Kapitel 6: Redoxreaktionen
Transcrição
Kapitel 6: Redoxreaktionen
Kapitel 6: Redoxreaktionen Redoxreaktionen sind alle chemischen Reaktionen, in denen die Reaktanden ihren Oxidatonszustand ändern. Oxidation und Reduktion laufen gleichzeitig ab. Die Verbrennung von Heizöl oder der Verbrauch von Benzin und Diesel kann man als Redoxreaktionen ansehen, allerdings mit wenig chemischer Selektivität: Kohlenwasserstoffe CnH(2n + 2) + (2n + 1) O2 → n CO2 + (n + 1) H2O Eine theoretische Formelgleichung in der Praxis Verluste durch Rußbildung etc. Die "andere Seite": die CO2-Assimilierung, ein höchst komplexer Vorgang in den grünen Pflanzen und einigen Bakterien, der biochemisch im wesentlichen aufgeklärt ist. n CO2 + H2O Photosynthese → ← Atmung (CH2OH)n + n O2 die wichtigsten Vorgänge auf unserem Planeten in bezug auf seine Bewohner. In der chemischen Synthese benötigt man selektive Oxidantien oder Reduktanden zur gezielten Umwandlung von Substraten. Wichtige Oxidationsmittel: O2, O3, H2O2, Persäuren, KMnO4, Chrom-VI-Verbindungen, HNO3, Fe3+, Calciumhypochlorit u.v.a. Es gibt viele katalytische Verfahren in der Industrie, z.B. die Dehydrierung von Alkanen. Wichtige Reduktionsmittel: H2, Hydrazin (N2H4), Metalle wie Natrium, Magnesium, Eisen, Zink, Zinn, usw, BH3, komplexe Hydride wie LiAlH4. Die Basisverfahren in der Industrie für die Herstellung von Grundchemikalien sind meist oxidative Umwandlungen. 1 Oxidationszahlen Oxidationszahlen sind hilfreiche, formale "Recheneinheiten" die bei komplexeren Reaktionen eine Hilfe zur Stöchiometrie sind. Ein Element hat in allen Erscheinungsformen die Oxidationszahl "Null". z.B. Graphit, Diamant, Ruß. Bindungen zwischen Kohlenstoffatomen sind oxidationszahlmäßig neutral. bezogen auf den Kohlenstoff sind folgende wichtige Basisverbindungen wichtig: H H -4 H C H C H -4 Li +4 O C O Cl H H höchste Oxidationszahl H H -3 H C C H +2 etc. H C H -1 H C C OH -3 +1 +3 +3 O F C C OH H H H H F O H H -3 C Cl Cl niedrigste Ox-Zahl -3 H2N +4 C O H2N Cl +4 OH F H O -3 H C C +3 O H C C H H H 2 OH Beachten Sie auch ionische und radikalische Varianten: H H -4 H _ H+ H -4 H keine Redoxreaktion H Methylanion H -e -3 H H . Methylradikal H -e H -2 H + Cl- Cl H H keine Redoxreaktion -2 H + Methylkation H Eine Formalanalyse, die gelegentlich von Nutzen sein kann. Eine vollständige Redoxgleichung für die Oxidation von Benzaldehyd zur Benzoesäure (siehe auch S. 8): +1 3 H2O + 3 Ph-CHO VI 6 e- + 6 H+ + 2 CrO3 3 PhCHO + 2 CrO3 red ox +3 3 Ph-COOH + 6 H+ + 6 eIII 2 Cr3+ + 6 H2O 3 PhCOOH + 3 Cr3+ 3 + 3 H2O Oxigenierung von Kohlenwasserstoffen Einige bereits bekannte Oxidationsreaktionen: Epoxidierung, Ozonolyse, KMnO4-Reaktion mit Alkenen, Hypochlorid-Addition, auch Br2-Addition ist eine Oxidationsreaktionen usw. schauen Sie mal die bisherige Vorlesung in dieser Beziehung an Es ist wohl verständlich, dass etwa n-Hexan ein schwieriger Fall ist, wo soll man eine Oxidation erwarten? OH O2, Kat OH OH H O OH Kat + O2 "an-on-Gemisch" Cyclohexen alle H-äquivalent! COOH HNO3 COOH Nylon-Varianten u.a. nachschlagen!!! Zeolithite (Alumosilicate) haben Höhlungen, die entsprechenden Größen können genutzt werden, um z.B. endständige Alkane zu funktionalisieren – neue Technik! Aromatische Systeme (Benzolderivate) sind weniger anfällig für Oxidantien als aliphatische Strukturteile. z. B. Toluol H H H H H H R H H OH O Ox.-Mittel, z.B. KMnO4 COOH Sog. Seitenkettenabbau von Alkylaromaten bis zur Benzoesäure! 4 Einige Beispiele: COOH CH3 1) KMnO4 X NaOH 2) neutr. X X = z.B. Halogen-, Nitro-, -CN sind verträgliche Substiuenten am Benzol (Nicht dagegen +M-Substituenten wie Aminogruppen die ein anderes Verhalten zeigen) Einige spezielle Fälle: O CH3 CH3 H3C Ox. O Industr. O2(Kat.) meist V2O5 auch O Phthalsäureanhydrid Ox. CH3 HOOC COOH Terephthalsäure HNO3 conc. H3C COOH Bestandteil von "PET" und "trevira" meist verarbeitetetes Polyestermaterial 5 Oxygenierung mit Radikalstartern (Autoxidation) Unerwünscht sind Autoxidationen z.B. bei der Lagerung von Lösungsmitteln. H H H H O H gefährliches EtherH H O H peroxid, wenn als Rückstand erhitzt O Stehen an der Luft O ein Radikalkettenmechanismus bei aktivierten CH-Bindungen Diethylether Initiatoren für Sauerstoffautoxidationen finden sich in Staubteilchen oder Lösungsmittelverunreinigungen evt. auch durch Lichteinwirkung. Da es sich um einen Radikalkettenmechanismus handelt, können wenige Initiatorteilchen eine große Menge Moleküle mit O2 autoxidieren. H O R´ R H - In-H R . H + R O R´ . O R´ H In H . R O R´ + H .O-O. O Radikalkettenmechnismus H H + O R´ R O . R H O . O H O R´ R O R´ R . H O R´ O R´ R O O H Abbruch durch Radikaldimerisierung u.a. Bei aromatischen Verbindungen ist die Benzylstellung anfällig, besonders wenn sie in tertiärer Stellung steht. CH3 H H H CH3 Cumol Isopropylbenzol Tetralin 6 Hocksche Phenolsynthese: Man geht aus von Isopropylbenzol: H CH3 H cat. HF + CH3 SbF5 Cumol (2-Phenylpropan) (Friedel-Crafts-Typ-Alkylierung) H CH3 CH3 H + O O CH3 Cumolhydroperoxid H CH3 O2 Initiator z.B. AIBN anschl. Protonierung H2SO4 - H2O O CH3 O H2O + CH3 - H+ OH CH3 CH3 ein Halbacetal aus Aceton und Phenol! O OH H2O/H+ + Phenol zwei wichtige Grundstoffe Aceton Eine elegante Synthese aus der Großchemie. Man muss aber beide Produkte verkaufen können, sonst bleibt man auf einem der e sitzen. 7 Nochmal: die Oxygenierung mit Hilfe eines Radikalstarters funktioniert nur an entsprechend aktivierten CH-Bindungen: Benzyl-, Allyl-, oder neben Ethersauerstoff. Manche Verbindungen unterliegen bei Luft/Licht/Dreck einer langsamen Autoxidation. Gefährlich sind dabei Rückstände nach Destillation. Ein weiteres ist die Autoxidation von Aldehyden. O * In* Autoxidation O2 H O O O2 O stabilisiertes Radikal O Fortsetzung der Radikalkettenreaktion O O O O* O H + O H ein Acylperoxid Perbenzoesäure O O O O* O + H O H Bruttogleichung: 2 PhCHO + O2 2 OH 2 PhCOOH Ein bekanntes Beispiel ist die Autoxidation von Benzaldehyd: kann man leicht mit dem Tageslichtprojektor vorführen! Etwas BA in ein Uhrglas auf dem Overhead geben, nach einiger Zeit erscheinen Kristalle von Benzoesäure. Ranzigwerden von pflanzlichen und tierischen Fetten und Ölen H H COOR H Autoxidation H Ölsäure z: B. O 8 Die Chrom-VI-Oxidadtion Ein berühmter Reaktionsmechnsimus: Oxidation von Alkoholen und Aldehyden durch Chrom-VI-oxidation. Heute in Verruf geraten wegen der carcinogenen Wirkung der Chrom-VI-verbindungen. Ist aber im Labor völlig harmlos, bestenfalls wenn Stäube eingeatmet werden könnten. Dennoch in der Schule verpönt (von mir aus völliger Schwachsinn: Eine infrage kommende Person wird mit 1000 Mal im Verkehr tödlich verunglücken oder beim Geschlechtsverkehr einen Herzinfarkt erleiden usw. Ein typisches Beispiel: H OH O CrVI - 2e , - 2 H+ Die Ausbeuten sind hoch, die Reaktion ist schnell. Der Endpunkt kann durch die moosgrüne Farbe geschätzt werden. Als Solvens kann verd. H2SO4 wenn der Alkohol darin löslisch ist. Organische LSM sind z.B. Aceton oder tert-Butanol (warum kann dieser Alkohol unter diesen Bedingungen nicht oxidiert werden?) R R´ H H2CrO4 O H R H R´ O O VI Cr O OH HO R R´ O + Cr VI O HO Die Chromsäure ist ein starkes Oxidationsmittel. Weshalb diese Reaktion so glatt und ohne Überoxidationsphänomenee, liegt am Rk-Mechanismus. Die Reaktion läuft so schnell ab, dass bei stöchiometrischer Chromgabe keine Nebenreaktionen ablaufen. Primäre Alkohole können unter geeigneten Bedingungen zu Aldehyden oxidiert werden, diese sind jedoch leichter oxidierbar als der primäre Alkohol. Bei Ethanol, Propanol und Butanol können die korrespondierenden Aldehyde wegen ihres niedrigen Siedepunkts durch rasches Abdestillieren aus dem oxidierenden Gemisch entfernt werden. 9 Es gibt aber Chrom-VI-verbindungen, welche glatte Oxidationen zum Aldehyd ermöglichen. Auch andere Reagentien wie MnO2 sind dafür geeignet. Überhaupt sind selektive Oxidations und Reduktionsmittel sehr begehrt, dafür kann fast das ganze PSE herhalten. In den früheren Kapiteln können Sie viele Reaktionen entdecken, die definitive Oxidationen sind. Beispiele: Haloformreaktion, Ozonolyse, usw. Reduktionsreaktionen Bereits bekannt: katalytische Hydrierung con C=C – und C=XDoppelbindungen, weiterhin die Reduktion von Carbonylverbindungen mit komplexen Hydridreagentien, z.B. LiAlH4. (Kapitel 4) Vollständige Desoxygenierung von Arylketonen Carbonylverbindungen können nicht nur zur Alkoholstufe reduziert werden, sondern weiter bis zur –CH2-Gruppe usw. Eine alte Reaktion, die CLEMMENSEN-Reduktion von aromatische Ketonen: Beispiel: O H H Zn/HgCl2 halbkonz. HCl Das HgCl2 braucht man, damit nicht der ganze Wasserstoff als H2 verpulvert wird. Eine neuere Methode, ganz was anders: die WOLFF-KISHNER-Reduktion: Ein Keton wird zum Hydrazon umgesetzt, dieses wird thermisch starker Kalilauge/HOCH2CH2OH ausgesetzt. Das Lösungsmittel ist hochsiedend und löst KOH! Beispiel: H3C CH3 H3C CH3 H3C O CH3 {NaOH} H2N-NH2 - H2O H3C H3C - N2 N NH2 10 H H3C H Reaktionsmechanismus H R -2 N N H R OH- N R´ R N N R H R´ N N R´ R´ H H2O H H -OHR N + H R´ N2 +/- 0 H2O, -OHR H +/- 0 H R´ Eine Reaktion mit innerer Redoxreaktion: die Hydrazineinheit wird zu Stickstoff oxidiert, der Kohlenstoff wird durch zwei Bindungen mit H reduziert. Die CANNIZZARO-Reaktion (1853 !) Eher zu den Hydridreaktionen gehört die Cannizzaro-Reaktion: O 2 O H H H + OH NaOH (conc.) + ONa :OH Na + O HO O H H Konzentriertes OH- lagert sich als Nucleophil an, die Zwischenstufe ist sehr elektronenreich. Auch hier wieder: es bildet sich die Carbonsäure (pKs ca. 4.5) neben einem Alkoholation (pKs ca. 18), und entsteht sofort das Säureanion und der Alkohol. 11 Pinakolbildung Eine Reaktion, die über Radikal-Ionen verläuft Beispiel Aceton: 2 + O H3C H3C Benzol Mg CH3 CH3 O O H2O H3C H3C CH3 CH3 O O H Mg 2+ H Die Reaktion verläuft über ein Radikalanion, das rasch dimersiert. Mit Benzophenon (Diphenylkeeton) erhält man ein stabiles Radikalanion: Na O THF O* O * + + Eine blaue Lösung, stabil in THF, wird mit Wasser sofort wieder zu Benzophenon. 12 Redoxreaktionen mit N- und S-Stickstoffverbindungen Stickstoffverbindungen kommen in Wertigkeiten von -3 bis +3, vom Amin (CH3)3N bis zur Nitrogruppe (R-NO2) Schwefelverbindungen von –2 (CH3SCH3) bis –4 (CH3-SO3H) In den jeweiligen Oxidationsstufen verleiht das Heteroelement den organischen Verbindungen ganz verschiedene Eigenschaften. Wir fangen an mit der Reduktion der aromatischen Nitroverbindungen. O H +N +3 O N -3 H 6e, 6 H+ - H2O Es gibt viele Reduktionsmethodem. Frühere Verfahren: Eisen/Salzsäure, Zinn-II-chlorid, Heute fast ausnahmslos durch katalytische Hydrierung mit Raney-Ni Eine viel verwendete Methode im Labor ist Hydrazin unter Raney-Ni-Katalyse. H2N-NH2 H-N=N-H Ni-Oberfläche Ni-Oberfläche 2 H*ads + H-N=N-H 2 H*ads + N2 1.5 N2H4 für jede Nitrogruppe, wenn kein Stickstoff mehr entweicht, ist die Reaktion zu Ende. Ar-NO2 2e, 2H+ -H2O 2e, 2H+ 2e, 2H+ Ar-NO Ar-NH-OH -H2O Nitrosoverbing. Arylhydroxylamin ArNH2 im alkalischen O: Azoxyarylverb. Ar-N=N-Ar + 2e, 2H+ -H2O Azoverbindung Ar-N=N-Ar 2e, 2H+ Ar-NH-NH-Ar Hydrazoarylverb. Schema für die Reduktion von arom. Nitroverbindungen 13 Ein Beispiel zur Synthese eines Azofarbstoffs: NO2 2 Mg, CH3OH H3C N N H3C CH3 Dieser Azofarbstoff kann nicht durch Diazotierung erhalten werden. Schwefelverbindungen Ähnlich sieht es bei den S-Verbindungen. Eine kleine Zusammenstellung: Einfache S-Verbindungen (Thiole, Disulfide) werden erhalten z.B. aus Alkylhalogeniden und H2S oder Mercaptanen. (SN2, wissen wir!) Oxigenierungsreaktionen führen zu einer Reihe Thiol < Dialkyldisulfide Thiol < Thiol < [Sulfinsäure < Sulfensäure <] Sulfonsäuren Thioether < Sulfoxide < Sulfone R H2S(NaOH) Br R und/oder R SH Thiol R R´-SH Br Thioether R S H2O2 SH R S R H2O2 R S R KMnO4 R SH R -1 S S R O +/- 0 S R R verdünnt Thiol O R KMnO4 +2 -2 S ein Dialkyldisulfid ein Sulfoxid O S R R R´ (NaOH) R S R +4 SO3H 14 aliphatische Sulfonsäure Die weniger oxidierten Alkanschwefelsäuren R-S=O und R-SOOH) spielen eine grosse Rolle bei den Inhaltsstoffen von Zwiebel, Lauch und Knoblauch! Auch oxygenierte Disulfide kommen da vor! Wichtig ist die Oxidation der AS Cystein zum Cystin. Letztere bildet eine Sulfidbrücken und trägt somit ganz entscheidend zur Sekundärstruktur eines Proteins bei. COOH H2N COOH H CH2 SH H2N Ox H2O2 Cystein H COOH H2N H CH2 CH2 S S Cystein Im Bereich der Aromaten werden Sulfonsäuren direkt durch Sulfonierung gewonnen. Phenylthiol (Thiophenol) wird durch Reduktion von Benzolsulfonsäure erhalten (genau wie bei den aromatischen Aminen). H SO3H H2SO4 conc H3C H3C Dimethylsulfoxid ist ein wichtiges, dipolar aprotisches Lösungsmittel: H3C Cl Na2S H3C S CH3 H3C S CH3 H3C S CH3 + + NaCl O Methansulfonsäure erhält man über Methylmercaptan durch KMnO4. Die Ester der Methansulfonsäure sind sehr gute Alkylierungsmittel. -2 KMnO4 H3C SH +4 H3C SO3H SOCl2 15 +4 H3C SO2Cl