Lerncoaching – Improvisations

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Lerncoaching – Improvisations
Lerncoaching - Improvisationstheater
„Die Gesellschaft insgesamt muss Improvisationskompetenz als wichtige Qualifikation
erkennen und im sozialen Training vermitteln, denn heute ist für uns Menschen das
erlernen improvisatorischer Fertigkeiten geradezu lebensnotwendig, gehört doch das
andauernde Auftreten von ungewohnten und unerprobten Situationen und
Problemen geradezu symptomatisch zu unserer Zeit.“
Woher kommt Improvisationstheater? Woher kamen seine (wieder)Entdecker? Das moderne Improvisationstheater geht im wesentlichen auf zwei Personen zurück:
Viola Spolin im Chicago der 1950er und Keith Johnstone in England ab 1960.
Keith Johnstone wurde 1933 in Großbritannien geboren und war der Begründer des
Theatersports. In seinem ersten Bildungsweg wurde er Lehrer. Später schrieb er
Theaterstücke und arbeitete als Stückeleser, Dramaturg und Schauspieltrainer am
Royal Court Theatre, London. 1977 gründete er die Loose Moose Theatre Company in
Calgary, Kanada.
Über sich selbst schreibt er, er hätte sehr schlechte Erfahrungen mit vielen Lehrern
gemacht und wollte deshalb alles umkehren, was seine Lehrer früher machten. Seiner
Meinung nach „kann Erziehung ein zerstörerischer Prozess sein, schlechte Lehrer
können Talent vernichten, gute und schlechte Lehrer üben entgegengesetzte
Tätigkeiten aus.“
Zunächst von diesem scheinbar einfachen Umkehrprinzip geleitet, entwickelte er
Methoden und Wege, in seinen Schülern Interesse zu wecken. Eine seiner wichtigsten
Maximen ist, „...dass ein Schüler niemals die Erfahrung des Scheiterns machen sollte.
Die Befähigung eines Lehrers liegt darin, Kenntnisse so darzubieten, dass er
erfolgreich sein muss.“
Johnstone hatte großen Erfolg mit seinen Unterrichtsmethoden und später, am
Theater spielte er weiter mit seinen Ideen. „Ich war dazu angehalten worden, mich
jeweils nur auf eine Sache zu konzentrieren, also suchte ich nach Möglichkeiten, die
Aufmerksamkeit zu teilen. Mir war beigebracht worden, vorauszuschauen, also erfand
ich Spiele, die es schwierig machen würden, über das nächste Wort
nachzudenken. ́Nachahmung ́ galt als Mogeln, deshalb forderte ich Leute auf,
einander nachzuahmen. Mit komischer Stimme reden war verboten gewesen,
weshalb ich meine Schüler mit komischen Stimmen sprechen ließ. (...) Es war als
stürzte ich eine jahrhundertealte Tradition.“
Aus diesen Umkehrungen entwickelten sich zahlreiche Theatersportspiele. „Es war, als
stünde hinter mir eine vollständig überlieferte Lehre der Improvisation.
Normalerweise ist in der Erziehung alles darauf angelegt, Spontaneität zu
unterdrücken. Ich wollte Spontaneität hervorbringen.“
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 1 Viola Spolin (1906-1994). Geboren in Chicago, wuchs sie in einer Familie auf, die
sehr viele gemeinsame Spiele pflegte. Bei Familientreffen gab es spontane „Opern“,
Scharaden wurden gespielt und jeder verkleidete sich. 1924 – 1926 wird sie
ausgebildet zur Gemeinwesenarbeiterin (settlement worker) und arbeitete im Chicago
Hull House, einem frühen Kind der Settlement Bewegung. Während ihrer Ausbildung
lernte sie Neva L. Boyd kennen, die sie stark beeinflusste. Boyd war in der sozialen
Gruppenarbeit im Chicago Hull House tätig, gründete 1909 die Chicago School for
Playground Workers und war später Gründerin der Independent Recreational School
of Chicago (auch Hull-House School), die 1927 in die Northwestern University
eingegliedert wurde. Sie ist auch Verfasserin mehrerer Bücher über die Grundlagen
des kreativen Gruppenspiels. (z.B.: Handbook of Recreational Games, the Theory of
Play).
Boyd benutzte Spiele, Singen, Tanzen, Theater, Sport und verschiedene Künste in
ihrer Gruppenarbeit. Sie glaubt, dass Spielen nicht nur ein freiwilliger Akt ist, sondern
dass das Spiel biologisch notwendig ist für den Menschen. Im Spiel werden
verschiedene
Eigenschaften
gefordert
und
aktiviert:
Intelligenz,
Vorstellungsvermögen, ästhetisches Gespür, Sensibilität, Spontaneität, Originalität
und Produktivität. Und Spiel ist eine Ganzheitliche Erfahrung.
Im Chicago Hull House leitete Spolin Theatergruppen und war auf der Suche nach
einer einfachen Unterrichtsmethode, die auch leicht fertig wurde mit der ethnischen
und kulturellen Vielfalt der Teilnehmer. Ihre frühen Erfahrungen mit diesen Gruppen
mündeten schließlich 1946 in der Young Actors Company in Hollywood. und in den
heute bekannten Theatre Games. Ihr Sohn Paul Sills gründet 1955, basierend auf
Spolins Ideen, die erste professionelle Improvisationstheatergruppe, The Compass.
1959 wurde daraus die Second City Chicago, eines der weltweit erfolgreichsten
Improtheater. Heute gibt es Second City in Chicago, Toronto, Detroit, New York und
Los Angeles, und ein weit gespanntes Netz an Projekten auf nationaler und
internationaler Ebene. Spolins Konzepte werden im US-Fernsehen, im Kino und im
Theater verwendet.
Johnstone beschreibt das Scheitern konventioneller Erziehungsmethoden und
Unterrichtspraktiken an sich selbst; und den Versuch es selbst besser zu machen. Er
ortet eine Überlast der intellektuellen Fähigkeiten auf Kosten von Kreativität und
Selbstausdruck in unseren Bildungssystemen, die vielen Menschen schaden zufügen
kann. Motiviert durch diesen Übelstand experimentierte er mit Umkehrungen
bisheriger Regeln und Konventionen und hatte damit großen Erfolg. Sein Weg
zeichnet sich aus durch eine große Offenheit für neues. In seinen Büchern finden sich
viele Hinweise auf Ursprünge seiner Techniken. Vieles entdeckte er selbst, viele Spiele
und Übungen übernahm er, wenn sie funktionierten.
Viola Spolin besaß diese Offenheit ebenfalls. Sie übernahm klassische Kinderspiele
(Auszählreime, Wortspiele,...) genauso, wie bekannte Schauspieltechniken und
adaptierte sie für ihre Bedürfnisse. Sie handelte dabei immer aus einem Bedarf
heraus. „When I had a problem, I made up a game. When another problem came up,
I just made up a new game.” So entwickelte sich allmählich daraus ihr System.
Keith Johnstone und Viola Spolin waren zu beginn ihrer Entdeckungsreise beide auf
der Suche nach Methoden, Menschen, die abseits von Bildung und kulturellem
Angebot standen, zu begeistern und ihre Selbstbefähigung zu steigern.
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 2 Gemeinsames Erleben Spontaneität ist zweifellos sehr wichtig beim Improvisationstheater. Kreativität ist
eine weitere wichtige Grundvoraussetzung. Neben zahlreichen Prinzipien, Regeln und
Leitmotiven, gibt es ein Element im Improvisationstheater, das es wesentlich von
anderen Theaterformen unterscheidet und das vielleicht seinen Wesenskern
ausmacht.
„Das gemeinsame Erleben im Spiel steht im Zentrum dieser Theaterform.“
Improvisationstheater liegt eine Basisdemokratische Struktur zugrunde, die sich in
fast allen Spielen, Regeln und Leitmotiven wiederfindet. Jeder Spieler hat einen
Beitrag zu leisten, jeder Beitrag ist ein Geschenk. Essentiell ist die gute
Zusammenarbeit zwischen den Spielern.
Assoziationen Man fand heraus, dass sich Assoziationen verändern können, wenn gewisse
Umstände verändert werden. So nehmen bei Müdigkeit klangliche Assoziationen zu
(statt Schwarz – Weiß wird vielleicht Schwarz – Harz auftauchen). Ein Merkmal der
Schizophrenie wird bei SPITZER damit beschrieben, dass die Weiterverarbeitung der
Signale im Gehirn gestört ist, sodass es zu besonders vielen und von außen
„verrückt“ wirkenden Assoziationen bei Schizophrenen kommt. Zu erklären, warum
das so ist, würde zu weit vom Thema führen. Das Beispiel Müdigkeit und
Schizophrenie soll aber zeigen, dass unter veränderten Umständen andere
Assoziationen produziert werden. Diese veränderten Umstände entsprechen beim
Improvisationstheater den verschiedenen Figuren, die gespielt werden. (So wird
beispielsweise ein Bankdirektor andere Assoziationen auf das Wort „Finanzkrise“
produzieren, als ein griechischer Fischer). Das Assoziationstraining sollte also darauf
abzielen, die Umstände zu verändern, um verschiedene Qualitäten des
Assoziationsstromes zu formen. Fliessen die Assoziationen schnell oder langsam?
Sind sie sprunghaft oder kontinuierlich? Und so weiter.
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 3 Fürs Improvisationstheater gilt: „Assoziationen bedeuten nichts.“ Die Qualität der
Assoziationen ist wichtig, nicht der Inhalt! Und um die Beeinflussung der
Assoziationsqualität bemüht sich das Training.
Akzeptanz & Respekt Es gibt im Improtheater einige Leitmotive die uns helfen sollen, eine akzeptierende
Grundhaltung zu erreichen und mit Respekt und Freude gemeinsam ins unbekannte
zu gehen:
Vertrauen in den Partner, in den Moment und in sich selbst; in die eigene Fantasie
und Intuition ist eine weitere wichtige Komponente.
„Improvisers have to trust the moment and the other actors in the moment.”
„Um kreativ zu sein, brauchen wir einen festen Rahmen. Wir müssen unseren
Mitspielern und uns selbst vertrauen.“
Become a part of the whole. Help out in any way you can. Be each other’s stage
managers. Help and be helped. Give and take.
Accept what your partner does or says as a gift, not as a challenge.
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 4 Beobachten statt Bewerten – Das "Ja! und...“-­‐Prinzip Lass deinen Partner gut aussehen!
Bring your partner into the shit, but let your partner shine!
“The art of improvisation is to make the other person look good.”
Jeder Spieler soll sich demnach auf der Bühne so verhalten, dass die Partner glänzen
können. Das heißt, jedes Angebot des Partners ist ein Geschenk, jede Handlung, jede
Aussage der Spielpartner ist die am besten passendste für den jeweiligen Moment
und alles, was mein Partner tut ist nicht nur richtig, sondern genial. (let your partner
shine! Gleichzeitig wird aber auch immer versucht, den Partner herauszufordern, ihn
an seine Grenzen zu bringen, ihn zu fordern und ihn dadurch zu fördern. (Bring your
partner into the shit! BUT let your partner shine)
Ein Üben dieses Grundsatzes erfordert und fördert ein Gefühl für die Fähigkeiten und
Grenzen der Spielpartner. Eine sehr wichtige Frage nach jeder Improvisation sollte
folgende sein: „Haben sich meine Mitspieler wohlgefühlt?“
“You know how good you are by the number of people who want to play with
you”
“You can see the idea of making others look good as a means to looking good
yourself.”
“Exist for your partner to have success. If you do so you get out of your own
bullshit, garbage and beliefs about yourself. Because you are at your own best when
you are functioning for someone other than yourself.”
Von Martin de Maat stammt auch eine Liste, die klären soll, welche Eigenschaften
nützlich sind, um zum perfekten Spielpartner zu werden.
Beteiligst du dich unvoreingenommen?
Machst du dir keine Sorgen?
Gibst du?
Akzeptierst du alles, was deine Partner tun?
Willst du spielen?
Bist du ehrlich?
Nutzt du deine Intelligenz?
Bist du respektvoll? Engagiert? Unterstützend? Mutig?
Bist du kreativ, vertrauensvoll und agierst du aufgrund deiner Instinkte
und Assoziationen?
Bist du zufrieden mit dir?
Nutzt du deine Fertigkeiten intuitiv?
Bist du vertrauensvoll und zuverlässig?
Bist du verletzbar? Energetisch? Gewandt?
Bist du unberechenbar (kreativ und couragiert in deinen Entscheidungen)?
Bist du zuversichtlich? Aufnahmebereit? Anteilnehmend? Konzentriert?
Bist du ohne Urteil über die Talente und Fähigkeiten von Dir oder deinem
Partner?
Integrierst du das obige aktiv in dein Leben?
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 5 Solche Listen sollen der Orientierung dienen und nicht auswendiggelernt und strikt
befolgt werden. Vielmehr wird Improvisieren durch ausprobieren gelernt und durch
Erfahrung. Einfache Prinzipien werden immer und immer wieder geübt, bis es besser
funktioniert. Alle Regeln und die gerade eben dargestellte Liste an Fragen können
nur Hinweise geben, wo Fertigkeiten und Einstellungen verbessert werden können.
Woran es liegen könnte, wenn die Improvisationen nicht gelingen wollen. Aber sie
können uns nicht vor Fehlern bewahren (und sollen das beim Improvisationstheater
auch nicht tun). Weil Fehler beim Improvisieren so häufig auftreten und weil wir sie
als kreative Chance nutzen wollen müssen Improspieler ein positives Verhältnis zu
Fehlern besitzen oder entwickeln und ausbauen.
Mut zum Scheitern -­‐ Fehler lieben lernen Fehler sind deine Freunde und wann immer du scheiterst, du scheiterst niemals allein.
Läuft ein improvisierter Abend gut, sehen die Zuschauer “fröhliche, warmherzige
Menschen auf der Bühne, die es lieben zu scheitern.“
”Failure is better than not having tried to succeed. Failure was lauded as long as it
was not tentative. Tentativeness was unforgivable”.
“Dadurch dass ich einen Fehler mach, bin ich wertvoll für die anderen.[...] Man wird
immer wertvoller, je mehr man riskiert.“
Ich kenne verschiedene ritualisierte Gesten, um die Entwicklung einer besseren
Einstellung zu Fehlern zu unterstützen.
Gemimtes schnäuzen nach einem Fehler; Taschentuch wegschmeißen und weiter
geht’s. Oder die Geschichte wird gesprengt und alle rufen mit fröhlicher Stimme „...
hurra, nocheinmal!!!“. Hier geht es darum, zuerst Fehler als nicht negativ
einzustufen, um sie später als Chancen sehen und nützen zu können.
WWW.ZAWOZKI.COM LERNCOACHING ___ IMPROVISATIONSTHEATER 6 Gunter Lösel schreibt von Fehlleistungen als Anstoß für kreative Aktivität. Als Beispiel
nennt er die schlaflose Nacht nach einer schwierigen zwischenmenschlichen
Situation, wo wir nicht aufhören können, darüber nachzudenken, was wir hätten
besser machen können. Und unser Gehirn scheint uns mit genialen Einfällen und ihrer
verspäteten Ankunft zu verhöhnen. „Wer kennt nicht die fiebrige Erregung, wenn wir
uns ausmalen wie wir dem Chef die Meinung sagen, den Lehrer in den Hintern treten
oder einen Traumpartner mit einer brillanten Bemerkung in uns verliebt machen?“
Kreativität dient aus diesem Blickwinkel gesehen der Hoffnung, es beim nächsten Mal
besser zu machen. Lösel sieht darin den evolutionären Sinn der Kreativität. Mit der
Fehlleistung als Antrieb, wird das Bewusstsein in Gang gesetzt, bis es Erklärungen
gefunden hat, die mit unserem Selbstbild übereinstimmen. Das Bewusstsein sei also
eine Rechtfertigungsmaschine, welche die Illusion des Ich aufrechterhält. Lösel folgert
daraus: „Bewusstsein entsteht durch Widersprüche, in die wir uns verwickelt haben. In
Widersprüche verwickeln wir uns durch Handlungen. Bewusstsein entsteht also nicht
durch Nachdenken, sondern durch spontanes Handeln.“
Diese Rechtfertigungsmaschine macht man sich beim Improvisieren zunutze, in dem
man eine spontane Handlung setzt und erst dann versucht, diese zu rechtfertigen.
„In unseren Fehlern steckt möglicherweise viel mehr von unserer eigentlichen
Persönlichkeit. Und am Ende unseres Lebens werden uns unsere Fehler vielleicht
intensiver beschäftigen, weil sie ein Geheimnis enthalten.“
“Fall, then figure out what to do on the way down.” - Del Close
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