Zulieferer der deutschen Fertigungsindustrie

Transcrição

Zulieferer der deutschen Fertigungsindustrie
Zulieferer der deutschen Fertigungsindustrie
Holland: kreativ und flexibel
Strategie und Trends
Zahlen und Fakten
Die Niederlande als Zulieferer
Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Impressum
Verfasser
Herr J. Witteveen
ING Economisch Bureau
[email protected]
Redaktionsrat
Herr A. Koning
Herr M. van Os
Herr B. Woltheus
ING Sectormanagement
Wirtschaftsministerium / ING Sectormanagement
ING Sectormanagement
[email protected]
[email protected]
[email protected]
2
Vorwort
Die Niederlande sind in diesem Jahr Partnerland der Hannover-Messe, der wichtigsten Industriemesse der Welt. Für
niederländische Unternehmen bietet diese Messe eine einzigartige Chance, der Öffentlichkeit gemeinsam ihr Wissen und
ihr Know-how zu präsentieren. In Hannover werden verschiedene gemeinsame Initiativen des Sektors, auch mit staatlicher
Unterstützung, gezeigt.
Die deutsche Fertigungsindustrie ist und bleibt in Europa unangefochtener Spitzenreiter. Allein schon die elektrotechnische
Industrie, der Maschinenbau und die Automotive-Industrie erwirtschaften dieses Jahr einen gemeinsamen Umsatz von
800 Milliarden Euro. Deutschland profitiert stark von den aufstrebenden Volkswirtschaften und fokussiert schon seit Jahren
nachdrücklich auf Innovationen. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Projekt „Industrie 4.0“, das sich mit der kommenden
Revolution auf dem Gebiet der Maschinen und Produktionsprozesse befasst. Für die Niederlande bietet sich hier die Chance,
sich enger an Deutschland anzuschließen.
Mit der vorliegenden Deutschland-Studie will ING die Bedeutung Deutschlands für die niederländische Fertigungsindustrie
unterstreichen, aber auch die Bedeutung des industriellen Sektors für die niederländische Wirtschaft im Allgemeinen. Wir
glauben, dass die niederländische Produktionsindustrie ihren Umfang bis 2030 verdoppeln kann, wenn sie die sich bietenden
Chancen nutzt. Ein Teil dieser Chancen liegt in Deutschland.
ING hat sich für eine sektorbezogene Strategie entschieden. Durch Spezialisierung auf die Industrie, auch auf regionaler Ebene,
wollen wir nahe bei den Akteuren des Sektors operieren. Für uns hat diese Untersuchung zu einer weiteren Vertiefung unseres
Wissens beigetragen und uns neue Erkenntnisse darüber verschafft, wie wir unsere Dienstleistungen möglichst gut auf die
Wünsche der Industrie abstimmen können.
Das vorliegende Dokument geht auf eine Initiative von ING zurück, hätte aber ohne Zusammenarbeit mit einer großen Zahl von
Unternehmen und Organisationen aus dem Sektor nicht zustande kommen können. Wir danken all jenen, die an den Interviews
mitgewirkt haben. Unser besonderer Dank gilt FME-CWM, Metaalunie, NEVAT und Brainport Industries.
Herr R. Boekhout
CEO ING-DiBa
Mitglied des Vorstands der Deutsch-Niederländischen Handelskammer
3
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung 5
Einleitung 7
1.
Strategie und Trends 8
2.
Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten 14
3.
Die Niederlande als Zulieferer 21
4.
Veränderung der Lieferkette bietet Chancen 27
5.
Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung 36
Schlussbemerkungen 42
Unser Dank gilt 43
4
Zusammenfassung – Chancen zum Greifen nah
Deutschland: enormer Industriesektor in nächster Nähe
Die deutsche Industrie erwirtschaftet einen Mehrwert von über 500 Milliarden Euro. Zum Vergleich: die niederländische Industrie
verzeichnet einen Mehrwert von knapp unter 70 Milliarden Euro. Allein schon der Umsatz der deutschen Produktionsindustrie
(elektrotechnische Industrie, Maschinenbau und Automobil-Industrie) wird in diesem Jahrzehnt auf über 900 Milliarden Euro
anwachsen. Spezifische Entwicklungen wie die Energiewende und das Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ bieten gezielte Chancen
für niederländische Unternehmen, vor allem auch im KMU-Bereich. Die Gummi-, Kunststoff- und Metallzulieferer realisieren in
Deutschland gegenwärtig einen Umsatz von gut 6 Milliarden Euro. Mit zusätzlichem Einsatz und stärkerer Fokussierung auf die
deutsche Industrie lässt sich in den kommenden zehn Jahren eine Umsatzverdopplung realisieren.
Höchster Mehrwert im Spezialmaschinenbau
Momentan fokussieren die Niederlande noch auf Nordrhein-Westfalen. Gut 45 % des Exports nach Deutschland wird in diesem
Bundesland abgesetzt. Für die niederländischen Industriezulieferer bieten sich die besten Chancen im Spezialmaschinenbau
und im Bereich der elektrotechnischen Unternehmen. Hier können niederländische Hightech-Zulieferer einen strukturellen
Mehrwert liefern, was in der Automotive-Kette (in der traditionell die Gewinnspannen unter Druck stehen) schwieriger, aber
nicht unmöglich ist. In den Bereichen Elektrotechnik und Maschinenbau sind die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg
und Bayern führend. Die Entfernung ist aber noch immer ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für einen Geschäftspartner
im Ausland. Hessen und Nordrhein-Westfalen (das sogar über einen größeren Maschinenbausektor verfügt als Bayern) bleiben
darum interessante Regionen mit Wachstumsmöglichkeiten, vor allem für kleinere niederländische Zulieferer.
Positive Trends
Obwohl sich in Deutschland also große Chancen bieten, werden sie längst nicht alle genutzt. Deutsche Industriebetriebe, vor
allem im elektro- und maschinenbautechnischen Bereich, sind dafür bekannt, einen großen Teil der Produktionsaktivitäten
selbst auszuführen. Darüber hinaus befinden sich die Zulieferer oft in direkter Nähe. Dennoch lässt sich ein verstärkter – für
niederländische Zulieferer positiver – Trend zur Auslagerung ins Ausland feststellen. Das Verhältnis zwischen dem gesamten
Produkt- und Dienstleistungseinkauf und dem Umsatz steigt: von ca. 55 % im Jahr 1995 auf 60 % heute im deutschen
Maschinenbau und in der Automotive-Industrie im selben Zeitraum von 63 % auf 73 %.
5
Zusammenfassung – Aufgreifen der Chancen setzt nachhaltige
Anstrengungen voraus
Scharfer Wettbewerb
Der Konkurrenzkampf um die deutschen Originalausrüster (Endhersteller) ist hart. Deutsche Zulieferer, die früher nur
Komponenten lieferten, rücken in der Lieferkette vor und fungieren in zunehmendem Maße als Modulbauer und schließlich als
Systemlieferant. Diese Rolle bietet einem Zulieferer den größten Mehrwert, und darauf zielt ein großer Teil der niederländischen
Zulieferindustrie ab. Darüber hinaus ist in Süddeutschland auch die Konkurrenz durch andere Nachbarländer groß. Über
40 % der Schweizer Exporte nach Deutschland gehen nach Baden-Württemberg, und vom österreichischen Export entfallen
gut 40 % auf Bayern. Außer der geographischen Nähe zu Süddeutschland haben diese Länder den Vorteil, deutschsprachig
zu sein. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist nämlich eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau erfolgreicher
Geschäftsbeziehungen mit der deutschen Industrie.
„Niederländische“ Eigenschaften gefragt
Im Prozess der Auslagerung und der Verkleinerung des Lieferantenbestands spielt für deutsche Unternehmen das
Lieferkettenmanagement eine wesentliche Rolle. Schlüsselbegriffe für die Lieferanten sind: Zuverlässigkeit, Vorhersagbarkeit,
Flexibilität und Effizienz. In diesen Bereichen erbringen niederländische Unternehmen in der Regel gute Leistungen. In den
Niederlanden hat sich die Hightech-Lieferkette in den vergangenen Jahren stark über das Modell der „offenen Innovation“
entwickelt. Für die komplexesten technologischen Innovationen ist dies ein starkes Modell, von dem auch deutsche Unternehmen
profitieren können. Wenn es um Geschäfte mit deutschen Unternehmen geht, wird man sich aber zunächst nach den deutschen
Wünschen und Anforderungen richten müssen. Das notwendige Vertrauen entsteht erst nach langfristiger Zusammenarbeit, aber
dann kann der Mehrwert der niederländischen Eigenschaften voll und ganz zum Tragen kommen.
Ausbau der Marktbearbeitung Voraussetzung für Erfolg
Für die Nutzung der Chancen, die sich in Deutschland bieten, werden ehrgeizige Unternehmer benötigt. Die Unterstützung der
Unternehmer bei den ersten Schritten und die Vergrößerung der Präsenz der niederländischen Wirtschaft in (Süd-)Deutschland
ist jedoch eine wichtige Aufgabe der Behörden, Branchenverbände und Unternehmenscluster. Diese Bemühungen müssen
noch intensiviert werden, aber große Schritte in diese Richtung werden bereits unternommen. Für Unternehmer gilt, dass ein
Erfolg in Deutschland strategische Fokussierung und klares Commitment voraussetzt. Geschäftserfolge stellen sich oft erst nach
mehrjähriger Investition von Zeit, Geld und Mühe ein. Die Anpassung an die Prozesse und Gebräuche in Deutschland ist eine
wichtige Voraussetzung für Geschäftsbeziehungen mit unserem Nachbarland.
6
Einleitung
Trotz der Finanzkrise erbringt die deutsche Wirtschaft relativ gute Leistungen, was nicht zuletzt der starken industriellen
Basis zu verdanken ist, die Deutschland schon seit Jahrzehnten kennzeichnet. Deutsche Autohersteller und Maschinenbauer
profitieren stark vom steigenden Wohlstand in den aufstrebenden Volkswirtschaften außerhalb Europas, während sie zugleich
auch in Europa ihren Marktanteil ausbauen. Die niederländische Produktionsindustrie, Zulieferer aus dem Metall-, Gummi- und
Kunststoffsektor und technische Dienstleister profitieren davon, nutzen aber längst noch nicht das gesamte Potenzial. Deutsche
Hersteller finden ihre Zulieferer in verstärktem Maße östlich, noch immer aber auch südlich Deutschlands. Außer auf diese
Entwicklung wird im vorliegenden Bericht auch tiefer auf die Struktur und Zukunft der deutschen Produktionsindustrie sowie auf
die Möglichkeiten der niederländischen Industrie, sich eine stärkere Position in Bezug auf Deutschland aufzubauen, eingegangen.
In Kapitel 1 wird auf den Hintergrund des heutigen Erfolgs Deutschlands und des Industriesektors sowie auf die wichtigsten
aktuellen Entwicklungen wie die Energiewende und das Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ eingegangen. In Kapitel 2 wird anhand
von Zahlen die Struktur der deutschen Produktionsindustrie beleuchtet. Kapitel 3 befasst sich mit der Rolle der Niederlande
als Zulieferer, und Kapitel 4 schließlich hat die Veränderungen in der Lieferkette und die damit einhergehenden Chancen zum
Gegenstand. Im Mittelpunkt hierbei stehen die deutsche Automotive-Industrie, der Maschinenbau und die elektrotechnische
Industrie. Im letzten Kapitel schließlich werden die praktischen Aspekte geschäftlicher Aktivitäten in Deutschland und die
Möglichkeiten der Niederlande zur Stärkung ihrer Rolle als Zulieferer erörtert.
7
Kapitel 1.
Strategie und Trends
• Deutschland – Motor der
Eurozone
• Deutsche Position ungefährdet
dank der Organisations- und
Innovationsstärke der Industrie
• Energiewende: ehrgeizige
Ziele...
Einwohner:
80,5 MIO.
• ...bieten Chancen für
die niederländische
Produktionsindustrie
669 km
6,5 Std.
• Industrie 4.0 soll
Weltmarktführerschaft sichern
Import:
€ 905 Mrd.
Export:
€ 1.095 Mrd.
Umfang der deutchen Wirtschaft:
€ 2.666 Mrd. (21% der EU)
936 km
9 Std
Anteil der Industrie an der deutschen Wirtshaft:
22% (Niederlande 13%)
Bron: Statistisches Bundesamt, CBS, Zahlen 2012
8
1 Strategie und Trends
Deutschland – Motor der Eurozone
Deutschland schnell
von der Krise erholt…
Die deutsche Wirtschaft wurde schwer von der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie dem Einbruch der Weltwirtschaft Ende 2008
betroffen. Aber anders als viele gedacht hatten, erholte die deutsche Wirtschaft sich rasch, überdies sogar schneller als die
meisten anderen Länder der Eurozone. Die Angst, die deutsche Wirtschaft würde – wie in den Anfangsjahren der Währungsunion
– wieder zum ‘kranken Mann Europas’ werden, erwies sich als unbegründet.
Erfolg nach strukturellen
Reformen…
In den letzten Jahren entwickelte sich die deutsche Wirtschaft wieder zum Wachstumsmotor der Eurozone. Heute erntet die
Wirtschaft die Erfolge der strukturellen Reformen, die im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auf dem Arbeits- und Produktmarkt
und bei den öffentlichen Finanzen durchgeführt wurden, als auch der Reformen und Veränderungen in den Unternehmen und in
der Industrie.
Allmähliche
Anpassungen…
Starker Exportmix …
Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde das deutsche Wirtschaftsmodell häufig kritisiert. Das Wirtschaftswachstum war viel
zu stark von der Schwerindustrie abhängig, es bestand ein Rückstand im Bereich von ICT und Dienstleistungen. Die engen
Verflechtungen zwischen Behörden, Banken und Wirtschaft (auch als Deutschland AG bezeichnet) bildeten eine große Hürde
für Auslandsinvestitionen und ein stärkeres Wachstum. Die deutsche Erfolgsformel zur Überwindung dieser Talsohle war keine
radikale Wende, sondern eine allmähliche Anpassung der Wirtschaft. Die wichtigsten Elemente dieser Reformen lagen sowohl
in der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und der Tarifverhandlungen als auch in Umstrukturierungen in der Wirtschaft. Die
deutschen Unternehmen machten eine Periode der Schuldensenkung, Lohnmäßigung und Produktionsauslagerung in Richtung
Mittel- und Osteuropa durch. Gleichzeitig reagierten Unternehmen und Behörden schnell auf die positiven Entwicklungen und die
Nachfrage nach deutschen Produkten in Asien, insbesondere in China.
Durch die Reformen war die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren dazu in der Lage, stark von der Nachfrage nach
Industriegütern in den aufstrebenden Ländern, aber auch von neuen öffentlichen Investitionen in entwickelten Ländern, wie z.B.
den USA zu profitieren. Die breite Diversifizierung der deutschen Exportindustrie, sowohl hinsichtlich des Produktangebotes als
auch der Absatzländer, ist ein wichtiges Element der Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Durch die rückläufige Arbeitslosigkeit
und die zunehmenden Investitionen im Inland ist inzwischen auch die Inlandsnachfrage wieder zu einem wichtigen
Wachstumsfaktor geworden. Natürlich ist auch Deutschland nicht immun gegen die europäische Schuldenkrise, aber strukturell
gesehen ist Deutschland gut aufgestellt, um sich das Wachstum der Weltwirtschaft zunutze zu machen.
9
1 Strategie und Trends
Deutsche Position ungefährdet dank der Organisations- und
Innovationsstärke der Industrie
F&E-Ausgaben der europäischen Länder, % BIP 2004, 2011
2004
2011
Finnland
Schweden
Dänemark
Schweiz
Deutschland
Österreich
Slowenien
Frankreich
3,45%
3,58%
2,48%
2,90%
2,50%
2,24%
1,39%
2,16%
3,78%
3,37%
3,09%
2,87%
2,88%
2,75%
2,24%
2,24%
Belgien
Niederlande
Tschechien
Italien
Ungarn
Polen
Slowakei
2004
2011
1,86%
1,93%
1,20%
1,09%
0,88%
0,56%
0,51%
2,04%
2,02%
1,85%
1,25%
1,21%
0,76%
0,68%
n Zunahme
n Abnahme
Schwerpunkte der deutschen Hightech-Strategie
Gesundheit
Mobilität
Sicherheit
Klima / Energie
Kommunikation
Investitionen und Kultur halten Deutschland an der Spitze
Auch in den nächsten Jahren wird Deutschland im industriellen Bereich weltweit führend sein.
Die deutsche Organisations- und Innovationsstärke, kombiniert mit der industriellen Kultur,
sind wichtige Pluspunkte und sorgen u. a. für relativ hohe F&E-Ausgaben (s. Tabelle).
Deutsche Politik: konsequente Unterstützung der Industrie
Obwohl die Stärke der deutschen Industrie in erster Linie als Verdienst der
Industrieunternehmen selbst zu werten ist, spielt auch der deutsche Staat eine Rolle bei
der Verstärkung der deutschen Position. Offiziell zielt die Politik in erster Linie auf möglichst
wenig öffentliche Interventionen ab. Der Abbau des Verwaltungsaufwands soll es den
Unternehmen erleichtern, sich zu entwickeln., Planungssicherheit’ und, ein günstiges
Innovationsklima’ sind Schlüsselbegriffe der Regierungspolitik.
Die Hightech-Strategie 2020 beschreibt die deutschen Speerspitzen für dieses Jahrzehnt
auf technologischem Gebiet. Dabei können manche Sektoren in der Anfangsphase durch
direkte oder indirekte Fördermittel unterstützt werden. Für die KMU gibt es beispielsweise
das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM), aus dem seit Mitte 2008 über € 3,1 Mrd.
zur Unterstützung der technologischen Entwicklung durch die KMU bereitgestellt wurden.
Charakteristisch für die deutsche Politik ist die Erhöhung des jährlichen Budgets während
der Wirtschaftskrise. Inzwischen beläuft sich das jährliche ZIM-Budget auf € 500 Mio.,
gegenüber € 300 Mio. im Jahr 2008.
Einer der Schwerpunktbereiche der deutschen Hightech-Strategie ist die Energie.
Deutschland ist mit seiner Energiewende internationaler Vorreiter bei der Umstellung auf
erneuerbare Energien.
Quelle: OECD
10
1 Strategie und Trends
Energiewende: ehrgeizige Ziele...
Deutschland Vorreiter des Energiewandels
Europa verabschiedet sich von dem Wertschöpfungsmodell, das
auf einem hohen Energieverbrauch und niedrigen Energiepreisen
basiert. Die Industrie steht vor der Umstellung auf energieeffizientere
Produkte und Prozesse. Deutschland spielt hier eine Vorreiterrolle
und hat mit seiner Energiewende hohe Maßstäbe gesetzt. Einige
wichtige langfristige Ziele (bis 2050) lauten:
• Senkung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 %;
• Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der
Gesamtenergieerzeugung auf 60 %;
• Erhöhung der Energieeffizienz um 50 %;
• Wesentliche Intensivierung der Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten in diesen Bereichen.
Technologien auf dem Gebiet der Solarenergie können von der
anhaltend starken Nachfrage nach Solarzellen in Deutschland und
anderen Märkten profitieren.
• Energieeffiziente Maschinen: Mit Blick auf die Verringerung der
Treibhausgasemissionen und die Erhöhung der Produktivität ist
es für die energieintensive deutsche Industrie lohnenswert, in
energieeffiziente Maschinen zu investieren. Davon können die
niederländischen Maschinenbauer und Zulieferer profitieren.
• Infrastruktur: Der Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien
stellt neue, hohe Anforderungen an die Energieversorgungsinfrastruktur. Energienetze in Deutschland und anderen europäischen
Ländern müssen modernisiert und miteinander verbunden
werden, was mit hohen Investitionen einhergeht.
Es ist wichtig, dass die Niederlande den Anschluss an diese Prozesse
nicht verlieren. Ein verstärktes gemeinsames Vorgehen kann zu einer
weiteren Integration der Energiemärkte, eine effektivere Anpassung
der Infrastruktur und eine intensivere Zusammenarbeit auf dem
Gebiet der erneuerbaren Energien und der Energie-Innovationen
führen.
Hohe Investitionen
Dies bietet der niederländischen Wirtschaft gute
Wachstumsmöglichkeiten in Deutschland, unter anderem in
folgenden Bereichen:
• Offshore-Windenergie: In Deutschland werden neue Pläne für die
Installation von Windkraftanlagen entlang der Küste entwickelt.
Davon kann die niederländische Offshore-Industrie profitieren.
• Solarenergie: Niederländische Hersteller von Anlagen und
11
1 Strategie und Trends
... bieten Chancen für die niederländische Produktionsindustrie
Niederländische Energiekompetenz bietet
Wachstumschancen in Deutschland
Die Investitionen, die im Zuge der Energiewende notwendig sind,
bieten Chancen für die niederländische Zulieferindustrie. Hier ist
Innovationsfähigkeit gefragt, über die viele Unternehmen in der
niederländischen Produktionsindustrie verfügen. Niederländische
Unternehmen, die erfolgreich in Deutschland operieren, liefern
Qualität, die sich mit der deutschen Qualität messen kann,
während die niederländische Produktionsindustrie in puncto
Kreativität und kundenspezifische Bedienung der Abnehmer
HeatMatrix
(Rotterdam,
Niederlande)
HeatMatrix ist ein junges, innovatives Unternehmen, das
einen neuen Kunststoff-Wärmetauscher entwickelt hat. Der
Wärmetauscher eignet sich für die Restwärmerückgewinnung
und die Erhöhung der Effizienz von u. a. industriellen
Dampfkesseln, Brennöfen, Biomasseöfen sowie Industrie- und
Sprühtrocknern. Mithilfe der neuen Kunststoff-Anwendung können
bei Industrie-Durchlauferhitzern Einsparungen von 3 bis 6 %, bei
Industrietrocknern sogar von 20 bis 25 % realisiert werden. Durch
die Energiewende und die Fokussierung auf Energieeffizienz ist
Deutschland das Hauptexportland für HeatMatrix.
HeatMatrix gehört zu de Gewinnern des „Oranje Handelsmissiefonds“, einer Initiative des KMU-Unternehmerverbands
MKB Nederland, der Fluggesellschaft KLM und ING zur
Unterstützung von Unternehmern bei der Realisierung ihrer
internationalen Ambitionen.
möglicherweise sogar einen Vorsprung aufweisen kann. Da die
technischen Aspekte der Nutzung erneuerbarer Energien noch
nicht vollständig entwickelt sind, bieten sich auch auf dem Gebiet
der herkömmlichen Energieträger noch Chancen. So lange das
Problem der Speicherung von Wind- und Solarenergie noch nicht
zufriedenstellend gelöst ist, bleiben Investitionen in dezentrale
Energieversorgungsquellen, etwa in Kraft-Wärme-KopplungsSysteme (KWK), vonnöten. Die Niederlande verfügen dank ihres
umfangreichen Treibhausfarmen-Sektor über viel Wissen und
Erfahrung in diesem Bereich.
Discom
(Alblasserdam, Niederlande)
Discom entwirft und produziert
Abgassysteme. Der Energiemarkt ist einer der Spezialgebiete
von Discom, wobei Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt
ist. Für Kraftwerke, Behelfs- und Notstromanlagen sowie für
KWK-Anlagen entwickelt Discom Systeme nach Maß. Wichtige
Aspekte sind dabei die Lärm- und Emissionsreduzierung
sowie die Nutzung von Restwärme. Die Energiewende geht mit
großen Wachstumschancen einher, vor allem angesichts der
Tatsache, dass die Speicherung von Wind- und Solarenergie
bislang noch Probleme aufwirft. Die Investitionen in dezentrale
Energieversorgungssysteme, insbesondere in KWK-Anlagen,
bieten niederländischen KMU-Betrieben wie Discom gute
Wachstumsmöglichkeiten.
12
1 Strategie und Trends
Industrie 4.0 soll Weltmarktführerschaft sichern
Deutsches Zukunftsprogramm „Industrie 4.0“ als
Inspirationsquelle für die Niederlande
Eine weitere wichtige Entwicklung in Deutschland ist das
Zukunftsprogramm „Industrie 4.0“. Infolge der immer
vielfältiger werdenden Bedürfnisse der Kunden und der
rasch fortschreitenden Globalisierung sieht sich die
Industrie mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Um
davon Profitieren und sich auf lange Sicht im Wettbewerb
gegen die aufstrebenden Volkswirtschaften behaupten
zu können, bedarf es eines drastischen Wandels des
Produktionswesens. Für die deutsche Industrie war das
Anlass, das nationale Programm „Industrie 4.0“ aufzulegen,
in dessen Rahmen sich Unternehmen, Kompetenzzentren
und Behörden gemeinsam für die Förderung der Industrie
und die Bereitstellung der notwendigen Investitionen in
Forschung und Entwicklung einsetzen. Dieses Programm
bietet auch niederländischen Industrieunternehmen gute
Anknüpfungspunkte. Und, Wichtiger noch, es erschließt neue
Absatzmärkte in Deutschland.
Stärkung der deutsch-niederländischen Beziehungen
auf der Hannover-Messe
Die Vision von „Industrie 4.0“ sieht eine Erhöhung der
Produktivität durch „Smart Factories“ mit intelligenten,
effizienten und fehlerfreien Prozessen sowie neuen
Produktionstechnologien vor. Der hohe Digitalisierungs-/
Automatisierungsgrad der Produktionsindustrie ermöglicht
die Durchführung Umfassender Innovationen mit dem Ziel,
eine intelligentere, flexiblere automatisierte Produktion
zu gewährleisten. Diese intelligenten Produktionsstätten
tragenzu einer effizienteren Nutzung von Energie und
Rohstoffen sowie zu einer besseren Interaktion zwischen
Herstellern, anderen Mitgliedern der Wertschöpfungskette
und Kunden bei. Für hochwertige Industrieunternehmen,
die in diesem Bereich schon oder noch nicht aktiv sind,
bietet die Hannover-Messe, deren Leitthema dieses Jahr
„Integrated Industry – NEXT STEPS“ lautet, einzigartige
Möglichkeiten, die neuesten Entwicklungen kennenzulernen
und neue deutsch-niederländische Partnerschaften zu
knüpfen.
Stufenweise Entwicklung
„Industrie 4.0“ ist ein Ziel, auf das mithilfe technologischer
Innovationen stufenweise hingearbeitet werden muss. In den
vergangenen Jahren haben viele Unternehmen Schritte auf
dem Gebiet des LEAN-Manufacturing unternommen, das zu
einer weiteren Automatisierung und Perfektionierung der
Produktionsprozesse beiträgt. Dennoch bieten sich weiterhin
gute Chancen für eine noch intelligentere Gestaltung dieser
Prozesse. Mithilfe von Sensoren, Algorithmen und der
Modellierung großer Datenmengen werden erste Schritte
zur Entwicklung selbstlernender und selbststeuernder
Maschinen unternommen. Außer der Hardware wird also
auch der Software-Komponente in der Produktion immer
mehr Bedeutung zukommen. Bis die verschiedenen
Maschinen völlig selbstständig operieren können, wird
diese Technologie den Maschinenführern eine schnellere
und direktere Kommunikation mit den verschiedenen
Produktionskomponenten ermöglichen. Die wichtigste
Herausforderung in den kommenden Jahren wird darin
bestehen, die Akteure in der Wertschöpfungskette von der
Notwendigkeit zu überzeugen, diese Daten untereinander
auszutauschen, und die Kommunikation in der Kette weiter
zu automatisieren. Da sich die Niederlande seit je durch
eine relativ offene Art der Zusammenarbeit kennzeichnen,
müssten sich diese Schritte gerade in der niederländischen
Industrie oder auf internationaler Ebene mit Beteiligung
niederländischer Akteure realisieren lassen.
Niederländische Initiativen
In den Niederlanden laufen bereits verschiedene Initiativen
zu vergleichbaren Themen wie „Industrie 4.0“. Die NordNiederlande spielen eine wichtige Rolle mit dem bereits
Laufenden Programm „Northern Netherlands“: Region
of Smart Factories“, das von einem Konsortium großer
Unternehmen (Philips, Fokker, TenCate), KMU-Betrieben,
Kompetenzzentren (u. a. Universitäten Twente und
Groningen) und Behörden initiiert wurde. Brainport Industries
experimentiert mit dem Austausch von Daten zwischen
Unternehmen in der Kette mit dem Ziel, Fabriken und
Produktionsprozesse intelligenter zu Gestalten. Die im April
2014 von TNO in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband
der Metall- und Elektroindustrie (FME), dem Ministerium
für Wirtschaft, dem Unternehmerverband VNO-NCW
und der Industrie- und Handelskammer vorgelegte
Sondierungsstudie unterstreicht die Bedeutung, die diesem
Thema auch in den Niederlanden beigemessen wird.
13
Kapitel 2.
Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
• Über 60 % der deutschen
Industrie sind in 3
Bundesländern ansässig
• Fertigungsindustrie dominiert
die deutsche Industrie
• Originalausrüster kaufen immer
häufiger international ein
• Deutschland bietet mehrere
Hauptabsatzmärkte
• Süd- und Westdeutschland
Schwerpunkte der
Fertigungsindustrie
• Ein Blick in die Zukunft
14
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Über 60 % der deutschen Industrie sind in 3 Bundesländern ansässig
Mehrwert der Industrie und Anteil an der deutschen Industrie, 2012
Schleswig-Holstein / Hamburg
€ 19,2 Mrd.
3,6%
Mecklenburg-Vorpommern
€ 3,5 Mrd.
0,7%
Bremen / Niedersachsen
€ 50,8 Mrd.
9,6%
Niederlande
€ 68,0 Mrd.
Berlin-Brandenburg
€ 16,6 Mrd.
3,1%
Sachsen-Anhalt
€ 9,3 Mrd.
1,8%
NordrheinWestfalen
€ 106,2 Mrd.
20,1%
Hessen
€ 37,5 Mrd.
7,1%
Thüringen
€ 10,4 Mrd.
2,0%
Sachsen
€ 16,5 Mrd.
3,1%
Bayern, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen Schwerpunkte
der deutschen Industrie
Die deutsche Industrie erwirtschaftete 2012
einen Mehrwert von fast 530 Milliarden Euro.
Der größte Teil davon entfällt auf Bayern
und Baden-Württemberg, auf dem Fuß
gefolgt von Nordrhein-Westfalen. 2011
war Nordrhein-Westfalen noch die größte
Industrieregion. Der Umfang der Industrie in
jedem dieser drei Bundesländer
übersteigt die Hälfte der gesamten
niederländischen Industrie. Der Anteil
der deutschen Industrie an der Wirtschaft
beträgt knapp 22 %, während in den
Niederlanden nur 13 % der Gesamtleistung
in der Industrie erwirtschaftet werden.
Rheinland-Pfalz
Saarland
€ 35,4 Mrd.
6,7%
BadenWürttemberg
€ 110,4 Mrd.
20,9%
Bayern
€ 111,7 Mrd.
21,2%
Quelle: Statistisches Bundesamt, CBS, ING Economisch Bureau
15
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Fertigungsindustrie dominiert die deutsche Industrie
Umsatz(anteil) der deutschen Industrie, 2012
€ 73 Mrd.
(4%)
€ 109 Mrd.
(6%)
€ 105 Mrd.
€ 315 Mrd.
(6%)
(18%)
€ 1.057 Mrd.
(61%)
€ 153 Mrd.
(9%)
€ 187 Mrd.
(11%)
€ 224 Mrd.
(13%)
€ 182 Mrd.
(10%)
€ 393 Mrd.
(23%)
■ Fertigungsindustrie und zulieferung
■ Lebens- und Genussmittelindustrie
■ Chemie und Pharmazeutik
■ Sonstige Industrie
Umsatz der deutschen Fertigungsindustrie 2012 ca. € 770 Mrd.
Die deutsche Industrie wird von der Fertigungsindustrie dominiert.
Autoindustrie, Maschinenbau und Elektrotechnik haben gemeinsam einen
Umsatzanteil von 44 % an der deutschen Industrie. Zählt man noch die
Zulieferer aus der Gummi-, Kunststoff- und Metallindustrie hinzu, erreicht
dieser Prozentsatz 61 % und einen Umsatz von € 1.1057 Mrd. im Jahr 2012.
Ein enorm großer Industriemarkt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den
Niederlanden.
Wenn die Wirtschaft in Europa wieder einigermaßen anzieht, werden
Maschinenbau und Automotive-Industrie 2014 voraussichtlich ein
Umsatzwachstum von 3 % realisieren. Der Umsatz dieser Branchen und der
elektrotechnischen Industrie zusammen beträgt hiermit ca. € 800 Mrd. In
den nächsten Jahren wird Deutschland auch weiterhin von der Nachfrage
aus den schnell wachsenden Volkswirtschaften profitieren, trotz der Tendenz
zur Local-for-Local-Produktion (in Asien für Asien). Außerdem gilt gerade für
Kapitalgüter ,Made in Germany‘ als Qualitätsprädikat. Voraussichtlich wird der
Umsatz der Fertigungsindustrie in diesem Jahrzehnt die Grenze von € 900 Mrd.
überschreiten.
■ Gummi, Kunststoff
■ Basismetall
■ Metallbearbeitung
■ Elektrotechnische Industrie
■ Maschinenbau
■ Transportmittelindustrie
Quelle: Statistisches Bundesamt, ING Economisch Bureau
16
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Originalausrüster kaufen immer häufiger international ein
OEM-Hersteller erzielen über 60 % des Umsatzes im
Ausland, Zulieferer über 60% im Inland
Maschinenbau und Automobil-Sektor erzielen über 60 % des
Umsatzes im Ausland. Indirekt kommt dies auch den Zulieferern in
Deutschland zugute. Die zuliefernden Branchen aus dem Gummi-,
Kunststoff- und Metallbereich setzen gerade 60 % bis 70 % im Inland
bei den großen Automobil-Spielern, elektrotechnischen Unternehmen
und zahlreichen Maschinenbauern ab. Trotzdem zeichnet sich eine
Verlagerung ab. Von allen Produkten und Dienstleistungen, die die
deutsche Fertigungsindustrie einkauft, um ihren Milliardenumsatz
realisieren zu können, wird immer mehr importiert. Treibende
Kräfte sind dabei die zunehmende Bedeutung von Asien als
Produktionsstandort und der europäische Binnenmarkt. Diese hat auch
Spielraum für die niederländischen Unternehmen geschaffen.
Absatz von Fertigungsindustrie und Zulieferern im In- und
300
Ausland
im Jahr 2012
Import / Eingekaufte Produkte und Dienstleistungen
45%
insgesamt,
1995-2011
64%
250 x Miljard €
200
40%
35%
62%
150
100
49% 51%
68%
36%
38%
30%
25%
61%
50
62%
38%
39%
32%
0
20%
15%
Gummi,
Kunststoff
Basismetall
MetallElektro- Maschinen- Transportbearbeitung technische
bau
mittelIndustrie
industrie
■ Inland
■ Ausland
'95 '96 '97 '97 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11
_
_
_
Maschinenbau
Elektrotechnische Industrie
Transportmittelindustrie
Bron: Statistisches Bundesamt, ING Economisch Bureau
300
17
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Deutschland bietet mehrere Hauptabsatzmärkte
Absatzmärkte der deutschen Industrie 2012
Automobil
Nord- und
Südamerika
19%
Maschinenbau
Sonstige
5%
Nord- und
Südamerika
15%
Elektrotechnik (2011)
Sonstige
5%
Nord- und
Südamerika
12%
Sonstige
2%
Asien
20%
Asien
27%
Asien
17%
Europa
59%
Quelle: VDA, VDMA, ZVEI
Europa
53%
Europa
66%
Über 20 % des Exports der deutschen
Fertigungsindustrie sind für den
asiatischen Markt bestimmt
Die große wirtschaftliche Kraft der
deutschen Fertigungsindustrie liegt
im starken Mix von Produktvielfalt und
Exportzielen. Sowohl die Autoindustrie
als auch der Maschinenbau und die
Elektrotechnik exportieren einen relativ
großen Teil in die Schwellenländer.
Beispielsweise gehen über 20 % der
Exporte nach Asien. Der europäische Markt,
der der größte Absatzmarkt bleiben wird,
erbringt keinesfalls schlechte Leistungen.
So konnte er seinen Anteil 2012 vergrößern,
während der Export nach Asien unter Druck
stand. Es ist somit vor allem die Vielfalt
der Exportmärkte, die der deutschen
Produktionsindustrie ihre Kraft verleiht.
18
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Süd- und Westdeutschland Schwerpunkte der Fertigungsindustrie
Umsatzantiel Bundesländer in vier Industriebranchen, 2012
Elektrotechnik € 153 Mrd.
Metallbearbeitung € 105 Mrd.
4%
1%
2%
1%
2%
5%
3%
3%
28%
7%
1%
2%
1%
3%
4%
30%
6%
7%
7%
7%
14%
17%
22%
23%
■ Nordrhein-Westfalen
■ Baden-Württemberg
■ Bayern
■ Rheinland-Pfalz / Saarland
■ Bremen / Niedersachsen
■ Hessen
■ Sachsen
■ Thüringen
■ Berlin-Brandenburg
■ Sachsen-Anhalt
■ Schleswig-Holstein / Hamburg
Mecklenburg-Vorpommern
Maschinenbau € 224 Mrd.
4%
Transportmittel € 393 Mrd.
1%
1%
1%
3%1%
5%
29%
5%
5%
4%
1%
2% 1%
28%
5%
9%
6%
21%
21%
22%
24%
Typ der Fertigungsindustrie je nach Bundesland stark
unterschiedlich
Die exportierenden OEM-Hersteller sind besonders in
Süddeutschland ansässig. Baden-Württemberg hat die größte
Präsenz im Maschinenbau, Bayern ist das größte Bundesland im
Hinblick auf die Autoproduktion. Auch in Niedersachsen/Bremen
ist die Autoproduktion durch die Anwesenheit von Volkswagen
bzw. Mercedes groß. Nordrhein-Westfalen ist stark auf die
Metallbearbeitung ausgerichtet. Diese Entwicklung ist historisch
bedingt durch die Anwesenheit von Rohstoffen im Ruhrgebiet
entstanden.
Dennoch verzeichnet die Region eine positive Entwicklung;
2012 konnte sie in der elektrotechnischen Industrie ihren Anteil
vergrößern, und der Maschinenbausektor bleibt größer als in
Bayern.
Innerhalb dieser Branchen sind die spezifischen Hightech-Sektoren,
die der hochwertigen niederländischen Produktionsindustrie
Chancen bieten, oft zu Clustern gebündelt. So konzentrieren sich
die Originalausrüster (OEM) im Bereich der Medizintechnologie
in Baden-Württemberg, vor allem im Raum Stuttgart und weiter
südlich, während die Halbleiterindustrie in der Region München
sowie in Sachsen ihre Hochburg hat. Die Hersteller auf dem Gebiet
von (O)LED sind relativ gesehen häufiger auf der Linie zwischen
Hessen und Baden-Württemberg ansässig.1
1 Mit Dank für die Analysen von BOM/Brainport Industries.
Quelle: Statistisches Bundesamt, ING Economisch Bureau
19
2 Die deutsche Fertigungsindustrie: Zahlen und Fakten
Ein Blick in die Zukunft
Regionalen Zukunftsperspektiven
Süddeutschland Region mit den größten Chancen, Nordrhein-Westfalen
interessanter für kleinere Zulieferer
Auch für Deutschland gilt der bedeutende (weltweite) Trend, dass starke Regionen sich
bezogen auf ihr Umland weiterentwickeln können. In Deutschland bieten sich die günstigsten
Zukunftsperspektiven besonders für Süddeutschland, aber auch für bestimmte Regionen in
Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Schwerpunkte für zukünftiges Wachstum
liegen in Süddeutschland z.B. bei der Mess- und Regeltechnik, Fahrzeug und Maschinenbau,
Biotechnologie, ICT. Aus der Hightech-Perspektive sowie unter Berücksichtigung des
Entfernungsfaktors bietet insbesondere der Norden Baden-Württembergs für die
Niederlande noch Wachstumspotenzial. Ausgehend vom Verhältnis zwischen dem
niederländischen Export und dem wirtschaftlichen Umfang ist Bayern das Gebiet mit dem
größten Potenzial. Nordrhein-Westfalen bleibt interessant, insbesondere für niederländische
Kleinunternehmen, die Wachstum in Deutschland realisieren wollen.
Ein weiteres wichtiges Merkmal von Süddeutschland ist, dass hier die Unternehmenszentralen
zahlreicher großer deutscher OEM-Hersteller ansässig sind. Folglich werden die
Entscheidungen über den Einkauf durch Betriebsstätten in anderen Teilen Deutschlands oft in
Süddeutschland getroffen.
Beste Chancen
Sehr hohe Risiken
Quelle: Prognos, ING Economisch Bureau
20
Kapitel 3.
Die Niederlande als Zulieferer
• Niederlande auf NordrheinWestfalen orientiert
• Deutschland als Tor zu den
Schwellenländern
• Deutschland wichtigster
Exportmarkt für die
niederländische Industrie
• Deutschland beschafft immer
mehr technologische Produkte
aus mittel- und osteuropäischen
Ländern
• Orientierung der Autohersteller
geht von Westen nach Osten
21
3 Die Niederlande als Zulieferer
Niederlande auf Nordrhein-Westfalen orientiert
Bestimmung des niederländischen Exports nach Deutschland, 2012
8%
Schleswig-Holstein / Hamburg
(6,5%)
1%
Mecklenburg-Vorpommern
(1,5%)
Bremen / Niedersachsen
(10%)
2%
11%
Berlin-Brandenburg
(6%)
Sachsen-Anhalt
(2%)
1%
45%
NordrheinWestfalen
(22%)
7%
Hessen
(9%)
2%
1%
Thüringen
(2%)
Sachsen
(3,5%)
Rheinland-Pfalz
Saarland
(5,5%)
4%
12%
(...) Anteil des Bundeslands an der
deutschen Wirtschaft:
● Anteil Import NL > Anteil Bundesland an
der deutschen Wirtschaft
● Anteil Import NL < Anteil Bundesland an
der deutschen Wirtschaft
BadenWürttemberg
(14,5%)
45 % des niederländischen Exports
nach Deutschland sind für NordrheinWestfalen bestimmt
Die Niederlande sind traditionell besonders
auf Nordrhein-Westfalen ausgerichtet.
45 % des Exports nach Deutschland
werden in dieses Bundesland geliefert. Fast
40 % dieses Exports bestehen aus Erdgas,
Erdölprodukten und Koks, teilweise zur
direkten Versorgung der Stahlindustrie im
Ruhrgebiet.
Relativ kleine Rolle für Süddeutschland
Etwas mehr als 20 % des niederländischen
Exports nach Deutschland werden in
das wirtschaftlich starke Süddeutschland
(Baden-Württemberg/Bayern) geliefert.
In Anbetracht der wirtschaftlichen
Bedeutung dieser Region (fast ein Drittel
der deutschen Wirtschaft) ist dieses Gebiet
für die Niederlande somit noch zu wenig
erschlossen.
8%
Bayern
(18%)
22
3 Die Niederlande als Zulieferer
Deutschland als Tor zu den Schwellenländern
Indirekter Export 2012 nach Regionen
Export von niederländischen Produkten
Export von Dienstleistungen
Reexport
€ 13 Mrd.
€ 54 Mrd.
Indirekter Export
(niederländische Produkte) uber
€ 52 Mrd.
Deutschland in den Rest der Welt
€ 0,5 Mrd.
Lateinamerika
€ 6,5 Mrd.
Westeuropa
Wachstumschancen für den indirekten
Export in Schwellenländer
Im vorigen Kapitel wurde deutlich,
dass die deutsche Industrie eine starke
Exportorientierung hat und darüber
hinaus in der Lage ist, Schwellenländer
zu erreichen. Indirekt erreichen damit
auch niederländische Produkte die
aufstrebenden Märkte. Von den € 52 Mrd.
an niederländischen Produkten, die nach
Deutschland exportiert werden, gehen € 2
Mrd. letztendlich an Länder in Osteuropa
und werden € 1,5 Mrd. an Schwellenländer
in Asien weitergeliefert. Gerade die
deutsche Fertigungsindustrie bildet für die
niederländischen Zulieferer ein Tor zu den
schnell wachsenden Regionen.
€ 1 Mrd.
Afrika - ME
€ 2,6 Mrd.
Sonstige
Entwicklungsländer
€ 2,0 Mrd.
Aufstrebende Länder Europa
€ 1,5 Mrd.
Aufstrebende Länder Asien
Quelle: ING Economisch Bureau, Vrije Universiteit
23
3 Die Niederlande als Zulieferer
Deutschland wichtigster Exportmarkt für die niederländische Industrie
Summe des
Export nach
Deutschland im Jahr 2012, nach Industriezweig in Mrd. € und Anteil Deutschlands am Gesamtexport
niederländischen
Produkts
19962012
WertAnteil
WertAnteil
Agrar- und
Lebensmittelbereich
€ 7,8 Mrd.
30%
€ 13,0 Mrd.
24%
Öl, Kraftstoffe,
Gas
€ 4,6 Mrd.
52%
€ 15,0 Mrd.
26%
Chemische
Erzeugnisse
€ 3,5 Mrd.
20%
€ 9,0 Mrd.
18%
Produkte aus Gummi,
Metall, Kunststoff
€ 3,7 Mrd.
30%
€ 6,0 Mrd..
22%
Technologische
produkte
€ 3,4 Mrd.
17%
€ 6,5 Mrd..
14%
Sonstige
€ 2,4 Mrd.
25%
€ 2,4 Mrd.
22%
€ 25,4 Mrd.
27%
€ 51,9 Mrd.
22%
Summe des
niederländischen
Produkts
Deutschland schon jahrzehntelang
wichtigster Absatzmarkt für die
niederländische Industrie
Für die niederländische Industrie ist Deutschland schon jahrzehntelang der wichtigste
Absatzmarkt. Der Export von niederländischen Produkten belief sich im Jahr 2012 auf
€ 52 Mrd. Die größten Exporteure sind der
Agrar- und Lebensmittelbereich und (bedingt
durch die Preissteigerungen) die Öl- und
Gasindustrie, aber auch die Chemie und die
Fertigungsindustrie (und deren Zulieferer)
spielen eine wesentliche Rolle.
Quelle: CBS, ING Economisch Bureau, Vrije Universiteit
Agrar- und
Lebensmittelbereich
24
Öl, Kraftstoffe,
Gas
3 Die Niederlande als Zulieferer
Deutschland beschafft immer mehr technologische Produkte aus mittelund osteuropäischen Ländern
70%
60%
Deutschland, Tech. Importe 2012: € 352 Mrd.
BIP: € 2.666 Mrd.
1995
2000
2005
2010
2011
2012
Osteuropa gewinnt als Zulieferer Terrain
50%
40%
30%
20%
10%
0%
West- Aufstrebende
europa
Länder
Europa
Asien
ME und
Afrika
Lateinamerika
VS/Canada
Osteuropa gewinnt als Zulieferer gegenwärtig vor allem auf
Kosten von Asien, und nicht länger von Westeuropa, Terrain
■ 1995
In den vergangenen
20 Jahren hatte die Zulieferposition
■ 2000für Deutschland zugunsten von Osteuropa klar an
Westeuropas
■ 2005
Bedeutung
verloren. Auch der Import technologischer Produkte
■ 2010
aus Asien
entwickelte sich stärker. In den letzten Jahren zeichnet
2011 ab, der voraussichtlich noch weiter anhalten wird.
sich ein■Trend
■
Osteuropa2012
gewinnt noch leicht an Bedeutung, nicht länger jedoch
auf Kosten von Westeuropa, sondern von Asien. Die Produktion
in Asien wird zunehmend in der eigenen Region abgesetzt,
während Osteuropa vorläufig noch eine Niedriglohnregion bleibt,
von der die deutsche Produktionsindustrie in den kommenden
Jahren noch stark profitieren wird. Für Westeuropa, also auch die
Niederlande, bietet sich Raum als Lieferant hochwertiger Produkte.
Die allmählich zunehmende Tendenz hin zur Auslagerung (siehe
Seite 33) und insbesondere die stärkere internationale Ausrichtung
der Beschaffungsstrategie der deutschen Industrie (siehe Seite 17)
bieten in dieser Hinsicht gute Chancen.
70%
60%
50%
40%
25
3 Die Niederlande als Zulieferer
Orientierung der Autohersteller geht von Westen nach Osten
Anteil der europäischen Länder am deutschen Import von Kfz-Teilen, 1996 und 2012
3% / 2%
1% / 10%
Import Wert
Kfz-Teilen
1996: € 7,3 Mrd.
2012: € 26,3 Mrd.
11% / 3%
4% / 2%
3% / 12%
14% / 8%
2% / 10%
17% / 9%
12% / 9%
2% / 5%
0% / 3%
Anteil von Polen, Tschechien
und Slowakei in Zulieferung für
Autoindustrie verfünffacht
Der europäische Binnenmarkt hat dazu
geführt, dass die Rolle der mittel- und
osteuropäischen Länder in der Zulieferung
an der deutschen Autoindustrie schnell
gewachsen ist. 1996 belief sich der
gemeinsame Anteil von Polen, Tschechien
und der Slowakei am deutschen Import
von Kfz-Teilen auf 6 %, heute auf 32 %.
Stimuliert wurde diese Verlagerung von den
Lohnkostendifferenzen mit Westeuropa und
der vorhandenen Industriekultur.
Niederlande verlieren leicht,
Großbritannien und Frankreich stark
Alle relevanten westeuropäischen Länder
verlieren Anteile im deutschen Import
von Kfz-Teilen, aber Großbritannien und
Frankreich mit einem Rückgang von 11 %
auf 43 % bzw. von 17 % auf 9 % besonders
auffällig. Die zunehmende Bedeutung
von Mittel- und Osteuropa hat auch
die Wettbewerbsposition Österreichs
deutlich angegriffen (14 % auf 8 %). Der
niederländische Anteil entwickelte sich
rückläufig von 2,8 % auf 2,3 %.
Quelle: UNCTAD, Zahlen auf Basis von Produktgruppe SITC 784
26
Kapitel 4.
Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
• Andere Lieferkette, neue Chancen
• Outsourcing in der AutomobilKette am weitesten entwickelt
• Internationaler Wettbewerb
zwischen den Kfz-Herstellern
setzt Margen in der Lieferkette
unter Druck
• Mittelstand - das Rückgrat von
Maschinenbau und Elektrotechnik
• Maschinenbau und Elektrotechnik
stark vertikal integriert
• Langsame Verlagerung zur Form
der ‘Automobil-Kette’
• Deutsche Komponentenzulieferer
rücken auf in der Kette
• Bündelung der Spezialdisziplinen,
Perfektionierung der internen
Prozesse
27
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Andere Lieferkette, neue Chancen
Zahl der Unternehmen
Umsatz / Unternehmen
Automobil
Elektrotechnische
industrie
Maschinenbau
1.640
3.984
5.997
€ 236 Mio.
40
36
Materialeinkauf /-umsatz
69%
50%
51%
Lohnsumme / Umsatz
15%
26%
25%
Quelle: Statistisches Bundesamt
Große Unterschiede zwischen
Autoindustrie und Maschinenbau/
Elektrotechnik
Nicht nur der enorme Umfang der
deutschen Industrie bietet Möglichkeiten
für die niederländischen Zulieferer, auch
die Entwicklungen in der Lieferkette sind
günstig für niederländische Unternehmen.
Wenn wir uns damit gründlicher
auseinandersetzen, muss man zwischen
der Automobil-Kette einerseits und der
elektrotechnischen Industrie und dem
Maschinenbau andererseits unterscheiden.
Zuerst soll hier auf die Autoindustrie
eingegangen werden. In diesem Sektor
operiert eine relativ kleine Zahl großer
OEM-Hersteller. Diese Unternehmen haben
verschiedene große Zulieferer der ersten
Linie, und nicht zuletzt dadurch einen hohen
Einkaufsanteil im Hinblick auf den Umsatz
(69 %). Die Lohnkostenkomponente ist durch
den teilweise automatisierten (Montage-)
Prozess, die großen Serien und den hohen
Grad der Fremdvergabe relativ klein (15 %).
28
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Outsourcing in der Automobil-Kette am weitesten entwickelt
Immer engere Zusammenarbeit in der Automobil-Kette
In der Automobil-Kette sind die Prozesse stärker über die Kette
verteilt. Das ,Early Vendor Involvement’, bei dem die Zulieferer in
einem frühzeitigen Stadium mit dem Hersteller mitdenken, ist in
der Automobil-Kette weit fortgeschritten. Beispielsweise wird ein
Stahlunternehmen wie Tata Steel am Karosserieentwurf eines neuen
Modells beteiligt. Eine Reihe von Zulieferern der ersten Linie (Tier
1-Suppliers) an den Automobil-Bereich sind in den Niederlanden
ansässig, wie neben Tata Steel auch Brabant Alucast und Inalfa.
Darüber hinaus beweist die Zusammenarbeit zwischen VDL/
NedCar und BMW, dass die Niederlande im Automotive-Markt noch
immer eine Rolle spielen. Das Wachstum der Niederlande in diesem
Segment liegt eher in einem höheren Umsatz für diese bestehende
Gruppe als in neuen Betrieben, die als Zulieferer der ersten Linie
dazukommen. Dies wird weiter verstärkt durch die Tendenz,
dass die Automobilhersteller möglichst viel bei möglichst wenig
Zulieferern beziehen wollen. Auch dadurch entstehen Chancen für
niederländische Zulieferer der zweiten und dritten Linie, die sich
das Wachstum im deutschen Kfz-Sektor zunutze machen können.
Im Bereich der Materialentwicklung ist die wachsende Verwendung
von Kunststoffen in der Kfz-Produktion eine Tendenz, die nicht
unterschätzt werden darf.
Automobil-Lieferkette: relativ viel Fremdvergabe
Illustration:
1. Forschung &
Entwicklung
2. Entwurf
3. Prototyp &
Industrialisierung
4. Produktion
5. SystemKomponenten
integration
6. Verkauf &
Service
1. Linie
Systemintegration
2. Linie
Sub-Montage
3. Linie
Sub-Montage
+ Komponenten
Komponenten
4. Linie
Auto
Hersteller: BMW
Abnehmer: Verbraucher
Komplettes Schiebedach-System
Hersteller: Edscha
Abnehmer: BMW
Hydraulik
Hersteller: Power-Packer
Abnehmer: Edscha
Metallbearbeitung
Hersteller: Brinks Metaal
Abnehmer: Power-Packer
29
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Internationaler Wettbewerb zwischen den Kfz-Herstellern setzt Margen in
der Lieferkette unter Druck
Brinks Metaalbewerking
Brinks Metaalbewerking stellt Komponenten für
verschiedene Industriezweige her. Das Unternehmen
erwirtschaftet einen Umsatz von € 22 Mio., wovon
50 % in der Automobil-Kette erzielt werden. Brinks
ist dazu in der Lage, dank einer hochgradigen
Automatisierung (u. a. Mehrspindel-Bearbeitung)
äußerst effizient in Seriengrößen von 10.000 bis
300.000 zu produzieren.
Endurteil eines potenziellen deutschen Abnehmers
eine ausschlaggebende Rolle spielen können. Bei
den bestehenden Kontakten weiß man es besonders
zu schätzen, dass Brinks Metaal mit seinen Kunden
mitdenkt. Die Kunden entwickeln ein Produkt und
die Zeichnung, und Brinks bringt dann ein, wo man
Verbesserungsmöglichkeiten sieht, im Hinblick
auf Prozessbeherrschung, Materialwahl und (damit
zusammenhängend) Ausschussrisiko.
Deutschland ist der wichtigste Absatzmarkt, mit 60 %
des Umsatzes. Dabei sind Messen (Hannover) ein
wichtiger erster Kontaktmoment gewesen. Brinks
hat mit deutschen Partnern die Erfahrung gemacht,
dass praktische Aspekte wie Pünktlichkeit und
eine saubere, ordentliche Produktionsstätte für das
Auch für die nächsten Jahre wird der deutsche
Markt für Brinks eine wichtige Rolle spielen. Wegen
des starken Margendrucks in dieser Kette strebt
das Unternehmen jedoch eine Verringerung der
Abhängigkeit vom Automobil-Markt an.
Produktion bei Zulieferern, Gewinn
bei Kfz-Herstellern?
Obwohl Umsätze und Wachstumspotenzial
in der Automobil-Kette für niederländische
Betriebe attraktiv sind, ist der Margendruck
in der Lieferkette eine weniger attraktive
Perspektive. Aufgrund des scharfen
(internationalen) Wettbewerbs auf dem
Kfz-Markt muss sich jeder Kfz-Hersteller
auf eine perfekt funktionierende Lieferkette
verlassen können. Der Konkurrenzkampf
zwischen den börsennotierten KfzHerstellern führt außerdem dazu, dass die
Gewinnsteigerung eine wichtige Zielsetzung
bildet. Die Optimierung der Kette ist dabei
überlebenswichtig, wobei der Preisaspekt
eine bedeutende Rolle spielt. Nicht selten
werden den Zulieferern Preissenkungen
aufgezwungen.
30
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Mittelstand - das Rückgrat von Maschinenbau und Elektrotechnik
Anteil Unternehmen und Umsatz nach Branche und nach Größenordnung (Arbeitnehmer), 2012
Anzahl
Mitarbeiter
Elektrotechnik
Betriebe
63%
der
Betriebe
0 bis 100
Maschinenbau
Umsatz
Betriebe
Automotive
Umsatz
Betriebe
3%
13%
12%
des
Umsatzes
Umsatz
51%
64%
9%
30%
36%
100 bis 500
37%
52%
34%
Gerade diese große Gruppe von
Familienunternehmen in Deutschland
scheint für niederländische Zulieferer noch
größtenteils völliges Neuland zu sein.
6%
7%
mehr als 500
30%
Chancen in Richtung des Mittelstands
Die nächsten Seiten befassen sich
eingehender mit der elektrotechnischen
Industrie und mit dem Maschinenbau.
In diesen beiden Branchen spielt der
deutsche Mittelstand eine große Rolle:
kleine und mittelgroße (Familien-)Betriebe,
die gemeinsam einen Großteil des
Branchenumsatzes generieren. Mittelgroß‘
ist übrigens nach deutschen Begriffen
zu verstehen, ihr Umsatz beträgt locker
€ 1 - 2 Mrd. In beiden Branchen gemeinsam
wird in diesem Jahr von Betrieben mit
weniger als 500 Arbeitnehmern ein
gemeinsamer Umsatz von € 200 Mrd.
realisiert.
15%
50%
88%
31
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Maschinenbau und Elektrotechnik stark vertikal integriert
Lieferkette deutsche elektrotechnische Industrie und deutscher Maschinenbau
1. Forschung &
Entwicklung
2. Entwurf
3. Prototyp &
Industrialisierung
5. System4. Produktion
Komponenten
integration
6. Verkauf &
Service
Krise und F&E-Fokussierung
beschleunigen Outsourcing-Trend
Deutsche Maschinenbauer und (Familien)Unternehmen in der elektrotechnischen
Industrie bewältigen zahlreiche Aktivitäten
in eigener Regie. Nach feststehenden
Prozessen bauen deutsche Hersteller
(Nischen-)Produkte, die weltweit führend
sind. Bei Maschinenbauern stehen
nicht selten Hunderte Quadratmeter
von Blechbearbeitungsmaschinen,
um selbst Stahlbleche zu schneiden,
die schlussendlich in komplexen,
spitzentechnologischen Endprodukten
verarbeitet werden. Obwohl die Prozesse
effizient eingerichtet sind, macht dies die
Firmen anfällig und unflexibel. Durch die
Krise von 2009 sind sich viele deutsche
Hersteller dieser Anfälligkeit bewusst
geworden, woraufhin sie sich zu einer
strategischeren Fremdvergabe entschlossen
haben. Für niederländische Unternehmen
DIE Möglichkeit, sich eine (stärkere)
Zulieferungsposition in Deutschland
aufzubauen.
32
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Langsame Verlagerung zur Form der ‘Automobil-Kette’
Outsourcing nimmt langsam aber sicher zu
Die Summe der eingekauften Produkte und Dienstleistungen bezogen auf den Umsatz steigt
strukturell, auch im Maschinenbau und in der elektrotechnischen Industrie. Die Kette von
Maschinenbau und Elektrotechnik bildet sich langsam aber sicher zur Form der AutomobilKette um. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Prozess bei den großen Maschinenbauern
und elektrotechnischen Unternehmen, beim Mittelstand ist er noch nicht so weit. Aber auch
1. Forschung &
Entwicklung
2. Entwurf
3. Prototyp &
Industrialisierung
4. Produktion
5. SystemKomponenten
integration
6. Verkauf &
Service
bei dieser Gruppe wird sich dieser Prozess fortsetzen. Die (unverzichtbare) Orientierung
der deutschen Hersteller auf spitzentechnologische Entwicklung und Spezialisierung, damit
sie im Wettbewerb mit China den Vorsprung behaupten (und überleben) können, bedeutet,
dass ein größerer Teil des Investitionsbudgets für Forschung und Produktentwicklung
ausgegeben werden muss. Jeder Euro, der in die Forschung geht, kann nicht in die
Erweiterung oder Modernisierung der Produktionskapazität investiert werden; folglich wird
auch aus diesem Grund die Nachfrage nach Produktionspartnern steigen.
Eingekaufte Produkte und Dienstleistungen / Umsatz
75%
70%
65%
60%
1. Forschung &
Entwicklung
2. Entwurf
3. Prototyp &
Industrialisierung
4. Produktion
5. SystemKomponenten
integration
6. Verkauf &
Service
55%
50%
'95
1. Linie
Systemintegration
2. Linie
Sub-Montage
3. Linie
Sub-Montage
+ Komponenten
Komponenten
4. Linie
_
_
_
'96
'97
'97
'99
'00
'01
'02
'03
'04
'05
'06
'07
'08
'09
'10
'11
Maschinenbau
Elektrotechnik
Transportmittelindustrie
Bron: Statistisches Bundesamt
75%
33
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Deutsche Komponentenzulieferer rücken auf in der Kette
Märkisches Werk: Zulieferer der
zweiten Linie wird Systemzulieferer
Märkisches Werk (Umsatz ca. € 75 Mio.) mit
Sitz in Halver/Nordrhein-Westfalen produziert
Motor-Ein- und Auslassventile, und zwar
sowohl kleine Ventile für den Einsatz im
Motorsport (20 g) als auch riesige Ventile für Ozean-Tanker (2 m lang, 350 kg schwer).
Der Absatzmarkt ist größtenteils Europa (55 %), aber auch in den USA (30 %) und Asien
(15 %) werden die in Deutschland hergestellten Ventile verkauft. Herausforderungen
auf technologischer Ebene liegen im Einsatz neuer Materialien und Beschichtungen.
Die zunehmende Verwendung anderer Treibstoffe (Gas) und Mischungen setzt andere
Werkstoffanforderungen voraus.
Viele Teile des Produktionsprozesses führt Märkisches Werk selbst aus. Durch die
Krise von 2009 hat sich aber einiges geändert. Zur Verbesserung des Angebots für die
Kunden hat Märkisches Werk sich auf Zylinderkopfsysteme umorientiert, wodurch das
Unternehmen allmählich vom Zulieferer von Komponenten zum Systemzulieferer aufrückt.
Dadurch können die Motorbauer mit weniger Zulieferern auskommen und mit einem
einzigen sachverständigen Partner zusammenarbeiten. Für niederländische Hersteller
von Komponenten entstehen dadurch neue Möglichkeiten, eine Rolle als Zulieferer
für Märkisches Werk zu spielen. Als Pluspunkte der niederländischen Zulieferer sieht
Märkisches Werk ihr Know-how und das Mitdenken in der Produktentwicklung. Deutsche
Unternehmen sind darin von Natur aus konservativer.
Die deutschen Zulieferer verändern
sich mit
Die Auslagerungstendenz eröffnet Chancen,
sowohl für Lieferanten von Bauteilen als
auch langsam aber sicher für Lieferanten
von Modulen oder Systemen. Durch diese
Veränderungen in der Kette entsteht aber
auch eine neue Konkurrenz aus Deutschland
selbst. Deutsche Unternehmen, die früher
Bauteile produzierten, wollen die ,MehrwertLeiter‘ hinaufklettern und entwickeln sich
zum Modulbauer oder Systemzulieferer
(s. Kasten). In Richtung dieser Unternehmen
entstehen nun wiederum neue Chancen für
die niederländischen Metallbearbeiter oder
Firmen der Gummi- und Kunststoff-Industrie,
die bestimmte Komponenten liefern können.
34
4 Veränderung der Lieferkette bietet Chancen
Bündelung der Spezialdisziplinen, Perfektionierung der internen Prozesse
Bons en Evers: Profitieren vom One-Stop-Shopping
Die Bons en Evers Holding aus Borne (675 Mitarbeiter,
Gruppenumsatz ca. € 175 Mio.) besteht aus sechs
Gruppenunternehmen. In den Niederlanden sind zwei
Unternehmen ansässig: Bons en Evers Metaalperswerk
in Borne, spezialisiert auf warmgepresste MessingProdukte, und das zum 1. Juni 2012 übernommene
LDM in Drunen (Produktion von Messing- und KupferStabmaterial). Zwei Unternehmen sind in Deutschland ansässig (Halbfabrikate aus
Messing und Aluminium), eines in Frankreich (Kupfer-Halbfabrikate) und eines in Ungarn
(Aluminium-Halbfabrikate). Rund 40 % des Konzernumsatzes werden auf dem deutschen
Markt erwirtschaftet.
Eine wichtige Tendenz ist die immer engere Zusammenarbeit in der Kette im Bereich
der Produktentwicklung. Insbesondere die Kunden in der Automobil-Kette und die
großen Abnehmer im elektrotechnischen Segment arbeiten auf diese Weise.
Außerdem bietet die Tendenz zu weniger Lieferanten (One-Stop-Shopping) neue
Chancen für Bons en Evers. Das Geschäftsmodell von Bons en Evers bietet dem Kunden
die Möglichkeit, seinen gesamten Bedarf an Messing-, Alu- und Kupferteilen aus einer
Hand zu beziehen. Die Auto-Industrie, die die Vorteile dieses Modells kennt, hat darin
eine Vorreiterrolle. Auch verschiedene Hersteller von Elektrogeräten folgen diesem
Beispiel und kaufen z. B. Kupfer- und Aluminium-Produkte als Paket ein. Dies verringert
den Handhabungsaufwand. Operativ laufen die Verkaufsabläufe heute noch getrennt
(örtliche Verkaufsmitarbeiter, Verträge für die einzelnen Produktgruppen), aber die
Kunden wünschen sich immer öfter ein One-Stop-Shopping und damit einen einzigen
Ansprechpartner im Verkauf. Das setzt eine weitere Optimierung der konzerninternen
Prozesse voraus.
Durch die Tendenz zur weniger Bezugsquellen gute Aussichten für Unternehmen
mit breiter Produktpalette, aber einem einzigen Ansprechpunkt
Abschließend noch die wichtige, innerhalb der technologischen Industrie weit verbreitete
Tendenz, dass OEM-Hersteller und Zulieferer der ersten Linie die Zahl der Bezugsquellen
verringern wollen. Auch wenn es dadurch ggf. schwieriger wird, als neuer Lieferant einen
Markt zu erschließen, bietet es auch Chancen für Betriebe, die ein breites Produktspektrum
anbieten können, selbstständig oder in Partnerschaft mit anderen Zulieferern.
Unternehmen, die bereits ein breites Produktangebot haben und dies in verschiedenen
Niederlassungen herstellen, bedienen den Kunden oft noch von den verschiedenen
Produkten aus. Der Endkunde hat es dann mit verschiedenen Verkäufern zu tun, bekommt
Rechnungen von verschiedenen Niederlassungen und muss sich bei eventuellen
Lieferungsproblemen mit verschiedenen Kontaktpersonen auseinandersetzen. KomponentenZulieferer, denen es gelingt, die internen Prozesse so zu straffen, dass der Endkunde nur
einen einzigen Ansprechpunkt hat, können die Tendenz zur Verringerung der Zahl der
Bezugsquellen bei den Endherstellern nutzen.
Globale Präsenz des Lieferanten großer Vorteil für weltweit operierende
deutsche Hersteller
Auch Betriebe mit Standorten in der ganzen Welt sind günstig aufgestellt. Deutsche
Industrieunternehmen, die auf den verschiedenen Kontinenten produzieren, interessieren
sich immer mehr für das ,Global Sourcing‘. Dabei wird zentral eingekauft, aber regional
produziert und geliefert. Dies gilt nicht nur für die Milliardenbetriebe, sondern auch für die
Betriebe mit z.B. € 100 Mio. Umsatz, die Produktionsstandorte in der ganzen Welt haben.
Dabei arbeiten die deutschen Endhersteller am liebsten mit Partnern zusammen, die
ebenfalls weltweit präsent sind.
35
Kapitel 5.
Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
• Typisch ‘niederländische‘
Eigenschaften passen potenziell
gut zu den Anforderungen der
deutschen Fertigungsindustrie
• Strategie und Engagement
unabdingbare Voraussetzungen
• Folgen Sie dem deutschen
Prozess
• Verhalten Sie sich ‘deutsch’
• Unterstützung des
niederländischen Erfolgs in
Deutschland
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5 Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Typisch ‘niederländische‘ Eigenschaften passen potenziell gut zu den
Anforderungen der deutschen Fertigungsindustrie
“Zuverlässigkeit bedeutet
für Deutsche 100 %
Zuverlässigkeit.”
“Die niederländische Flexibilität ist
OK, wenn es um technische Flexibilität,
Anpassung an deutsche Gepflogenheiten
oder die Reaktion auf einen unerwarteten
Mehrbedarf geht. Die niederländische
Flexibilität ist nicht OK, wenn darunter,
‘90 % liefern und den Rest wahrscheinlich
nächste Woche’ verstanden wird.”
Deutsche Unternehmen über niederländische
Lieferanten
“Das Know-how ist
hervorragend.”
“Die Niederländer denken eher
unkonventionell, das fällt uns
Deutschen schwerer.”
“Viele deutsche potenzielle Lieferanten
wenden sich aktiv an uns, aus den
Niederlanden hören wir noch wenig.”
Stärken der niederländischen Zulieferer passen zu Anforderungen der Industrie...
Im Prozess der Auslagerung und Verringerung der Bezugsquellen steht für die deutschen
Unternehmen die Beherrschung der gesamten Kette im Mittelpunkt. Schlüsselbegriffe
für Zulieferer sind: Zuverlässigkeit, Flexibilität und Effizienz. Das sind Begriffe, bei denen
niederländische Industriebetriebe generell gut abschneiden, sicherlich im Vergleich zu
osteuropäischen und asiatischen Mitbewerbern. Beispielsweise ist die Produktivität dank
des hohen Automatisierungsgrads in den Niederlanden hoch, während die Niederlande in
verschiedenen Teilmärkten viele technologische Kenntnisse zu bieten haben. Gerade die
deutschen Unternehmen wissen technisches Know-how zu schätzen.
In den Niederlanden hat sich die Hightech-Lieferkette in den vergangenen Jahren stark über das
Modell der „offenen Innovation“ entwickelt. Für die komplexesten technologischen Innovationen
ist dies ein starkes Modell, von dem auch deutsche Unternehmen profitieren können. Gerade
die Anstrengungen auf dem Gebiet des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 erfordern eine
Zusammenarbeit, in deren Rahmen die Niederlande eine wichtige Rolle spielen können.
Wenn es um Geschäfte mit deutschen Unternehmen geht, wird man sich aber zunächst nach
den deutschen Wünschen und Anforderungen richten müssen. Das notwendige Vertrauen
entsteht erst nach langfristiger Zusammenarbeit, aber dann kann der Mehrwert der
niederländischen Eigenschaften voll und ganz zum Tragen kommen.
…aber wie lässt sich der deutsche Abnehmerbestand ausbauen?
In den weiteren Ausbau der niederländischen Verkäufe in Deutschland muss man
schon einige Mühe investieren, sowohl seitens der einzelnen Unternehmen als auch
über gemeinsame Initiativen Für die einzelnen Unternehmen spielt das Verständnis für
Unterschiede in Kultur und Gepflogenheiten nach wie vor eine sehr wichtige Rolle. Eine
weitere Entwicklung gemeinsamer Initiativen (z. B. von Branchenverbänden, Behörden,
Privatwirtschaft) muss die Sichtbarkeit der niederländischen Zulieferungsindustrie in
Deutschland vergrößern.
37
5 Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Strategie und Engagement unabdingbare Voraussetzungen
“Ohne Strategie und langfristiges
Engagement ist es nicht möglich,
den deutschen Markt erfolgreich
zu betreten.”
“Bei mindestens 40 % meiner deutschen
Abnehmer habe ich die ersten Kontakte
auf einer Messe angeknüpft.”
“Der Umsatz, den niederländische
Unternehmen in Deutschland zu
erzielen erwarten, lässt sich generell
durch zwei teilen - die dafür benötigte
Zeit mit zwei multiplizieren.”
Exporterfolg setzt strategische Fokussierung und Engagement voraus
Eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit in Deutschland
besteht darin, dass man eine durchdachte Strategie und Fokussierung besitzt und dazu
bereit und in der Lage ist, über Jahre hinaus Zeit, Geld und Energie in den neuen Markt zu
investieren.
Messen und Treffen nach wie vor wichtig für erste Kontakte
Für die Kontaktanbahnung mit potenziellen Kunden spielen Messen in Deutschland immer
noch eine wichtige Rolle. In Deutschland finden viele große Messen statt, die auf spezifische
Zweige der Fertigungsindustrie abzielen. Große Messen sind die EMO in Hannover, aber
auch die Landesmesse Stuttgart oder die Messe Berlin. Auch Treffen oder Handelsmissionen,
die von niederländischen Behörden (,RVO‘, Konsulat oder Botschaft), der DeutschNiederländischen Handelskammer oder Beratungsorganisationen wie Gateway to Germany
veranstaltet werden, bilden wertvolle Kanäle zur Anknüpfung der ersten Kontakte.
Kein ,Schema F‘ für den Erfolg
Einige Unternehmer entscheiden sich dafür, den deutschen Markt selbst zu bearbeiten und
zu erobern. Dafür gibt es erfolgreiche Beispiele, man muss aber ausreichend Zeit investieren
können. Andere Unternehmen entscheiden sich für einen deutschen Verkäufer oder Vertreter.
Ein Verkäufer/Vertreter, der sich gut auf dem Markt auskennt und auf ein passendes
Netzwerk zurückgreifen kann, ist unglaublich wertvoll. Eine ,Erfolgsformel‘ gibt es für die
Marktbearbeitung wohl nicht.
In einem späteren Stadium kann eine eigene GmbH günstig sein: dann steht man noch näher
zum Abnehmer, und ein Produktionsstandort in Deutschland sorgt manchmal für ein besseres
Verständnis des deutschen Endkunden und der Problematik, mit der die deutsche Industrie
sich auseinandersetzen muss, beispielsweise im Bereich von Vorschriften oder Personal.
Trotzdem ist eine erfolgreiche Zulieferung auch von den Niederlanden aus hervorragend
möglich.
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5 Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Folgen Sie dem deutschen Prozess
Für Deutsche ist der Prozess ,heilig‘
Für Deutsche sind die Kernprozesse ihres Unternehmens,
,heilig‘. Auch der Einkaufsprozess hat einen festen Ablauf, die ein
niederländisches Unternehmen vollständig respektieren muss. Bei
einem ersten Termin sind die Entscheidungsträger oft noch nicht
anwesend, auch wenn dies nicht unbedingt ersichtlich ist. Aus
niederländischer Sicht sollte man darauf nicht eingehen, sondern
eine gute Präsentation halten. Pünktlichkeit, ein korrektes Äußeres
und die Erörterung der technischen Aspekte des Produkts bzw. der
Dienstleistung stehen dabei im Vordergrund. Solche Besprechungen
Semecs Groep (Uden, Niederlande)
Die Semecs Groep ist im EMS-Markt aktiv, einem weltweiten Markt auf
dem Gebiet des Entwurfs sowie der Prüfung, Herstellung und Distribution
von Elektronik. Der Entwurf und die Entwicklung von Testgeräten für die
Produkte erfolgt in den Niederlanden, während die Produktion in einer
hochwertig ausgestatteten Fabrik in der Slowakei stattfindet. Die Abnehmer stammen aus den verschiedenen
Industriesektoren sowie der Medizintechnik und der Automotive-Branche. Dadurch ist Deutschland für Semecs
ein sehr wichtiger Absatzmarkt, auf dem über die Hälfte der Verkäufe realisiert wird. Der Erfolg in Deutschland
lässt sich durch eine langfristige Präsenz der Niederlassung in Heidelberg erklären, die – ein weiterer Vorteil –
deutsche Muttersprachler beschäftigt, die auch mit den Dialekten vertraut sind. Verkaufstalent ist wichtig, aber
mindestens ebenso wichtig ist technisches Know-how. Das Unternehmen Semecs konnte seine heutige Position
erlangen, indem es die geforderten Spezifikationen präzise erfüllt und auch umfangreiche, von Niederländern
oft als umständlich empfundene Verfahren mit voller Aufmerksamkeit durchlaufen hat. Inzwischen wird das
Unternehmen von Originalausrüstern und Direktlieferanten bereits in die Engineeringphase einbezogen. Dies
erfolgt jedoch immer nach den von den deutschen Beteiligten vorgegebenen Regeln und Verfahren.
pantone 5473 C
werden noch öfter stattfinden, schlussendlich auch mit einem
Entscheidungsträger, aber sogar dann braucht es noch nicht gleich
zu Aufträgen zu kommen. ,Nicht aufgeben‘ lautet das Zauberwort,
nur ist das in der Praxis der Punkt, in dem niederländische
Unternehmen oft scheitern.
Deutsche Unternehmen stellen sich abwartend auf
Obwohl die niederländische Fertigungsindustrie über beachtliche
Fähigkeiten verfügt, hat die deutsche Fertigungsindustrie selbst
natürlich selbst auch einiges zu bieten und muss erst für die
niederländischen Möglichkeiten interessiert werden. Niederländische
Zulieferer müssen sich zunächst wirklich darüber im Klaren sein, wo
ihre potenziellen Kunden stehen, z. B. im Prozess von Einkauf und
Auslagerung. So sprechen deutsche Firmen von der Auslagerung
von ,Baugruppen‘, verstehen darunter aber nicht immer dasselbe,
was Niederländer als ,Systeme‘ sehen. Deutsche Unternehmen sind
bei der Auslagerung nun einmal zurückhaltend und beginnen oft mit
relativ einfachen Arbeiten. Für niederländische Unternehmen, die
sich auf den deutschen Markt begeben wollen, ist das jedoch oft eine
gute Chance, die Geschäftsbeziehung anzuknüpfen und darauf weiter
aufzubauen. Hat ein deutscher OEM-Hersteller einmal Vertrauen zu
einem Zulieferer, werden letztendlich auch (sowohl vom Volumen
als auch von der Komplexität her) anspruchsvollere Aufträge folgen.
Dann werden die Zulieferer auch stärker in die Entwicklungsphase
einbezogen. Wie gesagt ist die Tendenz positiv: Es wird strukturell
mehr ausgelagert, auch in das Ausland, und in einem engeren
Verhältnis zwischen Abnehmer und Lieferant.
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5 Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Verhalten Sie sich ‘deutsch’
Vertrag ist Vertrag,
wortwörtlich
Immer siezen und ggf.
Titel benutzen
Bereiten
Sie Sitzungen bis
in die Einzelheiten vor,
seien Sie pünktlich und
halten Sie sich an die
vereinbarte
Sitzungsdauer
Sorgen Sie für ein
tadelloses Äußeres
Sorgen Sie dafür,
dass Sie wissen, mit wem
Sie es zu tun haben (nicht
immer Entscheidungsträger,
aber lassen Sie sich das
nicht anmerken)
Seien Sie sich
der Hierarchie in der
Organisation bewusst
Strenge Trennung
von Beruf und
Privatleben
Deutsche lieben
die eigene Gegend
Sauberkeit des
Produktionsbetriebs
sehr wichtig, wenn ggf.
ein (Einkaufs-)Direktor
zu Besuch kommt
Nennen Sie Referenzen,
Zertifizierungen,
Auszeichnungen
Investieren Sie in
Kontaktaufbau und
Kontaktpflege
Gehen Sie ausführlich
auf die technischen
Aspekte ein
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5 Ein langer Atem für eine langjährige Beziehung
Unterstützung des niederländischen Erfolgs in Deutschland
Öffentliche und private Organisationen stehen bereit, um niederländische
Erfolge in Deutschland herbeizuführen
Unternehmer, die den Sprung nach Deutschland wagen und vor allem weiter als NordrheinWestfalen blicken wollen, können sich von verschiedenen Organisationen unterstützen lassen.
Von öffentlicher Seite bieten ,RVO‘ und speziell das Netzwerk niederländischer Posten in
Deutschland eine wertvolle Unterstützung. Dabei geht es um die Botschaft in Berlin, die
Generalkonsulate in München und Düsseldorf und die Netherlands Business Support Offices
in Frankfurt, Hamburg, Leipzig und Stuttgart. Neben der Geschäftspartnersondierung und
dem Identifizieren von Marktchancen für Unternehmer wird auch immer aktiver am ,Holland
Branding’ gearbeitet. Süddeutschland ist dabei ein Schwerpunkt. Wie schon gesagt liegen
hier die größten Chancen, während der Anteil der Niederlande noch unterproportional
ist. Neben dem Posten-Netzwerk bietet die Deutsch-Niederländische Handelskammer
ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten, u.a. auf rechtlichem Gebiet. Eine
Betreuung bei der Expansion nach Deutschland ist auch möglich über privatwirtschaftliche
Organisationen wie das Beratungsbüro Gateway to Germany, das u.a. Handelsmissionen und
sog. Zuliefertreffen organisiert.
Quelle: FME / NEVAT
Kontinuität Voraussetzung für die Verstärkung der niederländischen Position
Auch Branchenorganisationen und Arbeitsgemeinschaften wie Brainport Industries
spielen eine wichtige Rolle bei der Vergrößerung der Sichtbarkeit der niederländischen
Industrieunternehmen in Deutschland. Ein gutes Beispiel ist die auffallende Präsenz auf
der Hannover-Messe (April 2012 und 2014). Entscheidend ist dabei die Kontinuität der
Bemühungen, besonders wenn es um Deutschland geht. Auch die auf Süddeutschland
ausgerichteten öffentlichen Bemühungen müssen auf mehrere Jahre angelegt sein, bevor
strukturelle Erfolge eingefahren werden können.
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Schlussbemerkungen
Große Chancen, Investitionen erforderlich
Es steht außer Frage, dass die enorme und erfolgreiche technologische Industrie in
Deutschland Chancen für die niederländischen Zulieferer bietet. Unternehmer, die
diese Chancen aufgreifen wollen, müssen in erster Linie selbst eine Vision haben und
Ehrgeiz und Engagement investieren. Aber auch der Ausbau der Förderaktivitäten von
Branchenverbänden und öffentlichen Stellen ist sehr wichtig, um die Niederlande als
Industrieland klarer zu profilieren.
Ohne starke industrielle Basis keine starke Position als Zulieferer nach
Deutschland
Die industriellen Beziehungen mit Deutschland lassen sich nur verstärken, wenn die
industrielle Basis in den Niederlanden auf einem adäquaten Stand bleibt. Die größten
diesbezüglichen Herausforderungen wurden in dem 2011 veröffentlichten Bericht
,My Industry 2030‘ beschrieben. Die Verfügbarkeit von hervorragendem Personal, die
Höhe der Investitionen in F&E-Aktivitäten sowie deren Rendite, die Flexibilisierung der
Betriebsführung und die Versorgung mit Rohstoffen sind die vier Herausforderungen,
die es fortlaufend zu bewältigen gilt.
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Unser Dank gilt:
BOM
Bons en Evers
Brainport Industries
Brinks Metaalbewerking
Discom
DNHK
FME-CWM
HeatMatrix
Metaalunie
Metaalunie
NEVAT
Solid Semecs
Solid Semecs
Universiteit Twente
Herr L. de Vries
Herr M. Evers
Herr J. Blankendaal
Herr P. Beernink
Herr J. Silvius
Herr J. Spijksma
Herr P. Walison
Herr M. Oomen
Herr R. Schuitema
Herr R. van der Werff
Herr T. Koster
Herr M. Ros
Herr J-F. Kalee
Herr prof. dr. ir. Ton van den Boogaard
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Aufsicht sie auch unterliegt.
Stand 25. März 2014.
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