Der Weltmeister auf Abwegen
Transcrição
Der Weltmeister auf Abwegen
l 32 SPORT DER LANDBOTE FREITAG, 17. MAI 2013 Der Weltmeister auf Abwegen STOCKHOLM/HELSINKI. Die USA erkämpften sich ihren Halbfinalplatz gegen die Schweiz mit einem historischen 8:3 über Russland. Finnland – Schweden lautet der zweite Halbfinal. Dieses Resultat passt irgendwie zu der Weltmeisterschaft 2013, bei der so manches auf den Kopf gestellt wurde. Acht Tore kassierten die Russen, die grossen Favoriten, auf dem Weg ins überraschend frühe WM-Out. Das ist ein historisches Ereignis, denn so viele Gegentore musste die «Sbornaja» an Weltmeisterschaften noch nie hinnehmen. Es scheint, dass sie sich – wenn sie denn früh ausscheidet – mit Getöse verabschiedet. 2010 bei Olympia in Vancouver verloren sie ihren Viertelfinal gegen die Kanadier mit sieben Gegentoren. Gestern in Helsinki liefen sie, durch einen frühen 0:2-Rückstand völlig aus dem Konzept geworfen, von einem Konter in den nächsten. Craig Smith kam auf fünf Skorerpunkte und Russlands Coach Sinetula Biljaletdinow blieb nur die Erkenntnis: «Die Mannschaft, die disziplinierter spielte und besser organisiert war, hat gewonnen. Wir haben einige sehr gute Spieler im Team, aber sie sollten sich daran erinnern: Eishockey ist ein Teamsport.» Die Amerikaner holten sich diesen Sieg mit einem Junior im Tor. John Gibson wird im Juni erst 20 Jahre alt, bisher absolvierte er genau ein Spiel bei den Professionals (in der AHL). Mit der U20-Nationalmannschaft gewann er Anfang Januar in Ufa WM-Gold. Penaltydrama Von den zwei WM-Gastgebern siegten sich beide mit nur einem Tor Differenz in den skandinavischen Halbfinal. Die Finnen bezwangen in Helsinki den letztjährigen Finalisten Slowakei 4:3, die Schweden schlugen die Kanadier im Penaltyschiessen 3:2. Das Duell Kanada – Schweden war geprägt von dummen Strafen und deren Folgen. Alexander Edler, einer der drei NHL-Verstärkungen der letzten Minute, fiel in der 16. Minute mit einer üblen Attacke auf das Knie von Kanadas Mit einer Galavorstellung entthronten die Amerikaner (Craig Smith und David Moss) Titelverteidiger Russland. Bild: key Captain Eric Staal auf. Staal musste verletzt vom Eis, Edler mit einer Matchstrafe in die Garderobe. Die fünf Minuten Überzahl nützten die Kanadier zum 1:0 durch Steve Stamkos. Es folgten die Powerplay-Auftritte des Ex-Berners Nicklas Danielsson, der zwei kanadische Strafen mit Schüssen von der blauen Linie zur 2:1-Führung nützte. Claude Giroux, mit einem unnötigen Cross check schuldig am zweiten Gegentor, glich nur 75 Sekunden später aus. Die Kanadier hatten im Gruppenspiel gegen die Schweiz das erste Penal- tyschiessen verloren, sie konnten danach auch das zweite nicht gewinnen. Wieder traf nur einer der Ihren (Jordan Eberle). Er sorgte immerhin für eine Zusatzrunde. In dieser schickten die Schweden nicht Loui Eriksson, der vorher getroffen hatte, sondern Fredrik Pettersson, der bei Donbas Donetsk in der KHL spielt. Der Stürmer wählte eine unübliche Variante – er überraschte Goalie Mike Smith mit einem Gewaltschuss. Jhonas Enroth stoppte dar auf Eberles zweiten Versuch – in der (nicht ausverkauften) Halle stieg der Lärmpegel gewaltig an. Die Kanadier scheiterten zum vierten Mal in Folge bereits im WM-Viertelfinal. Für die Finnen war erneut die Linie um Top sko rer Petri Kontiola ausschlaggebend. Kontiola erzielte zwei Tore und assistierte zum 4:3 von Juhamatti Aaltonen (der die beiden Treffer von Kontiola orchestrierte), Janne Pesonen kam auf zwei Assists. Und WMNeuling Antti Raanta war im Tor erneut stark, er hielt dem Druck stand, obwohl Finnland einen 3:0-Vorsprung verspielte. (jch) Der Entwicklungshelfer WINTERTHUR. Miodrag Stankovic vom Schwimmclub Winterthur erklärt, warum er Angebote aus stärkeren Ligen ausschlug, und spricht über das ständige Verlieren. STEFAN KLEISER Wenn Miodrag Stankovic wütend ist, dann knallts. Mittwoch im Hallenbad Geiselweid: Das Wasserballteam des Schwimmclubs Winterthur hat gegen Schweizer Meister Kreuzlingen von 5:10 auf 7:10 verkürzt, erhält dann aber ein weiteres Gegentor zum 7:11. Stankovic rammt einen Ball an die Decke, ein Teil der Verkleidung kracht zu Boden. «Ich hasse es, zu verlieren.» Das sagte der 26-jährige Serbe im Januar, als sein neues Team in der National Waterpolo League die ersten zwei Spiele verloren hatte. Inzwischen sind 16 Niederlagen dazugekommen. Der Winterthurer Teamleader muss verlieren lernen. Das ist nicht einfach, denn er wurde auf Erfolg gedrillt. Mit 15 wurde Stankovic Profi. Ging durch die Schule von Partizan Belgrad, einer der besten Equipen der Welt. Es war eine entbehrungsreiche Zeit. «Wir trainierten dreimal am Tag: von 8 bis 12 Uhr, von 18 bis 19 Uhr im Kraftraum und von 19.30 bis 23 Uhr nochmals im Pool», er- innert er sich. 25 Wasserballer stritten sich um die Plätze im Team. Im strengen Regime reifte Stankovic zu einem der besten Wasserballer Serbiens. Aber einer ohne Zukunft bei Partizan. Frau Maria und Tochter Miriana jedoch zu Besuch. Wohnt die junge Familie bald für immer hier? Stankovic, der Physical Education studiert hat, könnte sich das gut vorstellen. Die Hoffnung auf das Gute Niederlagen akzeptieren «Sie geben dir zu essen und eine Wohnung, aber kein Geld», erzählt der kräftige, smarte Rechtshänder. «Wenn du etwas zur Seite legen willst, musst du fortgehen.» So wurde Stankovic zum Reisenden. Verdingte sich in Mazedonien für 3000 Euro monatlich plus Bonus. Spielte dafür nicht nur für Rabotnicki, sondern auch für das mazedonische Nationalteam. War eine Saison in Haifa, wo er im Kibbuz wohnte. Verpflichtete sich in Thessaloniki, wo ihm der Klub noch vier Monatsgehälter schuldet. Wusste er nichts von den Problemen in Griechenland? «Doch. Aber wenn du hingehst, hoffst du, dass alles gut ist. So wie es dir der Klub versichert hat.» Zwei Runden vor Ende der Meisterschaft wurde Miodrag Stankovic bei PAOK fortgeschickt. Für 2013 hatte er Offerten aus der Türkei und Genua. Er hätte sich in Madrid verpflichten können oder in Griechenland. In ein deutsches Team wechseln. Doch er lehnte überall ab. Um in Winterthur zu spielen. «Ich hörte viel Gutes über die Schweiz», sagt er. Etwa von Milan Petrovic, mit dem er zehn Jahre in Nis spielte. 2012 war Linkshänder Petrovic Wie er das Winterthurer Team rasch besser machen kann, weiss er aber nicht. «Die Spieler kriegen schnell Panik. Sie haben wenig Erfahrung.» In Winterthur könne er daher nicht sein komplettes Wasserball spielen – weil die Teamkollegen sein Spiel nicht verstünden. Und Stankovic gesteht: Wenn er daran denke, dass Partizan Ende Monat in Belgrad das Final-Four-Turnier der Champions League bestreiten dürfe, «fühle ich mich elend». Er ist im besten Wasserballalter nur ein Entwicklungshelfer. Aber er will es bleiben. Drei Jahre lang hat er sich in Serbien zum Coach ausbilden lassen. Er habe immer super Trainer gehabt, sagt er: Igor Milovanovic, zweifacher Olympiasieger und Weltmeister mit Serbien, oder Pero Covacevic, der ChampionsLeague-Viertelfinalist Galatasaray beübt. «Ich will selbst einmal Coach sein», sagt er. Und fügt an: «Ich akzeptiere nun die Niederlagen besser. Ich fühle mich immer schlecht, wenn wir verlieren. Aber ich versuche es nicht zu zeigen.» Am Mittwoch verliess er als Letzter die Schwimmhalle. Mit einer weiteren schlaflosen Nacht vor sich. Fühlt sich immer schlecht, wenn er verliert: Miodrag Stankovic (hinten). Bild: skl mit über 100 Toren einer der Meistermacher in Kreuzlingen. «Ich suchte einen Ort für eine sichere Zukunft», erklärt Stankovic den Wechsel in die Schweiz. Vor einem Jahr wurde er Vater einer Tochter. Vor einer Woche machte sie die ersten Schritte. Allerdings ohne den Papa. «So ist halt das Leben eines Wasserballspielers», meint er. Nächsten Monat kommen Kadetten vor dem siebten Meistertitel SCHAFFHAUSEN. Den Kadetten Schaffhausen fehlt nur noch ein Sieg zum siebten Handball-Meistertitel seit 2005. Die Schaffhauser gewannen das zweite Spiel des Playoff-Finals gegen Wacker Thun daheim 32:26 und führen in der Best-of-5-Serie nun 2:0. Für Qualifikationssieger Thun war es ein Spiel der vergebenen Möglichkeiten. Die Kadetten traten vor den 1540 Zuschauern in der BBC-Arena nicht mehr so selbstbewusst, stilsicher und überlegen auf wie letzten Samstag im ersten Spiel. Dennoch lagen die Schaffhauser mehrheitlich in Führung. Die Berner Oberländer behielten nur gerade in der Startphase bis zur 13. Minute (3:1 und 5:4) die Nase vorne. Innerhalb von fünf Minuten machte Schaffhausen aus dem 4:5 ein 9:6; danach gerieten die Gastgeber nie mehr in Rückstand. Wacker Thun, das nach 36 Minuten mit vier Toren zurücklag (14:18), gelang zwar nochmals der Ausgleich zum 24:24. Doch der Serbe Aleksandar Stojanovic brachte die Kadetten mit seinem einzigen Tor an diesem Abend wieder in Führung. Und in den Schlussminuten fehlte Wacker Thun die Cleverness. Nikola Isailovic suchte bei 24:25 völlig überhastet den Abschluss, der wenig eingesetzte Thomas Rathgeb leistete sich daraufhin eine unnötige Zweiminutenstrafe. «In vielen Phasen fehlte uns die nötige Ruhe und Abgeklärtheit», stellte der Thuner Trainer Martin Rubin fest. «Die Kadetten wären zu packen gewesen. Wer weiss, was passiert wäre, wenn wir in der zweiten Hälfte mal mit einem oder zwei Toren hätten in Führung gehen können.» Die Kadetten Schaffhausen feierten am Ende zwei Matchwinner. Jurca war mit seinen elf Toren der eine, Goalie Remo Quadrelli mit seinen 18 Paraden der andere. Der 27-Jährige bestritt womöglich sein letztes Heimspiel, tritt er doch Ende Saison zurück. Die Kadetten kommen nun morgen Samstag in der Thuner Lachenhalle zum ersten Matchball. Wacker hofft natürlich, dass sie den Kadetten den Meistertitel noch streitig machen können. Rubin: «Entscheidend wird sein, wie die Mannschaft mit dieser zweiten Niederlage umgeht, nachdem wir unsere Chancen gehabt und extrem viel in dieses Spiel investiert haben.» (si) Niederlage gegen den Meister Fast gleichwertig waren die Wasserballer des Schwimmclubs Winterthur im Heimspiel gegen Kreuzlingen. Jedoch erlaubten sich die Gastgeber gegen den Schweizer Meister einige Fehler in der Abwehr. Die nutzten die Thurgauer fast alle aus. So lautete das Ergebnis am Ende 10:19. Und fiel aus Winterthurer Sicht hoch aus. Winterthurs Trainer Radoslav Moldovanov vermisste mit Milan Lazarevic und Marc Gubser gleich zwei Centerback-Spieler schmerzlich. Zudem verfügten die Gäste über die besser besetzte Bank. Gewährte Moldovanov den Ergänzungs- und Nachwuchsspielern Einsatzzeit, erhöhte Kreuzlingen immer gleich die Tordifferenz. Mit der besten Besetzung hielt der Tabellenletzte aber gut mit. Das macht Mut für die wichtige Partie von heute Freitag. Dann spielt Winterthur gegen das sechstplatzierte Basel um den Erhalt der Chance, doch noch die Zwischenrunde zu erreichen. (skl) NWL Männer. Winterthur – Kreuzlingen 10:19 (3:7, 2:2, 2:6, 3:4). – Torfolge: 1:0, 1:5, 2:6, 3:7, 4:8, 5:10, 7:10, 7:15, 10:15, 10:19. – Strafen: Winterthur 7, Kreuzlingen 4. – Winterthur: Frei; Silvan Ammann, Ziegler, Milosevic (2), Stankovic (4), Gez, Kaian Ammann, Canonica (2), Müller, Gubler, Sawyers (2), Walker. Nicht im Einsatz: Fabech. Coach: Moldovanov.