Das kaufmännische Kontokorrent - ZIS

Transcrição

Das kaufmännische Kontokorrent - ZIS
Universität Mannheim
ZIS Abendsymposium Herbst 2010
Das kaufmännische Kontokorrent – eine Gefahr
für Kreditsicherheiten?
RAin Dr. Karen Kuder, Frankfurt am Main
I. Rechtsprechung des BGH zur Globalzession
! 1. Bewährungsprobe
" BGH vom 29.11.2007 – IX ZR 30/07 – ZInsO 2008, 91
" Globalzessionsverträge sind auch hinsichtlich der zukünftig entstehenden
Forderungen grundsätzlich nur als kongruente Deckung anfechtbar
" Das Werthaltigmachen zukünftiger Forderungen aus Globalzessionen ist als
selbstständige Rechtshandlung anfechtbar, wenn es dem Vertragsschluss
zeitlich nachfolgt.
! 2. Bewährungsprobe
" BGH vom 25.6.2009 – IX ZR 98/08 – ZInsO 2009, 1492; BGH vom
22.10.2009 – IX ZR 90/08 – ZInsO 2009, 2336
" Seite 2
Zur Vorausabtretung kontokorrentgebundener Forderungen
I. Rechtsprechung des BGH zur Globalzession
! Vorausabtretung kontokorrentgebundener Forderungen
BGH v. 25.6.2009 – IX ZR 98/08 – ZInsO 2009, 1492:
Drittschuldner
Kaufmännisches Kontokorrent
(§ 355 HGB):
gegenseitige Forderungen
eingestellt in einem
Verrechnungskonto
Kreditnehmer/
Zedent
Globalzession
Kreditvertrag
Offenlegung Globalzession,
Guthabensaldo des Zedenten,
Zahlung an Bank, im Eröffnungsverfahren, vorl. IV mit
Verfügungsverbot
Bank/
Zessionar
Seite 3
I. Rechtsprechung des BGH zur Globalzession
BGH: Keine wirksame Vorausabtretung der Saldoforderung an die Bank
" Einzelne Forderungen des Zedenten gegen den Drittschuldner sind nicht
selbständig abtretbar – wegen sog. Kontokorrentbindung.
" Besteht die Verrechnungsabrede bis zur Verfahrenseröffnung, scheitert auch
die Vorausabtretung einer Saldoforderung.
" Verrechnungsabrede erlischt erst mit Verfahrenseröffnung (§§ 115, 116 InsO).
Wegen des Erwerbsverbots nach § 91 InsO, ist keine wirksame
Vorausabtretung an der Saldoforderung möglich (Aufgabe BGHZ 70, 86).
" Ausnahme vom Erwerbsverbot:
– wenn der Dritte bereits vor der Insolvenzeröffnung eine gesicherte
Rechtsposition hinsichtlich der ihm abgetretenen oder verpfändeten Forderung
erlangt hat.
– Bank hatte eine solche Position nicht, da bis zur Beendigung der
Verrechnungsabrede der vorl. IV und der Drittschuldner durch weitere Verfügungen
eine Saldoforderung des Kreditnehmers beseitigen könnten.
Verschlechterung der Sicherheitensituation der kreditausreichenSeite 4
den Bank im konkreten Insolvenzfall
II. Kritik
! Diskussionswürdige Punkte:
1.
Wesentliche Bestandteile eines kaufmännischen Kontokorrents (KK);
Abgrenzung der kausalen Saldoforderung von der abstrakten Saldoforderung
2.
Wie ist die jeweilige Saldoforderung zu charakterisieren, als bereits
bestehende, aufschiebend bedingte oder zukünftig erst entstehende
Forderung?
3.
Erwirbt demzufolge die Bank die jeweilige Saldoforderung direkt oder erst
nachdem sie für eine logische Sekunde in der Person des Zedenten
entstanden ist?
4.
Was ist eine „gesicherte Rechtsposition“ im Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens?
Seite 5
II. Kritik
1.
Wesentlichen Bestandteile eines kfm. KK; Abgrenzung der kausalen
von der abstrakten Saldoforderung
KK-vertrag
Geschäftsvertrag
KK-abrede
Regelt die beiderseitigen
Rechte und Pflichten, u.a.
Pflicht zur Anerkennung
des festgestellten Saldos
Vereinbarung, dass beiderseitige Forderungen "zur
Verrechnung gestellt"
werden
KK-salden
abstrakter
Besteht nur aus einer
einzigen „farblosen“,
abstrakten Forderung
Seite 6
kausaler
Setzt sich aus den
einzelnen eingestellten
Forderungen zusammen
II. Kritik
2.
Wie ist die jeweilige Saldoforderung zu charakterisieren, als bereits
bestehende oder aufschiebend bedingte oder zukünftig erst
entstehende Forderung?
! Abstrakte Saldoforderung
zukünftige neue Forderung, entsteht erst mit Anerkenntnis (BGH vom
2.11.1967 – II ZR 46/65 – BGHZ 49,24; Staub/Canaris, HGB, 2001, § 355
Rn. 197)
! Kausale Saldoforderung = aufschiebend bedingte Forderung?
" Verrechnungsvertrag über die eingestellten gegenseitigen Forderungen
" Eingestellte Forderungen behalten ihre Selbständigkeit, verlieren nur ihre
Durchsetzbarkeit im einzelnen
" Zukünftiges Ereignis: pos. Guthabensaldo z.Zt. des Rechnungsabschlusses
oder Beendigung des KK-vertrags
" Vgl. BGHZ 70, 86; Serick, BB 1978, 877; MüKo/Breuer, InsO, 2. A., 2007, § 91
Rn. 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Grundmann, HGB , 2. A., 2009, § 355
Rn. 31.
Seite 7
II. Kritik
3.
Erwirbt die Bank die jeweilige Saldoforderung direkt oder erst
nachdem sie für eine logische Sekunde in der Person des Zedenten
entstanden ist?
! Nur bei künftig erst entstehenden Forderungen – nicht bei
aufschiebend bedingten
" Wenn Rechtsgrund (z.B. Kaufvertrag) z. Zt. des Zessionsvertrags noch nicht
bestand
Durchgangserwerb
" Hindert § 91 InsO den Erwerb?
Wenn Rechtsgrund (hier: Kontokorrentvertrag) z. Zt. des Zessionsvertrags
schon gelegt
Direkterwerb
Frage, ob § 91 InsO den Erwerb hindert, stellt sich nicht.
(vgl. auch BGH vom 7.7.2003 – II ZR 271/00 – ZInsO 2003, 992)
Einzelfragen streitig (Staudinger/Busche, BGB, 2005, § 398 Rn. 71ff. mwN)
Seite 8
II. Kritik
4.
Was ist eine „gesicherte Rechtsposition“ im Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens?
! „Recht aus dem Vermögen des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung ausgeschieden und keine Möglichkeit des
Schuldners, es auf Grund alleiniger Entscheidung wieder zurück zu
erlangen“ (z.B. BGHZ 167, 363; BGH ZInsO 2009, 383; ZInsO 2006, 35)
" Gesicherte Rechtsposition = aufschiebend bedingte Rechtsposition iSv
§ 161 BGB; d.h. weitere Verfügungen des Zedenten zulasten der
aufschiebend bedingten Rechtsposition des Zessionars sind unwirksam
" Das Begründen von Forderungen des Drittschuldners ist keine Verfügung
des Zedenten, allenfalls des Drittschuldners bei Einstellen ins KK.
" Aber: Wertminderung der aufschiebend bedingten Rechtsposition der Bank
Möglichkeit des Schuldners zur Wertminderung reicht aber nicht aus, um
die aufschiebend bedingte Rechtsposition als nicht „gesichert“ zu beurteilen
bzw. § 161 BGB für nicht anwendbar zu erklären.
Seite 9
III. Reaktionen
! Handlungsmöglichkeiten der Bank, um Ausfall im Insolvenzfall zu
vermeiden
1.
Dem Zedenten könnte im Globalzessionsvertrag verboten werden, die
abgetretenen Forderungen in ein kfm. KK einzustellen
– Eingriff in des Geschäftsbetrieb mit Drittschuldner
– Nur schuldrechtliche Verpflichtung
Nicht empfehlenswert
2.
Kündigung des kfm. KK durch die Bank mit Kündigung des Kreditvertrags
und Widerrufs der Einzugsermächtigung der abgetretenen Forderungen
– Kündigungserklärung nicht anfechtbar, da keine
Gläubigerbenachteiligung
– Aber: Im Anfechtungszeitraum fällig gewordener kausaler Saldo
anfechtbar gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO gem. BGH vom 22.10.2009 –
IX ZR 90/08 – ZInsO 2009, 2336
Keine Verbesserung der Kreditbesicherung
3.
Seite 10
Verpflichtung des Zedenten zur Anzeige eines kfm. KK mit Drittschuldner
Keine Verbesserung der Kreditbesicherung
III. Reaktionen
Folgen der BGH-Rspr. für das gesamte Bestandsgeschäft (Kredite mit
! Globalzession als Kreditsicherheit)
" § 25 a Abs. 1 KWG iVm MaRisk BTO 1.2.2 Kreditweiterbearbeitung Abs. 4
„Außerordentliche Überprüfungen von Engagements einschließlich der
Sicherheiten sind zumindest dann unverzüglich durchzuführen, wenn dem Institut
aus externen ... Quellen Informationen bekannt werden, die auf eine wesentliche
negative Änderung der Risikoeinschätzung ... der Sicherheiten hindeuten. ...“
Bei Überprüfung Bestandlisten und bei Globalzessionsaußenprüfungen
sind die Prüfer angewiesen, gezielt nach kfm. KK zu Drittschuldnern zu
suchen
Ergebnis: besonders betroffen ist Einzelhandel und metallverarbeitende
Industrie
Verschlechterung der Werthaltigkeit der Globalzession
Reaktionsmöglichkeiten der Bank: Nachbesicherungsanspruch, ggf.
Kündigungsrecht, zumindest höhere Zinsen
Seite 11
III. Reaktionen
Folgen der BGH-Rspr. für neues Kreditgeschäft (Kredite mit
! Globalzession als Kreditsicherheit)
1.
Konditionsgestaltung abhängig von Einschätzung des Adressenausfallsrisikos
Vgl. auch § 25 a Abs. 1 KWG iVm MaRisk BTO 1.2 Anforderungen an die
Prozesse im Kreditgeschäft Abs. 7
„ Zwischen der Einstufung im Risikoklassifizierungsverfahren und der
Konditionengestaltung sollte ein sachlich nachvollziehbarer Zusammenhang bestehen.“
Höheres Ausfallrisiko mangels werthaltiger oder nicht ausreichend
werthaltiger Kreditsicherheiten wird eingepreist:
Zinssatz = Refinanzierungssatz + Verwaltungskosten + Risikomarge
Risikomarge erhöht sich.
Seite 12
III. Reaktionen
! Folgen der BGH-Rspr. für neues Kreditgeschäft (Kredite mit
Globalzession als Kreditsicherheit)
2.
Eigenkapitalbelastung nach Basel II: individuellen Risikoeinstufung des
Kreditnehmers hat Einfluss auf Eigenkapitalunterlegung
– Kreditsicherheit nur dann risikomindernd in Ansatz gebracht werden,
wenn sie insolvenzfest ist
– Vgl. § 174 Abs. 2 Nr. 2 SolvV für Globalzession:
„ ... aufgrund der Sicherungsvereinbarung muss dem sicherungsnehmenden
Institut an den sicherungshalber abgetretenen ... Forderungen ... im Falle der
Insolvenz des Zedenten ... ein Vorrecht gegenüber allen anderen Gläubigern des
Zedenten ... zustehen ...“
Mangelnde Insolvenzfestigkeit einer Kreditsicherheit
Mehr Eigenkapitalbindung
Begrenzt Kreditvergabe
Seite 13
IV. Übertragbarkeit der Rechtsprechung?
! Ist die Rechtsprechung zum kfm. KK auf das Bankkonto übertragbar?
" Wie wirkt sich Rspr. auf die Verpfändung des Kontoguthabens zugunsten der
kontoführenden Bank aus?
– Kunde hat mit Bank einen Kontoeröffnungsvertrag geschlossen
– Kontoguthaben wurde zugunsten der Bank verpfändet, entweder per
AGB-Pfandrecht (Nr. 14 AGB-Banken, Nr. 21 AGB-Sparkassen) oder
ausdrücklicher Verpfändung
– für Forderungen der Bank z.B. aus Krediten oder
Absicherungsgeschäften für Währungsrisiken
" Wie wirkt sich Rspr. auf die Verpfändung des Kontoguthabens zugunsten
eines Dritten, z.B. eines Factors, aus?
– Factor lässt sich das Kontoguthaben bei der Bank des
Forderungsverkäufers verpfänden, um sicher zu stellen, dass
Zahlungseingänge auf abgetretene Forderungen vom Factor
eingezogen werden können.
Seite 14
IV. Übertragbarkeit der Rechtsprechung?
BGHZ 50, 277; 84, 325; 84, 371;
86, 23; MüKo/Hadding/Häuser,
HGB, 2. A. , 2009, A 244
" Bankkontovertrag = Girovertrag + Kontokorrentvertrag
– Kontoinhaber hat jederzeit gegen die kontoführende Bank einen
Anspruch auf Auszahlung des jeweiligen Kontoguthabens.
– Dieser Anspruch unterfällt nicht der Kontokorrentabrede.
– Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Girovertrag.
– Nach dem Girovertrag soll die Bank dem Anspruch des Kunden auf
Auszahlung des Kontoguthabens die Kontokorrentvereinbarung gerade
nicht entgegenhalten können.
– Wie grundsätzlich alle auf Geld gerichteten Zahlungsansprüche ist
auch dieser Auszahlungsanspruch übertragbar, d.h. er kann
abgetreten, verpfändet und gepfändet werden.
Vertragliches Pfandrecht an Kontoguthaben ist dann insolvenzfest,
wenn Guthaben außerhalb des Anfechtungszeitraums oder im Austausch
für eine insolvenzfest erworbene Forderung entstanden ist.
Rechtsprechung zum kfm. KK zwischen Zedent und Drittschuldner ist
Seite 15
auf das Bankkonto nicht übertragbar.
IV. Übertragbarkeit der Rechtsprechung?
Bankkontovertrag = Girovertrag + Kontokorrentvertrag
Bankkonto
Girovertrag
Girovertrag
KK-vertrag
Geschäftsvertrag
Anspruch auf Auszahlung Guthaben,
nicht kontokorrentgebunden (§§ 133, 157 BGB),
frei verfügbar unabhängig vom
Rechnungsabschluss
Seite 16
KK-abrede
Auswirkungen der
KK-abrede werden
durch den Girovertrag überlagert.
Literatur
! Ganter, NZI 2010, 360
! Obermüller, ZInsO 2009, 1527; ders., ZInsO 2010, 593
! de Bra/Ganninger, NZI 2009, 600
! Servatius, WuB VI A. § 91 InsO 1.10
! Junghans, EWiR 2009, 777
! Berger, LMK 2009, 291793
! Wilkens/Siepmann, EWiR 2010, 121
Seite 17

Documentos relacionados