AUSLÖSER 4 - Filmverband Sachsen eV

Transcrição

AUSLÖSER 4 - Filmverband Sachsen eV
2014
04
A SLÖSER
AU
AUSLÖSER
TITELTHEMA 1
Filmverband Sachsen
SCHWERPUNKT
FILMFINANZIERUNG
06
14
24
BÜRGSCHAFTEN
Neue Programme zur Finanzierung
INTERVIEW
Gespräch mit Manfred Schmidt
ETWAS BEWEGEN
Drehbericht „10 Milliarden”
MDM geförderte Filme im Kino:
Los Ángeles
Regie: Damian John Harper
Wir waren Könige
Regie: Philipp Leinemann
Besser als Nix
Regie: Ute Wieland
www.mdm-online.de
EDITORIAL 1
„Geld, der Meister aller Sachen,
weiß aus Nein oft Ja zu machen” (1)
der Schwerpunkt unseres aktuellen Heftes ist
nicht die schönste aber wohl eine der wichtigsten Nebensachen der Welt. Denn wer sich mit
der Herstellung von Filmen ernsthaft befasst, hat
mit diesem Thema wohl mehr als nur einmal am
Tag zu tun: der Geldbeschaffung.
Bevor die erste Klappe fällt oder der erste Strich
gezeichnet ist, müssen Verträge verhandelt und
geschlossen, Förderer, Sender, Koproduktionspartner und Verleiher überzeugt, Rückflusspläne
und Rückstellungserklärungen erklärt werden.
Also alles Dinge, die das Filmen so richtig sexy
machen und die gerade künstlerisch Kreative besonders mögen.
Wer jedoch die wichtigsten Finanzierungsinstrumente nicht kennt oder beherrscht oder jemanden kennt, der diese kennt und beherrscht,
wird seine genialen Filmideen kaum der interessierten Öffentlichkeit zum Besten geben können.
Die Staatskanzlei in Sachsen weiß um diese pekuniären Umstände und organisierte im vergangenen Juni ein Aufeinandertreffen von Medienmenschen und Bankenmenschen.
Nun gibt es ja das Klischee, dass ein Banker jemand sei, der gleichzeitig Hosenträger und Gürtel
trägt. Um im Bild zu bleiben ist ein Filmproduzent demnach jemand, der regelmäßig die Hosen
runterlässt.
Auf ein wichtiges Produzentenhosendetail sei
dabei unbedingt hingewiesen: die nach außen
gestülpten Hosentaschen. Dieses nur scheinbare Detail jedoch versetzt die Banker wiederum
in eine gewisse Entscheidungsmüdigkeit. Denn
nicht nur die strukturelle Armut der Filmherstellungswilligen schreckt zunächst ab, sondern
auch noch die Komplexität der Materie.
Daher pendelte der Gesprächsfaden in der
Staatskanzlei einerseits mehrfach zwischen
grundsätzlichen Fragen der Medien- und Standortpolitik und wie denn die sächsischen Filmer
Foto: Balance Film GmbH
Liebe Auslöser-Leser,
aus dem Keller der Bedeutungslosigkeit heraus einen Platz auf der medialen Sonnenterrasse ergattern könnten (wo die Bayern schon sind, was eine
extra angefertigte Powerpoint belegen sollte).
Andererseits drängten praktische Fragen wie
die nach dem Umgang mit Avalen und Bankbürgschaften immer wieder nach vorn. Der Vertreter
des MDR, auf die Gründe seines Beharrens dieser
einseitigen finanziellen Belastung der Produzenten angesprochen, meinte nur kurz und knapp:
dann müsste der MDR ja die Bonität seiner Vertragspartner selber prüfen. (Hier würde jetzt ein
Hinweis zu den Hosentaschen gut passen, siehe
oben).
Dem Schlagabtausch zwischen Produzenten,
MDM und MDR folgten die Bankenmenschen
mit erstaunten Blicken und mich beschlich das
Gefühl, dieses nachmittägliche Treffen war alles
andere als umsonst.
Denn Geld ist weder bös noch gut; es liegt an
dem, der‘s brauchen tut.
In diesem Sinne wünscht eine spannende Lektüre
Ihr Ralf Kukula
1 (Hans Aßmann Frh.v. Abschatz, Poet. Übersetzungen und Gedichte, 1704)
Bild: Alte Celluloid Fabrik/Prokino/Jens Mattner
2 TITELTHEMA
INHALT
2
24
10.000.000.000
Alte Celluloid Fabrik fragt, wie die Weltbevölkerung ernährt werden kann.
In diesem Heft
EDITORIAL MITGLIEDERPORTRAIT
Dirk Lienig
THEMA: FINANZIERUNG Zum Gelde drängt, am Gelde hängt ...
„Mundgerecht für Banken“
Sachsen bekommt eigenes
Filmfinanzierungsmodell
Vom französischen Modell nach Sachsen-Anhalt
Gunnar Dedio erzählt über internationale
Finanzierung und Senderbürgschaften
„Verständnis gewinnen“ IB Sachsen-Anhalt unterstützt mit Filmfinanzierung Infrastruktur
Flexibilität bei der Kreditlinie
Sparkasse Leipzig bei Arthouse und Fernsehauftragsproduktionen an Bord
Trackrecords und Deckungsbeiträge
Commerzbank will Filmfinanzierung
in Mitteldeutschland ausbauen
Mindestlohn
Auswirkungen auf die Branche
Interview
Manfred Schmidt im Gespräch
01
04
06
08
09
10
FESTIVALS
Filmeschauen erweitert den Horizont
18
Schlingel-Festivaldirektor Michael Harbauer über
den europäischen Kinderfilm
Move it! 20
10. Move it! Filmfestival 2014
Kraftvolles Kino
21
Mitteldeutsche Produktion erhält Chrystal Globe
Programmhighlights
22
57. Internationales Leipziger Festival für
Dokumentar- und Animationsfilm
SPOTS 23
Mit der Goldenen Taube zum OSCAR®
Kinoprogrammpreis 2014
PRODUKTION
24
13
„Etwas bewegen“
Alte Celluloid Fabrik fragt, wie die Weltbevölkerung ernährt werden kann
Der Mann, der beinahe ins Wasser fiel
Interview
Olaf Helds neue Dokumentation zum
Urheberrecht
14
EINREICHTERMINE/FÖRDERENTSCHEIDUNGEN 31
11
12
NACHRUF
IMPRESSUM 27
28
32
32
LEIPZIG
MITGLIEDERPORTRAIT 3
27.10. ––
2.11.14
dok-leipzig.de
With the support of Creative
Europe – MEDIA Programme
of the European Union
Member
of
Internationales Leipziger Festival für
Dokumentar- und Animationsfilm
57.
DOK Festival +
DOK Industry
4 MITGLIEDERPORTRAIT
Dreharbeiten für „Eine Stadt tanzt”
Ein großer Fisch im kleinen Teich Hoyerswerda
Dirk Lienig
Text: Claudia Reh Fotos: Rico Hofmann, Claudia Reh
E
s musste für Dirk Lienig, einem künstlerischen Allround-Talent und seit diesem Jahr
Mitglied im Filmverband, schon die ganz
große Runde sein, bevor er in seine Heimatstadt
Hoyerswerda zurückkehrte. Als er achtzehn
Jahre alt war, ging er nach Leipzig an die Ballettschule, danach als Tänzer und Choreograph nach
Schwerin. Es kamen erste Berührungen mit der
Foto- und Filmkamera, immer wieder Aufenthalte in Australien, Mittelamerika und in Europa. In
Berlin war er dann freier Choreograph, Tänzer
und Regisseur, Autor und Kameramann seiner
eigenen Dokumentarfilme. Die Festivalauswertung einer dieser Dokumentarfilme führte ihn
nach Sydney, von wo aus er nach zwei Jahren
schließlich nach Hoyerswerda zurückkehrte. Seit
2009 konzipiert Dirk Lienig nun Projekte mit und
in der Kulturfabrik. Seine unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten weiß er dabei gut zu verschränken. Sie bieten ihm großartiges Potenzial
für neue Projektideen.
Von dem Wohngebiet, in dem er aufwuchs,
sind nur noch Straßen und Parkbuchten inmitten einer grünen Wiese übrig. Kein Wunder,
Hoyerswerda hat in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren eine beispielhafte demografische
Entwicklung erlebt. Die Stadt verlor mehr als die
Hälfte ihrer Einwohner. Nach wie vor zieht es
vor allem junge Menschen weg von hier. Kann
man sich dem entgegenstellen? Lienigs Antwort:
MITGLIEDERPORTRAIT 5
„Bildet Banden. Das ist das, was ich immer mit
meinen Kunstprojekten versucht habe – sich
gruppieren und zusammenfinden. Die einfache
Alternative leben, versuchen neue Formen von
sozialem Zusammenleben auszuprobieren.“ Seit
Anfang des Jahres betreibt Dirk Lienig das Tanzprojekt „Eine Stadt Tanzt ‚Le Sacre‘“. In vierter
Auflage des Projekts beschäftigen sich in diesem
Jahr 74 Hoyerswerdaer im Alter zwischen 7 und
72 Jahren mit Sergej Rachmaninows Aufbruchswerk der Moderne „Le Sacre du Printemps“. In
mehrmals wöchentlichen Arbeitsproben choreographiert und entwickelt Dirk Lienig ein generationsübergreifendes, sehr persönliches Tanzprojekt: „Ich sage zu ihnen, dass sie gleichzeitig
Autoren sind. Ihr erzählt eure Geschichten. Ihr
seid selbst die Darsteller.“
Nach der Premiere am 13.6. im ehemaligen
Centrum-Warenhaus der Stadt wird nun intensiv an der Dokumentation gearbeitet. „Wir haben
angefangen die Tänzer zu interviewen, welche
Wünsche sie als Kinder hatten(…), wie sie sich in
den einzelnen Stadien abgerieben haben und was
davon übrig geblieben ist. Das ist der Erzählstoff.“
Im einstigen Kaufhaus werden Spielsettings aufgebaut, in denen sich die Protagonisten als Kind
gegenübertreten. Lienig: „Ich versuche immer
Leute aktiv werden zu lassen. Nicht, dass die immer nur konsumieren oder nur Darsteller sind,
sondern sich auch mit ihrem Ich einbringen.“
Das sind die Grundsätze in Dirk Lienigs Arbeit.
Er hofft, „dass diese Ansammlung von vielen
kleinen Versuchen zu einer Kultur führt, über
die auch Politik definiert werden kann. Wichtige
Veränderung kommt aus solchen Aktionen, (…)
durch sie erhoffe ich mir langfristig eine Kultur,
die wächst und neue Formen von Alternativen
zulässt. Keine Ahnung, ob das funktioniert, aber
das andere funktioniert nicht, das weiß ich!“ n
Eine Stadt tanzt auf Youtube:
http://youtu.be/NptUdgeU4Jw
6 FINANZIERUNG
Über die Probleme und Möglichkeiten der Filmfinanzierung in Sachsen
Zum Gelde drängt, am Gelde hängt ...
FINANZIERUNG 7
Text:Joachim Günther (2. Vorsitzender Filmverband Sachsen)
Ja, der Vers ist leicht abgewandelt. Aber im Zusammenhang mit der Lebensrealität der meisten
Filmemacher wie Goethe im Original von Gold
zu sprechen, klänge wohl etwas zu weltfremd.
Nichtsdestotrotz besteht ein Großteil der Kunst
des „Filmschaffens“ schlicht darin, die Finanzierung für ein Projekt zusammenzubekommen.
Wenn diese nicht „geschlossen“ ist, also die
kalkulierten Produktionskosten von Angang an
möglichst vollständig deckt, wird ein verantwortlicher Produzent gar nicht erst anfangen. Hat er
es geschafft, sollte er sich aber zumindest um das
Ende der Geschichte keine Sorgen machen müssen.
Durchaus aber darum, dass die Produktion
und sein Unternehmen dieses Ende auch erleben. Denn der finanziell gesicherte Ablauf der
Produktion ist damit noch keineswegs sicher.
Meistens ist der Geldbedarf schon während der
Produktionsphase so hoch, dass er selbst bei
planmäßigem Ablauf nicht aus eigener Tasche
gedeckt werden kann. Was, wenn sich die Kosten
unterwegs noch unvorhergesehen erhöhen oder
sich Produktionsabschnitte dehnen und vereinbarte Zahlungen entsprechend auf sich warten
lassen?
In aller Regel benötigen Produzenten Zwischenfinanzierungen, um ein Filmprojekt
überhaupt realisieren können. Bei TV-Auftragsproduktionen erwarten die Sender oft Bankbürgschaften, damit sie die Herstellungskosten in
produktionsbegleitenden Schritten auszahlen.
Geld oder Bürgschaft, beides sind für Banken
Kreditgeschäfte. Damit beginnt das Problem.
Die Bilanzen von Filmproduktionsunternehmen
erfüllen selten die Kriterien konventioneller
Risikobewertung. Andererseits mangelt es den
Instituten oft an Erfahrung, um diese „Exoten“
dennoch angemessen einschätzen zu können. Sie
lehnen entsprechende Anträge lieber ab oder beschäftigen sich erklärtermaßen erst gar nicht mit
dem Thema Filmfinanzierung.
Pech für die Produzenten und ihre Filme?
Natürlich. Aber auch ein Problem für die Entwicklung der Branche und einer Medienregion
insgesamt. Wenn Filme nicht gemacht werden
können, wird mit ihnen auch kein Geld verdient,
werden keine Steuern dafür gezahlt, findet keine
Entwicklung statt, wirtschaftlich aber auch kulturell.
In Sachsen fehlten solche bedarfsspezifischen
Angebote lange. Gerade hier, wo die meisten mitteldeutschen Produzenten beheimatet sind, war
es schwer Finanzierungspartner für Filmprojekte zu finden. Auch der Filmverband Sachsen hat
das in den vergangenen Jahren immer wieder als
Entwicklungshemmnis für die hiesige Filmbranche kritisiert. Inzwischen aber bewegt sich etwas.
Die Bürgschaftsbank Sachsen hat gemeinsam mit
einigen öffentlichen und privaten Banken ein
Modell entwickelt, das es hiesigen Produzenten
deutlich leichter machen soll an Finanzierungen
oder Bürgschaften zu kommen. Die Initiative
dazu kam von der Staatskanzlei Sachsen, die die
Entwicklung der Filmbranche seit einiger Zeit
sehr unterstützt. Der Filmverband hat sich von
Anfang an in der Vorbereitung und der Entwicklung mit seiner Fachkompetenz und seinen Kontakten zu (problem)-erfahrenen Filmproduzenten engagiert. Nun muss das BBS-Modell rasch
belebt, mit Erfahrung erfüllt und gegebenenfalls
weiterentwickelt werden. Auch die Commerzbank will sich stärker als Filmfinanzierer in der
Region engagieren und baut in Dresden ein Kompetenzzentrum dafür auf, ebenfalls mit Unterstützung des Filmverbandes.
Darüber hinaus steht das Angebot der Investitionsbank Sachsen-Anhalt auch Produzenten aus
Sachsen oder Thüringen offen. Die IB ist schon
seit einigen Jahren als Filmfinanzierer aktiv und
hat bereits mehrere Projekte erfolgreich begleitet.
Schließlich sei noch auf die Möglichkeit der
Bürgschaftsversicherungen verwiesen, die z.B.
vom Mitteldeutschen Rundfunk als Sicherung
anerkannt werden.
Die Modelle der verschiedenen Banken haben
jeweils ihre Besonderheiten. Jeder Filmemacher
muss entscheiden, welches für sein Projekt am
besten scheint. Aber nie war das Angebot so vielfältig und vielversprechend wie jetzt. n
8 FINANZIERUNG
Sachsen bekommt eigenes Filmfinanzierungsmodell.
„Mundgerecht für Banken“
Text: Joachim Günther, Gisela Wehrl
D
ie Bürgschaftsbank Sachsen (BBS) hat in
den vergangenen Monaten ein eigenes
Finanzierungsmodell zur Unterstützung
der Filmwirtschaft in Sachsen entwickelt. Es soll
vor allem für Filmprojekte, deren Finanzierung
insgesamt gesichert ist, eine Zwischenfinanzierung oder erforderliche Bürgschaften ermöglichen. Dies trifft in aller Regel auf Fernseh-Auftragsproduktionen, aber z.B. auch auf geförderte
Kino-Produktionen zu.
Das Modell der BBS sieht im Kern vor, den
Hausbanken der Produzenten die Bewertung der
Projekte zu erleichtern und über eine Teilbürgschaft einen Großteil des Risikos abzunehmen.
Markus Michalow, Geschäftsführer der BBS,
dazu: „Wir fangen die oftmals schlechten Bilanzen der Filmproduktionsfirmen ab“, die es Banken
schwer machen würden Kredite zu geben. Außerdem minimiere das Engagement der BBS den
Aufwand für die Hausbank. Eine solche ist aber
immer nötig, da die BBS keine Universalbank ist,
die Kredite vergeben darf.
Das Modell orientiert sich laut Michalow an
dem Baden-Württembergs. Es funktioniert im
Normalfall so: Der Produzent stellt bei seiner
Hausbank seinen Antrag. Der wird an die BBS
weitergereicht. Diese führt zunächst eine Prüfung durch. Für ein positives Ergebnis ist eine
geschlossene Finanzierung Voraussetzung. Nach
der Prüfung gibt die BBS eine entsprechende
Erklärung an die Hausbank zurück, bei Zustimmung verbunden mit einer Teilbürgschaft über
sechzig Prozent der Finanzierungssumme. Letztlich sei es aber an der Hausbank des Antragstellers abschließend zu entscheiden, so Michalow.
Aber: „Zwar müssen die Banken eigenständig
prüfen, aber wir legen, wenn der Unternehmer
zustimmt, der Bank unsere komplette Entscheidungsvorlage vor“, inklusive aller Unterlagen
und dem internem Rating. „Wir machen einer
Bank das ganze Thema mundgerecht.“
Für kleinere Finanzierungsbedarfe gibt es aber
noch einen direkteren Weg: die „Bürgschaft
ohne Bank“. In ihr sieht der BBS-Geschäftsführer
einen „echten Mehrwert“ des Modells. Ist der gesamte Finanzierungsbedarf nicht höher als rund
260.000 Euro (die von der BBS zu gewährende
Teilbürgschaft demnach nicht höher als 160.000
Euro), kann sich der Produzent mit seinem Antrag direkt an die BBS wenden. Mit dem Bürgschaftsangebot und dem „Prüfungszeugnis“ der
BBS kann sich der Produzent dann frei an eine
Bank seiner Wahl wenden, sich also die mit den
besten Zinskonditionen aussuchen.
Eingereicht werden müssen Unterlagen wie
beim klassischen Kreditgeschäft. Die Bearbeitungsgebühr beträgt 1,5 Prozent, die Bürgschaftsprovision 0,75 Prozent. Die BBS verlangt
mindestens eine persönliche Bürgschaft der Unternehmer über die komplette Summe und eine
Risikolebensversicherung.
Um „in die Sphäre neu einzutauchen und wichtige Player einschätzen zu können“, so Michalow,
will die BBS jeweils eine Stellungnahme der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) einholen.
Man wolle diese mit Einverständnis der Antragssteller auch gern abgeben, so Marcus Görsch,
Leiter des MDM-Förderbereichs. Er gibt aber zu
bedenken: „Vor allem bei Fernsehauftragsproduktionen werden wir viele gar nicht als vorherige Förderempfänger kennen.“ Aber auch das
sei kein Ausschlusskriterium, betont wiederum
Michalow. Die BBS werde dann auf eine Stellungnahme der IHK zurückgreifen. Görsch ist „ganz
optimistisch“ für das neue Modell der BBS. Und
auch Michalow gibt sich zuversichtlich: „Das Interesse von sächsischen Banken für eine Zusammenarbeit bei der Filmfinanzierung ist groß.“ n
FINANZIERUNG
9
Gunnar Dedio erzählt über internationale Finanzierung und Senderbürgschaften.
Vom französischen Modell
nach Sachsen-Anhalt
Text: Gisela Wehrl Foto: IB Sachsen-Anhalt
G
unnar Dedio hat LOOKS Film & TV vor
mehr als zwanzig Jahren gegründet und
stellt ernüchtert fest: „Das Problem der
Filmfinanzierung stellt sich immer wieder.“ Bei der
Produktion von „14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs“ hat Dedio nun eine „äußert angenehme
Erfahrung“ mit der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) gemacht.
Neben verschiedenen deutschen Banken kennt
Dedio auch die Finanzierungsinstrumente von
Bürgschaftsbanken und Beteiligungsgesellschaften, u.a. in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen: „Diese Instrumente funktionieren problemlos, haben aber sehr deutliche Grenzen.“ Bei den
Bürgschaften seien gegenüber den abwickelnden
Geschäftsbanken früher oder später harte Sicherheiten nötig, also Bargeld oder Immobilien, und
Dedio betont: „Filmproduktion wird schnell teuer
und meine Möglichkeiten Sicherheiten zu stellen
sind begrenzt!“ Zudem hätten viele deutsche Banken Probleme mit ausländischen Debitoren und
Verträgen. Einige große international operierende
Sender strecken die Zahlung des Lizenzentgeltes
auf Raten über mehr als ein Jahr nach Lieferung.
„Wir haben zwar wertige Verträge, die aber über
einen erheblichen Zeitraum zwischenfinanziert
werden müssen“, erzählt Dedio. Da eine solche
Zwischenfinanzierung in Deutschland unmöglich
war, realisierte Dedio diese bislang über die französische Banken Cofiloisirs und Coficine, an die
sich seit einigen Jahren deutsche Produzenten mit,
aber auch ohne französischen Partner wenden
können, allerdings mit den Schwierigkeiten im
französischen Sprach- und Rechtsraum zu agieren.
Dann las der Produzent im letzten Jahr vom
Modell der IB, als er „14 – Tagebücher des Ersten
Weltkriegs“ mit 52 Finanzierungspartnern in 23
Ländern zwischenfinanzierte. Dedio schätzt an
der IB den „direkten Draht“ und den überschaubaren Papieraufwand, denn: „Auch Antragsverfahren kosten Geld.“ Die Kreditentscheidung für „14“
wurde schnell getroffen, trotzdem machten sich
die Mitarbeiter der IB vorher ein sehr genaues Bild
von LOOKS und dem Projekt. Der nötige Regional-
Rainer Schütze, IB Sachsen-Anhalt, und Gunnar Dedio, LOOKS Film & TV bei einer Präsentation der Finanzierungsmodelle durch die IB
effekt sei kein Problem gewesen, da er im Rahmen
der MDM-Förderung bei Crew und Postproduktion bereits kalkuliert worden sei. Dedio begrüßt
sehr, dass die IB die persönliche Haftung nicht für
die komplette Summe verlangt hat. Überall bliebe
ein statistisches Risiko bestehen, auch wenn das
bei der Fertigstellung eines Films eher gering sei:
„Ab einem gewissen Punkt bin ich nicht mehr bereit und in der Lage jedes Risiko allein einzugehen,
und kann deswegen unter Umständen verschiedene Produktionen nicht realisieren“, betont Dedio: „Dann verliert mit uns auch das Land Umsatz,
Regionaleffekte und Know-how, weil Fachkräfte
nicht engagiert werden. Das ist weder in unserem
noch im Interesse des Landes.“ Bei dem Modell der
IB werde das Risiko verteilt, Produktionen ermöglicht und damit ein nachhaltiger Effekt in mehrere
Richtungen erreicht.
Allerdings: „Die öffentlich-rechtlichen Sender
sind meist nicht bereit ein finanzielles Risiko einzugehen.“ Laut Dedios Erfahrung ist das Prinzip, dass
Sender Bürgschaften für Anzahlungen fordern,
in Deutschland einzigartig, auch im Vergleich zu
seinen internationalen öffentlich-rechtlichen Koproduzenten und Lizenznehmern: „Zinsen und
Gebühren für die Bürgschaften landen nicht auf
dem Bildschirm, sondern im Bankensystem, notwendige Sicherheiten erschweren die Liquidität.“. n
10 FINANZIERUNG
IB Sachsen-Anhalt unterstützt mit Filmfinanzierung Infrastruktur.
„Verständnis gewinnen“
Text: Gisela Wehrl
Ein Volumen von 50 Millionen Euro steht bei
der Investitionsbank Sachsen-Anhalt (IB) für
Filmfinanzierungen zur Verfügung. In seinem
fünfjährigen Bestehen wurde das Programm
immer wieder den Bedürfnissen der Branche
angepasst, erzählt Rainer Schütze, Leiter des
Kreditbereichs, und die Gap-Finanzierung um
Bürgschaften und Zwischenfinanzierung ergänzt. Auch Produzenten aus anderen Bundesländern, also auch aus Sachsen oder Thüringen,
können die Produkte der Investitionsbank mit
Sitz in Magdeburg nutzen. Man erwarte lediglich einen „angemessenen“ Regionaleffekt in
Sachsen-Anhalt, so Schütze.
So konnten auch Leipziger Firmen das Modell
der IB nutzen, das TV-Großprojekt „14 – Tagebücher des 1. Weltkriegs“ von LOOKS Film & TV
oder der gegenwärtig produzierte Dokumentarfilm „10 000 000 000“ von Alte Celluloid Fabrik
zählen zu den in jüngster Zeit finanzierten Projekten.
Impulsgeber für das Programm war die Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, um die Entwicklung der
Filmwirtschaft in dem Bundesland zu fördern.
„Wir wollten damit ein Signal geben, dass wir
eine substanzielle Summe in die Hand nehmen“,
erklärt Schütze das hohe Volumen und erinnert
sich: „Ganz zu Anfang dachten wir ganz sportiv,
man braucht Gap-Finanzierung.“ Doch habe die
Erfahrung gezeigt, dass es nicht viele Projekte
gibt, die den Anforderungen für die „Kür der
Finanzierung“ gerecht werden. Weniger als ein
Projekt pro Jahr wurde so finanziert, kürzlich
eine „kleine Finanzierung mit 350.000 Euro“.
Allerdings gab es auch noch keine Ausfälle.
Ebenfalls kaum nachgefragt werden nach Aussage Schützes die Finanzierungsmöglichkeiten
speziell zur Gründung, da diese über die etablierten Förderprogramme der IB abgedeckt werden, und die Investitionsförderungen, die sogar
für Rechte- und Lizenzankauf genutzt werden
könnten. Aber in den Bereichen Zwischenfinanzierung und Bankbürgschaften gäbe es durchaus Bedarf, erzählt Schütze. Im Unterschied zu
dem Modell der Bürgschaftsbank Sachsen deckt
die IB Sachsen-Anhalt dabei die gesamte Finan-
zierungssumme zu 100 Prozent ab. Nur für die
Abwicklung bedarf es einer Hausbank.
Der Banker schätzt an der Filmbranche, dass
„die Menschen neben ihrer Kreativität und ihren Visionen einen langen Atem haben.“ Finanzierung sei dabei nur ein Bestandteil von vielen,
damit ein Projekt nach vielen Jahren umgesetzt
werden könne. Doch die Branche hat für ihn
noch andere Besonderheiten. Ihm sei bewusst,
dass die Bilanzen von Filmunternehmen „erheblich anders als bei anderen Produktionsunternehmen“ aussähen. Auf der Habenseite stehe
nur Immaterielles: „Dafür Verständnis zu gewinnen, war der Weg, den wir gehen mussten.“
Als Bank mussten sie sich das Wissen um eine
spezielle Branche aneignen, um gute Kreditentscheidungen treffen zu können. Das funktioniere nur mit Vertrauen in das jeweilige Unternehmen.
Für die Kreditvergabe müssen die üblichen
Unterlagen eingereicht werden. Um den Branchenbesonderheiten gerecht zu werden, hat die
IB zur Bewertung von Projekt und Produzent ein
eigenes Ratingtool entwickelt. Bislang realisierte Projekte fließen dort mit ein. Bei Bankbürgschaften und Zwischenfinanzierungen zähle
allerdings nicht das Einspielergebnis, sondern
die erfolgreiche Umsetzung, so Schütze. Nach
ausführlichen Vorgesprächen falle dann mit
Antragsstellung eine Bearbeitungsgebühr von
einem Prozent an, ein weiteres Prozent bei Vertragsabschluss. Der Darlehenszinssatz ist nicht
fest, sondern abhängig von der Risikobewertung.
Eine Mindestdarlehenshöhe ist nicht fixiert.
Zu klein dürfen die beantragten Summen allerdings nicht sein, da auch die IB als Förderbank
kostendeckend arbeiten muss. Die kleinste Summe bislang betrug 40.000 Euro. Aktuell gäbe es
aber auch Überlegungen, für kleinere Beträge
Rahmenverträge zu schließen.
Als Sicherheiten bei Bürgschaften und Zwischenfinanzierungen muss der Produzent die
Forderungen gegenüber Dritten, also den Sendern und Förderern, an die Bank abtreten. Darüber hinaus verlangen die Regularien der IB
FINANZIERUNG
eine persönliche Bürgschaft des Unternehmers.
Schütze ergänzt: „Das muss nicht in voller Kredithöhe sein, soll uns gegenüber aber Engagement zeigen.“
Mit der Mitteldeutschen Medienförderung
gäbe es einen „freundschaftlichen Austausch“.
Eine Förderung durch die MDM sei für eine Kreditvergabe durch die IB aber genauso wenig Voraussetzung, wie eine Förder-Ablehnung durch
die MDM bei einer IB-Entscheidung negativ gewertet werden würde.
Bedingung für eine Kreditvergabe ist allerdings ein Regionaleffekt: „Der ist nicht fix, aber
der Ansatz unseres Programms ist es, die Inf-
11
rastruktur, also zum Beispiel Unternehmen im
Mitteldeutschen Medienzentrum oder Drehorte
in Sachsen-Anhalt, durch Aufträge zu unterstützen“, betont Schütze.
Sparkasse Leipzig bei Arthouse und Fernsehauftragsproduktionen an Bord.
Flexibilität bei der Kreditlinie
Text: Gisela Wehrl
„Die Sparkasse Leipzig hat seit 2005 verschiedene Arthouse-Projekte finanziert, auch mit Cannes-Teilnehmern“, erzählt Dietmar Boriesosdiek,
Leiter der Vertriebsdirektion S-Firmenkunden.
In der Vergangenheit ergaben sich besonders
Schwierigkeiten im Bereich der Fernsehauftragsproduktionen, wenn mit der Produktion
begonnen werden muss, obwohl noch kein endverhandelter Produktionsvertrag vorliegt. „Da
sollte der Produzent eine belastbare Geschäftsbeziehung zur Hausbank haben“, so Boriesosdiek,
da die Vorlaufkosten zunächst im Kontokorrent
aufgefangen werden müssen, mit den banküblichen Anforderungen an die Bonität. Nach Vertragsabschluss schätze die Sparkasse vor allem
die operativen Risiken des Projekts ein, allerdings
führe die Sparkasse kein spezielles Rating für
Film durch. Die Hauptfragen lauten dann: „Ist das
Konzept schlüssig und tragfähig? Traut man das
dem Produzenten zu?“ Daher sei auch die persönliche Mithaftung der Unternehmer obligatorisch.
Die Sparkasse Leipzig sei zwar nicht auf das neue
Modell der Bürgschaftsbank Sachsen (BBS) angewiesen, erzählt Boriesosdiek, aber es helfe in Situationen, bei denen sich die Kreditentscheidung
nicht ohne zusätzliche Sicherheiten fällen lasse:
„Die Bürgschaftsbank ist ein sehr zuverlässiger
Partner.“ Aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorschriften müsse die Sparkasse allerdings immer
selbst prüfen – auch, wenn die Bürgschaftsbank
alle Unterlagen zur Verfügung stellt. Gewährt
die Sparkasse einen Kredit für die Zwischenfinanzierung, werden darauf die normalen Gebühren und risikoadjustierten Zinsen fällig, bei einer
Bürgschaft durch die BBS zusätzlich die Gebühren an die Bürgschaftsbank. „Projektfinanzierungen sind ab 100.000 Euro sinnvoll, darunter sollte
man andere Wege suchen“, betont Boriesosdiek.
Die Sparkasse Leipzig stellt aber als allgemeine
Firmenkreditlinie den „Multiflex-Kredit“ zur
Verfügung. Den kann der Produzent als Kontokorrent oder eben auch für Avale nutzen, so
Boriesosdiek: „In der heutigen Welt ist Flexibilität erforderlich.“
12 FINANZIERUNG
Commerzbank will Filmfinanzierung in Mitteldeutschland ausbauen.
Trackrecords und Deckungsbeiträge
Die Commerzbank ist seit 15 Jahren im Bereich der Filmfinanzierung tätig. In den vier großen
Medienstandorten Berlin, Hamburg, Köln und München wurden sogenannte Medienkompetenzteams installiert. Achim Thielmann leitet die Berliner Stelle. Annett Maier ist regionale
Ansprechpartnerin für Sachsen und Mitteldeutschland in Dresden.
AUSLÖSER: Welche Sicherheiten müssen Produzenten für Zwischenfinanzierungen und Avale
leisten?
Achim Thielmann: Generell stellen wir die Finanzierung und die Sicherheiten auf das Projekt ab.
Wir brauchen die branchenüblichen Unterlagen,
gerade der Trackrecord der Key Persons ist für
uns dabei sehr wichtig. Dann lassen wir uns die
Ansprüche an Sender und Förderer abtreten, bei
Regionalförderern bekommen wir sogenannte
unwiderrufliche Zahlungsanweisungen.
Das reicht Ihnen?
AT: Das reicht uns. In den 15 Jahren und den
nicht wenigen Projekten, die ich schon zwischenfinanzieren durfte, habe ich dabei durchaus positive Erfahrungen gemacht.
Wie bewerten Sie das Risiko?
AT: In der Filmfinanzierung gibt es eigentlich
zwei wesentliche Risiken. Das eine Risiko ist,
dass der Film teurer als geplant wird. Das zweite
Risiko besteht darin, dass die Filmproduktion
während der Produktion in die Insolvenz geht.
Das Overbudget-Risiko prüfen wir, indem wir
uns die Trackrecords anschauen und ob genügend Überschreitungsreserven und Deckungsbeträge kalkuliert sind. Das zweite Thema geht
darin über: Reichen die Deckungsbeiträge aus,
um das Unternehmen zu finanzieren, so dass wir
dann die Insolvenzgefahr ausschließen können?
An wen wendet man sich als sächsischer Produzent?
Annett Maier: In Dresden sind wir seit einem
Jahr mit dem Filmverband im Gespräch und haben überlegt, wie wir die Filmschaffenden vor
Ort unterstützen können. Wir sind dann der erste Ansprechpartner und greifen auf das Knowhow, das der Medienstandort Berlin in Personalie
Herr Thielmann aufgebaut hat, zurück.
Das Interview führte Gisela Wehrl
Informationen & Ansprechpartner
Investitionsbank Sachsen-Anhalt
www.ib-sachsen-anhalt.de
Herr Rainer Schütze
[email protected]
Tel.: 0391 589 8540
Commerzbank
www.commerzbank.de
Frau Annett Maier
[email protected]
Sparkasse Leipzig
www.sparkasse-leipzig.de
Herr Dietmar Boriesosdiek
[email protected]
Tel.: 0341 986-2501
Sächsische Bürgschaftsbank
www.bbs-sachsen.de
Herr Lars Wiehe
Telefon 0351 4409-240
[email protected]
FINANZIERUNG
13
Auswirkungen auf die Branche
Mindestlohn
Text: Christian Zimmermann Foto: © Gina Sanders - Fotolia.com
A
b 1. Januar 2015 wird in Deutschland
der allgemeine Mindestlohn gelten. Ab
diesem Zeitpunkt müssen mit gewissen
Ausnahmen alle Beschäftigten einen Mindestlohn von brutto 8,50 Euro pro Stunde erhalten.
Mit den Stimmen der großen Koalition wurde
damit ein Gesetz beschlossen, welches signifikante Auswirkungen auch auf das Niedriglohnland
Sachsen haben wird.
Gültig wird der Mindestlohn für alle volljährigen ArbeitnehmerInnen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und nicht
länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet sind. Für
diese Langzeitarbeitslosen ist eine sechsmonatige Ausnahme vom Mindestlohn vorgesehen. Das
Gesetz sieht dazu eine Übergangszeit von zwei
Jahren vor, in der Abweichungen über Tarifverträge „unter engen Voraussetzungen“ gestattet
sind. Eine weitere Ausnahme gestattet das Gesetz
im Bereich Orientierungspraktika, welche bis zu
einer Länge von drei Monaten vom Gesetz ausgenommen sind.
Sowohl der Deutsche Kulturrat als auch die
Produzentenallianz sprachen sich gegen die flächendeckende Einführung in ihrem Bereich aus.
Begründet wurde dies vor allem mit der Vielzahl
von Praktikanten bei Filmproduktionen und Kulturträgern. Sie sehen un- oder geringbezahlte
Praktika als wichtige Eckpfeiler einerseits der Berufsfindung und andererseits der Personalrekrutierung. Darüber hinaus führen sie ins Feld, dass
(Film-)Produktionen durch den Mindestlohn teurer würden bzw. Kulturträger mit deutlich weniger Personal die gleichen Aufgaben leisten müssten. Zumindest teilweise wurden diese Bedenken
erhört, wie die beschlossenen Ausnahmen zeigen.
Für ihre klare Festlegung mussten beide Organisationen allerdings Kritik einstecken. So wurde
u.a. auf der Internetpräsenz von Connex/Verdi
eine zwar anonyme, an Deutlichkeit aber kaum
zu überbietende Stellungnahme eines langjährigen Filmschaffenden veröffentlicht, welche die
unbefriedigende Situation der meisten Praktikanten thematisiert.
Eine andere Forderung stellt die AG DOK. Unter dem Titel „Wer Mindestlohn für Praktikanten will, muss auch die Voraussetzungen dafür
schaffen!“ fordert die Interessenorganisation der
Doku-Branche Politik und Sender auf, die strukturelle Ausbeutung gerade von Praktikanten mit
abgeschlossener Berufsausbildung bzw. Hochschulstudium durch die „chronische Unterfinanzierung“ von Kultureinrichtungen und (Dokumentar-)Filmproduktionen zu beenden.
Zu befürchten ist, dass viele Firmen und Einrichtungen verstärkt auf das Modell des Kleinunternehmertums und der (Schein-)Selbstständigkeit zurückgreifen werden. Damit umgehen diese
zwar die Pflicht, Mindestlohn zu zahlen, eine Verbesserung der Situation der prekär Beschäftigten
ist aber so nicht zu erwarten. An dieser Stelle ist
der Gesetzgeber nicht bereit, in den Markt einzugreifen. Einzig die Selbstständigen selbst können
hier versuchen, wenigstens den Mindestlohn mit
Auftraggebern auszuhandeln. n
14 INTERVIEW
Manfred Schmidt im Gespräch
Als Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung ist Manfred Schmidt eine der zentralen Persönlichkeiten, wenn es um die Geldbeschaffung in Sachsen geht. Mit dem AUSLÖSER
sprach er über die Gründung er MDM, die Entwicklung des sächsischen Filmschaffens und die
Zukunftschancen der hiesigen Filmlandschaft.
Vor 25 Jahren ist die Mauer gefallen, nächstes
Jahr feiern wir 25 Jahren Einheit und damit
auch ein Viertel Jahrhundert freie Entwicklung
des Filmschaffens und der Filmwirtschaft hier
in Sachsen und Mitteldeutschland. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Die Entwicklung Mitteldeutschlands zu einem
wichtigen Medienstandort mit stabilen Strukturen kann man guten Gewissens eine Erfolgsgeschichte nennen. Nach der Gründung des MDR
1992 entstand zunächst recht zügig eine erste
mitteldeutsche Produzentenlandschaft, die im
TV-Bereich tätig war und sich hauptsächlich auf
Leipzig konzentrierte. Denn der Sender hatte
von Anfang an relativ viel ausgelagert und Auftragsproduktionen vergeben, das war übrigens
damals in Deutschland gar nicht so üblich. Was
es hingegen kaum gab, waren Kinofilmproduktionen beziehungsweise Kinoproduzenten. Mitte
der 1990er wandte sich dann der Produzentenverband an die Politik mit dem Wunsch, auch
in Mitteldeutschland eine Förderinstitution wie
in Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder
Hamburg einzurichten und finanzielle Mittel
für Filmproduktionen zur Verfügung zu stellen.
Entsprechend wurde 1998 die MDM gegründet,
um die Kräfte der drei Länder zu bündeln.
Gemeinsam mit der Politik, den Verbänden,
Sendern und vor allem den ansässigen Filmschaffenden ist es uns gelungen, die Region zu
einem deutschlandweit und inzwischen auch
international anerkannten Produktionsstandort
zu machen.
Wo liegen die Stärken und die Schwächen des
Filmschaffens in der Region.
Die Stärken des Standorts liegen zum einen in
der Vielfalt der Drehorte und in der guten Infrastruktur. Das betrifft sowohl die hiesigen
Dienstleister als auch die Kommunen, die sehr
aufgeschlossen gegenüber Dreharbeiten sind.
Zum anderen sind da unsere Produzenten, sie
sind bestens vernetzt und setzen hier hochka-
rätige TV-Produktionen und Kinofilme um. Es
gibt aber eben auch eine strukturelle Schwäche
der Region: wir haben zu wenige Abnehmer von
Fernsehprojekten und Filmen. Da ist zwar der
MDR und es gibt gute Verbindungen mit dem
ZDF, aber das war es auch schon wieder. Ein weiteres Problem ist die Zahl der verfügbaren Fachkräfte, besonders bei den Heads of Department.
Wenn mehrere große Produktionen gleichzeitig
stattfinden, kommt es bisweilen zu personellen
Engpässen.
Dennoch können wir mit den regionalen
Crewleuten inzwischen fast alle Bereiche abdecken, und das sah vor einigen Jahren noch ganz
anders aus.
Den Erwartungen der Politik und auch vieler
Filmschaffender nach soll die MDM die Region
vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht fördern.
In den Richtlinien wird aber auch ausdrücklich
der kulturelle Aspekt hervorgehoben. Was ist
für Sie die Prämisse?
Wenn von einer wirtschaftlichen Filmförderung die Rede ist, meint man nicht, dass ein
kultureller Gedanke wegfällt. Jede Förderung in
Deutschland versteht sich auch als eine kulturelle Förderung. Es gibt dieses wirklich schreckliche Wort Filmkulturwirtschaft, aber man
kann beim Film die beiden Aspekte wirklich
nicht trennen. Film ist Kulturgut und gleichzeitig Wirtschaftsfaktor. Der Unterschied ist: wenn
jemand ein Buch schreibt, dann braucht er Papier und Stift oder einen Computer. Wenn es
aber ums Filmemachen geht, dann ist eine ganz
andere Logistik notwendig, die zum Teil auch
eine Menge Geld kostet. Wir müssen bei unseren Entscheidungen immer beide Elemente berücksichtigen, und daran werden wir von unseren Gesellschaftern und von der Öffentlichkeit
gemessen. Wir wollen mit der Unterstützung
dazu beitragen, dass in Mitteldeutschland stabile Strukturen entstehen und dabei Filme fördern, die eine künstlerische Qualität haben und
INTERVIEW 15
die der Zuschauer sehen will. Über die Qualität
lässt sich freilich immer streiten, aber Projekte
nur wegen der Regionaleffekte zu fördern, würde niemandem nützen.
Aufgabe der MDM ist es ausdrücklich „die
Leistungsfähigkeit von Unternehmen der Filmkultur-, Fernsehkultur- und Medienkulturwirtschaft zu stärken und die Branchenansiedlung
zu investieren“. Gemeint sind damit wohl vor allem die in Mitteldeutschland ansässigen. Inwiefern hilft es dabei internationale Großprojekte
zu fördern?
Internationale Produktionen sind durchaus
wichtig, natürlich immer unter der Vorraussetzung, dass das mit Partnern von hier passiert.
Uns war es von Anfang an wichtig, einerseits
regional zu agieren und die lokalen Filmemacher zu unterstützen, und andererseits über den
Tellerrand zu schauen. Wir haben früh unsere
Produzenten ermuntert, auf internationale Festivals und Märkte zu fahren, damit sie sich dort
verlinken konnten. Zudem haben sich über die
Jahre in Mitteldeutschland Firmen angesiedelt,
die auf Koproduktionen spezialisiert sind.
In Absprache mit unseren Gremien haben
wir vor einigen Jahren beschlossen, keine Ansiedlungspolitik mehr zu betreiben. Denn wir
haben nichts von angemieteten Büros mit einer Telefonumleitung oder in denen im besten Fall ein schlecht bezahlter Praktikant sitzt.
Das bringt einer Region überhaupt nichts. Wir
haben mehr davon, wenn uns ein nicht ansässiger Produzent hohe Regionaleffekte bringt,
indem er Crew und Firmen aus der Region beschäftigt. Die Effekte haben sich über die Jahre
sehr gut entwickelt: anfangs konnten wir bei Kinoproduktionen mit 120 Prozent wirklich froh
sein, mehr konnten wir auch gar nicht verlangen, weil die Strukturen nicht vorhanden waren. Die berühmt berüchtigten Regionaleffekte
sind ja nichts weiter als eine Wiederspiegelung
der infrastrukturellen Situation der Region.
Das ist in der Zwischenzeit ganz anders, weil
es gute Strukturen gibt, sodass wir heute ohne
weiteres auch Effekte von 200 Prozent und
teilweise darüber haben. Und da kommen wir
wieder zu den internationalen Großprojekten.
Sie erzeugen in der Regel noch höhere Effekte,
verhelfen der Region obendrein zu großer Aufmerksamkeit und holen Folgeproduktionen in
die Region.
Foto: Máté Baksa-Soós
Sind auch strukturelle Defizite in der regionalen
Filmwirtschaft mit Ursache dafür, dass auswärtige aber auch hiesige Auftraggeber glauben, auf
auswärtige Ressourcen zurückgreifen müssen?
Welche Defizite wären das aus Ihrer Sicht?
Abgesehen von den genannten Engpässen bei
mehreren großen Produktionen gleichzeitig,
gibt es kaum Bereiche, die ansässige Dienstleister nicht abdecken können. Es kann sicher die
eine oder andere Lücke noch geschlossen werden, aber insbesondere bei sehr spezialisierten
Gewerken muss es auch genügend und kontinuierlich Aufträge geben, damit sich eine Firmengründung lohnt. Eine andere Sache, die auch
Förderungen und die Gremien von Förderungen
umtreibt, ist die Tatsache, dass es eigentlich nie
genug Geld gibt.
Zum 7. Filmsommer Sachsen forderten Sie unter
anderem, dass Projektentwicklungen und Drehbücher stärker gefördert werden müssen. Sehen
Sie die MDM ebenfalls in der Pflicht?
Die Förderquote für diesen Bereich ist bei uns
überdurchschnittlich. Mir geht es darum, und
damit mache ich mir sicher nicht nur Freunde,
dass Inhalte bereits in der Entwicklung im stärkeren Maße von den Sendern unterstützt werden
müssen. Hiermit meine ich Auftragsproduktionen, für die die MDM nicht zuständig ist. Denn
die Sender wollen ja erstens attraktive und interessante Programme haben, und zweitens eine
unabhängige Produzentenlandschaft. Dabei geht
es in erster Linie um Firmen, die nicht so starke finanzielle Reserven und Rücklagen haben, so dass
16 INTERVIEW
sie selber aus eigener Kraft viel Geld in Entwicklungen investieren könnten. Kleinere Firmen
können sich ja nicht immer an den Ausschreibungen beteiligen, und denen sollten die Sender
bei Interesse an den Ideen Entwicklungsetats zur
Verfügung stellen. Dabei muss den TV-Verantwortlichen – und übrigens auch denen, die die
Sender kontrollieren – klar sein, dass nicht jeder
investierte Euro programmwirksam wird und es
eine gewisse Ausfallquote geben kann. Das spart
aber viele Kosten hinterher, es entstehen bessere Filme und vielleicht ein interessanteres Programm. Natürlich ist das ein Risiko, aber dieses
Risiko sollte man nicht dem Produzenten allein
aufbürden.
Wie stark ist der Einfluss der Sender auf die Vergabeentscheidungen der MDM, und wie stehen
Sie zur Förderung von Fernsehproduktionen
durch die MDM?
Von den insgesamt elf Mitgliedern des Vergabeausschusses sind drei Fernsehvertreter, zwei vom
MDR, einer vom ZDF. Das ist so im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Ich finde es legitim, wenn die
Sender als Geldgeber auch Gremienvertreter entsenden. Unsere Förderentscheidungen benötigen
aber eine Zweidrittelmehrheit, somit ist es nicht
möglich, dass die drei Vertreter frei darüber bestimmen könnten, was gefördert wird. Übrigens
votieren die Vergabemitglieder ja nicht nur als
Vertreter Ihrer Häuser, sondern zusätzlich als
Kino- und Medienexperten.
Was die Unterstützung von reinen TV-Projekten durch die MDM anbelangt, haben wir uns mit
den Sendern verständigt, was das Profil in diesem
Bereich ist. Aushängeschilder und Marken wie
„Tatort“ oder „Polizeiruf“ müssen von den Sendern selbst finanziert werden. Das gleiche gilt für
das Alltagsprogramm, aktuelle Berichterstattung
oder Reportagen, Sportsendungen oder Shows.
Wir fördern Projekte, wenn sie in einem besonderen Interesse für die Region sind. Das kann das
so genannte Eventfernsehen sein, zum Beispiel
Mehrteiler, die mit hohen Budgets gemacht werden, sich gut verkaufen lassen und bei denen der
Produzent an den Erlösen beteiligt ist. Auch Anschubfinanzierungen für Serien kann die MDM
geben. Hier kommen wieder beide Aspekte, über
die wir anfangs sprachen, zusammen. Der kulturelle hat bei Serien viel mit regionaler Identität
zu tun, und gleichzeitig kommen viele lokale
Dienstleister und ansässiges Personal über lange
Zeit in Lohn und Brot. Durch Serienproduktionen
entstehen dauerhafte Strukturen, und das ist sehr
wichtig für eine stabile Medienlandschaft.
Der Animationsfilm hat in Sachsen eine große
Tradition. Leider sind davon nur noch wenige,
allerdings sehr aktive, Reste übrig. Welchen Stellenwert hat die Entwicklung des Animationsfilms
für Sie? Sollte er zum Erhalt dieses Erbes eine besondere Förderung erfahren?
Zunächst einmal: was 1989 existierte, ist heute
auch schon 25 Jahre her. Ich glaube, man kann
da nicht mehr wirklich von Resten reden. Es gibt,
wie wir wissen, einige ganz gut funktionierende
Animationsfirmen und -studios in der Region, die
von uns mit gutem Gewissen bei ihren Projekten
unterstützt werden. Was dort passiert, ist sehr
personalintensiv. Momentan sehen wir, dass der
Trend von den großen Kinofilmen weggeht, weil
diese wirklich schwer zu finanzieren sind. Es geht
jetzt darum zu sehen, welche Chancen sich im
Bereich der Animationsserien ergeben. Wie das
in der Zukunft aussehen wird, hängt leider nicht
von der MDM ab. Es gibt sicher eine Offenheit bei
uns und in der Politik, aber derzeit keine schnelle
Bewegung.
Ihr derzeitiger Vertrag als MDM-Geschäftsführer läuft noch zwei Jahre. Welche Weichen wollen
Sie in dieser Zeit noch stellen?
Was uns sehr beschäftigen wird, sind die neuen
Verbreitungs- und Produktionsmöglichkeiten in
der digitalen Welt. Es gibt bereits jetzt eine Reihe
von viel versprechenden Modellen, und es werden sicher noch einige hinzukommen. Nicht alle
werden funktionieren, aber auch die bisherigen
Medienformen werden sich wandeln. Für mich
stellt sich die Frage, welche neuen Formen und
Wege Förderung effektiv unterstützen kann. Das
können etwa schnelle, kleine, billige Sachen sein,
die vor allem für junge Filmemacher und Produzenten eine interessante Möglichkeit sein können,
um in diesen Markt und in diesen Beruf reinzukommen. Hierfür gemeinsam mit der Branche
flexible Regelungen zu entwerfen, und auch an
diesen Stellen zu experimentieren, ist eine schöne
Sache, die auf uns zukommt. Gleichzeitig unsere Standards zu halten, ist in Zeiten, in denen es
schwierig mit den Standards ist, genauso wichtig.
Wir danken für das Gespräch
das Interview führten Claudia Reh & Christian Zimmermann
Photo courtesy of Johann Perry, cinematographer on Firecracker Films’ shoot for the Vodafone Firsts campaign
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18 FESTTIVALS
Schlingel-Festivaldirektor Michael Harbauer über den europäischen Kinderfilm
Filmeschauen erweitert
den Horizont
Beate Biermann MDR, Reinhard Krug, head of directorship of MDR, und Michael Harbauer Schlingel bei Kids Regio
Text: Gisela Wehrl Foto: Carlo Bansini / KIDS Regio
Als einziges Kinderfilmfestival in Deutschland erhält der Schlingel (13. bis 19. Oktober) nach
zwei Jahren Pause wieder Mittel aus dem Fördertopf der Europäischen Union. Festivaldirektor
Michael Harbauer im Gespräch über die kommende 19. Ausgabe, über die Schwierigkeiten des
europäischen Kinderfilms, aber auch über Erfolge bei der Vermarktung.
Die Schlingel-Preisträger aus dem letzten Jahr
wurden alle erfolgreich verkauft?
Der Hauptpreis der Stadt Chemnitz ging an „Grüße von Mike!“, den hat der WDR gekauft und es interessiert sich ein Filmverleih. Im Juniorbereich
gewann „Die Pee-Wees“ beide Preise, Arsenal
wird ihn im nächsten Herbst ins Kino bringen
und höchstwahrscheinlich folgt eine Fernsehauswertung. Den mit 11.000 Euro dotierten
Europäischen Kinderfilmpreis erhielt das tschechische Märchen „Die 12 Monate“, das Studio
Hamburg angekauft hat. Im Jugendwettbewerb
war „Reue!“ der Sieger, der danach den Young Audience Award der Europäischen Filmakademie
gewonnen hat. Auch dort gibt es starkes Interesse
von einem Filmverleiher, da hängt es noch ein
bisschen an der Synchronisation.
Diese Deals entstanden alle in Chemnitz?
Das kann man bei allen darauf zurückführen.
Der Preisträger des Europäischen Kinderfilmpreises von 2012, „Alfie, der kleine Werwolf“, war im
Kino, der von 2011, „Trommelbauch“, auch. Wir
waren in den vergangenen Jahren noch nicht
so breit aufgestellt, um Filme nachhaltig betreuen zu können, daher haben wir uns auf einen
konzentriert. Aber inzwischen hat sich das doch
schon mehr manifestiert, so dass wir 2013 schon
von mindestens dreien sprechen. Man kann das
sicherlich nicht für alle tun. Wir loben unsere
FESTTIVALS 19
Preise so aus, dass ein Teil des Preisgeldes für den
Regisseur bereitsteht, aber der Großteil des Geldes
soll den Film unterstützen, in Deutschland einen
Kinostart zu haben, für die Synchronisation oder
auch für Werbemaßnahmen. Es gibt mittlerweile
durchaus Bewerber, die aufgrund der Preise sagen: „Wir gehen zum Schlingel!“
Welche Programmhighlights gibt es in diesem
Jahr?
In diesem Jahr waren die Filme im Liveaction-Bereich sehr breit gefächert, das war Anfang des
Jahres nicht zu erwarten, die Berlinale-Sektionen
waren sehr von Animationsfilmen dominiert
worden. Nachdem ich dieses Jahr in Usbekistan acht Filme des SCHLINGEL-Wettbewerbes
„Blickpunkt Deutschland“ vor über 3.000 Kindern gezeigt habe, freut es mich sehr, dass wir mit
„Vergiss mich nicht“ eine usbekische Produktion
im Kinderfilm-Wettbewerb haben werden. In
der wesentlichen Essenz geht es darum, Wärme,
Nähe, Familie und Freundschaft zu spüren und
da kann man sich die Frage stellen: Ist die usbekische Welt so viel anders als die Welt eines deutschen oder europäischen Kindes?
Was braucht es, damit Firmen – vielleicht auch
aus Sachsen – mehr Kinderfilme produzieren?
Der Grundsatz ist überall der gleiche: Der Kinobetreiber sagt, dass Kinderfilme beim Besucherverhalten sehr dröge sind. Der Verleiher sagt: Pass
auf, ich bringe Kinderfilme einfach nicht unter.
So setzt sich die Kette fort. Sprich, wir brauchen
einfach Unterstützung für den Kinderfilm. Da
wären wir bei der KIDS Regio Konferenz, wo wir
uns Gedanken gemacht haben, ob es eine Marke
für den Kinderfilm braucht. Unter dem Attribut
„Der besondere Kinderfilm“ findet sich eine wirklich tolle und wichtige Initiative, aber für diesen
Titel würde kein Kind ins Kino gehen!
Wie sollte man eine solche Marke dann nennen?
Ein Kind möchte etwas Spannendes kennenlernen, was es noch nicht erreicht hat. Ein ab 12
Jahren freigegebener Film ist daher schon aufgrund der höheren Altersfreigabe für beispielsweise einen 10-Jährigen interessant. Allerdings
nicht, wenn man ihn in diesem Zusammenhang
als Kind bezeichnet, er aber schon zur Jugend
gehören möchte. Daher braucht man Attribute,
die diese Kategorie nicht klar benennen und sich
dennoch interessant für diese Altersgruppe dar-
stellen. Den Titel „Generation“, den die Berlinale
für diese Sektion gewählt hat, finde ich hierfür
sehr passend.
Braucht es überhaupt mehr Kinderfilme?
Wann hatten wir denn den letzten spanischen
Kinderfilm hier im Kino? Ich glaube, das ist schon
ganz lange her. Bei KIDS REGIO wurde gesagt, der
Austausch findet beim Kinderfilm noch am intensivsten statt. Ich bin der Meinung, es wird nur
festgestellt, was grenzüberschreitend geschieht.
Da meint man dann sicherlich z.B. den deutschen
Film, der auch in Österreich und der Schweiz zu
sehen ist, sich also in denselben Sprachräumen
bewegt. Es sind halt immer die gleichen Länder,
die das Grenzüberschreitende hervorrufen. Die
Frage ist, wie kann man ein System aufstellen,
welches diesem kulturell bunten Strauß in Europa Rechnung trägt. Dafür wird Geld benötigt
– Geld für Synchronisationen zum Beispiel. Denn
im Gegensatz zu Erwachsenen sind Kinder noch
nicht in der Lage, Filme in Originalfassung mit
deutschen Untertiteln zu verfolgen.
Welche Diskussion war für dich bei KIDS REGIO am Spannendsten?
Eine Frage, die wir jetzt beim Festival aufgreifen:
Brauchen wir Remakes oder Sequels, weil wir
eben bereits bekannte Erkennungsmerkmale
benötigen? Oder braucht man ein Branding für
das junge Kino in Europa und kann da ganz, ganz
frei Dinge entfalten? Diese freie Entfaltung, das
Phantasievolle, die Überraschung – damit kann
das Kino als klassischer Hort des Films für die Jugend interessant bleiben. Das wäre für mich viel
wichtiger, als dass man immer einem Vorläufer
hinterherhechelt und ihn dann in Besucherzahlen meist eh nicht mehr erreicht.
Die Konferenz KIDS Regio ging vom 19. bis 20.
Juni 2014 in Erfurt der Frage nach, wie man den
europäischen Kinderfilm voranbringen kann.
Neben MDR- und MDM-Vertretern war Michael
Harbauer der einzige Vertreter aus Sachsen, diskutierte in den Think Tanks u.a. das Thema Branding. Mehrere Studien lieferten Zahlen zum
Kinderfilm. „Europäische Kinderfilme reisen
mehr und erzielen bessere Zuschauerzahlen als
Nicht-Kinderfilme“, fasste Martin Kanzler seine
Forschung über den Kinomarkt am European
Audiovisual Observatory zusammen.
20 FESTIVALS
10. Move it! Filmfestival 2014
Text: Claudia Reh
Das Dresdner Filmfestival „Move it!“ begeht sein 10. Jubiläum vom 4. bis 9. November 2014 traditionell im „Nanoplex“ Thalia – Cinema, Coffee and Cigarettes im Dresdner Szeneviertel Neustadt.
Groß aufgefahren wird in diesem Jahr ein Programm mit vier Schwerpunkten, einem Kinder- und
Jugendfilmprogramm, dem traditionellen Sonntagsbrunch und einer Vielzahl von Kooperationen
mit anderen Institutionen.
Das ehrenamtlich geleitete Festival legt die Messlatte für zu zeigende Filme enorm hoch, so ist eine
Berlinale-Teilnahme noch lange kein Grund, Filme ins Programm zu nehmen. Die Programmschwerpunkte in diesem Jahr:
Schwerpunkt FairCulture
… beschäftigt sich mit dem Erleben von kultureller Vielfalt und ihren Bedingungen. Die künstlerische Umsetzung von Menschenrechtsthemen
und Identitätsfragen stehen hier im Mittelpunkt.
Wir tauchen ein in das breite Spektrum internationaler Filmkunst. Im Anschluss an die Jubiläumsfilmreihe im März/April diesen Jahres fragen
wir nach ‚fairen’ Erinnerungskulturen. Wie kann
eine Gesellschaft aber auch jede/r Einzelne mit
einer traumatisierenden Vergangenheit umgehen? Welche Möglichkeiten bietet die filmische
Umsetzung?
Schwerpunkt Postcolonial Experiences
In den 1960ern wurden die letzten Kolonien für
unabhängig erklärt. Doch damit ist der Kolonialismus nicht schlagartig vorbei. Er hat viele Spuren hinterlassen – nicht nur in den ehemaligen
Kolonien. Koloniale Ausbeutungsverhältnisse
waren ausschlaggebend für viele internationale Entwicklungen der Moderne. Der koloniale
Diskurs prägt unser Denken noch heute. Unser
Schwerpunkt möchte ein Bewusstsein hierfür
befördern und blickt zudem auf die aktuelle Lage
in den ehemaligen Kolonien.
Weitere Infos:
http://moveit-festival.de
Schwerpunkt Sex | Gender | Identity
Welche Bedeutung haben unser soziales und unser biologisches Geschlecht für unsere Identität?
Wie steht es um Rollenbilder, Gleichstellung und
sexuelle Freiheit fast 60 Jahre nach der sexuellen
Revolution? Ist die strikte, dichotome Unterscheidung zwischen Mann und Frau heute noch tragbar? Diese Fragen betreffen uns alle. Die Filme
unseres Schwerpunkts reflektieren Tabus, Klischees und das Problem des Sexismus. Dabei geht
es insbesondere auch darum, die Perspektiven
von Trans- und Intersexuellen zu zeigen.
Schwerpunkt Art of Rebellion
Protest ist mehr als eine Menschengruppe, die
mit ihren Forderungen und selbst gemalten
Transparenten auf die Straße gehen. In Zeiten des
Internets und der Globalisierung hat Widerstand
und Aufbegehren viele, mitunter sehr kreative
Gesichter entwickelt. Was bewegt Menschen
dazu sich für oder gegen etwas einzusetzen? Was
können sie bewegen? Und was passiert wenn Gewalt ins Spiel kommt? Im Schwerpunkt „Art of
Rebellion“ dreht sich alles um Formen, Ziele und
Effekte moderner Protestbewegungen weltweit.
FESTIVALS 21
Mitteldeutsche Produktion erhält den Chrystal Globe in Karlovy Vary
Kraftvolles Kino
Text: Lars Tunçay Foto: Rohfilm
D
er Fluss erschafft, der Fluss zerstört: inmitten eines Stroms, der Abchasien, eine
Region im Süden des Kaukasus, vom Rest
Georgiens trennt, entstand eine Insel wie geschaffen für den Anbau von Mais. Ein alter Bauer, dessen zerfurchtes, sonnengegerbtes Gesicht
über die Jahre immer mehr das Antlitz der Erde,
die er bestellt, angenommen hat, bearbeitet das
Land, ohne zu wissen, wie lange es bestehen wird.
Schweigsam verrichtet er seine tägliche Mühsal.
Fast rituell sind seine Handlungen. Der einzige
Mensch an seiner Seite ist seine Enkeltochter. Als
sie eines Tages einen jungen Mann auf der Insel
entdeckt, ändert sich ihr Schicksal.
Eine kraftvolle Parabel, geschaffen von einem
außergewöhnlichen Regisseur: George Ovashvili, dessen Erstling „Das andere Ufer“ mehr als
zwanzig Preise auf internationalen Filmfestivals
erhielt, kehrt mit seinem neuen Werk „Simindis
kundzuli“ („Corn Island“) zurück in die fragile
Grenzregion seiner Heimat. In ausdrucksstarken
Bildern stellt er die Landschaft in den Mittelpunkt seines psychologischen Dramas. Die Jury
des 49. Karlovy Vary International Film Festivals
honorierte sein künstlerisch versiertes Werk mit
dem Chrystal Globe, den mit 25.000 US Dollar
dotierten Hauptpreis des Festivals. Das Drama
gewann darüber hinaus den Jurypreis der Ökumenischen Jury.
„Corn Island“ ist eine Koproduktion der Alamdary
Film (Georgien), Arizona Productions (Frankreich), Axman Production (Tschechien), Kazakhfilm (Kasachstan) und der Halleschen Firma
42film mit einer Förderung der Mitteldeutschen
Medienförderung.
Unter Beteiligung von Departures Film aus
Leipzig und ebenfalls mit einer MDM-Förderung
entstand der Wettbewerbsbeitrag „Fair Play“ der
tschechischen Regisseurin Andrea Sedláková. Sie
war in der Vergangenheit vor allem als Cutterin
für französische Produktionen wie „Liebe mich,
wenn du dich traust“ oder „Vergissmichnicht“
in Erscheinung getreten. Sedláková wirft einen
Blick in die dunkle Vergangenheit ihres Landes,
erzählt von zerplatzten Träumen und enttäuschten Hoffnungen. Im Mittelpunkt ihrer Geschich-
„Corn Island“ Gewinner Filmfest in Karlovy Vary
te steht die 18-jährige Leichtathletin Anna. Es
sind die frühen Achtziger in Prag. Anna schafft
die Aufnahme in ein exklusives Sportförderprogramm. Ihre Freude darüber erlischt allerdings
jäh, als sie einige Monate später herausfindet,
dass sie gedopt wird. Sie widersetzt sich dem Doping, aber ihre Mutter verabreicht ihr die Mittel
heimlich weiter, damit Anna an den Olympischen Spielen teilnehmen kann – ihre Fluchtmöglichkeit in den Westen. Im Gewand eines
fiktiven Sportlerdramas reflektiert „Fair Play“ die
Geschichte des Sozialismus und hinterfragt moralische Grenzen.
Der Hauptpreis der Reihe East of the West
ging an „Klass korrektsii” („Corrections Class“)
von Ivan I. Tverdovsky, eine Koproduktion von
New People Film Company mit der Leipziger
Firma Jomami Filmproduktion. Der russische
Filmemacher Tverdovsky schildert darin die
Barrieren im Schulalltag und in den Köpfen
der Menschen, mit denen sich eine junge behinderte Frau auseinandersetzen muss. Ein
ernüchterndes Porträt einer feindlichen Gesellschaft all jenen gegenüber, die anders sind.
„Corn Island“ ist eine Koproduktion der Alamdary
Film (Georgien), Arizona Productions (Frankreich), Axman Production (Tschechien), Kazakhfilm (Kasachstan) und der Halleschen Firma
42film mit einer Förderung der Mitteldeutschen
Medienförderung ----und wurde von Georgien
für die Nominierung zu den Academy Awards
(OSCAR ®) vorgeschlagen n
22 FESTIVALS
57. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
Programmhighlights
Text + Foto: DOK Leipzig 2014
Die 57. Ausgabe von DOK Leipzig verspricht
wieder intensive Kinoerlebnisse. Die Filme des
Festivals dringen vor bis in die tiefsten Schichten unserer Realität. Rund 350 Dokumentar- und
Animationsfilme werden gezeigt, das Spektrum
reicht von brisanten politischen Themen bis hin
zu bewegenden persönlichen Geschichten.
Das diesjährige Festivalprogramm spiegelt
eindrucksvoll die politische Tragweite des Dokumentarfilms wider. DOK Leipzig zeigt gleich mehrere Produktionen, die in Krisengebieten entstanden sind, in der Ukraine, Syrien oder in Ägypten.
Politische und gesellschaftliche Umbrüche werden aus anderen als den bekannten Perspektiven
beleuchtet und hinterfragt. In einer Intensität,
die eine tagesaktuelle Berichterstattung nie leisten kann.
Als Zwei-Sparten-Festival hat DOK Leipzig
sich zu einem herausragenden Forum für genreübergreifende Angebote und den animierten Dokumentarfilm entwickelt. Seit dem vergangenen
Jahr widmet DOK Leipzig dieser sehr populären
Hybridform als erstes Festival der Welt einen eigenen Hauptpreis.
In der 57. Festivalausgabe widmet DOK Leipzig seinen Länderfokus dem Filmschaffen in
den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. In der traditionsreichen Retrospektive steht die Kamera
im DEFA-Dokumentarfilm im Mittelpunkt. Sie
verhalf dem Bild in Filmen der DEFA-Schule zu
einer besonderen Stellung. Kameraleute wie Thomas Plenert, Christian Lehmann, Werner Kohlert
oder Wolfgang Dietze arbeiteten damals gleichberechtigt neben den großen Regisseuren Jürgen
Böttcher, Volker Koepp oder Helke Misselwitz –
ein filmhistorisch einzigartiger Schaffensprozess.
Neben dem Filmprogramm bietet das Festival zahlreiche Branchenangebote, die sich mit
der Weiterentwicklung von dokumentarischen
Erzählformen befassen. Eine Neuheit in diesem
Jahr ist ein dreitägiger Hackathon, bei dem Filmemacher mit IT-Spezialisten zusammentreffen,
um innerhalb des Festivals gemeinsam Cross-Media-Projekte zu entwickeln. Der Workshop wird
gemeinsam mit dem renommierten Tribeca Film
Institute aus New York durchgeführt.
Zu DOK Leipzig
Das Festival hat sich in den letzten zehn Jahren rasant entwickelt: Das Publikum wächst
von Jahr zu Jahr, 2013 stieg die Zuschauerzahl
auf einen neuen Rekord von 41.500. In diesem
Jahr reichten Filmemacher aus 119 Ländern
ihre Filme bei DOK Leipzig ein. Für die kurzen
Dokumentarfilme bietet DOK Leipzig einen besonderen Anreiz: Der Gewinner-Film in dieser
Kategorie kann sich für einen Academy Award®
in der Kategoie „Documentary Short Subject“
qualifizieren.
Einen großen Anteil am Ausbau und an der Modernisierung von DOK Leipzig hat Claas Dani-
elsen. Der Festivalleiter wird sich nach seinem
elften Festival Ende des Jahres verabschieden.
Er hinterlässt ein runderneuertes Festival, das
international neue Strahlkraft gewonnen hat.
Über die Nachfolge von Danielsen wird am 15.
Oktober im Leipziger Stadtrat entschieden. Zur
Abstimmung steht Leena Pasanen, 49jährige
Dokumentarfilmexpertin aus Finnland. Claas
Danielsen unterstützt die Kandidatin: „Sie ist
international hoch anerkannt, eine profunde
Kennerin des Dokumentarfilms und eine sehr
erfahrene Führungspersönlichkeit.“
SPOTS 23
PROGRAMMKINO
OST erhält Spitzenpreis für Jahresfilmprogramm 2013
Foto: Martin Jehnichen
Mit der Goldenen Taube zum OSCAR®
Text: Gisela Wehrl Foto: DOK Leipzig 2014, Martin Jenichen
Bei DOK Leipzig führt ab diesem Jahr der Gewinn der Goldenen Taube im „Internationalem Wettbewerb für kurze
Dokumentarfilme“ zur Nominierung für den OSCAR® in der
Kategorie „Documentary Short
Subject“.
Der Film muss darüber hinaus nur die weiteren formalen
Kriterien für den ACADEMY
AWARD® erfüllen. Die ansonsten erforderliche Kinoherausbringung im Großraum
Los Angeles oder Manhattan
entfällt aber durch den Gewinn
der „Taube“. Eine solche Sonderregelung gibt es nur für Kurzfilme. DOK Leipzig gehört damit
zu insgesamt 13 Filmfestivals
außerhalb der USA, bei denen
man sich in dieser Oscar-Kategorie qualifizieren kann.
„Damit wird es für die Filmemacher noch attraktiver ihren
Film im Leipziger Wettbewerb
zu präsentieren“, glaubt Festivaldirektor Claas Danielsen. Es
liefen jährlich allerdings nur
ein bis zwei deutsche Produkti-
onen im internationalen Kurzfilmwettbewerb, da diese vorwiegend an Filmhochschulen
entstünden, wo sie meist erste
Fingerübungen seien. „Aufgrund der Finanzierungsbedingungen machen erfahrene
Dokfilmer in Deutschland sehr
selten Kurzfilme“, so der Festival-Chef. n
Weitere Informationen zu den
Einreichbedingungen unter
www.oscars.org/rules
Sven Weser, BKM Monika
Grütters, Jana Engelmann
Text + Foto: PK Ost
Am Donnerstag, den 4. September, vergab die Staatsministerin
für Kultur und Medien, Monika
Grütters, im bayrischen Starnberg die Kinoprogrammpreise
2014.
Programmkinos aus dem gesamten Bundesgebiet können
alljährlich ihr Jahresprogramm
einreichen und dafür verschiedene Programmpreis-Auszeichnungen erhalten, die mit Geldprämien verbundenen sind.
Wie schon in den letzten Jahren waren die Dresdner Programmkinos umfangreich und
mit hohen Prämien vertreten.
Ausgezeichnet wurden das KiD
- KINO IM DACH, KiF - KINO IN
DER FABRIK, das THALIA und
die SCHAUBURG.
Als Hauptpreisträger erhielt
das PROGRAMMKINO OST
den Spitzenpreis in Höhe von
20.000 € für das beste Jahresfilmprogramm 2013.
Damit holte das „Ost“ den ersten Preis bereits zum zweiten
Mal nach der Schauburg im
Jahr 2000 nach Dresden. n
24 PRODUKTIONSBERICHT
Suguna Chicken Hatchery, Palamaner, Indien, Interview mit dem Leiter der Fabrik
Alte Celluloid Fabrik fragt, wie die Weltbevölkerung ernährt werden kann.
„Etwas bewegen“
Text: Gisela Wehrl Bild: Alte Celluloid Fabrik/Prokino/Jens Mattner
W
ie können zehn Milliarden Menschen ernährt werden, die wohl in
nicht allzu ferner Zukunft auf der
Erde leben werden? Diese beeindruckende Zahl
machte die Leipziger „Alte Celluloid Fabrik“ mit
ihren Produzenten Tina Leeb und Jürgen Kleinig
zum Titel ihres Filmprojekts, das nach Antworten auf diese große Frage sucht: „10 000 000 000“.
Regie führt dabei Valentin Thurn, der mit seinem
Vorgänger „Taste the Waste“ zu einem ähn-lichen
Thema bereits sehr erfolgreich war.
Die Grundidee kam 2009 von Leeb und
Kleinig selbst. Ursprünglich wollten sie Landwirt-schaftssubventionen beleuchten und waren
dafür auf der Suche nach einem Regisseur. Bei einem Pitching des „Documentary Campus“ stellte
dann Valentin Thurn „Taste the Waste“ vor und
sie kamen ins Gespräch über eine Zusammenarbeit.
Der Erfolg von „Tas-te the Waste“ gab ihnen
später recht. Einhundertdreißigtausend Zuschauer kamen für den Film in die Kinos. Über
das daran anschließende „Foodsharing“ wurde in
den unter-schiedlichsten Medien berichtet, von
„Spiegel“ und Co. über Bio- bis hin zu Krankenkassenzeitschriften. „Taste the Waste“ lässt sich
durchaus als Agitationsfilm bezeichnen. Auf die
Frage, in-wieweit das auch auf „10 000 000 000“
zutreffen wird, sagt Tina Leeb: „Auch wir möchten etwas bewegen.“ Es gehe auch ihnen um eine
Message, wohl wissend, dass das in ci-neastischer
Hinsicht auch Schwächen berge. Aber sie betont,
PRODUKTIONSBERICHT 25
Beeindruckt haben den Leipziger Jens Mattner bei den Dreharbeiten besonders die Strukturen der Selbstversorgung in Afrika, welche in den Dorfgemeinschaften hauptsächlich von Frauen organisiert wird, hier in Malawi.
dass „10 000 000 000“ auf alle Fälle auch „bildlich
stark“ werde. Zwei „Lager“ die behaupten, die Ernährungslösung für die Welt der Zukunft zu kennen. Einerseits die industrielle Landwirtschaft,
die global immer weiter expandiert und hoch-effizient auf Massenproduktion setzt. Demgegenüber stehen die biologische und die tra-ditionelle
Landwirtschaft, die zwar weniger Masse produzieren, dafür aber schonend mit den begrenzten
Ressourcen umgehen. Von beiden Seiten will der
Film wissen, wie sie die Welt künftig ernähren
wollen.
Dafür war das Drehteam von Mai 2013 bis
Mitte 2014 in fünfzehn Ländern auf beinahe allen Kontinenten unterwegs. Die Drehorte und
auch manche Protagonisten wurden erst vor Ort
konkret festgelegt. Helfer für die Dreharbeiten
fand Produktionsleiterin Julia Ludwig häufig
über NGOs, z.B. in Mosambik oder Malawi: „Da
braucht man jemanden, der sich auskennt, wie
man sich bewegt, was man für die Sicherheit
beachten muss.“ Trotz der Aufenthalte in den
sogenannten „Entwicklungsländern“ stellt Leeb
fest: „Kein Datenverlust, kein Streik, kein halber
Drehtag ging uns verloren!“
Die deutsche Dreh-Crew bestand aus nur vier
Leuten. Neben Regisseur, Kamera- und Tonmann
reiste Jens Mattner aus Leipzig als 2nd-unit-Kameramann für das Making-Off mit. Er ist begeistert davon, wie umfänglich der Film sein
Thema behandelt: „Von ‚Ver-tical Gardening’ bis
Gentechnologie, ‚Urban Farming’, Börsenhandel,
‚Landgrabbing’ der Großagrarfirmen und Düngemitteln.“
Zuvor lief die Recherche weitgehend von
Deutschland aus ab. In Köln arbeitete ein Team
und „klapperte über Internet und Telefon alle
möglichen Player ab“, so Kleinig. „In der Entwicklungsphase ging es vor allem um die inhaltlich-dramaturgische Arbeit“, erzählt er, so habe
sich immer mehr die Frage nach der Ernährung
der wachsenden Weltbevölke-rung, die jetzt im
Mittelpunkt steht, herauskristallisiert. „Ohne die
Projektentwicklungs-förderung der Mitteldeut-
26 PRODUKTIONSBERICHT
Oktokopter Einsatz im Madurai-Slum, Indien
schen Medienförderung hätten wir das als kleine
Firma gar nicht machen können“, betont Kleinig.
Immerhin hätten so 24.500 Euro allein für die
Entwick-lung zur Verfügung gestanden. Neben
der inhaltlichen Arbeit floss die Förderung vor
al-lem in einen Trailer, mit dem die Produzenten
und der Regisseur auf Festivals und Märk-te reisen konnten.
Das Produktionsbudget des Projekts beläuft
sich nach Aussagen der Produzenten auf stolze
750.000 Euro. Nichtsdestotrotz sei es, so Kleinig,
gelungen, die Finanzierung dafür in nur einem
halben Jahr vollständig zu schließen.
Dabei ist „10 000 000 000“ eine rein nationale
Koproduktion. Mit 25 Prozent ist Thurn-film, die
Firma des Regisseurs beteiligt. „Die Koproduktion
mit dem Regisseur war keine Absicht, aber nach
dem Erfolg von ‚Taste the Waste’ ein wichtiges
Verkaufsargument“, erzählt Kleinig. Weitere 25
Prozent liegen bei der Prokino Filmproduktion.
Tina Leeb er-innert sich: „Nach unserer Präsentation bei den Co-Production-Meetings der DOK
Leipzig ergab sich der Luxus, dass gleich fünf Verleiher ernsthaft interessiert waren. Prokino hat
zwar nicht finanziell am meisten geboten, aber
klar signalisiert, dass sie wirklich dabei sind.“
Außerdem sind der Westdeutsche Rundfunk
und der Südwestrundfunk als Koproduzenten,
allerdings ohne Erlösbeteiligung an Bord. Da
neben der Mitteldeutschen Medienförderung
auch die Filmstiftung NRW förderte, mussten
die Produzenten keine Bankbürgschaft für die
Sender erbringen. Der WDR sieht die finanzielle
Verlässlichkeit des Produzenten dann nämlich
durch den Prüfprozess der Filmstiftung festgestellt. Ansonsten nutzt die Alte Celluloid Fabrik
Bürgschaftsversicherungen, wie sie u.a. die Bayerische Versicherungs-kammer ausstellt. Eine
Zwischenfinanzierung war für „10 000 000 000“
für die Produkti-onsphase zunächst nicht nötig.
Die Alte Celluloid Fabrik konnte die Zahlungszeitpunkte der Raten mit den Finanziers entsprechend aushandeln. Später aber musste die
Leipziger Produktionsfirma dann die lange Phase
bis zur Rohschnittabnahme überbrücken. Durch
das komplexe Thema dauerte der Schnitt über
ein halbes Jahr, und Kleinig scherzte noch kurz
vor dem Picture Lock: „Um den dramaturgischen
Bogen kämpfen wir immer noch!“ Für die dafür
dann doch noch erforderliche Überbrückungsfinanzierung nahmen die Pro-duzenten eine Zwischenfinanzierung durch die IB Sachsen-Anhalt
in Anspruch (mehr dazu auf Seite XY), wobei sie
Antragsprozedere und Auszahlung als „problemlos“ loben.
Im Herbst findet nun die Postproduktion in
Leipzig statt, Sound übernimmt Kai Tebbel, Picture Kai Dombrowski. Kinostart wird im nächsten Jahr sein. n
PRODUKTIONSBERICHT 27
Der Mann, der beinahe ins Wasser fiel
Text: Steffi Braun Foto: Benjamin Sommer
In Strömen hatte es am 07. August 2014 gegossen. Ein wahrer Weltuntergang. Und die Dreharbeiten zu dem Kurzfilm „Der Mann, der keiner
war“ mitten auf dem Feld in Boxdorf bei Dresden schienen buchstäblich ins Wasser zu fallen.
Dabei hatte das Projekt so vielversprechend begonnen. Die Idee zum Kurzfilm war vergangenes
Jahr von Regisseur und Drehbuchautor Steve
Bache auf dem Filmfest Dresden gepitcht worden und die ravir film GbR hatte sich daraufhin
für die Produktion des Filmes entschieden. Der
ca. 9-minütige Kurzfilm schildert die Geschichte
vom kleinen Franklin: An einem heißen Sommernachmittag wird der einsame Junge in seiner
neuen Heimat zum ersten Mal zum Spielen mit
anderen Kindern eingeladen. Doch als sie ein neu
bezogenes Haus erreichen und seine Mutter beobachten, kocht die Stimmung über – und Franklin muss wieder eine Rolle übernehmen, für die er
nicht vorgesehen ist.
Es ist eine Geschichte von Abhängigkeit, Isolation und der schlimmsten Art des Tabubruchs:
dem Missbrauch eines kleinen Kindes durch die
ihm wichtigste Bezugsperson. Ein geeigneter
Hauptdarsteller, der dem komplexen Thema des
Films gewachsen war, fand sich in Miljan Chatelain, bereits bekannt aus Filmen wie „Das weiße
Band“ von Michael Haneke und „Das Geschenk“.
Bei dem vom Filmverband Sachsen organisierten Pitching-Workshop im Dezember 2013 wurde weiter an Thema und Drehbuch gefeilt und
schließlich kam im Juli dieses Jahres auch eine
Förderzusage von der Mitteldeutschen Medienförderung. Alles prima also.
Doch dann fallen am zweiten von nur drei Drehtagen kurz vor Drehbeginn die Tropfen. Dabei
sollte der Film zu großen Teilen aus sommerlichen Außenaufnahmen bestehen. „Das war
schon ein gehöriger Schreck“, erzählt Dorit Jeßner, die Produzentin. „Der Wetterbericht hatte
uns etwas ganz anderes versprochen. Unser Zeitplan war sehr eng getaktet, da wir mit Kindern
gedreht haben, und es gab keine Möglichkeit den
Dreh zu verschieben, weil das Feld am Folgetag
gemäht werden sollte.“ „Zumal es am ersten Drehtag ja puren Sonnenschein gab und die Anschlüsse nicht mehr gestimmt hätten. Aber so, wie es da
geprasselt hat, gab es sowieso keine Möglichkeit
weiter zu machen.“, ergänzt Regisseur Steve Bache. Also wurde über Ausweichmöglichkeiten
diskutiert, umgeplant und abgewartet. Und dann
... erste, zögerliche Sonnenstrahlen zum Nachmittag und ein merklich erleichtertes Aufseufzen
der Crew und Produktion vor Ort.
„Dass wir es zum Schluss tatsächlich trotz
mehrstündiger Drehverzögerung geschafft haben, lag an dem großen Wohlwollen und Enthusiasmus aller Beteiligten am Set. Auch als der
Drehtag im Regen unterzugehen drohte, haben
alle an einem Strang gezogen: Schauspieler, Crew,
Regie und Produktion – das war für uns als junge
Produktionsfirma schon eine tolle Erfahrung!“,
erzählt Dorit Jeßner.
Und wie soll es weitergehen? „Jetzt beenden
wir erst einmal den Schnitt am Film und dann
beginnt die Einreichung auf verschiedenen nationalen und internationalen Festivals“, erklärt der
Regisseur.
„ravir film will sich auch in Zukunft verstärkt in
der hiesigen Filmproduktion betätigen“, hält die
Produzentin schließlich Ausschau. „Wir haben
schon einige Erfahrungen durch die Produktion
unseres Dokumentarfilms „reality or non-reality“ und andere Kurzfilme gesammelt und hoffen,
diese bald auch in einem Projekt längerer Form
anwenden zu können.“n
28 INTERVIEW
Neue Dokumentation zum Urheberrecht
Interview mit Regisseur Olaf Held
Du hast gerade die „A brief History of Raubkopie“ (AT) fertig gedreht und bist damit tief in den
Komplex der Urheberrechtsfragen eingetaucht.
Welche strukturellen Schwierigkeiten hast Du
dabei festgestellt?
In meinem Film ging es, vor allem wegen der
enormen Komplexität der Materie für mich erst
einmal um die Ursprünge des Urheberrechtsgesetzes. Dieses Konzept ist eigentlich nicht mehr
mit den Kunstpraktiken der Moderne vereinbar
und daher entstehen die Probleme. Man muss
sich das vor Augen halten, das Gesetz im 19. Jh.
verfasst und diesen Geist atmet es bis heute. Als
es verfasst wurde, gab es noch nicht einmal die
Möglichkeit einer wie auch immer gearteten
Ton- oder auch Bildträgerverbreitung. Entsprechend sind bis heute alle später hinzu gekommenen Kunst- und Verbreitungsformen schlechter gestellt als Bücher und gedruckte Noten.
Für alles andere hat man halt die Leistungsschutzrechte eingeführt, die jedoch nicht so stark
sind wie das Urheberrecht. Dort liegt eben auch
das Problem im digitalen Bereich, es kollidiert vor
allem mit Leistungsschutzrechten. Ein Beispiel.
Es war zwar beim damaligen Gesetzesentwurf
so etwas wie das Zitatrecht vorgesehen, aber das
Zitieren geschah halt in erster Linie so, dass man
die entsprechenden Zitate nicht einfach kopierte,
sondern per Hand abschrieb. So etwas wird natürlich zum Problem wenn man wie heute in der
Musik Samples benutzt. Diese, so wird es vom
Gesetzgeber verlangt, selbst per Hand einzuspielen, widerspricht völlig der Idee des Samplings.
Trotzdem ist Sampling verboten, da hier die LSR
greifen. Das hat massiven Einfluss zum Beispiel
auf die Entwicklung des HipHop genommen.
Die Verwertungsgesellschaften haben auf der
einen Seite eine wichtige Funktion, auf der anderen Seite werden sie teils massiv kritisiert und
haben scheinbar einen schlechten Leumund. Wie
kommt aus Deiner Sicht dieses Diskrepanz zustande?
Im Film haben wir diesen Bereich ausgespart,
aber aus Künstlersicht ist es vor allem die Intransparenz bei der Arbeit der Verwertungsgesellschaften. In der Öffentlichkeit werden sie vor
allem im Streit mit heutigen Internetanbietern
wahrgenommen. Dies liegt aber auch daran,
dass man hier versucht Monopolstellungen gegeneinander auszuspielen. Ich glaube, wenn es
zum Beispiel wie in anderen Ländern mehrere
VGs für Musiker gibt, würden manche Probleme gar nicht erst entstehen. Wird also Zeit, dass
die GEMA zum Beispiel Konkurrenz bekommt.
Das Urheberrecht wurde schließlich eingeführt, um Künstlern die Möglichkeit zu geben
von Mäzenen unabhängig auf dem freien Markt
Geld zu verdienen. Umso erstaunlicher, dass
für die Durchsetzung der Urheberrechte
dann ein Monopol wie die GEMA errichtet
wurde.
INTERVIEW 29
In deinem Film beschäftigst Du dich auch mit
Alternativen Lizenzformen wie den CC-Lizenzen. Siehst Du in diesen Alternativen in ihrer
bisherigen Form eine Verbesserung zur aktuellen
Situation?
CC-Lizenzen sind dafür geschaffen worden, in der
derzeitigen Situation überhaupt irgendeine Alternative zu den herkömmlichen, dem digitalen
Zeitalter nicht mehr entsprechenden Lizensierungssystemen zu haben. Für das Filmschaffen
eignet sich dieser Weg aber praktisch nicht, da im
Film zu viele verschiedene Rechte, zum Beispiel
der Autor, der Kameramann und der Komponist
eine Rolle spielen. Im Musikbereich werden diese
Lizenzen verwendet, wenn man sein Werk gern
genutzt sieht, zum Beispiel durch Remixe oder
ähnliches. Generell dienen sie vor allem eher einer Laienkultur Rechte geltend zu machen bzw.
frei zu geben, in den Punkten, wo das UrhG bisher noch hinterherhinkt. Denn rein rechtlich gesehen begehen wir am Tag ca 20 mal einen UrhG
Bruch, selbst Politiker, Zeitschriften und TV Sender, wenn man mal schaut was die alles so auf ihren Facebookseiten teilen.
Derzeit gibt es auffällig viele Rechtsstreitigkeiten
zwischen Urhebern und Rechteverwertern. Ist
das der Geiz? Oder woran aus Deiner Sicht?
Was ich im Laufe des Drehs erfahren habe ist,
dass es im großen und ganzen vor allem ein
Zuverdienst für Anwälte ist. Quasi noch eine
weitere Gruppe von „Verwertern“ die an der Kreativität Anderer mitverdienen will.
Mit dem Leistungsschutzrecht und dem Rechtsstreit mit Google haben sich deutsche Verlage
gerade gründlich blamiert, weil das deutsche
Urheberrecht große Probleme im digitalen Zeitalter hat. Ist es zeitgemäß oder wirkt es auch als
Bremse?
Da gibt es verschiedene Aspekte, generell würde
ich sagen, dass das Leistungsschutzrecht eh problematisch ist und im Zeitalter der Digitalisierung
sich diese Problematik nur noch zugespitzt hat.
Theoretisch, gab es ja schon immer Werke, wie
zum Beispiel Bild-Collagen, die gegen das LSR
verstoßen würden. Aber erst durch das Sampling
wurde es zum Massenphänomen und dadurch
zum ertragreichem Geschäft für Anwälte. Inzwischen ist Copy/Paste aber ein Alltagszustand,
das heißt, es wird sehr schwierig sein ein Gesetz
durchzusetzen, was millionenfach gebrochen
wird. Generell sollte man aber den Rechtsstreit
als das sehen, was er wirklich ist, da gehen ein
paar große Verlage gegen einen neuen Konkurrenten vor. Also Lobbyarbeit im europäischem
Oberhaus.
Wir danken für das Gespräch
das Interview führte Christian Zimmermann
FOKUS SAC H S E N
Hier
Krippelkiefer
Der Rumgeher
Stefan „Sterni“ Mösch führt ein Leben
zwischen Hartz IV, Bewerbungsschreiben
und Bandauftritten seiner Band „de
Krippelkiefern”. Mit sarkastischem Humor
kommentiert er sein Leben als Historiker
ohne Job und Zukunft und sucht in der
Musik die versprochene Freiheit.
Legendäre "Abendgrüße" stammen von
seinem Tricktisch, der bis heute im
Dresdner Umland abseits medialer
Aufregung steht und noch immer
benutzt wird. Jörg Herrmann ist einer der
letzten seiner Art, ein Urgestein der
Legetechnik, das sich einen frischen und
neugierigen Blick auf die Welt bewahrt
hat.
Many A Time
Kaspar Hauserin
Sex Pol
Der traditionelle Scherenschnitt Trickfilm
mit musikalischer Untermalung ist
charmant und für Kinder gemacht.
Inhaltlich wie ästhetisch hält sich die eine
traumhafte Geschichte an einen
Abendgruß des Sandmännchens.
Im Rahmen des Leipziger Ostpol Projekts
"Zebra" entstand dieser ungewöhnliche
Animationsfilm. Die aus Russland
stammenden Künstlerinnen experimentieren mit Sound und Animationstechniken.
Nach wenigen Augenblicken ist klar: Die
nächsten Minuten werden beklemmend,
schmutzig und gemein. Durch 5 Akte
begleitet man die zerspielte Puppe auf
ihrer bizarren Stop - Motion Reise durch
das sexuelle Unterbewusstsein.
Icefighters, Leipzig
Der schöne Apotheker
Familienessen
Der gebürtige Kanadier Manfred
"Mannix" Wolf ist Trainer der Leipziger
Eishockeymannschaft "Icefighters". Im
Kurzportrait erzählt er über Einsatz,
Leidenschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl von Mannschaft und Fans.
Marcie Jost möchte „ihrem” schönen
Apotheker näher kommen und findet
dafür einen sehr eigenen Weg. Der im
Rahmen der PMMC Werkleitz entstandene
Kurzdokumentarfilm besticht durch
seinen freundlichen wie humorvollen
Blick auf ein ungleiches Pärchen
Mehrere Personen haben auf Fragen zu
familiären Situationen rund um die Tafel
geantwortet und hören nun ihre
Antworten. Traditionen, Anekdoten und
Vergleiche machen sächsische Identität
greifbar.
Marcie Jost, PMMC Werkleitz, 2013 (6 min)
Gepiercte Kids auf der Straße, die der
Aufmerksamkeit von Passanten keine
Beachtung schenken. Jost gelingt es, die
Bilder für sich selbst sprechen zu lassen:
Ein aufmerksamer Blick auf das
Popkultur-Buffet vor der eigenen Haustür.
Andreas Hell, 2014 (15 min)
Pleon / Ketchum (4 min)
Stefanie Meyer, Bauhaus Universität, 2014 (36
min)
Nelly Guseynova, Bauhaus Univ., 2014 (4 min)
Marcie Jost, PMMC Werkleitz, 2013 (8 min)
Jörg-Peter Bauer, Studio Klarheit, 2014 (9 min)
Jörg Weidner, Sublunare Welt, 2014 (11 min)
Alina Cyranek, 2013 (13 min)
Programm Fokus Sachsen im Rahmen der Dok Leipzig
Aktuelle Termine
FESTIVALS
16.-21.09.
Encounters Short Film Festival - Bristol
www.encounters-festival.org.uk
19.-27.09. San Sebastián International Film Festival
www.sansebastianfestival.com
21.09.-28.09 Internationales Kinderfilmfestival LUCAS
www.lucas-filmfestival.de
04.-11.10
Filmfest Eberswalde
www.filmfest-eberswalde.de
08.-19.10. London Film Festival des British Film Institute
www.bfi.org.uk
13.-19.10.
SCHLINGEL, Internationales Filmfestivals für Kinder
www.ff-schlingel.de
20.-26.10. International Short Film Festival Uppsala
www.shortfilmfestival.com
14.-25.10. Flanders International Film Festival Ghent
www.filmfestival.be
21.-26.10. Internationale Filmtage Hof
www.hofer-filmtage.com
24.10.-02.11. International Children‘s Film Festival Chicago
www.cicff.org
27.10.-02.11. DOK Leipzig Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
www.dok-leipzig.de
07.-16.11.
Cork Film Festival
www.corkfilmfest.org
EINREICHTERMINE FESTIVALS
28.07./29.09.14
Ab. 01.10.2014
06.10.2014
15.10.2014
19.10.2014
22.10.2014
15.11.2014
Sundance International Film Festival
Filmfest Dresden
Clermont-Ferrand Short Film Festival
Premiers Plans Film Festival/Angers
Regensburger Kurzfilmwoche
Berlinale
Landshuter Kurzfilmfestival
ANTRAGSFRISTEN ZU FÖRDERUNGEN
BKM 09.10.14 Verleihförderung
10.01.15 Produktionsförderung Kurzfilm
www.bundesregierung.de
Kulturstiftung des Bundes
31.01.15 Allgemeine Projektförderung
www.kulturstiftung-des-bundes.de
MDM
02.10.14Projektförderung
www.mdm-online.de
FFA
28.11.14Projektfilmförderung
01.10.14Drehbuchförderung
DEUTSCHER FILMFÖRDERFONDS
laufende Antragstellung
www.ffa.de
SLM
laufende Antragsstellung
www.slm-online.de
32 NACHRUF
„Tu deinen Mund auf für die Schwachen”
Heide Blum 1936 – 2014
Text: Hedda Gehm
Tu deinen Mund auf - nicht leicht in Zeiten der
„Diktatur des Proletariats“.
Nicht leichter in der Diktatur des Mammon.
Die Kindheit von Heide Blum diktierte der Krieg.
Dann lesen wir in ihrer Vita: 1953 – 1956 Arbeiter- und Bauern-Fakultät mit Abschluss Abitur.
Wer das noch kennt, weiß: von der ABF kamen
Leute, die hatten was Ordentliches gelernt, die
wussten was sie wollten, keine Selbstgerechten,
aber Selbstbewusste. Über mehr Jahre und mehr
Fächer als in der DDR üblich hat Heide Blum studiert und dann als Angestellte, so war das in der
DDR, im Medienbereich gearbeitet. Freischaffend
seit 1992 schließlich wurde sie zu der Filmemacherin, die wir kennen und deren Bilder wir vor
Augen haben. Ihren Mund, die Kamera, hat sie
aufgetan beim Porträtieren von Künstlern, von
den Schwachen, Absonderlichen unter ihnen,
beim Dokumentieren von Ungeheuerlichem, was
man Kranken im Nationalsozialismus antat, wie
man Menschen zu Tode brachte, was wer verschwieg und weshalb, „Filme gegen das Vergessen“.
Es ist weniger die künstlerische Aufbereitung
oder eine besondere Erzählstruktur, sondern
das gewollt Unprätentiöse, wodurch die Darstellungen so einprägsam geraten. Heide Blum lässt
die Dinge, die gesammelten Fakten, so weit wie
möglich für sich selbst sprechen, sie behauptet
nichts im Verbalen und schon gar nicht mit Adjektiven. Es ist die Eindringlichkeit und Vielfalt
des Recherchierten an sich. Sie entdeckt wieder
und wieder und kann nicht aufhören, die Dinge aus diesem und jenem Munde beleuchten zu
lassen. Es tut sich immer wieder etwas auf, was
noch gesagt werden muss. Es tut ihr regelrecht
leid, zum Schluss zu kommen.
Nun aber: Adieu Heide Blum!
Impressum
Druck:
Neue Druckhaus Dresden GmbH
Auflage:
2.200
Informationsblatt des Filmverband Sachsen e.V.
Herausgeber: Filmverband Sachsen e.V.
Schandauer Straße 64, 01277 Dresden
Tel. 0351-31540630 / Fax -31540635
www.filmverband-sachsen.de
1. Vorsitzende: Sandra Strauß
2. Vorsitzender: Joachim Günther (ViSdPG)
Autoren dieser Ausgabe:
Gisela Wehrl, Hedda Gehm, Steffi Braun, Lars Tunçay,
Ralf Kukula, Claudia Reh, Joachim Günther,
Christian Zimmermann
Redaktionsassistenz:
Justus Haufe
Gestaltung/Satz:
TRNDLB, Christoph Ruhrmann
Lektorat:
Sophie Hampel
Der AUSLÖSER erscheint in 4 Ausgaben pro Jahr.
Redaktion/ Anzeigen:
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Redaktionsschluss: Montag, 10. November
Anzeigenschluss: 24. November
Erscheinungstermin: 4. Dezember
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geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich das Recht
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