Kohlenhydrate/Saccharide:

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Kohlenhydrate/Saccharide:
Kohlenhydrate/Saccharide:
Kohlenhydrate sind Polyhydroxyaldehyde oder -ketone, die aus der pflanzlichen
Photosynthese [CO2 + H2O --> CH2O + O2] stammen. Der Name "Hydrat des Kohlenstoffs"
[SCHMIDT, 1844] bezog sich ursprünglich auf Verbindungen der Zusammensetzung
Cn(H2O)n, das heute für viele Kohlenhydrate, wie z.B. Desoxyzucker, Aminozucker und
Pseudozucker jedoch nicht mehr zutrifft; weiterhin gibt es Substanzen die der allgemeinen
Summenformel entsprechen, jedoch keine Zucker sind (Milchsäure, Essigsäure,…).
Die Einteilung der Kohlenhydrate erfolgt nach der Zahl der Bausteine:
•
•
•
Monosaccharide [griechisch saccharon = Zucker], die aus einer Zuckereinheit
bestehen, wie z.B. Glucose, Fructose, Ribose, etc. Monosaccharide kommen in freier
Form kaum in der Natur vor, man findet sie hauptsächlich in Form von Oligo- und
Polysacchariden und in Verbindung mit anderen Naturstoffen, z.B. als Glykoside,
Glykolipide und Glykoproteine.
Oligosaccharide
sind
Kondensationsprodukte
aus
2
bis
etwa
9
Monosaccharideinheiten, zu ihnen zählen Disaccharide, wie z.B. Saccharose, Maltose,
etc., Trisaccharide wie die Raffinose, Tetrasaccharide, usw.
Polysaccharide sind hochmolekulare Stoffe und bestehen aus bis über 1.000
Monosaccharideinheiten.
Homopolysaccharide
sind
aus
einem
einzigen
Zuckermonomeren aufgebaut; Heteropolysaccharide bestehen aus verschiedenen
Zuckern
Glycerinaldehyd gilt als Bezugssubstanz. Auf dessen Chiralitätszentrum wird das
asymmetrische Kohlenstoffatom C-5 der Glucose bezogen.
Dem rechtsdrehenden (+)-Enantiomer des Glyceraldehyds wurde die perspektivische
Formel, bei der die OH-Gruppe am Chiralitätszentrum auf der rechten Seite der
Hauptkette liegt, willkürlich zugeordnet und als D-Glyceraldehyd bezeichnet. Mit der später
entwickelten (R/S)-Konvention des CIP-Systems ergibt sich für D-(+)-Glyceraldehyd die
absolute Konfiguration (R) und für L-(-)-Glyceraldehyd die (S)-Konfiguration.
In der FISCHER-Projektion wird das Monosaccharid so gezeichnet, daß die C-C-Bindungen der
Kette hinter die Zeichenebene zeigen, während die rechts und links angeordneten
Substituenten vor der Zeichenebene liegen.
Das Atom mit der höchsten Oxidationsstufe steht oben.
Die Zuordnung zur D-Reihe [dexter = rechts] oder L-Reihe [laevus = links] richtet sich
nach der Stellung der sekundären Hydroxygruppe, die am weitesten von der
Carbonylfunktion (höchste Positionsnummer) entfernt ist. Steht diese in der Projektion
nach rechts und besitzt damit die gleiche Konfiguration wie der D-(+)-Glycerinaldehyd, so
zählt man die Verbindung zur D-Reihe, steht sie nach links, entspricht sie der L-Reihe.
1
O
H
Aldoses
OH
Ketoses
OH
OH
O
O
H
H
OH
OH
HO
H
OH
D-Erythrose
HO
H
H
O
H
OH
OH
OH
H
HO
H
OH
H
OH
OH
O
OH
OH
OH
OH
HO
H
H
H
OH
H
HO
H
H
OH
O
H
H
OH
HO
HO
H
OH
OH
OH
H
OH
OH
H
H
OH
O
OH
OH
H
H
OH
O
H
OH
HO
H
O
H
H
OH
OH
OH
D-Ribulose
O
HO
HO
H
H
OH
OH
D-Lyxose
OH
D-Allose D-Altrose D-Glucose
OH
OH
O
H
OH
OH
OH
O
OH
H
OH
H
HO
H
O
HO
HO
H
OH
D-Ribose D-Arabinose D-Xylose
O
OH
D-Psicose D-Fructose D-Sorbose D-Tagatose
O
OH
OH
OH
OH
O
H
OH
OH
HO
H
H
OH
D-Threose
O
H
H
H
H
O
OH
OH
OH
H
H
H
H
OH
OH
H
H
H
D-Glycerinaldehyd
OH
H
H
HO
H
O
OH
OH
H
OH
OH
HO
H
HO
H
D-Xylulose
O
H
HO
HO
H
H
OH
H
OH
OH
OH
D-M annose D-Gulose
D-Idose
O
OH
H
H
OH
HO
HO
HO
H
H
H
H
OH
OH
OH
D-Galactose D-Talose
Monosaccharide zeigen zwar typische Carbonylreaktionen, die C=O-Bande im IR-Spektrum
besitzt aber nur geringe Intensität, und bei Behandlung mit CH3OH/HCl entstehen zwei
Derivate. Die Ursache dafür ist die Ausbildung einer cyclischen Halbacetalform. Dadurch
entsteht ein neues Chiralitätszentrum und entsprechend zwei Diastereomere, welche man
als Anomere bezeichnet.
Fischerprojektion
O
H
HO
OH
H
H
OH
H
OH
Fischerprojektion,
Halbacetal
H
HO
H
H
H
OH
H
O
OH
OH
Steroprojektion
HO
O
OH
OH
e
OH
OH
O
HO
HO
HO
Haworth-Form
Sessel
O
OHOH
e
OH
a
OH
HO
OH
OH
CH2OH
OH
O
H
OH
H
OH
H
OH
OH
H
H
H
H
H
OH
OH
OH O
OH
H
O
OH
e
HO
OH
OH
O
O
HO
HO
a
OH
e
OH
HO
OH
OH OH
a
Die neu gebildete Halbacetal-Hydroxygruppe wird als anomere oder glykosidische OHGruppe, die beiden diastereomeren Formen als Anomere bezeichnet.
2
Die Verbindung, bei der in der FISCHER-Projektion die anomere OH-Gruppe die gleiche
Konfiguration besitzt wie die für die Zuordnung zur D- und L-Reihe herangezogene
Hydroxygruppe, wird als α-Anomer (rechts), die andere als β-Anomer (links) bezeichnet.
Sechsring-Halbacetale, die durch intramolekulare Cyclisierung der C-5-Hydroxygruppe
einer Aldose entstehen, werden als Pyranosen bezeichnet, Zucker in der FünfringHalbacetalform werden Furanosen genannt. Kristallin liegen Zucker ausschließlich als
Halbacetale vor, in wäßriger Lösung stehen die cyclischen Formen der Monosaccharide
über die offene Form miteinander im Gleichgewicht.
Als Epimere bezeichnet man zwei Zucker die sich in der absoluten Konfiguration nur
eines Kohlenstoffatoms unterscheiden (Glucose–Mannose:C-2; Glucose–Galactose:C-4)
HO
O
O
OH
OH
OH
HO
CHO
H
OH
HO
H
H
OH
CH2 OH
OH
O
OH
OH
OH
OH
α-D-Xylofuranose
HO
O
HO
HO
OH
α-D-Xylopyranose
O OH
O
HO
HO
OH
OH
HO
OH
OH
OH
β-D-Xylofuranose
β-D-Xylopyranose
HO
OH
OH
OH
O
HO
HO
OH
O
Energetisch um
ca. 25 KJ/mol höher
OH
OH
HO
OH
1
C4
4
C1
Die isomeren Sesselformen der den HAWORTH-Projektionen entsprechenden Darstellung
der "Sesselkonformationen" der Pyranosen werden durch die Deskriptoren 1C4 und 4C1
spezifiziert, C steht für chair, die Ziffern geben an, welches der beiden Ring-Atome (C-1
bzw. C-4) oberhalb bzw. unterhalb der Ringebene angeordnet ist.
O
O
1
C4
O
O
O
4
C1
1,4
B
O
B1,4
5
S0
0
H5
Prinzipiell treten auch andere Konformationen auf (B: boat, H: half chair, S: skew), die
jedoch energetisch wesentlich höher liegen und (fast) keine Rolle spielen. Daher ist die 4C1Konformation der Glucose die einzige im NMR-Spektrometer beobachtbare.
3
Mutarotation:
Bei einer frisch zubereiteten wässrigen Zuckerlösung beobachtet man nach einiger Zeit eine
Änderung
des
Drehwerts.
Diese
als
Mutarotation
bezeichnete
Gleichgewichtseinstellung erfolgt durch Tautomerie zwischen offenkettiger Struktur und
den ringförmigen Halbacetalformen, die dadurch eintretende Änderung der optischen
Drehung kann polarimetrisch verfolgt werden.
α-D-Glucose Gleichgewichtsgemisch
αD = 112°
αD = 52.7°
β-D-Glucose
αD = 19°
Es überwiegt diejenige Sesselform, die die größte Häufung equatorialer
Substituenten aufweist und die energetisch günstigste Konformation darstellt. Der bei
Glucose gefundene Endwert von 52.7° entspricht 36 % α- und 63 % β-Form, < 1 % sind
offenkettige und furanoside Formen.
Der (höher als erwartete) Anteil von 36% des energetisch ungünstigen α-Anomer mit
axialem C-1-Substituenten wird mit dem anomeren Effekt erklärt.
Der freie Energieinhalt der Sesselform wird (vor allem) durch 1,3-diaxiale
Wechselwirkungen bestimmt. Daher werden Hexopyranosen bevorzugt die Konformation
einnehmen, in der möglichst wenig Substituenten axial stehen.
Die β-Form der D-Glucose ist thermodynamisch stabiler als die α-Form, da sich alle
sekundären Hydroxygruppen als auch die CH2-OH Gruppe in der bevorzugten
äquatorialen Lage befinden.
Anomerer Effekt:
Dennoch bevorzugen elektronegative Gruppen wie Alkoxy-, Acyloxygruppen oder Halogen
die axiale Position. Dieser stereoelektronische Effekt wird anomerer Effekt genannt und
nimmt mit der Reihe:
Br > Cl > OCOPh > OCOCH3 > OCH3 > SR > OH > NH2 > COOCH3 ab.
Hervorgerufen wird der anomere Effekt durch elektrostatische Wechselwirkungen. Eine
elektronegative Gruppe in 1-Position wird durch elektrostatische Abstoßung der freien
Elektronen mit dem benachbarten Ringsauerstoff in die axiale Position gedrängt.
Im Falle des β-Anomeren addieren (ungünstig) sich die Dipoleffekte während sie sich
beim α-Anomeren teilweise aufheben (günstiger).
Wegen der Solvatation in wässriger Lösung überwiegt die energetisch günstigere β Form. (Bei langsamer Kristallisation wasserfreier Glucose bildet sich jedoch ausschließlich
die α-Form.)
4
Reaktionen der Zucker:
Reduktion:
Die Reduktion der Carbonylgruppe von Monosacchariden mit NaBH4, Natriumamalgam
oder durch katalytische Hydrierung führt zu Zuckeralkoholen [Alditole]. Da aus
unterschiedlichen Aldosen sowie Ketosen der gleiche Alkohol entstehen kann, verringert sich
gegenüber den Zuckern die Anzahl der möglichen Stereoisomeren der Alditole. D-Glucit
[Glucitol, D-Sorbit, Sorbitol] entsteht sowohl aus D-Glucose wie aus L-Gulose. Außerdem
erhält man ihn neben D-Mannit [Mannitol], dem Reduktionsprodukt von D-Mannose, durch
Reduktion von D-Fructose.
Sorbit ist in den Früchten der Vogelbeere [Sorbus aucuparia] enthalten, wird technisch
durch Reduktion von D-Glucose hergestellt und dient als Zuckerersatz und als
Ausgangsverbindung bei der Vitamin-C-Synthese!
OH
O
H
HO
H
H
OH
H
OH
OH
H
HO
H
H
OH
H
OH
OH
OH
H
HO
H
H
OH
H
OH
OH
OH
OH
O
D-Glucose
D-Sorbit
L-Gulose
OH
HO
H
H
O
H
OH
OH
OH
D-Fructose
O
HO
HO
H
H
H
H
OH
OH
OH
D-Mannit
Oxidation:
Die wichtigsten Oxidationsprodukte sind die durch Oxidation entstehenden Aldonsäuren
(nur Aldehydfunktion oxidiert), Aldarsäuren/Zuckersäuren (Aldehydfunktion und primäre,
terminale Hydroxygruppe) sowie die Uronsäuren (nur die primäre Hydroxygruppe).
Aldonsäuren:
Durch Oxidation mit milden Oxidationsmitteln wie Bromwasser, Jod oder verdünnte
HNO3 erhält man die Aldonsäuren. Die Säuren gehen leicht in Lactone über, bei der
Oxidation der Glucose entsteht aus dem Produkt Gluconsäure zuerst ein δ-Lacton, aus dem
sich pH-abhängig das stabilere γ-Lacton bildet. Gegenüber den Halbacetalen und Glykosiden
sind bei Lactonen aufgrund der Winkelaufweitung des sp2-Carbonylkohlenstoffs die γLactone (Fünfring) stabiler als die δ-Lactone (Sechsring).
5
Aldarsäuren:
Stärkere Oxidationsmittel wie halbkonz. HNO3 oxidieren beide funktionellen Endgruppen der
Aldosen unter der Bildung von Aldarsäure, auch Zuckersäuren genannt (D-Zuckersäure/DGlucarsäure aus D-Glucose, D-Mannozuckersäure/D-Mannarsäure aus D-Mannose)
Uronsäuren:
Bei der Oxidation von Aldosen zu Uronsäuren wird einzig die terminale, primäre
Hydroxygruppe oxidiert. Dies ist nur nach vorangehendem Schutz der Carbonylfunktion bzw.
der Halbacetal-OH-Gruppe möglich. Als Schutzgruppen kommen Glykoside, Acetate, Acetale
und Ketale in Frage, zur Oxidation dient Distickstofftetroxid oder KMnO4.
Osazonbildung:
Monosaccharide bilden mit einem Äquivalent Phenylhydrazin die entsprechenden
Phenylhydrazone. In schwach saurer Lösung reagieren Aldosen und Ketosen jedoch mit 3
Moläquivalenten Phenylhydrazin zu den kristallinen Osazonen, die zur Charakterisierung
von Kohlenhydraten herangezogen wurden. Liefern zwei Aldosen das gleiche Osazon,
handelt es sich um C-2-epimere Zucker.
C 6H5
H5 C6
H
N
1
2
HO
4
NH N
N
Chelatsruktur des Osazon
abgeleitet von Glucose
3
OH
5
OH
6
OH
(Es ist bis heute nicht restlos geklärt, warum Phenylhydrazin (als starkes Reduktionsmittel)
sich durch die Waserstoffe der HCOH-Gruppe (C-2) leicht in Anilin und Ammoniak spalten
lässt und warum die Hydroxygruppe am C-3 resistent gegen weitere Einwirkung von
Phenylhydrazin ist.)
6
Osazone lassen sich durch Umsetzung mit Benzaldehyd leicht zu Osonen spalten.
Deren Aldehydfunktion ist leichter reduzierbar als die Ketonfunktion, so dass Aldosen über
ihre
Osone
in
den
entsprechenden
Ketosen
überführt
werden
können.
In wässrigem alkalischen Milieu finden bereits bei Raumtemperatur Umlagerungen statt,
die auf der Einstellung eines Tautomerie-Gleichgewichtes beruhen. Die basenkatalysierte
Ketose-Aldose-Isomerisierung liefert als Zwischenprodukt ein Endiol, das sowohl die
Entstehung von Epimeren als auch Isomeren (Aldose Ketose) bewirkt.
Bei der Einwirkung von verdünntem Alkali auf D-Glucose stehen durch Epimerisierung
63,5% Glucose und 2,5% Mannose im Gleichgewicht, und durch Isomerisierung 31%
Fructose (und 3 % andere Zucker wie z.B. Psicose).
Mit verdünnten Mineralsäuren tritt bei Monosacchariden in wässriger Lösung
Anomerisierung durch Umwandlung α-Zucker <-> β-Zucker ein. Stärkere Säuren bewirken
Wasserabspaltung unter Bildung von Furanderivaten. Bei der Umsetzung von Pentosen
entsteht
Furfural
[α-Furfurylaldehyd],
Aldohexosen
und
Fructose
ergeben
5Hydroxymethylfurfural.
Die Synthese von Furfural durch säurekatalysierte Wasserabspaltung aus Pentosen,
welche als Polysaccharide [Pentosane] in Haferspelzen, Mais, Schilf, Reis, Kleie,
Erdnußschalen, usw. vorkommen, wird im technischen Maßstab durchgeführt. Durch
Decarbonylierung mit Metalloxiden (400°C) wird Furan gewonnen.
7
Cyanhydrinsynthese nach KILIANI-FISCHER (Zuckeraufbau):
Die klassische C5+C1-Verknüpfung zum Aufbau von Aldohexosen ist die Cyanhydrinsynthese
nach KILIANI-FISCHER. Addition von HCN an Arabinose gibt ein Cyanhydrin, dessen
neugebildetes Chiralitätszentrum C-2 racemisch ist. Durch Hydrolyse werden zwei
diastereomere Carbonsäuren bzw. Lactone gebildet, deren anschließende Reduktion zu den
Epimeren D-Glucose und D-Mannose führt.
Statt eines 1:1-Gemisches der Diastereomeren wird dabei bevorzugt das Epimere
gebildet, bei dem die Hydroxyle am C-2 und C-3 trans-ständig angeordnet sind
(Mannose). (Dies ist nach der CRAM'schen Regel nicht zu erwarten, nach der der CN-Angriff
von der sterisch weniger gehinderten Seite erfolgen sollte. Bevorzugtes Produkt sollte
Glucose sein.)
Zuckerabbau:
Beim WOHL-Abbau [WOHL und ZEMPLEN] wird eine Aldose in die um ein C-Atom ärmere
Aldose überführt. Dabei wird z.B. eine Hexose zunächst in ihr Oxim überführt,
Acetylierung und Wasserabspaltung gibt ein Nitril, welches beim Behandeln mit NH3/AgO
oder Natriummethanolat Blausäure abspaltet. Die Hydrolyse der Acetate führt zum
verkürzten Zucker, das C-2-Atom des ursprünglichen Zuckers wird Träger der neuen
Carbonylfunktion
.
Der WOHL-Abbau gibt die Möglichkeit, in Verbindung mit der Oxidation zu Aldarsäuren die
vier möglichen Aldopentosen zu unterscheiden. Unterwirft man eine Aldopentose dem
Wohlabbau und oxidiert die resultierende Aldotetrose zur entsprechenden Dicarbonsäure, so
lässt sich aus deren optischer Aktivität bzw. Inaktivität die Konfiguration der ursprünglichen
Aldopentose ableiten.
8
Der RUFF-Abbau einer D-Aldose verläuft über die entsprechende Aldonsäure, deren
Calciumsalz mit H2O2 in Gegenwart von Eisen-III-acetat CO2 abspaltet und in die um ein CAtom kleinere Aldose übergeht.
Ascorbinsäuresynthese:
L-(+)-Ascorbinsäure, Vitamin C [(S)-Ascorbinsäure, (R)-5-[(S)-1,2-Dihydroxyethyl]-3,4dihydroxy-5H-furan-2-on] wurde erstmals aus Paprika, Kohl und Nebennieren in kristalliner
Form gewonnen. Die Strukturaufklärung und erste Synthese erfolgte 1933 durch E.L. HIRST
und W.N. HAWORTH.
9
Schutzgruppen:
In Lösung liegen die Kohlenhydrate meist als cyclische furanoside bzw. pyranoside
Halbacetale vor. Es kann daher zwischen 3 unterschiedlich reaktiven Hydroxygruppen
unterschieden werden.
primäre OH-Gruppe
OH
OH
OH
H
O
H
H
OH
H
glykosidische OH-Gruppe
OH
sekundäre OH-Gruppen
Glykosidierung:
Ersetzt man die glykosidische OH-Gruppe der cyclischen Halbacetalform von Aldosen
oder Ketosen durch eine nucleophile Gruppe, so entstehen die als Glykoside bezeichnete
gemischten Vollacetale. Die Zuckerkomponente wird als Glykon bezeichnet, der
zuckerfremde Anteil als Aglykon. Zur Synthese von Glykosiden wird im allgemeinen die
glykosidischen OH-Funktion gegen einen anderen Substituenten nucleophil
ausgetauscht. Das nach Umsetzung mit Alkohol in Gegenwart von HCl nach SN1
entstehende Carbeniumion wird durch den Ringsauerstoff stabilisiert. Die Reaktion der DGlucose mit Methanol ergibt ein Gemisch der α/β-Anomeren von Methyl-D-glucopyranosid
und Methyl-D-glucofuranosid. Bei der Bildung des Methylglykosids spielt aufgrund des
Mechanismus der Anomere Effekt eine große Rolle, damit ist der hohe Anteil an αAnomer an Methylglucopyranosid zu erklären.
Ester:
Ester organischer Säuren haben als Ausgangsprodukte und Schutzgruppen für
Zuckersynthesen Bedeutung. Acetylierung von D-Glucose mit Acetanhydrid gibt die gut
kristallisierende 1,2,3,4,6-Penta-O-acetyl-b-Dglucopyranose, deren reaktionsfähige C-1Acetoxygruppe für Glykosidsynthesen Bedeutung besitzt.
10
Bei der Hydrolyse der Acetatreste wird die Konfiguration des C-Atoms, an dem die
acetylierte OH-Gruppe steht nicht verändert. Die Abspaltung erfolgt durch Umesterung mit
Alkoholat.
Eine selektive Blockierung der primären OH-Funktion ist vor allem mit
raumerfüllenden Schutzgruppen (Pivaloat und Benzoat) möglich, tiefe Temperaturen
erlauben bei verschiedenen Monosacchariden eine selektive Acylierung von äquatorialen
Hydroxygruppen vor axialen.
Ether, Acetale, Ketale:
Methylether von Monosacchariden entstehen durch Methylierung mit Dimethylsulfat oder
Methyliodid und lassen sich meist nicht mehr spalten.
Tritylether
[Triphenylmethylether]
Hydroxygruppen Bedeutung.
besitzen
als
Schutzgruppen
für
primäre
Benzylether zeichnen sich durch leichte Abspaltung des Benzylrestes durch katalytische
Hydrierung aus.
Silylether sind leicht herzustellen und können sauer wieder abgespalten werden.
Die Stabilität der Silyl-Schutzgruppe hängt dabei von den Resten am Silizium ab. Durch
räumlich anspruchsvolle Reste kann eine Regioselektivität erreicht werden.
11
Acetale/Ketale
bilden sich sauerkatalysiert durch Umsetzung von freien
Hydroxygruppen des Zuckers mit einer Carbonylverbindung (Keton, Aldehyd) oder
deren Acetalen durch Umacetalisierung.
Es wird jeweils die maximale Zahl von Hydroxygruppen acetalisiert, die Umwandlung
der α- in die β-Form sowie der Ringwechsel von Pyranose zu Furanose ist zu
berücksichtigen!
Isopropylidenacetale werden meist zum Schutz von cis-1,2-Diolen benutzt. Mit Aceton
reagiert D-Glucose zum 1,2,5,6-Diacetonid, D-Mannose bildet ein 2,3,5,6-Diacetonid,
Galactose hingegen bildet ein pyranosides 1,2,3,4-Diacetonid.
Benzylidenacetale werden hauptsächlich zum Schutz der 4,6-Position der Pyranosen
benutzt. Mit Benzaldehyd reagiert Glucose zur 4,6-Benzylidengluco(pyrano)se.
Ein Beispiel angewandter Schutzgruppentechnik, Oxidation und nucleophile Substitution zur
Synthese von 3-Amino-3-eoxy-D-glucose.
H3C
H3C
H3C
CH3
O
CH3
O
O
O
O
OH
PCC
O
NaBH 4
O
O
CH3
OH
O
O
CH3
O
CH3
O
OMs
CH3
CH3
CH3
O
MesCl, Py
O
O
CH3
CH3
O
O
O
O
O
O
H3C
CH3
CH3
NaN3, DMF
H3C
OH
O
O
O
NH2
OH
3-Deoxy-3-amido-D-glucose
CH3
O
O
NH2
HO
H3C
CH3
H2 / Pd
O
O
CH3
CH3
O
O
N3
O
O
CH3
CH3
12
Disaccharide, Oligosaccharide:
Saccharose [Sukrose, Rohrzucker, Rübenzucker] ist das am häufigsten vorkommende
Disaccharid überhaupt und aus vielen Pflanzen und Früchten isoliert worden. Den höchsten
Saccharosegehalt weisen Zuchtformen des Zuckerrohrs [Saccharum officinarum, 14 - 20 %]
und die Zuckerrübe [Beta vulgaris saccharifera, 16 20 %] auf. Saccharose ist über beide
anomeren C-Atome der Zuckerbausteine Glucose und Fructose (1-2)-verknüpft, der
Glucoserest besitzt α-, der Fructoserest β-Konfiguration. Die Röntgenstrukturanalyse zeigt,
dass die Glucose in der pyranosiden, die Fructose in der furanosiden Form vorliegen. Der
systematische Name lautet β -D-Fructofuranosyl-α
α-D-glucopyranosid.
Durch Erhitzen einer Lösung von Saccharose (αD= +66.5°) mit Säuren entsteht
Invertzucker, der zu gleichen Mengen die Bausteine Glucose (αD= +52.7°) und Fructose
(αD= -92.4°) enthält, wodurch der Drehwert dieses Gemisches linksgerichtet ist.
Invertzucker ist Bestandteil des Kunsthonigs.
Maltose [Malzzucker] entsteht durch enzymatische Spaltung von Stärke durch α-Amylase
bzw. Diastase bei der Bierherstellung. Maltose besteht aus zwei α(1-4)-glykosidisch
verknüpften Glucoseeinheiten und kann als α-Maltose [4-(α-D-Glucopyranosyl)-α-Dglucopyranose] oder β-Maltose [4-(α-D-Glucopyranosyl)-β-D-glucopyranose] auftreten.
Cellobiose besteht wie Maltose aus zwei Molekülen Glucose, die aber β-glykosidisch
miteinander verknüpft sind. Sie entsteht beim Abbau von Cellulose; die Spaltung zu Glucose
wird durch das Enzym Emulsin [b-Glucosidase] bewirkt.
Lactose [Milchzucker, Lactobiose, 4-(ß-D-Galactopyranosyl)-D-glucopyranose], mit 4 % in
Kuhmilch enthalten, kann sowohl in der α- als auch der β-Form auftreten. Sie wird aus Molke
gewonnen und findet häufig Verwendung als Süßungsmittel von Kindernahrung.
13
Das verbreitetste Trisaccharid ist die Raffinose [α-D-Galactopyranosyl-(1−6)-α-Dglucopyranosyl-(1-2)-β-D-fructofuranosid], die in zahlreichen Pflanzen vorkommt und aus
Zuckerrübenmelasse gewonnen wird.
Cyclodextrine [CDs] sind cyclische, nicht reduzierende und kristalline Oligosaccharide.
Sie entstehen durch Verknüpfung der helikalen Windungen der Amylose in den Formen α-,
β- und γ−Cyclodextrin und bestehen aus 6, 7 bzw. 8 Glucopyranoseeinheiten. Alle
sekundären OH-Gruppen befinden sich auf der einen, breiteren Seite, alle primären OHGruppen auf der unteren Seite eines offenen Kegelstumpfs.
OH
HO
O
O
O
OH HO
OH
OHO
OH
O
O
OH
HO
O
HO
OH
O
OH
O
HO
OH
O
OH
OH
OH
O
OH
O
α: 6
β: 7
γ: 8
OH
OHO
OHO
O
OH
HO
O
OH
Polysaccharide:
Polysaccharide
bestehen
aus
einer
Vielzahl
glykosidisch
gebundener
Zuckerkomponenten. Sind sie aus nur einem Zuckermonomeren als Baustein
zusammengesetzt, spricht man von Homopolysacchariden, die aus mehreren Zuckern
aufgebauten heißen Heteropolysaccharide. In Polysacchariden können mehrere
Bindungstypen vorliegen, und ausgehend von einer Hauptkette mit reduzierender Endgruppe
können kammartige oder baumartige Verzweigungen auftreten.
Glucane (von Glucose) sind die verbreitetsten Polysaccharide. Zu den β-D-Glucanen gehört
vor allem die β -D(1-4)verknüpfte Cellulose, zu den α-D-Glucanen zählen die
stärkeähnlichen Polysaccharide. (1-3)-, (1-4)- und (1-6)-Bindungen kommen in
Glucanen von Algen, Pilzen, Flechten und höheren Pflanzen vor.
Die Cellulose besteht aus linear ß-glykosidisch verknüpften Glucoseeinheiten und
stellt das häufigste Kohlenhydrat dar. Jährlich werden von Pflanzen etwa 10 Billionen t
Kohlenstoff als Cellulose gebunden. Baumwolle ist fast reine Cellulose (ca. 98 % des
Trockengewichts). Holz besteht neben Hemicellulosen und Lignin aus 40 - 50 % Cellulose.
14
Die wichtigste Gruppe der α-D-Glucane sind die stärkeähnlichen Polysaccharide
Amylose, Amylopektin, und Glycogen mit (1-4)- bzw. (1-4)- und (1-6)-Bindungen.
Stärke ist das Assimilationsprodukt grüner Pflanzen und ist als Hauptbestandteil von
Kartoffeln, Getreide und Reis ein wichtiges Nahrungsmittel. Sie ist ein Gemisch aus 15-25%
Amylose und 75-85% Amylopektin. Die Amylose besteht im wesentlichen aus etwa 1001400 α-glykosidisch 1,4-verknüpften D-Glucopyranoseeinheiten (15.000-220.000 Da)
in Form linearer Ketten, und zu einem geringen Teil aus β-glykosidischen Bindungen in
Verzweigungen.
Die α-glykosidische Bindung bedingt eine schraubenförmige Anordnung der
Glucosereste. Amylopektin ist stark verzweigt und besitzt eine Molmasse von etwa
400.000-1.000.000 Da. Die einzelnen Ketten sind durch 4-6% a(1−6)-glykosidische
Bindungen vernetzt, die α(1-4)-verknüpften Seitenketten bestehen aus je 20 bis 25
Glucoseresten. Amylopektin quillt in heißem Wasser und bildet viskosen Stärkekleister.
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Chitin ist das einzige Homopolysaccharid, das aus einem Aminozucker (N-Acetyl-Dglucosamin) aufgebaut ist. Es dient im Pflanzen- und Tierreich als Gerüstsubstanz, in Pilzen
und Grünalgen ist es Bestandteil der Zellmembran, bei Insekten und Crustaceen
Hauptbestandteil des Exogerüstes. Analog zur Cellulose sind N-Acetyl-D-glucosaminMoleküle in β (1-4)-glykosidischer Bindung zu langen Ketten vereinigt.
Heteropolysaccharide sind aus mehr als einem Monosaccharid-Baustein aufgebaut und
werden entsprechend der Struktur der Monomeren eingeteilt.
Glycane
Die Hauptkomponente der cellulosebegleitenden, alkalilöslichen Hemicellulosen der
verholzten Zellwand höherer Pflanzen sind die Glycanoxylane, die weit verbreitetste Gruppe
der Glycane. Die Glycanoxylane der Liliatae enthalten Seitenketten aus L-Arabinofuranose.
20-30% des Trockengewichtes von Stroh machen diese Arabinoxylane aus. Arabinogalactane
wurden aus Sojabohnen und Hölzern von Pinadeen isoliert.
Glycanoglycuronanen gehören die meisten Gummen und Schleime der Pflanzen. Als
Schleime werden Polysaccharide bezeichnet, die meist in der Zellwand der Pflanze
vorkommen und hochviskose, kolloidale Lösungen bilden. Die festen, klebrigen Gummen
werden dagegen erst nach Verletzung gebildet und ausgeschieden.
Glycuronane oder Polyuronide sind Polysaccharide, deren Ketten hauptsächlich aus
Glycuronsäuren. Daneben gibt es zahlreiche Heteropolysaccharide [Glycanoglycuronane] und
komplexe Polysaccharide [Mucopolysaccharide], die geringere Mengen an Uronsäuren
enthalten. Am besten bekannt ist Gummi arabicum, das von verschiedenen Acacia-Arten
gebildet wird. Die salzfreie Arabinsäure ist ein Glycuronogalactan, das zusätzlich noch LArabinose und L-Rhamnose enthält.
Heparin, aus Lungen von Schlachttieren gewonnen, ist ein geradkettiges
Heteropolysaccharid, das größtenteils aus Glucosamin und Glucuronsäure besteht und ein
Molgewicht von 5.000 - 40.000 Da besitzt.
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