Schlüsselqualifikationen plus

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Schlüsselqualifikationen plus
Schlüsselqualifikationen plus
Ein Wettbewerb zur Förderung von Exzellenz in der akademischen Lehre
Titelbild
Open-Space-Themensammelrunde für die einzelnen Arbeitsgruppen
während der Tagung „SchlüsselBildung“ auf der Zeche Zollverein in
Essen.
Schlüsselqualifikationen plus
Ein Wettbewerb zur Förderung von Exzellenz in der akademischen Lehre
INHALT
VORWORT
2
Exzellenz in Wissenschaft und Lehre fördern
4
1. DER WETTBEWERB
7
2. DIE JURY
22
Die Mitglieder der Jury
24
Norbert Hofstetter: Für ein „Model of Excellence“ zur Beurteilung
von Schlüsselqualifikationen
26
Elmar Lampson: Die Bedeutung ästhetischer Wahrnehmung
28
Jörn Rüsen: Das nützliche Mehr an Bildung
30
Monika Scheddin: Raum für Erfahrungen
32
Ulrich Schreiterer: Schlüsselblumen
34
3. DIE PREISTRÄGER
36
Schlüsselqualifikationen an einer Massenuniversität: Der Optionalbereich
an der Ruhr-Universität Bochum
38
Orientierungswissen für Bürger in Uniform: Das Zentralinstitut studium plus
an der Universität der Bundeswehr München
42
Eine eigene Fakultät für Handlungskompetenzen: Studium fundamentale
an der Universität Witten/Herdecke
48
Die Universität als Lernort und Erfahrungsraum: Die Jacobs University
Bremen gGmbH
52
Public-Private-Partnership zur Förderung von Frauen: Femtec. Hochschulkarrierezentrum für Frauen Berlin GmbH
56
INHALT
4. DIE WEITEREN FINALISTEN
60
Horizontwissen und Berufspraxis: Studium Fundamentale und
der Studienbereich Berufsfeld an der Universität Erfurt
62
Ein Zentralinstitut für Orientierungswissen: Die Carl von Linde-Akademie
an der Technischen Universität München
66
Fachliche und überfachliche Qualifizierung kombinieren: HK2S
an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
70
Fachkompetenz und Persönlichkeitsbildung: Studium generale
an der Bucerius Law School gGmbH
74
Eine neue Bildungsidee und ein neues Bildungsexperiment: Studium Generale
und College an der Leuphana Universität Lüneburg
78
5. FAZIT
84
ANHANG
Stiftung Mercator: Wissenschaft, Bildung und interkulturelle
Verständigung fördern
90
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft: Das Wissenschaftssystem
leistungsfähiger machen
92
Das Aktionsprogramm Schlüsselqualifikationen plus
94
Fast 100 Institutionen gingen ins Rennen
98
Impressum
102
3
VORWORT
Exzellenz in
Wissenschaft und
Lehre fördern
Die globale Attraktivität des europäischen Hochschulraums zu erhöhen – das ist das Hauptziel des
vor zehn Jahren eingeleiteten Bologna-Prozesses.
Dazu gehören die Internationalisierung unserer
Hochschulen und die Sicherung von Exzellenz in
Forschung und Lehre. Diesen Zielen fühlen wir –
die Stiftung Mercator und der Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft – uns verpflichtet. Darum
unterstützen wir beide den Bologna-Prozess.
Für den Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen
plus“, den wir 2005 ausgeschrieben haben, haben
wir unsere Kompetenzen gebündelt. Das lag nahe,
weil wir beide davon überzeugt sind, dass Hochschulen sowohl einen Ausbildungs- als auch einen
Bildungsauftrag haben und dass für beide die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen eine herausragende Rolle spielt.
Berufsbefähigung („employability“) und die Befähigung zu gesellschaftlicher Teilhabe im umfassenden
Sinne („citizenship“) erfordern mehr als die Beherrschung von Soft Skills. Wer heute verantwortliche
Tätigkeiten in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen will, muss sich in wechselnden
Arbeits- und Lebenssituationen, auf internationalen
Arbeitsmärkten und in unterschiedlichen Kulturen
und Gesellschaften orientieren können. Das setzt die
Fähigkeit zur Selbstreflexion, zu fachübergreifendem
und interdisziplinärem Denken, zu interkultureller
4
Verständigung und zu lebenslangem Lernen voraus.
Seit Beginn des Bologna-Prozesses haben viele Hochschulen Angebote zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen entwickelt. Viele dieser Angebote
konzentrieren sich aber hauptsächlich auf Soft Skills,
sind eklektizistisch, fakultativ und zu wenig in die
Curricula integriert.
Mit unserem Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen
plus“ wollten wir daher solche Modelle finden und
auszeichnen, mit denen Orientierungswissen und
grundlegende überfachliche Qualifikationen vermittelt werden. Auch sollten sie fest in die Curricula integriert und für die Studierenden verbindlich und
prüfungsrelevant sein. Ein Instrumentarium zur Qualitätssicherung und die grundsätzliche Übertragbarkeit auf andere Hochschulen waren weitere Wettbewerbsanforderungen. Besonders wichtig waren uns
auch die Organisationsformen, die für die Vermittlung überfachlicher Qualifikationen eingeführt worden sind. Denn die Exzellenz unserer Hochschulen
kann nach unserer Auffassung nur gesichert werden,
wenn Exzellenz in der Lehre einen ebenso hohen
Stellenwert erhält wie Exzellenz in der Forschung.
Die Reaktion auf den Wettbewerb war erfreulich:
Mehr als 90 Hochschulen haben sich daran beteiligt.
Unsere Jury, die aus Vertretern aus Wissenschaft und
Wirtschaft bestand, war von der Vielfalt guter Ansätze beeindruckt, die es bereits gibt. Viele Modelle wa-
Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender
der Geschäftsführung der Stiftung
Mercator (l.), und Prof. Dr. Andreas
Schlüter, Generalsekretär des
Stifterverbandes.
ren oder sind noch reformbedürftig, auch die der
Preisträger könnten nach Meinung der Jury noch
weiter verbessert werden. Das ist aber auch nicht anders zu erwarten. Jede Reform ist ein Experiment,
und Raum für kontinuierliche Verbesserungen ist
nicht notwendigerweise ein Zeichen mangelnder Qualität. Sie können im Gegenteil auch Ausdruck von
Qualitätsbewusstsein sein.
welchem Bildungsverständnis heraus und mit welchem Bildungsauftrag Universitäten ihre Lehre gestalten, darüber, welche Programme zur Vermittlung
von Schlüsselqualifikationen eingeführt werden sollten, und darüber, wie bereits bestehende verbessert
werden könnten. Vor allem hat er auch dazu beigetragen, dass sich die Kenntnis der Modelle und Programme anderer Hochschulen verbreitet hat.
Der Wettbewerb hat jedenfalls gezeigt, dass es neben
einer Reformunlust, die ja häufig beklagt wird, an
sehr vielen Universitäten eine große Reformbereitschaft gibt. Das schließt die Bereitschaft zur Reform
der Reform ein. So war an einer der Universitäten,
die es ins Finale geschafft haben, zwischen dem
Ende des Wettbewerbs und der Erstellung dieser
Dokumentation bereits ein ganz neues Modell entwickelt worden. Andere Finalisten und Preisträger
berichteten bereits in ihren Wettbewerbsbeiträgen
von Veränderungen, die sich aus ihren praktischen
Erfahrungen der vorhergehenden Jahre ergeben hatten. Wir wissen auch, dass inzwischen an anderen
der hier vorgestellten Modelle Änderungen vorgenommen worden sind.
In dieser Dokumentation stellen wir die Modelle der
Preisträger und der weiteren Finalisten vor, weil wir
den Diskussionsprozess über die Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen weitertragen, den Austausch zwischen Hochschulen über ihre Programme
erleichtern und vor allem zur Einrichtung weiterer
Programme anregen möchten.
Es gab im Verlauf dieses Wettbewerbs viele erfreuliche Rückmeldungen, auch von Universitäten, die es
nicht ins Finale oder unter die Preisträger geschafft
haben. Offensichtlich hat der Wettbewerb fruchtbare
Diskussionsprozesse angestoßen: darüber, aus
Dr. Bernhard Lorentz
Vorsitzender der Geschäftsführung
Stiftung Mercator
Prof. Dr. Andreas Schlüter
Generalsekretär
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
5
DER WETTBEWERB
Gruppenarbeit während der
Tagung „SchlüsselBildung“
auf der Zeche Zollverein in
Essen. Auf dieser Tagung
präsentierten die Preisträger des Aktionsprogramms
„Schlüsselqualifikationen
plus“ und andere
Tagungsteilnehmer ihre
Konzepte der Öffentlichkeit.
6
1. Der Wettbewerb
Das Aktionsprogramm Schlüsselqualifikationen plus, wie der Wettbewerb offiziell
hieß, wurde gemeinsam von der Stiftung Mercator und dem Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft im Jahre 2005 ausgeschrieben. Ziel war die Identifizierung,
Auszeichnung und Förderung von Best-Practice-Modellen für die Vermittlung
grundlegender überfachlicher Qualifikationen an Hochschulen.
Die Ausgangssituation
Die derzeitige umfassende Reform der deutschen
und europäischen Hochschulen ist mit den Namen
der beiden ältesten europäischen Universitäten verbunden: mit der Sorbonne und mit der Universität
von Bologna. Das ist in den vergangenen Jahren wenig kommentiert worden. Es könnte aber ganz aufschlussreich sein darüber nachzudenken, welches
Erbe die ersten europäischen Universitäten den heutigen mit auf den Weg ins 21. Jahrhundert geben
können. So erinnern sie uns zum Beispiel daran,
dass es im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein bereits einmal gab, was wir heute mit viel Aufwand wieder erreichen wollen: einen europäischen
Hochschulraum mit vergleichbaren Abschlüssen und
einer hohen Mobilität von Studierenden und Lehrenden. Unter diesen Bedingungen entwickelten sich damals wissenschaftliche Leistung und wissenschaftlicher Ruf der Universitäten Bologna, Sorbonne, später Neapel, Salamanca, Prag und vieler anderer. Die
hochschulpolitische Abschottung, die wir jetzt wieder überwinden wollen, ist eine relativ junge Entwicklung in der Geschichte der europäischen Universitäten. Sie ist eng mit der Entstehung und Geschichte der Nationalstaaten verbunden.
Noch bedenkenswerter ist vielleicht die Tatsache,
dass Hochschulen zu den ältesten gesellschaftlichen
Institutionen gehören, die heute noch existieren. In
ihrer jahrhundertelangen Geschichte haben sie sowohl großes Beharrungsvermögen als auch hohe
Wandlungsfähigkeit gezeigt. Man könnte sogar sagen, dass ihr Beharrungsvermögen die Voraussetzung für ihre Wandlungsfähigkeit war. Beharrt haben sie – wenn auch nicht zu allen Zeiten und überall gleich stark – auf dem Primat der Wissenschaftlichkeit, auf der Freiheit von Forschung und Lehre
und – nicht erst seit Wilhelm von Humboldt – auf
der Einheit von Forschung und Lehre. Vor diesem
Hintergrund haben sie sich immer wieder, zum Beispiel im Zeitalter des Humanismus, neuen Ideen geöffnet. Es gibt auch heute Grund zu der Annahme,
dass die deutschen Hochschulen aus der gegenwärtigen Reformbewegung gestärkt statt geschwächt
hervorgehen – allerdings nur dann, wenn sie in diesem Prozess nicht allein gelassen werden. Ständiges
öffentliches Genörgel und ständige Kritik sind keine
förderlichen Rahmenbedingungen für Reformvorhaben.
Worum geht es bei den gegenwärtigen Reformen?
Aus Anlass der 800-Jahr-Feier der Sorbonne im Mai
1998 unterzeichneten die Bildungsminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens und des Vereinigten Königreichs die sogenannte Sorbonne-Deklaration. Darin einigten sie sich darauf, Maßnahmen zu entwerfen, um die Zusammenarbeit in der europäischen
Hochschulentwicklung enger zu gestalten. Ein Jahr
später unterzeichneten 29 europäische Staaten die
7
DER WETTBEWERB
Bologna-Deklaration, die vorsieht, bis zum Jahr 2010
einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum
zu schaffen. Inzwischen gehören 46 Länder zu den
Bologna-Staaten.
Zunächst einigten sich die Unterzeichnerstaaten in
Bologna auf sechs Ziele, die auf den seit 2001 alle
zwei Jahre stattfindenden Folgekonferenzen (Prag,
Bergen, Berlin, London) zum Teil konkretisiert, zum
Teil erweitert wurden. Insgesamt sollen „die europäische Dimension im Hochschulbereich“ gefördert und
die „Attraktivität des europäischen Hochschulraums
im globalen Maßstab“ gesteigert werden. Um die
Mobilität von Lehrenden und Studierenden auf europäischer Ebene zu erhöhen, werden ein System
vergleichbarer gestufter Studienabschlüsse (Bachelor-/Master-Studienstruktur), ein Leistungspunktesystem nach dem European Credit Transfer System
(ECTS) und europäische Zusammenarbeit im Bereich Qualitätssicherung eingeführt. Inzwischen ist
auch die Doktorandenausbildung in den Zielkatalog
der Reformen als „dritte Ausbildungsstufe“ einbezogen. Die Ausbildung an den europäischen Hochschulen soll die Beschäftigungsbefähigung („employability“) ihrer Absolventinnen und Absolventen erhöhen
und in das Konzept des „lebenslangen Lernens“ eingebettet sein.1
Von der Umsetzung der Reformen in Deutschland erhofft sich die deutsche Regierung – zu Recht, wie eine neue Studie zeigt – auch die Reduzierung überlanger Ausbildungszeiten, eine Senkung der relativ
hohen Studienabbrecherquote und eine raschere
Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt.2 Dazu gehört – auch das eine der Bologna-Forderungen – dass Studierende während ihres
8
Studiums neben fachlichem Wissen Schlüsselqualifikationen erwerben, deren Vermittlung Arbeitgeber
und Wirtschaftsverbände seit Jahren von den Universitäten fordern. Es ist unüberhör- und unübersehbar:
In den politischen und wirtschaftlichen BolognaDiskursen werden Wissenschaft und Bildungssysteme zu Standortfaktoren im internationalen wirtschaftlichen Wettbewerb, der angesichts der demografischen Entwicklung in den westlichen Industriestaaten in Zukunft mehr denn je vom Vorhandensein
einer ausreichenden Zahl von gut ausgebildeten
Fachkräften abhängen wird.
Die starke Berufs- und Arbeitsmarktorientierung vor
allem der neuen Bachelor-Studiengänge und die Tendenz, den Bildungsauftrag von Universitäten fast
ganz hinter ihrer Ausbildungsfunktion verschwinden
zu lassen, hat in Deutschland Zustimmung, aber
auch Widerstand hervorgerufen. Während die einen
ganz fröhlich „Good-bye, Humboldt!“ 3 sagen, befürchten die anderen den Ausverkauf der humboldtschen Bildungsidee und damit einen Bruch mit dem,
was gute deutsche wissenschaftliche Tradition war
und noch ist. Sie machen sich auch Sorgen um die
Qualität der Ausbildung in den verkürzten und notwendigerweise stärker verschulten Studiengängen.
An die Eigenständigkeit der Bachelor-Ausbildung als
Berufsbefähigung glauben in den Hochschulen immer noch nicht viele. Anders als einige öffentliche
Kampagnen vermuten lassen, ist der Bachelor auch
bei Unternehmen noch viel zu wenig bekannt,4 und
für Prognosen über seine Akzeptanz für den Berufseinstieg ist es noch zu früh,5 zumal auch BachelorAbschlüsse „keine Stellen herzaubern“.6 Viele Universitäten sehen sich zudem – und das ist nicht aus
der Luft gegriffen – durch die Reformen einem Mehr
an Bürokratie ausgesetzt, obwohl diese doch allerorten abgebaut werden soll. Dieses Mehr an Bürokratie, daran kann kein Zweifel bestehen, ist nicht auf
die Umstellungsphase der Studiengänge beschränkt.
Was die Umstellungsphase allein an Energie, Zeit
und Arbeit von den Beteiligten verlangt, konnte man
im Oktober 2006 anschaulich in der ZEIT am Beispiel der Universität Hamburg nachlesen.7
Auch der Stau bei der Akkreditierung der neuen
Studiengänge spricht eine deutliche Sprache: Anfang 2007 waren weniger als 40 % aller neuen
Studiengänge akkreditiert, und zwar weil den Hochschulen die Kapazitäten für die Antragstellung und
den Akkreditierungsagenturen die Kapazitäten für
die Bearbeitung der Anträge fehlten.8 Aber die Umstellung der Studiengänge und die Akkreditierungen
werden in absehbarer Zeit abgeschlossen sein. Danach jedoch gilt: Die zukünftigen semesterbegleitenden Prüfungen, die regelmäßigen Evaluationen, die
Einführung des Diploma Supplement und – darüber
hinaus an einigen Universitäten – von Lehr- und
Lernportfolios machen Studieren und Lehren zwar
transparenter und im Idealfall effizienter. Transparenz und Effizienz – das wird gern vergessen – bedeuten in vielen Fällen aber mehr und nicht weniger
Bürokratie. Die Haltung „Jetzt müssen wir da
durch!“, die zumindest in den ersten Jahren nach
der Bologna-Deklaration in vielen Universitäten verbreitet war, wie Uwe Jean Heuser und Sascha Spoun
schreiben,9 ist nicht allein auf Reformunwilligkeit
oder Reformunfähigkeit zurückzuführen. Sie hat
auch damit zu tun, dass den Hochschulen viel abverlangt wird, ohne dass staatliche Bildungsetats im
notwendigen Umfang erhöht werden oder finanzielle
Unterstützung durch die Wirtschaft in ausreichen-
dem Maße vorhanden ist – von Ausnahmen, aber
eben Ausnahmen, natürlich abgesehen.
Angesichts der Aufgaben, die die deutschen Hochschulen derzeit zu bewältigen haben, ist die zahlenmäßige Entwicklung, die sich in den letzten Jahren
vollzogen hat, eigentlich ein kleines Wunder. Als sich
im Mai 2007 die Bildungsminister der Bologna-Staaten in London getroffen haben, konnte die deutsche
Bildungsministerin berichten, dass zu dem Zeitpunkt
(Stand Sommersemester 2007) in Deutschland fast
die Hälfte aller Studiengänge auf die gestufte Form
mit BA- und MA-Abschlüssen umgestellt war, und
zwar 74 % an Fachhochschulen und 41 % an Universitäten und ihnen gleichgestellten Hochschulen.10 Da
die Mehrzahl der neuen Studiengänge jeweils zu den
Wintersemestern eingeführt wird, war bereits damals
für das Wintersemester 2007/2008 mit einer weiteren deutlichen Steigerung zu rechnen.
Es scheint inzwischen realistisch zu sein, dass bis
2010 das Ziel der Umstellung aller Studiengänge erreicht werden kann. Dass der Umstellungsprozess an
Hochschulen langsamer verläuft als an Fachhochschulen, hat mehrere Gründe. Zum einen fiel die Umstellung der grundsätzlich stark praxis- und berufsorientierten Studiengänge an den Fachhochschulen
vergleichsweise leichter. Zum anderen bringt die Umstellung den Fachhochschulen viele Vorteile, berechtigen doch nun zum Beispiel ihre BA-Abschlüsse zur
Aufnahme von Master-Studiengängen auch an Universitäten.
Insgesamt gesehen verringern sich die Unterschiede
zwischen Fachhochschulen und Universitäten.11 Im
Hinblick auf die Universitäten darf man zudem nicht
9
DER WETTBEWERB
vergessen, dass sie Berufsgruppen ausbilden, für die
auch nach der ursprünglichen Bologna-Deklaration
das Staatsexamen als Abschluss verpflichtend für
den Berufseinstieg war bzw. ist: Mediziner, Juristen,
Lehrer. Erst vor kurzer Zeit haben die meisten Bundesländer die Einführung der neuen Studiengänge
auch für den Lehrerberuf zugelassen.
Was aber bedeutet die starke Zunahme gestufter
Studiengänge in den letzten Jahren? Ist der Prozess
der Umstellung nach einer längeren Anlaufphase
nun schlichtweg in Gang gekommen, oder haben die
Hochschulen resigniert und ihren Widerstand gegen
die Einführung der neuen Studiengänge aufgegeben? Kommt es zu einem Siegeszug von „Studium
light“ über fundierte Ausbildung und zum Ausverkauf von Qualität zugunsten von verschulten TurboStudiengängen? Das muss nicht so sein, und das
sollte auch nicht so sein, meinen die Stiftung Mercator und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Genau an diesem Punkt setzte der Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen plus“ an, den sie gemeinsam im Mai 2005 ausschrieben.
Ziel und Hintergrund des
Wettbewerbs
Ziel des Wettbewerbs war es, Studienangebote an
deutschen Hochschulen zu finden, auszuzeichnen
und zu fördern, die den Studierenden überfachliche
Qualifikationen vermitteln, und zwar solche, die
über die Vermittlung reiner Soft Skills (Methoden-,
Selbst- und Sozialkompetenz) hinausgehen. Sie sollten in die Curricula der Studiengänge integriert und
studien- und prüfungsrelevant sein. Gesucht wurden
10
bewusst keine bloßen Konzeptionen solcher Studienangebote, sondern bereits existierende Best-PracticeModelle. Sie sollten bundesweit bekannt gemacht
werden und – idealerweise – andere Hochschulen ermutigen, ähnliche Wege zu gehen. Zu den Anforderungen an die Wettbewerbsbeiträge gehörten klare
Definitionen der Leitideen und Studienziele der beschriebenen Modelle sowie Auskunft über ihre curriculare Verankerung, Interdisziplinarität, Verbindlichkeit, Prüfungsrelevanz, Qualitätssicherung sowie organisatorische Struktur und Ausstattung.12
Hintergrund für die Ausschreibung war die Beobachtung, dass sich gerade im Zuge der Bologna-Reformen in öffentlichen Diskussionen wie in der Praxis
der Hochschulen an vielen Stellen eine Tendenz abzeichnete, überfachliche Schlüsselqualifikationen
auf die sogenannten Soft Skills zu reduzieren. An
vielen Hochschulen sind zudem die Vermittlung von
Soft Skills, aber auch Angebote, die darüber hinausgehen, zum Beispiel inter- und transdisziplinäre
Lehrveranstaltungen oder Studium-generale-Curricula, für die Studierenden nicht verpflichtend, oft unkoordiniert und werden daher von vielen Studierenden, aber auch Lehrenden, im Vergleich zur fachlichen Ausbildung als untergeordnet betrachtet.
Beides, die alleinige Vermittlung von Soft Skills und
die Beliebigkeit vieler Angebote zur Vermittlung
überfachlicher Qualifikationen, wird, wie die Stiftung Mercator und der Stifterverband meinen, „den
umfassenden Anforderungen einer Bildungsgesellschaft nicht gerecht“, und zwar aus zwei Gründen.
Selbst wenn man die Aufgabe von Hochschulen auf
ihren Ausbildungsauftrag reduzierte, griffe ange-
Posterausstellung von Tagungsteilnehmern während der
Tagung „SchlüsselBildung“.
sichts der Entwicklung der globalen Arbeitsmärkte
jede enge Ausrichtung am Arbeitsmarkt zu kurz: Die
Orientierung in wechselnden Arbeitssituationen, auf
internationalen Arbeitsmärkten und in unterschiedlichen Gesellschaften erfordern mehr als Fachwissen
und die Beherrschung von Soft Skills, zumal niemand weiß, wie diese Arbeitsmärkte in fünf oder
zehn Jahren aussehen werden. Wir erwerben nicht
nur stetig neues Wissen, altes verfällt auch schnell –
ganz zu schweigen von anderen Faktoren, die internationale Arbeitsmärkte beeinflussen.13
Das ist aber nur ein Aspekt. In ihren Schulen wie in
ihren Hochschulen bildet eine Gesellschaft – jedenfalls eine demokratische – idealerweise ja nicht allein
anpassungsfähige Arbeitskräfte für (globale) Arbeitsmärkte aus. Vielmehr sollten auch die Hochschulen
– so wie Schulen und andere Ausbildungsstätten –
Menschen befähigen, die gesellschaftlichen Verhältnisse, ob im nationalen oder internationalen Rahmen, aktiv und in verantwortlicher Weise als Bürger
mitzugestalten. Die Fähigkeit zur kompetenten Teilhabe an verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen
wird auch in dem von der OECD initiierten Projekt
DeSeCo (Definition and Selection of Competencies)
als wichtige Schlüsselqualifikation genannt.14 Um
Studierende auf diese Teilhabe vorzubereiten, müs-
sen Hochschulen auch ihre handlungsorientierende
und persönlichkeitsbildende Funktion wahrnehmen.
„Unter ,Schlüsselqualifikationen’“, so hieß es daher
in der Ausschreibung für den Wettbewerb, „verstehen wir alle Kompetenzen, die über die rein fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hinaus Türen aufschließen, Zugänge eröffnen und gesellschaftliche
Teilhabe in einem umfassenden Sinne ermöglichen.“
Ausdrücklich genannt wurden „Orientierungswissen
im Sinne eines Studium generale“ und die „Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion“. Es gehe darum, fachübergreifende Inhalte und Interdisziplinäres in den
Curricula so mit fachlichen Inhalten zu verbinden,
dass „kein oberflächliches und mechanisches Ausbildungskonzept entsteht“.
Die Reaktion auf das Aktionsprogramm war beachtlich: Insgesamt bewarben sich 93 Hochschulen um
die ausgelobten Preisgelder.15 Damit beteiligten sich
knapp 30 % aller Hochschulen, darunter 45 % aller
Universitäten und 41 % aller Fachhochschulen, an
dem Wettbewerb. Unter den 93 Wettbewerbsbeiträgen gab es einen Teil, der den Kriterien der Ausschreibung nicht entsprach. Die Beiträge zeigen
aber, dass an vielen Hochschulen im Zuge der Bologna-Reformen nicht einfach, wie oft befürchtet, den
11
DER WETTBEWERB
bestehenden Studiengängen die Diplom-/Examenshülle ab- und die Bachelor-/Masterhülle übergestreift wird. Das entspricht auch dem Ergebnis von
Erhebungen des BMBF: Danach ist über die Hälfte
der Bachelor- und Master-Studiengänge an deutschen Hochschulen völlig neu entwickelt worden,
und die übrigen sind aus der inhaltlichen und strukturellen Reform vorhandener Studiengänge hervorgegangen. Ein wesentlich höherer Anteil der deutschen Hochschulen als bislang angenommen bemüht
sich demnach um grundlegende Reformen ihrer Studiengänge und um die Vermittlung überfachlicher
Qualifikationen. Insofern zeigten sich die Mitglieder
der Jury für den Wettbewerb insgesamt beeindruckt
von der Spannbreite und Vielseitigkeit dessen, was
in dieser Hinsicht an den deutschen Hochschulen
geschieht. Allerdings merkten sie auch an, dass manches erst in den Anfängen steckt und dass vielfach
doch noch eher mechanische Ausbildungskonzepte
bestehen. Stellungnahmen von Jurymitglieder finden
sich im zweiten Kapitel.
Die Hochschulen im Finale
Die Jury bestand aus sechs Vertretern von Hochschulen (Christian Brei, Elmar Lampson, Jörn Rüsen, Ulrich Schreiterer, Sascha Spoun und Elsbeth
Stern) und drei Consulting Spezialisten aus dem
Personalberatungsbereich (Johanna Dahm, Norbert
Hofstetter und Monika Scheddin).16 Sie wählte zehn
Finalisten aus, die ihre Modelle auf einer öffentlichen Jurysitzung am 7. März 2006 präsentierten.
Auf der Grundlage der schriftlichen Anträge und der
Präsentationen wurden dann fünf Preisträger bestimmt. Je 100.000 Euro erhielten die Ruhr-Universi12
tät Bochum, die Jacobs University Bremen (zum Zeitpunkt des Wettbewerbs noch International University Bremen), die Universität der Bundeswehr München und die Universität Witten/Herdecke. Mit einem Sonderpreis von 50.000 Euro wurde die Initiative Femtec. Hochschulkarrierezentrum für Frauen
Berlin ausgezeichnet. Unter den Finalisten waren
außer den Preisträgern die Universität Erfurt, die
Carl von Linde-Akademie an der TU München, die
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt NürtingenGeislingen, die Bucerius Law School und die Leuphana Universität Lüneburg (damals noch Universität Lüneburg). Die Preisträger, aber auch andere geladene Teilnehmer, konnten ihre Modelle auf der Abschlusstagung „SchlüsselBildung“ im September
2006 der Öffentlichkeit vorstellen.
In die Endausscheidung des Wettbewerbs gelangte
eine recht heterogene Gruppe: neun Hochschulen,
sechs staatliche und drei private und ein überuniversitäres Public-Private-Partnership-Netzwerk (Femtec).
Sowohl die privaten als auch die staatlichen Hochschulen haben jeweils sehr unterschiedliche Profile:
An der Universität Witten/Herdecke stehen die humanmedizinische und zahnmedizinische Ausbildung
im Zentrum, die Bucerius Law School bildet künftige Juristen mit einem Schwerpunkt auf wirtschaftlichen Kenntnissen aus, an der Jacobs University Bremen kommen 80 % der Studierenden aus dem Ausland, und die Unterrichtssprache ist durchgängig
Englisch. Gemeinsam sind allen drei Einrichtungen
niedrige Studierendenzahlen – gut 500 an der Bucerius Law School und um die 1.000 in Witten/Herdecke und in Bremen – und die entsprechenden guten
Betreuungsrelationen zwischen Studierenden und
Lehrenden.
Unter den staatlichen Hochschulen finden sich eine
Fachhochschule (Nürtingen-Geislingen), eine staatliche Universität mit einem geistes- und kulturwissenschaftlichen Schwerpunkt (Erfurt) – beide mit
um die 4.000 Studierenden –, eine Universität der
Bundeswehr mit 3.000, eine Technische Universität
mit 20.000 Studierenden sowie eine kleine (Lüneburg) und eine große Massenuniversität (Bochum)
mit 10.000 bzw. 30.000 Studenten. Das überuniversitäre Femtec-Netzwerk ist darauf spezialisiert, junge überdurchschnittlich begabte Frauen – Schülerinnen und Studierende – für natur- und technikwissenschaftliche Studiengänge zu gewinnen bzw.
während des Studiums in ihren Karrieremöglichkeiten zu fördern. Das Netzwerk hatte bis 2007 insgesamt 340 junge Frauen betreut. Eine ausführliche
Beschreibung aller Programme findet sich im dritten und vierten Kapitel.
So unterschiedlich wie die Einrichtungen selber, so
unterschiedlich sind auch die Programme zur Vermittlung überfachlicher Qualifikationen. An zwei
Hochschulen – Bremen und Nürtingen-Geislingen –
gibt es keine separaten institutionell verankerten
Programme. Vielmehr werden überfachliche Qualifikationen innerhalb der einzelnen Fachstudiengänge
vermittelt. Sechs Hochschulen haben ein eigenes
Programm: Bochum den Optionalbereich, die Universität der Bundeswehr das Studium plus, die TU
München die Carl von Linde-Akademie, die durch eine Kombination von staatlichen und privaten Mitteln
finanziert wird, die Bucerius Law School das Studium generale, Erfurt das Studium Fundamentale
und Berufsfeld und Witten/Herdecke das Studium
fundamentale, das im Unterschied zu den anderen
Universitäten als eigene Fakultät existiert.
Einen ganz neuen Weg geht die Universität Lüneburg: Zum Zeitpunkt des Wettbewerbs waren dort
noch General Studies im Aufbau, ein Programm, das
nur noch bis 2010 läuft. Seit 2007 wird es durch die
Einrichtung eines Colleges17 für das Bachelor-Studium und durch ein neues einheitliches Studienmodell, den Leuphana Bachelor, sukzessive abgelöst.
Teil des Bachelors sind ein gemeinsames erstes Semester für alle neuen Studierenden und, vom zweiten Semester an, ein Komplementärstudium.
Was sind Schlüsselkompetenzen?
Und welcher bedarf es?
Die Finalisten benennen die Schlüsselkompetenzen,
die sie für notwendig halten und neben Fachkompetenz vermitteln wollen, in ihren Wettbewerbsbeiträgen im Einzelnen unterschiedlich und ordnen sie
auch unterschiedlichen Vermittlungsbereichen zu.
Man kann aber keinesfalls sagen, dass jede Universität unter Schlüsselqualifikationen etwas anderes verstünde.18 Alle Finalisten und viele der anderen Wettbewerbsbeiträge unterscheiden zwischen Schlüsselqualifikationen im engeren Sinne, meist Soft Skills
genannt, und Schlüsselqualifikationen im weiteren
Sinne, die in den meisten Fällen als Handlungskompetenz(en) definiert werden. Zu den Soft Skills zählen alle Finalisten Methodenkompetenzen, Selbstoder personale Kompetenzen und sozialkommunikative Fähigkeiten. Methodenkompetenz beinhaltet
Kenntnisse und Fähigkeiten wie Analysefähigkeit,
Denken in Zusammenhängen, abstraktes und vernetztes Denken und Problemlösungsfähigkeit. Zu
den Selbstkompetenzen bzw. personalen Kompetenzen zählen Selbstständigkeit, Flexibilität, Motivation,
13
DER WETTBEWERB
Ausdauer, Engagement, das Umgehen mit Unsicherheit, aber auch Selbstorganisationsfähigkeiten wie
zum Beispiel Zeitmanagement usw. Soziale Kompetenzen bezeichnen Kommunikationsfähigkeit, Kooperations- und Teamfähigkeit, Führungskompetenz,
Konfliktfähigkeit, Einfühlungsvermögen.
Manche Finalisten rechnen Fremdsprachenerwerb
und interkulturelle Kompetenz oder Präsentationstechniken zu den sozialen Kompetenzen und Lernund Arbeitstechniken zu den Methodenkompetenzen, andere sehen in ihnen eher allgemeines Grundwissen. Angesichts der Fülle unterschiedlicher Definitionen von Schlüsselkompetenzen, die es gibt, ist
das nicht erstaunlich und wahrscheinlich auch nicht
entscheidend. Viel wichtiger ist, dass in vielen Universitäten „angekommen“ ist, dass die Vermittlung
solcher Schlüsselqualifikationen zu ihren Aufgaben
gehört – zum Teil, weil einige davon nicht mehr in
den Schulen vermittelt werden; zum Teil, weil in den
letzten Jahren neue dazu gekommen sind, deren Beherrschung von Berufsanfängern erwartet wird, und
zum Teil, weil ohne solche Schlüsselqualifikationen
im engeren Sinne kein Fachwissen erfolgreich vermittelt und damit kein Studium erfolgreich absolviert werden kann, und schon gar nicht in den neuen Studiengängen mit ihren kurzen Regelstudienzeiten.
Die Finalisten und die Mehrzahl der Hochschulen,
die am Wettbewerb teilgenommen haben, betonen,
dass angesichts der rasanten und tief greifenden Veränderungen von Arbeitsmärkten und Lebensumfeldern im Gefolge der Globalisierungsprozesse die Ergänzung der Vermittlung von fundiertem Fachwissen und von fachspezifischen Methoden durch die
14
zusätzliche Vermittlung von Soft Skills für die Berufsbefähigung von Studierenden bei Weitem nicht
ausreicht. Sowohl wissenschaftliche Forschung als
auch die Arbeit in anderen Berufsfeldern findet zunehmend in interdisziplinären, internationalen und
sich rasch ändernden Kontexten statt. Eine Definition fachlicher Kompetenz schließt heute das Verständnis für die Methoden und Denkweisen anderer
Fächer und die Fähigkeit, von der Warte anderer
Disziplinen die eigene (selbst-)kritisch reflektieren zu
können, ein. Zu fachlicher Kompetenz gehört auch
die Fähigkeit, über disziplinäre Grenzen und über
die Grenze von Wissenschaft insgesamt hinweg und
in andere Bereiche (Gesellschaft, Politik, Wirtschaft)
hinein kommunizieren zu können.
Das erfordert hohe Flexibilität, Mobilität, aber auch
interkulturelle Sensibilität in fast allen Lebensbereichen. Dafür brauchen Menschen zusätzlich zu Soft
Skills vor allem Handlungskompetenz. In den Definitionen von Handlungskompetenz, die die Finalisten
in ihren Wettbewerbsbeiträgen geben, lässt sich die
der Kultusministerkonferenz der Länder wiederfinden: Handlungskompetenz wird verstanden „als die
Bereitschaft und Fähigkeit des Einzelnen, sich in gesellschaftlichen, beruflichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und
sozial verantwortlich zu verhalten“ .19
Der Aspekt individueller und sozialer Verantwortlichkeit spielt in allen Beiträgen der Finalisten eine
große Rolle. Sie wollen ihre Studierenden dazu befähigen, stets die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Folgen ihres Tuns mit im Blick zu haben und, wenn nötig, auch unbequeme Positionen
zu vertreten – ob im Berufsleben oder in anderen
Ergebnisse eines der Workshops
auf der Tagung „SchlüsselBildung“.
gesellschaftlichen Zusammenhängen. Im Wettbewerbsbeitrag der Hochschule Nürtingen-Geislingen
ist ausdrücklich von „Querdenkern“ die Rede. Aber:
Wie erwirbt man nun die nötigen Kenntnisse und
das nötige Urteilsvermögen, um die Art von Handlungskompetenz zu entwickeln, die eine verantwortliche Partizipation an allen gesellschaftlichen Bereichen erlaubt?
Die meisten Finalisten halten eine umfassende Allgemeinbildung für wichtig, zu der Kenntnisse der Geschichte und Strukturen anderer Gesellschaften gehören. Zudem sind Kenntnisse unterschiedlicher disziplinärer wie kultureller Denk- und Wertsysteme
und die Auseinandersetzung mit ihnen (in manchen
Anträgen: „Orientierungswissen“) erforderlich. Voraussetzungen dafür sind reflexive und kommunikative Fähigkeiten sowie die Fähigkeit zu grenzüberschreitendem Denken im weitesten Sinne. Im Antrag
der Jacobs University Bremen werden zu den Handlungskompetenzen ausdrücklich „staatsbürgerliche“
oder „weltbürgerliche“ Kompetenzen“ („global citizenship“) gezählt. Die Befähigung ihrer Studierenden zu gesellschaftlicher Verantwortung und gesellschaftlichem Engagement ist auch für andere Finalisten wichtig. Gemeinsam ist allen Finalisten – im
Unterschied zu manchen anderen Wettbewerbsbeiträgen –, dass sie der Auffassung sind, dass die Art
von Handlungskompetenz, die sie fördern wollen,
nur dann entstehen kann, wenn während des gesamten Studiums das stattfindet, was im Antrag der Jacobs University Bremen „Entwicklungsbildung“ genannt wird.
Dass Universitäten nicht nur Fachkräfte für die Wirtschaft ausbilden, sondern auch mündige Bürger, die
zur produktiven und konstruktiv-kritischen Gestaltung der Gesellschaft fähig sind, ist nicht neu. Diese
Gedanken spielten schon bei der Reform des Bildungswesens in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der alten Bundesrepublik
eine zentrale Rolle. Auch damals waren, wie heute,
in erster Linie wirtschaftliche Überlegungen von Bedeutung: Der „Sputnik-Schock“, das heißt die Angst
vor der wissenschaftlich-technischen Überlegenheit
des Ostblocks gegenüber dem Westen, aber auch der
in Deutschland damals immer spürbarere Mangel an
Fachkräften waren entscheidende Faktoren bei den
Anfang der 60er-Jahre dafür entwickelten Plänen,
die bestehenden deutschen Universitäten zu reformieren und neue „Reformuniversitäten“ zu
gründen.20 Interdisziplinarität war damals bereits ein
15
DER WETTBEWERB
wichtiges Konzept, auch wenn es in der Folge nicht
in vergleichbarer Weise verwirklicht wurde wie seit
den 90er-Jahren.
Seit Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre traten eine Zeit lang auch gesellschaftspolitische Erwägungen hinzu: Zur demokratischen Aufbruchstimmung zu Zeiten von Großer Koalition und Sozialliberaler Koalition gehörte auch, bis dahin bildungsfernen Schichten gleiche Chancen auf Ausbildung und
Bildung und damit auf soziale Mobilität einzuräumen. Aus dem Kreis der Finalisten gehört die RuhrUniversität Bochum (gegründet 1965) in beide Phasen, die damalige und die heutige. Die Universität
der Bundeswehr (gegründet 1974) sollte einerseits
qualifizierte Offiziersanwärter ausbilden, die aber andererseits „Bürger in Uniform“ sein sollten. Die Universität der Bundeswehr München – und nicht die
Universität Witten/Herdecke, wie viele glauben – ist
daher auch die erste Universität, die konsequent „erziehungs- und gesellschaftswissenschaftliche Anteile
(EGA)“ in ihre Studiengänge integrierte.
Unterschiede zwischen den damaligen Reformzielen
und den heutigen bestehen einerseits in der konsequenten Durchsetzung von Inter- und Transdisziplinarität in Forschung und Lehre und in der Internationalisierung der Hochschulen. Das ist oft bemerkt
worden. Ein weiterer Unterschied zwischen den damaligen Reformzielen und den heutigen – obwohl
damals wie heute „Bildungsreserven“ mobilisiert
werden sollten bzw. sollen – ist der marginale Charakter, den heute das Konzept von „Chancengleichheit“ beim Zugang zu Bildung spielt. Es lässt sich
zwar versteckt darin wiederfinden, dass zum Beispiel
die Privatuniversitäten unter den Finalisten Finan16
zierungshilfen für begabte Studierende anbieten, die
sich das Studium an diesen Universitäten sonst nicht
leisten könnten. Im Zusammenhang mit der viel angesprochenen Befähigung zu „gesellschaftlicher Teilhabe“ wird „Chancengleichheit“ aber nicht thematisiert, und auch von „Bildung als Menschenrecht“,
das allen zusteht, ist selten die Rede.
Im Hinblick auf das ihren Bildungszielen zugrunde
liegende Bildungsverständnis berufen sich einige
Universitäten in ihren Wettbewerbsbeiträgen direkt –
so die Jacobs University Bremen und die Bucerius
Law School – auf Wilhelm von Humboldt. Andere
Universitäten beziehen sich explizit (z. B. Lüneburg)
oder implizit (z. B. Witten/Herdecke) auf einen allgemeinen humanistischen Bildungsbegriff. Sieht man
sich die Bildungsziele und die Programme zur Vermittlung überfachlicher Schlüsselqualifikationen genauer an, kann man jedoch den Eindruck gewinnen,
dass einige – nicht alle – Hochschulen versuchen,
Humboldt von „den Füßen auf den Kopf“ zu stellen.
Es wird nicht ganz deutlich, ob Ausbildung tatsächlich als Teil von Bildung betrachtet wird, die ihrerseits keinem Nützlichkeitszweck, sondern der vollen
Entfaltung des Individuums dient. Statt dessen
scheint Bildung umgekehrt zum Teil von Ausbildung
zu werden: als „kulturelles Kapital“ (Pierre Bourdieu), das in bestimmten Kontexten Zugang zu Führungspositionen ermöglicht.21 Über das Verhältnis
von Ausbildung zu Bildung wird auch öffentlich
noch zu wenig diskutiert.
Alle Finalisten und viele der am Wettbewerb beteiligten Hochschulen haben in ihren Programmen den
interdisziplinären Dialog innerhalb verschiedener
Geistes- und Kulturwissenschaften, innerhalb ver-
schiedener Naturwissenschaften und darüber hinaus
auch zwischen Geistes- und Naturwissenschaften verankert, wenn auch nicht alle so konsequent wie die
Jacobs University Bremen. Dort muss jeder Undergraduate-Student der School of Engineering and
Science während seines Studiums eine bestimmte
Anzahl regulärer Kurse der School of Humanities
and Social Sciences besuchen und umgekehrt. Andere Hochschulen bieten in den jeweiligen Bereichen
zusätzliche spezielle Veranstaltungen für die jeweils
fachfremden Studierenden an.
Die Universität Witten/Herdecke war die erste Universität, die dem interdisziplinären Dialog zwischen
den Natur- und Geisteswissenschaften im Studium
Fundamentale eine dritte Komponente hinzugefügt
hat: die Vermittlung ästhetischer Kompetenz. Kunst
wird den Studierenden dabei ausdrücklich nicht als
additives „kulturelles Kapital“ angeboten, sondern
als eine Form der Weltaneignung, die von der wissenschaftlichen unterschieden, ihr aber dennoch
prinzipiell gleichwertig ist. Im Bereich der „künstlerischen Kompetenz“ sollen die Studierenden die
Möglichkeit haben, eigene Erfahrungen mit künstlerischen Prozessen zu machen, weil diese als zentral
für die menschliche Identitätsbildung und Weltaneignung gesehen werden – und nicht, weil die Begegnung mit Kunst und eigene künstlerische Betätigung Kreativität, Innovationsfähigkeit und andere
„nützliche“ Fähigkeiten fördert.
Inzwischen haben die Universitäten Erfurt und
Lüneburg „Ästhetisches Wahrnehmungsvermögen“
bzw. die „Perspektive Kunst und Ästhetik“ in ihr
Studium Fundamentale (Erfurt) bzw. ihr Komplementärstudium (Lüneburg) integriert, und an der
Bucerius Law School gehört der Bereich „Kunst &
Kultur“ zu den fünf Ausbildungsbereichen des Studium generale. Dabei hat auch das Wittener Modell
Pate gestanden. Nicht alle diese Hochschulen vertreten aber die Bedeutung von ästhetischer Wahrnehmung als einer der geistes- und naturwissenschaftlichen gleichberechtigten mit solcher Konsequenz wie
die Universität Witten/Herdecke. Die Leuphana Universität Lüneburg kommt von ihrem Bildungsverständnis her dem Witten/Herdecker Modell am
nächsten, auch wenn sie ein ganz anderes Organisationsmodell gewählt hat.
Auf vollkommen andere Weise als alle anderen Finalisten hat sich die Hochschule Nürtingen-Geislingen
der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen gewidmet. Eine ihrer zentralen Fragen war die nach der
Quantifizierbarkeit und Messbarkeit des Erwerbs
von Schlüsselkompetenzen. Im Zusammenhang mit
der Einführung eines Pilotstudiengangs Volkswirtschaftslehre in den 90er-Jahren hat sie auf der
Grundlage eines transdiziplinären Modells sozialer
Systeme einen Ansatz Systemische Entwicklung
Systemischer HandlungsKompetenz (HK2S) entwickelt, der ihrer Meinung nach u. a. die Möglichkeit bietet, Fortschritte im Erwerb von Schlüsselqualifikationen zu messen.
Von der Frage, welche „Schlüsselqualifikationen
plus“ Hochschulen heute vermitteln sollten, ist die
Frage, wie das am besten geschieht, nicht zu trennen. Antworten der Finalisten darauf finden sich
außer in ihren Beiträgen auch im „Fazit“.
17
DER WETTBEWERB
Begründung für die Auszeichnungen
Die Jury kam zu dem Ergebnis, dass bei den Programmen der Finalisten und der Preisträger weitere
Verbesserungen möglich wären. Sie fand aber die jeweils beschrittenen Wege überzeugend. Die Ruhr-Universität Bochum wurde vor allem deshalb ausgezeichnet, weil sie zeigt, dass es möglich ist, auch an einer
staatlichen Massenuniversität die Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen erfolgreich zu verankern.
Die Universität der Bundeswehr München beeindruckte durch ihr lange bestehendes integrales Begleitstudium für überfachliche Qualifikationen und
durch ihr Trainingsangebot für die Lehrenden. Das
Studium fundamentale der Universität Witten/Herdecke wurde wegen seiner Ausdifferenziertheit und
wegen der eigens dafür eingerichteten Fakultät ausgezeichnet. Am Modell der Jacobs University Bremen
lobte die Jury vor allem die intensive Einbeziehung
der Studierenden in die selbstverantwortliche Gestaltung des Hochschullebens. Der Sonderpreis ging deshalb an Femtec, weil es sich bei diesem Netzwerk um
eine in Deutschland einzigartige Public-Private-Partnership Technischer Universitäten und führender
Technologieunternehmen zur Förderung von Frauen
in den Natur- und Ingenieurwissenschaften handelt.
Die von der Jury ausgezeichneten Universitäten nutzen die Preisgelder zum weiteren Ausbau ihrer Programme. Ein wichtiges Ergebnis des Wettbewerbs
besteht darin, dass auch viele der nicht prämierten
Hochschulen ihre Teilnahme am Wettbewerb als Erfolg gesehen haben. Für sie hat die Teilnahme offensichtlich dazu geführt, den eigenen Standort noch
einmal zu überdenken, zu überprüfen und in Teilen
neu zu definieren.
18
Solche Denkanstöße auch an anderen Hochschulen
zu fördern, ist ein Ziel der hier vorgelegten Dokumentation. Sie ist als Information und Handreichung
für Universitäten gedacht, die die Einführung eigener Modelle zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen planen; für Studierende, die sich über Studienmöglichkeiten informieren möchten, und für alle,
denen die deutschen Universitäten wichtig sind und
die daran mitwirken möchten, andere als formale
Kriterien und andere als reine Nützlichkeitsinteressen in die deutsche Bildungsdebatte einzubringen.
Sie möchte Reformern Mut machen und zeigen, dass
es auch in Zeiten der Globalisierung möglich ist,
Berufsbefähigung und Persönlichkeitsbildung miteinander zu verbinden, und zwar an privaten und an
staatlichen Universitäten, ja sogar an großen
Massenuniversitäten.
Sie will – in anderen Worten – dazu anregen, genau
das zu tun, wozu die Finalisten im Wettbewerb ihre
Studierenden befähigen wollen: darüber nachzudenken, welches die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen von hochschul- und wissenschaftspolitischen Entscheidungen sind oder sein können, sich in die Entscheidungsprozesse verantwortungsvoll einzubringen und die Reformprozesse aktiv
mitzugestalten. So könnten die Universitäten Unterstützung in den Reformprozessen finden, in denen sie
ein neues Gleichgewicht zwischen Beharrungsvermögen und Wandlungsfähigkeit finden müssen.
Zum Aufbau dieser Dokumentation
Im Anschluss an diesen vergleichenden Überblick
zum Wettbewerb finden sich im zweiten Kapitel
Abschließende Podiumsdiskussion während der Tagung „SchlüsselBildung“.
biografische Angaben zu den Jurymitgliedern
sowie Stellungnahmen von Jurymitgliedern zum
Wettbewerb, zum Thema Schlüsselqualifikationen
und zur Aufgabe von Universitäten in unserer
Gesellschaft.
Im dritten Kapitel werden die Preisträger und im
vierten die weiteren Finalisten vorgestellt. Die Darstellungen sind jeweils in zwei Teile gegliedert: einen
kürzeren ersten, in dem Hintergrundinformationen
über die Hochschulen bzw. Initiativen gegeben werden, und einen zweiten, der Informationen über die
Einrichtungen zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen enthält. Die Informationen des ersten Teils
sind allgemeine zu den Hochschulen, die des zweiten folgen den damaligen Wettbewerbsbeiträgen, aus
denen alle Zitate stammen. Alle Texte des dritten
und vierten Kapitels sind den betreffenden Universitäten bzw. dem Femtec-Network vorgelegt und mit
ihnen abgestimmt worden.
Weil die Jury entschieden hat, zwischen den Preisträgern keine gestuften Preisgelder zu vergeben, stellte
sich die Frage nach der Reihenfolge, in der die Modelle beschrieben werden. Um jedes Missverständnis über
ein eventuelles informelles Ranking zu vermeiden, ist
ihr Alter als Grundlage dafür gewählt worden.
Das Fazit enthält Hinweise darauf, was sich bei der
Einrichtung von Programmen zur Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen als sinnvoll oder auch nicht
sinnvoll erwiesen hat und auf welche Schwierigkeiten die Einführung neuer Programme noch stößt –
aber auch darauf, wie sie überwunden werden
können.
Im Anhang finden sich Informationen zur Stiftung
Mercator und zum Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft, der Text der ursprünglichen Ausschreibung und eine Liste aller Wettbewerbsteilnehmer. Sie
soll Interessierten die Möglichkeit geben herauszufinden, welche Programme zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen es gibt, möglicherweise sogar in
der Nähe der eigenen Universität, sodass Kontakte
hergestellt werden können. Auf die Nennung von
Kontaktpersonen wird bewusst verzichtet, da in vielen Fällen die Verantwortlichen bzw. die Leitung der
Programme und Einrichtungen wechseln. Über die
Webseiten der Universitäten lassen sich zudem sehr
schnell die aktuellen Kontaktdaten ermitteln.
19
DER WETTBEWERB
Anmerkungen
sen von den Prüfungsjahrgängen 2002/2003 knapp 60 % der
Bachelorabsolvent/-innen an Fachhochschulen und knapp 80 %
1
Ein guter Überblick über Geschichte, Ziele und Stand der Um-
derjenigen an Universitäten ein weiteres Studium an ihren BA-
setzung des Bologna-Prozesses findet sich auf der Website
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
Abschluss an.
6
Jan-Martin Wiarda, „Auf der Überholspur“, in DIE ZEIT, Nr. 22,
7
Katja Barthels, „Die Master-Planer. Wie die Hamburger Geis-
24.05.2006.
unter „Bologna-Prozess“ (http://www.bmbf.de/de/3336.php).
Dort lassen sich auch die Texte der Sorbonne- und Bologna-
teswissenschaften auf die neuen Abschlüsse umstellen“, in Die
Deklarationen finden, die Kommuniqués der Nachfolgekonfe-
ZEIT, Nr. 44, 26.10.2006.
renzen und die zweijährlichen gemeinsamen Berichte der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) und des BMBF zum
8
Stand der Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland.
chelor- und Masterstudiengängen für das Sommersemester
Am Ende des Berichts für den Zeitraum 2005–2007 findet
2007 (Statistiken zur Hochschulpolitik l/2007) die Zahl von
sich eine sehr nützliche Linksammlung zu Akteuren und unter-
38 %. http://www.hrk.de/de/download/dateien/HRK_
Statistik-BA_MA_SoSe2007_final.pdf.
schiedlichen Bereichen des Bologna-Prozesses.
http://www.hrk.de/de/download/dateien/HRK_StatistikBA_MA
9
Uwe Jean Heuser und Sascha Spoun, „Studiert, was Ihr
10
http://www.hrk.de/de/download/dateien/
11
Zu den Fachhochschulen siehe auch den in Bezug auf die Zah-
wollt!“, in Die ZEIT, Nr. 18, 27.04.2006.
_SoSe2007_final.pdf
2
Die am 07.07.2008 der Öffentlichkeit vorgestellte Studie
der Hochschul-Informations-System Gmbh (HIS) kann unter
www.his.de heruntergeladen werden.
3
4
HRK_StatistikBA_MA_SoSe2007_final.pdf.
So heißt es im Artikel „Das neue Studium“ im FOCUS, Ausga-
lenangaben nicht mehr aktuellen, aber doch lesenswerten Arti-
be 36, vom 04.09.2006.
kel von Georg Etscheit „Wir haben die Nase weit vorn“ in DIE
2004 und 2006 unterzeichneten auf Initiative der Bundesverei-
ZEIT, Nr. 32, 04.08.2005.
nigung Deutscher Arbeitgeberverbände, des Stifterverbandes
12
Der Wortlaut der Ausschreibung ist im Anhang abgedruckt.
für die Deutsche Wissenschaft, der Bahn AG und des Cen-
13
Siehe dazu auch Uwe Jean Heuser und Sascha Spoun, „Stu-
14
Siehe dazu Rychen, Dominique Simone und Laura Hersh
diert, was Ihr wollt!“, in DIE ZEIT, Nr. 18, 27.04.2006.
trums für Hochschulentwicklung Personalverantwortliche
großer deutscher Unternehmen Erklärungen unter dem Motto:
„Bachelor welcome!“ bzw. „More Bachelors welcome.“
Salganik, Hg., Defining and Selecting Key Competencies:
Dennoch heißt es im gemeinsamem Bericht von BMBF und
Theoretical and Conceptual Foundations, Seattle/Toronto/
Bern/Göttingen: Hogrefe und Huber, 2001.
KMK zur Entwicklung des Bologna-Prozesses im Zeitraum
2005–2007, der Bekanntheitsgrad des BA-Abschlusses
15
Eine Liste aller Hochschulen und Einrichtungen, die am Wett-
16
Nähere Angaben zu den Jurymitgliedern finden sich im zweiten
17
Der Begriff „College“ wird an der Leuphana Universität Lüne-
bewerb teilgenommen haben, findet sich im Anhang.
müsse gesteigert werden, denn die Akzeptanz der BA- und
MA-Abschlüsse in Wirtschaft und Gesellschaft sei noch nicht
Kapitel.
ausreichend. http://www.bmbf.de/pub/nationaler_bericht_
bologna_2007.pdf.
5
20
Die HRK nennt in „Statistische Daten zur Einführung von Ba-
Laut gemeinsamem Bericht von BMBF und KMK zur Entwick-
burg nicht im allgemein üblichen Sprachgebrauch benutzt. Sie-
lung des Bologna-Prozesses im Zeitraum 2005–2007 schlos-
he dazu den Abschnitt über die Universität im vierten Kapitel.
18
So Arno Rolf, „Keine einheitliche Linie“, in DIE ZEIT, Nr. 27,
19
Zum Beispiel zu finden in:
20
Ulrich Schreiterer, ein Mitglied der Jury, vertritt die Meinung,
29.06.2006.
http://www.kmk.org/beruf/rlpl/rlpmid.pdf.
dass schon seit Mitte der 1960er-Jahre der Primat der Ausbildungsfunktion der Hochschulen im Verständnis der deutschen
Politik vorherrsche. Ulrich Schreiterer: Politische Steuerung
des Hochschulsystems. Programm und Wirklichkeit der staatlichen Studienreform 1975–1986, Frankfurt a. M.: Campus
1989.
21
Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1982.
21
DIE JURY
2. Die Jury
Neun Juroren aus Wissenschaft und Wirtschaft
sichteten die Wettbewerbsbeiträge, wählten die
Finalisten aus und bestimmten die Preisträger.
Was Schlüsselqualifikationen sind und welche in
Zukunft gebraucht werden – darüber gab es in
der Jury unterschiedliche Auffassungen. Einige
Jurymitglieder haben ihre Positionen für diese
Dokumentation noch einmal zusammengefasst.
22
23
DIE JURY
Die Mitglieder der Jury
Die Jury bestand aus sechs Vertretern von Hochschulen, darunter einem
Studierenden, und drei Consulting und Coaching Spezialisten aus der Wirtschaft.
So unterschiedliche Erfahrungen sie auch mitgebracht haben: Über Grenzen
zu schauen – ob wissenschaftliche, berufliche oder kulturelle – gehört für alle zu
ihrem Arbeitsalltag.
Christian Brei studierte Wirtschaftswissenschaften
an der privaten Universität Witten/Herdecke. Zur
Zeit des Wettbewerbs war er Mitglied des Tönissteiner Studentenforums, Witten. Er arbeitet derzeit als
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Präsidium der Leuphana Universität Lüneburg und als Assistent des
Präsidenten Sascha Spoun. Interessensschwerpunkte sind strategische Unternehmensführung, Organisationsentwicklung und Change Management mit
besonderem Interesse an der Entwicklung ideeller
Organisationen/Not-for-Profit-Organisationen. Seit
2002 führt er freiberuflich Beratungsprojekte durch.
Dr. Johanna Dahm war zum Zeitpunkt der Ausschreibung Geschäftsführerin der Skylight GmbH,
Köln. Sie arbeitet derzeit als Unternehmensberaterin
für Kompetenzmanagement, Talent Management,
Organization & Change Management. Ihre Veröffentlichungen umfassen Themen wie Kompetenzentwicklung, Profiling und Recruiting. Monografien
u. a. Schlüsselkompetenzen der Zukunft (2004) und
Career Lounge (2005).
Norbert Hofstetter ist seit 1997 geschäftsführender
Gesellschafter des Trainings- und Beratungsunternehmens result. learning & transfer. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre war er zunächst
als Management- und Strategieberater bei führenden
Unternehmensberatungsgesellschaften sowie in in24
ternationalen Industrie- und Handelsunternehmen
tätig. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen im Top
Executive Coaching, in der strategischen Begleitung
von Veränderungsprojekten und im Bereich Kundenmanagement. Norbert Hofstetter hat derzeit
(2007/2008) an der Ludwig-Maximilians-Universität
München einen Lehrauftrag zum Thema „Team“ im
Rahmen der Ausbildung von Assistenten zur Förderung von Schlüsselqualifikationen bei Studenten in
Beratungsprojekten.
Professor Elmar Lampson ist seit Oktober 2004 Präsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Er lehrt dort als Professor für Komposition
und Theorie. Vorher war er Dekan der Fakultät für
das Studium fundamentale an der Universität Witten/Herdecke. Dort lehrt er noch Phänomenologie
der Musik. Sein musikalisches Werk umfasst Kammermusik, Solo- und Ensemblewerke, Orchester- und
Chormusik und eine Oper.
Professor Dr. Jörn Rüsen war von 1997–2007 Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen im
Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen. Seit 2007
ist er dort als Senior Fellow Leiter des Projekts „Der
Humanismus in der Epoche der Globalisierung – Ein
interkultureller Dialog über Kultur, Menschheit und
Werte“. Er ist außerdem Professor für Allgemeine Geschichte und Geschichtskultur an der Universität Wit-
ten/Herdecke. Zu seinen Publikationen zählen Zerbrechende Zeit (2001), Geschichte im Kulturprozess
(2002), Kann Gestern besser werden? Essays über
das Bedenken der Geschichte (2003) und Narration –
Interpretation – Orientation (New York 2005).
Monika Scheddin sammelte ihre Erfahrungen als
Managerin in einem japanischen Maschinenbauunternehmen, als geschäftsführende Prokuristin in einem amerikanischen Softwarekonzern und machte
sich 1994 mit der WOMAN’s Business Akademie
GmbH in München selbstständig. Sie ist Autorin von
Erfolgsstrategie Networking (2. Auflage 2005, Verlag Bildung und Wissen) und Trägerin des Trüffelschweinordens am Langen Bande.
Dr. Ulrich Schreiterer studierte Soziologie und Geschichte in Marburg, Bielefeld und an der London
School of Economics. Von 1978 an war er in der
Hochschulentwicklung und -administration tätig als
Planungs- und Rektorreferent an der Universität Bielefeld, Referent und Referatsleiter in der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates und als Projektleiter
beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in
Gütersloh. Arbeitsschwerpunkte sind Governance
und Organisation von Hochschulen, Qualitätssicherung und Forschungsevaluation, Personalpolitik und
Graduiertenförderung, E-learning und Internationalisierung. Vom Herbst 2003 an war er Senior
Research Scholar und Lecturer an der Yale University (USA). In diesem Zusammenhang arbeitete er
mit an strategischen Planungen für internationale
Hochschulkooperationen der Yale University und in
einem von der Hewlett Foundation geförderten Projekt „Global Citizenship“. Er führte Lehrveranstaltungen durch zur Bildungs- und Hochschulsoziologie, Wissen und Gesellschaft und zu soziologischen
Ansichten zeitgenössischer Kunst. Seit Juni 2008 ist
er am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung tätig.
Professor (HSG) Dr. Sascha Spoun (geb. 1969), ist
seit 2006 Präsident der Leuphana Universität Lüneburg. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und
Politikwissenschaften in Ann Arbor, München, Paris
und St. Gallen, wo er für zwei Jahre auch Vorsitzender der Studentenschaft war. Nach seiner Promotion
wurde er zum Dozenten für Betriebswirtschaftslehre
an der Universität St. Gallen gewählt. Seit 2004 lehrte er zudem an der wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Zürich. Von 1999–2006
leitete er an der Universität St. Gallen das Reformprojekt „Neukonzeption der Lehre“, eine fundamentale
Umstellung des Studiums auf Bachelor- und MasterStudiengänge. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene didaktische und organisatorische Innovationen eingeführt. Seit dem 01.10.2006 ist er Gastprofessor für Universitätsmanagement an der Universität
St. Gallen. Seine Forschungsarbeiten widmen sich
dem Public Management sowie Zielen, Inhalten, Methoden und Ergebnissen der Hochschulentwicklung.
Zu seinen Publikationen gehören der Herausgeberband Studienziel Persönlichkeit (Campus 2005) und
das Lehrbuch Erfolgreich Studieren (Pearson 2004).
Professor Dr. Elsbeth Stern ist seit Herbst 2006 ordentliche Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung und Vorsteherin des Instituts für Verhaltensforschung am Departement für Geistes-, Sozialund Staatswissenschaften (D-GESS) der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Ab
1994 war sie Professorin an der Universität Leipzig,
bis sie 1997 an das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin wechselte. In ihren wissenschaftlichen Arbeiten stehen der Erwerb, die Veränderung
und die Nutzung von Wissen im Mittelpunkt. Wie
Wissenstransfer durch den Gebrauch der visuellräumlichen kognitiven Werkzeuge begünstigt werden kann, ist eines ihrer Hauptthemen. In Experimenten sowie in groß angelegten Studien hat sie zudem die Interaktion zwischen Intelligenz und Wissen erforscht. Ihre Forschungsergebnisse sind in
mehr als 100 Aufsätzen veröffentlicht. Sie wurde
u. a. auch durch ihre Kritik an der pseudowissenschaftlichen Vermarktung der Neurowissenschaften
bekannt.
25
DIE JURY
Für ein „Model of
Excellence“ zur Beurteilung
von Schlüsselqualifikationen
Norbert Hofstetter
Als geschäftsführender Gesellschafter eines Trainings- und Beratungsunternehmens, das sich auf die
Entwicklung persönlicher und fachlicher Qualifikationen von Menschen im beruflichen Kontext spezialisiert hat, stehe ich bei unseren Kunden und Auftraggebern immer wieder vor der Herausforderung,
den Erfolg unserer Qualifizierungsmaßnahmen darzustellen. Die Messbarkeit der Bedeutung und der
Wirkung sogenannter „soft facts“ ist angesichts betriebswirtschaftlicher Effizienzideale eine zentrale
Anforderung der Führungsverantwortlichen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Vor diesem Erfahrungshintergrund wollte ich als
Mitglied der Jury im Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen plus“ ein systematisches Bewertungsraster
für die Beurteilung der teilnehmenden Universitäten
einführen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Walter
26
Lieberei hatte ich ein „Model of Excellence“ entwickelt, das anhand von acht Bewertungsmodulen
(z. B. Verständnis von Schlüsselqualifikationen, Inhalte und Studienziele, adäquate Lehr- und Vermittlungsformen usw.) die Einordnung der Anträge nach
dem „Überwiegend-Prinzip“ in vier Exzellenzklassen
vorsah. Anhand klar definierter Erfüllungskriterien
zu jedem Bewertungsmodul konnten jeweils bis zu
vier Punkte vergeben werden, die sich zu einer Gesamtbewertung addierten. Leider fand ich im Kreis
meiner Jurykollegen keine mehrheitliche Zustimmung für die Anwendung dieses Bewertungsrasters.
Nichtsdestotrotz scheint mir die Einführung und Anwendung einer derartigen Bewertungssystematik bei
der Beurteilung komplexer Wettbewerbsbeiträge äußerst hilfreich und zielführend. Denn sie bietet optimale Transparenz hinsichtlich der Beurteilungskriterien und ist damit sowohl eine gute Grundlage für
„Die Messbarkeit der Bedeutung und der Wirkung
sogenannter ,soft facts‘ ist angesichts betriebswirtschaftlicher Effizienzideale eine zentrale
Anforderung der Führungsverantwortlichen in
Wirtschaft und Gesellschaft.“
die Diskussionen in der Jury als auch für die spätere
Nachvollziehbarkeit der Urteilsfindung. Zudem gibt
ein abgestimmtes „Model of Excellence“ klare Auskunft und Orientierung darüber, welche Vorstellungen über Best Practice für die Jury und damit für
den gesamten Wettbewerb ausschlaggebend waren.
In der Weiterführung dieses Gedankens lässt sich
auf der Basis eines „Model of Excellence“ – analog
zu ähnlichen Rastern für den mathematischen und
sprachlichen Bereich – auch für Schlüsselqualifikationen an Hochschulen ein skaliertes Kompetenzmodell entwickeln, das gleichzeitig als Messmodell für
langfristige Benchmark-Studien dienen kann. Der
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft kann
hier wegweisend die Initiative ergreifen. Die Diskussion dazu sei hiermit eröffnet.
27
DIE JURY
Die Bedeutung ästhetischer
Wahrnehmung
Elmar Lampson
Als ich gefragt wurde, ob ich bereit wäre, Mitglied der
Jury im Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen plus“
zu werden, habe ich gern zugesagt: Aus der Tradition
Witten/Herdeckes mit dem Studium fundamentale
kommend, war ich auf die Wettbewerbsbeiträge ebenso gespannt wie auf die Diskussionen mit den anderen Jurymitgliedern, zu denen ja neben Hochschullehrern auch Fachleute aus der Wirtschaft gehörten.
Der Wettbewerb hat viele meiner Eindrücke bestätigt.
Ungefähr 90 Wettbewerbsbeiträge zeigen: Da ist etwas
im Gange in den deutschen Universitäten und Fachhochschulen. Ich war auch beeindruckt von der Vielseitigkeit und Spannbreite dessen, was getan wird.
Allerdings – das ist jedenfalls mein Eindruck – wird
das Thema „Schlüsselqualifikationen“ bei den meisten Hochschulen – genau wie auch in der Öffentlich28
keit – viel zu eng gesehen, nämlich als bloße Ergänzung zu den Fachstudien durch Zusatzqualifikationen wie Kommunikation, Sprachen, Präsentation
oder auch durch die kompensatorische Ergänzung
von „Lücken“ in der vorhandenen Allgemeinbildung.
Die Aufgabe der universitären Ausbildung wird viel
zu oft als die Vermittlung unmittelbar verwertbaren
Wissens betrachtet. Ziel ist die viel zitierte „employability“ der Studierenden, als ginge es in erster Linie
darum, funktionierende Arbeitskräfte für den globalen Arbeitsmarkt auszubilden. Darum geht es natürlich auch, aber jede Ausbildung, die sich darauf beschränkt, ist meiner Meinung nach nicht wirklich zukunftsfähig.
Wir brauchen Menschen, die die nötige Urteilskraft
dafür besitzen, ihr eigenes Leben verantwortlich zu
„Die Aufgabe der universitären Ausbildung
wird viel zu oft als die Vermittlung unmittelbar
verwertbaren Wissens betrachtet.“
gestalten und in der Gesellschaft Verantwortung zu
übernehmen. Das geht nur, wenn Hochschulen ihre
Studierenden dazu ermutigen, persönliche Erfahrungen zu machen, in unterschiedlichen Realitäten
zu denken und zu leben und sich auf einen transdisziplinären Diskurs einzulassen, der es erlaubt, die
eigenen Denkweisen (selbst-)kritisch zu hinterfragen
und – wenn nötig – zu ändern.
Es gab auch unter den Wettbewerbsbeiträgen solche, bei denen dieser Dialog zwischen den Geistesund Naturwissenschaften zustande kommt. Was aber
durchgehend im Wettbewerb fehlte, das sind die
Künste. Leider sind im Bologna-Prozess das wissenschaftliche und das künstlerische Qualifikationssystem völlig getrennte Felder, was die bereits vorhandene Neigung, die künstlerische Erfahrung in den
Hochschulen zu vernachlässigen, weiter verstärkt.
Künstlerische Erfahrung und ästhetische Wahrnehmung gehören aber seit es Menschen gibt zu ihren
Formen der Weltaneignung und -gestaltung. Im Studium fundamentale der Universität Witten/Herdecke, die zu den Preisträgern gehört, spielt deshalb
der immer rätselhafte Bezug zwischen geisteswissenschaftlichen, künstlerischen und naturwissenschaftlichen Denkweisen eine zentrale Rolle. Ich verbinde
mit dem Wettbewerb die Hoffnung, dass er dazu beiträgt, dass wir uns als Gesellschaft wieder stärker
über Bildungsinhalte unterhalten und vor allem die
Bedeutung der ästhetischen Bildung für die Gestaltung unserer Zukunft in den Blick nehmen.
29
DIE JURY
Das nützliche Mehr an
Bildung
Jörn Rüsen
Die Initiative „Schlüsselqualifikationen plus“ greift
ein ungelöstes Problem der universitären (Aus-)Bildung auf. Die Fachstudiengänge vermitteln Fachkompetenz, aber die reicht für die spätere Berufspraxis der Absolventinnen und Absolventen nicht aus.
Sie ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung des beruflichen Erfolges.
Die unterschiedlichen Aktivitäten der Hochschulen,
diese Grenze zu überschreiten und den Studierenden zusätzliche Qualifikationen zu vermitteln, lassen
sich in zwei Kategorien aufteilen. Einmal geht es
vornehmlich darum, berufspraktisch relevante Fähigkeiten studienbegleitend zu vermitteln: Sprachkompetenzen, rhetorische Fertigkeiten, Verhandlungsgeschick, Kenntnisse anderer Kulturen etc. Hier dominiert der Gesichtspunkt der praktischen Verwertbarkeit. Man glaubt, mit solchen Zusatzqualifikationen
die Studierenden optimal für den Arbeitsmarkt fit
machen zu können. Die andere Gruppe geht einen
entscheidenden Schritt weiter. Sie vermittelt auch
diese praktisch verwertbaren Schlüsselqualifikationen, legt aber zugleich Wert auf weitergehende
Kompetenzen. Diese Kompetenzen betreffen das,
was man früher einmal „Bildung“ nannte. Die Stu30
dierenden sollen dazu befähigt werden, ihre Fachlichkeit in größere Kontexte einzuordnen, ihr Studium und ihren Beruf in historische Zusammenhänge
zu rücken und Grundsatzfragen nach Wahrheit, Freiheit und Sinn zu stellen.
Im Hinblick auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes erscheinen solche Kompetenzen als „unnütz“.
Aber genau diese „Nutzlosigkeit“ ist in höchstem
Maße nützlich: Jeder weiß, dass für den beruflichen
Erfolg menschliche Qualitäten (Persönlichkeitsmerkmale) wichtig sind, die sich gar nicht nutzenorientiert definieren lassen. Sie sind nutzlos, so wie
Kunst, Philosophie und auch Religion „nutzlos“
sind. Und doch sind sie es, die die Menschen überhaupt erst zu handlungsfähigen, in sich ruhenden
Persönlichkeiten machen (können).
Genau hier sehe ich einen unaufgebbaren Bildungsauftrag der Hochschulen. Er lässt sich plakativ mit
dem Namen Humboldt verbinden. Es geht aber nicht
darum, einfach bildungsbürgerliche Traditionen inneruniversitär fortzuschreiben, sondern es geht darum, die humboldtsche Bildungsidee in zeitgemäße
Formen zu übersetzen. Das ist die Aufgabe vornehm-
„Jeder weiß, dass für den beruflichen Erfolg
menschliche Qualitäten wichtig sind, die sich
gar nicht nutzenorientiert definieren lassen.“
lich der Kulturwissenschaften in den Hochschulen.
Leider stellen sie sich dieser Aufgabe nur marginal.
Ihr Selbstverständnis als reine Fachdisziplinen steht
der Erfüllung ihrer fundamentalen Bildungsfunktion
hemmend im Wege.
Wenn aber erst einmal deutlich wird, dass sich die
kulturwissenschaftliche Erkenntnis von ihrer eigenen Logik her gar nicht auf ein reines Fachmenschentum hin begrenzen lässt – schließlich geht es
letztlich um „Sinn“ als fundamentale Bestimmungsgröße der menschlichen Kultur –, dann dürfte sich
diese Fachlichkeit öffnen und vertiefen. Dann dürften die Chancen wachsen, dass die Geistes- und Kulturwissenschaften sich fordernd und engagiert in
diejenigen Bildungsanstrengungen der Hochschulen
einbringen, die den Nützlichkeitsgesichtspunkt nicht
außer Acht lassen, aber grundsätzlich überschreiten
– eben dahin, wo es um die Kernkompetenzen geht,
die eine starke Persönlichkeit ausmachen.
Um diese Bildung zu fördern, müssen sich die Geistes- und Kulturwissenschaften mit den Künsten verbinden und Programme entwickeln, in denen ästhetische und kognitive Kompetenzen in wechselseitiger
Anregung im Zentrum stehen. Kreativität, Nachdenklichkeit, die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge
wahrzunehmen und geistig zu durchdringen – kurz:
Sinnkompetenz – kann nur so in ein zukunftsweisendes Bildungskonzept der Hochschulen überführt
werden. Hinzu müsste noch ein neues Verhältnis zur
Praxis kommen. Praxis als Erfahrung und als Anwendungsfeld sollte stärker als bisher integriert werden. Mit ihr öffnet sich der Horizont der Fachlichkeit geradezu automatisch hinein in fundierende
und übergreifende Aspekte.
Die tief greifende Umstrukturierung der Hochschulen, die sich mit dem Begriff „Bologna“ verbindet,
stellt eine Gefahr und eine Chance dar. Die Gefahr
besteht darin, ökonomische Kriterien des Nutzens
zu entscheidenden Gesichtspunkten der Organisation von Forschung und Lehre zu machen und damit
den freien Geist der Wissenschaft zu knebeln. Die
Chance besteht demgegenüber darin, eine pragmatische Rationalisierung der Studiengänge durch die
systematische Vermittlung von Schlüsselkompetenzen zu ergänzen, die dem Menschen, dem Subjekt
als Persönlichkeit, als handlungs- und reflexionsfähigem Individuum, gewidmet sind.
31
DIE JURY
Raum für Erfahrungen
Monika Scheddin
Das Projekt „Schlüsselqualifikationen plus“ stellte
sich für mich als Jurymitglied als sehr spannend heraus. Eigentlich doch einfach: Zu den Schlüsselqualifikationen gehört alles, was übers Fachliche hinausgeht. Wir reden also über sogenannte Soft Skills –
ein Begriff, der häufig schon deshalb mit leicht verächtlicher Miene ausgesprochen wird, weil sich Soft
Skills so schlecht in harten Zahlen messen lassen.
Vier Fähigkeiten sind die Schlüsselqualifikationen:
• die Fähigkeit, angemessen mit Menschen
umgehen zu können;
• die Fähigkeit, Aufgaben und Probleme schlau zu
bewältigen;
• die Fähigkeit, lösungsorientiert und mit Freude
eine Sache durchzuziehen;
• die Fähigkeit, die Dinge tatsächlich zu machen
oder manchmal auch lassen zu können.
32
Theoretisches Wissen allein reicht dafür nicht aus.
Viele Schlüsselqualifikationen lassen sich letztlich
nur über gute oder auch schlechte Erfahrungen gewinnen. Dafür Raum zu bieten, muss auch Aufgabe
von Hochschulen sein.
Interessant waren für mich die sehr unterschiedlichen Interpretationen von „Schlüsselqualifikationen“. Und jede Hochschule hatte hierbei ihre Hausaufgaben gemacht. Faszinierend, wie viel Engagement, überzeugende Ideen und großartige Konzepte
entwickelt wurden: lösungsorientiert, kreativ – ohne
sich lange auf hochschultypische Probleme und Stolpersteine zu konzentrieren.
Und trotzdem bleibt der Eindruck, der ganz große
Wurf gelinge nur dann, wenn Kräfte gebündelt und
Synergien gefunden und gelebt werden. Wenn Mut
„Es bleibt der Eindruck, der ganz große Wurf gelinge nur dann, wenn Kräfte gebündelt und Synergien
gefunden und gelebt werden. Wenn Mut bedeutet,
Gedanken ganz von Neuem zu entwickeln.“
bedeutet, Gedanken ganz von Neuem zu entwickeln.
Wenn „Spinner“ Platz in unserem Alltag finden.
Wenn wir Zeit sowohl nutzen als auch vergeuden
können. Und wenn Worte wie „kühn“ wieder dem
Zeitgeist gefallen.
Eine wichtige Schlüsselfunktion ist es, Wissen und
Möglichkeiten durch gemeinsame Sache zu potenzieren.
33
DIE JURY
Schlüsselblumen
Ulrich Schreiterer
Aus der Ferne der amerikanischen Hochschulwelt
beobachte ich das Interesse der Deutschen an
Schlüsselqualifikationen mit einem lachenden und
einem weinenden Auge. Die „good news“ ist, dass
damit die alte Frage nach den richtigen Zielen, Inhalten und Formen der Hochschulausbildung neu aufgerollt und beantwortet wird. Nicht mehr die Eigenlogik der Wissensproduktion und fachliche Interessen sollen dort den Takt angeben, sondern die Kompetenzen, die Absolventen „im richtigen Leben“
brauchen. Dass sich schon viele Hochschulen auf
den Weg gemacht und allerlei haben einfallen lassen, um ihren Studenten „Schlüsselqualifikationen“
zu vermitteln, ist daher auf den ersten Blick nur erfreulich.
Doch beim näheren Hinsehen beschleicht mich ein
merkwürdiges Unbehagen. Die „bad news“ ist nämlich, dass diese Betriebsamkeit mit vielen Ungereimtheiten einhergeht. Allerorten heißt es, Hochschulen müssten ihre Studenten besser auf berufliche Anforderungen vorbereiten, ihre Selbstverantwortung, Entdeckungsfreude und Tatkraft fördern
und fordern. Aber eigentlich kann niemand genau
sagen, welche fachlichen, sozialen, kognitiven und
persönlichen Qualitäten und Fertigkeiten Ingenieure, Projektmanager, Wissenschaftler, Journalisten
oder Unternehmensberater in zehn oder zwanzig
Jahren besitzen müssen, weil sich das weite Feld
34
der Praxis in rasantem Tempo verändert. Berufsbefähigung ist ein hehres Ziel. Darauf abgestimmte
Lernzielkataloge allerdings sind genauso hilfreich
wie der Katechismus.
Was kann eine Hochschule dazu beitragen, dass ihre
Absolventen „agents of change“ und nicht dessen
Opfer werden? Wie kann sie die schillernden, volatilen Anforderungen des Arbeitsmarktes für Führungskräfte curricular umsetzen und „klein arbeiten“? Die Forderung nach einem Paradigmenwechsel
in der Hochschulausbildung zum „competence based
learning“ ist sicherlich legitim, aber auch ziemlich
unrealistisch und lässt sich nur schwer erfüllen. Ein
griffiges Rezept dafür ist nicht in Sicht. Auf der anderen Seite hat Bildung ihre leitmotivische Kraft verloren, und das alte Modell eines wissenschaftsgeleiteten Studiums ist so weit diskreditiert, dass es außerhalb von Graduiertenkollegs keinen Platz mehr hat.
So stehen Hochschulen im Fadenkreuz widersprüchlicher politischer und wirtschaftlicher Ansprüche,
die mit ihrem Kerngeschäft, dem Umgang mit wissenschaftlichem Wissen, und der darauf aufbauenden Betriebslogik nur schwer kompatibel sind und
ihnen viele Kopfschmerzen bereiten.
An Verunsicherung herrscht da kein Mangel, doch
umso mehr an überzeugenden und vor allem tragfähigen Konzepten für eine neue Hochschulausbil-
„Wer die Kompetenzen von
Absolventen sichern und verbessern will, darf sich nicht mit
Zusatzkursen und Schlüsselqualifikationen von der Stange
zufrieden geben, sondern muss
die Latte für alle deutlich höher
legen, die Hochschulen an
erster Stelle inbegriffen.“
dung. Was läge da näher, als zunächst die überfachlichen, kommunikativen, sozialen, interkulturellen
Kompetenzen der Studenten aufzubretzeln, anstatt
gleich die dicken Bretter zu bohren und reguläre Studiengänge umzukrempeln? Soft Skills und Schlüsselqualifikationen sind die Lieblingskinder symbolischer
Studienreformpolitik. Sie zu lehren kostet vergleichsweise wenig, in jeder Hinsicht. Die Macht der Fächer
bleibt unangetastet, denn ein buntes Potpourri von
Kursen ergänzt deren Angebote lediglich: Eine Prise
Power-Point, ein Modul Wirtschaftsenglisch, eine Exkursion in die Migrantensiedlung, ein bisschen Rhetorik und Projektmanagement, vielleicht noch ein
Schuss Ethik – fertig ist der Schlüsselbund, am besten mit einem Zertifikat als Sahnehäubchen. Ein
Schelm, wer da fragte, wie sich das alles fügt und
was die Studenten damit eigentlich aufschließen können, denn schließlich hat die Hochschule gezeigt,
dass es ihr mit Kompetenzentwicklung ernst ist.
Ist eine solche Sicht der Dinge unfair, zynisch und arrogant? Leider nein, glaube ich. Dabei liegt mir
nichts ferner, als die vielen Schlüsselblümchen pauschal abzutun und ihre aufrichtigen, engagierten Anbieter der Augenwischerei zu bezichtigen. Allerdings
hatte ich nicht damit gerechnet, dass Kurse des soeben beschriebenen Kalibers ein solches Übergewicht
unter den Wettbewerbsmeldungen haben würden.
Selbst wenn die Ausschreibung etwas dazu beigetra-
gen haben mag, dass sich vor allem Zusatzstudien zu
einer Teilnahme aufgefordert fühlten, hat mich dieses
Ergebnis überrascht und ernüchtert. Offenbar verstehen nur ganz wenige Hochschulen – interessanterweise sind es meist private – Schlüsselqualifikationen
als das Produkt eines Bildungsprozesses, der das
ganze Studium umfasst, während die große Mehrzahl
es vorzieht, sie als eine Aufgabenstellung zu definieren, die sich ingenieurmäßig bearbeiten lässt.
Dass die Absolventen einer ehrgeizigen „liberal education“ – die in Eliteunis, aber auch vielen anderen
Hochschulen der USA noch immer und neuerdings
wieder als notwendige Grundlage für jedes berufsorientierte oder fachlich spezialisierte Studium gilt –
kompetenter, fürs Leben besser gerüstet und beruflich erfolgreicher sind als ihre Kommilitonen, die eine schmalere Ausbildung durchlaufen, ist empirisch
nicht zweifelsfrei erwiesen. Aber ich gestehe gern,
dass ich es nach meinen Erfahrungen in den Vereinigten Staaten für hoch plausibel halte, dass eine
Hochschulausbildung auf inhaltliche Breite und eine
„Kultur der Anstrengung“ nicht verzichten kann, ohne Schaden zu nehmen. Wer die Kompetenzen von
Absolventen sichern und verbessern will, darf sich
also nicht mit Zusatzkursen und Schlüsselqualifikationen von der Stange zufriedengeben, sondern
muss die Latte für alle deutlich höher legen, die
Hochschulen an erster Stelle inbegriffen.
35
DIE PREISTRÄGER
3. Die Preisträger
Ausgezeichnet wurden der Optionalbereich an der Ruhr-Universität Bochum, das studium plus an der Universität der Bundeswehr München, das Studium fundamentale
an der Universität Witten/Herdecke und die Jacobs University Bremen gGmbH. Einen
Sonderpreis erhielt Femtec. Hochschulkarrierezentrum für Frauen Berlin GmbH.
36
Besucher in der Posterausstellung während der
Tagung „SchlüsselBildung“.
37
DIE PREISTRÄGER
Schlüsselqualifikationen an
einer Massenuniversität
Der Optionalbereich an der Ruhr-Universität Bochum
I.
Die Ruhr-Universität Bochum (RUB) gehört mit ihren 20 Fakultäten und mehr als 30.000 Studierenden zu den großen deutschen Universitäten. Seit einigen Jahren befindet sie sich in einem umfassenden
Umstrukturierungsprozess. Ihr Ziel dabei ist, in allen
Wissenschaftsbereichen einen Platz unter den zehn
besten Universitäten des DFG-Forschungsrankings
zu erreichen. Für ihre Leistungen ist die RUB in den
vergangenen Jahren verschiedentlich ausgezeichnet
worden. 2006 konnte sie einen besonderen Erfolg
verbuchen: Ihr im Rahmen der „Exzellenzinitiative
des Bundes und der Länder“ gestellter Antrag auf
Einrichtung einer campusweiten Graduiertenschule
wurde positiv beschieden. Anschließend bewarb sich
die RUB in der zweiten Runde der Initiative mit je
einem Vollantrag für die Förderlinien „Exzellenzcluster“ und „Zukunftskonzepte zum projektbezogenen
Ausbau der universitären Spitzenforschung“, über
die im Oktober 2007 entschieden wurde. Für die Reformbereitschaft und Reformfähigkeit der RUB gibt
es – wie bei anderen Hochschulen auch – zahlreiche
38
Gründe. Ein besonderer dürfte jedoch in dem liegen,
was man das „kulturelle Gründungskapital“ der RUB
nennen könnte: Sie wurde 1965 als erste westdeutsche Hochschule nach 1945 eröffnet und war von
Anfang an als moderne Reformuniversität geplant.
Die Erfordernisse von Arbeitsmarkt und internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlangten – so die damalige Meinung der nordrhein-westfälischen Landesregierung und des Gründungsausschusses – vor allem zwei Dinge: Die Verflechtung von Wissenschaften und die Förderung des interdisziplinären Dialogs. Dafür wollte man sowohl eine geeignete innere
Struktur der neuen Universität als auch die entsprechende äußere Gestaltung finden.
So gliederte die RUB als erste deutsche Hochschule
die Ingenieurwissenschaften ein, ersetzte die bis dahin üblichen Fakultäten durch fächerübergreifende
Abteilungen und sah in ihrer ersten Verfassung ein
viertelparitätisch besetztes Universitätsparlament vor.
Auch die Entscheidung für den Bau einer CampusUniversität – der ersten Deutschlands – sollte durch
enge räumliche Nachbarschaft und kurze Wege den
interdisziplinären Dialog erleichtern. Das schloss ausdrücklich Wohnheime für Studierende in Campus-Nähe ein, doch wohnten und wohnen die meisten Studierenden privat, viele (anfangs) bei ihren Eltern und
viele nicht in Bochum selbst. Auch das, was die RUB
später immer wieder als „Beton-Uni“ in Verruf brachte
– die Wahl ihres Baumaterials und die Entscheidung
für Bauten im sogenannten internationalen Baustil –
sollte ebenfalls die Fortschrittlichkeit und Modernität
der neuen Universität zum Ausdruck bringen.
Zu den anfangs überwiegend wirtschafts- und wissenschaftspolitischen Erwägungen im Zusammenhang
mit der Gründung der RUB traten gegen Ende der
60er- und zu Beginn der 70er-Jahre zunehmend gesellschaftspolitische hinzu. Die damals von vielen geforderte Demokratisierung der westdeutschen Gesellschaft „von innen“ schloss die Verbreiterung des Zugangs zu akademischer Ausbildung und Bildung ein,
um soziale Mobilität zu erleichtern. Das schien gerade im Ruhrgebiet von besonderer Dringlichkeit, war
doch die Bildungsferne der dort lebenden Bevölkerung nicht einfach Resultat ihrer sozialen Zusammensetzung, sondern politisch gewollt gewesen. So hatte
Wilhelm II., wie viele im Ruhrgebiet bis heute wissen,
dort aus Angst vor sozialen Unruhen weder Kasernen noch Universitäten geduldet.
II.
Bereits im Wintersemester 1993/94 hatte die RUB
ein „Reformmodell zur Neustrukturierung des Magisterstudiums“ eingeführt, das die Möglichkeit zum
vorzeitigen Bakkalaureus-Artium-Abschluss in zu
Anfang vier, später sechs geisteswissenschaftlichen
Fakultäten vorsah. Angesichts langer Studienzeiten
und einer hohen Studienabbrecherquote besonders
in den Geisteswissenschaften sowie eines sich verengenden Arbeitsmarkts – eine große Rolle spielte
dabei die Einschränkung des Zugangs zum Lehrerberuf – ging es damals vordringlich darum, durch
stärker praxisbezogene Lehrinhalte und -formen die
Chancen von Geisteswissenschaftlern auf dem
Arbeitsmarkt zu erhöhen.
39
DIE PREISTRÄGER
Nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen
mit diesem Reformmodell führte die RUB dann zum
Wintersemester 2001/2002 als erste deutsche Hochschule flächendeckend gestufte Studiengänge in den
Geistes-, Gesellschafts- und Naturwissenschaften ein.
Neben den üblichen Ein-Fach-Bachelor- und -MasterStudiengängen entwickelte sie dabei ein fächerübergreifendes Zwei-Fächer-Bachelor-Master-Programm,
an dem sich alle geistes-, gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächer beteiligen. Von der Möglichkeit, zwei Fächer bis zum Abschluss BA und MA zu
studieren, versprach man sich bessere Chancen der
Absolventen auf dem Arbeitsmarkt. Zur weiteren
Maximierung dieser Chancen wurde zeitgleich ein
fächer- und fakultätsübergreifender Wahlpflichtbereich, der Optionalbereich geschaffen, den inzwischen auch Fächer mit Ein-Fach-Studienabschlüssen
in ihren Studiengängen verankert haben. Der Optionalbereich besteht nicht – das hob die RUB in ihrem
Wettbewerbsantrag besonders hervor – neben und
zusätzlich zu den Fakultäten, sondern ist eine gemeinsame Einrichtung aller an ihm beteiligten Fakultäten. Zur Zeit des Wettbewerbsantrags waren das
14 Fakultäten, und er betreute mehr als 6.000 Studierende.
Die Leitidee des Optionalbereichs war und ist, den
Studierenden zusätzlich zum Fachwissen Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen sollen, ein individuelles Profil im Hinblick auf
das angestrebte Berufsfeld zu entwickeln und zu
schärfen. Neben der Förderung von Selbstmanagementfähigkeiten und der Vermittlung der klassischen
Soft Skills – stark arbeitsmarktbezogener Kompetenzen also – wird auch Orientierungswissen angeboten,
das über einen engen Bezug auf Beschäftigungsbefähigung („employability“) hinausgeht. Die Studierenden sollen nicht nur die Möglichkeit haben, die
Fähigkeit zu entwickeln, sich in einer sich stetig verändernden komplexen (Arbeits-)Welt immer wieder
neu zurechtzufinden. Sie sollen auch die Fähigkeit
(und Bereitschaft) ausbilden, diese (Arbeits-)Welt in
verantwortlicher Weise mitzugestalten. Diesem Ziel
dienen vor allem interdisziplinäre Studieneinheiten.
40
Allerdings müssen diese Einheiten nicht unbedingt
gewählt werden. Insgesamt bietet der Optionalbereich Module in fünf Gebieten an:
1. Fremdsprachen
2. Präsentation, Kommunikation und Argumentation
3. Informationstechnologien
4. Interdisziplinäre Studieneinheiten und/oder
ergänzende Studieneinheiten anderer Fächer
5. Praktikum
Der Optionalbereich ist fest im Zwei-Fächer-Studiengang verankert: Die Studierenden können im
Hinblick auf ihr Berufsziel entscheiden, in welchen
dieser fünf Gebiete sie Kompetenzen erwerben wollen, doch ist die Wahl von mindestens drei der fünf
Gebiete verpflichtend. Von insgesamt 180 Credit
Points, die für die Abschlüsse Bachelor of Arts
oder Bachelor of Science erworben werden müssen, entfallen 30 auf den Optionalbereich. Eines
der Module geht mit 15 % in die Berechnung der
Abschlussnote ein.
Die Module werden von Beginn des Studiums an –
das in Semestern stattfindet – besucht und sind so
angelegt, dass die darin erworbenen Kenntnisse
und Kompetenzen bereits auf die weitere Gestaltung des Fachstudiums angewandt werden können.
Die Lehr- und Vermittlungsformen im Optionalbereich schließen die traditionellen Veranstaltungsformen – Vorlesungen und Seminare – ein. Besonders wichtig sind aber Vermittlungsformen mit einem hohen Anteil von Gruppenarbeit, da bestimmte
Schlüsselkompetenzen nicht einfach theoretisch
gelernt, sondern praktisch eingeübt werden müssen
(z. B. Kommunikations- und Präsentationsformen).
Besonderer Wert wird im Optionalbereich auch auf
die Verzahnung von Präsenzveranstaltungen mit
E-Learning-Angeboten gelegt. Das Lehrangebot
wird durch die einzelnen Fakultäten getragen sowie
durch zusätzliche externe Lehraufträge von Spezialisten und Praktikern (Journalisten, Kommunikationsspezialisten usw.). Es verbindet additive und
integrative Elemente.
Im Optionalbereich gibt es drei institutionelle Einheiten:
1. den „Gemeinsamen Ausschuss für den Optionalbereich“; er setzt sich zusammen aus Mitgliedern der
beteiligten Fakultäten und ist zuständig für das
Lehrangebot und die Qualitätssicherung. Seine
Entscheidungen sind für die Fakultäten bindend.
2. die „Geschäftsstelle für den Optionalbereich“; zu
ihren Aufgaben gehören die Organisation des Lehrangebots, die Mitwirkung bei der Bedarfsermittlung und die administrative Unterstützung bei
Qualitätssicherung und Evaluation. Mit am wichtigsten sind die Beratung und Unterstützung der
Studierenden bei ihrer individuellen Profilbildung,
eine Aufgabe, die weit über die traditionelle Studienberatung hinausgeht.
3. Leiter des Optionalbereichs ist ein Studiendekan,
der Hochschullehrer ist und der den Dekanen der
Fakultäten gleichgestellt ist. Ihm ist die Geschäftsstelle zugeordnet, und er hat den Vorsitz im „Gemeinsamen Ausschuss für den Optionalbereich“.
Für das Personal der Geschäftsstelle (drei Dauerstellen) und für ihre räumliche und technische Ausstattung steht eine zentrale Sockelfinanzierung zur Verfügung, die von den Fakultäten ergänzt wird (studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte und allgemeiner Geschäftsbedarf). Das Lehrangebot wird finanziell
von den beteiligten Fakultäten getragen. Zunächst
wird die Angebotsverpflichtung der einzelnen Fakultäten errechnet. Berechnungsgrundlage sind die in dem
jeweiligen Studiengang zu erbringenden Credit Points
(15 je Fach im Zwei-Fächer-Bachelor-Studium) multipliziert mit der Zahl der Studierenden dieses Fachs
und einer dem Curricularnormwert entsprechenden
Gruppengröße. In dem so ermittelten erforderlichen
Umfang müssen Module in die Gebiete eingespeist
werden. Ein zu geringes Angebot muss durch Lehraufträge ausgeglichen werden. Entscheidend für die
Berechnung der Lehrleistung ist dann nach jedem Semester das von den Fächern tatsächlich geleistete
Lehrangebot im Rahmen von vergebenen Credit
Points, nicht die theoretisch vorgehaltenen Teilnehmerplätze.
Zuständig für die Qualitätssicherung ist der „Gemeinsame Ausschuss für den Optionalbereich“. Das notwendige Instrumentarium dafür stellt ihm die Geschäftsstelle zur Verfügung. Dazu gehört die Durchführung einer systematischen (anonymisierten) Evaluation des Lehrangebots durch Studierende und
Lehrende. Zusätzlich gibt es regelmäßige Stichprobenbefragungen der Studierenden über ihren Studienverlauf. Lehrende aus den zentralen Bereichen der
Universität (z. B. Bibliothek oder Rechenzentrum)
und externe Lehrbeauftragte werden in Bewerbungsverfahren ausgewählt und regelmäßig evaluiert.
Das Preisgeld verwendet der Optionalbereich zur
Profilschärfung seines Angebots, zur Initiierung von
Summer Schools und zum Ausbau seines Beratungsangebots für die Studierenden. Im Frühjahr 2007
fand die erste Summer School mit der Bezeichnung
OptioKompakt statt. In einem überschaubaren Zeitrahmen – einem Monat in der vorlesungsfreien Zeit
– wurden schlüsselkompetenzorientierte Module für
über 500 Studierende angeboten. Innerhalb dieses
neuen Modulkonzeptes stellt die Mitarbeit der Fakultäten einen zentralen Punkt dar, der sich auch im
Thema der ersten Veranstaltungsreihe widerspiegelt:
„Forum RUB – Arbeits-, Lebens- und Kulturraum“.
OptioKompakt ist sowohl von Studierenden wie
auch Lehrenden sehr positiv beurteilt worden und
wurde bereits im Sommersemester 2007 fortgesetzt.
Die Jury des Wettbewerbs sah die besondere Stärke
der RUB darin, dass es dort mit der Einrichtung
des Optionalbereichs gelungen sei, die Vermittlung
von Schlüsselqualifikationen fachübergreifend an
einer staatlichen Massenuniversität zu verankern.
Besonders hervorgehoben wurde die Organisationsform mit Studiendekan, Geschäftsstelle und Gemeinsamem Ausschuss, dem alle beteiligten Fakultäten angehören. Die Juroren waren sich darüber
einig, dass die RUB auf einem guten Weg zu einer
breiten und fundierten Ausbildung ist. Ihre Auszeichnung der RUB wollte die Jury auch als Ermunterung verstanden wissen, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.
41
DIE PREISTRÄGER
Orientierungswissen für
Bürger in Uniform
Das Zentralinstitut studium plus an der Universität der Bundeswehr München
I.
Die Universität der Bundeswehr München (UniBWM)
bildet wie ihre Schwesteruniversität in Hamburg in
erster Linie Offiziersanwärter und (seit 2001) Offiziersanwärterinnen aus, von denen die große Mehrheit – ca. 80 % – nach Ende ihrer Zeitverpflichtung in
zivile Berufe geht. Seit 2001 nimmt sie auch zivile
Studierende auf. An der Universität gibt es sowohl
universitäre (derzeit zehn) als auch Fachhochschulstudiengänge (derzeit drei) in sieben Fakultäten und
drei Fachbereichen. Das Fächerspektrum der Universität ist in erster Linie technikwissenschaftlich geprägt,
doch gibt es daneben einen voll ausgebildeten gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich.
Das Studium ist in Trimester eingeteilt, die Regelstudienzeit beträgt drei Jahre. Die meisten Studierenden
leben in Wohnheimen auf dem Gelände der CampusUniversität. Für die derzeit etwa 3.000 Studierenden
42
stehen mehr als 300 Mitglieder des wissenschaftlichen
Personals zur Verfügung. Im universitären Bereich
werden im Durchschnitt 18 Studierende von je einem
Professor/einer Professorin betreut, im Fachhochschulbereich zwölf. Das Betreuungsverhältnis kommt
damit, wie die Universität hervorhebt, dem nahe, das
an privaten amerikanischen Universitäten üblich ist.
Die Universitäten der Bundeswehr sollten nach dem
Willen ihrer Gründungsväter Reformuniversitäten
sein. Die damalige Sozialliberale Koalition entschloss sich auf Initiative des Verteidigungsministers
und späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt vor
allem aus drei Gründen zur Einrichtung dieser
Hochschulen. Im Zusammenhang mit der demokratischen Aufbruchstimmung Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre hatte sich zunehmend eine Kluft
zwischen der westdeutschen Gesellschaft und der
Bundeswehr aufgetan. In ihrem Selbstverständnis
und der daraus folgenden Praxis der Ausbildung der
Soldaten war das Leitbild des „mündigen Bürgers in
Uniform“ (Wolff Graf von Baudissin) noch nicht umfassend umgesetzt worden. Zudem waren immer weniger qualifizierte junge Männer bereit, sich für längere Zeit als Offiziere bei der Bundeswehr zu verpflichten. Außerdem wollte Helmut Schmidt angesichts der hoch entwickelten technischen Waffensysteme und der zunehmenden (außen-)politischen Bedeutung der Bundeswehr akademisch gebildete und
übergreifend denkende Offiziere. Als Lösung schlug
eine 1970 unter Leitung des Politik- und Verwaltungswissenschaftlers Thomas Ellwein eingesetzte
Bildungskommission vor, eine Hochschulausbildung
in die Offiziersausbildung zu integrieren. Regierung
und Bundestag folgten diesen Vorschlägen und 1973
nahmen die Hochschulen in Hamburg und München
ihren Lehrbetrieb auf. Nur durch die Gründung eige-
ner Universitäten konnte ein zeit- und kostengünstiges Studium in Trimestern und Regelstudienzeit realisiert werden. Die beiden Universitäten der Bundeswehr unterliegen den Hochschulgesetzen der Länder, in denen sie angesiedelt sind. Für sie gilt wie für
die anderen Hochschulen auch die Freiheit von Forschung und Lehre. Die Studien- und Prüfungsordnungen, die Ordnungen für Promotionen und Habilitationen, die Einstellungs- und Arbeitsbedingungen
für die Hochschullehrer usw. sind die gleichen wie
an den Landesuniversitäten.
II.
Um dem Leitbild vom mündigen Bürger in Uniform
gerecht zu werden, wurden von Anfang an an beiden Universitäten der Bundeswehr erziehungs- und
gesellschaftswissenschaftliche Anteile (EGA) in die
Ausbildung der Studierenden integriert und von
43
DIE PREISTRÄGER
einer eigenen Fakultät (Sozialwissenschaften) angeboten. Als jedoch 1988 an dieser Fakultät in München ein eigener Studiengang Staats- und Sozialwissenschaften eingerichtet wurde, wurden für die
Studierenden dieses Studiengangs technikwissenschaftliche Anteile (TA) eingeführt, mit denen sie
sich aus gesellschaftswissenschaftlicher Perspektive
auseinandersetzen sollten. Aus Kapazitätsgründen
wurde außerdem im zweiten und dritten Studienjahr der EGA/TA das Kleingruppenkonzept abgeschafft.
Nicht zuletzt aufgrund der von Wirtschaft und Politik zunehmend geforderten stärkeren Vermittlung
von Schlüsselqualifikationen an den deutschen
Hochschulen hatte es seit Anfang der 90er-Jahre an
der UniBWM immer wieder Initiativen zu einer Reform von EGA/TA gegeben. In den Jahren 2002/
2003 entwickelte dann eine Kommission das Konzept für eine solche Reform, das 2004 von den zuständigen Ministerien genehmigt wurde. Das neue
studium plus, wie es nun heißt, löste im Herbst
2005 das alte Modell ab – ein Prozess, der im Jahr
2007 abgeschlossen wurde. An den Kursen des studium plus nehmen pro Trimester bis zu 3.000 Studierende teil.
Leitideen von studium plus sind – wie die von
EGA/TA – die Entwicklung der Partizipationsfähigkeit der Studierenden, der Berufsfeldbezug des Studiums und die Entwicklung von Schlüsselqualifikationen. Unter Partizipationsfähigkeit wird laut Wettbewerbsantrag der UniBWM „die Fähigkeit zur kompetenten Teilnahme in verschiedenen Bereichen der
Gesellschaft“ verstanden. Zentral dafür ist die Fähigkeit zu „produktiver Selbstreflexion“, das heißt die
Fähigkeit zu beurteilen, ob die eigenen Lösungsansätze einer gegebenen Problemstellung angemessen
sind. Um das zu erreichen, soll studium plus folgende Wissensbereiche vermitteln:
1. Horizontwissen
2. Orientierungswissen
3. Handlungswissen
44
Unter „Horizontwissen“ wird all das verstanden, was
es den Studierenden erlaubt, über den Tellerrand
des erworbenen Fachwissens hinauszublicken und
methodische Ansätze und Modelle fachfremder
Disziplinen kennenzulernen. „Orientierungswissen“
ermöglicht, das erworbene Horizontwissen (selbst-)kritisch zu bewerten und Stellung zu beziehen. Durch
die Auseinandersetzung mit Werten und Wertsystemen soll auch die Toleranz gegenüber anderen Denkweisen gefördert werden. „Handlungswissen“ umfasst
all das, was heute im Allgemeinen unter Soft Skills
verstanden wird, z. B. Teamfähigkeit, Umgang mit
Menschen aus anderen Kulturen, Projektmanagement
etc. Diese werden im studium plus, wie im Wettbewerbsantrag hervorgehoben wird, stets im Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Fundierung
vermittelt. Dabei geht es darum, den Studierenden
fachlich-methodische, personale, sozial-kommunikative und aktivitätsorientierte Kompetenzen zu vermitteln.
Diese Vermittlung verlangt eine teilnehmeraktivierende Didaktik und kleine Lerngruppen. Ein wesentliches Element der Reform war daher die Wiedereinführung des Kleingruppenkonzeptes (maximal 25
Teilnehmer pro Kurs) und ein verstärktes Training
der Lehrenden in Kleingruppenmethoden.
Aus der Definition der genannten drei Wissensbereiche geht bereits hervor, dass der Berufsfeldbezug,
der zu den Leitideen von studium plus gehört, nicht
im Sinne eines engen Arbeitsmarktbezugs verstanden
wird. Vielmehr geht es darum, den Studierenden für
spätere Führungspositionen, aber auch für ihre persönliche Weiterentwicklung „gewinnbringende Erkenntnisse und Kompetenzen über ihr Fachwissen hinaus“ zu vermitteln. Kompetenzerweiterung hat im
studium plus ausdrücklich Vorrang vor dem Erwerb
eines – wie auch immer definierten – Wissenskanons.
Darum werden themen- und problembezogene Veranstaltungen angeboten, die die klassischen Fächergrenzen überschreiten, wie zum Beispiel „Technikkritik und Technikakzeptanz“ oder „Fehlermanagement
– vom produktiven Umgang mit Fehlern“.
In jedem Studienjahr müssen die Studierenden zwei
jeweils dreistündige Veranstaltungen von studium
plus besuchen. Das summiert sich während des gesamten Studiums auf etwa 200 Stunden. In jedem
Trimester, in dem eine Veranstaltung von studium
plus besucht wird, muss ein Leistungsnachweis erbracht werden, über den die Studierenden einen
Schein erhalten. In den beiden ersten Studienjahren
wird in erster Linie Horizont- und Orientierungswissen vermittelt, und zwar in wöchentlich stattfindenden Veranstaltungen. Im dritten Studienjahr wird
vor allem Handlungswissen trainiert. Das geschieht
in Blockveranstaltungen.
Ohne eine erfolgreiche Teilnahme am studium plus
können Studierende der UniBWM ihr Studium nicht
zum Abschluss bringen, selbst wenn sie in ihren jeweiligen Studienfächern Hervorragendes leisten. Zulassungsvoraussetzung für das Vordiplom jedes Studiengangs sind zwei benotete Leistungsnachweise
im studium plus, Zulassungsvoraussetzung für das
Diplom zwei benotete und darüber hinaus zwei nicht
benotete Teilnahmescheine („erfolgreiche Teilnahme“) für die handlungsorientierten Veranstaltungen
des dritten Studienjahrs. Dies wird vergleichbar
auch für die Bachelor/Master-Studiengänge gelten.
Die Durchschnittsnote der Scheine im ersten Studienabschnitt und im Hauptstudium muss mindestens
ausreichend sein. Leistungsnachweise können, anders als früher für EGA/TA, nicht nur durch Klausuren und mündliche Prüfungen, sondern auch durch
bewertete Referate, Projektarbeiten, Mitarbeit an
Fallstudien usw. erbracht werden. Die Note für studium plus hat, wie früher die für EGA/TA, einen Anteil von 7 % an der Gesamtnote.
Als Ergänzung zum Diplomzeugnis oder zum Bachelor- bzw. Master-Zeugnis werden die besuchten Kurse
des studium plus in einem Supplement dokumentiert, damit die Studierenden bei Bewerbungen nachweisen können, welche fächerübergreifenden Veranstaltungen sie während ihres Studiums besucht haben. Das dient einerseits der Verbesserung ihrer
Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Andererseits sollen
die Studierenden aber auch schon zu Studienbeginn
erkennen, dass es sinnvoll für sie ist, sich ein eigenes Portfolio aus studium-plus-Kursen zusammenzustellen.
Besonderen Wert legt die UniBWM auf die Qualitätssicherung der Lehre, weil sie davon ausgeht, dass
Kleingruppenarbeit allein nicht ausreicht, wenn deren didaktische Chancen nicht genutzt werden. Darum hat die UniBWM für alle Lehrenden im studium
plus eine Best-Practice-Datenbank mit einer Sammlung von Beispielen für aktivierende Lehrmethoden
eingerichtet. Alle Lehrenden im studium plus haben
zweimal im Jahr die Möglichkeit, kostenlos an Weiterbildungsmaßnahmen (z. B. Erklären, Visualisieren, Präsentieren etc.) teilzunehmen. Im Webportal
studium plus gibt es einen Helpdesk für aktuelle
Fragen der Lehrenden zu ihren Veranstaltungen.
Für das studium plus ist außerdem ein eigenes Evaluationsverfahren entwickelt worden, das seit Anfang
2006 eingesetzt wird.
Während die Veranstaltungen von EGA/TA allein
von den Lehrenden der Fakultät für Sozialwissenschaften und von externen Lehrbeauftragen angeboten wurden, nehmen am Programm studium
plus seit Herbst 2005 alle Fakultäten teil. Außer
der Fakultät für Sozialwissenschaften leisten sie
das zusätzlich zu ihrem Regeldeputat. Darum rechnet die UniBWM damit, in Zukunft noch mehr externe Lehrbeauftragte gewinnen zu müssen. Sie
denkt aber auch darüber nach, den akademischen
Mittelbau nach entsprechendem Dozententraining
stärker für Veranstaltungen im studium plus einzusetzen.
Für die Organisation von studium plus wurde ein
Zentralinstitut gegründet, das mit derzeit drei Professuren, einigen wissenschaftlichen Mitarbeitern,
studentischen Hilfskräften und einer Schreibkraft
ausgestattet ist. Die Professoren sind Mitglieder der
Sozialwissenschaftlichen Fakultät und stellen das
Lehrangebot für studium plus in Kooperation mit
den anderen Fakultäten der Universität sicher.
45
DIE PREISTRÄGER
Um den organisatorischen Anforderungen von studium plus gerecht zu werden, wurde ein eigenes
Webportal eingerichtet, mit dem sich die Studierenden über das Kursangebot informieren und ihre Kurse auswählen können. Wegen der Beschränkung auf
maximal 25 Studierende pro Kurs ist die Zuordnung
zu den Wunschthemen ein logistisches Problem.
Deshalb sorgt ein spezielles Computerprogramm dafür, dass die Erstwünsche der Studierenden fast in
jedem Fall erfüllt werden und notfalls der Zweitwunsch realisiert wird. Für jeden Kurs gibt es einen
virtuellen „Workspace“, in dem Lehrende und Studierende miteinander kommunizieren, Dateien aller
Art für die Gruppe bereitgestellt werden können, die
Evaluationsbögen zur Veranstaltung anonym auszufüllen sind und die Noten veröffentlicht werden. Im
Webportal sind auch Informationen zum studium
plus für Studierende und Lehrende einschließlich
FAQs („frequently asked questions“) zu finden. Die
UniBWM hat in ihrem Wettbewerbsbeitrag angegeben, im Fall einer Auszeichnung ihr Preisgeld nicht
nur zum Ausbau des Angebots von studium plus
und für die Verbesserung der Lehre zu verwenden,
sondern auch dafür, die Übertragbarkeit auf andere
Universitäten zu überprüfen.
Das Zentralinstitut studium plus verwendet in diesem Jahr das Preisgeld zum Ausbau des Helpdesks
für Lehrende und Lernende und der Methodendatenbank für Lehrende, zur systematischen Verbesserung und Erweiterung des Dozententrainings
(Adressaten- und Bedarfsanalyse, Trainings für Lehrende aus dem akademischen Mittelbau, Verbesserung des Marketings für die Dozententrainings), zur
Finanzierung eines neuen Arbeitskreises „Schlüsselqualifikationen im Studium“ (SIS) mit Vertretern aus
führenden Wirtschafts- und Consultingunternehmen
(zur ständigen Weiterentwicklung des Lehrangebotes in Schlüsselqualifikationen) und zur Implementierung einer Veranstaltungsreihe studium plus forum zusätzlich zum akademischen Lehrprogramm.
Die Beteiligten berichten, dass allein die Auszeichnung unter so vielen Mitbewerbern dem Projekt stu46
dium plus große Aufmerksamkeit beschert und starken Rückenwind verliehen hat, sowohl bei den Studierenden und Lehrenden wie beim Ministerium.
Die Jury betrachtete das Konzept der UniBWM als
gelungenen Ansatz für eine technisch orientierte
Universität. Besonders beeindruckt war sie von der
langen Erfahrung der Universität mit dem integralen
Begleitstudium zur Vermittlung überfachlicher Qualifikationen. Das damit zusammenhängende professionelle Methodentraining für die Lehrenden und
die Einbeziehung von Verbesserungsvorschlägen der
Studierenden in die kontinuierliche inhaltliche und
konzeptionelle Weiterentwicklung des Begleitstudiums fand die Jury besonders vorbildlich.
47
DIE PREISTRÄGER
Eine eigene Fakultät für
Handlungskompetenzen
Studium fundamentale an der Universität Witten/Herdecke
I.
Die Universität Witten/Herdecke (UWH) ist die erste
private Universität, die in der alten Bundesrepublik
gegründet wurde. Etwa 1.200 Studierende sind dort
in den Studiengängen Humanmedizin (seit 1983),
Wirtschaftswissenschaft und Zahnmedizin (beide seit
1984), Musiktherapie (seit 1985), Biochemie (seit
1987), Pflegewissenschaft (seit 1996) und in den
postgradualen Studiengängen Traditionelle Chinesische Medizin (seit 1996) und dem Fernstudiengang
Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen (seit 2005/2006) eingeschrieben. 1993 erhielt
das bis dahin existierende Institut für das Studium
fundamentale den Status einer Fakultät. Seit
2002/2003 bietet sie auch einen BA-/MA-Studiengang „Philosophie und Kulturreflexion“ an.
Auch die Idee zur Gründung einer privaten Universität ist im Reformklima der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufgrund der Unzufriedenheit mit
den klassischen deutschen Universitäten entstanden.
48
Der engste Kreis der Gründungsväter der Universität, Gerhard Kienle, Dieter Lauenstein und Konrad
Schily, war anthroposophisch orientiert, und seine
Überzeugungen prägten die Universität stark, die
sich einem ganzheitlichen Menschenbild verpflichtet
fühlt. „Zur Freiheit ermutigen“, „Soziale Verantwortung fördern“ und „Nach Wahrheit streben“ steht
auch heute noch auf den Flaggen, die vor dem
Hauptgebäude der Universität flattern. Allerdings ist
die ursprüngliche anthroposophische Ausrichtung
der Universität, die eng mit dem Klinikum Herdecke
verbunden war und ist, in den Hintergrund getreten.
Als private Universität kann sich die UWH ihre Studierenden aussuchen, und die Studierenden suchen
sich ganz bewusst diese Universität aus, an der sie
sich um Studienplätze bewerben. Ein anthroposophischer Familienhintergrund ist dabei heute nur noch
für eine Minderheit auszumachen. Die Existenz des
Studium fundamentale ist aber für nicht wenige
Studierende ein ausschlaggebender Grund, sich an
der UWH zu bewerben.
1980 wurde der Universitätsverein Witten/Herdecke
gegründet, 1982 wurde die private Universität staatlich anerkannt und 1983 nahm sie den Studienbetrieb in der Humanmedizin auf. 1987 übertrug das
Gründungsgremium alle Aktivitäten auf die private
Universität Witten/Herdecke gGmbH. Das Jahr 1989
wird als Ende der Gründungsphase angesehen mit
dem Abschluss des Vertrags zwischen der Universität, dem Land NRW und der Bertelsmann-Stiftung
zur Sicherung der Qualität von Forschung und Lehre der Universität und des weiteren Ausbaus ihrer
Fakultäten. Seit 1985 beteiligt sich das Land NRW
an den laufenden Kosten der Universität, seit 2001
gehört sie mit vollem Stimmrecht der Hochschulrektorenkonferenz an, und seit 2006 ist sie vom Wissenschaftsrat vollständig akkreditiert.
Studiengang). Das Finanzierungsmodell ist unter
dem Dach der StudierendenGesellschaft (SG), einem
von den Studierenden geleiteten und rechtlich unabhängigen Verein, der auch eines der zwölf Direktoriumsmitglieder der Universität stellt, organisiert
und wird häufig als „Umgekehrter Generationenvertrag“ bezeichnet. Es soll sichern, dass weiterhin der
finanzielle Hintergrund der Eltern von Studienbewerbern keine Rolle spielt, dass das Studium nicht
unzulässig „ökonomisiert“ wird (Beschränkung von
Studiendauer statt freier Gestaltung des Studiums)
und dass die spätere Berufswahl unabhängig von finanziellen Einschränkungen erfolgen kann. Das aufgrund dieser Maßgaben entwickelte Finanzierungsmodell wird von vielen als beispielhaft in der deutschen hochschulpolitischen Landschaft gesehen.
Seit 1995 beteiligen sich auch die Studierenden an
der Finanzierung der Universität (Kosten des Studiums im Jahr 2007: zwischen 18.000 und 30.000
Euro für ein Vollstudium, die Kosten variieren nach
II.
Der anthroposophischen Ausrichtung ihrer Gründerväter entsprechend wollte die UWH von Anfang an
neben der fachlichen eine transdisziplinäre und
49
DIE PREISTRÄGER
grundlagenbewusste Ausbildung der Studierenden
leisten. Die Absolvent(inn)en der Universität sollten,
wie es im Wettbewerbsbeitrag der Universität heißt,
„an ihre Leistungsgrenzen geführt und mit schöpferischer Unruhe ins Berufsleben entlassen“ werden.
Man will, wie andere Universitäten auch, natürlich
Spezialist(inn)en ausbilden, aber solche mit Verantwortungsgefühl für das gesellschaftliche Ganze.
Das kann nach Auffassung der für das Wittener Modell Verantwortlichen nur dann gelingen, wenn die
fachliche Ausbildung nicht einfach durch ein Training bestimmter Zusatzqualifikationen oder durch
die kompensatorische Ergänzung von „Lücken“ in
der vorhandenen Allgemeinbildung besteht. Stattdessen geht es darum, die Fähigkeit der Studierenden
zu schulen, „in unterschiedlichen Kontexten zu denken, die Logik verschiedener gesellschaftlicher und
beruflicher Bereiche zu durchdringen ... und in Kommunikationszusammenhängen unterschiedlichster
Art mitgestaltend eingreifen“ zu können. Das Studium fundamentale ermutigt persönliche Erfahrungen, regt zum methodischen Wechsel der Perspektiven und zum transdisziplinären Diskurs an. Das wird
als Voraussetzung dafür gesehen, eine geschärfte Urteilskraft zu entwickeln und sein Leben verantwortlich gestalten und soziale Verantwortung übernehmen zu können. In Witten/Herdecke wird daher der
Begriff der „polylogischen Bildung“ dem der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen vorgezogen.
Das Studium fundamentale in Witten ordnet seit
1999 seine Lehrveranstaltungen drei Kompetenzfeldern zu: der reflexiven, der kommunikativen und
der künstlerischen Kompetenz. In der Einbeziehung der Letzteren war es in Deutschland lange
Zeit einzigartig. Kunst wird den Studierenden dabei
nicht als additives „kulturelles Kapital“ angeboten,
sondern als eine Form der Weltaneignung, die von
der wissenschaftlichen unterschieden, ihr aber dennoch prinzipiell gleichwertig ist. Kunst, so das Wittener Credo, ist selber intelligent und nicht etwa
Mittel zum Zweck. Darum spielt der Bezug zwischen geisteswissenschaftlichen, naturwissenschaft50
lichen und künstlerischen Denkweisen im Studium
fundamentale eine zentrale Rolle.
Im Feld der „reflexiven Kompetenz“ geht es in erster Linie darum, Methoden und Theorien anderer
Fächer kennenzulernen, um dadurch einen selbstkritischen und selbstreflexiven Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen von Methodik und Theorien des eigenen Fachs zu gewinnen. Unter „kommunikativer Kompetenz“ wird an der UWH die
Ausbildung der „Verständigungsfähigkeit“ der Studierenden zusammengefasst, und zwar in eigenen
kulturellen wie in interkulturellen Kontexten. Veranstaltungen im Bereich der „künstlerischen Kompetenz“ sollen den Studierenden die Möglichkeit
bieten, eigene Erfahrungen mit künstlerischen Prozessen zu machen, weil diese als bedeutsam für die
menschliche Identitätsbildung und Weltaneignung
gesehen werden.
Jeder Studierende an der UWH ist verpflichtet, pro
Semester an mindestens einer Lehrveranstaltung der
Fakultät für Studium fundamentale teilzunehmen.
Dafür steht ein spezieller Wochentag, der Donnerstag, zur Verfügung, an dem in den übrigen Fakultäten keine fachwissenschaftlichen Veranstaltungen
stattfinden. Für die noch nicht gestuften Studiengänge im Grund- und Hauptstudium Medizin und
Zahnmedizin muss jeweils mindestens ein Leistungsnachweis in den im Studium fundamentale gelehrten Fächern erbracht werden. Einer davon muss eine
schriftliche Hausarbeit sein, der zweite entweder eine weitere schriftliche Hausarbeit oder eine künstlerische Arbeit oder ein praktisches Projekt. Die Zahl
der zu erwerbenden Credit Points in den gestuften
Studiengängen variiert je nach Studiengang, der angestrebte Richtwert ist 10 % des Kreditpunktvolumens im jeweiligen Studiengang. Darüber hinaus
gibt es in den Promotions- und Habilitationsordnungen der Fachstudiengänge die Anforderung, zusätzlich zur Disputation von Dissertation und/oder
Habilitation einen sogenannten Akademiediskurs zu
halten, in dem sich der Kandidat/die Kandidatin
entweder mit einem fachfremden oder mit einem das
eigene Fach problematisierenden Thema einer universitären und außeruniversitären Öffentlichkeit
präsentieren muss.
Die Prüfungsmodalitäten für Leistungsnachweise variieren je nach Veranstaltungsform. Neben traditionellen Nachweisen wie Klausuren und Hausarbeiten
stehen auch die Präsentation von künstlerischen Arbeiten in Ausstellungen oder aber Konzerte als Möglichkeit zur Verfügung. Die Auswahl und Konzeption
der Lehrveranstaltungen erfolgt in enger Absprache
mit den Studierenden. Die Veranstaltungen des Studium fundamentale – auch das eine Wittener Besonderheit – können auch von den Alumni der Universität oder von interessierten Bürgern (gegen eine
Gebühr) besucht werden.
Das Studium fundamentale ist an der UWH als eigene Fakultät verankert. Wer dort als Komponist einen Kurs für Zahnmediziner anbietet, will nicht einfach Wissen oder Kompetenz vermitteln, sondern
auch die eigene Forschung und Lehre vertiefen. Die
Fakultät hat die Verantwortung für alle administrativen Vorgänge des Studium fundamentale und plant
und verantwortet das Budget. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Dekan des Studium fundamentale in Absprache mit dem Kernteam der Lehrenden. Die Fakultät verfügt über eigene Büroräume, für die Lehre stehen alle Räumlichkeiten der
Universität zur Verfügung. Der von der Fakultät angebotene BA/MA-Studiengang „Philosophie und
Kulturreflexion“ ist so konzipiert, dass sich Synergien mit dem Studium fundamentale ergeben. Viele
der BA-Seminare sind auch für Studenten im Studium fundamentale offen, Mischung und Austausch
zwischen Studenten des Studiengangs und denen
anderer Fakultäten wird bewusst angestrebt.
Die Fakultät für das Studium fundamentale ist seit
ihrem Bestehen mehrfach durch Kommissionen evaluiert worden. Zu den ständigen Evaluierungsmaßnahmen gehört die Evaluierung der Lehrveranstaltungen durch die Studierenden gegen Ende der
Lehrveranstaltungen.
An der Entwicklung von Lehr- und Lerninhalten beteiligen sich alle Mitglieder der Fakultät, die sich als
„Konferenz für fächerübergreifende Lehre“ für das
jeweils nächste Semester darüber verständigen.
Die UWH ist sich bewusst, dass ihr Modell aufgrund
seiner Rahmenbedingungen – Größe der Universität
mit ausgewählten Studierenden – nicht ohne Weiteres auf andere Universitäten übertragen werden
kann. Sie geht aber davon aus, dass das Konzept einer akademischen Fachausbildung plus Bildung reflexiver, kommunikativer und künstlerischer Kompetenz für andere universitäre und nichtuniversitäre
Schulungskontexte interessant ist.
Als entscheidend dafür wird die Etablierung eines
Studium fundamentale als einer „mit Selbstverständlichkeit praktizierten Kultur“ gesehen: Das
Konzept könne nur funktionieren, wenn die Beteiligten es nicht einfach als institutionalisiertes Studienmodell akzeptierten, sondern es zum „wesentlichen
Bestandteil ihres Selbstverständnisses und ihrer Auffassung von Bildung und Ausbildung“ gemacht hätten. Zur Schaffung einer solchen Lernkultur gehört
auch eine bestimmte Lernumgebung.
Das Preisgeld möchte die UWH einsetzen für die
Verstärkung der Lehre (Einstellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters), für ein Praxisforschungsprojekt, für Know-how und Beratung und für die Bibliothek des Studium fundamentale innerhalb der
Universitätsbibliothek.
Das Modell des Studium fundamentale beeindruckte die Jury vor allem durch seine hohe Ausdifferenziertheit und durch den Stellenwert, den die Universität diesem Studium einräume: Das zeige sich
vor allem darin, dass es eine eigene Fakultät und
eigene Dozenten für das Studium fundamentale
gebe. Besonders bemerkenswert fand die Jury, dass
an einem ganzen Wochentag (immer donnerstags)
kein Fachunterricht stattfindet, der die Wahlfreiheit für Veranstaltungen des Studium fundamentale einschränken könnte.
51
DIE PREISTRÄGER
Die Universität als Lernort
und Erfahrungsraum
Die Jacobs University Bremen gGmbH
I.
Die Jacobs University Bremen (vormals International
University Bremen – IUB) ist die jüngste unter den
im Wettbewerb ausgezeichneten Universitäten. Sie
wurde 1999 in Partnerschaft mit der Rice University
Houston und der Universität Bremen als gemeinnützige GmbH gegründet, 2001 hat sie den Lehrbetrieb
aufgenommen. Als bislang einzige deutsche Universität ist sie in ihrer Struktur und Organisation, in Forschung und Lehre – einschließlich der Rekrutierung
der Lehrenden und Studierenden und der durchgängigen Unterrichtssprache Englisch – international
ausgerichtet und an anglo-amerikanischen Eliteuniversitäten orientiert. Sie gliedert sich in die School
of Engineering and Science, die School of Humanities and Social Sciences und – seit Oktober 2003 –
das Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development.
Undergraduate-Studenten können innerhalb von
sechs Semestern Regelstudienzeit die Abschlüsse Bachelor of Science (BSc) oder Bachelor of Arts (BA) erwerben, Graduate-Studenten innerhalb von zwei Jah52
ren den Master of Science (MSc) oder Master of Arts
(MA) und/oder in insgesamt drei Jahren den PhD
nach Master- oder Diplomabschluss. Seit 2004 werden
auch Professional Master Programs angeboten, in denen Graduate-Studenten zum Beispiel Abschlüsse in
European Utility Management oder Lifelong Learning,
Knowledge Management usw. erwerben können.
Derzeit sind an der Jacobs University etwa 1.000 Studierende eingeschrieben, davon 618 Undergraduates
und 382 Graduates (Stand: Herbst 2006). Wie die
Lehrenden – ca. ein Viertel sind derzeit Ausländer,
viele andere sind Rückkehrer aus dem Ausland – werden auch die Studierenden international rekrutiert.
Sie kommen aus über 80 Nationen, ein knappes
Fünftel sind Deutsche – ein Anteil, der bewusst nicht
überschritten werden soll. Besonders hoch ist mit etwa 40 % der Anteil von Studierenden aus osteuropäischen Ländern. Bei der Rekrutierung der Studierenden spielt die Frage ihres finanziellen Hintergrunds
ausdrücklich keine Rolle, obwohl im Prinzip Undergraduates pro Jahr 15.000 und Graduates 20.000
Euro Studiengebühren zahlen müssten.
Wie viele der in den späten 1960er und in den 70erJahren gegründeten „alten“ Reformuniversitäten ist
auch die Jacobs University eine Campus-Universität.
Sie ist aber darüber hinaus – wie ihre anglo-amerikanischen Vorbilder – auch eine College-Universität: Ihre Undergraduates und einige Graduate Studenten
leben in drei Colleges (ca. 200 pro College) auf dem
Campus zusammen und nehmen dort dreimal täglich
– einschließlich der Wochenenden – gemeinsam ihre
Mahlzeiten ein, häufig zusammen mit Mitgliedern
des wissenschaftlichen Personals. Die Jacobs University fand und nutzt für ihre Campus-/College-Struktur Gelände und Gebäude einer ehemaligen Kaserne.
II.
Sind die ersten drei der dargestellten Preisträger
auf ihre jeweilige Weise „Kinder“ des gesellschaftlichen Wandels der 60er und 70er-Jahre, so ist die
Gründung der Jacobs University Resultat der veränderten geopolitischen Lage und des daraus folgenden gesellschaftlichen Wandels – Stichwort „Globalisierung“ – seit den 90er-Jahren. Ihre oben beschriebene Struktur und die Wahl ihrer Vorbilder
machen das deutlich. Das zeigt sich aber auch in
der Wahl ihrer Leitlinien und ihres Bildungsverständnisses.
Erklärtes Ziel der Jacobs University ist es, in
Deutschland einen Beitrag zur Bildung und Ausbildung einer international zusammengesetzten und
agierenden, demokratischen Werten verpflichteten
Führungselite in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
zu leisten. Sie will, wie es auch in ihrem Wettbewerbsantrag heißt, ihre Studierenden auf ihre Rolle
als „Weltbürger mit globaler Verantwortung und
Führungsqualitäten“ („global citizenship“) vorbereiten. Daraus ergeben sich die zentralen Leitlinien der
Universität – Exzellenz, Internationalität, Transdisziplinarität, Interaktivität und Unabhängigkeit in Organisation und Management –, die ihre Verwaltungsund Studienstruktur und ihre Organisation prägen.
Gerade weil die Jacobs University eine internationale
Elite von Fachkräften und Weltbürgern ausbilden
will, misst sie neben der Vermittlung fachlicher Qualifikationen und einem frühstmöglichen Berufsfeld53
DIE PREISTRÄGER
bezug während des Studiums der Vermittlung persönlichkeits- und allgemeinbildender Inhalte einen
großen Stellenwert bei. Der Wettbewerbsantrag, der
sich ausdrücklich auf Wilhelm von Humboldt beruft,
spricht in diesem Zusammenhang von „Entwicklungsbildung“. Sie soll den Studierenden „Kenntnisse und Erfahrungen“ vermitteln, „die es ihnen erlauben, „im Beruf erfolgreich zu sein, das Gemeinwesen
zu befördern und ... das eigene Leben bestmöglich
zu gestalten“.
Die zu vermittelnden Schlüsselqualifikationen teilt
der Wettbewerbsantrag in fünf Bereiche ein: intellektuelle (z. B. abstrakt-logisches Denken, Perspektivenwechsel, Transferfähigkeit); methodische (z. B. Lernund Arbeitsstrategien, Zeitmanagement, Präsentationstechniken und die Fähigkeit zur kritischen Prüfung von Inhalten); soziale und kommunikative (z. B.
Team-, Kritik- und Konfliktfähigkeit); personale und
Selbstregulationsfähigkeiten (z. B. Frustrationstoleranz, Durchhaltevermögen, Zuverlässigkeit, Initiative, Toleranz) und zusätzlich „staats- und weltbürgerliche“ Kompetenzen (demokratisches Grundverständnis, an den Menschenrechten orientierter Wertekanon, interkulturelle Kompetenzen, Fremdsprachen).
Zur Vermittlung dieser Kompetenzen und zur Umsetzung ihrer Leitlinien gibt es an der Jacobs University
keine gesonderte Einrichtung wie einen Optionalbereich, studium plus oder Studium fundamentale.
Vielmehr ist die Vermittlung dieser Kompetenzen in
die Fachstudiengänge, aber auch in die allgemeine
Verwaltungs- und Organisationsstruktur der Universität integriert. Einige Kompetenzen – wie zum Beispiel Fremdsprachen – werden in gesonderten Kursen angeboten. Andere, wie zum Beispiel Präsentationstechniken, werden in den einzelnen Fachveranstaltungen mit eingeübt. Besonders wichtig ist aber,
dass die Struktur der Jacobs University als private
internationale Campus-/College-Universität ein spezielles Lernumfeld bildet, in dem viele Schlüsselkompetenzen nicht einfach in Veranstaltungen vermittelt, sondern allein schon durch das enge Zusammenleben von Lehrenden und Studierenden gelebt
54
und erlebt werden. Dazu gehört auch, dass den Studierenden zu Beginn des Studiums ein persönlicher
Mentor (advisor) zugeteilt wird, der sie in ihrer fachlichen Ausbildung, ihrer Karriereplanung und ihrer
„Entwicklungsbildung“ berät und begleitet.
Der Leitlinie Transdisziplinarität kommt eine besondere Bedeutung in Forschung und Lehre der Jacobs
University zu. Alle Studienprogramme wollen ihren
Studierenden die Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektiven und
Befunde vermitteln, und zwar, weil Transdisziplinarität zum einen immer mehr die internationale Spitzenforschung prägt und weil sie zum anderen die
Voraussetzung zum Perspektivenwechsel und zu
Transferleistungen ist, ohne die Arbeit und Leben in
der globalisierten Welt nicht erfolgreich gestaltet
werden können. In der Curricularstruktur ist Transdisziplinarität daher fest verankert. So muss jeder
Undergraduate vier Veranstaltungen aus der jeweils
anderen School (bezogen auf den Major der Studierenden) erfolgreich besuchen, und zwar keine Kurse
für fachfremde Studierende, sondern Kurse aus dem
regulären Angebot der jeweiligen School. Zusätzlich
werden sogenannte University Studies Courses zu
fächerübergreifenden Themen angeboten, die die
Studierenden mit dem systematischen Zusammenwirken von Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen vertraut machen sollen (z. B. zu Themen wie
„Drogen“, „Risiken“, „Altern“ usw.). Auch aus diesem Angebot müssen die Studenten vier Veranstaltungen wählen.
In transdisziplinären Veranstaltungen müssen ein
Fünftel der für die Abschlüsse BSc/BA nötigen Credit Points (36 von 180 Credit Points) erworben werden. Für die Kurse gelten dieselben Prüfungsanforderungen wie für die Kurse der eigenen School.
Dementsprechend gehen die Leistungen in den
transdisziplinären Veranstaltungen auch in die Gesamtnote ein. Zur Vorbereitung auf ihren Eintritt in
den Arbeitsmarkt müssen alle Undergraduates außerdem ein mindestens achtwöchiges Praktikum im
In- oder Ausland absolvieren. Bei der Suche von
Praktikumsstellen, der Vorbereitung auf das Praktikum und bei der geforderten Dokumentation über
das Praktikum werden sie von einem eigenen Office
of Career Services and Exchange Programs (zwei
Stellen) unterstützt.
Um neben den akademischen auch die organisatorischen und Führungsfähigkeiten sowie die „staatsund weltbürgerlichen Kompetenzen“ ihrer Studierenden auszubilden, legt die Jacobs University großen
Wert auf die Förderung vielfältiger soziokultureller
Aktivitäten und auf die Repräsentation und Mitwirkung der Studierenden in der Universitätsverwaltung. Zur Unterstützung eigener soziokultureller Aktivitäten der Studierenden gibt es an der Jacobs University eine mit zwei Personalstellen ausgestattete
Abteilung (Campus Activities).
Neben vielen künstlerischen Gruppen gibt es u. a.
anderem eine Debating Society, und der vor einigen
Jahren gegründete Brimum Studierenden Club hat
in diesem Jahr (2007) zum vierten Mal das „Model
United Nations at Jacobs University“ (bzw. IUB) organisiert. Dabei kommen Studierende aus unterschiedlichen Universitäten an der Jacobs University
zusammen, um die Aktivitäten verschiedener Ausschüsse der Vereinten Nationen nachzustellen.
Die Studierenden der Jacobs University werden
durch ein Student Parliament vertreten und wählen
ein Student Government, das sich regelmäßig mit
dem Academic Council, dem Beratungsgremium des
Präsidenten der Jacobs University, trifft. Auch an
gruppenübergreifenden Komitees der Universität,
wie zum Beispiel dem Academic Integrity Committee
und dem Food Committee, sind die Studierenden beteiligt. Darüber hinaus gibt es einen Student Court,
der über inneruniversitäre Konflikte, an denen Studierende beteiligt sind, berät und – je nach Fall – darüber auch Entscheidungen trifft.
le. Sie erfolgt daher in erster Linie durch intensiven
Kontakt der Universitätsleitung mit allen Gruppen
und Verwaltungseinheiten der Universität. In allen
fachlichen und überfachlichen Veranstaltungen legen die Studenten in jedem Semester Prüfungen ab,
und die Veranstaltungen der Lehrenden, der internen wie der externen, werden regelmäßig evaluiert.
Die Jacobs University ist sich bewusst, dass viele Elemente ihres Ausbildungskonzepts an die Existenz einer Campus-/College-Universität gebunden sind. Sie
hält aber andere Elemente für übertragbar, wie zum
Beispiel die fächerübergreifend angelegte Struktur
des Bachelor-Studiums, die University Studies Courses und anderes. Ihr Preisgeld nutzt die Jacobs University, um das Angebot an University Studies Courses zu erweitern, den Career Service zu verstärken
oder weitere Dozenten aus der Praxis zu bezahlen.
Bei der Jacobs University beeindruckte die Jury vor
allem die intensive Einbeziehung der Studierenden
in Fragen zur Gestaltung der Hochschule, die die Jacobs University zu einem besonderen Lern- und Erfahrungsraum mache. Besonders erwähnte sie in diesem Zusammenhang den Student Court, in dem die
Studierenden über inneruniversitäre Konflikte debattieren und eigenständig Konfliktlösungen finden
können. Zudem sei die Jacobs University ein Beispiel
für gelebte Interkulturalität, weil es ihr in vorzüglicher Weise gelinge, das Campusleben mit Studierenden aus über 80 Nationen in ihr Gesamtausbildungskonzept zu integrieren.
Die persönlichkeitsbildenden Aspekte der Ausbildung an der Jacobs University entziehen sich naturgemäß am meisten einer messbaren Qualitätskontrol55
DIE PREISTRÄGER
Public-Private-Partnership
zur Förderung von Frauen
Femtec. Hochschulkarrierezentrum für Frauen Berlin GmbH
I.
Femtec ist die ungewöhnlichste Einrichtung unter
den Preisträgern: An der TU Berlin angesiedelt, ist
ihre Aufgabe die Steuerung eines bundesweit einzigartigen Kooperationsnetzwerks zwischen Technischen Universitäten und führenden international
agierenden Technologieunternehmen. Diese PublicPrivate-Partnership war im Jahr 2000 gemeinsam
von der TU Berlin und der Mitte der 90er-Jahre gegründeten Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e. V. (EAF) initiiert worden, ein Jahr später erfolgte dann die Gründung der
Femtec. GmbH. Seitdem kooperieren mit ihr die Siemens AG, die Porsche AG, die Daimler-Chrysler AG
und die Boston Consulting Group. Der fünfte Gründungspartner, die Wintershall AG, ist zwischenzeitlich ausgeschieden.
Im Jahr 2003 startete die Femtec. GmbH das bundesweit agierende überfachliche und überuniversitäre
56
Femtec.Network. Ihm schlossen sich die RWTH Aachen, die TU Darmstadt und die TU Dresden an sowie als weiteres Unternehmen die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS). Es folgten im Jahr 2005 die Universität Stuttgart, die Robert-Bosch GmbH und die ThyssenKrupp AG und im
Jahr 2006 die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Von 2003 bis 2006 wurde das Femtec.Network durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung als Modell gefördert.
Ziel des Femtec.Network ist es, Schülerinnen zum
Studium von Ingenieur- und Naturwissenschaften zu
ermutigen, Studentinnen von naturwissenschaftlichtechnischen Fächern während des Studiums gezielt
auf den Berufseinstieg vorzubereiten und Alumnae
bei ihrer weiteren Karriereentwicklung zu unterstützen. Gleichzeitig sollen neue Formen der Ausbildungszusammenarbeit von Unternehmen und Universitäten entwickelt und erprobt werden.
Zur Gründung des Femtec.Network führte eine Kombination aus frauenspezifischen und allgemein-politischen sowie wirtschaftlichen Interessen. Zum einen
sind bis heute Frauen in den Ingenieurwissenschaften, in der Informatik und in den technologiezentrierten Naturwissenschaften drastisch unterrepräsentiert. Das zu ändern, gehört zu den Zielen derjenigen, die sich für die berufliche Chancengleichheit
von Frauen einsetzen. Ihre mangelnde Vertretung in
naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen
könnte aber auch gravierende Folgen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts
Deutschland haben: Angesichts der gegenwärtigen
demografischen Entwicklung erwarten Politik und
Wirtschaft mittel- und langfristig einen Mangel an
Fach- und Führungskräften in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen. Um dem gegenzusteuern, wird u. a. die stärkere Rekrutierung von
Frauen für diese Berufe gefordert – und zunehmend
gefördert.
Zum anderen werden an die Studierenden naturwissenschaftlich-technischer Ausbildungsgänge infolge
der gegenwärtigen globalen Transformationsprozesse dieselben Anforderungen gestellt wie an andere
Studierende auch. Im Interesse ihrer besseren Beschäftigungsbefähigung („employability“) – so Politik, Unternehmen und Fachverbände – sollen sie
während ihres Studiums verstärkt Kenntnisse fachübergreifender und überfachlicher Inhalte und zusätzlich Schlüsselkompetenzen erwerben. Zum Dritten soll die Zusammenarbeit von Hochschulen und
Wirtschaft enger werden. In allen drei Bereichen –
der Rekrutierung von Frauen, der Reform der naturwissenschaftlich-technischen Studiengänge und
der Zusammenarbeit von Hochschulen und Wirtschaft – entwickeln und erproben die im
Femtec.Network zusammengeschlossenen Technischen Universitäten, Unternehmen und die Femtec
innovative Ansätze.
57
DIE PREISTRÄGER
II.
Für Schülerinnen bietet Femtec unter dem Motto
„Try it!“ bundesweit ausgeschriebene viertägige Programme an. Sie ermöglichen die Teilnahme an Workshops in verschiedenen Fachgebieten der Technischen Universität Berlin, den Besuch technischer
Unternehmen, Treffen und Gespräche mit Ingenieurinnen oder, gemeinsam mit Femtec-Studentinnen,
den Besuch der TU. In den vergangenen sechs Jahren haben an diesen Programmen 160 Schülerinnen
teilgenommen.
Leitidee der Career Building-Programme für Studentinnen ist die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen
zur Förderung ihrer Beschäftigungs- und Karrieremöglichkeiten. Deswegen kommt dem Praxisbezug
der Programme ein hoher Stellenwert zu. Auch die
Femtec definiert aber Schlüsselkompetenzen nicht in
einem engen Sinne. Sie zählt dazu neben Sozial- und
Selbstkompetenzen auch transdisziplinäre Kompetenzen wie Wirtschafts-Know-how und Managementfähigkeiten, die „unternehmerisches Denken und ökologisch, sozial und gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln fördern sollen“.
Die Femtec entwickelte ihr Career-Building-Programm zunächst für Studentinnen an der TU Berlin,
und dies in zwei Formaten. Das erste mit einer Laufzeit von fünf Jahren richtete sich an Studienanfängerinnen und begleitete sie während ihres gesamten
Studiums. Das zweite richtete sich an Studentinnen
im Hauptstudium und hatte eine Laufzeit von zwei
Jahren. Seit 2003 sind die Programme in das universitätsübergreifende Programm des Femtec.Network
überführt.
Zu diesem zweijährigen Career-Building-Programm
gehören neben Begleitworkshops an den jeweiligen
Universitäten zentral organisierte Summer und Winter
Schools, Wochenendseminare und virtuelle Projektzusammenarbeit im Rahmen einer Innovationswerkstatt.
Das Programm kombiniert die Vermittlung von berufsrelevantem theoretischem und praktischem Wis58
sen mit intensiver individueller Beratung und der
Möglichkeit zum Erwerb praktischer Erfahrungen.
So wird den Studentinnen zum Beispiel zur Unterstützung ihrer Persönlichkeitsentwicklung und strategischen Karriereplanung neben Selbstmanagementund Karrieretrainings auch Beratung, Coaching und
ggf. Mentoring durch Führungskräfte aus der Industrie angeboten. Praxiserfahrung können sie durch
Exkursionen, Gesprächsrunden mit Führungskräften
aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, durch Unternehmensplanspiele und Innovationswerkstätten,
durch Praktika und Werkstudentinnenarbeit sammeln. Dem Praxisbezug entsprechend spielen aktivierende Lehrformen eine große Rolle. Dazu gehören
zum Beispiel Projekt- und Gruppenarbeit, Rollenspiele, Präsentationsübungen, webbasiertes Lernen, aber
auch Outdoor-Trainings zur Teamentwicklung.
Die Auswahl von Schülerinnen für die Programme
des Femtec.Networks erfolgt aufgrund ihres Bewerbungsschreibens, ihrer (überdurchschnittlichen)
Schulnoten und ihres nachgewiesenen ehrenamtlichen Engagements. Studentinnen werden in einem
zweistufigen Verfahren ausgewählt: Zunächst wird
auf der Grundlage ihrer schriftlichen Bewerbung eine Auswahl getroffen nach überdurchschnittlichen
Abitur- bzw. Vordiplomnoten sowie nach Teilnahmemotivation und Engagement für das Gemeinwesen.
Die so ausgewählten Bewerberinnen nehmen dann
an einem Assessment-Center teil, das aus Einzelpräsentationen, Gruppenübungen und einem leitfadengestützten Interview besteht. Durch das AssessmentCenter sollen das Führungspotenzial, der Gestaltungswille und die Fähigkeit, „über den Tellerrand
zu blicken“, geprüft werden.
Innerhalb des Netzwerks arbeiten die Partner arbeitsteilig zusammen: Femtec übernimmt als Koordinierungszentrale die Projektleitung, das Netzwerkmanagement, die Qualitätssicherung, das (Finanz-)Controlling und die strategische Planung. Es
entwickelt Maßnahmen zur Verstetigung des Programms und zur Erschließung zusätzlicher Finanzquellen.
Die beteiligten Universitäten übernehmen fachliche,
koordinierende und beratende Funktion vor Ort. Ein
oder mehrere Lehrstühle beteiligen sich konzeptionell am Curriculum und führen ein jeweils dreitägiges Modul pro Semester durch. Die Gleichstellungsbeauftragten der Universitäten supervidieren die Zusammenarbeit mit Femtec und koordinieren die Teilnehmerinnenwerbung und -auswahl im Rahmen regionaler Assessment-Center und übernehmen die Beratung der Studentinnen vor Ort. Für die Beraterinnen wurde durch Femtec eine professionelle Schulung durchgeführt.
Die beteiligten Unternehmen engagieren sich sowohl
finanziell, als auch bei der Gestaltung der Programme und bei der Umsetzung der Lehrangebote. So
bieten sie neben Exkursionen Internships an, eröffnen betriebliche Forschungsmöglichkeiten für Diplom- und Doktorarbeiten und bieten Lehrveranstaltungen zu praktischen Managementfragen sowie
„Lectures on Leadership“ zu sozialen, ökologischen
und ökonomischen Fragen moderner Technologieanwendungen an.
Nach bestandenem Assessment-Center ist die Teilnahme am Programm für die Studentinnen verbindlich. Die Erfolgskontrolle erfolgt durch Feedbacks der Lehrenden, der Lerngruppe und der Studienleiterinnen der Femtec. Diese Feedbacks sind
zugleich Teil des Trainingsprogramms, weil die Fähigkeit, konstruktives Feedback zu geben und zu
nehmen, für die persönliche und berufliche Entwicklung der Teilnehmerinnen eine wichtige Rolle
spielt. Programminhalte und zeitlicher Umfang
werden in einem qualifizierten Abschlusszertifikat
dokumentiert. Am fünfjährigen Career-BuildingProgramm für Studienanfängerinnen an der TU
Berlin haben bisher in fünf Jahrgängen 100 Studentinnen teilgenommen, am Zwei-Jahres-Programm der Netzwerk-Universitäten in vier Jahrgängen 80 Studentinnen. Das Programm wird umfassend formativ und summativ evaluiert, um prozessbegleitend Verbesserungen und Anpassungen vornehmen zu können.
Die Entscheidung darüber, ob und wie die Module
der Career-Building-Programme als Teil des Regelstudiums der Teilnehmerinnen anerkannt werden,
liegt bei ihren universitären Fachbereichen und wird
durch deren Prüfungsordnungen geregelt. Wenn diese überfachliche Inhalte vorsehen, erfolgt in der Regel die Anerkennung. Femtec geht davon aus, dass
sich durch die Umstellung der Diplomstudiengänge
auf Bachelor- und Master-Studiengänge die Anerkennungsmöglichkeiten in Zukunft noch verbessern
werden. Die im Rahmen der Career-Building-Programme entwickelten Module entsprechen vom Leistungsumfang her dem von den Akkreditierungsagenturen empfohlenen Anteil von 10–12 % fachübergreifender Inhalte und Schlüsselqualifikationen am Gesamtcurriculum.
Den Modellcharakter ihres Programms sieht Femtec
darin, dass es zeigt, wie die Ausbildungsqualität und
die Attraktivität naturwissenschaftlich-technischer
Studienfächer für Frauen erhöht werden kann, wie
an staatlichen Hochschulen zielgerichtet weibliche
Leistungseliten in innovativen Auswahlverfahren
identifiziert und gefördert werden können und wie
die Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen bei
der Curriculumsentwicklung, der Gestaltung von
Lehrmodulen und bei der Qualitätsbewertung gestaltet werden kann.
Das Preisgeld soll in erster Linie eingesetzt werden,
um die Angebote für Schülerinnen quantitativ auszubauen und bei Entscheidungsträgern in Politik,
Schule und Hochschule das Bewusstsein dafür zu
schärfen, welche Risiken die derzeit diskutierten und
praktizierten (nicht auf frühe Erkennung von Potenzial ausgerichteten) Auswahlverfahren beinhalten.
Das Konzept von Femtec überzeugte die Jury durch
sein hervorragendes berufliches Qualifizierungsprogramm, mit dem es Frauen neue Wege in die Technikwissenschaften erschließt. Sie entschloss sich daher, Femtec einen Sonderpreis zuzusprechen.
59
DIE WEITEREN FINALISTEN
4. Die weiteren
Finalisten
Ins Finale kamen außer den späteren Preisträgern die Universität Erfurt, die Carl
von Linde-Akademie an der Technischen Universität München, die Hochschule für
Wirtschaft und Umwelt Nürtigen-Geislingen, die Bucerius Law School GmbH und
die Leuphana Universität Lüneburg.
60
Gruppenarbeit im Open-Space-Verfahren während der
Tagung „SchlüsselBildung“.
61
DIE WEITEREN FINALISTEN
Horizontwissen und
Berufspraxis
Studium Fundamentale und Studienbereich Berufsfeld an der Universität Erfurt
I.
Die Universität Erfurt ist eine der jüngsten staatlichen
deutschen Universitäten, hat aber zugleich eine bis
ins Mittelalter zurückreichende Tradition, wenn diese
Tradition auch nicht ungebrochen ist. 1392 eröffnet,
erlebte die alte „Hierana“ ihre Blütezeit im 15. Jahrhundert, als sie meistbesuchte deutsche Universität
wurde. Ihren Ruf verdankte sie vor allem den Rechtswissenschaften – sie galt vielen als das „Bologna des
Nordens“ – und der Theologischen Fakultät. Ihr wohl
berühmtester Student, das darf nicht unerwähnt bleiben, war Martin Luther. Die Pest des 16. Jahrhunderts
und andere unglückliche Umstände leiteten einen fast
200-jährigen Niedergang ein, der 1816 mit der Schließung der Universität endete.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Erfurt wieder zwei Hochschulen eröffnet, die Medizinische
Akademie Erfurt und die Pädagogische Hochschule
Erfurt/Mühlhausen. Noch in der DDR wurde 1987
eine „Interessengemeinschaft Alte Universität Erfurt“ gegründet, die Neugründung erfolgte aber erst
62
zum 1. Januar 1994. Der Lehrbetrieb begann mit
dem Wintersemester 1999/2000. Von Anfang an war
die Universität Erfurt – das unterscheidet sie von anderen deutschen Universitäten, und das war in den
90er-Jahren eine ungewöhnliche Entscheidung – als
geisteswissenschaftlich orientierte Universität mit
kulturwissenschaftlichem Profil geplant.
Gründungsfakultät war die Philosophische Fakultät, und ihre ausdrückliche Aufgabe war es, mit
neuen Studienkonzepten, Lehrformen und Organisationsformen zu experimentieren. So setzte sie
zum Beispiel einen ungewöhnlichen Schwerpunkt
– Weltregionen – in der Geschichtswissenschaft
und richtete fünf Professuren in der Religionswissenschaft ein. In der Staatswissenschaftlichen
Fakultät werden die Studienrichtungen Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Sozialwissenschaft in einem integrierten Studienprogramm
angeboten. Die Erziehungswissenschaftliche Fakultät hat im „Erfurter Modell“ die Studiengänge für
Lehrer an Grund-, Regel- und berufsbildenden
Schulen grundlegend reformiert. Die KatholischTheologische Fakultät ist die einzige in den neuen
Bundesländern. Eine weitere Besonderheit ist das
Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, das als zentrale Einrichtung eine Verbindung von Center for Advanced Study, Forschungsinstitut und Graduiertenkolleg mit einem
Promotionsstudiengang ist. Seit dem Wintersemester 2002/2003 bietet die Universität auch eine Weiterbildung im Bereich Public Policy mit dem Abschluss Master of Public Policy an. Diese Weiterbildung ist zweijährig und gebührenpflichtig.
Derzeit sind in den vier Fakultäten rund 4.000 Studierende eingeschrieben, um deren Betreuung die
Universität sich intensiv kümmert. Für ihr Betreuungs- und Integrationskonzept für ausländische Studierende hat sie 2001 den „Arbeitgeberpreis Bildung
2001“ bekommen, 2005 das von der Hertie-Stiftung
initiierte Zertifikat „Familienfreundliche Hochschule“. Für alle Studierenden steht ein betreuungsintensives Mentorensystem zur Verfügung.
II.
Leitidee bei der Gründung der Universität Erfurt war
die Betonung der gesellschaftlichen und politischen
Relevanz der geistes- und sozialwissenschaftlichen
Fachrichtungen als derjenigen Disziplinen, die für
die gesellschaftlichen Transformationsprozesse im
Zuge der Globalisierung Handlungs- und Orientierungswissen anbieten können. Darum erlauben die
Studien- und Prüfungsordnungen für das BA-Studium die Kombination aller angebotenen Studiengänge als Haupt- und Nebenfächer, und darum ist ein
Studium Fundamentale und Berufsfeld für alle BAStudenten verpflichtend.
Der ihm zugrunde liegende Bildungsbegriff ist der
des lebenslangen Lernens, in dem „sowohl geistige,
kulturelle und lebenspraktische Fähigkeiten als auch
personale und soziale“ Kompetenzen erworben werden. Auch im Erfurter Modell geht es darum, den
Studenten über spezielles Fachwissen hinaus „das
Denken in komplexen Zusammenhängen sowie die
Fähigkeit, verantwortlich zu handeln und Risiken zu
63
DIE WEITEREN FINALISTEN
beurteilen“ zu vermitteln. Das Studium Fundamentale und Berufsfeld bestand ursprünglich aus vier
Bereichen: „Methodisch-theoretisches Vermittlungsund Grundlagenwissen“, „Ästhetisches Wahrnehmungsvermögen,“ „Soziale Kompetenz“ und dem
Studienbereich „Berufsfeld“. Im Zuge einer Novellierung wurden die Bereiche „Soziale Kompetenz“ und
„Berufsfeld“ zusammengelegt.
Im Bereich „Methodisch-theoretisches Vermittlungsund Grundlagenwissen“ steht Transdisziplinarität
im Mittelpunkt. Durch sie sollen die Fähigkeit der
Studierenden zu vernetztem Denken, ihre Reflexions- und (Selbst-)Kritikfähigkeit und ihre Argumentationsfähigkeit und -bereitschaft geschärft werden.
Die Veranstaltungen werden jeweils von zwei Lehrenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen
durchgeführt. Das Angebot wechselt mit jedem
Semester. Es gibt nur eine Pflichtveranstaltung, die
alle Anfangssemester besuchen müssen: ein Wissenschaftspropädeutikum. Dazu hat man sich entschlossen, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass der
Zugang zu transdisziplinären Denk- und Herangehensweisen Studierenden gerade am Anfang oft
schwerfällt.
Im Bereich „Ästhetisches Wahrnehmungsvermögen“
geht es darum, das „sinnliche Wahrnehmungsvermögen sowie die ästhetische Urteilskraft“ der Studierenden zu fördern, aber auch ihre Kreativität, Innovationskraft und ihren „Mut zum Risiko“ anzuregen. Solche Veranstaltungen werden von Künstlern der Universität (Orchester, Chor) oder von externen Künstlern angeboten. Auch dieses Angebot verändert sich
in jedem Semester und kann zum Beispiel Veranstaltungen aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Video,
Computerkunst, Tanz, Performance usw. enthalten.
Der Bereich Berufsfeld deckt drei Bereiche ab: die
Vermittlung von Soft Skills – der Erfurter Antrag
nennt hier u. a. Rhetorik, EDV-Kenntnisse, Sprachkenntnisse und Präsentationsfähigkeit; die Vermittlung sozialer Kompetenzen, das heißt von „Methoden und Fähigkeiten zur Komplexitätsbewältigung
64
und Mediation“; die Vermittlung von Einblicken in
bestimmte Berufsfelder. Die Veranstaltungen im Bereich „Berufsfeld“ werden zu großen Teilen von spezialisierten externen Trainern oder von Vertretern
bestimmter Berufsfelder (Presse, Verlag, Schule)
durchgeführt. Die Universität gewinnt sie durch Kooperationsverträge mit dem Land, der Stadt, der
Oper, der Thüringer Zeitung, dem MDR und anderen. Im Bereich „Berufsfeld“ müssen die Studierenden zusätzlich Praktika absolvieren.
Neben diesem Angebot gibt es im Studium Fundamentale und Berufsfeld auch Veranstaltungen, die
von Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen
selbst konzipiert und organisiert werden. Sie werden
in der Regel von zwei von den Studierenden ausgesuchten Lehrenden betreut. Diese Veranstaltungen
gelten als wichtiges Element für die Identifikation
der Studierenden mit dem Studium Fundamentale
und Berufsfeld und mit der Universität.
Die ersten beiden Semester des BA-Studiums gelten
in Erfurt als Orientierungsphase, nach ihrem erfolgreichen Abschluss beginnt die viersemestrige Qualifikationsphase. Insgesamt müssen 180 Credit Points
erreicht werden. Das Studium Fundamentale hat eine eigene Studien- und Prüfungsordnung. Nach deren Novellierung zum Wintersemester 2007/2008
machen die zu erbringenden Leistungen ca. 23 % der
Gesamtstudienleistung aus und müssen in beiden
Phasen des Studiums erbracht werden. Veranstaltungen aus den Bereichen „Methodisch-theoretisches
Vermittlungs- und Grundlagenwissen“ und „Ästhetische Wahrnehmung“ sind benotet, und die Noten
gehen in die BA-Abschlussnote ein.
Veranstaltungen/Praktika aus dem Bereich Berufsfeld sind ebenfalls benotet, die Noten werden aber
nicht zur BA-Abschlussnote herangezogen.
Jeder Lehrende der Universität ist verpflichtet, zwei
Semesterwochenstunden seines Lehrdeputats dem
Studium Fundamentale zu widmen. In der Regel
werden am Beginn jedes Semesters die Veranstaltun-
gen für das Studium Fundamentale des nächsten
Semesters von den Lehrenden konzipiert. Die Ideen
dafür werden häufig in informellen Treffen entwickelt, auf der Website des Studium Fundamentale
steht aber auch eine Co-Dozentenbörse zur Verfügung, die bei der Suche nach einem Lehrpartner
hilft.
Die Bedeutung des Studium Fundamentale und Berufsfeld zeigt sich daran, dass es direkt der Hochschulleitung unterstellt ist. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim „Senatsausschuss für das Studium Fundamentale“. Seine Mitglieder sind Vertreter
aller Fachbereiche und zwei Vertreter der Studierenden. Geleitet wird der Ausschuss von dem/der Vizepräsident/-in für Studium und Lehre.
Dieser Ausschuss prüft und genehmigt die Lehrveranstaltungsvorschläge der universitären wie der externen Dozenten. Die fachliche Qualifikation externer Bewerber wird von einem einschlägigen Fachvertreter geprüft. Im methodisch-theoretischen Bereich
des Studium Fundamentale müssen die Veranstaltungen interdisziplinär sein. Für alle gibt es eine
Mid-Semester-Evaluation durch die Studierenden, die
es den Lehrenden erlaubt, Kurskorrekturen vorzunehmen. Eine Endsemester-Evaluation wird von einer Evaluationskommission zentral ausgewertet und
dem Dekanat und den Lehrenden zugeleitet.
gehören u. a. die Koordinierung des Veranstaltungsprogramms, auch die Mittelplanung und -bewirtschaftung, die Zusammenarbeit mit den externen
Lehrenden und die Beratung der Studierenden.
Im Hinblick auf die Vermittlung von Schlüsselkompetenzen, auf die Praxisorientierung, auf den transdisziplinären Ansatz und auf die curriculare Einbindung des Studium Fundamentale und Berufsfeld
hält die Universität Erfurt ihr Modell für übertragbar
auf andere Universitäten und Hochschulen. Das
Preisgeld hätte die Universität vor allem benutzt, um
interdisziplinäre Lehre stärker zu erforschen, die Ergebnisse interdisziplinärer Veranstaltungen und Projekte an ihrer Universität besser zu dokumentieren
und die Kommunikation mit anderen Hochschulen
mit interdisziplinärem Ansatz stärker auszubauen.
Von der Teilnahme am Wettbewerb hat das Studium
Fundamentale und Berufsfeld in zwei Bereichen
profitiert: Zum einen haben Wettbewerbsantrag und
Präsentation noch einmal zur eigenen Standortklärung bzw. -profilierung beigetragen, zum anderen
hat das Studium Fundamentale und Berufsfeld bei
Lehrenden und Studierenden an Akzeptanz
gewonnen.
2003 gab es eine Veranstaltung, die den Bereich Berufsfeld mit einer neuen Evaluationsform verband.
Studierende organisierten einen „Tag der Lehre“ mit
Unterstützung der Akkreditierungsagentur ACQUIN.
Einen Tag lang wurden alle Teilbereiche der Universität und damit auch das Studium Fundamentale
und Berufsfeld von den Studierenden und Mitarbeitern diskutiert. Die Ergebnisse flossen in die Entwicklungsplanung der Universität ein. Es ist geplant,
diese Veranstaltung zu wiederholen.
Zur Organisation des Studium Fundamentale und
Berufsfeld gibt es an der Universität ein Büro mit einer vollen Stelle. Zum inhaltlichen Aufgabengebiet
65
DIE WEITEREN FINALISTEN
Ein Zentralinstitut für
Orientierungswissen
Die Carl von Linde-Akademie an der Technischen Universität München
I.
Die Technische Universität München (TUM) ist nach
der Universität Erfurt die älteste Hochschule unter
den Finalisten des Wettbewerbs. 1868 wurde sie von
König Ludwig als eine zur Hochschule reorganisierte
Polytechnische Schule gegründet, 1877/78 erhielt
sie die Bezeichnung „Technische Hochschule“, 1901
wurde ihr das Promotionsrecht verliehen und 1970
wurde sie in „Technische Universität“ umbenannt. An
ihren zwölf Fakultäten studieren derzeit etwa 20.000
Studenten, davon kommt ein Fünftel aus dem Ausland. Die Studierenden müssen sich für ihre Aufnahme einem Auswahlverfahren stellen.
Schwerpunkte von Forschung und Lehre sind die
neuen Hochtechnologien und die Life Sciences. Auch
66
die TUM ist seit Mitte der 90er Jahre in einem internen Reformprozess begriffen. Er hat ihr zahlreiche
Auszeichnungen eingebracht. Im Jahr 2006 gehörte
sie zu den Siegern in der ersten Förderrunde der „Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder“. Ausgezeichnet wurde sie für zwei Exzellenzcluster, für die
TUM International Graduate School of Science and
Engineering (IGSSE) und für das Zukunftskonzept
„TUM. The Entrepreneurial University“.
Unter einer „unternehmerischen Universität“ versteht die TUM keine Universität, die allein auf wirtschaftlichen Erfolg aus ist. Unternehmensziel sei
vielmehr die Kombination von wissenschaftlicher Innovation mit hoher Wertschöpfung. Zum unternehmerischen Handeln gehöre aber auch Risikobereit-
schaft sowie Klarheit über Aufwand, Kosten und
Leistung. Seit den 90er-Jahren hat die TUM einen
breiten Maßnahmenkatalog zur Erreichung ihres
Ziels entwickelt. Dazu gehört, um nur einige ganz
unterschiedliche Beispiele zu nennen, dass sie als
erste deutsche Universität eine professionelle Fundraising-Kampagne – „Allianz für Wissen“ – begonnen hat, mit der sie bisher über 100 Mio. Euro einwerben konnte. Dazu gehören auch der Aufbau eines internationalen Alumni-Netzwerks und die Gründung der TUM GmbH (2002), deren Ziel es ist, Studenten und Wissenschaftlern unternehmerisches
Denken und Handeln zu vermitteln.
Als Teil ihres Maßnahmenkatalogs gründete sie 2005
das TUM Institute for Advanced Study, das im Zen-
trum ihres Zukunftskonzepts steht und dessen Aufgabe die Bereitstellung eines Freiraums für internationale Spitzenforschung an der Universität ist. Aber
auch die Ausbildungsstruktur an der TUM soll grundlegend umgestaltet werden. Mit der in der Exzellenzinitiative ausgezeichneten IGSSE wird dieser Umbau
eingeleitet: In Zukunft sollen mehrere fachlich ausgerichtete Graduate Schools unter dem Dach einer
TUM Graduate School zusammengefasst sowie eine
TUM Undergraduate School gegründet werden.
Spitzenforschung und berufliche Spitzenleistungen
und damit die Zukunftsfähigkeit von Industriestaaten sind nach den Leitgedanken der TUM nur möglich, wenn die Grenzen zwischen fachlichen Denkkulturen in Forschung und Lehre zugunsten von
67
DIE WEITEREN FINALISTEN
Transdisziplinarität überwunden werden. Zugleich
müssen sich nach Auffassung der TUM zukünftige
Forschergenerationen ihrer Aufgabe bewusst sein,
mit ihren „wissenschaftlichen Ideen Mehrwert
für die Gesellschaft“ zu schaffen, sei es in der
Forschung oder in einem anderen beruflichen
Umfeld.
systemen und Transdisziplinarität, aber auch zu
„Querdenken und Querhandeln“.
Auf dieser Grundlage wurde ein Lehrangebot konzipiert, das, wie es im Wettbewerbsbeitrag heißt, „insbesondere das Wissen, Erleben und Gestaltungsrepertoire der Studierenden bereichern soll“. Es ist in
fünf Module gegliedert:
II.
Ihrem Bildungsverständnis entsprechend bietet die
TUM u. a. fakultätsbezogene Veranstaltungen im Bereich der Soft Skills sowie fachbezogene Sprachkurse an. Mit der Gründung der Carl von Linde-Akademie (CvL-A) als zentrale Einrichtung an der TUM beschritt sie im Jahr 2004 einen neuen Weg. Mit ihrem
Lehrangebot soll die Akademie den Studierenden
der Natur- und Ingenieurwissenschaften „mit einem
spezifisch geistes- und kulturwissenschaftlich geprägten Angebot transdisziplinäres Orientierungswissen“ vermitteln.
Im Vorfeld der Gründung der Carl von Linde-Akademie wurde ein ungewöhnlicher Weg gewählt, um
Entscheidungen über Struktur und Inhalt des zukünftigen Lehrangebots der Akademie zu treffen.
84 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft
und Politik wurden darüber befragt, welche Themenfelder im Angebot der Carl von Linde-Akademie besonders vertreten sein sollten. Als Ergebnis wurden
drei besonders wichtige Themenbereiche der zukünftigen Arbeit identifiziert:
• der „Faktor Mensch“: Zu diesem Bereich gehören
die Vermittlung von Motivation und Kreativität,
Verantwortung, Selbstorganisation und -darstellung, Kommunikation und Kooperation, Mitarbeiterführung und Fairness;
• der „Faktor Kultur“: In diesen Bereich fallen „Verantwortung für die Welt von morgen“, „Kulturelle
Gemeinsamkeiten und Differenzen“ sowie „Weltweites Zusammenwirken von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik“;
• der „Faktor Grenzüberschreitung“: Dazu zählen
die Beschäftigung mit anderen fachlichen Denk68
• Kommunikation und Information
• Ethik und Verantwortung
• Kulturelle Kompetenz
• Werte und Wandel
• Innovation und Risiko
Ergänzende Angebote gibt es in den Bereichen
Kunst/Führungen, Selbstmanagement und Selbstorganisation sowie neuerdings LebensArt.
Da Angebote der Carl von Linde-Akademie erst in
drei Fakultäten zu den Wahlpflichtbereichen der
Studiengänge gehören, legt sie großen Wert darauf,
die Module zugleich fachnah und transdisziplinär zu
gestalten und sie zeitlich so zu legen bzw. ihre Nutzung so flexibel zu gestalten, dass sie auch angesichts der Priorität des jeweiligen Fachstudiums für
Studierende attraktiv und nutzbar sind. Neben Lehrbriefen mit begleitenden Tutorien (Blended Learning) gibt es wöchentlich stattfindende Kurse, Blockveranstaltungen, Vorlesungen und Projekte. Zusätzlich werden Ringvorlesungen zu transdisziplinären
oder berufspraktischen Themen abgehalten.
Im Wintersemester 2006/2007 wurden zum Beispiel
allgemeine Kurse angeboten zu Themen wie „Ethik
& Verantwortung“, aber auch „Ethik im Alltag –
ethische Ansätze in Theorie und Praxis“. Workshopthemen waren „Grundlagen der Wissenschaftstheorie“, „Medienkompetenz“, „Begegnung der Kulturen“ und „Familie im Wandel: Emotionale Quelle –
Karrierehindernis – Keimzelle von Kompetenzen“.
Im Modul LebensArt konnten die Studierenden sich
über Themen wie „Tischkultur“ und „Weinkultur“
informieren.
Neben der Säule „Studium“ gibt es in der Carl von
Linde-Akademie die Einrichtung ProLehre. Sie dient
der Schulung von Nachwuchswissenschaftler(inne)n
in didaktischen Fragen, aber auch in Präsentationsund Teamkompetenzen, in der Arbeitsstrukturierung
und im Selbstmanagement. Das Angebot steht auch
Lehrenden an der TUM zur Verfügung. Seit September 2005 ist ein weiterer Bereich zum Angebot der
Carl von Linde-Akademie hinzugekommen, das Projekt „Wissenschaftliche Weiterbildung“ mit einer
Laufzeit von zunächst zwei Jahren.
Die Lehrenden der Akademie setzen sich zusammen aus internen und externen deutschen und
internationalen Wissenschaftlern und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft. Zusätzlich werden pro
Semester Fellows als Gäste eingeladen, die ebenfalls Veranstaltungen durchführen. Für die Begleitung der Tutorien zu den Lehrbriefen werden Mentoren eingesetzt, die für ihre Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Hochschuldidaktischen Zentrum
Dortmund geschult werden. Ihrerseits schulen sie
in Zukunft immer neue höhere Semester der Studierenden als Tutoren.
Alle Einzelmodule werden zertifiziert. Langfristig
strebt die Carl von Linde-Akademie in Übereinstimmung mit der Hochschulleitung an, dass ihre Angebote Wahlpflichtanteile der Studiengänge aller zwölf
Fakultäten der TUM werden. Bereits jetzt haben Studierende die Möglichkeit, auf der Basis des Erwerbs
von 30 Credit Points eine zertifizierte Zusatzqualifikation zum Fachstudium zu erwerben. Zum Wintersemester 2007/2008 ist die Einführung eines eigenen Nebenfachbereichs der Carl von Linde-Akademie
geplant.
Leitungsorgane der Carl von Linde-Akademie sind
ein Akademischer Leiter (bislang gewählt, demnächst in fester Position) und ein Akademischer Rat,
der sich aus acht von der Hochschulleitung ernannten Mitgliedern der Fakultäten zusammensetzt. Das
operative Geschäft wird von einem Geschäftsführer
mit Assistenz geleitet, dem auch der Leiter von Pro-
Lehre zugeordnet ist. Zusammen mit einem externen
Beirat planen Leitungsorgan und Geschäftsstelle das
Lehrangebot und seine Weiterentwicklung und sind
für die Qualitätskontrolle zuständig.
Finanziert wird die Carl von Linde-Akademie durch
eine Kombination aus staatlichen und privaten Mitteln. Durch eine Zuwendung der Linde AG verfügt
die Akademie über einen Finanzsockel von 7,2 Mio.
Euro, aus dessen Zinserträgen die Geschäftsstelle sowie die Programmgestaltung finanziert werden. Die
Finanzierung der Personal- und Sachausstattung der
Bereiche „ProLehre“ und „Wissenschaftliche Weiterbildung“ wird aus Hochschulmitteln bestritten.
Alle Angebote der Carl von Linde-Akademie werden
durch regelmäßige Studierendenbefragungen (Kurzfragebögen) evaluiert, und die Ergebnisse werden
veröffentlicht. Außerdem gibt die Akademie in Jahresberichten Auskunft über die Verwendung ihrer
Mittel und über die Ergebnisse ihrer Arbeit. Diese
Berichte werden allen Dekanen der Universität zugeleitet.
Die Carl von Linde-Akademie hält Aspekte ihrer
Struktur für übertragbar auf andere Hochschulen.
Dazu zählen die kombinierte Finanzierung aus staatlichen und privaten Mitteln zur Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen sowie die schlanke Organisationsstruktur, die es ermöglicht, Mittel statt in
Overhead-Kosten in die Entwicklung von Programmen und innovativen Lehr- und Lernformen zu investieren.
Die Preisgelder hätte die Carl von Linde-Akademie
u. a. eingesetzt für wissenschaftliche Projekte zur
Lehr- und Lernforschung, die Durchführung internationaler Summer Schools; den Ausbau von BlendedLearning-Angeboten und für Investitionen in für die
Carl von Linde-Akademie spezifische Forschungsschwerpunkte.
69
DIE WEITEREN FINALISTEN
Fachliche und überfachliche
Qualifizierung kombinieren
HK2S an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
I.
Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) kann auf eine mehr als 50jährige Vorgeschichte zurückblicken. Sie wurde
1949 als Höhere Landbauschule gegründet, aus der
1972 die Fachhochschule Nürtingen wurde. Die Einrichtung einer Außenstelle in Geislingen an der Steige 1988 war der erste Schritt zur Entwicklung einer
Regionalhochschule mit zwei Standorten. Seit 2005
trägt die Hochschule ihren heutigen Namen. An der
HfWU sind heute etwa 4.000 Studierende eingeschrieben, darunter 1.500 in Geislingen. Die Bewerber/-innen kommen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem Ausland. An beiden Standorten
werden Studiengänge im Bereich Wirtschaft und
Umwelt angeboten, die entweder breit angelegt sind
(z. B. Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsrecht)
oder einen ausgeprägten Branchenbezug haben
(z. B. Agrarwirtschaft, Immobilienwirtschaft). Den
70
sich wandelnden wirtschaftlichen Anforderungen
entsprechend wurden an beiden Standorten immer
wieder neue Studiengänge eingeführt. Einen ungewöhnlichen Weg beschritt die HfWU im Jahr 1996,
als sie in Nürtingen als erste Fachhochschule einen
Studiengang Volkswirtschaftslehre (VWL) einrichtete. Er erhielt schon im ersten Jahr vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft einen Preis als
„modellhafte Initiative zur Reform von Studium und
Lehre“. Mit ihrem Studienangebot in den Wirtschaftswissenschaften konnte sich die HfWU in einigen Hochschulrankings gut platzieren. So sprach ihr
2003 das „Manager Magazin“ den dritten Platz unter den deutschen Fachhochschulen zu.
Seit den späten 90er-Jahren hat auch an der HfWU
das Thema Internationalisierung immer mehr an Bedeutung gewonnen. So wurde der bestehende Aufbaustudiengang Internationale Wirtschaftsbeziehun-
gen in den Masterstudiengang International Management umgewandelt und der Studiengang International Finance läuft seit seinem Start im Jahr 2000 als
Bachelor- und Master-Angebot. Die generelle Umstellung auf die zweistufigen Abschlüsse wurde 2006
abgeschlossen. Seit 2007, mit der Einführung von
Studiengebühren in Baden-Württemberg, werden
auch die Studierenden der HfWU an der Finanzierung der Hochschule beteiligt.
Die HfWU reichte als Wettbewerbsbeitrag ihr Konzept „Optimierung von Handlungskompetenz: ein
systemischer Ansatz zur Förderung von Schlüsselqualifikationen“ ein, das im oben erwähnten Studiengang Volkswirtschaftslehre seit seiner Einrichtung
im WS 1996/97 entwickelt und erprobt worden war.
Seit der Präsentation der Wettbewerbsbeiträge der
Finalisten vor der Jury (2006) nennt die HfWU ihren
Ansatz Systemische Entwicklung Systemischer
HandlungsKompetenz (HK2S). Mithilfe eines neu
eingerichteten Kompetenzzentrums Lehre wird dieser Ansatz künftig hochschulweit eingesetzt. Zusätzlich dazu gibt es an der HfWU seit diesem Jahr
(2007) auch ein Studium Generale, das allen Studierenden offen steht und den interdisziplinären
Austausch flankierend anregen soll.
II.
Ausbildungsziel des Nürtinger VWL-Studiengangs war
und ist es, die Berufs- und Lebenschancen der Studierenden zu optimieren. Um das zu erreichen, sollen
nicht allein Fachspezialisten ausgebildet werden, sondern „sozialverträgliche Querdenker und Macher, die
bei Bedarf auch unpopuläre Positionen mit Zivilcourage vertreten sowie in allen Lebensbereichen neue Entwicklungen durch Überzeugungskraft anstoßen und
mit Engagement voranbringen“. Damit reagiert auch
die HfWU auf die gegenwärtigen Transformationspro71
DIE WEITEREN FINALISTEN
zesse in Lebens- und Arbeitswelten, die durch hohe
Komplexität, Vernetzung und raschen Wandel gekennzeichnet sind und deshalb neue Anforderungen an
Studierende und an Berufspraktiker stellen.
Nach dem Nürtinger Ansatz hat die Förderung der
Fähigkeit zur permanenten Fortentwicklung fachlichen und überfachlichen Könnens Vorrang vor der
Vermittlung bloßen fachlichen oder auch überfachlichen Wissens. Darum werden Schlüsselqualifikationen konsequent als Handlungskompetenz interpretiert. Handlungskompetenz wiederum wird definiert
als die „Fähigkeit einer Person, in sozialen Systemen
zielführend und verantwortungsbewusst zu handeln“. Diese Definition bedeutet laut Antrag die Fähigkeit, in komplexen und dynamischen Umfeldern
(Unternehmen, Verein usw.) zielgerichtet zu handeln,
die jeweiligen Ziele aber auch modifizieren zu können, um die Erfolgschancen zu erhöhen. In solchen
Prozessen entwickeln sich die beteiligten Personen
selber durch lebenslanges Lernen und tragen gleichzeitig zur Entwicklung ihres Umfelds bei (Entwicklung lernender Organisationen).
Unzufrieden mit gängigen Definitionen von Schlüsselqualifikationen, die sie als zu vage und zu eklektizistisch empfanden, entwickelten die Nürtinger einen
in Konzeption und Umsetzung systemischen Ansatz.
Er ermöglicht – so die HfWU – eine umfassende Beschreibung, Erklärung und Förderung von Handlungskompetenz und macht auch Interdisziplinarität
fassbar und förderbar. Nach Ansicht der Nürtinger
leistet HK2S Folgendes: Der Ansatz nimmt die Wechselwirkungen zwischen individuellem und kollektivem Handeln in den Blick, integriert alle Bestimmungsgründe dieses Tuns „in eine kohärente Gesamtschau“, liefert messbare Begriffe für dieses Handeln und macht damit zugleich die Veränderung dieses Handelns im Kontext handlungskompetenzfördernder Maßnahmen evaluierbar. Als Hauptziel des
Ansatzes wurde und wird die „kontinuierliche Verbesserung bei allen Formen und Facetten des Handelns“
gesehen, von der Entwicklung der Persönlichkeit bis
zur Steigerung internationaler Wettbewerbsfähigkeit.
72
Zur Fundierung von HK2S entwickelten die Nürtinger ein transdisziplinäres Modell sozialer Systeme, in
dem insbesondere psychologische mit ökonomischen
Handlungstheorien verbunden sind. Auf der Grundlage dieses Modells wurden handlungsorientierte Bildungsziele entwickelt und systematisiert.
Zu den Lehrinhalten zählt in Nürtingen neben dem
Fachwissen auch das Handlungswissen, das aber in
enger Verbindung mit der Bearbeitung von Fachaufgaben erworben wird und so eng mit den Lehr- und
Lernmethoden verknüpft ist. Die Studierenden sollen die Bedeutung von Handeln und dessen Bestimmungsgründen sowie die Bedeutung von überfachlichen und fachlichen Methoden und die Nutzungsmöglichkeiten von Fachwissen in der Praxis erkennen und reflektieren. Zu den angestrebten Lernerfolgen gehören u. a., Methodenabhängigkeit und die
Grenzen des Fachwissens zu verstehen sowie sich
mit Kontroversen im Fach und zwischen den Fächern auseinandersetzen zu können.
Der Nürtinger HK2S-Ansatz zur Förderung von
Schlüsselqualifikationen erfordert passende Lehrmethoden. Im Vordergrund stehen aktivierende Methoden wie Gruppen-, Team- und Projektarbeit. Zusätzlich werden die Studierenden mit speziellen Handlungskompetenz-Tools vertraut gemacht, die sie
schon während ihres Studiums, aber auch im späteren Berufsleben nutzen können. Der Wettbewerbsbeitrag erwähnt besonders ein Tool, das auf den
Kern von Selbstorganisation bezogen ist und sich an
den so genannten Handlungs- oder Managementkreis anlehnt: Die Studierenden lernen, Ziele zu setzen, ihr Vorgehen zu planen, die Umsetzung zu beobachten und zu steuern, Arbeitsprozesse und -ergebnisse zu evaluieren sowie ihre Erfahrungen im
Hinblick auf die Zukunft zu reflektieren.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung war HK2S im Pilotstudiengang VWL fest verankert. Die Übernahme
des Ansatzes war damals in einem BWL-Studiengang
angelaufen und in weiteren Studiengängen geplant;
mittlerweile ist sie in vier Studiengängen fortgeschrit-
ten. Da die Förderung von Handlungskompetenz in
enger Verbindung mit der Vermittlung von Fachwissen erfolgt, werden Schlüsselqualifikationen im Grunde in jeder Veranstaltung mit geprüft und bewertet.
Ein bestimmter Anteil von Credit Points für Schlüsselqualifikationen an den Gesamtleistungen der Studierenden kann deshalb nicht ermittelt werden. Die
Evaluierung erfolgt durch Befragungen und Beobachtungen zum Lernerfolg der Studierenden sowie
zum Berufserfolg der Alumni. Laut Antrag kann gezeigt werden, dass diese sich besonders erfolgreich in
der Berufswelt platzieren konnten, auch im Wettbewerb mit Absolventen universitärer Studiengänge.
Die Anforderungen, die HK2S an die Lehrenden
stellt, sind hoch. Die HfWU versucht aber, sie durch
die Art der Umsetzung von HK2S zu mindern. So
werden die Studierenden zu Beginn des Studiums
durch primär überfachliche Lehrveranstaltungen
(Selbst-, Gruppen- und Projektmanagement) in Handlungskompetenz trainiert. Diese Veranstaltungen
werden von einschlägig qualifizierten Lehrenden
durchgeführt. Zur Unterstützung der Lehrenden
dient auch das am Anfang erwähnte Kompetenzzentrum Lehre. Es fördert Verbesserungen der Lehrqualität auf der Grundlage von HK2S und ist dem
bei der Antragstellung geplanten Teaching Center
vergleichbar. Das Kompetenzzentrum Lehre bietet
Weiterbildungs- und Beratungsangebote für Lehrende und Leiter/-innen der Studiengänge an, berät bei
der Evaluation der Lehre und wirkt am Qualitätsmanagement mit.
Das Preisgeld hätten die Antragsteller für den Ausbau des Teaching Center genutzt und damit – je
nach Höhe – verschiedene Arbeiten zur Übertragung von HK2S auf andere Studiengänge und Hochschulen sowie zur Fortentwicklung des Ansatzes in
Richtung Qualitätsmanagement finanziert.
73
DIE WEITEREN FINALISTEN
Fachkompetenz und
Persönlichkeitsbildung
Studium generale an der Bucerius Law School gGmbH
I.
Die Bucerius Law School in Hamburg ist die erste
und bislang einzige private Hochschule für Rechtswissenschaft in Deutschland. Sie wurde im Jahr 2000
von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gegründet und im selben Jahr staatlich anerkannt. Ihre
Gründer wollten Reformanstöße für die deutsche Juristenausbildung geben und dazu beitragen, dass die
deutsche Rechtswissenschaft stärker internationale
Beachtung findet. In Forschung, Studium und Lehre
ist sie daher international und interdisziplinär ausgerichtet. Mit einem Netzwerk von Partnerhochschulen
unterstützt sie den internationalen Austausch von
Wissenschaftlern. In der Ausbildung ihrer Studierenden legt sie großen Wert auf eine fundierte wirtschaftliche Ausbildung sowie auf die Kenntnis internationaler Rechtsordnungen und Diskurse. Flankierend sind alle Studierenden zu einem Studienaufenthalt im Ausland in ihrem siebten Trimester verpflichtet sowie zu fachspezifischem Englischunterricht.
74
Darüber hinaus bietet die Bucerius Law School ein
einjähriges englischsprachiges Graduiertenstudium
(Abschluss: Bucerius/WHU Master of Law and Business) zur Ausbildung von Führungskräften für die
internationale Wirtschaft an, die sowohl rechtliche
wie wirtschaftliche Fragestellungen beherrschen. In
diesem Studiengang sind derzeit 20 Studierende aus
14 Nationen eingeschrieben.
Die Bucerius Law School legt Wert auf kurze Studienzeiten. Die Studierenden ihres rechtswissenschaftlichen Studiengangs werden innerhalb von zwölf Trimestern auf die staatliche Pflichtfachprüfung als Teil
der Ersten Prüfung vorbereitet. Nach zehn Trimestern – das ist eine Besonderheit – wird der hochschuleigene Baccalaureus Legum (LL.B.) verliehen.
In diesem Studiengang sind derzeit 519 Studierende
eingeschrieben. Das Studium an der Bucerius Law
School ist gebührenpflichtig. Die Kosten für den
Studiengang LL.B./Erste Prüfung betragen 3.300
Euro pro Trimester, die für den Graduiertenstudiengang insgesamt 20.000 Euro. Zur Finanzierung des
Studiums werden zinsgünstige Darlehen und der
„Umgekehrte Generationenvertrag“ angeboten.
Bafög-Berechtigte erhalten darüber hinaus einen
Teilerlass in Höhe der Hälfte der Studiengebühren.
Auch die Gründer der Bucerius Law School reagierten auf die internationalen gesellschaftlichen Transformationsprozesse infolge der veränderten geopolitischen Lage seit den 90er-Jahren. Das zeigt sich
zum einen in der Organisation der Bucerius Law
School als private Hochschule ebenso wie in ihrer
interdisziplinären und internationalen Ausrichtung.
Das zeigt sich aber auch darin, dass sie von Anfang
an, noch bevor 2002 die gesetzliche Verpflichtung
dazu wirksam wurde, die Vermittlung fachspezifischer Schlüsselqualifikationen (Vertragsgestaltung,
Verhandlungsführung, Mediation usw.) in das juristische Fachstudium integriert hat. Darüber hinaus hat
sie, und das ist ein Novum in der deutschen Juristenausbildung, von Anfang an ein Studium generale
eingerichtet.
II.
Das Studium generale an der Bucerius Law School
hat zwei Aufträge: einen Ausbildungs- und einen Bildungsauftrag. Seine Einrichtung trägt der Tatsache
Rechnung, dass es heute nicht mehr ausreicht, angehenden Juristen allein fachspezifisches Wissen und
fachspezifische Schlüsselqualifikationen zu vermitteln. Vielmehr brauchen sie für ihren beruflichen Erfolg in wechselnden nationalen und internationalen
Kontexten auch überfachliche Kompetenzen und
Orientierungswissen.
Ziel der Bucerius Law School ist aber nicht allein
die Ausbildung fachlich herausragender Spezialisten.
Vielmehr möchte sie, wie es im Wettbewerbsbeitrag
heißt, dass ihre Absolventen „ganzheitlich und um75
DIE WEITEREN FINALISTEN
fassend gebildete Persönlichkeiten“ werden, „die
über eine besondere Urteils- und Handlungskompetenz verfügen und bei all ihrem Tun stets auch moralisch-ethische Überlegungen anstellen sowie die
politischen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen ihres Handelns berücksichtigen“. Das setzt eine
(lebenslange) Persönlichkeitsentwicklung voraus, die
nicht durch Ausbildung, sondern nur durch Bildung
erreicht werden kann – Bildung im Sinne Wilhelm
von Humboldts, auf den sich die Antragsteller ausdrücklich berufen. Statt allein auf die Vermittlung in
der Praxis nützlicher Fertigkeiten zu setzen, wollen
sie daher ihre Studierenden dazu ermutigen und sie
dabei unterstützen, ihre „geistigen, kulturellen und
lebenspraktischen Fähigkeiten sowie [ihre] personalen und sozialen Kompetenzen“ zu erweitern.
Bei dieser Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden, die die Bucerius Law School anstrebt, kommt –
so die Antragsteller – der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen eine besondere Bedeutung zu. Diese
Schlüsselqualifikationen definieren sie als alles, was
zu hoher Problemlösungskompetenz führt und darüber hinaus dazu befähigt, immer neue Kompetenzen
in möglichst vielen Bereichen zu erwerben. Das führt
zu einer Handlungsfähigkeit, „die es ermöglicht, sowohl individuellen Bedürfnissen als auch gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden“.
Um das zu erreichen, soll das Studium generale
durch sein Angebot die Reflexionsfähigkeit seiner
Studierenden, ihre Methodenkompetenz und ihre
Fähigkeit zu transdisziplinärem Denken schulen. Darüber hinaus soll es soziale, kommunikative, kulturelle und internationale Kompetenzen fördern. Das
geschieht vor allem dadurch, dass es die Studierenden „mit den historischen, gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Zusammenhängen“ bekannt macht, „in denen sich unser Denken und Handeln vollzieht“.
Die Lernfelder des Studium generale – das zeigt die
Flexibilität, mit der das Programm auf Erfahrungen
reagieren kann – sind seit seinem Bestehen dreimal
76
umgestaltet worden. Von 2000 bis zum Sommer 2003
waren sie unterteilt in „Interdisziplinäre Kompetenz“,
„Intellektuelle, soziale und kommunikative Kompetenz“, „Kulturelle Kompetenz“ und „Internationale
Kompetenz“; vom Herbst 2003 bis zum Sommer 2004
in „Reflexive Kompetenz“, „Soziale Kompetenz“, „Kulturelle Kompetenz“ und „Internationale Kompetenz“.
Seit Herbst 2004 sind an die Stelle von Kompetenzbereichen konkrete fachliche Ausbildungsinhalte getreten. Es gibt nun die fünf Ausbildungsbereiche „Geschichte, Philosophie & Gesellschaft“; „Wirtschaft, Politik & Internationale Beziehungen“; „Kunst & Kultur“; „Natur & Technik“ und „Soft Skills“.
In den ersten vier Bereichen werden den Studierenden allgemeinbildende Kenntnisse vermittelt, die ihren Horizont erweitern und damit ihre Persönlichkeitsbildung fördern sollen. Als besonders wichtig
wird der Bereich Soft Skills angesehen, der die Sozial-,
Methoden- und Selbstkompetenz der Studierenden
fördern soll. In diesem Bereich werden, teils gemeinsam mit dem Zentrum für Juristische Didaktik bzw.
dem Career Office der Hochschule, Veranstaltungen
organisiert zu Themen wie Rhetorik, Sprechtraining,
Zeit- und Selbstmanagement, Lern- und Arbeitstechniken, Bewerbungstraining und Konfliktmanagement.
Die Veranstaltungen des Studium generale bestehen
aus Vorlesungen und Vorträgen mit anschließender
Diskussion, Podiumsdiskussionen, Lektürekursen,
Workshops und Exkursionen. Eine besondere Rolle
spielen studentische Initiativen, wie die Organisation
sogenannter Students‘ Lectures. In der Vergangenheit haben sie zum Beispiel Podiumsdiskussionen zu
Themen wie „Globalisierung“ oder „Asyl“ veranstaltet, Politiker zu Vorträgen eingeladen oder einen
Projekttag zum ehrenamtlichen Engagement in sozialen Einrichtungen in Hamburg organisiert. Durch
die eigenständige Organisation solcher Veranstaltungen erwerben die Studierenden zusätzliche Schlüsselqualifikationen.
Das Studium generale ist verpflichtender Bestandteil der juristischen Ausbildung an der Bucerius Law
School. Von insgesamt 200 Credit Points, die die
Studierenden für den LL.B.-Abschluss benötigen,
müssen sie acht im Studium generale erbringen.
Für den Besuch von fünf Veranstaltungen erhalten
sie jeweils einen Credit Point, sie müssen also während ihres Studiums mindestens 40 Veranstaltungen
besucht haben. Es gibt keinen „Kanon“ von Pflichtveranstaltungen, vielmehr können die Veranstaltungen frei gewählt werden. Die Teilnahme wird durch
die Unterschrift auf der Anwesenheitsliste nachgewiesen, Leistungsnachweise sind nicht erforderlich.
Für die Veranstaltungen des Studium generale wird
grundsätzlich ein Nachmittag pro Woche, der Mittwochnachmittag, von anderen Veranstaltungen
freigehalten. An jedem Mittwoch besuchen im Durchschnitt 150 Studierende die Veranstaltungen, das ist
rund die Hälfte der Zielgruppe, die pro Trimester
dafür in Frage käme.
Das Studium generale ist eine eigenständige wissenschaftliche Einrichtung der Bucerius Law School.
Sie untersteht direkt der Hochschulleitung. Geführt
wird sie von einer Programmleiterin (eine volle Stelle), zusätzlich gibt es eine Sekretariatskraft (eine
volle Stelle). Für die Einladung von Gastdozenten
steht dem Studium-generale-Bereich ein eigenes
Budget zur Verfügung. Für die Büroarbeit gibt es
zwei eigene Räume, für die Veranstaltungen kann
das Studium generale auf alle Veranstaltungsräume
der Bucerius Law School zurückgreifen.
Die Veranstaltungen des Studium generale werden,
wie alle anderen Veranstaltungen an der Bucerius
Law School auch, am Ende jedes Trimesters von den
Studierenden evaluiert. Darüber hinaus wird ihre
Evaluation des gesamten Programms erbeten. Die
Studierenden füllen dazu einen Fragebogen im Intranet aus. Kriterien für ihre in anonymisierter Form
abgegebene Beurteilung sind zum Beispiel die allgemeine Relevanz der Veranstaltungen, ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung und die Vermittlung überfachlicher Schlüsselqualifikationen,
aber auch die Frage nach der Eignung der Dozenten
für die Vermittlung der Lehrinhalte des Studium
generale.
Das Qualitätsmanagement erfolgt durch enge Zusammenarbeit des Studium generale mit den Studierenden und der Hochschulleitung, die bei der Bestimmung und Gestaltung des Programms unterstützend
mitwirkt. Regelmäßig werden auch Dozenten der
Hochschule, Förderer der Hochschule und Mitglieder aus der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
als externe Berater eingeladen, sich an der Fortentwicklung des Curriculums zu beteiligen.
Den Modellcharakter des Studium generale an der
Bucerius Law School für andere Hochschulen sahen
die Antragsteller darin, dass es ein Novum in der Juristenausbildung darstellt. Das setze ein Zeichen für
die juristische Hochschulausbildung in Zeiten, in denen neben exzellentem Fachwissen zunehmend auch
und gerade von Juristen fachübergreifende Qualifikationen erwartet würden.
Die Preisgelder hätte die Bucerius Law School dafür
verwandt, einen Wissenschaftler oder Künstler für
ein Trimester als „Fellow in Residence“ einzuladen,
um ihren Studierenden die Gelegenheit zu geben,
sich intensiv mit dem „Fellow in Residence“ und seiner Disziplin auseinanderzusetzen. Gedacht war an
die Möglichkeit eines trimesterbegleitenden Projektstudiums oder daran, dass der „Fellow in Residence“
gemeinsam mit einem Juraprofessor der Bucerius
Law School interdisziplinäre Veranstaltungen durchgeführt hätte. Um der Programmleiterin mehr Raum
für konzeptionelle und inhaltliche Arbeit zu geben,
wurde auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen,
die Sekretariatsstelle auf eine ganze aufzustocken,
was zwischenzeitlich dank anderer finanzieller Mittel
realisiert werden konnte.
77
DIE WEITEREN FINALISTEN
Eine neue Bildungsidee
und ein neues
Bildungsexperiment
Studium Generale und College an der Leuphana Universität Lüneburg
Vorbemerkung
Im Jahr nach der Einreichung des Wettbewerbsbeitrags der Universität Lüneburg wurde eine grundlegende Neuausrichtung der Universität beschlossen
und begonnen. Die im Wettbewerb beschriebenen
General Studies wurden zwar zum Wintersemester
2005/2006 eingerichtet, sie laufen aber nur noch bis
2010. Mit dem Wintersemester 2007/2008 beginnt
parallel zu den General Studies das Studium im
neuen Leuphana College. Es bezeichnet ein inhaltlich umfangreiches, miteinander vernetztes Studienangebot für den Bachelor-Abschluss, das deutschlandweit einzigartig ist.
78
Da das Programm General Studies umgesetzt wurde
und Leitideen mit dem neuen College verbindet, andererseits aber in Lüneburg als Modell ausläuft, ist es
hier in kürzerer Form zusammengefasst als die Wettbewerbsbeiträge in den anderen Abschnitten. Am Ende wird ein kurzer Überblick über das, was College
an der Universität Lüneburg bedeutet, gegeben.
I.
Die Ursprünge der heutigen Leuphana Universität
Lüneburg sind eng mit der Geschichte der Demokratie im Nachkriegsdeutschland verbunden: 1946
wurde in Lüneburg auf britische Initiative hin eine
Pädagogische Hochschule eingerichtet, die durch
die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern dazu
beitragen sollte, eine neue demokratische Tradition
in Deutschland zu begründen. 1978 wurde die PH
zu einer eigenständigen Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. In den 1980er-Jahren
wurden die Studiengänge Sozialpädagogik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre und – das war ein Novum – Angewandte Kulturwissenschaften (1986) eingerichtet, in den
90er-Jahren der Diplomstudiengang Umweltwissenschaften. Im Jahr 1989 wurde die PH zur Universität Lüneburg, 2003 wurde sie als eine der ersten
fünf Hochschulen Deutschlands eine Stiftung öffentlichen Rechts. Zwei Jahre später – zum 1. Januar
2005 – wurden die Universität und die Fachhochschule Nordostniedersachsen fusioniert, die 1971
als Nachfolgerin der Staatlichen Ingenieurakademie
für Wasserwirtschaft in Suderburg und der Staatlichen Ingenieurakademie für Bauwesen in Buxtehude gegründet worden war. Im Hinblick auf ihren
zentralen Standort ist die Universität eine CampusUniversität: Sie nutzt Gelände und Gebäude der ehemaligen Scharnhorst-Kaserne und auf dem Universitätsgelände stehen Wohnungen für mehrere Hundert Studierende zur Verfügung.
79
DIE WEITEREN FINALISTEN
Es gibt an der Universität drei Fakultäten: für Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften (Fakultät I),
Wirtschafts-, Verhaltens- und Rechtswissenschaften
(Fakultät II) und Umwelt und Technik (Fakultät III).
Derzeit sind an der Universität Lüneburg etwa 10.000
Studierende eingeschrieben, knapp die Hälfte davon
in den Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften.
Vom Sommersemester 2007 an müssen alle Studierenden zusätzlich zu den üblichen Rückmeldegebühren 500 Euro Studiengebühren zahlen.
Seit 2005 ist die Universität eine von 20 Modelluniversitäten für die Umsetzung des Bologna-Prozesses
und wurde dabei von einem Bologna-Berater der
Hochschulrektorenkonferenz unterstützt. Erklärtes
Ziel der Universität ist es zu zeigen, dass die Umgestaltung der Studiengänge im Rahmen des BolognaProzesses sehr wohl im Kontext eines Bildungsverständnisses geschehen kann, welches humanistisch
in seiner Grundlage und auf Nachhaltigkeit und
Handlungsorientierung ausgerichtet ist.
Darum wurde im Jahr 2006 mit dem Amtsantritt eines
neuen Präsidiums eine grundsätzliche Neuausrichtung der Universität beschlossen und eingeleitet. 2007
richtete die Leuphana, wie sie nun heißt, das oben erwähnte College für das Bachelor-Studium ein. 2008
hat eine Graduate School ihre Arbeit aufgenommen,
die – auch das ist ungewöhnlich – Master-Studiengänge und Doktorandenprogramme integriert. Außerdem
entstehen fachübergreifende Forschungszentren und
eine neue Professional School für weiterbildende Studiengänge und Unternehmenskooperation.
II.
Hauptziel der 2005 für die Universität Lüneburg geplanten General Studies – und das verbindet sie mit
dem College – war es zu zeigen, dass auch im Zeichen der Globalisierung „eine Verbindung von ganzheitlicher Bildung und arbeitsmarktorientierter Ausbildung möglich und sinnvoll ist“. Der diesem Ziel zugrunde liegende Bildungsbegriff ist der Humboldts,
welcher einen lebensbegleitenden Entwicklungsprozess bezeichnet, in dem der Mensch alle seine Fähig80
keiten – geistige, kulturelle, lebenspraktische – immer weiter entwickelt. Ausbildung ist in diesem Sinne
zwar Teil von Bildung, aber kein Selbstzweck.
Die Handlungskompetenz, die ein Mensch in seinem
lebenslangen Entwicklungsprozess erwirbt, sollte –
so der Antrag – die Erfordernisse in „Wirtschaft und
Gesellschaft“ berücksichtigen. Sie sollte dazu dienen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen „sachgerecht, reflektiert und individuell sowie sozial verantwortlich zu verhalten“.
Solche Handlungskompetenz schließt kognitive,
emotionale, motivationale und soziale Aspekte ein.
Neben Schlüsselqualifikationen im engeren Sinne
wollte und will die Universität Lüneburg darum
auch Schlüsselqualifikationen im weiteren Sinne
vermitteln. Beide zusammen bilden die General
Studies. Sie wurden in Lüneburg angesichts einer
Fächerstruktur geplant, innerhalb derer Interdisziplinarität integraler Bestandteil zahlreicher Studiengänge ist, so zum Beispiel in den Angewandten Kulturwissenschaften, den Umweltwissenschaften usw. Das bot die Gelegenheit, die General Studies so zu konzipieren, dass sie nicht neben und
zusätzlich zu den anderen Studienprogrammen bestehen, sondern mit deren Fachinhalten ein kohärentes Ganzes bilden.
Die General Studies sind in drei Bereiche aufgeteilt,
in denen die Studierenden Handlungskompetenzen
erwerben können, die sie zur Teilhabe im Berufsleben und in der Gesellschaft befähigen: in „Orientierung in Wissenschaft und Gesellschaft“, „Fachbezogene Fremdsprachen“ und „Schlüsselqualifikationen
im engeren Sinne“.
Die Veranstaltungen im Bereich „Orientierung in
Wissenschaft und Gesellschaft“ sollen vor allem dem
Erwerb von Kompetenzen dienen, mit deren Hilfe
sich Wissen in größere Zusammenhänge einordnen
und darüber hinaus in eine gesellschaftlich nachhaltige Richtung lenken lässt. So sollen Geisteswissenschaftler mit naturwissenschaftlichen Fragestellun-
gen konfrontiert werden und Ingenieurwissenschaftler mit Fragen von Globalisierung und Nachhaltigkeit. Um ihre methodischen Kompetenzen, ihre Reflexions- und Kritikfähigkeit zu schulen, werden die
Studierenden in diesem Bereich vor allem mit interund transdisziplinären Themen und Problemstellungen bekannt gemacht.
Ziel des Bereichs „Fachbezogene Fremdsprachen“ ist,
die soziale und wirtschaftliche Teilhabe am vereinten
Europa zu ermöglichen. Dabei geht es nicht allein
um den Erwerb von fachbezogenen Sprachkenntnissen im engeren Sinne, sondern auch um den Erwerb
interkultureller Kompetenz. Das Erlernen einer
Fremdsprache ist zudem geeignet, Schlüsselqualifikationen im engeren Sinne wie Methoden-, Sozial- und
Selbstkompetenz einzuüben bzw. zu erweitern.
Der Bereich „Schlüsselkompetenzen im engeren Sinne“ ist an den Erfordernissen des jeweiligen Fachstudiums ausgerichtet und wird für jedes Studienprogramm separat festgelegt. In diesem Bereich werden
vor allem Methodenkompetenz (Lernstrategien, Medienfertigkeit, Planungs- und Innovationsmanagement, Lehr-, Beratungs- und Forschungsfähigkeit);
Sozialkompetenz (Transfer-, Team-, Konflikt-, Moderations- und Führungsfähigkeiten) und Selbstkompetenz (Selbstmanagement, Leistungsbereitschaft, Flexibilität, Mobilität, Kreativität, Empathie und ethisches Verhalten) vermittelt.
Die Abstimmung über einen großen Teil von überfachlichen Lehrinhalten erfolgt in Lüneburg dezentral, und zwar durch die für die Studienprogramme
Verantwortlichen. Auch die Auswahl vieler fachübergreifender Veranstaltungen im Bereich General
Studies selbst erfolgt auf diese Weise: je nach General-Studies-Bereich zwischen den unterschiedlichen Fachbereichen (Orientierung in Wissenschaft
und Gesellschaft), zwischen Fachbereichen und
Fremdsprachenzentrum (Fachbezogene Fremdsprachen) oder – im Hinblick auf die Schlüsselkompetenzen im engeren Sinne – zwischen Studiendekanen und dem fachbezogenen Studium. Die auf die-
se Weise zustande kommenden Programmvorschläge werden durch eine General-Studies-Kommission
diskutiert und als Teil des jährlichen Gesamtprogramms verabschiedet.
Zu den Lehrformen gehören Vorlesungen, Seminare, Praktika, Projektarbeit, Übungen, aber auch
„Votum“ oder „Rezension“ (z. B. beim Master Umweltrecht). Ziel ist es, Formen wie E-Learning und
Blended Learning weiter auszubauen. Die Vermittlung erfolgt sowohl additiv (z. B. im Bereich Fachbezogene Fremdsprachen) als auch integrativ, wo
das möglich ist.
Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren für die Organisation von General Studies eine Koordinationsstelle und eine Kommission im Aufbau. Die Koordinationsstelle sollte die laufenden Geschäfte wahrnehmen, die Kommission die strategische Gesamtverantwortung übernehmen unter Einbindung der Fakultäten in die Entscheidungsfindungsprozesse.
Ein umfassendes Qualitätssicherungskonzept war in
Planung. Eckpunkte waren ein Anreizsystem auf
der Basis einer formelbasierten Mittelvergabe zusammen mit einem intensiven Kommunikationssystem zwischen allen an der Universität für Lehre zuständigen Einrichtungen. Geplant war auch ein System von intensiven Lehr- und Forschungsevaluationen, Absolventenerhebungen und Lehrberichten,
einschließlich neuer Formen wie Evaluationen von
Selbstlernzeiten und Lehrportfolios. Besonders
wichtige weitere geplante Maßnahmen waren die
Schaffung eines umfassenden Weiterbildungsangebots für die Lehrenden im Bereich General Studies
und ein institutionalisierter Austausch mit der Praxis – der öffentlichen Verwaltung, Unternehmen
und Non-Profit-Organisationen – über deren Erwartungen an Absolventen.
Im Wettbewerbsbeitrag heißt es, das Modell der
General Studies sei wegen seiner finanziellen Tragfähigkeit auf andere kleine und mittlere Universitäten übertragbar. Seinen Modellcharakter sahen die
81
DIE WEITEREN FINALISTEN
Antragsteller vor allem darin, dass es demonstriere,
dass auch unter Bedingungen der Globalisierung
Beschäftigungsbefähigung und ein ganzheitlicher
Bildungsbegriff keine Gegensätze sein müssen.
Ihre Preisgelder hätte die Universität Lüneburg für
die Weiterentwicklung der Koordinierungsstelle General Studies, für den Ausbau eines umfassenden Qualitätssicherungs- und Weiterbildungskonzepts, für die
temporäre Einrichtung einer Gastprofessur in einem
der Bereiche der General Studies und für die Weiterentwicklung des E-Learning-Modulpakets verwandt.
III.
Mit der Einrichtung des Colleges für das BachelorStudium und einem neuen einheitlichen Studienmodell, dem „Leuphana Bachelor“, geht die Leuphana Universität Lüneburg neue Wege. Anders als
im – angelsächsisch geprägten – allgemeinen
Sprachgebrauch bezeichnet College eine „Bildungsidee, die in der Universität als ein wichtiger Teil ihrer Aktivitäten systematisch organisiert ist“. „Im
Kern“, so Sascha Spoun, der Präsident der Leuphana Universität Lüneburg, „geht es um eine allgemeine humanistische Bildungsidee als Maxime für
das Studium, welche freie, verantwortlich handelnde Menschen die Zivilgesellschaft im 21. Jahrhundert gestalten lässt.“
eigenständiges Studieren im Vordergrund. Es gibt
vier Studienfelder: „Wissenschaft hat Verantwortung“; „Wissenschaft hat Methoden – Grundlagen
und Methoden der Forschung“; „Wissenschaft hat
disziplinäre Grenzen“ (eine Einführung in das jeweilige Schwerpunktfach) und „Wissenschaft hat Geschichte – wissenschaftliche, technische und künstlerische Epochenschwellen“. In einer Konferenzwoche
am Ende des Semesters werden die Arbeitsergebnisse präsentiert.
Vom zweiten Semester an wählen die Studierenden
einen Major, der etwa der Hälfte der Studienleistungen entspricht, und einen Minor. Zusätzlich absolvieren sie ein Komplementärstudium. Hauptaufgabe ist,
die Studierenden mit anderen Perspektiven in einem
umfassenden Sinne – also nicht allein wissenschaftlichen – vertraut zu machen. Für das Komplementärstudium stehen sechs Perspektiven zur Verfügung:
„Verstehen und Verändern“, „Technik und Umwelt“,
„Kunst und Ästhetik“, „Sprache und Kultur“, „Methoden und Maße“ und „Projekt und Praxis“.
Der Minor, das gemeinsame erste Semester und das
Komplementärstudium machen je ein Sechstel der
Gesamtstudienleistungen (je 30 von 180 Credit
Points) für den Bachelor-Abschluss aus.
Im College besteht das Bachelor-Studium aus vier
Teilen: dem Schwerpunktfach (Major), einem Zweitfach (Minor), dem gemeinsamen ersten Semester
(Leuphana Semester) und dem Komplementärstudium. In Zukunft werden alle Studierenden gemeinsam eine Startwoche verbringen. In dieser Woche
entwickeln sie in Teams Lösungen zu Fragen, die gesellschaftlich wichtig sind. Zugleich lernen sie dabei
den Campus und die Einrichtungen der Universität
kennen.
Im anschließenden gemeinsamen ersten Semester
lernen sie wissenschaftliche Haltung, wissenschaftliche Methoden und unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven kennen. In diesem Semester steht
82
Quellenhinweis:
Spoun, Sascha: Ein Studium fürs Leben – Skizze einer Antwort
auf den Bologna-Prozess an deutschen Hochschulen, Leuphana
Universität Lüneburg, Lüneburg 2007.
83
FAZIT
Gesprächsrunde mit den Preisträgern während der Tagung „SchlüsselBildung“.
84
5. Fazit
Es gibt viele gute Programme zur Vermittlung fächerübergreifender Schlüsselkompetenzen an deutschen Hochschulen. Die Akzeptanz solcher Programme bei
Lehrenden und Lernenden ist umso höher, je besser es gelingt, eine spezielle
General-Studies-Lernkultur zu schaffen. Universitäten sollten zu Erfahrungsräumen werden, die nicht nur Lernfähigkeit und Lernbereitschaft, sondern darüber
hinaus Lernbegeisterung fördern.
Im Vorfeld dieser Dokumentation wurden Gespräche
mit allen Jurymitgliedern und mit den Leitern bzw.
den Programmverantwortlichen der General-StudiesModelle geführt, die in die Endausscheidung des
Wettbewerbs gelangt waren. In den Gesprächen ging
es um Erfahrungen mit den Programmen, auch solchen Erfahrungen, die keinen Eingang in die Wettbewerbsbeiträge finden konnten. Zu den Fragen gehörten die nach Hemmnissen und nach Erfolgsrezepten
bei der Einrichtung von General-Studies-Modellen.1
Wie nicht anders zu erwarten, gibt es keinen Königsweg für die Konzeption und für die institutionelle Verankerung von Programmen zur Förderung
überfachlicher Schlüsselqualifikationen und natürlich auch nicht für „Schlüsselqualifikationen plus“.
Die Wettbewerbsbeiträge insgesamt und die der
vorgestellten Finalisten zeigen das. Angesichts der
Vielfalt und Vielzahl von Modellen, die es bereits
gibt, ist es aber überraschend, dass die Gesprächspartner den Widerstand gegen General Studies in
den Hochschulen alles in allem immer noch als
sehr hoch einschätzen. Und wo es keinen Widerstand gibt, findet sich häufig Gleichgültigkeit. Davon sind auch prestigereiche Programme wie das
Studium fundamentale an der Universität Witten/Herdecke nicht ausgenommen.
Einige Universitätsleitungen und -verwaltungen
fürchten die Kosten und den verwaltungsmäßigen
Mehraufwand, den die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen mit sich bringt, viele Lehrende und
Studierende die zusätzliche Lehr- und Lernbelastung. Beide sind durch die Umsetzung der BolognaReformen deutlich gestiegen: Die Anzahl der fachspezifischen Veranstaltungen, die angeboten und besucht werden müssen, ist hoch. Die studienbegleitenden schriftlichen und mündlichen Prüfungen oder
andere Leistungsnachweise sowie Evaluierungsverfahren kosten Zeit. Interdisziplinäre Veranstaltungen, wenn sie von zwei Lehrenden gemeinsam
durchgeführt werden, erfordern erfahrungsgemäß
nicht die halbe Vorbereitungszeit, sondern eher die
doppelte. Viele Lehrende besitzen auch nicht die nötige Kompetenz dafür, andere als fachspezifische
Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, denn das war
in der Vergangenheit nicht gefragt. Und während
ganz offensichtlich – so die Gesprächspartner – eine
zunehmende Zahl von Studierenden einsieht, dass es
sehr nützlich ist, Soft Skills zu erwerben, sehen vie85
FAZIT
le keineswegs ein, warum sie zusätzlich zu ihren
Fachveranstaltungen und Seminaren zum Erwerb
von Soft Skills auch noch überfachliche allgemeinbildende Veranstaltungen besuchen sollten.
Etwaige Widerstände von Universitätsleitungen und
-verwaltungen sind offensichtlich am ehesten zu überwinden: Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen
gehört zu den Reformvorgaben des Bologna-Prozesses, und viele der existierenden Programme haben gezeigt, dass schlanke Organisationsformen möglich
sind, die den Kosten- und Verwaltungsaufwand für
General-Studies-Programme niedrig halten. Selbst der
Optionalbereich der Ruhr-Universität Bochum, der etwa 6.000 Studierende betreut, kommt mit drei festen
Stellen aus. Das wäre ohne die intensive Nutzung des
Webs zur Organisation und Durchführung des Lehrangebots nicht möglich. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, speziell auf das jeweilige Programm zugeschnittene und für Studierende wie Lehrende gleichermaßen
einfach zu bedienende Web-Portale einzurichten, zumal sich dadurch auch die Akzeptanz des jeweiligen
Studienangebots bei den Studierenden erhöhen kann.
Die Universität der Bundeswehr München bietet dafür
ein besonders gutes Beispiel. Um Kosten niedrig zu
halten, lohnt es sich auch, über Kooperationsformen
oder Verbünde zwischen verschiedenen Hochschulen
einer Region nachzudenken, vor allem wenn es sich
um kleine Hochschulen handelt. So, wie das Femtec.Network als überuniversitäre – in diesem Fall zusätzlich noch überregionale – Einrichtung arbeitet,
wären auch hochschulübergreifende General-StudiesNetzwerke denkbar.
Um Widerstände – oder Gleichgültigkeit – gegenüber
General-Studies-Angeboten bei Lehrenden und Stu86
dierenden zu überwinden, ist es wichtig, wie das ja
auch die Ausschreibung für den Wettbewerb vorsah,
General-Studies-Lehrangebote mit den Curricula der
Fachstudiengänge zu verzahnen, sie verpflichtend zu
machen und die in den entsprechenden Lehrveranstaltungen erbrachten Leistungsnachweise in die Gesamtabschlussnote einzubeziehen. Alle Finalisten haben Regelungen gefunden, die deutlich machen, dass
die Veranstaltungsangebote integraler Bestandteil
des jeweiligen Studiums sind und nicht Zusatzveranstaltungen oder Zusatztrainings irgendwelcher Art.
Bei den meisten – so an der Universität der Bundeswehr, in Witten/Herdecke, an der Jacobs University
Bremen, an der Bucerius Law School und an den Universitäten Erfurt und Lüneburg – ist die Teilnahme
an den jeweiligen Programmen für alle Bachelor-Studierenden – bzw. in Witten/Herdecke für alle Studierenden – verpflichtend, an der Universität Bochum
und an der Hochschule Nürtingen-Geislingen gilt das
für ausgewählte Studiengänge. Das trifft auch auf die
Carl von Linde-Akademie zu, deren Angebote bislang
in drei Studiengängen zum Wahlpflichtprogramm der
Studierenden an der TU München gehören. Die Teilnahme an den Career-Building-Programmen des Femtec.Network ist für alle Teilnehmerinnen verpflichtend, die das Auswahlverfahren für das Programm bestanden haben. Bei allen Finalisten bis auf die Bucerius Law School müssen in den entsprechenden Veranstaltungen Credit Points oder andere Leistungsnachweise erworben werden, und die Leistungen gehen in
die Gesamtabschlussnoten ein.
Zwei Hochschulen setzen darüber hinaus ein besonderes Zeichen für die Bedeutung, die sie den General
Studies beimessen: Sie reservieren bestimmte Zeiten
ausschließlich für Lehrveranstaltungen aus diesem
Bereich. An der Universität Witten/Herdecke steht
ein ganzer Tag pro Woche, der Donnerstag, allein
für Veranstaltungen im Studium fundamentale zur
Verfügung, an der Bucerius Law School jeder Mittwochnachmittag für Veranstaltungen des Studium
generale.
Für die Akzeptanz – und für den Erfolg – der Förderung von Schlüsselkompetenzen und Handlungskompetenz, das zeigen die Erfahrungen aller Finalisten, sind die traditionellen Vermittlungsformen wie
Vorlesungen und Seminare keinesfalls ausreichend,
ja in vielen Fällen sogar besonders ungeeignet. Sie
setzen daher verstärkt aktivierende Veranstaltungsformen ein: Arbeit in Kleingruppen, Projektarbeit,
einschließlich künstlerischer Arbeiten der Studierenden, E-Learning, Blended Learning, Selbstlernphasen und, in bestimmten Fällen (z. B. bei Präsentationstechniken oder Rhetorikschulungen), auch Spezialtrainings. Die Begrenzung der Teilnehmerzahlen
von General-Studies-Veranstaltungen erscheint zwingend. Angesichts gestiegener Studierendenzahlen
vor die Wahl gestellt, entweder Veranstaltungen mit
bis zu 50 oder mehr Studierenden zuzulassen und
damit die Qualität der Veranstaltungen zu gefährden
oder aber den Pflichtanteil von im Studium Fundamentale zu erbringenden Leistungen an den für den
BA-Abschluss insgesamt erforderlichen Leistungen
zu senken, hat sich die Universität Erfurt vor Kurzem für letztere Lösung entschieden. Um die Qualität der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen zu
sichern, scheint das der richtige Weg zu sein.
Einige Schlüsselqualifikationen, wie zum Beispiel
Fremdsprachenkenntnisse oder Präsentationstech-
niken, werden additiv, das heißt in eigenen Veranstaltungen, angeboten. Viele andere, wie zum Beispiel
Selbst- und Sozialkompetenzen oder reflexive und
kommunikative Kompetenzen, werden in die Fachveranstaltungen integriert und zusammen mit Fachwissen vermittelt. Viele Veranstaltungen sind modularisiert und bauen konsekutiv aufeinander auf. Die
meisten Finalisten legen Wert darauf, in der ersten
Studienphase vor allem solche Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, die nicht erst im Hinblick auf
die spätere Berufstätigkeit, sondern auch zur erfolgreichen Organisation des Studiums wichtig sind
wie Selbstmanagementfähigkeiten, Methodenkompetenz usw.
Mit der Entscheidung für aktivierende Veranstaltungsformen, die eher Lern- als Lehrveranstaltungen
sind, und mit der Entscheidung für die Einbeziehung
der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen in
Fachveranstaltungen folgen die Finalisten neueren
Erkenntnissen der Lern- und Bildungsforschung.
Nach Ansicht der Bildungsforscherin Elsbeth Stern
zum Beispiel, die Mitglied der Jury war, ist die Verbindung von Schlüsselqualifikationen mit fachlichem
Wissen die einzig Erfolg versprechende Methode, sie
zu lernen. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter:
„Die so genannten Schlüsselqualifkationen“, sagt sie,
„sind lernbar, aber nicht lehrbar.“ Sie könnten auch
nicht in beliebigen Situationen trainiert werden. Sie
macht das am Beispiel von Sozialkompetenz deutlich.
Dazu gehöre auch die Fähigkeit, anderen Menschen
einen schwierigen Sachverhalt zu erklären.
„Wenn Kinder als Übung zur Sozialkompetenz gemeinsam frühstücken“, erläutert sie ihren Standpunkt, „dann lernen sie dabei nicht, wie man einem
87
FAZIT
anderen Kind eine Mathematikaufgabe erklärt. Der
Inhalt ist eben nicht egal.“2 Sozialkompetenz, so
muss man folgern, kann also weder abstrakt noch situationsunabhängig erworben werden. Sie bedeutet
in unterschiedlichen Kontexten etwas anderes und
muss daher auch in jeweils unterschiedlichen Lernsituationen erlernt und eingesetzt werden, und zwar
immer wieder neu – während des gesamten Studienverlaufs.
Die meisten Gesprächspartner aus dem Kreis der Finalisten und der Jury haben auch darauf hingewiesen, dass viele der Schlüsselqualifikationen im weiteren Sinne hauptsächlich im Alltag, und zwar im Berufs- wie im Privatleben, weniger gelernt als erfahren
werden. Praktika und Auslandsaufenthalte ihrer Studierenden sollen deren Karriereaussichten befördern. Sie bilden aber auch „Erfahrungsräume“ für
die Studierenden, in denen sie Schlüsselqualifikationen und Handlungskompetenz weiter ausbauen
können.
Einige Finalisten postulieren, dass die gegenwärtigen Hochschulreformen nur dann den Namen Bildungsreformen verdienen, wenn die Hochschulen
selber (wieder) zu solchen „Erfahrungsräumen“ werden. Die Jacobs University Bremen hat sich bewusst
die Struktur einer Campus-College-Universität gegeben. Das bedeutet, dass die Undergraduates aus vielen unterschiedlichen Nationen nicht nur gemeinsam
Lehrveranstaltungen besuchen, sondern gemeinsam
auf dem Campus in den Colleges leben. So entsteht
ein spezieller Lernort mit einer besonderen Lernkultur, der zum Beispiel den Erwerb von sozialen und
interkulturellen Kompetenzen auf ganz andere Weise fördert, als das in Lehrveranstaltungen möglich
88
ist. Um die „staats- und weltbürgerlichen“ Kompetenzen ihrer Studierenden zu stärken, legt die Jacobs
University auch großen Wert auf die studentische
Beteiligung an universitären Gremien und auf selbstorganisierte studentische Veranstaltungen kultureller, sozialer und politischer Art.
Die Bucerius Law School bietet ihren Studierenden
einen ähnlichen Erfahrungsrahmen, aber auch die
staatliche Universität der Bundeswehr in München:
Die meisten ihrer Studierenden wohnen ebenfalls
auf dem Campus und sind zudem Angehörige der
Bundeswehr. Es wäre wichtig, darüber nachzudenken, wie General-Studies-Programme innerhalb von
großen Massenuniversitäten eine vergleichbare Lernkultur schaffen könnten. Die Leuphana Universität
Lüneburg unternimmt derzeit mit der Einführung
des College und des neuen Leuphana-Bachelor den
Versuch zu zeigen, dass das auf jeden Fall an einer
kleinen Massenuniversität möglich ist.
Die Schaffung einer General-Studies-Lernkultur kann
– so die Finalisten – viel dazu beitragen, die Akzeptanz solcher Programme bei den Studierenden zu erhöhen. Wichtig ist auch, sie frühzeitig dahingehend
zu beraten, wie sie sich durch eine gute Auswahl von
Veranstaltungen im Bereich von Schlüsselqualifikationen (plus) ein individuelles Profil schaffen können,
das ihnen ihren beruflichen Einstieg und ihre berufliche Karriere erleichtert. Nicht alle Hochschulen werden, wie zum Beispiel die Jacobs University Bremen,
einen eigenen Career Service für ihre Studierenden
einrichten können. Eine gezielte Studienberatung innerhalb von General Studies, die über die üblichen
Studienberatungen hinausgeht, ist aber unverzichtbar. Manche Hochschulen haben zusätzlich ein Men-
torensystem eingeführt, das eine studienbegleitende
individuelle Beratung sichert.
Die Gespräche mit Programmleitern und Jurymitgliedern haben gezeigt, dass derzeit in vielen Fällen die
nachträgliche Akzeptanz von General Studies höher
ist als die jeweils aktuelle. So haben zum Beispiel
Alumni der Universität Witten/Herdecke in Befragungen berichtet, dass ihnen erst einige Zeit nach
Verlassen der Universität deutlich geworden sei, wie
sehr sie persönlich vom Studium fundamentale profitiert hätten. Allerdings, so haben einige hinzugefügt, sei das im Beruf „nicht immer förderlich“ gewesen. Besser kann man eigentlich nicht belegen, dass
die Universität Witten/Herdecke offensichtlich ihr
Ziel erreicht, ihre Studierenden mit „schöpferischer
Unruhe“ ins Berufsleben zu entlassen. Bei anderen
Finalisten ist das ähnlich.
Die Einbeziehung von Schlüsselqualifikationen in
Fachveranstaltungen, der Einsatz von lern- statt
lehrorientierten Veranstaltungsformen, die Bemühungen um eine intensive Betreuung der Studierenden und der Versuch, eine spezielle General-StudiesKultur zu entwickeln, erfordern in vieler Hinsicht
ein Umdenken und Umlernen der Lehrenden. Daher
halten es die Finalisten für unumgänglich, Weiterbildungsprogramme für sie anzubieten und sie durch
so genannte Teaching Center oder andere Einrichtungen bei der Lehre zu unterstützen – organisatorisch, inhaltlich, aber auch durch Coaching-Angebote. Ein besonders breit gefächertes und intensives
Weiterbildungsprogramm bietet die Universität der
Bundeswehr in München ihren Lehrenden an. Von
der Jury wurde es in ihrer Begründung zur Preisvergabe besonders hervorgehoben.
In den derzeitigen Debatten über die Reform der
deutschen Hochschulen ist viel von Studienzeiten
und Studienabschlüssen, von fachspezifischen und
überfachlichen Qualifikationen, von Lernfähigkeit
und von Lern- und Leistungsbereitschaft der Studierenden die Rede. Dabei wird eines – so meinen viele
der Gesprächspartner aus dem Kreis der Finalisten
und der Jury – vergessen: Ein Studium bedeutet in
jedem Fall mehr als den Erwerb von Wissen, von
Schlüsselqualifikationen und von Bildung. Es bildet
eine wichtige Phase in der persönlichen Entwicklung von jungen Menschen. Darum sollte es in allen
Debatten um Studienreformen nicht allein um Lernfähigkeit und Lernbereitschaft gehen, sondern vor
allem um Lernbegeisterung. Sie ist es, die letztendlich offen macht für neue Fragen, für Experimente,
für Kreativität. Niemand spricht das derzeit in
Deutschland so deutlich aus wie Sascha Spoun, der
Präsident der Leuphana Universität Lüneburg. Es
wäre schön, wenn solche Gedanken verstärkt Eingang in öffentliche Bildungsdebatten fänden.
Die Stiftung Mercator und der Stifterverband für
die Deutsche Wissenschaft hoffen jedenfalls, dass
sie mit ihrem gemeinsamen Wettbewerb „Schlüsselqualifikationen plus“ auch dazu einen Beitrag
geleistet haben.
Anmerkungen
1
Der Begriff „General Studies“ wird hier der Einfachheit halber
als Sammelbegriff für alle Formen der Vermittlung überfachlicher Qualifikationen, seien es Soft Skills oder darüber hinaus
gehende Kompetenzen, verwendet.
2
Im Gespräch mit Thomas Kerstan, Ressortleiter im ZEITRessort Chancen: "Wissen schlägt Intelligenz", Die ZEIT,
26.06.2003, Nr. 27
89
ANHANG • DIE STIFTUNG MERCATOR
Wissenschaft, Bildung
und interkulturelle
Verständigung fördern
Die Stiftung Mercator gehört zu den großen deutschen Stiftungen. Sie initiiert und unterstützt Projekte für bessere Bildungsmöglichkeiten an Schulen
und Hochschulen. Im Sinne Gerhard Mercators fördert sie Vorhaben, die den Gedanken der Weltoffenheit und Toleranz durch interkulturelle Begegnungen mit Leben erfüllen und die den Austausch von
Wissen und Kultur anregen. Die Stiftung zeigt neue
Wege auf und gibt Beispiele, damit Menschen –
gleich welcher nationalen, kulturellen und sozialen
Herkunft – ihre Persönlichkeit entfalten, Engagement entwickeln und Chancen nutzen können. Ihre
Arbeitsweise ist geprägt von einer unternehmerischen, internationalen und professionellen Haltung.
So will sie Ideen beflügeln. Dem Ruhrgebiet, der
Heimat der Stifterfamilie, fühlt sie sich besonders
verbunden.
Im Bereich „Wissenschaft stärken“ möchte die
Stiftung deutsche Hochschulen dabei unterstützen,
international wettbewerbsfähiger zu werden und ihre
Qualität zu verbessern. Diesem Ziel diente auch das
90
in dieser Dokumentation vorgestellte Aktionsprogramm „Schlüsselqualifikationen plus“. Gegenwärtig
fördert die Stiftung u. a. die Mercator Forschergruppen an der Ruhr-Universität Bochum, den
Forschungsschwerpunkt „KlimaKultur“ des
Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) und
das Programm „UNIAKTIV“ an der Universität
Duisburg-Essen.
Mit den Mitteln der Stiftung werden an der RuhrUniversität Bochum aktuell zwei Mercator Forschergruppen gegründet, in denen in dieser Form weltweit einmalig Nachwuchsprofessoren bereits früh eigenständig im Team mit international renommierten
Wissenschaftlern zusammenarbeiten. Die Förderung
des Schwerpunktes „KlimaKultur“ am KWI ist zugleich Auftakt für ein neues Themencluster „Klimawandel“ der Stiftung Mercator, in dem verschiedene
Initiativen der Stiftung zu klimarelevanten Fragestellungen gebündelt werden. „UNIAKTIV“ vermittelt
Studenten ehrenamtliche Einsätze in sozialen, kulturellen oder ökologischen Projekten.
Der Bereich „Kinder und Jugendliche fördern“ soll
jungen Menschen Bildungschancen eröffnen und ihnen Gelegenheit zu gesellschaftlichem Engagement
bieten. Zu den großen operativen Projekten gehört
der „Förderunterricht für Kinder und Jugendliche
mit Migrationshintergrund“. Mit zehn Mio. Euro ist
der Förderunterricht das größte Stiftungsprojekt für
Integration in Deutschland. Die Ausbildung zukünftiger Lehrer im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ ist
neben der individuellen Förderung von Kindern und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein Schwerpunkt dieses Projektes. Die Stiftung Mercator unterstützt außerdem in Kooperation mit anderen Stiftungen zum Beispiel den Bundeswettbewerb „Jugend debattiert“. Weitere Projekte, wie zum Beispiel „jamtruck“, sollen Kindern und Jugendlichen dabei helfen, ihr kreatives Potenzial zu entdecken, indem sie
lernen, ihre eigene Musik zu machen.
pendien persönliche Begegnungen junger Menschen aus unterschiedlichen Ländern. So unterstützt sie mit dem Marion-Gräfin-Dönhoff-, dem
Bundespräsident-Johannes-Rau- und dem deutschvietnamesischen Programm drei Programme der
Internationalen Journalisten Programme (IJP), die
jungen Journalisten Auslandsaufenthalte ermöglichen. In Kooperation mit AFS Interkulturelle
Begegnungen e. V. können Schüler mit MercatorSchülerstipendien ein Jahr in Asien oder der Türkei in einer Gastfamilie verbringen.
Im Förderbereich „Kulturen verstehen, Toleranz
lernen“ ermöglicht die Stiftung über Schüleraustausch, Praktikantenprogramme und Auslandssti91
ANHANG • DER STIFTERVERBAND FÜR DIE DEUTSCHE WISSENSCHAFT
Das Wissenschaftssystem
leistungsfähiger machen
Der Stifterverband ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein, dem rund 3.000 Mitglieder –
Unternehmen, Verbände und Einzelpersonen –
angehören. Gegründet wurde er 1920 auf Initiative
führender Persönlichkeiten aus Wirtschaft und
Wissenschaft als Stifterverband der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft e. V.; wiedererrichtet wurde er 1949 unter seinem heutigen
Namen.
Seine Aufgabe war es zunächst allein, den Selbstverwaltungseinrichtungen, die für die Förderung
der Spitzenforschung, des wissenschaftlichen Nachwuchses und des internationalen wissenschaftlichen Austausches in Deutschland insgesamt Verantwortung tragen, mit privaten Mitteln Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit zu sichern. Dies
sind heute vor allem die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander von Humboldt-Stiftung.
92
Mit dem Wachstum und der damit einhergehenden
Spezialisierung und Differenzierung der Wissenschaft sowie mit der Ausweitung öffentlicher Förderungsleistungen erweiterten sich die Aufgaben des
Stifterverbandes. Er beteiligt sich heute mit eigenen
Beiträgen und Modellprogrammen an der hochschul- und forschungspolitischen Diskussion und
führt Förderprogramme zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Organisation der Wissenschaft
durch, und er verstärkt die Bereitschaft von Unternehmen und Bürgern, über Stiftungen Wissenschaft
zu fördern.
So ist der Stifterverband heute in gleicher Weise
Partner der zentralen Selbstverwaltungseinrichtungen der Wissenschaft und der Wissenschaftsförderung, Gesprächspartner für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, Förderer des Stiftungswesens und Träger privater wissenschaftsfördernder Stiftungen. Bei seinen Mitgliedern und Förderern wirbt der Stifterverband jährlich um regelmä-
ßige Zuwendungen für sein langfristiges Programm
und um Sonderzuwendungen für zeitlich befristete
Fördermaßnahmen. Den Stiftungen, die er betreut,
stehen vor allem die Erträge aus der Kapitalanlage
für ihre Förderinitiativen zur Verfügung.
Die Stiftungen, für die der Stifterverband treuhänderisch tätig ist, entwickeln eigene Förderinitiativen.
Die Förderung der Stiftungen gilt – entsprechend ihrem Satzungszweck – allen wissenschaftlichen Disziplinen, und sie bedienen sich sämtlicher Förderinstrumente: von der Vergabe von Stipendien über die
Förderung von Institutionen bis hin zur Finanzierung einzelner Forschungsvorhaben. Oft beteiligen
sich Stiftungen auch am Förderprogramm des Stifterverbandes.
rücksichtigen die Stiftungen unmittelbar die Bedürfnisse einzelner Wissenschaftler und wissenschaftlicher Institutionen. Dabei nehmen die Stiftungen oft
den Rat des Stifterverbandes in Anspruch, der eine
eigene Kompetenz durch ständige Kontakte mit Wissenschaftlern und durch langjährige Zusammenarbeit mit den zentralen Wissenschaftseinrichtungen
und der Wissenschaftsförderung gewonnen hat.
Der Stifterverband und die von ihm betreuten Stiftungen ergänzen sich gegenseitig. Während der Stifterverband sich vor allem übergreifenden Fragen der
Wissenschaft und ihrer Institutionen widmet, be93
ANHANG • DIE AUSSCHREIBUNG
Das Aktionsprogramm
Schlüsselqualifikationen plus
Die Ausschreibung für den Wettbewerb der Stiftung Mercator und des
Stifterverbandes zur Auszeichnung von Best-Practice-Modellen für die
Vermittlung fundamentaler überfachlicher Kompetenzen an Hochschulen
aus dem Jahr 2005 im Wortlaut
Hintergrund
Zur Vorbereitung der Studierenden auf verantwortliche Tätigkeiten in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gehört nicht nur eine fachliche und berufsfeldorientierte akademische Ausbildung an den
Hochschulen. Ein Hochschulstudium erfüllt auch sozialisierende und persönlichkeitsbildende Funktionen, die sich im Leitbild der Hochschule, ihren Bildungszielen und Studienprogrammen widerspiegeln
sollten. Auch der im Bologna-Prozess zentrale Begriff der „employability“ erfordert die Vermittlung
überfachlicher Schlüsselqualifikationen.
Was aber ist mit dem Begriff „Schlüsselqualifikationen“ eigentlich gemeint? Ungeachtet zahlloser Definitionen und Klassifizierungsversuche ist gerade im
Kontext des Bologna-Prozesses eine begriffliche Einengung auf sog. Soft Skills (z. B. Präsentations- und
Moderationstechniken), Sekundärtugenden (z. B.
Pünktlichkeit, Belastbarkeit) sowie Fremdsprachenund Computerkenntnisse festzustellen, die vor allem
den ökonomischen Erfordernissen des Arbeitsmarktes Rechnung tragen.
94
Eine solche Einengung wird jedoch den umfassenden Anforderungen einer Bildungsgesellschaft
nicht gerecht. Unter Schlüsselqualifikationen verstehen wir alle Kompetenzen, die über die rein
fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hinaus Türen aufschließen, Zugänge eröffnen und gesellschaftliche Teilhabe in einem umfassenden Sinne
ermöglichen. Hierunter fallen auch Orientierungswissen iim Sinne eines Studium generale und die
Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion. Es gilt, Fachübergreifendes und Interdisziplinäres in das Curriculum
einzubauen und mit den fachlichen Inhalten zu verzahnen, damit kein oberflächliches und mechanisches Ausbildungskonzept entsteht.
In den letzten Jahren haben zahlreiche Hochschulen
mit vielfältigen Angeboten zur Vermittlung von
Schlüsselqualifikationen reagiert. Dazu gehören
u. a.:
• Orientierungsangebote vor und während des
Studiums
• wissenschaftspropädeutische Veranstaltungen
• inter- und transdisziplinäre Lehrangebote
• Studium-generale-Curricula
• Kollegstufen-Modelle
• Angebote zum Erwerb von Soft Skills
Die Organisations- und Integrationsformen für solche Angebote sind sehr unterschiedlich und noch
wenig bekannt. So gibt es zur Vermittlung überfachlicher Qualifikationen sowohl additive als auch kooperative und integrative Ansätze zwischen Fachbereichen und zentralen Einheiten an den Hochschulen mit jeweils unterschiedlicher Einbettung in das
fachliche Curriculum und der zu erbringenden Leistungen in die Bewertung des Gesamtstudiums.
Den Angeboten ist jedoch gemeinsam, dass sie in der
Regel nur fakultativ, unverbindlich, oft unkoordiniert und wenig transparent sind. Zudem sind sie
meist zu wenig in die Curricula eingebunden und
nur selten Gegenstand von Prüfungen. So werden
die Angebote von Studierenden und Lehrenden gleichermaßen als nachrangig betrachtet. Es ist daher
notwendig, sie aus dem Bereich der Freiwilligkeit,
Beliebigkeit und mangelnden Curriculumsintegration auf eine studien- und prüfungsrelevante Ebene
zu heben. Dazu müssen die zu erlangenden Kompe-
tenzen definiert und in verbindliche, ergebnisorientierte sowie fachlich verzahnte Lehrmodule und
-programme umgesetzt werden.
Ziel des gemeinsamen Programms der Stiftung Mercator und des Stifterverbands ist die Identifizierung,
Auszeichnung und Förderung von Best-PracticeModellen für die Vermittlung fundamentaler überfachlicher Qualifikationen an Hochschulen. Als
Preisgelder stehen 450.000 Euro zur Verfügung.
(1. Preis: 200.000 Euro, 2. Preis: 100.000 Euro,
3. Preis: 75.000 Euro, 4. Preis: 50.000 Euro, 5. Preis:
25.000 Euro).
Hinweise zur Antragstellung
Der Antrag ist an keine besondere Form gebunden.
In jedem Fall sollten aber die folgenden Fragen beantwortet werden:
I. Leitidee/Inhalte/Studienziele:
• Was verstehen Sie unter Schlüsselqualifikationen?
• Welche Inhalte werden vermittelt?
95
ANHANG • DAS AKTIONSPROGRAMM
• Mit welchem Bildungsbegriff wird die Vermittlung
von Schlüsselqualifikationen verknüpft?
• Wie gestaltet sich das Verhältnis von Interdisziplinarität und disziplinären Studieninhalten?
• Wann und warum haben Sie mit der Vermittlung
von Schlüsselqualifikationen begonnen?
II. Curriculare Verankerung
• Wie erfolgt die Abstimmung der überfachlichen
Lehrinhalte mit den Fachbereichen?
• Welche Lehr- und Vermittlungsformen werden
gewählt?
• Wie werden die Schlüsselqualifikationen in den
Fachdisziplinen reflektiert?
• Wie werden die Lernleistungen geprüft, bewertet
und kreditiert? (Verbindlichkeit)
• Welchen Anteil haben Schlüsselqualifikationen am
Erwerb des Studienabschlusses?
• Wie ist die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen in lebenslange Lernbiografien eingebettet?
(Schnittstellen Schule – Hochschule bzw.
Hochschule – Beruf)
96
III. Organisationsform und Ausstattung
• Welche Organisationsform ist für die Vermittlung
der überfachlichen Lehrinhalte vorgesehen?
• Wer trägt die inhaltliche und organisatorische
Verantwortung?
• Welche Ressourcen stehen dafür zur Verfügung?
(Personal, Infrastruktur, Sachausstattung)
IV. Qualitätssicherung
• Wie erfolgt die Qualitätssicherung im Bereich
Schlüsselqualifikationen?
• Welche Qualitätsstandards haben Sie für die
Vermittlung von Schlüsselqualifikationen?
• Wer ist bei der Entwicklung der Lehr- und
Lerninhalte beteiligt?
• Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die
Lehrenden für die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen zu qualifizieren?
• Wie werden eventuell auftretende Probleme identifiziert und gelöst?
Bitte legen Sie darüber hinaus dar, worin Sie die Modellhaftigkeit Ihres Konzeptes sehen und wie Sie die
Preisgelder im Bewilligungsfall einsetzen würden.
Die ausgezeichneten Best-Practice-Modelle sollen
grundsätzlich auf andere Hochschulen übertragbar
sein. Einzelvorhaben wie beispielsweise ein Kursprogramm zur Vermittlung von Kommunikationstechniken oder eine Ringvorlesung zur Wissenschaftsgeschichte, die nicht in ein Gesamtkonzept zur Vermittlung von Schlüsselqualifikationen eingebettet sind,
erfüllen nicht die Ausschreibungskriterien.
Jeder Antragsteller muss mit der Veröffentlichung
seiner Konzeption einverstanden sein. Es ist geplant, die verschiedenen Modelle in ihrer Entstehungsgeschichte, ihrem inhaltlichen und organisatorischen Aufbau sowie ihrer Funktionsweise zu
publizieren.
Anträge müssen über die Hochschulleitungen eingereicht werden. Antragsfrist: 15. August 2005.
Ein Beirat mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft wird die Stiftung Mercator und den Stifterverband bei der Durchführung des Programms
unterstützen. Das Auswahlverfahren erfolgt in zwei
Stufen:
1. Nach einer Begutachtung der Anträge wird der
Beirat zunächst die Modelle auswählen, die zu einer
mündlichen Präsentation eingeladen werden.
2. Auf der Grundlage des schriftlichen Antrags und
der mündlichen Präsentation wird dann die endgültige Auswahlentscheidung getroffen.
Der Antrag sollte einen Umfang von zehn DIN-A-4Seiten (plus Anlagen) nicht überschreiten. Bitte schicken Sie die Unterlagen in 15-facher Ausführung
(nicht geheftet, geklammert, gebunden o. Ä.!) an:
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
z. H. Bettina Jorzik
Barkhovenallee 1
45239 Essen
Rückfragen unter
Telefon: 02 01/84 01-103
Fax: 02 01/84 01-215
E-Mail: [email protected]
97
ANHANG • DIE WETTBEWERSTEILNEHMER
Fast 100 Institutionen
gingen ins Rennen
Nr. Hochschule • Fachbereich/Institut
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
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13
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16
17
18
19
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21
22
23
98
AKAD. Die Privat-Hochschulen • Hochschulleitung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg • Hochschulleitung
asa arts and stage academy gGmbH, Berlin • Hochschulleitung
Bergische Universität Wuppertal • Hochschulleitung
Brandenburgische Technische Universität Cottbus • Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und
Stadtplanung
Bucerius Law School Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg • Studium generale
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg • Hochschulleitung
Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder • Hochschulleitung
Fachhochschule Bochum • Institut für Zukunftsorientierte Kompetenzentwicklung (IZK)
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, Rheinbach • FB Wirtschaft
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, Rheinbach • FB Angewandte Naturwissenschaften
Fachhochschule Darmstadt • FB Sozial- und Kulturwissenschaften
Fachhochschule Deggendorf • Hochschulleitung
Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Bergisch Gladbach • Studiengänge Betriebswirtschaft und
Wirtschaftsinformatik
Fachhochschule Dortmund • FB Informations- und Elektrotechnik
Fachhochschule Esslingen – Hochschule für Sozialwesen • Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege
Fachhochschule Frankfurt/Main • Hochschulleitung
Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege
(FHVR), Berlin • Studiengang Public Management (PuMa)
Fachhochschule Heilbronn • Hochschulleitung
Fachhochschule Ingolstadt •Hochschulleitung
Fachhochschule Kaiserslautern, Standort Zweibrücken • Hochschulleitung
Fachhochschule Köln • Sozialpädagogisches Institut NRW (SPI)
Fachhochschule Lippe und Höxter (drei Standorte: Lemgo, Detmold, Höxter) • FB Produktion und
Wirtschaft sowie Institut für Kompetenzförderung (KOM)
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
Fachhochschule München • FB Allgemeinwissenschaften
Fachhochschule Nordakademie, Elmshorn • Hochschulleitung
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven • FB Wirtschaft: Institut für Angewandte
Wirtschaftsforschung und Regionalanalyse
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, Standort Emden • FB Technik
Fachhochschule Potsdam • Hochschulleitung
Fachhochschule Regensburg • FB Allgemeinwissenschaften und Mikrosystemtechnik
Fachhochschule Schmalkalden • Hochschulleitung
Fachhochschule Stralsund •FB Maschinenbau
FernUniversität in Hagen •FB Rechtswissenschaft
FH Esslingen – Hochschule für Technik, Hochschule für Technik Stuttgart • CONTACT-AS e. V.
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg • Juristische Fakultät
Georg-August-Universität Göttingen • Fakultäten Chemie, Physik, Geowissenschaften und Geographie;
Projekt: Compete4Practice
Handelshochschule Leipzig gGmbH (HHL) • Hochschulleitung
Hochschule Biberach • Hochschulleitung
Hochschule Bremen • Hochschulleitung
Hochschule Bremerhafen • Hochschulleitung
Hochschule der Medien Stuttgart • Fakultät Information und Kommunikation
Hochschule der Sparkasse-Finanzgruppe – University of Applied Sciences Bonn GmbH • Hochschulleitung
Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/
Göttingen, Netzwerk für interdisziplinäre Ursachenforschung (NiU) e. V., Hannover • Hochschulleitung
Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), Hamburg • Department Informatik und Zentrale
Studienberatung
Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd • Hochschulleitung
Hochschule für Künste Bremen (HfK) • Hochschulleitung
Hochschule für Technik (FHTE) (seit 2007: Hochschule Esslingen) • FB Fahrzeugtechnik und
Maschinenbau
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) • Hochschulleitung
99
ANHANG • DIE WETTBEWERSTEILNEHMER
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
100
Hochschule Harz, Wernigerode • FB Wirtschaftswissenschaften Studiengang BWL/
Dienstleistungsmanagement
Hochschule Vechta • Hochschulleitung
Hochschule Zittau/Görlitz (FH), Zittau • Studium fundamentale
International University Bremen (seit Ende 2007: Jacobs University Bremen gGmbH) • Hochschulleitung
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main • FB Wirtschaftswissenschaften und Student
Learning Center (SLC)
Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg • Hochschulleitung
Medizinische Hochschule Hannover (MHH) • Hanover Biomedical Research School (HBRS)
Otto-Friedrich-Universität Bamberg • Hochschulleitung; Projekt „Lern- und Persönlichkeitsförderung im
Studium“
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg • Fakultät für Geistes-, Sozial- u. Erziehungswissenschaften
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg • Fakultät Maschinenbau
Private FernFachhochschule Darmstadt (PFFH) • Hochschulleitung
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule • Zentrum für Lern- und Wissensmanagement Aachen
(ZLW) und Lehrstuhl Informatik für Maschinenbau (IMA)
Ruhr-Universität Bochum • Hochschulleitung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg • Zentrum für Studienberatung und Weiterbildung,
Abtl. Schlüsselkompetenzen
Technische Universität Bergakademie Freiberg • Institut für Wissenschafts- und Technikgeschichte (IWTG)
Technische Universität Berlin • Hochschulleitung, Career Service
Technische Universität Berlin • Fakultät Geisteswissenschaften
Technische Universität Berlin, Technische Universität Darmstadt • Femtec. Hochschulkarrierezentrum
für Frauen Berlin GmbH
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig • Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik
Fachbereich Maschinenbau; Studentische Initiative „Schlüsselqualifikation“
Technische Universität Clausthal, Clausthal-Zellerfeld • Institut für Erdöl- und Erdgastechnik,
Abtl. Erdöl-Erdgasgewinnung, Erdgasversorgung
Technische Universität Darmstadt • Hochschulleitung
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
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84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
Technische Universität Dresden • Projekt Dresden exists
Technische Universität Ilmenau • Medienstudiengänge
Technische Universität Kaiserslautern • FB Wirtschaftswissenschaften
Technische Universität München • Carl von Linde-Akademie (Zentralinstitut der TU München)
Universität Bayreuth • Studiengang Europäische Geschichte
Universität Bielefeld • Hochschulleitung; Arbeitsbereich Berufsorientierung & Schlüsselkompetenzen
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg • Zentralinstitut studium plus
Universität des Saarlandes • Fakultät Empirische Humanwissenschaften,
Fachrichtung Erziehungswissenschaft
Universität Duisburg-Essen • Hochschulleitung; Programme: KOSTBAR und Studium liberale
Universität Erfurt • Studium Fundamentale und Berufsfeld
Universität Hamburg • FB Informatik
Universität Hamburg • FB Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft (SLM)
Universität Hamburg • Biozentrum Klein Flottbek und Botanischer Garten
Universität Karlsruhe (TH) • Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale (ZAK)
Universität Kassel • Hochschulleitung
Universität Lüneburg • Hochschulleitung
Universität Mannheim • Hochschulleitung; Zentrum für Schlüsselqualifikationen (ZfS)
Universität Potsdam • Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Universität Regensburg und Fachhochschule • Zusatzstudium „Internationale Regensburg
Handlungskompetenz“
Universität Stuttgart • Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP)
Universität Witten/Herdecke • Fakultät für das Studium fundamentale
Universität Konstanz • Hochschulleitung
Universität Leipzig • Hochschulleitung
Westfälische Wilhelms-Universität Münster • AFO Innovation Office
Zeppelin University gGmbH, Friedrichshafen • Hochschulleitung
101
ANHANG • IMPRESSUM
Impressum
Herausgeber
Stiftung Mercator GmbH
Huyssenallee 44
D-45128 Essen
Tel.: 0201 24522- 54
Fax: 0201 24522- 44
[email protected]
www.stiftung-mercator.de
Verantwortlich
Dr. Bernhard Lorentz
Text und Redaktion
Dr. Elisabeth Domansky
Gestaltung
SeitenPlan GmbH
Corporate Publishing, Dortmund
Druck
Broermann Offset-Druck GmbH, Troisdorf
Bildnachweis
Andy Albert (43), David Ausserhofer (5 li.), Bucerius Law School (75), Kornelia Danetzki (31),
George Doyle/Stockbyte/Getty Images (23), Hochschule für Wirtschaft und Umwelt NürtingenGeislingen (71), Jacobs University Bremen (53), KWI (31), Leuphana Universität Lüneburg (79),
Ruhr-Universität Bochum (39), Albert Schrager/TU München (67), Standout.de/Stifterverband
(1, 5 re., 6, 11, 15, 19, 36, 60, 84), TU Berlin/Weiß (57), Universität Erfurt (63), Universität
Witten/Herdecke (49)
102
Stiftung Mercator GmbH
Huyssenallee 44 • D-45128 Essen
Telefon 0201 24522-54 • Fax 0201 24522-44
[email protected]