasst es den Sinn geschriebener Worte, Aufforderungen etc.?
(z.B. einer schriftliche Arbeitsanweisung, indem es sie ausführt?)
• Schreibt es in lateinischen Buchstaben? - ungeachtet dern Orthografie
Regeln der Grammatik; seinen Namen z.B. kann (fast) jedes Kind schreiben !
den
Dabei sollten die LernpatInnen sich bewusst machen, dass hinter diesen rudimentären
Fähigkeiten schon enorme Lernprozesse stecken, die sich das Kind oft aus eigenem Antrieb
aus seiner Umgebung angeeignet hat. Ein Kind aus Syrien z.B., das in seinem Herkunftsland
schon auf Arabisch alphabetisiert wurde, ist es gewohnt, von rechts nach links zu schreiben,
und zwar mit einem Schriftsystem, das sich von unserem eigenen grundlegend unterscheidet
(vgl. dazu Einheit 5).
Zusammenfassend können wir festhalten: Schwierigkeiten der Flüchtlingkinder beim Erwerb
der Zweitsprache Deutsch können in folgenden Bereichen bestehen (besonders am Beginn des
Lernprozesses):
• geringer Wortschatz in DaZ, zumeist auf die Alltagskommunikation beschränkt
• keine altersentsprechende Ausprägung des Leseverstehens
• beim Sprechen flüssige Beherrschung stereotyper Redewendungen, aber
kein Verständnis für
Wortgrenzen oder grammatische Strukturen; sog.
Fossilierungen von falschen Lösungen
Zudem müssen die neuen sprachlichen Strukturen sozusagen den „Filter der
Muttersprache“ passieren, um passiv aufgenommen und aktiv umgesetzt zu werden (vgl. Abb.
folgende Seite). Ohne dass die kleinen LernerInnen vorab eine Sinnerwartung entwickeln,
lassen sie sich bei diesem „schwierigen Geschäft“ erst gar nicht darauf ein, eine
Kommunikationsabsicht in der neuen Sprache zu realisieren. Fehlen ihnen dann die
Redemittel, ist häufiges Verstummen (= Aufgeben der nicht zu realisierenden Redeabsicht, oft
mitten im Satz) zu beobachten.
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Auch Sprachmischungen und an die grammatischen Strukturen der Herkunftssprache
angelehnte Strukturen sind häufig am Anfang zu beobachten. Diese sollten nicht als 'falsch'
betrachtet und gerügt werden. Bei dem mühsamen Erwerbsprozess des Deutschen als
Zweitsprache verdient das Kind jede nur denkbare Unterstützung, besonders am Anfang. Es
bildet seine eigenen Hypothesen und Zwischenlösungen zur korrekten DaZ- Verwendung aus.
Dabei handelt es sich nicht um „Fehler“, die umgehend beseitigt werden müssten, sondern um
Zwischenstadien, sogenannte „Lernersprachen“ , die mit einer offenen und wohlwollenden
Haltung aufgenommen und implizit verbessert werden sollten.
MS
=
Muttersprache
ZS = Zweitsprache
(Grafik: I. Dietrich)
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Eine 'unbequeme' Forderung
Die LernpatInnen sollten sich mit grundlegenden Grammatik-Strukturen auskennen und ihren
„Input“ für das Kind danach strukturieren. Dafür brauchen Sie zunächst ein spezielles
Vokabular, das nicht jede/r Nicht-Linguist selbstverständlich parat hat. Im Internet finden sich
mehrere Glossare von Grammatik-Begriffen, mit deren Hilfe die Beschreibung des
Sprachstandes in Angriff genommen werden kann. Eines davon ist eine einfache Liste
grammatischer Begriffe, zu finden unter http://deutsch.lingo4u.de/sonstiges/glossar .
Wer es genauer wissen will, kann sich die „Niveaubeschreibungen Deutsch als Zweitsprache
für die Primarstufe“ herunterladen (Zusatzmaterial 6 - erhältlich im Internet unter
https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/14490 , ab S. 17).
Diese Niveaubeschreibungen bieten Beobachtungskriterien für 25 differenzierte Sprachaneignungsprozesse, die jeweils einem der folgenden sechs Teilbereiche zugeordnet sind:
• Weite der sprachlichen Handlungs- und Verstehensfähigkeit
•
•
•
•
•
Wortschatz
Aussprache
Lesen
Schreiben
Grammatik
Für jeden Aneignungsprozess werden in verbaler Form vier Niveaustufen beschrieben. Die
Beschreibungen sind dabei so abgefasst, dass sie auch für linguistisch nicht vorgebildete Laien
gut verständlich sind und den LernpatInnen einen guten Einblick in die Sprachfähigkeiten Ihres
Lernpatenkindes ermöglichen. Auf dieser Basis können sie dann auch mit der Lehrperson des
Patenkindes ein Gespräch über seine sprachlichen Fähigkeiten in DaZ führen, um gemeinsam
Übungsmöglichkeiten zu vereinbaren. Denn oftmals gehen die Flüchtlingskinder im
Klassenverband unter, weil sie sich aus Angst vor Fehlern kaum von sich aus im Unterricht
äußern.
Außerdem gibt es mehrere gestufte Beschreibungsraster für den Sprachstand von
Lernanfängern in DaZ. Für eine erste strukturierte Sprachbeobachtung (aus „Laien“-Sicht)
bietet sich das Raster in folgender Broschüre an:
Broschüre RAA NRW: Von der Sprachstandsdiagnose zur Förderplanung. Instrumente zur
Beobachtung und Förderung der individuellen Sprachentwicklung für die Primarstufe und
die Sekundarstufe , in:
www.kommunale-integrationszentren-nrw.de/.../sprachstandsdiagnose_0....
Auf der nächsten Seite finden Sie ein Beispiel, wie die LernpatInnen mit Hilfe des dort
enthaltenen Beobachtungsbogens ihre Sprachbeobachtungen festhalten und darauf aufbauend
die nächsten Lernschritte für das Kind planen können. Dies ist kein 'Hexenwerk', wie der
anschließend abgedruckte Beobachtungsbogen einer Studentin aus der DaZ-Sprachförderung
zeigt (vgl. Beobachtungsbogen L. Missel).
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Weit verbreitet ist auch die Sprachstandsanalyse von Wilhelm Grießhaber (vgl. 2009 und
2013), die jedoch etwas mehr linguistische Vorbildung voraussetzt. Dabei sollen die
LernpatInnen mündliche Äußerungen Ihres Patenkindes 'hervorlocken' (z.B. durch die
Betrachtung einer Bildergeschichte) und mit einem Aufnahmegerät aufzeichnen. Anschließend
werden diese Äußerungen verschriftlicht und im Hinblick auf den Verbgebrauch, die
Satzstellung und Satzverknüpfung bestimmten Profilen zugeordnet (insgesamt 6 Stufen).
Dieses Modell der Sprachstandsanalyse konzentriert sich besonders auf den Gebrauch von
Verben und ihre Stellung in Satzbauplänen, die das Kind schon beherrscht (oder nicht).
Ein Beispiel für die Profilanalyse als Diagnoseinstrument für Deutsch als Zweitsprache
finden Sie auf der folgenden Seite und unter Zusatzmaterial 7 (vgl.dazu auch die
komplette Darstellung von Grießhaber - Zusatzmaterial 8).
Auf der Ebene bruchstückhafter Äußerungen (Stufe 0) kann sich der Lernende nur mit
massiver Unterstützung durch kompetente Partner verständlich machen. Der Wortschatz ist noch so lückenhaft, dass eine Verständigung kaum möglich ist. Dies trifft vor
allem für Seiteneinsteiger zu, die neu nach Deutschland kommen. Auch zahlreiche
mehrsprachige Schüler verfügen bei der Einschulung nur über bruchstückhafte
Deutschkenntnisse.
Im nächsten Schritt (Stufe 1) hat der Lernende schon einen minimalen Wortschatz
erworben, der es mit aktiver Unterstützung durch die Gesprächspartner erlaubt, etwas
mitzuteilen. Die Separation (Stufe 2) baut auf einem größeren Wortschatz auf, auch
wenn Lücken die Verständigung noch erschweren. Vor allem kann der Lernende nun
mit Modalverb-Konstruktionen innere Zustände, Absichten und Verpflichtungen ausdrücken. Perfektkonstruktionen ermöglichen systematische Äußerungen über Vergangenes. Gerade in der Fachvermittlung ist das Perfekt sehr wichtig, da Fachbegriffe
typischerweise aus mündlichen Vorgangsbeschreibungen der Schülerinnen im Perfekt
entwickelt werden. Wenn die Lernenden dies noch nicht beherrschen, d.h. die Stufe 2
noch nicht erworben haben, fehlt dem Vermittlungskonzept die Grundlage (Grießhaber 2011).Vereinzelt werden auch schon Personalpronomen der 3. Person, sog. Anaphern, (er, sie) verwendet.Die Inversion (Stufe 3) ermöglicht zusammenhängende Erzählungen, bei denen die einzelnen Handlungsschritte mit Und dann … verkettet werden. Die Konjunktion Und verbindet die Folgeäußerung mit dem Vorherigen ohne genauere Bestimmung dieses Zusammenhangs. Erst das folgende Temporaldemonstrativum … dann … ordnet das Folgende zeitlich nachgeordnet ein. Nun werden auch
systematisch äußerungsverkettende Anaphern (er, sie, ihm, ihr, …) verwendet, da mit
der Inversion ein grammatischer Strukturtyp zur Verkettung von Äußerungen zur Verfügung steht. Lernende, die diese Stufe noch nicht erreicht haben, wiederholen stattdessen z.B. immer wieder das Substantiv. Die sehr komplexen Partizipialattribute
(Stufe 6) sind bis zum Ende der achten Klasse nur sehr selten in Schülertexten zu
beobachten, finden sich allerdings schon in Lehrwerken der dritten Klasse. Die Rezeption erfordert insbesondere von Zweitsprachlernenden große Anstrengungen. Textaufgaben am Ende der zehnten Klasse mit solchen Strukturen werden von Lernenden
als schwer beurteilt und sind mit einer hohen Fehlerrate verbunden. Sie werden zumeist nur von SchülerInnen beherrscht, die ihrer mehrjährigen Schullaufbahn entwickelte Deutschkenntnisse erworben haben.
© Wilhelm Grießhaber (September 2013) Stiftung Mercator – pro daz
© Wilhelm Grießhaber ,September 2013
(s. Zusatzmaterial 8: komplette Darstellung)
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Wichtig ist bei allen Beobachtungs- und Beschreibungsschemata, dass das Augenmerk auf
schon vorhandene Kenntnisse und Sprachmuster gelenkt wird, die dann weiter ausgebaut
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werden können. Der Begriff „Fehler“ im landläufigen Sinne sollte ganz aus dem Bewusstsein
der LernpatInnen verbannt und durch die Wahrnehmung der jeweiligen Erwerbsstufe der
„Lernersprache“ ersetzt werden.
Erstellung eines Förderplans
Die LernpatInnen sollten in der Lage sein, auf Grund der oben angeführten
Sprachstandsbeobachtungen einen Förderplan für ihr Lernpatenkind zu erstellen. Damit sollen
sie nicht dem DaZ-Unterricht in der Schule vorgreifen oder Konkurrenz machen, sondern sich
eigene Ziele setzen, die im Idealfall dann auch nach einiger Zeit erreicht werden können. Sich
solche erreichten Etappen beim DaZ- Erwerb bewusstzumachen, kann sowohl die
LernpatInnen als auch ihre Patenkinder stolz machen und ihnen Erfolgserlebnisse vermitteln.
Beispiel: Zu Beginn der Förderung war A.'s Wortschatz zwischen Stufe 0 und 1 einzuordnen,
wobei er vor allem bei den Verben sehr große Lücken hatte. Die abgebildeten Nomen kannte er
hingegen fast alle, wobei dabei die Artikel häufig ausgelassen oder falsch von ihm verwendet
wurden. Bei den Verben lag A.'s Kenntnis bei Stufe 0, da er nur sehr wenige benutzt hat und
wenn, dann nur unflektiert. Im Bereich der Verkettung hat er keine Anaphern verwendet (Stufe
0). Besonders interessant war auch im Bereich Sonstiges zu sehen, dass die Hörerhilfe zu
diesem Zeitpunkt entscheidend war: Wenn ich mich sonst mit A. unterhalten habe, konnte ich
mich recht gut mit ihm verständigen, als aber bei der Diagnose diese Hilfe wegfiel, konnte er
vieles nicht ausdrücken und mitteilen. Insgesamt war A. Sprachstand zu Beginn der Förderung
auf Stufe 0 anzusiedeln.
Während der Förderarbeit achtete ich stets darauf, die Aufgaben dem Entwicklungsstand entsprechend auszuwählen, also immer auf der Ebene der nächsten Entwicklungsstufe. Manchmal passierte es dabei jedoch auch, dass Aufgaben problematischer waren als gedacht. Außerdem versuchte ich zu Beginn der Stunde zumindest
kurz das zu wiederholen, was wir in der letzten Stunde hauptsächlich behandelt hatten. Generell achtete ich immer darauf, die Aufgaben abwechslungsreich zu gestalten
und die Lernmotivation zum einen durch Lob und zum anderen durch eine interessante Themenauswahl zu fördern.
Nach den drei Monaten Förderarbeit führte ich eine zweite Lernstandsdiagnose durch.
Dieses Mal benutzte ich eine Vater-Sohn-Bildergeschichte als Sprechanlass. Auch
diese nahm ich mit meinem Handy zur Auswertung auf. Bei den Erwerbsstufen nach
Grießhaber zeichnet sich folgender
Lernstand ab: Der Wortschatz befindet sich mittlerweile auf einem ausreichenden Niveau (Stufe 2). Er weist zwar Lücken auf und der Genusgebrauch ist noch nicht sicher, aber er hat sich im Vergleich zu vorher deutlich vergrößert. Auch im Bereich der
Verben kennt A. jetzt deutlich mehr und kann diese sowohl im Präsens als auch im
Perfekt recht sicher verwenden, was der Stufe 2 entspricht. Bei der Verkettung benutzt A. mittlerweile einige Anaphern, das heißt Personal-pronomen der 3. Person
(Stufe 2). Die Hörerhilfe ist zwar immer noch erforderlich, jedoch deutlich weniger
wichtig als noch am Anfang. Ich würde sie zwischen Stufe 1 und 2 einschätzen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich innerhalb dieser drei Monate, in
denen ich A. beim Deutschlernen gefördert habe, seine Erwerbsstufe von in etwa StuReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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fe 0 am Anfang zu ungefähr Stufe 2 zum jetzigen Zeitpunkt verbessert hat. Ich finde
es handelt sich dabei um einen sehr hohen
Lernfortschritt innerhalb so kurzer Zeit.
(J. Langfermann, Studentin/ Junge aus Syrien)
Literatur zu Einheit 2: Sprachstandsbeobachtung
Broschüre RAA NRW: Von der Sprachstandsdiagnose zur Förderplanung Instrumente
zur Beobachtung und Förderung der individuellen Sprachentwicklung für die Primarstufe und die Sekundarstufe , in:
www.kommunale-integrationszentren-nrw.de/.../sprachstandsdiagnose_0....
Dietrich, Ingrid (2014): „Flüchtlingskinder: Im geschützten Rahmen Deutsch lernen“ in:
bildung &
wissenschaft, hrsg. GEW Baden-Württemberg, H.3 / 2015, S.34 -35
Grießhaber, Wilhelm (2013): Die Profilanalyse für Deutsch als Diagnoseinstrument zur
Sprachförderung. Quelle: Internet,
https://www.unidue.de/.../prodaz/griesshaber_profilanalyse_deutsch.pdf
Kniffka, Gabriele / Siebert-Ott, Gesa (2012, 3. Aufl.): Deutsch als Zweitsprache – Lehren und Lernen. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh
Koeppel, Rolf (2013): Deutsch als Fremdsprache – Spracherwerblich reflektierte Unterrichtspraxis.
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren
Rösch, Heidi (Hrsg.) u.a. (2009 – 1. Aufl. 2003): Deutsch als Zweitsprache – Grundlagen – Übungsideen – Kopiervorlagen. Braunschweig: Bildungshaus Schulbuchverlage
Thormann, Rena: Power Point Pres.: Unterricht sprachsensibel gestalten – Quelle:
http://lehrerfortbildung.bw.de/allgschulen/hs/forum_wrs_2012/foren/4_sprachsens/1_f
achwiss/3_eben/ )
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Einheit 3: Wortschatzaufbau mit den Lernpatenkindern
Die Arbeit am Aufbau eines Grundwortschatzes für die Flüchtlingskinder ist eine der
lohnendsten Aufgaben für die LernpatInnen. Hier können sie weitgehend unabhängig
von den Vorgaben der Lehr-personen in der Schule mit ihren Lernpatenkindern arbeiten und eigene Ideen einbringen. Und sie können ihren Lernpatenkindern helfen,
selbstständig ihre kleine Welt zu erschließen. Dabei sollten sie nicht nur nach vorgefertigten Materialien oder Wortlisten vorgehen, sondern zu erspüren versuchen, welchen
Wortschatz ihr Lernpatenkind gerade braucht.
Der Lernbedarf von Flüchtlingskindern am Schulanfang
Flüchtlingskinder mit sehr geringen Deutschkenntnisse haben naturgemäß einen großen
Bedarf an Wortschatz. Ein schneller Wortschatzerwerb ist eine notwendige Voraussetzung, dass Flüchtlingskinder sich schnell in die deutsche Schule integrieren können.
Apeltauer (2014) beziffert den Wortschatz deutscher Kinder folgendermaßen, gestützt
auf den Allgemeinen Deutschen Wortschatztest (Kiese-Himme 2005): Man „geht bei
monolingualen Schulanfängern von einem produktiven Gebrauch von 5000 bis 9000
Wörtern aus (der sog. Mitteilungswortschatz) und von 10 000 bis 14 000 Wörtern, die
verstanden werden (der sog. Verstehenswortschatz). Der Verstehenswortschatz ist immer größer als der Mitteilungswortschatz.“(vgl. Apeltauer 2014, in: Ahrenholz, Bernt
/Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.) (2014): Deutsch als Zweitsprache. Baltmannsweiler:
Schneider Verlag Hohengehren, S. 240).
Die Flüchtlingskinder können einen solch umfangreichen Wortschatz nicht in kurzer
Zeit und aus eigener Kraft erwerben. Wenn sie sich in die deutsche Grundschule integrieren wollen, müssen sie ziemlich schnell mit den deutschen Kindern gleichziehen
(obwohl sich deren Wortschatz ja ebenfalls kontinuierlich weiter entwickelt). Dazu
brauchen sie die Hilfe der LernpatInnen. Glücklicherweise können diese viel tun, um
den Flüchtlingskindern zu helfen, ihren Wortschatz kontinuierlich und spielerisch zu
erweitern.
„Wörter lernen“ / Vokabeln lernen ist normalerweise das erste, was Laien zum Fremdund Zweitsprachenerwerb einfällt. Manche verstehen unter Sprachförderung auf Anhieb: pro Tag so und so viele neue Wörter lernen. Dabei handelt es sich jedoch um
ein sehr eingeschränktes Verständnis des DaZ-Lernens.
Mit der bloßen Vermittlung von Wörtern ist es nicht getan. „Zum Wissen über Wörter
gehören neben den denotativen und konnotativen Bedeutungen auch Wissen über die
Wortartzugehörigkeit, über Wortbildungsmöglichkeiten, über Kollokationen, Synonyme
und gegebenenfalls Antonyme, über Ober- und Unterbegriffe, über die Häufigkeit des
Vorkommens, die Stilzugehörigkeit und das Vorkommen in Redewendungen und
Sprichwörtern.“ (Apeltauer 2014, S. 241).
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Methodische Prinzipien für den Wortschatzerwerb
Wörter sollten so weit wie möglich vernetzt gelernt werden: Der Ausbau von Vernetzungen wird angeregt, „wenn das neue Wissen zu bereits vorhandenem Wissen und
zu eigenen Erfahrungen in Beziehung gesetzt und reflektiert wird“ (Apeltauer 2014,
S.242). Bei Flüchtlingskindern, die ohne Deutschkenntnisse ankommen, bedeutet
dies: zunächst mit Wort-Bild-Zuordnungen arbeiten und sie die neuen Wörter mit dem
Äquivalent in der Herkunftssprache kennzeichnen lassen (so, wie auch wir englische
oder französische 'Vokabeln' gelernt haben).
„Um neu zu lernende Wörter in mehreren Netzen abspeichern zu können, müssen
Wörter in unterschiedlichen Situationen vorkommen und verschiedene Wahrnehmungskanäle beim Lernen beteiligt sein. Die Tabelle zeigt, wie effizient die Wörter
über die verschiedenen Kanäle aufgenommen werden. Speicherfähigkeit durch:
hören 20%
sehen 30%
hören und sehen 50%
sprechen 70%
hören, sehen und handeln 90%. „ (s. Nodari – Zusatzmaterial 1)
Darum sollten sich die LernpatInnen bemühen, den Flüchtlingskindern statt Wörtern
Erfahrungen zu vermitteln, die sie sonst nicht machen würden (Radfahren lernen, verschiedene Spiele und Spielgeräte auf dem Spielplatz ausprobieren, mit ihnen in den
Garten gehen und dort Pflanzen benennen, die dort anfallenden Tätigkeiten ausführen und benennen – z.B. graben, Rasen mähen, Erdbeeren pflücken, Äpfel ernten....).
Dies alles wird sprachlich begleitet, von den Kindern möglichst mit der richtigen Intonation (vgl. Einheit 4) wiederholt und später auf Lernkärtchen verschriftlicht. Diese
sollten auf der Vorderseite mit Informationen zum deutschen Wort beschriftet sein
und auf der Rückseite mit dem Äquivalent auf Arabisch, Persisch etc. Das neue Vokabular kann dann später in regelmäßigen Abständen wiederholt werden (nach dem
Prinzip der AOL-Lernkartei, vgl. Einheit 1, Zusatzmaterial 11 ), indem beispielsweise
die LernpatInnen die Kärtchen mit der 'arabischen' Seite zum Patenkind hochhalten
und das Kind auffordern, das deutsche Wort dazu auszusprechen.
Das neue Vokabular sollte nach Wortfeldern geordnet werden, die immer weiter ergänzt und ausgearbeitet werden. Um die Verbindung und semantische Beziehung
zwischen den Wörtern zu verdeutlichen, sind mind maps gut geeignet. Hier ein Beispiel:
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http://www.lehrer-online.de/dyn/pics/wortfam_feuer_454217-454223-2.jpg
Prinzip des handelnden und entdeckenden Lernens
Wörter werden idealerweise in konkreten und kommunikativen Situationen handelnd
erworben.
Beispiel: LernpatInnen sammeln Prospekte im Supermarkt, schneiden mit ihren Patenkindern Produkte aus, kleben sie auf Wortkärtchen (mit farbigen Klebepunkten zur
Kennzeichnung der Artikel, gehen anschließend mit dem Patenkind einkaufen).
Gemeinsames Einkaufen, Gärtnern, Plätzchenbacken oder Basteln kann wirkungsvoll
mit Wortschatz-Lernen verbunden werden. Neue Wörter werden in kleinen, von den
LernpatInnen selbst verfassten Texten verwendet und von den Lernpatenkindern illustriert („Wir waren gestern im Garten und haben Kirschen gepflückt….....“).
Hier werden sie dann von den LernpatInnen bei Bedarf erklärt und in schon bekannte
Wortfelder und Kontexte eingeordnet.
Weiteres Beispiel: Rezepte erstellen (die Milch, das Mehl, das Ei/die Eier, der Zucker,
das Salz, das Backpulver) – mit Mengenangaben; dann gemeinsam Kuchen oder
Plätzchen backen)
Verben nicht vergessen: abwiegen, aufschlagen (Eier), hinzufügen, rühren, kneten, in
den Ofen schieben (handlungsbegleitendes Sprechen)
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Mit offenen Augen durch die Straßen gehen: Die Kinder können dazu angehalten
werden, auf der Straße und in ihrem Umfeld Wörter zu sammeln, abzuschreiben und
in die Förderstunden mitzubringen. Unbekannte Wörter auf Reklame-Schildern werden so notiert und anschließend von den LernpatInnen erklärt. Werbesprüche und
Schlagzeilen aus Zeitungen und Illustrierten können ausgeschnitten und zu Collagen
aufgeklebt werden (Kleidung für Mädchen und Jungen / Autotypen/
Elektronik-Artikel etc.)
Bei der Wortschatzarbeit sind der Phantasie der LernpatInnen keine Grenzen gesetzt.
Die Gegenstände verschiedener Zimmer können mit Wortkärtchen versehen, beschriftet und später geübt werden (Wohnzimmer, Küche, Badezimmer), der eigene Körper
kann mit Wortkärtchen versehen und beschriftet werden, es kann mit Gesten auf Kleidungsstücke gedeutet, auf Packpapier kann der Körperumriss des Patenkindes aufgemalt und mit Wortkärtchen beschriftet werden, etc.
Zum Erwerb von Verben bietet sich ebenfalls die Methode „Total physical response“
an (vgl.Asher, James (1986) : Learning Another Language Through Actions. Sky Oak
Productions; Auflage: 7 / 2012) ):
„Heb den Arm“, „Zeig mir dein Haar, deine Augen, deinen Mund, deine Nase.....“
Diese Methode eignet sich auch hervorragend dazu, die Präpositionen / Ortsangaben
zu lernen:
„Setze den Teddy auf den Tisch, unter den Tisch, neben den Stuhl, hinter den Sessel......“
Lehrmaterialien
Bilderbücher, Wimmelbilder etc. können ein gutes Hilfsmittel sein, um Wortfelder zu
erarbeiten - wenigstens auf einer ersten Stufe, wo es noch darum geht, Dinge, die
illustriert werden können, zu benennen. Auch Sachbücher für Kinder mit wenig Text
können gemeinsam angeschaut und die Abbildungen für den Ausbau des Wortschatzes benutzt werden. Spiele wie Quartett, Memory, Kinderscrabble und andere helfen
beim ständig erneuten Anwenden und Behalten neu gelernter Wörter.
Bild-Wortzuordnungen bietet das Buch von Specht, Gisela / Forßmann, Juliane
(2010): Die 1 000 wichtigsten Wörter in Bildern erklärt. Ismaning: Hueber Verlag),
das auch in DaZ-Kursen für Erwachsene benutzt wird.
Ein hervorragendes Buch zum Erwerb von Grundwortschatz, mit dem auch der Erwerb der Schriftsprache erleichtert wird, ist: Mahlstedt, Dagmar (1999, 3. Aufl.): Lernkiste Lesen und Schreiben. Weinheim (Beltz Verlag). Dieses Buch eignet sich besonders für die individuelle Förderung von kleinen DaZ-LernanfängerInnen. Hier finden
LernpatInnen eine Fülle von Anregungen und Bastelanleitungen, um den Grundwortschatz zu vermitteln, der von den verschiedenen Fibeln vorausgesetzt wird und an
dem die für das Lesen- und Schreibenlernen so wichtige phonologische Bewusstheit
trainiert werden kann (s. dazu Einheit 4 und 5). Diese Materialien können kopiert, gemeinsam mit dem Flüchtlingskind ausgemalt, laminiert, auseinander geschnitten und
für Memorys und andere Lernspiele benutzt werden.
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Umfangreiches Lernmaterial zum Wortschatz-Lernen bietet das „Bild-Wort-Material für
den Unterricht mit Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache in Regelklassen, Sprachlernklassen, Übergangs- und Eingliederungsklassen sowie in den verschiedenen
Deutschkursen“, das im Internet unter dem Link:
http://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/leistungen/schule/info/ndt_herkunftssprache
/bild_wort_material.pdf frei zugänglich ist. Er wurde von einer Arbeitsgruppe Regensburger Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen entwickelt und bietet auf 100 Seiten
Abbildungen, Wort-Bild-Zuordnungen sowie Wörterlisten zu folgenden Sachgebieten:
I)
II)
III)
IV)
V)
VI)
VII)
VIII)
IX)
X)
XI)
XII)
XIII)
XIV)
Schule: Schulsachen, Personen, Räume, Dienste, Tätigkeiten
Zeit: Wochentage, Monate, Adverbien, Schulfächer/ Stundenplan, Uhr
Einkaufen - Lebensmittel - Obst - Gemüse
Wohnung - Bad - Spielzeug - spielen
Kleidung/Körper
Haustiere
Wiese: Pflanzen und Tiere
Bäume - Früchte
Vögel im Winter
Barbarazweige/Pflanzen im Winter, Vermehrung von Pflanzen
Luft - Verbrennung - schwimmen, sinken - Thermometer
Gefahren im Haus
Umgebung/Karte
Feste: Nikolaus, Geburtstag
(vgl. Zusatzmaterial 2)
Ein weiteres hervorragendes Lernmaterial im Internet wurde im Rahmen der FreinetPädagogik in Österreich von Kindern für Kinder entwickelt (vgl. WeltABC,http://www.weltabc.at/ - vgl. Zusatzmaterial 3). Hier werden deutsche Vokabeln
nicht in herkömmlicher Weise 'gepaukt', sondern auf vielfältige Weise mit Bildern, Audios zur Aussprache der Begriffe, Verben, Adjektiven, Nomen und Erläuterungen auf
einer datenbankgestützten Webseite präsentiert, die von den Kindern selbst zusammengestellt wurde. Die entsprechenden Internetseiten sind visuell gut gestaltetet
und in wünschenswerter Weise 'vernetzt'. Sie bieten
Bezeichnungen für WortRepräsentationen in verschiedenen Sprachen, die sich die Kinder durch Klicken auf
die entsprechenden Symbole auch vorlesen lassen können.
Ist schon ein gut ausgebauter Wortschatz in der Herkunftssprache des Flüchtlingskindes vorhanden (zumeist kann dies ja nur von den LernpatInnen vermutet werden), so
sollten auf jeden Fall die herkunftssprachlichen Bedeutungen mitgelernt werden.
Jede Verflechtung und Vernetzung mit dem vorher Gelernten ist sinnvoll, auch mit der
Herkunftssprache. Allerdings gilt auch: „Von jüngeren Kindern muss teilweise eine Doppelaufgabe bewältigt werden: Neue Wortformen müssen erlernt werden und zusätzlich
neue Bedeutungen bzw. Konzepte.“ (Apeltauer in: Ahrenholz / Ooomen-Welke 2014,
S. 247) Dies ist eine enorme Lernaufgabe, da hier auch zu bedenken ist, dass viele
Dinge in der Alltagswelt der Flüchtlingskinder nicht vorhanden waren oder eine andere
Bedeutung hatten (vgl. das Wortfeld „Speisen“: Vorsicht vor „Schweinebraten“ und
verschiedenen Wurstsorten etc., die bei den Kindern z.T. sogar Abscheu-Reaktionen
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hervorrufen.) Die interkulturelle Dimension des Lernens (vgl. dazu Einheit 8) sollte
immer mit präsent sein.
Praktische Durchführung
Die Wortschatzarbeit sollte von Anfang an mit der Einführung in die Wortarten verbunden werden. Hierzu einige praktische Beispiele: die Flüchtlingskinder sollten Substantive von anderen Wortarten unterscheiden können, denn Substantive werden immer groß geschrieben. Sie sollten wissen, dass es im Deutschen drei Genera gibt und
dass daher die Substantive als „Begleiter“ die Artikel „der“, „die“, „das“ haben (vgl. Zusatzmaterial 4).
Für jeden dieser Artikel sollte von vornherein mit den Kindern eine farbige Kennzeichnung (z.B. durch Klebepunkte auf den Wortkärtchen) vereinbart werden, die einheitlich
beibehalten wird (vgl. dazu Einheit 1). Die Artikel sollten immer mit dem Substantiv
zusammen gelernt werden. „Am Anfang sollten nur die bestimmten Artikel geübt werden. Erst wenn die Kinder in der Farbsymbolik sicher sind und gelernt haben nach
Artikeln zu sortieren, kann auch mit den unbestimmten Artikeln ebenso geübt werden.
Auch hierbei ist es sinnvoll, die unbestimmten Artikel immer auf die entsprechenden
bestimmten Artikel zurückzuführen.“ (Rösch u.a. 2003/2009, S.90).
In einem späteren Lernstadium kann auch auf den Wortkärtchen die Plural-Form der
Substantive vermerkt werden. Da es in der deutschen Sprache verschiedene Formen
für die Pluralbildung gibt, sollten diese mitgelernt werden. (vgl. Übersicht in Zusatzmaterial 5)
Für diese verwirrende Vielfalt, die den LernpatInnen erst einmal selbst bewusst gemacht werden muss, gibt es einige Regeln, aber auch viele Ausnahmen; der richtige
Gebrauch ist sicherlich erst nach und nach den Lernpatenkindern zu vermitteln:
„Auch wenn es in diesem Bereich einige Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf die Beugung des Wortes bzw. auf die Wahl der Pluralendung gibt, gibt es auch in diesem Bereich viele Ausnahmen, z.B.: Brot-Brote, Trog – Tröge. Weil DaZ-Kinder die Regeln
verallgemeinern, verwenden sie manchmal fehlerhafte Pluralbildungen, z.B. BusBüsse analog zu Kuss – Küsse.“ (Rösch u.a. 2009, S.140; hier finden sich einige gute
Übungsvorschläge)
Kreative Ansätze
Ein weiteres Buch zum spielerischen Ausbau von DaZ-Kenntnissen kann uneingeschränkt empfohlen werden:
Belke, Gerlind (2012): Mit Sprache(n) spielen: Kinderreime, Gedichte und Geschichten für Kinder zum Nachsprechen, Mitmachen und Selbermachen. Textsammlung.
Schneider Verlag Hohengehren.
Hier werden ältere LernpatInnen zu ihrem Vergnügen viele „alte Bekannte“ entdecken,
die ihnen noch aus ihrer eigenen Kindheit bekannt vorkommen. Z.B.: Im Klappentext
heißt es: „ Der Wohlklang erleichtert das Merken, auch wenn nicht gleich jedes Wort
verstanden wird. Alle Texte fördern den impliziten Sprach- und Schrifterwerb insbeReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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sondere der interkulturellen Kinder, die mit zwei Sprachen aufwachsen.“ (vgl. die Beispiel-Seiten
unterhttp://ganztag-blk.de/ganztagsbox/cms/upload/sprachfrderung/BS_8/BS_8_a/Praxisartikel_Die_verflixte_Nominalflex
ion_soll_in__Material.pdf – Zusatzmaterial 6
-------------------------------------Wenn die Kinder schon lesen und schreiben können, sollten sie frühzeitig kleine Texte
zusammen mit den LernpatInnen lesen mit Inhalten, für die sie sich interessieren (bei
Jungen z.B. über Fußball – vgl. Zusatzmaterial 7 - aus der Daz-Förderung einer Studentin mit einem Grundschulkind). „Ein Ausbau des Schrift-Wortschatzes erfolgt vor
allem dann, wenn die Lernenden einen solchen Wortschatz benötigen. Darum sollten
sie früh vereinfachte Lesetexte erhalten und zum Lesen und Nacherzählen solcher
Texte angehalten werden.“ Apeltauer S. 249).
Außerdem hilft das häufige Wiederholen dieser Texte beim Wortschatzerwerb:
„....wenn ein Text wiederholt vorgelesen wird, können bis zu 15 % der Wörter gespeichert werden....Kombiniert man Vorlesen mit der Erklärung schwieriger Wörter, können über 30 % gespeichert werden.....Dabei werden Ereignisse, die wir mit positiven
Emotionen verknüpfen, besser behalten als solche, die wir mit negativen Emotionen
verbinden oder die keine Emotionen in uns auslösen. Positive Gefühle verbessern
auch die Fähigkeit zum kreativen Umgang mit Informationen und zur Speicherung im
Langzeitgedächtnis.....“ (Apeltauer 2014, S.248).
Geschichten: Geschichten sind für Kinder wichtige Quellen für den Erwerb neuer
Wörter. Jede Geschichte bietet einen Kontext dank ihres Ablaufs und der Bilder, aufgrund derer unbekannte Wörter verständlich werden. Es ist nicht nötig, dass die Kinder jedes einzelne Wort einer Geschichte verstehen. Einige vorbesprochene Schlüsselwörter oder Bilder sowie der global verstandene Ablauf der Geschichte genügen,
um eine Geschichte im Grossen und Ganzen zu verstehen. Durch die wiederholte Beschäftigung mit der Geschichte in verschiedenen Aktivitäten (in Rollenspielen, mit
Zeichnungen, durch Rätselfragen, durch Fingerspiele etc.) werden die Wörter und
Wendungen mehrfach wiederholt und sie schleifen sich allmählich ein.Wer von den
LernpatInnen erinnert sich da nicht an die eigenen Kinder und Enkelkinder (soweit
vorhanden), die sich beim abendlichen Zusammenkuscheln auf das Vorlesen von
Märchen und Kinderbüchern gefreut haben – ungeachtet der Tatsache, dass diese
zumeist ganz viele schwierige Wörter und skurriles Vokabular enthalten.... Auch der
Wunsch der Kinder, immer wieder die gleichen Märchen zu hören mit genau der gleichen Wortfolge bei Zaubersprüchen oder sonstigen Formulierungen, erscheint dabei
in einem neuen Licht. Sie haben damit genau die Lernsituation eingefordert, die günstig ist für den Wortschatzerwerb.
Den Vorsprung freilich, den sie damit schon in jungen Jahren gegenüber den Flüchtlingskindern erworben haben, können diese schwerlich aufholen. Ein Jahr Unterricht
in einer Vorbereitungsklasse reicht dabei bei weitem nicht aus. Umso wichtiger ist
daher die individuelle Förderung, die genau auf den Anfänger-Lernstand der Flüchtlingskinder zugeschnitten ist (vgl. dazu Einheit 2), und die positive Zuwendung der
LernpatInnen.
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Informationen zum Wortschatzerwerb in DaZ aus der Sekundärliteratur:
Wertvolle Erklärungen, kombiniert mit Übungsmöglichkeiten, bietet
Heidi Rösch u.a.(2009): Deutsch als Zweitsprache. Grundlagen, Übungsideen, Kopiervorlagen zur Sprachförderung (Grundschule), Braunschweig
• Kap. Wortschatz und Wortbildung, S.89 – 104 sowie zum
• Genus-Lernen: S. 132 – 136
Claudio Nodari: Grundlagen zur Wortschatzarbeit
in: NW EDK netzwerk sims Sprachförderung in mehrsprachigen Schulen • © IIK Institut für Interkulturelle Kommunikation, Zürich, 2006 • S.1-7 (vgl. Zusatzmaterial 1)
Quelle:
http://www.schulentwicklung.nrw.de/materialdatenbank/nutzersicht/materialeintrag.php
?matId=383
------------------------------------------------------
Grundwortschatz
„Jeder Grundwortschatz besteht aus einer begründeten Auswahl von Wörtern. Die
Begründung für die Auswahl der Wörter liegt im Grundschulbereich in der Regel in der
Gebrauchsfrequenz, ergänzt durch den Aspekt des wahrscheinlichen Vorkommens in
der Sprache der Schülerinnen und Schüler. Er ist nicht zu verwechseln mit dem vorgefundenen oder gar wünschenswerten Verstehens- bzw. Mitteilungswortschatz von
Grundschulkindern.
Hinter der Auswahl der Wörter aus dem möglichen Spektrum der Sprache steht die
sprachstatistisch
abgesicherte Erkenntnis, dass relativ wenige Wörter einen verhältnismäßig großen
Teil der Texte im Deutschen abdecken.“
(Mascha Kleinschmidt-Bräutigam, Karin Babbe,Friederike Terhechte-Mermeroglu
(2013):
Mit Kindern den Wortschatz entdecken. Handreichung zum (Grund-)Wortschatzlernen.
© Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM); Ludwigsfelde 2013
CC BY ND 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de)
bildungsserver.berlin-brandenburg.de/.../Wortschatz_entdecken_2013.p.
Diese Handreichung wendet sich hauptsächlich an deutschsprachige Kinder. Jedes
der 17 Bundesländer entwickelt praktisch seine eigenen Grundwortschätze und gibt
sie mehr oder weniger normiert vor. (vgl. dazu auch Zusatzmaterial 8 : ein Grundwortschatz aus der Schweiz für die 1. und 2. Klassen, mit dem sich gut arbeiten lässt )
Im Rahmenlehrplan Deutsch als Zweitsprache für das Land Rheinland-Pfalz
heißt es dazu (S.11):
„Ein Kern-und Arbeitswortschatz ist kein Gegenstand kontextfreier Übungen, Diktate
oder Einsetzaufgaben, sondern eine Orientierungshilfe für den Sprachbestand, der
möglichst oft und in unterschiedlichen Sinnbezirken angewandt und reflektiert werden
sollte. Zwangsläufig unterscheidet sich der verfügbare Wortschatz der Lernenden und
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entwickelt sich auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichen Lernstrategien.“
Dies ist quasi eine Aufforderung zum individualisierten Wortschatz-Training, auch für
die LernpatInnen.
Zwei kommerzielle Hilfen zur Wortschaftarbeit im DaZ-Unterricht seien noch erwähnt:
Thormann, Rena (2013): Deutsch als Zweitsprache in Vorbereitungsklassen. Bd. 2
Wortschatztraining Teil 1 und Teil 2. Kerpen: Kohl Verlag
Hier findet sich ein nach Wortfeldern geordneter, bebilderter Grundwortschatz für
DaZ-Anfänger mit durchdachten Übungen.
Die schon erwähnten AOL-Lernboxen gibt es auch befüllt mit Karten zum Grundwortschatz der Klasse 1 – 4 (vgl. Zusatzmaterial 9).
Eine mit dem „eigenen“ Lernwortschatz gefüllte und immer wieder in Übungen und
Wiederholungen umgewälzte Lernbox ist allerdings wegen der Eigenaktivität der Lernenden vorzuziehen.
Hier ein Beispiel für Wortschatzarbeit (DaZ-Förderung eines Jungen aus Pakistan durch eine Studentin):
Da H. zu Beginn der Förderung erst wenige Wochen eine deutsche Schule besucht hatte,
waren Kenntnisse der deutschen Sprache weder mündlich noch schriftlich vorhanden. Die
Kommunikation musste völlig auf Englisch stattfinden, da er über quasi keinen Wortschatz in
Deutsch verfügte und somit weder aktiv kommunizieren noch rezipieren konnte. Trotz fehlenden
Vokabulars gelang es H. von Beginn an, von mir neu eingeführte Wörter phonologisch korrekt
wiederzugeben.
Eine Sprachstands-Diagnose mit den gängigen Feststellungsverfahren war bei H. nicht möglich, da
er noch keine Grundkenntnisse in der deutschen Sprache hatte. Insofern war naheliegend, zunächst
einen intensiven Aufbau des Wortschatzes anzugehen, um nach und nach grammatikalische
Phänomene miteinzubeziehen.
Ziel für die folgenden 20 Förderstunden und die Sprachförderarbeit insgesamt war einerseits, gemeinsam den Grundwortschatz für Deutsch als Zweitsprache für die erste und
zweite Klasse zu erarbeiten. Als eine Art „optionales Ziel“ hatte ich darüber hinaus die
Konjugation der regelmäßigen Verben im Präsens gesetzt, abhängig davon, wie erfolgreich die Wortschatzarbeit verlaufen würde. Das Gesamtziel war also, H. einen Basiswortschatz an die Hand zu geben, mit dem er seine Umwelt benennen kann und eine Alltagskommunikation möglich wird.
Von Beginn an haben wir viel mit Bildmaterial zum Erwerb von neuen Wörtern gearbeitet. Da H.
eine große Begeisterung für Rätsel und Memory hat, habe ich die systematische Wiederholung der
Lernwörter meist in Form eines Memorys oder eines Kreuzworträtsels durchgeführt. Um dabei
gleichzeitig auch die Aussprache zu trainieren, habe ich stets darauf geachtet, dass H. z.B. beim
Memory die abgebildeten Dinge oder Wörter laut benennt.
Bei der Wiederholung der Wörter habe ich Wert darauf gelegt, diese nach und nach auch mehr in
einen Kontext eingebettet zu wiederholen, zum Beispiel in einen kleinen Text über das Backen eines
Schokoladenkuchens.
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Explizit habe ich auch darauf geachtet, dass H. die Artikel zu den Substantiven gleich beim Lernen
des Wortes systematisch mitlernt.
Da die Wortschatzarbeit sehr gut verlief, begannen wir auch schrittweise mit der aktiven
Konjugation der regelmäßigen Verben im Präsens.
Lernerfolg und Ausblick
Zu Beginn der Förderung hatte H. im Prinzip keinen vorhandenen Wortschatz. Im Verlauf
der Sitzungen gelang es uns, Thema für Thema abzuarbeiten und durch regelmäßiges
Wiederholen so zu festigen, dass H. am Ende der Einheit zumindest einen großen Teil
des Grundwortschatzes beherrschte. Zunächst lag der Fokus vor allem auf Substantiven
und ihren Artikeln, doch mit der Einführung der Verbkonjugation im Präsens kamen auch
immer mehr Verben dazu. In der letzten Fördersitzung haben wir gemeinsam sogar schon
kurze Sätze aus Subjekt, Prädikat und einem einfachen Akkusativobjekt geschrieben. Bis
er diese Satzkonstruktionen jedoch fehlerfrei selbstständig beherrscht, wird es noch einiges an Übung benötigen.
(H. Lenger, Studentin/Junge, 10 J., Pakistan)
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Einheit 4: Hören und Sprechen
Flüchtlingskinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, werden beim Eintritt in die
deutsche Schule in ein „Sprachbad“ aus fremdem Lauten geworfen – oft ohne „Rettungsring“. Diese Verfahren ist jedoch so risikoreich wie eine Flucht im Schlauchboot... Es kann bei manchen Flüchtlingskindern für den raschen Erwerb des Deutschen förderlich sein, kann aber auch zu einem anfänglichen Sprachschock führen,
der die Kinder zunächst erst einmal für längere Zeit verstummen lässt.
Vordergründig besteht bei Erwachsenen der Eindruck, dass Kinder ja so schnell
Deutsch lernen, und wahrscheinlich sogar mühelos, wenn man sie nur mit deutschen
Kindern zusammenbringt. Das ist ein Trugschluss. Schon für kleine Kinder ist der Erwerb einer fremden Sprache harte Arbeit – diese läuft nur von außen gesehen „spielerisch“ ab. Selbst kleine Kinder sind ständig dabei, Hypothesen zu testen über die
'richtigen' Strukturen der neuen Sprache. Sie lernen dann durch 'trial and error' diejenigen Strukturen in ihren eigenen Sprachgebrauch zu übernehmen, die von den Erwachsenen als 'richtig' akzeptiert und positiv verstärkt werden.
Jüngere Kinder (bis etwa zum Beginn der Pubertät) sind allerdings darin den erwachsenen Fremdsprachen-LernerInnen überlegen, dass sie leichter eine akzentfreie Aussprache und Intonation erwerben als Erwachsene, und viele von ihnen können nach
kurzer Zeit akzentfrei Deutsch sprechen. Das ist ein großer Vorteil des imitativen Lernens, welches in jungen Jahren gut funktioniert. Dennoch muss für den Erwerb der
Schriftsprache auch eine gute Hörschulung hinzukommen (vgl. Einheit 4): „Der Weg
zu einer Aussprache, die den phonologischen Kontrasten der Zielsprache gerecht
wird, muss über den Erwerb der Fähigkeit gehen, diese differenziert zu hören.“
(Koeppel 2/2013, S. 88). Erwachsene LernerInnen des Deutschen (besonders Griechen), haben z.B. die größten Schwierigkeiten, die verschiedenen Varianten von s,
sch, ch im Deutschen überhaupt zu hören und dann auch richtig auszusprechen.
1. Schwierigkeiten der anderssprachigen Kinder beim Erwerb des deutschen
Lautsystems
Kinder, die sich plötzlich in einer deutschsprachigen Umgebung zurechtfinden müssen, befinden sich in einer Situation der „submersion“. Gerlind Belke sagt dazu: „Die
SUBMERSION ...ist die in der Bundesrepublik fast ausschließlich praktizierte Unterrichtsform für die Erziehung zweisprachiger Einwandererkinder und zugleich die Form,
die in der internationalen theoretischen Diskussion am schlechtesten beurteilt wird.“
(Belke 2001, 2. Aufl., S. 25). Im wesentlichen beruht diese negative Bewertung darauf,
dass die Kinder ihre Fähigkeiten in der Muttersprache schneller verlieren, als sie die
Zweitsprache Deutsch erwerben (vgl. dazu Belke 2001, S. 11 f).
In der augenblicklichen Diskussion wird darauf jedoch keine Rücksicht genommen.
Der möglichst rasche Deutsch-Erwerb scheint das Gebot der Stunde zu sein. Die
Gefahr, dadurch bei den Flüchtlingskindern eine „doppelseitige Halbsprachigkeit“ zu
produzieren – wie z.B. bei einem beträchtlichen Teil der hier geborenen Migrantenkinder, die dadurch zu Schulversagern geworden sind – wird nicht gesehen und diskuReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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tiert. Selten hört man z.B. die Forderung nach der Einrichtung von Arabisch-Kursen für
junge Syrer, deren Sprachentwicklung in der Muttersprache mit der Flucht zwar abgeschnitten wurde, aber in Deutschland gewiss stagnieren wird, wenn sie nicht weiterentwickelt wird. Zur räumlichen Trennung von ihrer vertrauten Umgebung, die durch
die Flucht erzwungen wurde, kommt dann auch noch die sprachliche Entfremdung.
Außerdem bedeutet der Verlust der Muttersprache auf jeden Fall eine gravierende
intellektuelle Beeinträchtigung.
Die Flüchtlingskinder rasch und ausschließlich an den DaZ-Erwerb heranzuführen, ist
das Gebot der Stunde, hat aber auch einen Vorteil: Im Bereich der Aussprache können Kinder (gegenüber erwachsenen Deutsch-Lernern) die Lautfolgen in einer fremdem Sprache viel präziser wahrnehmen als Erwachsene, und sie haben weniger
Hemmungen, fremde Laute nachzuahmen und auszusprechen (s.o.). Deshalb besteht
bei ihnen auch eher die Chance, eine unauffällige Aussprache zu erwerben, die der
zielsprachlichen Norm weitgehend angenähert ist. Die Grenze dafür liegt in etwa vor
Beginn der Pubertät (vgl. dazu Koeppel 2013, S. 87).
Aus- und Fortbildung der Lehrpersonen und LernpatInnen im Bereich der Phonetik
Die Lerngebiete Hörverstehen und Sprechen in DaZ verlangen eigentlich Spezialkenntnisse in Phonetik. Darum sollen hier erst einmal ein paar Grundbegriffe eingeführt werden:
„Definition Phonetik & Phonologie: Die Phonetik beschreibt die Entstehung, Übertragung und Wahrnehmung, also hauptsächlich die materielle Seite der Sprachlaute.
Dabei interessieren sämtliche Laute aller Sprachen.
Die Phonologie hingegen untersucht vor allem die Funktion und Eigenschaft von
Sprachlauten als Elemente eines Sprachsystems, also die funktionelle Seite der
Sprachlaute in einer Sprache.
(Quelle: http://home.uni-leipzig.de/siebenh/subfolder/phonetik_phonologie/09.pdf)
Aufgabe der Phonologie ist es also, Sprachlaute unter dem Aspekt ihrer funktionalen
Eigenschaft zu analysieren, das Phonemsystem einer Sprache zu erstellen und die
Regeln zu ermitteln, nach denen dieses System funktioniert.
Phonem ist die Bezeichnung für kleinste aus dem Schallstrom der Rede abstrahierte
lautliche Segmente mit potentiell bedeutungsunterscheidender Funktion.
Quelle: (http://home.unileipzig.de/siebenh/kurse/WS0910/v_system/v_sprachsystem03.pdf)
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Was muss beim Erwerb einer neuen Sprache gelernt werden?
„Aussprache:
Das bedeutet unter anderem, neue Mundbewegungen zu lernen. Einige Bewegungen
sind völlig neu, weil es in der Muttersprache keinen ähnlichen Laut gibt. Bei anderen
muss man nur Details ändern und zum Beispiel die Muskeln etwas stärker spannen
oder die Zunge ein bisschen höher heben. Das kann aber genau so schwierig sein,
wie einen Laut komplett neu zu lernen. Damit man die neuen Bewegungen beim
Sprechen verwenden kann, muss man sie automatisieren, zuerst z.B. in kleineren
Einheiten wie in Silben oder Wörtern, dann in Ausdrücken und ganzen Sätzen.
Laute wahrnehmen
Für die Aussprache ist nicht nur die Artikulation wichtig. Man muss
auch wahrnehmen (= hören können), welche Laute oder welche Unterschiede in der
Lautstärke oder Tonhöhe etc. in der jeweiligen Sprache wichtig sind.
Einfluss der Muttersprache
Die Muttersprache wirkt wie ein Filter. Das heisst, man hört eventuell nur die Merkmale, die in der Muttersprache wichtig sind. Wenn man aber gar nicht weiss, dass es ein
bestimmtes Phänomen (zum Beipiel das “ü” oder den Wortakzent) gibt, spricht man es
auch nicht. Deshalb muss man zum Beispiel bewusst lernen,
• auf den Wort- und Satzakzent zu achten,
• zu hören, wie die Melodie verläuft,
• wo Pausen gesetzt werden,
• ob ein Vokal lang oder kurz ist (sehr wichtig für das Deutsche!)oder ein Konsonant
mit viel oder wenig Energie gesprochen wird und
• versuchen, diese Merkmale selber zu produzieren.
Welche Probleme man hat, ist stark von der Sprache oder den Sprachen abhängig,
die man bereits spricht. Phänomene, die für das Verstehen besonders wichtig sind,
sind z.B. der Satz- oder Wortgruppenakzent (und damit verbunden die Intonation) und
der Wortakzent. Im Zusammenhang mit den Akzenten ist es wichtig, dass die Vokale
und Konsonanten in den Akzentsilben deutlich ausgesprochen werden. (Andere Silben werden je nach Sprechtempo stark reduziert und sind undeutlicher).
Selbsteinschätzung der Lernenden
Auch die Selbsteinschätzung muss man üben. Am Anfang kann es sehr schwierig
sein, überhaupt zu merken, dass man etwas nicht hört oder falsch ausspricht. Das
Nachdenken darüber ist aber schon ein wichtiger erster Schritt zu einer Verbesserung.
Um selbstständig üben zu können, muss man auch lernen, sich selber einzuschätzen.
Dazu gehört:
• zu wissen, was man gut kann und wo man Probleme hat
• zu wissen, wann man alleine nicht mehr weiter kommt
• zu merken, ob man Fortschritte gemacht hat“
(Quelle: http://cornelia.siteware.ch/cms/daf-daz-2/aussprache/aussprache-uben/wasmuss-man-lernenuben - Veröffentlicht durch Cornelia Steinmann)
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Bei all diesen Lernschritten können die LernpatInnen für die Kinder eine große Hilfe
sein, wenn sie sensibel genug vorgehen. Das gilt besonders deshalb, weil die Kinder
mit dem Erwerb eines neuen Lautsystems im fremden Land weitgehend auf sich gestellt sind:
• „Phonetik/Aussprachetraining ist im Unterricht oft ein Stiefkind – viele Lehrkräfte
sagen, sie hätten keine Zeit dafür oder halten das Thema generell für unwichtig.
Tatsache ist aber, dass die Kursteilnehmenden häufig Kommunikations- und
Integrationsprobleme wegen ihrer Aussprache in Deutschland haben.“
(http://www.aussprachetraining.de/seminare/fuer-dafdaz-lehrkraefte/)
Was für Erwachsene gilt, gilt natürlich auch besonders oft für Kinder. Deutsche Kinder
sind oft unsensibel und verfolgen die kleinen DaZ-AnfängerInnen mit unbarmherzigem
Spott, wenn sie nicht so sprechen wie „normal“. Das ist der Grund dafür, dass viele
kleine ZweitsprachlernerInnen oft nach kurzer Zeit verstummen, obwohl sie am Anfang große Motivation zum Deutsch-Lernen zeigten (s.o.). Denn wer will ständig ausgelacht werden, wenn er den Mund auftut?
Einige Fakten zur Phonetik:
Deutsch hat rekordverdächtig viele Vokale, nämlich 14 – 16 Vokale. (Die meisten
Sprachen der Welt haben 5 – 7 Vokale).
Diese vielen Vokale kommen zustande, weil Deutsch
o vier statt drei Ebenen der Artikulation hat; die mittlere Ebene anderer Sprachen ist
ausdifferenziert.
o vordere gerundete Vokale hat (die Umlaute ü und ö) und schließlich
o alle Vokale im Paar lang – kurz (gespannt – ungespannt) vorkommen. Das wiederum hat Konsequenzen für die Rechtschreibung (Beet - Bett)
Deutsch kennt – im Gegensatz zu vielen Sprachen der Welt – Konsonantenhäufungen am Wortanfang und Wortende: Beispiel „Strumpf“
Die folgenden Konsonanten sind schwer, weil weltweit sehr selten: [ç] / [x] und [ʀ] (Zäpfchen-R).“
(vgl. dazu Rolf Koeppel (2013), S.91 ff)
Man kann den LernpatInnen natürlich nicht zumuten, einen kompletten Kurs in Phonetik zu absolvieren. Man kann sie aber sensibilisieren für die Besonderheiten des
deutschen Lautsystems, welche den Erwerb des Deutschen
für junge DaZLernerInnen aus anderen Ländern erschweren. Eine pfiffige Webseite dazu ist:
http://www.klett-sprachen.de/phonetiktrainer-a1-b1/t-1/9783126762328 (vgl. Zusatzmaterial 1)
Auf dieser frei zugänglichen Webseite werden in kleinen Kurzfilmen wichtige Phänomene der deutschen Sprache erklärt:
Wortakzent
Satzakzent und Rhythmus
Pausen und Melodie Vokale lang und kurz
E-Laute
O- und U-Laute
E- und Ü-Laute
Diphtonge
Assimilationen
Plosive
F-,W- und S-Laute
Ich-, Ach-Laute und Sch
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R-Laute
Ang-Laut
Vokalneuansatz
Konsonantenverbindungen Deutsch
Assimilationen
Dazu gibt es Kopiervorlagen für Arbeitsblätter, u. a. mit witzigen Reimen, mit denen
z.B. der Unterschied zwischen langen und kurzen Vokalen eingeübt werden kann:
Training des Hörverstehens mit Hilfe der LernpatInnen
In der Zweit- und Fremdsprache „steht der Lerner zunächst vor dem Problem, aus
dem fremd klingenden Lautkontinuum, das ihn umgibt, die Wortformen der Zielsprache zu isolieren. Dabei kann er ...Hilfen von kompetenten Sprechern erhalten. ...Der
Lehrer spricht zu Anfängern generell langsamer und deutlicher; ein zu lernendes neues Wort hebt er durch Pausen vorher und nachher sowie durch erhöhte Lautstärke
hervor, und er bemüht sich in der Regel um mehrfache Wiederholung.“ (Koeppel
2013, S. 123). Eine solche langsame, betonte Sprechweise sollten sich die LernpatInnen auch für ihre Arbeit mit DaZ-SprachanfängerInnen angewöhnen. Sie sollten möglichst akzentfrei und ohne regionale Einfärbung sprechen.
Damit erleichtern sie den Kindern das Hörverstehen:
„Hörverstehen ist eine Form der Sinnherstellung. Die wahrgenommenen Laute müssen analysiert und einer Bedeutung zugeordnet werden: Hören + Verstehen. So banal
dies klingen mag, handelt es sich jedoch um einen höchst komplexen Vorgang, der
einigen Störungen unterliegen kann. So kann ein DaZ-Kind möglicherweise aufgrund
seiner Hörgewohnheiten aus seiner Erstsprache bestimmte bedeutungsunterscheidende Laute des Deutschen kaum oder nur mit höchster Konzentration wahrnehmen
(Hans-Eberhard Piepho, in: Rösch u.a. 2009, S. 55)“.
Im lateinamerikanischen Spanisch z.B. werden die s-Laute oft gemieden oder am
Wortende fallen gelassen. Es kann durchaus sein, dass ein Kind dann ein „Ei“ verlangt, wenn es ein „Eis“ möchte....(und dann natürlich nicht zufrieden ist, wenn es d
ein Ei bekommt!)
Türkischsprachige Kinder können z.B. den Unterschied zwischen langen und kurzen
Vokalen kaum wahrnehmen, weil er in ihrer Sprache nicht existiert. Gerade in diesem
Bereich brauchen sie besonderes Training, weil diese Unterschiede im Deutschen
auch für die Orthografie relevant sind.
Koeppel (2013, S.16 – 109) empfiehlt dazu das weit verbreitete Arbeiten mit KontrastPaaren, das auch dem obigen Beispiel zugrunde liegt.
Belke weist auf die Schwierigkeiten portugiesischer SprachlernerInnen hin, das deutsche h korrekt zu hören, was zu Fehlschreibungen führt. (vgl. dazu auch Belke 2001,
S. 115/116 ff).
Auch die auditive Wahrnehmung der Diphtonge ei, au, eu ist problematisch. Das Hören und Schreiben von Umlauten, die in anderen Sprachen nicht vorkommen, kann
durch das Bewusstmachen der ursprünglichen Wortformen erleichtert werden (HahnHähne, alt-älter, Buch Bücher, Haut-Häute – wenn sie denn bekannt sind........).
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Oder durch folgendes nettes Gedicht, das sich auf bei Koeppel (2013,S. 108 ) findet:
Auf einem O
saß einst ein Floh
und tat, als sei das üblich so.
Da sprang ein zweiter Floh hinzu
zum Rendezvous.
Jetzt saßen auf dem O
zwei Flöh
und machten aus dem O
ein Ö.
Auf die Beschreibung der phonetischen Besonderheiten der Herkunftssprachen von
DaZ-Flüchtlingskindern in Deutschland (Arabisch, Persisch und Kurdisch, Bosnisch/
Kroatisch/ Serbisch und Bulgarisch) wird hier verzichtet. Sie können nachgelesen
werden in dem Buch „Das mehrsprachige Klassenzimmer“ (s.o., hrsg. von Manfred
Krifka u.a., 2014) sowie Edith Slembek(1986): Lehrbuch der Fehleranalyse und Fehlertherapie. Heinsberg: Agentur Dieck (für Griechisch, Italienisch, Türkisch).
In den Vorbereitungsklassen der Schule können sich die LehrerInnen auf phonetische
Besonderheiten der einzelnen Herkunftssprachen nicht einstellen, denn dort sind Kinder der verschiedensten Herkunftssprachen versammelt. Wichtig ist jedoch, auf Besonderheiten der Phonetik der deutschen Sprache hinzuweisen (vgl. dazu Belke
2001, S.126 - 129). Manche Kinder übernehmen von sich aus – quasi mühelos – eine
korrekte Intonation im Deutschen (vorausgesetzt, ihre Lehrpersonen bieten sie ihnen
als Sprachvorbild im Unterricht an und sprechen nicht irgendwelche ausgeprägte Dialekt-Varianten des Deutschen!) Manche Phoneme machen ihnen jedoch Mühe und
müssen geübt werden. Das kann in spielerischer Form zusammen mit den LernpatInnen geschehen, am besten an Hand von Gegensatzpaaren
Hier ein Beispiel aus dem Förderunterricht einer Studentin mit W., einem ist acht Jahre alten Flüchtlingsmädchen, das seit zwei Jahren in Deutschland lebt:
„Wie bereits erwähnt, waren W's mündliche Fähigkeiten bereits auf einem sehr hohen
Niveau. Das einzige Problem in W's Aussprache war die Unterscheidung zwischen /χ/
und /c/
und /ʃ/. Dies fiel mir auf, als W. einen Text aus ihrem Lesebuch vorlas, bei dem es um
Störche
ging. W. sprach „Störche“ immer mit einem /ʃ/ anstatt eines /c/ aus. Deshalb stellte ich
eine
Liste mit Worten mit [sch] und [ch] zusammen, beispielsweise „Buch“, „Bücher“ und
„Flasche“.
W. sollte die Wörter vorlesen und dann entscheiden, ob sie mit /c/, /χ/ oder /ʃ/ ausgesprochen
werden. Dies klappte problemlos. W. entschied bei allen 22 Wörtern richtig und sprach
sie
korrekt aus.
Das bedeutete für mich, dass sie zwar wusste, welches Wort wie ausgesprochen wird,
es jedoch oft beim Sprechen oder Lesen falsch machte, da das /c/ sehr schwierig für
sie ist, denn
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es ist nicht im Phonem-Inventar ihrer Muttersprache vorhanden. Da es W. kein Problem
bereitete, wenn ich sie ab und zu verbesserte – manchmal fragte sie sogar nach, ob
sie es richtig
gemacht hatte – lasen wir den Text über Störche in mehreren darauffolgenden Stunden und ich
verbesserte sie, wenn sie „Störche“ oder andere solche Worte falsch aussprach. Außerdem
sprachen wir über Störche, da W. Störche schon einmal gesehen hatte.“
(Almut Frisch, 2015)
Beim Verbessern einer nicht korrekten Aussprache müssen die LernpatInnen mit viel
Fingerspitzengefühl vorgehen. Mit jüngeren DaZ -LernerInnen sollte in diesem Bereich nichts forciert werden. Man kann darauf vertrauen, dass die Hör- und Sprechwerkzeuge der Kinder noch so formbar sind, dass sie bei entsprechendem Input imitativ von selbst die richtigen Ausprache-Varianten wählen. Das Bedürfnis, von den
Gleichaltrigen akzeptiert zu werden und dazuzugehören, tut ein Übriges dazu, um die
Hör- und Sprechwerkzeuge der Lernpatenkinder zu schärfen.
Es gibt eine Internet-Seite, auf der die Artikulation der Phoneme des Deutschen anhand von Hörbeispielen trainiert werden kann. Dort erscheint sowohl der einzelne Laut
plastisch mit seiner Artikulationsstelle im Mund, als auch in Beispielwörtern. Dieses
Lernmaterial können die LernpatInnen mit ihren Patenkindern gemeinsam anschauen,
anhören und nachsprechen. Vielleicht bekommen die Kinder dann ja auch Spaß daran, zu Hause damit selbständig am Computer die korrekte Aussprache deutscher
Wörter zu trainieren:
http://soundsofspeech.uiowa.edu/german/german.html
Bei youtube gibt es eine Serie von Aussprache-Übungen und Demonstrationen, zu
sehen unter der Überschrift „Akzentfrei Deutsch sprechen“. Auf die frei zugänglichen
Video-Beispiele
und
Arbeitsblätter
der
Internet-Seite
http://www.klettsprachen.de/phonetiktrainer-a1-b1/t-1/9783126762328 wurde oben schon hingewiesen (vgl. Zusatzmaterial 1).
Das Lautsystem des Deutschen
Den LernpatInnen sollte bekannt sein, dass es im Deutschen nicht nur 5, sondern 14
– 16 Vokale gibt, die bedeutungsunterscheidend sind. Das ist nach Koeppel viel mehr
als die fünf bis 8 Vokale in den anderen Sprachen der Welt (S.91 ff). Diese Anzahl
mag auch die LernpatInnen erstaunen. Sie haben sicherlich noch nie darüber nachgedacht, welche Schwierigkeit es für anderssprachige LernerInnen bedeutet, zwischen „langen“ und „kurzen“ Vokalen zu unterscheiden, die in Wirklichkeit von der
Aussprache her zwei verschiedene Vokale sind (gespannt und ungespannt, gerundet
oder ungerundet):
Beispiel: „Ofen /offen“, „Esel / essen“. Folgender Link führt z.B. zu einer AusspracheÜbung im Internet mit langen und kurzen Vokalen, die mit den Lernpatenkindern angeschaut und trainiert werden kann
(https://www.youtube.com/watch?v=OcyVwXums54).
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Verständnissicherung beim Hören
Wie schon in Einheit 1 dargelegt (vgl. Skizze Dietrich, Zusatzmaterial 2), muss bei
DaZ-LernerInnen zunächst beim Hören die betreffende sprachliche Äußerung den
Filter der Muttersprache und ihres Lautsystems passieren. Dann erst wird der 'Bedeutungsfilter' des neu zu lernenden Lautsystems aktiviert (unterstützt von der Sinnerwartung, die auf Situation und Kontext basiert), um dem gehörten Lauten einen Sinn abzugewinnen.
Hierzu stellt Belke fest: „Die auditive Wahrnehmung einer Lautfolge hängt von Verständnis ab. Verstandene Wortfolgen werden besser wahrgenommen als unverstandene.“ (Belke – 2001, S. 105) Darum sollte zunächst das Vorverständnis der Kinder
zu dem Inhalt der Texte erfasst werden, besonders wenn diese zuerst durch Zuhören
wahrgenommen werden. „Aktiviert wird das Vorverständnis im Rahmen kleiner Spielszenen, mittels Zeichnungen, Gesten und Mimik, Auswahl und Ordnen von Bildelementen, aber ggf. auch durch kurze Verständigungen in der Muttersprache, wenn entsprechende PartnerInnen vorhanden sind.“ (Piepho in: Rösch u.a.2009, S.55).
Die LernpatInnen können das Hörverstehen spielerisch üben durch Total-PhysicalResponse-Übungen (durch Imperative wie: Geh zur Tür, öffne das Fenster, öffne das
Buch auf Seite.....) oder durch Mal-Übungen, womit gleichzeitig ein Wortfeld vertieft
werden kann (z.B. Wohnung und Wohnungseinrichtung: Male ein Zimmer – male in
die Mitte einen Tisch – male einen Stuhl vor den Tisch – male eine Lampe über den
Tisch – male eine Blumenvase auf den Tisch – male Blumen in die Vase......)
Koeppel (2013) setzt sich ebenfalls intensiv mit dem Training des Hörverstehens auseinander. Er stellt zunächst fest: „Hörtexte müssen kürzer und leichter sein als Lesetexte auf der entsprechenden Stufe.“ (S.249) Sie sollen klar aufgebaut und sprachlich
redundant sein (d.h. Wiederholungen und themengleiche Bestandteile enthalten). Am
besten werden sie auf Tonträger dargeboten, so dass der Lernende (und sein Lernpate) immer wieder zurückspulen und einzelne Textstellen oder den ganzen Text wiederholen kann. Besonders hilfreich ist, wenn ein Hörtext auch audiovisuell präsentiert
wird. Dabei soll jedoch die visuelle Darbietung nicht zu sehr vom Hören ablenken.
(vgl. z.B. das nette Video zum Einüben von Begrüßung und Vorstellung:
https://www.youtube.com/watch?v=mrpI6eriAHE).
Kinderlieder (z.B. von Rolf Zuckowski) können ebenfalls das Hörverstehen anbahnen;
besonders sind sie geeignet zur Vermittlung von Sprachrhythmus, Akzent und Intonation. Durch häufiges Wiederholen des Refrains prägen sich die Texte ein. Diese kann
man übrigens zur Unterstützung des Hörverstehens herunterladen, z.B. unter
http://www.magistrix.de/lyrics/Rolf%20Zuckowski/
Ein gutes Beispiel für eine Aufgabe, die von LernpatInnen und ihren Patenkindern
gemeinsam durchgeführt werden kann, ist die „Zerschnittene Bilderfolge“ (s. Koeppel
S. 251): „Sofern zu einem Hörtext begleitendes Bildmaterial in Form einer Bildsequenz
vorliegt, können die Bilder zerschnitten und die Lerner aufgefordert werden, die vermutete Reihenfolge wiederherzustellen.“ Die Bilder können vorher erklärt und besprochen werden, was eine Sinnerwartung aufbaut. Mit dieser „Technik“ lassen sich z.B.
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billige Märchen – und Geschichtenbücher aus der Disney-Produktion bearbeiten, zu
denen oft auch Hörkassetten oder CD-Roms vorliegen.
Training des Sprechens in der DaZ-Förderung
In dem Buch von Heidi Rösch u.a. (2009) finden sich zahlreiche Übungen zum Sprechen ( z.B. S . 116 – 117), die die LernpatInnen mit ihren Patenkindern durchführen
können. In der intimeren Eins-zu-Eins- Situation bei der Lernpatin /dem Lernpaten
können die Kinder freier sprechen und brauchen keine Lächerlichkeit zu befürchten
(s.o.).
Auch Rösch Rösch u.a. schlagen die Arbeit mit Reimen und Gedichten vor(S. 112):
Es mag sowohl dem Kind als auch dem Lernpaten/ der Lernpatin Spaß machen, dies
lautmalerische Gedicht zusammen zu lesen, zu sprechen, vielleicht auch rhythmisch
zu klatschen (um den Wort- und Satzakzent zu üben) etc.:
Gedicht vom Krokodil
Das Krokodil
liegt faul am Nil,
doch seine Augen sind stets offen,
weil Krokodile immer hoffen,
dass sie was zum Fressen seh'n.
Drum darfst du im Nil nie schwimmen geh'n.
Gerlind Belke schlägt außerdem vor, Kinderreime und Zungenbrecher zum Üben korrekter Aussprache und Intonation zu benutzen (vgl. dazu Kap. 2 und 3 bei Belke 2001,
bes. S. 72 ff), da der Rhythmus hier vielfach die richtige Lösung des AusspracheProblems schon vorgibt.Vgl. dazu auch: Belke, Gerlind (2009): Poesie und Grammatik: Kreativer Umgang mit Texten im Deutschunterricht mehrsprachiger Lerngruppen.
Für die Vorschule, Grundschule und Orientierungsstufe. Baltmannsweiler (Schneider
Verlag Hohengehren)
Ein Buch zum ABC mit vielen Versen, Kinderrätseln und sehr schönen Abbildungen
zu jedem Buchstaben ist: Ute Andresen/ Monika Popp: ABC – und alles auf der Welt.
Ein Lese-Schatz Buch.
Weinheim 2002 (Beltz Verlag)
Ein Buch voller Gedichte ist: Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.)(2000, 2. Aufl. 2006):
Großer Ozean. Gedichte für alle. Weinheim Basel: Beltz & Gelberg
Hier ein paar Kostproben von Peter Härtling (zugleich gut für die Aussprache-Schulung):
Pudel und Nudel
Ein Pudel
spricht zur Nudel:
Ich mag dich nicht.
Die Nudel
spricht zum Pudel:
Du bist nicht dicht.
Löwe
Den Löwen darf ich nicht vergessen.
Er hat schon viele wie mich gefressen.
Und wenn er satt ist, rülpst er vor sich hin.
Wie froh bin ich, dass ich nicht gefressen bin.
(S. 58)
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Zu den Spielen mit Laut und Klang gehören Texte, die sich meistens auf einen bestimmten
Laut oder eine Lautgruppe beschränken. Die beliebteste und bekannteste Quelle für
derartige Sprachspiele besonders für den Phonetikunterricht sind wohl die Zungenbrecher,
die in fast keinem DaF-Lehrwerk fehlen, egal in welcher Zeit oder nach welcher Methode
sie verfasst worden sind. Die Zungenbrecher sind Sätze oder kurze Reime, in denen alle
Wörter mit dem gleichen Laut oder der gleichen Lautgruppe beginnen oder in denen
besonders komplizierte Lautkombinationen gehäuft auftreten. Die Zungenbrecher eignen
sich für das intensive Üben einer bestimmten phonetischen Erscheinung, wobei auch das
Tempo und die Deutlichkeit der Aussprache eine hohe Konzentration verlangt.
1. Fischers Fritz fischt frische Fische,
frische Fische fischt Fischers Fritz.
2. Brautkleid bleibt Brautkleid und
Blaukraut bleibt Blaukraut.
3. Zwischen zwei Zwetschgenzweigen
zwitschern zwei Schwalben.
4. Im dichten Fichtendickicht
nicken die dichten Fichten tüchtig.
5. Wenn fliegende Fliegen hinter fliegenden Fliegen fliegen,
dann fliegen fliegende Fliegen hinter fliegenden Fliegen her.
Mitlesen
Eine Möglichkeit, die Aussprache zu üben, besteht darin, dass die LernpatInnen Texte vorlesen,
die die Lernpatenkinder vor Augen haben und die sie dann selbst nachlesen üben.
Dabei können beide sich aufnehmen, und durch vergleichendes Hören kann eine Annäherung
an die normgerechte Aussprache erreicht werden.
Auch im Internet wird man leicht fündig, wenn man Seiten zum Training des Hörverstehen
sucht (z.B. sehr kindgerecht mit Illustrationen: http://deutscheaussprache.com/exercises)
Es gibt viele Möglichkeiten, die Aussprache mit den Lernpatenkindern zu trainieren. Aber alle
sollten liebevoll ausgeführt werden und beiden Spaß machen. Bei vielen älteren LernpatInnen
werden dabei Erinnerungen wach werden an die Zeit, als ihre eigenen Kinder ihre ersten
Versuche in der deutschen Sprache mit drolligen „Versprechern“ machten. Die
Annäherungsformen, die die Kinder dabei entwickelten, waren dabei immer Anlass zur
Heiterkeit und nicht zum 'verbissenen' Training mit Vor- und Nachsprechen. So sollte es auch
im Lerntandem sein.
Einige nützliche Literaturhinweise:
Hirschfeld, Ursula; Reinke, Kerstin; Stock, Eberhard: Phonothek intensiv. Aussprachetraining.
Leipzig 2002.
Dieses Übungsbuch enthält Übungen zu sehr vielen Aussprachephänomenen. Am Anfang
findet man eine Liste, die zeigt, welche potentiellen Ausspracheprobleme mit welchen
Muttersprachen verknüpft sind. Das Buch enthält (knappe) Erklärungen und die Lösungen.
Schiemann, Endrik; Bölck Martina: Hören, sprechen, richtig schreiben. Übungsprogramm zu
Phonetik und Rechtschreibung für den Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart 2003.
In diesem Übungsbuch findet man auch Bilder, die erklären, wie man die Laute produziert und
viele Übungen, die man mit einem Tandem- oder Lernpartner machen kann. Die Lösungen
stehen hinten im Buch.
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Einheit 5: Lesen und Schreiben lernen in der Zweitsprache Deutsch
In vielen Schulklassen in Deutschland werden bald Kinder sitzen, die aus den Krisenregionen der Erde geflüchtet sind. Oft sind das Kinder, die aufgrund lang andauernder
kriegerischer Auseinandersetzungen in ihren Herkunftsländern nicht zur Schule gehen
konnten. Manche haben schon länger in „Durchgangsländern“ gelebt und sind in
Flüchtlingslagern aufgewachsen. Dort war ihnen ein regelmäßiger Schulbesuch nicht
möglich. Die Grundvorstellung von Normalität und Heterogenität, die in den Schulen
bisher vorherrschte, wird durch die Flüchtlingskinder nachhaltig verändert werden.
Manche Flüchtlingskinder sind AnalphabetInnen, manche haben aber auch schon einige Schuljahre in ihren Herkunftsländern hinter sich. Diese Kinder mit höchst heterogenen Lernvoraussetzungen werden nun mit der Aufgabe konfrontiert, in kürzeste Zeit
in Deutschland lesen und schreiben zu lernen, damit sie möglichst bald in die deutsche Schule und in die deutsche Gesellschaft integriert werden können.
Wie schon mehrfach erwähnt, haben deutsche Kinder, die einsprachig mit der deutschen Sprache aufgewachsen sind, zu Beginn des 1. Schuljahres mindestens fünf
Jahre Erfahrung mit der deutschen Sprache hinter sich – d. h. mit der Sprache, in der
das Lesen und Schreiben gelernt werden soll. Damit besitzen sie eine vergleichsweise
'komfortable Ausgangsposition' für den Lese-und Schreiblehrgang in der Grundschule.
Für den Erwerb der Schriftsprache haben deutsche Grundschulkinder im übrigen etwa zwei Jahre Zeit. Erst zum Ende des 2. Schuljahres muss der Schriftspracherwerb
abgeschlossen sein.
5.1 Verschiedene Ausgangspositionen der Flüchtlingskinder
Flüchtlingskinder mit einer anderen Herkunftssprache fangen dagegen 'bei Null an'.
Sie haben entweder keine oder nur sehr sporadische Erfahrungen mit der deutschen
Sprache gesammelt. Dadurch wird der Schriftspracherwerb für sie zu einer anstrengenden Aufgabe. Sie müssen die komplexen Fähigkeiten des Lesen- und Schreibenlernens in einer Sprache lernen, die sie gerade erst erwerben. Und das möglichst
schnell – denn nach einem Jahr in einer Vorbereitungsklasse wird erwartet, dass sie
in die Regelklasse ihrer Altersstufe überwechseln. Dazu müssten sie auf Deutsch so
gut lesen und schreiben können, dass sie auch die Inhalte der Sachfächer im Regelunterricht verstehen. Diese Erwartung ist – offen gesagt – ziemlich illusorisch angesichts der Schwierigkeiten, die ein Verständnis der Unterrichtsinhalte im Fachunterricht mit sich bringt.
Laut Tabelle der „four skills“ (s. Einheit 1) wird das Lesen als rezeptive, das Schreiben als produktive Fähigkeit gekennzeichnet. Das Lesen – so suggerieren diese Begriffe – verläuft mehr passiv-aufnehmend, das Schreiben mehr aktiv. Das stimmt jedoch in dieser Form nicht. Das Lesen – besonders wenn es mit Sinnentnahme verbunden ist – fordert mindestens so viel intensive Lernaktivität von den Kindern wie das
Schreiben. Beides ist für Flüchtlingskinder mit anderen Herkunftssprachen schwierig.
Lesen – besonders in der Zweitsprache Deutsch – setzt schon viele spezielle TeilfäReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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higkeiten voraus. Unter anderem kann die Aufgabe, einen Text in DaZ mit Verständnis
zu lesen, nur durch das Vorhandensein eines Verstehens-Wortschatzes (vgl. Einheit
3) bewältigt werden.
Die Ausgangspositionen, von denen aus die Flüchtlingskinder in diesen komplizierten
Lernprozess starten, sind denkbar unterschiedlich:
– Es gibt Kinder, die den Schriftspracherwerb „von Anfang an“ neu absolvieren
müssen. Oft finden sich unter ihnen komplette AnalphabetInnen – auch wenn sie
schon älter sind. Diese Kinder müssen zunächst erst einmal die grundsätzliche
Fähigkeit erwerben, gesprochene Sprache durch ein Zeichensystem wiederzugeben.
– Viele Kinder, die in die deutsche Grundschule eingeschult werden, sind schon
alphabetisiert, aber z.B. in arabischer, kyrillischer Schrift oder in einem anderen
Schriftsystem; dies ist der Fall für viele sogenannte „Seiteneinsteiger“, die schon in
einem anderen Land zur Schule gegangen sind. Sie beherrschen dann schon mehr
oder weniger die grundsätzliche Lernoperation, mündliche Sprache in Schrift zu
transformieren, müssen diese aber auf ein ein völlig neues Sprachsystem übertragen,
das mit anderen Schriftzeichen wiedergegeben wird.
– Syrische, afghanische oder irakische Flüchtlingskinder, die in ihrem Herkunftsland
schon alphabetisiert worden sind, müssen lernen, von links nach rechts zu schreiben
– und nicht von rechts nach links wie in Arabisch......
– Manche Flüchtlingskinder beherrschen schon das lateinische Schriftsystem (z.B.
Kinder mit Türkisch als Erstsprache) und / oder können schon auf Erfahrungen mit
dem Erlernen einer Fremdsprache zurückgreifen (z.B. Englisch).
– Viele Kinder sind in den Herkunftsländern schon zweisprachig aufgewachsen, mit
verschiedenen National-, Regional- oder Stammessprachen.
Hierfür ein Beispiel aus dem Herkunftsland Afghanistan: „Die Linguisten und Ethnologen schätzen die Zahl der ethnischen und sprachlichen Gruppen in Afghanistan auf
200. Diese Schätzung kann realistisch sein, wenn man die verschiedenen Dialekte
innerhalb einer Sprachprägung mit einbezieht. Von einer Sprache …. kann man in
Afghanistan nicht sprechen, sondern von lauter Sprachprägungen.“ Die Amtssprachen
sind Pashto und Dari. (http://www.afghan-aid.de/sprache.htm)
Doch für alle geflüchteten Kinder gilt: Sie stehen am Anfang des Spracherwerbs in
DaZ und haben es von daher schwer, gleichzeitig die neue Sprache, das Lesen und
das Schreiben zu lernen.
Kinder mit allen diesen verschiedenen Ausgangslagen befinden sich oft in einer einzigen Vorbereitungsklasse. Da ist es klar, dass die Lehrpersonen nicht auf jedes Kind
mit seinen spezifischen Lernbedürfnissen eingehen können. Ihre Fähigkeiten zur Differenzierung des Lehrangebots werden auf eine harte Probe gestellt, und viele LehrerInnen sind darauf nicht vorbereitet.
Umso wichtiger ist da der Einsatz der LernpatInnen, die sich im außerschulischen Bereich auf ihre Patenkinder individuell einstellen können. Ein allgemeingültiger pädagogischer Grundsatz besagt, dass Lernprozesse nur gelingen, wenn die Lernenden dort
abgeholt werden, wo sie stehen. Daher ist der Einsatz der LernpatInnen in dieser Situation „explodierender Vielfalt“ ein wahrer Segen. Sie können sich auf die jeweilige
Ausgangsposition ihres Patenkindes einstellen und ihm gezielte Hilfen anbieten.
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Doch sie sollten einige Kenntnisse besitzen über die Schwierigkeiten des Lesen- und
Schreibenlernens, die wir als Erwachsene umso gründlicher vergessen oder auch
verdrängt haben, je länger dieser Lernprozess zurückliegt. Die LernpatInnen können
dabei viel Gutes bewirken, aber durch Unkenntnis der grundlegenden Lernoperationen, durch Überforderung und /oder Entmutigung ihres Patenkindes auch Vieles
falsch machen.
5.2 Grundsätzliche Herausforderungen des Schriftspracherwerbs
Zunächst ist das naive Verständnis zu 'erschüttern', dass Lesen ausschließlich darin
besteht, die Buchstaben des deutschen Alphabets zu kennen, ihnen Laute zuzuordnen und diese dann zu Silben und Wörtern zusammenzuziehen, die dann beim lauten
Vorlesen auch einen Sinn ergeben....
„Der Prozess des Lesens beginnt mit primären Wahrnehmungsprozessen, läuft weiter
über die Zuordnung von Gesprochenem und Gedrucktem bis zur Identifikation von
Buchstaben und Wörtern und dem Erfassen von Wortbedeutungen innerhalb des
Satzzusammenhanges.“ (Ehlers, Swantje: Lesekompetenz in der Zweitsprache. In:
Ahrenholz, Bernt /Oomen-Welke, Ingelore (Hrsg.) (2014): Deutsch als Zweitsprache.
Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S.216).
Die Verarbeitungsschritte, die von den Kindern im Einzelnen beherrscht werden müssen, sind folgende: :
– visuelle Erkennung von Buchstabenmerkmalen (gegenüber z.B. dem arabischen
Alphabet, das ganz andere, komplizierte Buchstabenformen kennt)
(s. Zusatzmaterial 1, http://www.zfd.info/Alphabet.htm)
– Buchstabenidentifikation
– Graphem-/ Phonemzuordnung
(vgl. dazu Wikipedia: Ein bestimmter Laut in einer gesprochenen Sprache, ein Phonem, kann auf verschiedene Weise geschrieben werden. Beispiel: das Wort „Schriftsprache“. So ist in den beiden Wörtern schrift und sprache der Wortanfang das Phonem /ʃ/ und wird einmal mit den Graphen ‹sch› und
einmal mit dem Graph ‹s› dargestellt. Ähnliches gilt für die Wörter flug und vogel: das Phonem /f/ korrespondiert mit den unterschiedlichen Graphen ‹f› und ‹v›.)
– Worterkennung
– Zuordnung von Bedeutungen zu Wörtern
– Bildung propositionaler Einheiten (Strukturen, Sätze - I.D.)
– Erkennen satzübergreifender Zusammenhänge
– Auflösen semantischer Ambiguitäten (= nicht oder nur halb richtig verstandene
Bedeutungen)
–
(in Anlehung an Ehlers 2014, S.216)
5.3 Phonologische Bewusstheit
Als notwendige Vorläufer-Fähigkeit für den Schriftspracherwerb gilt die phonologische
Bewusstheit: Definitionen:
„ Die Fähigkeit, Segmente der gesprochenen Sprache zu erkennen und zu manipulieren, wird als phonologische Bewusstheit bezeichnet,....welche spezifische Fähigkeiten
umfasst wie beispielsweise das Erkennen der Anfangslaute, das Erfassen der Lautanzahl, die Synthese von Lauten oder die Lautumstellung in einem Wort....
(Quelle: http://www.uni-leipzig.de/herder/projekte/alpha/frames/main5.5.htm).
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„Die phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf die formalen Eigenschaften der gesprochenen Sprache zu lenken, z. B. auf den Klang oder
die Lautstruktur der Wörter beim Reimen, auf Wörter als Teile von Sätzen, auf Silben
als Teile von Wörtern und letztendlich vor allem auf die einzelnen Laute der gesprochenen Wörter. Dabei gilt die phonologische Bewusstheit als die zentrale Fähigkeit
zum alphabetischen Zugang und damit zum lautgetreuen Lesen und Schreiben.“
(Quelle: Ingrid Haiser, http://www.freiburg.de/pb/,Lde/640128.html) – s. auch Einheit 4:
Hören und Sprechen.
Das sind mühsame Lernschritte für alle Kinder – auch für die deutschen Kinder! Wie
viel mehr erst für Kinder, die mit anderen Sprachen als Deutsch aufgewachsen sind....
Die Lese- und SchreibanfängerInnen mit anderen Herkunftssprachen stehen vor besonderen Schwierigkeiten (vgl. Einheit 4: Hören und Sprechen“). Ein Scheitern beim
Schriftspracherwerb zieht jedoch Misserfolge und Enttäuschungen für die Kinder nach
sich, eventuell sogar dauerhaftes Schulversagen. Daher ist es unbedingt notwendig,
dass man sich mit den Schwierigkeiten dieser Kinder beim Lesen- und Schreibenlernen gründlich auseinandersetzt.
Ein gelingender Schriftspracherwerb setzt voraus, dass Kinder vom Bedeutungsgehalt
der Sprache absehen können und sie ihre Aufmerksamkeit auf die formalsprachlichen
und strukturellen Aspekte von Sprache auszurichten beginnen. Der sichere Erwerb
der Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln baut auf der Fähigkeit zur lautlichen
Durchgliederung auf. Das lautgetreue Schreiben erfordert u. a. die Fähigkeit, die zu
schreibenden Wörter lautsprachlich zu analysieren, d. h. in Einzellaute aufzuteilen, um
ihnen nachfolgend die passenden Buchstaben zuordnen zu können. (Beispiel aus der
Schulpraxis - I. D.: „Ananas: Wo hörst du das A – vorn, in der Mitte – am Ende des
Wortes?“)
„Diese Fähigkeit zur Lautsynthese ist Grundvoraussetzung für das Erkennen der
Wortbedeutung (Dekodierfähigkeit). Der orthographische Strategieerwerb geht mit
dem Aufbau eines orthographischen Lexikons einher. Phonologische Bewusstheit für
größere Einheiten hilft, Verknüpfungen zwischen orthographischen und phonologischen Informationen zu etablieren, sodass Regelmäßigkeiten, wie sie für die orthographische Strategie typisch sind, berücksichtigt werden können... Der Stellenwert der
phonologischen Bewusstheit für den Schriftspracherwerb ist unumstritten.“
(Dissertation Hubertus Hatz (2015): „Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb“,
S. 114 /115. Quelle: Internet, d-nb.info/1070231894/34 )
5.4 Konsequenzen der phonologischen Bewusstheit für die Orthografie
Die Lernpatenkinder müssen in der Lage sein, die bedeutungsunterscheidenden Oppositionen im deutschen Lautsystem wahrzunehmen, d.h. hören zu lernen (vgl. dazu
Einheit 4). Das Türkische z.B. kennt den Unterschied zwischen langen und kurzen
Vokalen nicht. Da dieser Unterschied aber im Deutschen bedeutungsunterscheidend
ist, müssen die Kinder erst lernen, diesen Unterschied zu hören. Denn er zieht beim
Schreiben Konsequenzen nach sich: der folgende Konsonant wird bei kurzen Vokalen
verdoppelt, der lange Vokal wird durch ein nachfolgendes h gedehnt (oder durch VerReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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dopplung des Schriftzeichens für den Vokal: „Boot“ - vgl. dagegen „Brot“, wo das „o“
genauso lang gesprochen wird, aber keine Verdopplung nach sich zieht. Für jede Regel gibt es Ausnahmen).
Auf die Besonderheiten des deutschen Konsonantensystems soll hier nur an Hand
einiger Beispiele eingegangen werden:
- Auslautverhärtung („Hand“ - gesprochen „Hant“) (vgl. Zusatzmaterial 2,
http://wegerer.at/deutsch/pdf_d/rs/ab/AB_dT2.pdf )
– gleich geschriebene Laute, die verschieden ausgesprochen werden („Ach, ich weiß
nicht“)
– Konsonantenhäufungen (am Silbenende bis zu fünf: „du schimpfst“). Diese sind für
viele LernerInnen des Deutschen ungewohnt. Türkische LernerInnen reagieren darauf
zum Beispiel mit dem Einschub von Sprossvokalen („is nich schilim“).
Angesichts der vielen Ausnahmen im deutschen Lautsystem ist es sinnlos, den Lernpatenkindern zu raten: „Schreib wie du sprichst!“ Was dabei herauskommt, wenn man
auf Türkisch alphabetisierten Kindern diesen Rat gibt, macht ein Beispiel von Gerlind
Belke ziemlich drastisch deutlich:
„bitienɩtşuhdigenzidasihnihɩtşɩraybenkan.“ (Belke 2001, 2. Aufl., S.100)
Belkes Kommentar: „Wie kommt es zu dieser Äußerung? Der Schreiber (9. Schuljahr, aus der
Türkei) ist nach seiner Übersiedlung zunächst in eine Vorbereitungsklasse eingeschult worden.....
Bei der Verschriftlichung seiner Äußerungen, die im Rahmen des deutschen Regelunterrichts
von ihm verlangt wird, greift der „Seiteneinsteiger“ auf seine im Türkischen erworbenen
Schreib- und Hörgewohnheiten zurück und überträgt sie auf das Deutsche“..., und zwar mit
erstaunlicher Systematik. Dies wird von Belke a.a.O. ausführlich erläutert. Das auffälligste
Merkmal ist, dass der Schreiber keine Wortgrenzen im Deutschen erkennen kann und die
grammatische Struktur seiner Äußerung nicht durchschaut (weil sie ihm wahrscheinlich noch
nicht vermittelt wurde).
Auf das komplexe Problem der Rechtschreibung im Deutschen kann hier nicht eingegangen
werden. Bei den oft abenteuerlich erscheinenden Schreibungen deutscher Wörter sollten sich
die LernpatInnen fragen, wie das Wort in der Umgangssprache ausgesprochen wird. Oft geben
die Kinder genau diese umgangssprachliche Version erstaunlich lautgetreu wieder, was eine
produktive Leistung ist (feyat / Pferd; eoijle / Eule; maakt/ Markt).Nur folgt leider die deutsche
Orthografie noch weiteren Prinzipien als dem der lautgetreuen Wiedergabe, und diese können
erst nach und nach erworben werden.
5.5 Herausforderungen für Kinder mit einem anderen Schriftsystem
„Wie der hier skizzierte Fall zeigt, ist der Schriftspracherwerb unter den Bedingungen
der Mehrsprachigkeit ein sehr komplexes Problem, das bisher weder von der Muttersprachendidaktik noch von der Fremdsprachendidaktik aufgegriffen worden ist.
Schreibprobleme, wie sie hier deutlich werden, kann man nicht mit Rechtschreibprogrammen für deutsche Muttersprachler beheben.'' (Belke 2001, S. 101)
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Auch wenn die Kinder schon in einer Schrift alphabetisiert worden sind, die der unseren ähnelt, ist das nicht immer eine Erleichterung. Ein Beispiel: Die Tatsache, dass
Türkisch mit unserer (lateinischen) Schrift geschrieben wird, erleichtert nicht unbedingt
für Kinder, die auf Türkisch alphabetisiert wurden, die Erlernung des Deutschen. Ähnlichkeiten verführen die LernerInnen hier zu falschen Analogieschlüssen (z.B. gleich
klingende Wörter, die aber etwas Andere bedeuten: Anne, elma, armut, Fatih). Andererseits ist das Türkische im Hinblick auf Grammatik, Satzbildung, Formenlehre und
Wortschatz so gründlich unterschiedlich zum Deutschen, dass es deshalb für deutsche LernerInnen des Türkischen sehr schwer zu erlernen ist – ich spreche da aus
Erfahrung – I.D.). Wahrscheinlich geht es den kleinen Kindern mit Türkisch als Ausgangssprache mit dem Deutschen genauso.
„Diejenigen Lerner, die bisher in einer Konsonantenschrift gelesen und geschrieben
haben – das sind alle arabischsprachigen Schüler aus verschiedenen Ländern, in
denen Arabisch die Verkehrs-und vor allem die Unterrichtssprache in den Schulen ist
– müssen sich an eine neue Schriftrichtung gewöhnen. Statt bisher von rechts nach
links müssen sie jetzt von links nach rechts lesen und schreiben. Da es im arabischen Alphabet keine Unterscheidung zwischen großen und kleinen Buchstaben und
auch keinen Unterschied zwischen Druck- und Schreibschrift gibt, müssen sich die
Lerner daran gewöhnen, sich für jeden deutschen Laut gleich vier verschiedene
Zeichen zu merken: den Groß- und Kleinbuchstaben jeweils in einer Druck- und einer Schreibschriftvariante (g, G, g, G). Für diese Kinder und Jugendlichen ist es ganz
wesentlich zu lernen, dass im Deutschen nicht allein die Konsonanten, sondern auch
alle Vokale durch einen Buchstaben wiedergegeben werden müssen und dass es
nicht notwendig ist, während des Lesens aus dem Sinnzusammenhang etwa fehlende
Vokale zu ergänzen.“(Schulte-Bunert, Ellen: Lesen lernen in der Zweitsprache
Deutsch , ©Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA)
Mecklenburg-Vorpommern e. V., 2014 , S. 23 – Hervorhebungen I. D.)
Beobachtet man Flüchtlingskinder, die schon auf Arabisch alphabetisiert sind, merkt
man, wie „verdreht“ sie oftmals ihre Schreibhefte halten und welche Schwierigkeiten
ihnen der Wechsel der Schreibrichtung (von links nach rechts) im Deutschen bereitet.
Hier sollten ihnen die LernpatInnen Übungsmöglichkeiten und gezielte Hilfestellungen
geben, damit später ein müheloserer Schreibfluss gewährleistet ist. Sie müssten also
mit Übungsheften beginnen, bei denen der Anfangs- und Endpunkt der Buchstaben
genau angegeben ist (vgl. Zusatzmaterial 3: „Schreibrichtung“ - http://fraulockegrundschultante.blogspot.de/p/material.html)). Sonst fangen die Kinder 'verkehrt herum' an und kommen später nur unter großen Schwierigkeiten zu einer flüssigen
Handschrift.
Wenn die LernpatInnen ihren Patenkindern beim Schriftspracherwerb helfen wollen,
sollten sie sich auch danach erkundigen, welche Schriftart in der Klasse des Kindes
benutzt wird, und diese gezielt selbst üben (vgl. Zusatzmat. 4,
http://www.schulschriften.de/html/body_schreibschrift.html#VAS), um dem Kind dabei
helfen zu können.Vernünftigerweise verzichten manche Lehrpersonen in Vorbereitungsklassen darauf, den Kindern neben den neuen Buchstaben in Druckschrift auch
noch eine der Grundschul-Varianten der Schreibschrift beizubringen, weil sie das als
Überforderung ansehen. (vgl. dazu Einheit 1, Zusatzmaterial 2 a und b)
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5.6 Lese- und SchreibanfängerInnen in DaZ
Flüchtlingskinder, die die deutsche Sprache in Wort und Schrift neu erlernen müssen,
haben sicherlich in der ersten Zeit viel zu tun. LeseanfängerInnen sind anfangs noch
sehr mit der Phonem-Graphem-Zuodnung beschäftigt, d.h. sie sind sehr darauf konzentriert, die richtigen Laute den richtigen Schriftzeichen zuzuordnen (wobei deren
Aussprache auch je nach Stellung im Wort und nach vorhergehendem Vokal verschieden ist – hierfür noch einmal das Beispiel: „Ach, ich weiß nicht“). In dieser ersten
Phase müssen die Symbole der deutschen Sprache (Buchstaben) mit Phonemen der
deutschen Sprache (Lauten) verbunden werden – das bedeutet für fremdsprachlich
aufgewachsene Kinder: mit den Lauten der fremden Sprache Deutsch! Lesen ist in
dieser Phase das Erkennen der Buchstabenreihen und das mühsame Verbinden mit
den entsprechenden Sprachlauten. Daher verstehen sie beim lauten Vorlesen oft
nicht, was sie vorlesen. Die geforderte Tätigkeit des lauten Lesens selbst ist für sie so
komplex, dass sie den Sinnzusammenhang nicht entnehmen können.
In einer zweiten Phase lernen die Kinder, die Lautfolge zu erschließen, die auf der
Buchstabenreihe gründet. Selbst wenn es diese Lautfolge korrekt ausspricht (was zu
Anfang selten der Fall ist), muss es die Bedeutung des so erlesenen Wortes auf
Deutsch kennen, um einen Sinn darin zu erkennen.
Ein rascher Wortschatzerwerb ist also wichtig (vgl. Einheit 3), damit das Lesen nicht
nur eine sinnentleerte, mechanische Übung zur Hervorbringung fremd klingender
Lautketten bleibt. Buchstabenkenntnis hilft nichts ohne Wortschatz-Kenntnis. Das
Wort muss nach dem mühsamen Vorgang der Phonem-Graphem-Zuordnung wiedererkannt werden können, um ihm einen Sinn zuordnen zu können. Dabei handelt es
sich um einen komplizierten Mehrebenen- prozess, der in Anlehnung an Ellers (2008)
auch schematisch dargestellt werden kann (s. Zusatzmaterial 5 – Lehrernetzwerk
Hattingen).
Bei all diesen schwierigen Lernoperationen können die LernpatInnen helfen, indem
sie zunächst den zu erlesenden Text selbst in klarer, deutlicher Aussprache vorlesen,
nicht verstandene Wortbedeutungen erfragen und erklären und erst dann zusammen
mit den Patenkindern den mechanischen Akt des lauten Vorlesens (d.h. des Buchstaben-Zusammenziehens) üben.
In den Fibeln kommen oft Wörter vor, die die Kinder noch nicht kennen. Das schränkt
naturgemäß ihr Leseverständnis ein. Besser wäre es daher, diese Fähigkeit einzuüben an Sätzen und kleinen Texten, die die LernpatInnen aus den Gesprächen mit
den Kindern über gemeinsame Erlebnisse entwickeln, da diese für die Kinder einen
hohen emotionalen Gehalt und einen Wieder-erkennungswert haben, der sich auch
auf die Fähigkeit der Laut-Buchstabenzuordnung positiv auswirkt.
(Beispiele: Die Katze spielt mit mir. Ich darf den Hund streicheln. Ich spiele gern Fußball. Ich komme mit dem Fahrrad.) Kleine Sätze und Texte, die Erlebnisse mit den
LernpatInnen widerspiegeln, können auch in das Lerntagebuch (vgl. Einheit 1) eingeheftet und immer wieder gemeinsam gelesen werden. Wenn die Kinder etwas dazu
malen, wird die Wahrscheinlichkeit des Einprägens und Behaltens der neuen Wörter
erhöht, und noch unbekannte Wörter werden „en passant“ mitgelernt.
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(Beispiel aus: Lisa Wittmann: „Eigensinn / Inat“ , Broschüre mit Kindertexten, die im 1.
Schuljahr anstelle der Fibeltexte erstellt wurden – Eigenverlag Lisa Wittmann)
5.7 Schreiben lernen
Für das Schreibenlernen ist der Erwerb der Laut-Buchstabenzuordnung essentiell. Er
kann – unabhängig von der im Unterricht von den LehrerInnen angewandten Methode
– von den LernpatInnen spielerisch begleitet und gefestigt werden.
Dazu bietet das Buch von Dagmar Mahlstedt (1996, 2. Aufl.); „Lernkiste lesen und
Schreiben“ (1996), wie schon oben erwähnt, eine Fundgrube von Übungs- und Spielvorschlägen an. Dieses Lernmaterial ist konzipiert für lernschwache deutsche Kinder,
kann jedoch auch den DaZ-Erwerb von Flüchtlingskindern unterstützen.
Das Material kann unabhängig von jeder Fibel als Ergänzung eingesetzt werden. In
methodisch geordneter Form wird hier eine Fülle von Bildmaterial angeboten, mit dem
sowohl die phonologische Bewusstheit trainiert werden kann, die für das Schreiben
lernen entscheidend ist, als auch das Einprägen deutscher Wörter je nach Anlaut und
die Wort-Bild-Zuordnung. Das Baukastenprinzip erleichtert den LernpatInnen, das jeweils Passende für ihr Patenkind herauszusuchen. Auch viele Bastel- und Spielanleitungen bietet das Buch für jeden Lernschritt.
Die Spielvorlagen und Wortkärtchen können für die Einübung der Anlaute von den
LernpatInnen kopiert, zusammen mit den Patenkindern angemalt (wobei implizit gleich
die Bezeichnungen für die Farben geübt werden), ausgeschnitten und zu MemoryReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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Spielen, Quartetten, Bingo-Spielen und anderen Übungszwecken benutzt werden.
Dadurch werden Anlässe für ein gemeinsames entspanntes Basteln geschaffen, das
Beiden Spaß machen kann. Durch die vielfältigen Tätigkeiten prägen sich die Buchstaben mit ihrem Lautwert im Anlaut besser ein, wenn beim Ausmalen der Bilder und
beim Basteln von Memorys, Quartetten und anderen Spielen laut gesprochen wird.
Insgesamt eignen sich die Lernmaterialien von Dagmar Mahlstedt dazu, die Kinder zu
genauem Hören anzuleiten und damit ein Schreibenlernen mit Hilfe von Anlauttabellen anzubahnen, wie es in vielen deutschen Grundschulklassen praktiziert wird.
5.8 Lesen und Schreiben lernen mit Anlauttabellen
Zur Zeit gibt es einen heftigen Streit über den sog. Spracherfahrungsansatz (nach
Brügelmann, Reichen u.a.), der den kleinen SchreibanfängerInnen mit Hilfe von Anlauttabellen den selbständigen Zugriff auf die Schrift eröffnen will. Dieser ist in heutigen Grundschulen weit verbreitet, wird aber auch von besorgten Eltern bis hin zu Hirnforschern
heftig
bekämpft
(vgl.
dazu
die
Internet-Seite
http://acdl.squarespace.com/argumente/2012/10/24/lesen-durch-schreiben-undspracherfahrungsansatz-ein-vernich.html mit Argumentationen von Manfred Spitzer
u.a.).
Ob diese Methode des Lesen- und Schreibenlernens auch für kleine ZweitsprachenLernerInnen geeignet ist, ist ebenfalls umstritten. Dennoch sollten die LernpatInnen
sich erkundigen, wie in der Grundschule ihres Patenkindes das Lesen- und Schreibenlernen vermittelt wird. Wenn mit Anlauttabellen gearbeitet wird, wie in vielen
Grundschulen heute, sollten sie sich diese Anlauttabellen besorgen und mit ihrem Patenkind auf jeden Fall erst einmal die deutschen Bezeichnungen für die Gegenstände
auf den Anlauttabellen vermitteln, anhand derer die Buchstaben eingeführt werden.
Dieses Vokabular, das im Deutschunterricht in der 1. Klasse vorausgesetzt wird, muss
immer wieder neu eingeübt und gefestigt werden. Die Anfangsbuchstaben der deutschen Bezeichnungen für die abgebildeten Gegenstände müssen sich fest einprägen,
um als Lernhilfen für das (selbstständige) Schreiben verfügbar zu sein. Viele davon
gehören nicht zum Grundwortschatz:
Affe, Ameise, Insel, Lupe, Eichhörnchen, Schildkröte, Überholverbot, Xylofon......
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Buchstabentor von Jürgen Reichen,
Quelle: http://www.uni-leipzig.de/herder/projekte/alpha/frames/main5.3.htm
Buchstabenhaus der Fibel „Tinto“ (https://www.grundschulmaterial.de/...Fibel/Buchstabenhaus...Tinto-Fibel/...)
(vgl. auch: ABC der Tiere – Lesen und Schreiben in Silben – Anlauttabelle mit Lateinischer Ausgangsschrift, www.mildenberger-verlag.de)
Für die Benutzung solcher Anlauttabellen sind folgende Bedingungen zu beachten:
(vgl. dazu: Ellen Schulte-Bunert: Lesen lernen in der Zweitsprache Deutsch, S.20 ff
sowie dieselbe: Schriftspracherwerb in der Zweitsprache Deutsch (S. 21 ff), in:
http://www.raa-mv.de/sites/default/files/tf_DaZ_prax3_2014_60S_web_4.0_0.pdf
Praxisbaustein Deutsch als Zweitsprache 3: Deutsch als Zweitsprache im Intensivkurs
Hrsg.: Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Mecklenburg-Vorpommern e. V. 2014
Der Schreiberfahrungsansatz (Lesen durch Schreiben) ermöglicht zwar eine stärkere
Individualisierung, er beinhaltet aber auch ganz spezifische Probleme. Für die Kinder
mit einer anderen Erstsprache liegen in der Möglichkeit, mit Hilfe einer Anlauttabelle
‚ihre’ Wörter zu schreiben, zwei große Gefahren. Einmal: Fossilierungen ( d.h. einmal
gewählte Schreibweisen verfestigen sich, I. D.). Zum anderen kann das zentrale methodische Instrument des Schreiberfahrungsansatzes, die Anlauttabelle, zum Problem
werden. Denn nur, wenn die Lerner das auf der Tabelle gezeigte Bild mit dem entsprechenden deutschen Wort verbinden, können sie erfolgreich mit diesem Instrument
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arbeiten (z. B. mit dem Bild eines Balles den Anlaut /b/ verbinden). Je weniger gefestigt die deutschen Wörter sind, desto größer ist die Gefahr, dass den Schülern als erstes das Wort für den gezeigten Gegenstand in der Erstsprache in den Kopf kommt (z.
B. bei türkischsprachigen Kindern für den Ball das türkische Wort ‚top’ und damit verbunden der Anlaut /t/ oder bei Kindern mit Polnisch als Erstsprache der Anlaut /p/ für
das polnische Wort ‚piłka’). Das in der Anlauttabelle durch die Bilder präsentierte
Wortmaterial muss demzufolge intensiv geübt, ständig wiederholt und gefestigt werden (vgl dazu Zusatzmaterial 6: Anlauttabelle Deutsch – Arabisch).
Haben Leser bereits in ihrer Erstsprache eine Lesefähigkeit aufgebaut (bei DaFLernern ist das selbstverständlich, bei DaZ-Lernern betrifft es die Seiteneinsteiger, die
im Laufe ihrer Schulzeit nach Deutschland einreisen), dann können sie diese unter
bestimmten Bedingungen auf die Zweitsprache übertragen …
Geringe Sprachkenntnisse in DaZ wirken sich auf die Lesegeschwindigkeit aus.
Zweitsprachige Leser lesen generell langsamer. Verfügt der Leser nur über begrenzte
Vokabel- und Syntaxkenntnisse, dann verlängert sich die Fixationszeit (die Zeit, die
das Auge an einem Punkt festhält). Sein Sichtwortschatz (die Menge an Wörtern, die
er »auf einen Blick« wahrnehmen kann) ist eingeschränkt, die Worterkennung und
damit die semantische Verarbeitung werden beeinträchtigt. Darüber hinaus können
orthographische Konventionen bei der Worterkennung weni- ger genutzt werden, da
Rechtschreibkenntnisse weniger gesichert sind und die Übung fehlt. Die zügige Worterkennung ist jedoch die Voraussetzung für die Lesegeschwindigkeit und damit die
Leseflüssigkeit. Eine unzureichende Leseflüssigkeit beeinträchtigt das Verstehen von
Texten, da zu lange Zeiten das Arbeitsgedächtnis überfordern. Bereits Gelesenes wird
vergessen und es kommt zum Bruch im Verstehen (vgl. Ehlers 2003).
Unabhängig von einer bestimmten Methode ist die zentrale Forderung der Auf- und
Ausbau eines altersgemäßen Wortschatzes sowie die Einführung und Sicherung von
grundlegenden syntaktischen Mustern. Der zu vermittelnde Wortschatz muss alle für
Kinder im Schuleingangsalter wichtigen Funktionswörter (Artikel, Pronomen, Präpositionen, erste Konjunktionen, Adverbien und Partikeln) sowie altersangemessene Inhaltswörter (Nomen, Verben, Adjektive) umfassen.
Dabei ist darauf zu achten, dass dieser ‚Schatz’ von Wörtern zunehmend differenziert
wird – statt „Stuhl“ als Wort für alle Sitzgelegenheiten > „Sessel, Hocker, Schreibtischstuhl“; statt „blau“ > „hellblau, dunkelblau“; statt „gehen“ > „schlendern, krabbeln“ etc.
Die für das Gewinnen von Buchstaben im Leselehrgang notwendigen Wörter müssen
die Lerner nicht nur verstehen (Verstehenswortschatz), sondern aktiv anwenden (Mitteilungswortschatz) können.“(Schulte- Bunert 2014, S. 23).
5.8 Lernmaterialien
Für die monolingual aufgewachsenen deutschen Kinder gibt es eine Fülle von didaktischer Literatur für den Schriftspracherwerb (wobei die verschiedenen methodischen
Ansätze sich oft erbittert widersprechen). Außerdem gibt es eine schier unübersehbare Fülle von Fibeln, Handreichungen und Lernmaterialien. Doch nicht alle sind für den
Schriftspracherwerb von Flüchtlingskindern in DaZ geeeignet.
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Der rasche Aufbau von Wort-Bild-Zuordnungen in spielerischer Form hilft den Flüchtlingskindern auf jeden Fall beim Einstieg in die deutsche Schriftsprache. Dies kann
zusammen mit den LernpatInnen in durch Memory-Spiele und selbst gebastelte
Wort-Bild-Karten geschehen (vgl. Einheit 7).
Auch im Internet wird viel Material zum Lesenlernen angeboten, das sich bei entsprechender Begleitung durch die LernpatInnen durchaus als motivierend erweisen kann.
Nur eines sollten LernpatInnen nicht versuchen: mit einem strengen Rechtschreib-Drill
von Anfang an orthografische Korrektheit einzufordern und damit die Freude an Schrift
und am Schreiben im Keim zu ersticken.....
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Einheit 6: Grammatik
Grammatik in DaZ ist für LernpatInnen ein
ziemlich heikles Gebiet. Für viele von
ihnen wird es schon länger her sein, dass
sie eine Schulgrammatik für Deutsch in
der Hand hatten. Ihnen sind die grammatischen Regeln der deutschen Sprache inzwischen „in Fleisch und Blut übergegangen“. Sie dort wieder „herauszuholen“ und für das Bewusstsein verfügbar zu machen,
um mit ihrer Hilfe kleinen SprachlernerInnen des Deutschen als Zweitsprache beim
raschen Deutscherwerb zu helfen, ist das Ziel der Fortbildung.
Grammatik hat eine dienende Funktion. Nach Koeppel (2013) „ist sie Mittel, nicht Ziel.
Je weniger eine Lerngruppe oder ein Lerner das Mittel benötigt, desto besser. Und
wenn es nicht mehr gebraucht wird, darf es wie eine Krücke weggeworfen werden,
sobald der Lerner sprachlich alleine laufen kann.“(Koeppel 2013, S.180)
Grammatik stellt das „Grundgerüst“ für die Konstruktion und das Funktionieren von
Sprache dar. Die Beschäftigung mit Grammatik hat für LernpatInnen in erster Linie
den Sinn, dass sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, was für LernerInnen mit anderen
Sprachen das Deutschlernen so schwierig macht. Auf einer Internet-Seite finden die
LernpatInnen eine solche „handliche“ Übersicht
(vgl. dazu: https://deutsch.lingolia.com/de/grammatik):
Zeitformen. In der deutschen Sprache gibt es sechs Zeitformen: Präsens, Perfekt,
Präteritum, Plusquamperfekt, Futur I und Futur II. In jeder Zeitform müssen die Verben
konjugiert werden (ich, du, er, …). Beispiele (I.D.): du gehst, du bist gegangen,du
gingst, du warst gegangen, du wirst gehen, du wirst gegangen sein
Verben: Hier gibt es Informationen über Modalverben, reflexive Verben, trennbare/nicht trennbare Verben, Passiv, Imperativ und Konjunktiv. Die Zeiten sind extra im
Bereich „Zeitformen“ erklärt.
Nomen und Artikel: Nomen können im Deutschen männlich, weiblich oder sächlich
sein (z. B. der Löffel, die Gabel, das Messer). Sie werden meist mit ihrem Artikel verwendet und müssen dekliniert werden.
Pronomen: Pronomen stehen anstelle von Nomen und werden dekliniert. Wir unterscheiden zwischen Personal-, Possessiv-, Reflexiv-, Relativ-, Interrogativ-, Demonstrativ- und Indefinitpronomen.
Adjektive: Adjektive sind Eigenschaftswörter. Sie geben an, wie jemand oder etwas ist
(z. B. gut, schnell). Adjektive können gesteigert werden, manchmal müssen wir sie
auch deklinieren.
Adverbien: Adverbien sind unveränderliche Wörter (z. B. hier, gestern, darum, sehr),
mit denen wir Angaben über Ort, Zeit, Grund oder Art und Weise machen. Einige Adverbien können gesteigert werden.
Präpositionen: Präpositionen sind kurze Wörter (z. B. in, auf, ohne), die wir mit Nomen
oder Pronomen verwenden. Jede Präpositionen verlangt einen bestimmten Fall (Genitiv, Dativ, Akkusativ).
Satzbau: In diesem Bereich erklären wir die Wortstellung in Hauptsätzen, Fragen und
Nebensätzen. Insbesondere gehen wir auch auf Konditionalsätze und indirekte Rede ein.
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Zu all diesen Lernbereichen gibt es übrigens auf https://deutsch.lingolia.com/de/grammatik jeweils eine
sehr übersichtlich gestaltete, auch für „sprachwissenschaftliche Laien“ verständliche Erklärungsseite,
von der aus man weiter zu vielfältigen Übungsmaterialien geführt wird. Weitere Internet-Adressen für
die Grammatik-Arbeit s.u.
Rolf Koeppel (2013) setzt sich sehr detailliert und ausführlich mit der Rolle der
Grammatik im Fremdsprachenunterricht auseinander (S.182 bis 216). Ein Kernsatz
von ihm lautet: „Grammatik ist ...in der Unterrichtspraxis eine Frage des Fingerspitzengefühls: eine Frage des Zeitpunkts, der Dosierung, des Grades an Explizitheit und
der Individualisierung“ (S. 182).
Grammatik-Lernen bedeutet nicht per se, Regeln zu vermitteln oder diese gar auswendig lernen zu lassen. Die Regeln zu gerade anstehenden Sprachlernbereichen in
DaZ den Kindern zu nennen, ist nicht nötig (wahrscheinlich würde dazu im Anfangsstadium des DaZ-Erwerbs den Kindern auch das nötige Vokabular zu ihrem Verständnis fehlen!). Den LernpatInnen sollten die in Frage stehenden GrammatikRegeln allerdings bekannt sein.
(Dafür sollten sie sich eine einfache Grammatik des Deutschen besorgen - zur Not reicht dafür schon
die „Kurzgrammatik Deutsch“ von Langenscheidt (2011 Berlin und München), die einfache Strukturgitter
und einprägsame Erklärungen enthält und zusätzlich noch eine Binnendifferenzierung nach Niveaustufen des Lernens bietet.
Auf den Internet-Seiten des Hueber Verlags gibt es eine Zusammenstellung aller grammatischen
Strukturen, die in dem Selbstlernkurs deutsch kompakt vorkommen: Grammatik-Kapitel für den
„Selbstlernkurs Deutsch für Anfänger“ zum kostenlosen Download, von Renate Luscher
(http://www.hueber.de/sixcms/media.php/36/7480-63_001_01_deutsch_kompakt.pdf – Inhaltsverzeichnis s. Zusatzmaterial 1). Diese Internet-Seite bietet für die LernpatInnen übersichtliche Strukturgitter zu
vielen Bereiche der deutschen Grammatik, die in einem Inhaltsverzeichnis übersichtlich aufgelistet
sind. Vielleicht helfen diese Strukturgitter visuell orientierten LernerInnen beim Bewusstmachen und
Einüben der entsprechenden Bereiche der Grammatik...)
Kommunikation funktioniert auch ohne Grammatik. Im Anfangsstadium des DaZErwerbs herrscht z.B. das kleinschrittig angelegte, imitative Lernen vor, dann folgen
weitere Stufen:
1.Imitatives Lernen
Es verläuft über sogenannte chunks: Die LernerInnen versuchen, in bestimmten Situationen häufig gehörte und nützlich erscheinende Sprachbrocken, sog. chunks zu
imitieren: Wie geht’s? Kann ich mitmachen? Was isn' das? Wo ist das Klo?
Chunks führen die LernerInnen schnell zu Kommunikationsfähigkeit, was die Lernmotivation positiv beeinflusst. Solche „Sprachbausteine“, deren Konstruktionsprinzipien
im Einzelnen gar nicht verstanden werden, können den Erwerbsprozess verkürzen,
auch wenn die Lernenden die grammatische Struktur dieser Äußerungen noch nicht
durchschauen.
Beispiel: Daher sollten die LernpatInnen solche sprachlichen Wendungen, die im Alltag und in der Schule wichtig sind, immer neu wiederholen, bis sie flüssig „sitzen“ und
automatisiert sind. Z.B. wichtig zur Selbstdarstellung in Gesprächen: „Ich bin …...
Ich bin …...Neira, Samir, etc.
Ich bin.....zehn Jahre alt.
Ich bin....aus Syrien.
Ich bin.....groß/klein.....
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Mit dem Chunk „Ich bin....“ können die LernerInnen schon viel über sich ausdrücken,
darum sollte man damit beginnen. Sind die LernerInnen etwas weiter fortgeschritten,
können auch längere Chunks vermittelt werden:
Ich heiße – ich komme aus – Ich wohne in …...
2. Implizites analytisches Lernen
Der Lerner greift kleinere Bausteine aus dem Input heraus, die er nach (seinen) Regeln produktiv zu neuen Äußerungen zusammensetzt. Er bildet systematisch eine
Grammatik aus, die sich noch nicht mit der der Zielsprache decken muss. Dabei folgt
er folgenden Prinzipien:
Prinzip 1: Lexik vor Grammatik
• Vorrang der „Inhaltswörter“, aber Auslassung grammatischer Wörter, zum Beispiel
von Artikeln und Perfekthilfsverb
• „Einer für alle“: de wird für alle bestimmten Artikel, haben für die Hilfsverben haben
und sein gebraucht.
Prinzip 2: Freie grammatische Wörter vor gebundenen grammatischen Elementen
Ich, du, er… vor geh-e, geh-st, geh-t;
Prinzip 3: Grammatische Elemente mit einer Bedeutung vor grammatischen Elementen mit mehreren Bedeutungen.
Beispiel: „dem“ enthält drei Informationen: Dativ, Singular, Maskulinum / Neutrum.
Lerner bevorzugen Elemente mit einer klaren 1:1-Beziehung von Form und Bedeutung.
Prinzip 4: Redundante und unauffällige grammatische Elemente werden vom Erwerbsmechanismus ausgeblendet.
Beispiel: Die Personenendungen am Verb sind redundant, da die Information schon
durch die Personalpronomen ausgedrückt wird. Ältere Lerner erwerben solche Elemente implizit nur schwer.
Prinzip 5: Betonte Elemente werden vor unbetonten erworben.
3. Explizites grammatisches Lernen:
Lösungen von Übungen und Aufgaben wie im Fremdsprachenunterricht - losgelöst
vom kommunikativen Zusammenhang.
Das so Gelernte und Geübte bleibt oft nicht dauerhaft im aktiven Sprachbesitz der
Lernenden, und es kann sein, dass es nicht in die Spontansprache übernommen wird
– vor allem nicht, wenn etwas gelernt und geübt wurde, was sich nicht an die natürlichen Erwerbssequenzen anschmiegt.
Zusammenstellung von Rolf Koeppel, s. Handout Vortrag vom 28.10. an der Universität Heidelberg: „Muttersprachler in der Sprachförderung. Was sollten sie über das
Deutsche und seinen Erwerb wissen?“).
Neben der Unterscheidung zwischen imitativem, expliziten und implizitem Wissen
ist für das DaZ-Lernen auch die Unterscheidung zwischen „Spracherwerb“ und
„Sprachlernen“ wichtig.
Die Rolle der Erwerbssequenzen
Ein Richtung der Sprachlernforschung konzentriert sich darauf, sogenannte „Erwerbssequenzen“ bei Kindern und erwachsenen DaZ-LernerInnen herauszufinden
(vgl. dazu Einheit 2). „Eine Sprache, sei es eine erste oder eine zweite, können wir
von Natur aus lernen. Der Sprachunterricht ist ein Versuch, in einen naturwüchsigen
Prozess optimierend einzugreifen. Es ist klar, dass ein solcher Eingriff umso eher geReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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lingen kann, je mehr wir über die Gesetzlichkeiten des zugrundeliegenden Prozesses
wissen“ (Klein, Wolfgang (1987)(2. Aufl): Zweitspracherwerb. Eine Einführung. Frankfurt/M. Athenäum Verlag) Eine zentrale Aussage im Rahmen dieses Forschungsansatzes lautet: „Schüler erwerben keine Strukturen, für die sie nicht bereit sind.“
(Pienemann, zitiert bei Koeppel 2013, S. 24).
Eine Übersicht über die grammatischen Strukturen, die Kinder in den ersten Klassen
der Grundschule erworben haben sollten, bieten Schäfer/Jeuk (2007 – vgl. Zusatzmaterial 2. Quelle: https://www.phludwigsburg.de/uploads/media/GD_Grammatik_Jeuk_Schaefer.pdf). Anhand dieser
Liste können die LernpatInnen überprüfen, welche grammatischen Strukturen ihr
Lernpatenkind schon beherrscht – oder auch nicht......
Sehr schwierig beim Deutschlernen ist z.B. das Genus der Nomen. Sprachlernforscherinnen der Universität Heidelberg (Erika Kaltenbacher, Monika Karas, Hana Klages) haben herausgefunden, dass der Erwerb des Genus (des „Geschlechts“ eines
Wortes), das u.a. durch Artikel ausgedrückt wird, in Stufen verläuft, die mehr oder weniger bei allen LernerInnen gleich sind:
– zunächst Gebrauch des Wortes ohne Artikel
– Artikelgebrauch ohne erkennbares System
– zweigliedriges Artikelsystem: der / die
– dreigliedriges Artikelsystem: der / die / das
Anstatt den Kindern Regeln dazu anzubieten (z.B.: (fast) alle zweisilbigen Substantive
mit unbetontem -e am Ende sind feminin), sollte man ihnen implizit in der Unterhaltung
viele Wörter der entsprechenden „Bauart“ anbieten: die Biene fliegt auf die Wiese und
sucht eine Blume....
Anstatt den Kindern Regeln dazu anzubieten, sollte man ihnen implizit in Gesprächen
und Spielhandlungen viele Wörter mit dem Genus anbieten, das gelernt werden soll:
die Biene fliegt auf die Wiese und sucht eine Blume....(hier folgt der Input z.B. dem
sog. Natürlichen Genusprinzip, das gefestigt werden soll). So ist z.B. das Lehrwerk
„Deutsch für den Schulstart“ aufgebaut, das in Heidelberger Vorschul- und Grundschulklassen mit hohem Migrantenanteil eingesetzt wird.
Für die LernpatInnen heißt das, dass sie besonders bei kleineren SprachanfängerInnen in DaZ kleinschrittig vorgehen sollten. Sie sollten ihr Augenmerk immer nur auf
ein grammatisches Phänomen legen, dessen Struktur ihnen in der Lernersprache
aufgefallen ist. Dann sollten sie die Patenkinder durch viele Beispiele in grammatisch
korrekter Form, d.h. durch viel Input, an den richtigen Gebrauch heranführen. Am besten sollten sie diese sprachlichen Strukturen nicht isoliert hervorheben, sondern in
eine Geschichte oder in Spielanreize 'verpacken' oder zumindest mit Bildern als
Sprechanlässen arbeiten. So wird z.B. in dem Lehrwerk „Deutsch für den Schulstart“
vorgegangen.
(Interessierte LernpatInnen können sich kostenlos auf der Internet-Seite „Deutsch für den Schulstart“
www.deutsch-fuer-den-schulstart.de/ anmelden und eine Vielzahl von Unterrichtsmaterialien kostenlos
herunterladen.)
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Die LernpatInnen sollten sich auch immer vor Augen führen, dass sehr viele Wiederholungen nötig sind, bis eine neue Struktur dauerhaft erworben wird. Ein ständiges
Wieder - Aufgreifen sicher beherrschter Strukturen, um dadurch das Gelernte zu festigen und vorsichtig die 'Zone der nächsten Entwicklung' vorzubereiten, sollten sie sich
ebenfalls bewusst vornehmen.
Beispiel: Genus-Abhängigkeit der Substantive
In dem Kapitel: „Grammatik entdecken“ setzen sich Rösch u.a. (2009) mit dem Genus
der Nomen und dem daran geknüpften Deklinationssystem auseinander. Sie stellen
fest, dass fast alle DaZ-Kinder Schwierigkeiten mit diesem Bereich haben, aber gerade diese Fehler (scheinen) Muttersprachler besonders zu stören: „Ist das Geschlecht
der Nomen nicht vertraut, so hat es (das Kind, I.D.) im Schriftlichen fast keine Chance,
auch nur einen korrekten Satz zu produzieren. Zu viel baut auf dieser Kenntnis auf
(die Wahl der Pronomina, der Adjektivgebrauch und die Deklination), als dass wir sie
dem Zufall überlassen könnten.“ (Rösch u.a. 2009, S. 132).
Zum Artikelgebrauch und dessen Einübung wurden in der Einheit 3 zum Wortschatz
schon Vorschläge unterbreitet. Die kleinen DaZ-LernerInnen müssen die drei verschiedenen Artikel zum Glück nur im Singular lernen, denn im Plural lauten sie für
alle drei Genera einheitlich „die“. (Darum gebrauchen viele ZweitsprachlernerInnen
das „die“ oder ein genuscheltes „de“ als Einheits-Artikel, weil das die Form ist, in der
ihnen Artikel am häufigsten begegnen – damit sind sie sozusagen 'auf der sicheren
Seite' und meinen am wenigsten falsch machen zu können. Diese „Notlösung“ hilft
ihnen aber nur im mündlichen Sprachgebrauch....). Im Plural ist das egal, aber: „Soll
dem Verb ...eine Singularform folgen, muss das Genus sicher bekannt sein, sonst
scheitert das Kind spätestens an dieser Stelle, wenn das Verb ... mehrere Kasus regiert oder eine Wechselpräposition im Satz vorkommt“ (S.136). Die angeführten Beispiele machen die Schwierigkeit deutlich: Ich bringe dem Vater die Zeitung und der
Mutter den Kaffee ans Bett.
Die Lernpatenkinder müssen jedoch nicht nur die Artikel im Nominativ lernen, sondern auch im Dativ und Akkusativ (der Genitiv kommt in der gesprochenen deutschen
Sprache praktisch kaum noch vor), denn die Nomen werden ja auch dekliniert. „Deklination bedeutet Formveränderung, durch die eine bestimmte sprachliche Beziehung
im Satz bewirkt wird. Unsere DaZ-Kinder können Satzglieder nicht in die richtige Beziehung zueinander setzen, wenn sie nicht über Kenntnisse, wann, wie und warum
sich Wörter verändern, verfügen. Der semantische Zusammenhang von gesprochenen und geschriebenen Sätzen, aber auch ganzer Texte bleibt ihnen verborgen.“
(Rösch S.136) . Beipiele:
Ich schenke der Freundin den Hund. Nicht: Ich schenke die Freundin dem Hund.
Ich laufe vor das Haus. - Ich laufe vor dem Haus.(Rösch u.a. 2009, S.136)
Wenn es auch klar ist, dass auf den Anfangsstufen des DaZ-Erwerbs ein Auswendiglernen von Grammatik-Regeln nichts bringt, können diese doch zur nachträglichen
Klärung und Orientierung hilfreich sein. Wichtig sind sie auf jeden Fall für die LernpatInnen selbst, damit sie wissen, worauf sie bei ihren Lernpatenkindern achten und
was sie mit ihnen üben sollen.
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Daher wird auf der folgenden Seite in einer „Kleinen Grammatik des Genus“ anhand
der Endungen aufgelistet, welche Wörter im Deutschen Maskulinum, welche Neutrum
und welche Femininum sind: (Rösch u.a.2009, S.133 – vgl. auch Zusatzmaterial 3
„der-die das“:
http://www.graf-gutfreund.at/m_gramm_nomen&pronom.htm).
Zur Verdeutlichung schwieriger grammatischer Lernbereiche beziehen die Verfasserinnen auch kontrastive Gesichtspunkte mit ein: „Das Türkische und das Persische
sind Sprachen, die kein Genussystem besitzen. Daher ist es besonders für ältere Kinder, die als Erstsprache diese Sprachen gelernt haben und als Seiteneinsteiger
Deutsch lernen müssen, manchmal sehr schwer nachzuvollziehen, dass sich Substantive nach ihren Genera unterscheiden....“ (S. 135) Dagegen ist die Lernsituation
für kleine Syrer anders, da „die Unterscheidung in 'männlich' und 'weiblich' die arabische Sprache sogar viel stärker durchdringt als dies im Deutschen der Fall ist. Im
Arabischen unterscheiden sich die Substantive im Hinblick auf ihre Genera voneinander“, was aber nicht im Artikel sichtbar wird: Der Artikel taucht immer in derselben
Form auf.“ (S. 135).
Unter „Tipps für die Praxis“ geben Rösch u.a. viele kommunikativ eingebettete Übungen an, die die LernpatInnen auch individuell mit ihren Patenkindern durchführen können. Beispiel für das Einüben der Deklination im Nominativ und Akkusativ:
Reihungsübung wie beim Spiel „Kofferpacken“, hier zum Wortfeld „Schulsachen“ (S.
146) und viele andere Übungsideen (vgl. folgendes Beispiel zur Deklination der Substantive:
Das ist der Tisch.
Das ist der Tisch und das ist die Tafel.
Das ist der Tisch, das ist die Tafel und das ist das Fenster.
In der zweiten Runde wird nun der Akkusativ geübt:
Siehst du den Tisch?
Siehst du den Tisch und die Tafel?
Siehst du den Tisch und die Tafel und siehst du das Fenster? (s. S. 138)
Vorschläge zum spielerischen Üben und Vertiefen der Grammatik-Bereiche sind sowohl im Text-Teil „Grammatik entdecken“ aufgeführt als auch in einem extra Kapitel
am Schluss (mit Kopiervorlagen) zu finden (vgl. Rösch u.a. 2009, S.171 ff).
Ratschläge zum didaktischen Vorgehen beim Grammatik-Lernen:
(nach Rolf Koeppel, Handout Vortrag vom 28.10.2015 in Heidelberg, s.o.)
• Von den Lernern und ihren je aktuellen Sprachbedürfnissen ausgehen; die Lerner
von sich sprechen lassen (Authentizität der Inhalte).
• Sprachliche Mittel werden dann gut gelernt, wenn sie kommunikativ relevant sind
(d.h. wenn sie gerade dringend gebraucht werden, I.D.)
• Nützliche Chunks / Mehrworteinheiten vermitteln (Hallo, wie geht’s? Können Sie
bitte mal ... ). Damit können die LernerInnen schnell handlungsfähig werden und
„mitreden“.
• Verstehen von Sprachmitteln ist anfangs nicht unbedingt nötig – kommunikativer
Gebrauch steht im Vordergrund.
• Wörter in Kontexten einführen, wiederholen, vernetzen (Wortfelder: z.B. Schule,
Familie etc. - vgl. Einheit 3)
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• Sprachförderliches Sprechen ist klar, langsam, angepasst; die Stimme ist
abwechslungsreich und moduliert; es wird Blickkontakt mit den Lernenden
gehalten. Handlungen werden sprachlich begleitet; Erzählen/Vortragen statt vorlesen.
(vgl. dazu Einheit 4)
• Sensible Korrektur:
- nicht alles korrigieren – die Inhalte müssen im Vordergrund bleiben
- nicht zu viel, damit die Korrekturen überhaupt verarbeitet werden können
- durch Wiederholen fehlerhafter Äußerungen in korrekter Form, durch Modulierungen (= Reformulierungen, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich
um „Fehler“
handelt)
• Zu früher Produktionszwang überfordert; der Zwang, Sätze zu wiederholen, kann
kontraproduktiv wirken.
• Satzmodelle durch Karten, Clips u. ä. bewusst machen und gleichzeitig üben
(„Grammatik ohne „Regeln“). Im Idealfall sollten die kleinen LernerInnen durch den
überlegten Input der LernpatInnen die Regeln selbst entdecken.
Ein Beispiel, was damit gemeint sein könnte, bieten Video-Clips aus dem Klett-Verlag,
die kostenlos im Internet gemeinsam mit den Patenkindern angeschaut werden können unter:
http://www.klett-langenscheidt.de/dafleicht-online/_1/grammatik.html
(Es handelt sich um anschauliche Demonstrationen mit Papierschnipseln, die die
LernpatInnen auch selbst herstellen und mit ihren Lernpatenkindern anchspielen können. So können wichtige Grammatik - Themen mit dem handlungsorientierten Ansatz
veranschaulicht, geübt und beliebig oft wiederholt werden:
Aussagesatz ,Definitartikel, W-Fragen und Ja/Nein-Fragen, Indefinitartikel und Negativartikel, Komposita, Akkusativ, trennbare Verben, Modalverb wollen, Possessivartikel, Präteritum mit war und hatte).
----------------------------------------------Wichtig ist auf jeden Fall, dass es den LernpatInnen auch beim Grammatik-Lernen
und Grammatik-Üben gelingt, die Motivation der Lernpatenkinder zu erhalten, sich auf
Deutsch zu äußern. Spass und Freude am Kommunizieren, Sich-Mitteilen ist der wichtigste Motor des DaZ-Lernprozesses.
Grammatik-Lernen kann auch lustvoll sein, wie hier am Beispiel der Konjugation des
Modalverbs „wollen“ demonstriert:
Willst du ein Eis? - Ja, ich will ein Eis.- Na, dann wollen wir Eis essen gehen!“...
Hinweise auf Lernmaterialien zur Grammatik DaF/Daz im Internet:
Interessante Videos zum Daz-Lernen finden sich auf der Internet-Seite:
http://www.mein-deutschbuch.de/index.php?site=video#deutschstunde –
so z.B. witzige Demonstrationen zu den Wechselpräpositionen:
https://www.youtube.com/watch?v=XY9J8C2eKJg&index=1&list=PL3D865FF94AC1D
B36
Lernmaterial zu „Stolpersteinen der deutschen Grammatik“ bietet die Broschüre
„Sachanalysen und Übungen zu Problembereichen der deutschen Grammatik“
von Karl Dieter Bünting, Yurdakul Cakir und Gabriele Boorsma, im Internet kostenlos
erhältlich unter:
https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/sachanalysen_uebungen.pdf.
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Diese Materialien wurden an der Universität Essen erarbeitet im Rahmen des Mercator-Projekts: „Sprachförderung von Grundschulkindern mit Migrationshintergrund“ (Zusatzmaterial 4)
Einen allgemeinen, kurzgefassten Überblick bietet die Power Point Presentation von ©
Sabine Sterkenburgh im Rahmen des Foermig-Projekts:
(vgl. http://ganztag-blk.de/ganztagsbox/cms/upload/sprachfrderung/BS_4/BS_4_b/Stolpersteine_der_deutschen_Sprache
_Frdertipps_soll_unter_P.pdf ) (vgl. Zusatzmaterial 5)
Einen der schlimmsten „Stolpersteine“ stellt der Satzbau im Deutschen dar. Koeppel
(s.o.) bezeichnet Deutsch als eine „Klammersprache“, da zwischen dem finiten Verb
und indefiniten Verbteilen beträchtlich viele andere Satzglieder stehen können. Ein
umfangreiches und gut strukturiertes Arbeitsblatt sowie weitere Übungsblätter finden
sich in der Online-Grammatik http://www.mein-deutschbuch.de. (vgl. Zusatzmaterial 6)
Die Betrachtung des deutschen Satzbaus im Vergleich mit anderen Sprachen bietet
das Buch:
Krifka, M. u.a. (Hrsg.) (2014): Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler. Heidelberg (Springer Verlag), S.56 – 61).
Auf vielen weiteren Seiten wird man zu DaZ und DaF im Internet fündig. „Gute Adressen“ sind z.B. die DaZ-Seiten des Sprachförderzentrums Berlin-Mitte: http://dazlernwerkstatt.de/
(Nutzungsbedingungen – bitte beachten:
Dürfen die Materialien in der Lehreraus-, fort- und weiterbildung genutzt werden? JA, aber Materialien (Arbeitsblätter, Unterrichtsentwürfe, …),
die Inhalte aus der DaZ-Lernwerkstatt.de Datenbank beinhalten, dürfen nicht kommerziell veröffentlicht werden! Eine QUELLENANGABE ist erforderlich!)
Eine umfassende Linksammlung für Materialien zum DaZ-Lernen bietet:
http://wikis.zum.de/daf/Arbeitsbl%C3%A4tter_f%C3%BCr_DaF (vgl. Zusatzmaterial 7)
Hier finden LernpatInnen, die im Internet-Gebrauch versiert sind, eine Fülle nützlicher
Arbeitsmaterialien und Adressen, besonders auch von Verlagen, die Arbeitsmaterialien kostenlos zur Verfügung stellen.
Eine Serie mit kurzen Lehrfilmen (ca. 2 Minuten – eine ideale Aufmerksamkeitsspanne
für kleinere Kinder) ist „Deutsch mit Socke“ (http://www.planetschule.de/rss/article/440.html)
Die Clips können heruntergeladen und immer wieder gemeinsam angeschaut werden,
so dass sich gängige Vokabeln und Redewendungen einprägen können. (vgl. InfoBlatt, Zusatzmaterial 8)
© SWR / WDR 2015
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Einheit 7: Spielerisches Lernen im DaZ – Fördertandem
Wenn Sie als Lernpatin /Lernpate ein Flüchtlingskind beim außerschulischen DeutschErwerb fördern, so sollten sich Ihre Treffen mit dem Lernpatenkind vom schulischen
Deutschunterricht unterscheiden, was Inhalt und Atmosphäre angeht. Das Kind sollte
sich auf die Stunden freuen können, die Sie ihm pro Woche schenken. Es sollte sich
gut aufgehoben und in seiner Eigenart angenommen und gewürdigt fühlen. (vgl. dazu
Einheit 1, Zusatzmaterial 7). Leistungsdruck ist da fehl am Platze. Bei den LernpatInnen darf es sich entspannen, sich aber auch auf spannende Erlebnisse und Herausforderungen beim Sprachlernen freuen.
Lernen muss nicht (immer) mühsam, streng reglementiert und diszipliniert sein. Dies
ist vor allem die Auffassung älterer Erwachsener, die noch fast ausschließlich diese
Art des Lernens in ihrer eigenen Schulzeit erlebt haben. Doch der Stil des Grundschulunterrichts hat sich gewandelt. Auch dort werden häufig Lernspiele in der Partnerarbeit, in der Gruppenarbeit oder im Klassenverband eingesetzt.
Allen 'gestrengen' LernpatInnen sei gesagt: Es ist durchaus legitim, die Spielfreude
der Kinder zu aktivieren und an ihren Ehrgeiz zu gewinnen zu appellieren. Die Chancen beim DaZ-Lernen stehen dafür nicht schlecht. Erwachsene, die mit Kindern
schon einmal Memory gespielt haben, können durchaus ein Lied davon singen, dass
Kinder ihnen mit ihrem visuellen Gedächtnis und ihrer schnellen Merkfähigkeit überlegen sind. Diese natürlichen Fähigkeiten können sich die LernpatInnen zunutze machen, wenn sie z.B. für das Memory-Spiel die Regel aufstellen, dass die Kartenpaare
nur behalten werden dürfen, wenn der darauf abgebildete Gegenstand (das Tier, die
Pflanze, das Verkehrsmittel.....) auch korrekt auf Deutsch benannt werden kann – mit
Artikel natürlich.....In einer gesteigerten Schwierigkeitsstufe kann das Spiel so gespielt werden, dass das eine Kärtchen des selbstgemachten Memorys ein Bild, das
andere das entsprechende geschriebene Wort enthält. Damit wird gleichzeitig eine
unauffällige Leseförderung und das Einprägen eines Sichtwortschatzes erreicht.
Mit Spielen können viele Lernziele des DaZ-Unterrichts angesteuert werden. Je nach
Alter, Lerntyp und Vorlieben der Lernpatenkinder können die LernpatInnen Spiele
auswählen und/ oder auch sich selber ausdenken oder auswählen. Ein großer Vorteil
von Lernspielen ist, dass ihr Einsatz lehrbuchunabhängig ist. Die LernpatInnen müssen sich also nicht danach richten, was im Unterricht der Lernpatenkinder durchgenommen wird, sondern sie können sich selbst nach Lernspielen umschauen, die im
Idealfall auf die Erwerbsstufe ihrer Lernpatenkinder zugeschnitten sind (vgl. dazu Einheit 2). Damit können sie gezielt in den DaZ-Spracherwerb ihrer Lernpatenkinder eingreifen. Sprachspiele bieten Wiederholungsstrukturen, Formeln und Stereotype zur
systematischen Einübung von Sprachstrukturen. Damit werden Korrektheit und Komplexität des mündlichen Ausdrucks in DaZ gefördert. Wiederholungen sind beliebig oft
möglich und helfen beim Einprägen der Sprachstrukturen, die gefestigt werden sollen.
Das Wichtigste bei Lernspielen aber ist: Sie machen den Kindern Spaß.
Der Einsatz von Lernspielen funktioniert auch bei SchülerInnen, die schon etwas älter
sind, als Motivationsverstärker. Hier der Bericht einer Studentin über die DaZFörderarbeit mit einem 16-jährigen Jungen aus Afghanistan:
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„Damit ich seine Lernmotivation aufrechterhielt, baute ich in jede Unterrichtsstunde
auch spielerische Übungen ein. Diese umfassten Ratespiele (Bsp. "Ich sehe was, was
du nicht siehst" zum Üben des Akkusativs, Kreuzworträtsel zum Wiederholen von Vokabeln), Würfelspiele, Laufdiktate und Ähnliches. Oft brachte ich zu einem Thema
einige unterschiedliche Übungen mit, so dass er zwischen ihnen auswählen konnte
und ich ihm somit ein Entscheidungsspielraum bzgl. der Auswahl und Methoden ließ.
Dies empfand er seinen Kommentaren zufolge als sehr positiv.“
(K.
Knauth)
Der Einsatz von Spielen in der individuellen DaZ-Sprachförderung der LernpatInnen
eignet sich auch zur Rhythmisierung der Förderstunden. Als kleines „Ritual“, als Auflockerung bei Ermüdungserscheinungen beim Lernen und als „Belohnung“ am
Schluss sind Lernspiele sehr geeignet.
Spiel-Ideen
Ein beliebtes Spiel mit kleineren Kindern ist z.B. „Einkaufen“ - auch bei deutschen
Kindern bis hin zur Grundschule. Viele LernpatInnen werden es mit ihren eigenen
Kindern gespielt haben, als diese noch klein waren. Das haben sie wahrscheinlich
getan, ohne dass sie damit den Spracherwerb ihrer Kinder oder Enkelkinder bewusst
fördern wollten, sondern weil es die Kinder sich selbst wünschten und es immer wieder spielen wollten. Vielleicht haben sie ihnen sogar einen Einkaufsladen geschenkt,
der noch irgendwo auf dem Speicher steht....
Das wäre z. B. ein ideales Einstiegs-Element für kleinere Kinder am Beginn ihres
DaZ-Lernprozesses, um nützliche Redewendungen und „chunks“ für das Alltagsleben
in spielerischer Form zu erwerben:
„Guten Tag, Frau Meier! Was möchten Sie? (Was darf es sein?)“
„Geben Sie mir bitte/ Ich möchte gern....(ein Pfund Zucker, sechs Eier, einen Liter
Milch, drei Bananen)!
„Wieviel kostet das? (Wieviel macht das?)“
„6,00 Euro“.
„Ach, so viel?“
„Ja, leider.“
„Hier haben Sie 10 Euro.“
„Danke, Ihr Wechselgeld....“
„Auf Wiedersehen!“
„Tschüss!“
Aus der Sicht der DaZ-Didaktik werden hier zugleich die Bezeichnungen aus dem
Wortfeld Lebensmittel, Mengenangaben, der Gebrauch des Akkusativs eingeübt.
Kennzeichen dieser spontanen kindlichen Spiele ist die Vorwegnahme von Rollen und
Ernstsituationen im Erwachsenenleben. Das macht sie vergleichbar mit Sprachlernspielen, denn auch hier soll ja die Ernstsituation der 'echten' Kommunikation vorweggenommen und vorbereitet werden.
Kleinere Dialoge und 'chunks' kann man auch gut mit Handpuppen spielen. Der Einsatz von Handpuppen und 'sprechenden Tieren' hat für kleinere Kinder eine entlastende Funktion, denn es sind ja dann nicht sie selbst, die ungeschickt oder sprachlich
nicht normgerecht reagieren, sondern 'der Kasper', 'Tinto' oder wie die Maskottchen
gerade heißen....
Zum Einüben der deutschen Buchstaben und erster Wörter gibt es viel kommerzielles
Spielmaterial. Der Markt an Lernspielen für vorschulisches Lernen und für die AltersReader für Mentorinnen und Mentoren zur Schulung für Lernpatinnen und Lernpaten,
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stufe Grundschule boomt. Es gibt auch Spiel- Utensilien, die nicht viel kosten müssen
und dennoch vielseitig einsetzbar sind, z.B. preiswerte Ersatz-Spielsteine für Scrabble, mit denen die LernpatInnen dann selbst mit ihren Lernpatenkindern den Wortaufbau und -abbau deutscher Wörter ohne die komplizierten Scrabble-Regeln üben können. Auch Stempel-Spiele mit Buchstaben fördern den Schriftspracherwerb.
Gleichartiges Material in großen Mengen fördert das Zahlenbewusstsein, die Einführung der Zahlen und die Rechenfähigkeit (Murmeln, 1-Cent-Stücke, Wäscheklammern, Streichhölzer.....). Dieser didaktische Ansatz wurde von Anton Strobel und
Kerensa Lee Hülswitt im Rahmen der Freinet-Pädagogik entwickelt (vgl. dazu
http://freinet.paed.com/freinet/frschule.php?action=frsch2).
Ein Spiel, das nichts kostet und dennoch wirksam ist zum Einüben der Farben oder
anderer Adjektive und Substantive, ist: „Ich sehe was, was du nicht siehst und das
ist.....blau, rund, eckig, …...“
Ein anderes beliebtes Spiel zum Wortschatz-Lernen ist „Taboo“. Hier eine vereinfachte Variante des kommerziellen Spiels :
„Das Spiel dreht sich um das Erklären von Begriffen. Bei einem Begriff darf dabei weder eines der
fünf Tabuwörter verwendet werden, noch ein Bestandteil des gesuchten Wortes (bei „Eisbär“ darf beispielsweise
weder „Eis“ noch „Bär“ gesagt werden). Dazu zieht man Wortkarten mit Begriffen. Der Spieler versucht, innerhalb einer vorgegebenen Zeit so viele Begriffe wie möglich zu erklären. Pro erratenem Begriff gibt es einen
Punkt. Kann ein Spieler einen Begriff nicht erklären, weil es zu schwierig ist oder es zu viel Zeit kostet, darf er die
Karte auslassen. Dabei wird kein Punkt abgezogen. Wird ein Tabuwort benutzt, muss der Spieler zum nächsten
Begriff übergehen und bekommt einen Punkt abgezogen. (nach Wikipedia)
Für Kinder mit geringem Wortschatz kann auch vereinbart werden, dass z.B. Tiere
ohne Worte dargestellt werden.
Ist ein Tier-Quartett vorhanden, können Tiere erfragt, nachgemacht und dann mit dem
entsprechenden Verb bezeichnet werden:
Kennst du (den Hund, den Hahn, die Katze, die Ziege, das Schaf, das
Pferd................................?)
Was macht der Hund, der Hahn, die Katze, die Ziege, das Schaf, das
Pferd.................................?
– bellen, krähen, quaken, blöken, miauen, gackern, gurren etc.
– Er bellt, sie miaut,es blökt.......................
Ratespiele sind eine gute Möglichkeit zum Einüben von Satzmustern oder Präpositionen. Der Lernpate / die Lernpatin versteckt einen Gegenstand, und das Lernpatenkind
fragt:
Ist das Radiergummi - unter dem Tisch?
- in deiner Tasche?
in der linken Hand? - in der rechten Hand?
etc.
Ein beliebtes Spiel in der DaZ-Förderung mit Kindern ist „Galgenmännchen“, geeignet zur Einübung der Rechtschreibung von Wörtern.
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Spielverlauf (https://de.wikipedia.org/wiki/Galgenmännchen):Benötigt werden dazu
Papier und Stift. Die Anzahl der Mitspieler ist variabel, häufig sind es jedoch nur zwei.
Der Beginner überlegt sich nun ein längeres Wort, von dem er jedoch lediglich den
Anfangsbuchstaben hinschreibt. Alle weiteren Buchstaben des ausgedachten Wortes
werden durch Striche markiert. Der Rate-Spieler nennt nun in beliebiger Reihenfolge
nacheinander einzelne Buchstaben des Alphabets. Der Gegner muss nun jeweils ansagen, wie oft und an welcher Stelle des Lösungswortes der Buchstabe vorkommt. So
ergibt sich nach und nach das gesuchte Wort.
Für jeden Fehlversuch beim Raten gibt es einen Strich oder Kreis für das Galgenmännchen. Statt des Galgens kann auch eine weniger martialische Zeichnung vereinbart werden.
Hinweise auf Lernmaterialien und Literatur mit Spielanleitungen:
Zur Einübung der Zahlen auf Deutsch eignen sich Würfel. Man setzt zunächst einen,
dann zwei, dann drei und mehr Würfel ein, damit man zu Zahlen über 20 kommt.
Dadurch kann die komplizierte Zusammensetzung der deutschen Zahlen geübt werden, bei denen der Einer vor dem Zähler genannt wird (ein-undzwanzig, zwei-und
zwanzig), was für viele kleine DaZ-LernerInnen eine große Schwierigkeit darstellt. Zur
'Erholung' können die Zahlen dann als Zahlen notiert und addiert werden. Natürlich
hat derjenige Tandempartner gewonnen, der die höchste Punktzahl durch Würfeln
erreicht hat. Durch das Abziehen von dieser Summe, indem wiederum Zahlen mit
einem oder zwei Würfeln erwürfelt werden, kann man auch die Subtraktion üben und
die Zahlen dann wieder auf Deutsch benennen (vgl. Einheit 8).
Der Einsatz von selbst zu beschriftenden und Lernwürfeln, die gemeinsam gebastelt werden können (kostenlose Muster im Internet erhältlich auf den Seiten des
Hueber Verlags, vgl. Zusatz-Material 1) für das Einüben von Personalpronomen, Konjugationsformen der Verben und anderer Grammatik-Bereiche wurde schon in Einheit
3 (Wortschatzerwerb) und 6 (Grammatik) beschrieben. (s. Zusatzmaterial 2 –
Übersicht über Spiele mit dem Würfel zum Download beim Hueber Verlag, sowie Zusatz-Material 3: Einübung von Personalpronomen und Verbkonjugation).
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Der Einsatz von Lernspielen ist für alle Zielgruppen und alle Altersstufen in DaZ möglich und angebracht. (vgl. dazu den Aufsatz von Schweckendiek, Jürgen: Spiele und
Spielerisches. Zur Förderung der Gruppenintegration und zur Binnendifferenzierung,
in: Fremdsprache Deutsch Heft 25/2001 – Spielen – Denken – Handeln,© Hueber
Verlag 2007, https://www.hueber.de/media/36/FSD_25_2001-S9-19.pdf)
Die Fibeln der Grundschulkinder sind voll von Wörterschlangen, bei denen Wortgrenzen erkannt werden müssen, sowie von quadratischen Tafeln mit Buchstabensalat, auf denen einzelne Wörter erkannt und angemalt werden müssen (waagerecht
und senkrecht), oder von Aufgaben, bei denen Suchbilder ausgemalt werden müssen,
die sich aus der richtigen Beantwortung von Fragen ergeben. Diese Aufgaben können
die LernpatInnen mit ihren Lernpatenkindern gemeinsam erledigen und mit Belohnungs- Anreizen versehen.
LÜK-Kästen, die ebenfalls oft in der Grundschule zum Einsatz kommen, arbeiten mit
einem Kontrollgerät und Zahlenplättchen. Diese stehen für Aufgaben, die bei richtiger
Lösung eine bunte Grafik ergeben. Die Nummern auf den 12 oder 24 nummerierten
Plättchen verweisen auf Multiple-Choice-Fragen, deren Antwortmöglichkeiten wieder
mit einer Zahl versehen sind. Das Kind legt das Aufgabenplättchen auf das entsprechende Zahlenfeld im Kontrollkasten. Dreht man den Kasten um, nachdem alle Felder
ausgefüllt sind, ergibt sich bei richtiger Lösung aller Aufgaben ein grafisches Kontrollbild.
Aufgabenhefte zum Sprachlernen mit LÜK-Kästen sind für alle Fächer (auch für DaZ!)
und für alle Schwierigkeitsgrade erhältlich – vgl. z.B. das Heft Deutsch ganz einfach1: Deutsch als Fremdsprache, Wortschatz für Anfänger
(http://www.buch24.de/shopdirekt.cgi?id=163350&p=3&sid=13&static=0/90460/&gclid=CP6WuqXkkckCFdQaGwodd64JbA.
LÜK- Kontrollgerät mit 24 Plättchen.
Ein Buch voller Kopiervorlagen für Kreuzworträtsel und Quartette, aus denen sich die
LernpatInnen passende Materialien kopieren und zusammen mit den Lernpatenkindern basteln und ausmalen können, ist: Krull, Renate (2010,): Du bist dran! Spiele und
Rätsel für DaF/Daz – Für Kinder und Erachsene. Buxtehude: AOL-Verlag ( 5. Aufl.) s. folgende Beispiel-Seiten:
Lernspiele und Lernmateialien aus dem Internet
Ein unerschöpfliches Reservoir von Lernspielen für DaZ bietet das Internet. Die studentische Förderpartnerin eines kurdischen Jungen berichtet:
„Für die Förderung habe ich hauptsächlich Materialien aus dem Internet verwendet.
Darunter waren Bildergeschichten und hilfreiche Arbeitsblätter zu Leseverständnis,
Wortschatz, Artikelarbeit sowie viele weitere Übungen.“ (S. Ritter)
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Fündig werden die LernpatInnen dabei auf vielen Internet-Seiten. Hier ein Beispiel:
http://daz-lernwerkstatt.de/wp-content/uploads/Laute-Wuerfeln.pdf
Diese Daz-Lehr- und Lernwerkstatt für Berliner Schulen bietet viele kostenlos zugängliche Übungsmaterialien, u.a. 40 Lernspiele, die je nach Lernbedürfnis über ein Suchsystem schnell zu finden sind (http://daz-lernwerkstatt.de/hilfen/sprachlernspiele/).
Der Hueber Verlag bietet eine Fülle von Kopiervorlagen zu Lernspielen für Kinder und
Jugendliche zum kostenlosen Download unter
https://www.hueber.de/seite/pg_lehren_uebungen01_idn (s.o.)
Weitere Internet-Seiten für Lernspiele:
http://www.lernspiele.org/kostenlose-lernspiele-online.html
http://www.blinde-kuh.de/ = Ein umfangreiches Suchportal für Kinder, bei dem man
sich zu passenden Spielen durchklicken muss.
Eine Sammlung von Kopiervorlagen, die man ausdrucken
www.graf.gutfreund.at/m_lernspiele.htm . (s. Anlage ….., Übersicht)
kann,
bietet
Ein kompletter DaZ Lehrgang für Vorschul- und Grundschulkinder, die schon in
Deutschland geboren sind, aber durch die muttersprachliche Erziehung in den Familien noch viel Sprachlernbedarf in DaZ haben, ist „Deutsch für den Schulstart“. Dieser Lehrgang, der von Mitgliedern des Deutsch als Fremdsprache-Instituts der Universität Heidelberg erarbeitet wurde, arbeitet mit einer flachen Progression und mit
kindgerechten Texten, Materialien, Spielen und Liedern, die auf die zu vermittelnde
grammatische Erscheinung ausgerichtet sind. Dort können sich die LernpatInnen kostenlos registrieren, um Zugang zu den Lernpaketen zu erhalten (http://www.deutschfuer-den-schulstart.de/).
Interaktive Lernprogramme im Internet für Kinder:
Während oben Internet-Seiten angegeben wurden, auf denen sich die LernpatInnen
Materialien für die Förderarbeit in Daz herunterladen, kopieren und zu Lernspielen
haptisch verarbeiten können, sollen hier noch einige Seiten mit interaktiven Lernspielen angeführt werden, die direkt mit den Lernpatenkindern am Computer gespielt werden können.
Erfahrungsgemäß hat der Umgang mit dem Computer für Kinder einen so großen
Reiz, dass sie sogar vergessen, dass sie dabei oft wirkungsvoll lernen. Natürlich sollten diese online-Lernspiele von den LernpatInnen vorher angesehen, erprobt und bei
der Anwendung am Bildschirm begleitet werden.
Eine grundsätzliche Übersicht (nicht nur für DaZ) bietet:
http://www.klick-tipps.net/surfanfaenger/ - Kinderseiten für Surfanfänger
Vielfältige, schön gestaltete Internet-Seiten, die Kinder und LernpatInnen mögen werden, findet man unter dem Internet-Auftritt der „Sendung mit der Maus“:
http://www.wdrmaus.de/elefantenseite/
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Eine spezielle Seite zur Sprachförderung Kinder mit Förderbedarf (auch in DaZ):
http://www.leseludi.de/
Auf der Startseite des Programms findet sich folgende Beschreibung:Wie ist das Programm zur Leseförderung aufgebaut?
Sie finden unterschiedliche Leseübungs-Einheiten, den Kategorien Wortebene, Satzebene und Textebene zugeordnet. Die Einheiten beginnen
mit den sehr einfachen Leseübungen (Anfangslaute erkennen, silbenweises Wörterlesen) und steigen mit jeder weiteren Einheit im
Schwierigkeitsgrad an.
Jede Einheit enthält in der Regel 120 Übungsseiten, die immer nach demselben Prinzip gestaltet sind. Es ist damit immer die gleiche
Aufgabenstellung, die dem Kind gesagt werden kann oder es sich durch Handeln selbst erschließt. Nach jeweils 15 Aufgaben wird ein
„Etappenziel“ erreicht – es erscheint immer der witzige Lese-Ludi.
OKAY oder WEITER?
Wenn die Kinder eine Aufgabe gelöst haben und auf OKAY drücken, erscheint ein roter oder grüner Smiley und bei richtiger Lösung ein Punkt
mehr im Luftballon. Wird nur auf WEITER geklickt, ändert sich nur die Punktzahl bei richtiger Lösung. Das ist die schnelle Variante, wenn
man zum Beispiel die Zeit messen möchte, allerdings muss man sich dann die Ausgangspunktzahl merken.
Diese Seite ist leider nicht kostenlos, bietet aber einen Textzugang, mit dem die LernpatInnen ausprobieren können, ob ihre Lernpatenkinder damit gern spielen und lernen.
Lernseiten ohne viel Brimborium und aufwändige optische Verpackung, aber mit unmittelbarer Betsätigung von richtige und falschen Antworten bietet:
http://www.grundschulstoff.de/online-test/kinder.html
Vielfältige Online-Seiten zum DaZ-Sprachlernen bietet auch (kostenlos)
http://ludolingua.de/ludothek/ludothek.html
Ein interaktives Spiel zum Erkennen von Buchstaben im Internet findet sich unter:
http://www.orgdot.com/abc/abc.swf
Diese Angaben sind mit Sicherheit nicht vollständig und abgeschlossen. Es lohnt sich
also, sich selbst auf den Weg ins Internet zu machen und passende Lernspiele und
Arbeitsvorlagen für die Lernpatenkinder zu suchen.
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Einheit 8: Interkulturelles Lernen und DaZ-Erwerb
Wenn Sie als LernpatIn mit einem Flüchtlingskind in Kontakt treten und Zeit verbringen, kommt Ihnen ein junger Mensch aus einer anderen Lebenswelt entgegen. Dieses
Kind, dem Sie beim Deutsch lernen helfen wollen, ist keine Tabula Rasa.
Ihr Lernpatenkind ist geprägt durch seine vorangegangenen Lebensjahre auf einem
anderen Kontinent, in einem anderen Land, in einer anderen Stadt oder einem anderen Dorf. Es ist Mitglied einer Familie. Selbst wenn diese auf der Flucht auseinandergerissen wurde oder wenn Familien-mitglieder das Leben verloren haben, sind sie
doch im Herzen der Kinder präsent. Das Kind ist geprägt durch Fluchterfahrungen,
über die es mit den LernpatInnen nicht sprechen kann (u.a. deswegen, weil die
sprachlichen Mittel dazu fehlen. Es ist verunsichert durch die neue Umgebung, den
Verlust der vertrauten Sprache und der bekannten Lieder und Spiele, von neuen Geräuschen und ungewohnten Speisen. Viele Verhaltensweisen, die von ihm verlangt
werden, sind ungewohnt. Es muss viel Neues auf schnelle Art und Weise lernen, Anschluss zu finden. Und es muss sich überall anpassen, um dazuzugehören......
Das Schicksal der geflüchteten Familien – Krieg und Not im Herkunftsland, lange und
gefährliche Fluchtwege hinein ins Ungewisse, das Leben unter rechtlich unsicheren,
armen und beengten Verhältnissen in Deutschland – hat natürlich auch Auswirkungen
auf die Kinder. Manche sind verstört und unsicher, manche verschließen sich, manche
suchen ihr Heil in gespielter Stärke oder in Überanpassung. Viele müssen sich ihren
Platz in den Schulklassen gegenüber den Hänseleien der deutschen Kinder erst mühsam erkämpfen. Bei den LernpatInnen sollten sie einen Ort haben, in dem sie sich
weder abgrenzen noch durchsetzen müssen, sondern so sein dürfen wie sie sind.
Dennoch bringt das geflüchtete Kind auch schon viele Kenntnisse und Erfahrungen
mit. Die LernpatInnen sollten sich bemühen, diese hervorzulocken, um den Kindern zu
erlauben, sich zu zeigen als die, die sie sind. Sie sollten nicht nur auf möglichst rasche Anpassung an die neue deutsche Lebenswirklichkeit hinarbeiten, sondern den
Kindern Raum geben für ihre Erinnerungen, für ihre Trauer über den Verlust der vertrauten Heimat, für ihr Heimweh. In der Schule ist dafür kein Raum, aber in einer vertrauten Eins-zu-Eins-Beziehung wie in einem Lerntandem.
Im Anfangsstadium des DaZ-Erwerbs ist es schwierig, die Erfahrungen der geflüchteten Kinder anzusprechen, da die LernpatInnen ja die Sprache der Kinder nicht verstehen und diese selbst auch noch nicht genügend Deutsch können, um ihre Erfahrungen auszudrücken.
Da hilft nur ein genaues Beobachten des Kindes während der Lernförderung. Die
Lernpatin / der Lernpate muss spüren, wann es Zeit ist für Angebote an das Kind
(auch averbaler Art), Eigenes einzubringen und etwas von sich zu „erzählen“. Dafür
sollten sich die LernpatInnen um Offenheit, Sensibilität und Einfühlungsvermögen
bemühen (vgl. dazu Einheit 1: Ausführungen und Zusatztext 1 zum Thema „Empathie“).
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Im Sinne des interkulturellen Lernens ist es wichtig, dass sich die LernpatInnen einige
Begrüßungs-formeln und „Chunks“ in der Herkunftssprache des Kindes von ihm beibringen lassen, wie oben schon empfohlen wurde (s.o., Einheit 1 – Kontaktaufbau).
Die Kinder haben meist großen Spaß daran zu erleben, dass auch Erwachsene Mühe
beim Sprachlernen haben. Es macht ihnen Freude, wenn sie einmal in die Rolle der
„LehrerInnen“ schlüpfen dürfen und nicht nur in der Rolle der Lernenden verharren,
die alles widerspruchslos aufnehmen müssen.
Als Beispiel dafür erinnere ich mich an eine 6jährige südamerikanische DaZSprachanfängerin, der ich das Wort Pferd nahebringen wollte – durch einen Spaziergang zu einer Weide, auf der ein Pferd lebendig zu besichtigen war. Ich zeigte auf das
Tier und sagte: Guck mal – das ist ein Pferd. Sie antwortete mir: caballo. Ich wollte
gern, dass sie das deutsche Wort für dieses schöne Tier wiederholte, doch sie blieb
hartnäckig bei caballo. In dieser Mini-Lernsituation wollte mir das Kind sagen: „Ich
weiß doch schon, wie das Tier heißt. Bei uns zu Hause heißt es caballo. Warum soll
ich auf mein Wissen verzichten und deine Bezeichnung übernehmen?“
Das Benennen neuen Sprachmaterials mit Äquivalenten in der Muttersprache ist
ebenfalls solch eine Würdigung dessen, was das Kind schon kann, und außerdem
eine gute Lernstrategie. Von daher macht das Führen zweisprachiger Vokabel-Listen
oder Karteikarten (in der Lernkartei, s.o.) Sinn, selbst wenn es aus linguistischer Sicht
bedenklich sein sollte, weil es zumeist keine semantisch deckungsgleichen Bezeichnungen gibt. Aber dieses Vorgehen funktioniert bei der Benennung konkreter Dinge
und Lebewesen ganz gut. Dadurch wird das neu zu lernende Sprachmaterial in den
bestehenden Kenntnisstand des Kindes eingeordnet. Bei unklaren Wortbedeutungen
sollte man auch ein Lexikon in der Herkunftssprache der Kinder zu Rate ziehen. Damit wird gleichzeitig die komplexe Fähigkeit zur Benutzung eines Lexikons trainiert.
Freilich können die LernpatInnen nur begrenzt kontrollieren, ob das Wort dann z.B.
auf Arabisch richtig auf das entsprechende Karteikärtchen oder in die Wörterliste eingetragen wurde.....
Eine Lehrerin, die ihren Unterricht mit Migrantenkindern aus systemischer Sicht betrachtet (ein therapeutischer Ansatz, der hier nicht näher entfaltet werden kann), teilt
die Angst der meisten ihrer KollegInnen vor der Benutzung der Muttersprachen der
Kinder auch im Unterricht nicht. Sie beschreibt den Stellenwert der Muttersprache
folgendermaßen: „Die ersten, intimsten Gefühle und Wahrnehmungen erlebt ein Kind
doch im Zusammenhang mit dem Erwerb seiner Muttersprache....Die sich entwickelnde Gefühlswelt bleibt lange Zeit an die Muttersprache gebunden und ist nicht ohne
weiteres auf die neue Sprache übertragbar. Also ließ ich die Kinder vor der Klasse
serbische Kinderlieder aufsagen, kleine türkische Texte und Kinderreime vorlesen.“
(Franke-Gricksch 2002, S. 82). Das stärkte die Persönlichkeit der Kinder und gab
ihnen Selbstvertrauen.
----------------------------------Bei meinen Vorschlägen für das interkulturelle Lernen mit geflüchteten Kindern beziehe ich mich hauptsächlich auf Basil Schader (2000): „Sprachenvielfalt als Chance.
Handbuch für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen – Hintergründe und Unterrichtsvorschläge für Kindergarten bis Sekundarstufe“. Verlag Orell Füssli, Zürich. Die
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Vorschläge in diesem Buch, das sowohl den Ansatz des interkulturellen (Sprach-)
Lernens theoretisch gut begründet als auch viele brauchbare Ideen zur Umsetzung
enthält, richten sich hauptsächlich an LehrerInnen, die ganze Klassen unterrichten. Es
ist jedoch auch eine Fundgrube für Ideen und Ansätze zum interkulturellen Lernen der
LernpatInnen mit ihren kleinen Lernpatenkindern in der face to face - Situation. Manche dieser Vorschläge können sogar besser in der vertrauten und geschützten Lernsituation eines Lerntandems umgesetzt werden als in einer Schulklasse. Z.B. der 1.
Vorschlag:
1. „Schatzkiste“ mit Erinnerungsstücken, Fotos und anderen Gegenständen anlegen,
an denen das Kind hängt. Diese können immer wieder gemeinsam betrachtet und
zweisprachig benannt und beschrieben werden:
„Ist das dein Teddy?
„Habt ihr in diesem Haus gewohnt?“
„Ist das dein Heimatdorf, deine Stadt?“
„Ist das ein Foto von deinem ersten Schultag?“
„Ist das deine Familie in Afghanistan?“
In diese Schatzkiste gehören natürlich auch kleine Geschenke, die das Kind von der
Lernpatin / dem Lernpaten erhalten hat (kleine Tier-Figuren Sticker, Haarspangen
etc.) sowie Fotos von schönen gemeinsamen Unternehmungen. Diese könnten auch,
versehen mit eigenen kleinen Texten, zu einem Fotobuch zusammengefasst werden,
das man ausdrucken lässt und dem Kind bei Gelegenheit als Geschenk überreicht.
2. Stammbaum zeichnen – Familienbezeichnungen – über Familie erzählen
(vgl. Zusatzmaterial 1)
Die Familienbezeichnungen in anderen Sprachen sind oft viel genauer als in der deutschen Sprache.
Im Türkischen gibt es z.B. drei verschiedene Bezeichnungen für „Tante“:
hala – Tante väterlicherseits /Schwester des Vaters
teyze - Tante mütterlicherseits / Schwester der Mutter
yenge –Frau des Onkels, auch Frau des Bruders (Schwägerin)
Das gibt Gelegenheit zu vergleichender interkultureller Sprachreflexion, wenn die Kinder sprachlich so weit sind.
Weitere Themen zum Erzählen /Malen / Zahlen einüben/Tabellen schreiben:
Wie heißen die Menschen in unserer Familie? Wie alt sind sie?Wann sind sie geboren? Wer hat unter einem Dach gewohnt?
3. Leben in der Familie
Die geflüchteten Kinder werden sicherlich bemerken, dass ihre deutschen KlassenkameradInnen anders leben als sie. Das gibt Gelegenheit zu Vergleichen:
• Wer macht welche Arbeiten in der Familie? Wer hat welche Pflichten?
kochen / putzen / waschen / Geld verdienen / auf dem Feld arbeiten / im Büro arbeiten/ auf kleine Geschwister aufpassen etc.
• Gemeinsame Spiele und Freizeit in der Familie (hier und im Herkunftsland)
beschreiben
(vgl. Schader S. 342)
• Wie oft, wie lange und auf welchen Kanälen wird das Fernsehen genutzt? Was
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dürfen Kinder sehen? (eventuell gemeinsam die Fernsehzeitung durchschauen, den
Kindern Hinweise auf interessante deutsche Kindersendungen geben….)
• Wie wird Geburtstag gefeiert? (Wird er überhaupt gefeiert? In manchen Kulturen ist
das Geburtsdatum noch nicht einmal bekannt...) Wer kommt alles? Wohin geht man?
Was macht man? Was schenkt man? (vgl. Schader S. 341)
Solche Erzählungen von Kindern aus ärmeren Ländern und Bevölkerungsschichten
könnten auch die exzessiven Geburtstagsfeiern für Grundschulkinder in Deutschland,
für die manche Familien sehr viel Geld und Mühe investieren, in einem anderen Licht
erscheinen lassen.
4. Islamische Bräuche, Feste und Feiern
Wie begeht die Familie den Freitag als Tag des Gebets? Wer geht dann in die Moschee? Wer hält den Ramadan ein? Kinder berichten erfahrungsgemäß gern über
religiöse Bräuche in ihrer Familie und ihrer islamischen Gemeinde, da sie sich
dadurch in einem Bereich ihres Lebens anerkannt fühlen, der ihnen wichtig ist. Diese
religiösen Grundausrichtungen und Bräuche können je nach Familie sehr unterschiedlich sein - je nach Religionsrichtung des Islam und Grad der Religiosität.
Auch die islamischen Feste sollten die LernpatInnen beachten, sich nach ihrem wechselnden Datum im Jahreslauf erkundigen (vgl. dazu www.islam.de) und sich bei kundigen Menschen darüber informieren, wie diese Feste gefeiert werden und wie man
den Kindern bei der Gelegenheit eine kleine Freude machen kann.
Für die islamischen Kinder hat das „Zuckerfest“ eine ähnliche Bedeutung wie Weihnachten für deutsche Kinder:
Das Fest des Fastenbrechens erfolgt am Ende des Fastenmonats Ramadan. Es ist neben dem Opferfest das wichtigste Fest der Muslime und geht drei Tage lang.
Da viele Süßigkeiten verteilt werden, wird es auch "Zuckerfest" genannt.
Am ersten Morgen des Zuckerfestes gehen die Männer in die Moschee und führen das religiöse Gebet
durch. Die Frauen bereiten in der Zeit das gemeinsame Frühstück vor. Wenn die Familie beisammen
ist, gratulieren sie sich zum Fest.
Die Jüngeren küssen die Hände der Älteren und die Kinder bekommen Süßigkeiten und Geld geschenkt. Anschließend werden Verwandte und Bekannte besucht.
In jedem Haus gibt es traditionelle Süßigkeiten, die an Kinder und Besucher verteilt werden. Kinder
bekommen vor dem Fest neue Kleidung, die sie dann tragen können.(Quelle: http://www.blindekuh.de/tuerkisch-web/zuckerfest.html)
Es dürfte überflüssig sein zu erwähnen, dass dabei jegliche „Missionierung“ der Kinder unterbleiben muss, die auch einen schweren Vertrauensverstoß gegenüber der
Familie des Lernpatenkindes darstellen würde. Das gilt auch für die übermäßige Betonung von deutschen Weihnachtsbräuchen, die eventuell auf Unverständnis bei den
geflüchteten Kindern und deren Eltern stoßen könnte.
5. Schule
Wenn die Lernpatenkinder im Herkunftsland schon die Schule besucht haben, kann
man sie zeichnen lassen, wie es in einer Klasse aussah. Man kann sie schon gelernte
Gedichte rezitieren oder Lieder singen lassen. Man kann sie fragen, wie der Ablauf
eines Schultages aussah, ob sie eine Schuluniform trugen, wie die Lehrpersonen am
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Morgen begrüßt wurden (z.B. Fahnenappel in der Türkei), wie streng diese waren
(dazu bieten sich Pantomime und Rollenspiel an), wie lange die Ferien dauerten.....(vgl. dazu Zusatzmaterial 2: Foto einer Schulklasse aus Afrika)
6. Mathematik – Interkulturell
Die Einführung und Festigung der deutschen Zahlen kann spielerisch erfolgen. So
können z.B. Zahlen-Mandalas ausgemalt und zu einem schön gestalteten Zahlenbuch
zusammengefügt
werden
(vgl.
dazu
http://www.kidsweb.de/basteln/mandala/zahlen_mandala/zahlen_lernen_auswahl.htm)
.
Es sollte selbstverständlich sein, dass die deutschen Bezeichnungen für die Zahlen
vorgesprochen, laut nachgesprochen und immer wieder geübt werden, bis sie sicher
beherrscht werden. Dazu kann man zunächst mit einem, dann mit zwei Würfeln, dann
mit 3 Würfeln üben (die Zahlenwörter für die gewürfelten Augen werden laut genannt,
dann kann man Additions- und Subtraktions-Aufgaben damit üben, je nachdem ob
Würfel hinzugefügt oder weggenommen werden – vgl. Einheit 7 ).
LernpatInnen, die die besondere intellektuelle Herausforderung suchen, können ihre
Sudokus einmal beiseite legen und sich von ihren Lernpatenkindern die Zahlen in
deren Herkunftssprachen beibringen lassen. Sie können sich von den Kindern kleine
Rechenaufgaben stellen lassen, die sie dann mit den (fremdsprachlichen) Zahlen beantworten......Dazu bieten sich Würfelspiele an – zunächst mit einem, dann mit zwei
Würfeln. Durch diese Übung erfahren sie selbst, wie schwierig das Rechnen mit Zahlen-Bezeichnungen sein kann, die noch nicht richtig „sitzen“. Im Zahlenraum ab zwanzig wird ihnen vielleicht bewusst, wie „verdreht“ die deutschen Zahlenbezeichnungen
sind, die den Einer zuerst nennen und dann den Zehner, was in vielen Sprachen sehr
ungewöhnlich ist (einundzwanzig, zweiundzwanzig.....). Dieses Konstruktionsprinzip
der Zahlen erschwert die Rechenoperationen der Kinder auf Deutsch auf lange Zeit.
(Weitere Beispiele für interkulturelles Lernen im Mathematik-Unterricht finden sich bei
Schader, S. 348 – 352.)
Auch die Ordnungszahlen müssen eingeführt werden, ihr morphologischer Aufbau
kann gemeinsam untersucht werden (der erste, der einundzwanzigste...) Unterstützt
werden kann dieser Lernprozess durch die stets am Beginn einer Fördersitzung gestellte Frage: Welches Datum haben wir heute – oder: den Wievielten haben wir heute? Am Wievielten sehen wir uns wieder?
Über dieses Anfangsstadium hinaus können viele lebensbezogene Rechenideen entwickelt und gemeinsam ausgeführt werden (Ingrid Dietrich – in Anlehnung an den Ansatz der Freinet-Pädagogik „calcul vivant“ – vgl. dazu Dietrich 1995, S.121 - 146):
• Wie groß bin ich? Gemeinsam die Körpergröße messen, die Schuhgröße
vergleichen......
• mit Schritten Entfernungen berechnen
• bei älteren Patenkindern die Entfernung des jetzigen Wohnorts zum
Heimatland und Heimatort berechnen lassen (Rechnen mit Maßstäben)
Weitere Vorschläge (vgl. dazu Schader S. 350 ff):
• den Preis für begehrte Waren in Deutschland und im Herkunftsland
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vergleichen: für ein Fahrrad – für ein Auto – für Essen und Kleidung (an Hand
von Prospekten ). Diese Aufgaben können sehr anspruchsvoll sein, wenn sie
mit der Umrechnung in die Währung des Herkunftslandes verbunden werden.
• Wie klingt das kleine Einmaleins in verschiedenen Sprachen? Wie wurde es
gelernt?
• Arbeit mit Fahrplänen – Fahrzeiten berechnen
• Rechengeschichten erfinden, in denen viele Informationen mit Zahlen vorkommen,
die dann berechnet werden.
7. Künstlerisches Gestalten
Viele Kinder malen und basteln gern. Wenn diese Tätigkeiten sprachlich begleitet
werden, können sie viele Anlässe zum DaZ-Lernen bieten.
Beim Verstehen einer Bastelanleitung können die LernpatInnen Hilfestellung leisten.
Als Lernkontrolle fungiert gleichzeitig die sachgerechte Ausführung der Bastelarbeit
(Holztierchen, Drachen, Puppen und andere selbst gemachte Spielsachen, aus Abfallmaterial und Stoffresten, im Herbst aus gemeinsam gesammelten Kastanien, Eicheln, Bucheckern, aus Dattelkernen!)
Zeichnungen und Collagen bieten sich an, um das Patenkind aus seinem bisherigen
Leben etwas mitteilen zu lassen, was es noch nicht sprachlich ausdrücken kann. Welchen therapeutischen Wert ein vorsichtiges Eingehen darauf haben kann, beweisen
die Fallbeispiele im schon erwähnten Buch von Marianne Franke-Gricksch (2002,
S.27 ff – eine einfühlsame Schilderung der Auseinandersetzung ihrer Schulkinder mit
Sterben und Tod).
Eine eindrucksvolle Internet-Seite ist http://www.grenzenlos-frei.de/. Dort finden sich
unter der Rubrik: REFUGIO Kunstwerkstatt für Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge unter die Haut gehende Beispiele von Kinderzeichnungen und auch Erzählungen
von Kindern, was sie auf ihrer Flucht erlebt haben (vgl.Zusatzmaterial 4).
Es ist klar, dass Traumata, unter denen die Flüchtlingskinder leiden, professioneller
Behandlung bedürfen. Aber auch das pädagogische Prinzip des freien Ausdrucks
(sowohl mündlich, als auch schriftlich als auch künstlerisch), das besonders in reformpädagogischen Ansätzen eine große Rolle spielt, kann hilfreich sein. Gerade die
Freinet-Pädagogik hat dieses Prinzip in den Mittelpunkt ihrer Arbeit mit SchülerInnen
aller Schulstufen gestellt (vgl. dazu Peter Schütz, in: Dietrich, Ingrid (Hrsg.) 1995,
S.121 - 145). Die therapeutische Wirkung des freien Ausdrucks besonders bei
Grundschulkindern wurde im Rahmen dieses pädagogischen Ansatzes immer wieder
eindrucksvoll herausgearbeitet (vgl. dazu Le Bohec, Paul und Le Gouillou, Michèle:
Patricks Zeichnungen: Erfahrungen mit der therapeutischen Wirkung des freien Ausdrucks. Bremen: Pädagogik-Kooperative 1993; (Orig.: Les dessins de Patrick. Belgien,
Castermann 1980).
Zum Inhalt des Buchs: In zahllosen Zeichnungen begibt sich der zehnjährige Patrick
auf den Weg, sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden. An der Entwicklung dieser
Zeichnungen ist unübersehbar, dass das Kind belastende Fantasien in einer immer
dichteren Form zum Ausdruck bringt, bis es sich von ihnen distanzieren kann und
dadurch unmerklich eine Krise überwindet, ohne dass die Lehrerin sich jemals anmaßt, als Therapeutin zu wirken.
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8.Interkulturelles Daz-Lernen und Sport
Sport ist ein unerschöpfliches Themen-Reservoir für das DaZ-Lernen, wenn die LernpatInnen sich darauf einlassen können. Welch große Expertise schon kleine Jungen
im Hinblick auf Fußball und deutsche Fußball-Mannschaften aufzuweisen haben, zeigt
das Beispiel in Einheit 3 (Wortschatzerwerb). An diesen ausgeprägten Interessen –
nicht nur von Jungen - kann auf allen Niveaus der Sprachbeherrschung angeknüpft
werden.
Viele Gesprächsthemen bietet wieder Schader an (ab S. 367). Es muss nicht immer
Fußball sein – Kinder können auch von Sportarten in ihrem Herkunftsland berichten.
Sie können beschreiben, was sie in ihrer Freizeit an Sport gemacht haben, welche
Spiele sie gespielt haben etc....
Ein interessantes interkulturelles Thema ist auch: Frauen und Sport im Herkunftsland
und in Deutschland (Schader S. 368).
Wie war der Sportunterricht im Herkunftsland? Was wurde dort gemacht / geturnt /
gespielt?
Welche Sportsendungen sieht das Kind gern im Fernsehen?
9. Interkulturelles Lernen und Musik
Die LernpatInnen können ihre Patenkinder dazu auffordern, ihre Lieblingsmusik mitzubringen. Diese Musikstücke können aus dem Herkunftsland stammen, können aber
auch internationale oder deutsche Hits sein. Vielleicht können die Kinder ja auch Lieder aus ihrem Herkunftsland singen und sind bereit, dies zu tun. Die LernpatInnen
können diese auf Tonträger aufnehmen und den Kindern immer mal wieder vorspielen. Eine deutsche Übersetzung des Textes oder eine Beschreibung des Inhalts kann
versucht werden. Es gibt auch Kinderlieder, die in vielen Sprachen gesungen werden
können (z.B. „Bruder Jakob“). Nicht zuletzt wurde auf das Anhören deutscher Kinderlieder und ihre Funktion für den Erwerb von Sprachrhythmus und korrekter Aussprache schon hingewiesen (vgl. Einheit 4: Hören und sprechen lernen).
Das Prinzip hinter all diesen Vorschlägen zum interkulturellen Lernen dürfte deutlich
geworden sein:
– die geflüchteten Kinder, die in der Schule und außerhalb einem permanenten
Anpassungszwang ausgesetzt sind, in ihrem „Eigenen“ anerkennen
und
wahrnehmen, wie viele Kenntnisse und Kompetenzen sie aus einem anderen
Kulturkreis schon mitbringen
– ihnen deutlich zu machen, dass auch ihre vorangegangen Erfahrungen – wie
schwer und vielleicht traumatisierend sie auch waren – ausgedrückt werden dürfen
und „zur Sprache kommen können“ ihre kleine Basispersönlichkeit zu würdigen und
ihre Zugehörigkeiten und ihre Loyalitäten (zu einer fremden Sprachgemeinschaft, zu
einer Familie, einer Religionsgemeinschaft) zu stärken.
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Ein solches kultursensibles Vorgehen, das die kulturelle Prägung und Eigenart jedes
Kindes respektiert, wird auch das Vertrauen der Eltern in die LernpatInnen stärken
und ihnen die Angst nehmen, dass ihr Kind ihnen in Deutschland kulturell entfremdet
werden soll.
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