Von Gabriele Petricek Da ich die Idee hatte, alle

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Von Gabriele Petricek Da ich die Idee hatte, alle
Von Gabriele Petricek
Da ich die Idee hatte, alle Aktio-Närrinen und -Narren sollen diesmal Schnurrbärte zur
Kürung dabei haben, muss ich diesen Haarerlass nun begründen. Hätte ich gewusst, dass
mein kleiner Einfall solche Folge zieht, hätt’ ich ihn mir nicht stehen lassen, ergo
geschwiegen.
Nun denn, liebe Frau Präsidentin, werte Aktio-Närrinen und -Narren: Jetzt rede ich halt.
Die Wortspiele des Herrn Moustache.
Bemerkungen zum Schnurrbartzwang
Harmlos. So ein Schnurrbart. Ich hatte ihn mir nach dem Besuch der Magritte-Ausstellung
spontan gekauft. Meiner Freundin Erika aus Luzern auch einen geschenkt. Der schwarze
Schnurrbart, vervielfacht als Konsum-Multiple im Museumsshop als Radiergummi,
zweckgebunden verschwindet er wieder, wie eine Zeichnung oder Schrift auch, die man
ausradiert. Eraser. Ein echter Bart muss rasiert werden, soll er weg. Viele
Radiergummischnurrbärte lagen dort. Das Original davon gehört Mona Lisa. Marcel
Duchamp hat es ihr übers kryptische Lächeln gemalt. 1919. Und René Magritte. Später.
Salvador Dalí malte 1964 „Selbstporträt als Mona Lisa“ mit rollenden Dalí-Augen und
spitz zulaufenden Bartenden bis zu den Augenbrauen. Duchamp war aber der erste der die
Leonardo-Dame bartversah. Ihr noch ein Ziegenbärtchen ans Kinn dazu gepflanzt.
Dalí erzählte einmal: „Seit ich nicht mehr rauche, lasse ich mir einen Schnurrbart stehen –
das ist besser für die Gesundheit. Da ich stets ein juwelenbesetztes Zigarettenetui bei mir
trug, führe ich darin nun statt Zigaretten mehrere Schnurrbärte im Adolphe-Menjou-Stil
mit. Freundlicherweise offerierte ich sie meinen Freunden: ,Moustache? Moustache?
Moustache?` Keiner wagte es, sie anzufassen. Das war mein Test den heiligen Aspekt von
Schnurrbärten betreffend.“
Das Rauchen: auch die Pfeife gehört in der Bildassoziationskette zum Moustache. Wie
Monokel, Zylinder, Augenbinde und Freibeutertuch, Schotten und Schottenröcke,
Bartwichse und so fort –
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Eines Tages traf Dalí mit einer kleinen silbernen Glocke auf dem Korridor eines New
Yorker Hotels flanierend, auf Igor Strawinsky und dessen Frau. Strawinsky sagte, eine
kleine silberne vor einem Priester hergetragene Glocke weise gewöhnlich darauf hin, dass
er Sterbesakramente überbringe, und hielt an, Dalí zu begrüßen. Der sagte bloß „Bonjour
Madame!“ und „Bonjour Igor!“, und blieb wie angewurzelt stehen. Sein Schnurrbart hatte
die Form von zwei spitzgezwirbelten, gewachsten, an seine Augenwinkel reichenden
Spießen. Strawinsky und seine Frau sagten nichts, lächelten, und schickten sich an,
weiterzugehen. Da klingelte Dalí mit der Glocke. Was es damit auf sich habe, fragte
Strawinsky. „Ich trage sie und schlage sie, damit die Menschen meinen Schnurrbart
beachten“, sagte Dalí.
Duchamp fiel mir als Erstes ein. Dann Dalí, dann dieser fitte Schauspieler mit dem tollen
roten Auto, dann der Zunge zeigende Einstein, und auch noch Hitler und Stalin und
Chaplin, Der große Diktator. Schnurrbartträger in der einen oder anderen Form. Und mein
Großvater. Meine beiden Großväter. Alle Großväter. Väter nicht. Nicht mehr. Beides aber
wieder groß im Kommen. Schnurrbart wie Hut. „Es gibt keine Liebe ohne Schnurrbart“,
sagte Guy de Maupassant, und Dalí sagte: „Ohne Schnurrbart ist der Mann nicht richtig
angezogen.“
Ja, es ist eine regelrechte Schnurrbartomanie, der wir entgegengehen. Wir sind mittendrin,
das Internet voll damit. Schnurrbart überflügelt Totenschädel. Oder motzt ihn auf. An
Ringen, Ketten, Pullis, Taschen, Stickers, Dosen, Tassen, allüberall prangen Schnurrbärte.
Die seit 2005 international tätige Firma Zazzle mit Sitz in Redwood, California, bietet
Artikel mit Schnurrbart an: Autoaufkleber (385), Buttons (1090), Kappen (670), Taschen
(955), iPhone-Hüllen (1450), Häferl und Tassen (1410), Schlüsselanhänger (1080),
Magnete (1028), Krawatten (483), Skateboards (85), Mousepads (951), etc.
In der Rubrik Kappen (670) kommt mir ein Bart als Fledermaus entgegen: Baron von
Moustache, steht daneben. Oder die Sprüche Don’t mess with the Moustache und Have
you kissed a stache today? Oder: With great Moustache comes great Responsibility.
Überhaupt ist der Schnurrbart oft ein schwarzer, geschwungener Balken und ersetzt das
rote Herz in I  NY, wobei dieser Schnurrbart fast etwas Flügelartiges hat. Und würde
man in aller Kürze zeigen wollen: I love Moustache, könnte man nach dem I das
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Kürzelzeichen Rotes Herz verwenden und anschließend das Kürzelzeichen Schnurrbart,
aber die Schriftart Monotype Sorts führt Schnurrbartzeichen nicht. Noch nicht. Daher
verwende ich in diesem Text ab nun ein schwarzes nichtkursives Herzzeichen als
Schnurrbartersatzzeichen. ( = lese: mustache Am. [ mas'tæ∫ ] s. moustache)
Dann die Frage: Want a  ride? Einen Bart-Ritt? In Deutsch wäre ja zumindest ein BarTritt möglich, vielleicht ein Bar-Besuch, was anrüchig klingt, diese amerikanischen
Kappenbeschriftungen vermitteln ohnehin nahezu alle gewisse Schlüpfrigkeit. Shape it
anyway you like it (6 oder 7 Schnurrbartformen darunter); Free Moustache Rides; oder:
ein schwarzer Schnurrbart mit heraushängender roter Zunge, die sieht phallisch aus und
wieder woanders steht Stache-tastic drauf, was mich phonetisch an Testikel erinnert.
Männliche Anhängsel.
Der Schnurrbart erinnert darüber hinaus an die Form von Mund und Lippen. Ja, der Bart
im Gesicht macht den Mund erst zum Organ. Vor vielen Jahren stürmte mein jüngster
Cousin das Badezimmer, als ich eben der Wanne entstieg, und informierte daraufhin die
im Wohnzimmer kaffeeversammelte Verwandtschaft: „Die hat einen Schnurrbart da
unten.“ Es war ungefähr zu jener Zeit, als Tom Selleck, jener Schauspieler mit dem roten
Ferrari 308 GTSi als Magnum die Fernsehserienwelt beschnurrbartete. Eine
Kappenaufschrift, die ich allerdings nicht recht verstehe, bezieht sich darauf: Tom
Selleck’s moustache’s gravitational pull it what keeps the moon in place. Selleck, der
Naturbursche, Waffensammler und Frauen- wie Männerschwarm wurde 1983 zum
schönsten Mann des Jahres gewählt und erhielt Zuschreibungen wie „God’s Gift to
Women“ und „Most Sexiest Man of America“.
Alle Kappen, die ich musterte, werden als „Truckercaps“ angeboten, als
Fernfahrerkappen, was das Image des unabhängigen, vielleicht alleinstehenden, aber
virilen männlichen und kraftstrotzenden Typen bedient, der sie trägt. Der Schnurrbart,
überhaupt jedweder Bart, ist bei denen durchaus angesagt. Man denke bloß an diesen
Jesus von Nazareth. Und weiter zurück, B.C. (before Christ). Oder an die Marlboro-Men,
von denen welche Schnurrbart trugen. Sie hätten, wie Dalí besser früher aufgehört zu
rauchen, zumindest zwei dieser Vorzeigemänner der Tabak-Industrie starben an
Lungenkrebs. Das aber hat mit Schnurrbart nichts zu tun. My stash prahlt ein anderer
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Kappenslogan, und verrät ein Versteck, ein Hanfblatt abgebildet. Moustache-Träger
rauchen eben und Schnurrbart wird oft mit Kraft und Männlichkeit assoziiert. Dalís
exzentrische Schnurrbart-Collection in der Zigarrettenkiste hatte Reliquien-Charakter,
etwa wie die Vorhaut von Jesus, die, als wäre sie ein Multiple oder Ready-made, gleich an
mehreren Orten aufgehoben wird. „Wenn Ihr alle meine Multiples habt, dann habt Ihr
mich ganz“, sagte Joseph Beuys.
Wir Schnurrbärte stellen uns gegen den Mainstream, gegen das Bürgerliche, gegen
Gebete, gegen Gebote und gegen Moral. Wir sind stark und unabhängig. Wirkliche
Männer eben. Das Schnurrbart-Piktogramm sieht aus, wie zwei seitlich hochgehobene
Muskelarme. Nein, muskelarm sind die Typen nicht. How big is your ?, fragt eine
Kappenaufschrift ihr Gegenüber auf Augenhöhe. Und I  you for some bacon! Der
Schinken ist abgebildet und als Wort geschrieben. Wer denkt hier bloß an Schenkel? Doch
aus I  you a question, but I’ll shave it for later wurde ich nicht klug, auch die deutsche
Übersetzung des Anbieters Ich Schnurrbart Sie eine Frage – lässt keine Ahnung zu,
worum es sich handeln könnte. Die Wortspiele versteigen sich zum Moosestache, der
abgebildete Elch trägt einen solchen und auch sein Geweih hat schnurrbartähnliche Form.
Elchjagd ist was für echte Kerle. Wie echte Kerle auch: Gayer than jizz on a  ist so
mancher davon, wiewohl die meisten meinen My  brings all the girls to the yard!
Wohin? Ach, da braucht’s nur noch a Honk for a  Ride.
Einen Grand  müsste man eben haben. Als Frau und als Mann. Den er behauptet zu
haben oder gerne hätte, der jeweilige Kappenträger wie die Aufschriften reichlich
andeuten ... ich dachte wieder an die Kunst. An „Die Repräsentation“ von Magritte, jenes
1937 gemalte Bild eines Frauenunterkörpers, goldgerahmt entlang der üppigen
Körperkontur und oberhalb des Nabels und auf Schenkelmitte abgeschnitten. Aus der
Bildmitte schmunzelt der Schamhaarbart. Magritte hat uns häufig ein x für ein u
vorgemacht und damit Doppelbödiges entblößt. Duchamp schrieb unter seine bärtige
Mona Lisa die französisch-phonetisch zu artikulierenden Buchstaben L. H. O. O. Q. Also
Elle a chaud au cul. Sie ist heiß am Arsch.
In Wien und in Linz werden nun Ausstellungen eröffnet, in denen es um Körper und
Gesichter von Männern geht. Stella Rollig hatte vor längerer Zeit für ihre Schau „DER
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NACKTE MANN“, die am 25. Oktober im Linzer Lentos eröffnet wird, beim Leopold
Museum in Wien um Leihgaben angefragt, etwa um das „Selbstporträt als Akt“, vom 12.
September 1908 von Richard Gerstl. Das Wiener Ausstellungshaus, davon erst inspiriert,
eröffnete gestern schon „nackte männer – von 1800 bis heute“ mit dem eindrücklichen
Gerstl-Selbstakt. Parallell zur nackten Mann-Schau läuft in Linz die Ausstellung
„VOLLMILCH – DER BART ALS ZEICHEN“. Vor einer Woche musste das Leopold
Museum sein überaus erfreuliches Ausstellungsplakat mit drei, bis auf Socken und Schuh’
splitternackten, verschiedenen Ethnien zugehörenden Fußballern an den
Schamhaarbartstellen überkleben, hieß es. Der kleine Skandal war Kalkül der
Ausstellungsmacher, von ihnen gemacht. Nach der Flut nackter und halbnackter
Frauensujets kräht kein Hahn mehr. Frau hat allzeit als Sexobjekt zu fungieren. Drei
nackte Männer aber auf Plakaten – das geht nicht! Auf keinen Phall.
Dagegen protestiere ich. Ich will sie sehen. Ich werde mir eine Trucker-Kappe kaufen:
May the  be with you.
© G.P., 19. Oktober 2012