42 Kultur Dalís Grab sorgt auch 25 Jahre nach seinem Tod für

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42 Kultur Dalís Grab sorgt auch 25 Jahre nach seinem Tod für
42 Kultur
Costa Blanca Nachrichten I Nr. 1596, 18. Juli 2014
Kultur
„Sein letzter Wille wurde nicht erfüllt“: Der Roman „Dalí corpore bis sepulto“ von Miguel Ramos Tornadijo stellt die Grabstätte des Künstlers in Frage.
Foto: Ángel García
„Eine absolute Schande“
Dalís Grab sorgt auch 25 Jahre nach seinem Tod für Unmut – Roman erinnert an Entführungskomplott des Leichnams
Bettina Hauser
Am 23. Januar 1989 verstarb Salvador Dalí im Alter von 84 Jahren
in der nordspanischen Stadt Figueras. Zwei Tage später wurde der
Leichnam des genialen Malers dort
in der Krypta seines Museums bestattet. Nur wenige sprachen mehr
davon, dem ewigen Provokateur
seine letzte Ruhestätte in der Burg
von Púbol zu gewähren, nebst seiner Muse und Gattin Gala. Einer
davon war Miguel Ramos Tornadijo. Bereits damals drängte der
Journalist darauf, die Grabstätte
nach Púbol zu verlegen und Dalís
letztem Willen Zoll zu leisten.
Heute, 25 Jahre nach dem Tode
des Ausnahmekünstlers, erinnert
Tornadijo mit einem Roman an die
Vorfälle von einst. Im CBN-Interview verrät der selbsterkorene
Neoromantiker, was damals wirklich geschah und warum er und eine Gruppe von Intellektuellen den
Leichnam gar entführen wollten.
te. Dafür möchte ich mich einsetzen, für die Liebe. Natürlich gefällt
mir Dalí als Künstler auch, doch
darum geht es gar nicht.
Wie kam es zu der Bestattung
in Figueras?
CBN: Herr Tornadijo, was stört
Sie daran, dass Dalí in Figueras
begraben liegt?
Zwei Tage vor seinem Tod erhielt
Dalí im Krankenhaus Besuch vom
damaligen Bürgermeister von Figueras, María Llorca. Dort soll Dalí den Wunsch geäußert haben, in
der Krypta seines Museums begraben zu werden. Zeugen für dieses
Gespräch gab es jedoch keine. Als
Dalí dann verstarb, pochte der
Bürgermeister auf Dalís Worte.
Was er damit erreichen wollte, war
klar. Figueras sollte ein Mekka des
Surrealismus werden und Touristen anziehen. Dalís Leichnam wurde zu einem Teil mehr des Museums. Es waren rein wirtschaftliche
Interessen, die der Bürgermeister
verfolgte. Erfolg hatte er damit.
Heute ist das Dalí-Museum ein
Riesengeschäft für die Stadt. Allein 2013 zählte das Museum 1,5
Millionen Besucher und setzte 4,4
Millionen Euro um, 8,4 Prozent
mehr als noch im Jahr zuvor.
Tornadijo: Dalí hatte so oft erwähnt, dass er gemeinsam mit Gala in Púbol begraben werden woll-
Im Roman erinnert der Erzähler
daran, wie er Gerechtigkeit
Will Dalís Leichnam in Púbol sehen: Miguel Ramos Tornadijo.
Foto: privat
„Dalí corpore bis sepulto. Historia real de un secuestro de novela“ von Miguel Ramos Tornadijo, erschienen in spanischer Sprache bei Newsline Ediciones (ISBN 978-84-933049-5-9). Weitere Informationen zum Autor unter www.tornadijo.com.
walten lassen und das Grab Da- das Begräbnis aussprachen. Schon ten, um Dalí zu seiner Geliebten
lís verlegen wollte…
bald waren wir eine Gruppe von Gala nach Púbol zu bringen. Wir
Der Roman beruht auf wahren Begebenheiten. Auch ich schrieb
nach Dalís Tod Leserbriefe an verschiedene Zeitungen. Dann legte
ich ein Postfach an, um Gleichgesinnte zu finden, die sich gegen
vielleicht zehn Personen. Über
Monate hinweg trafen wir uns in
einem sehr bekannten Lokal in
Barcelona, dem Café Zurich an
den Ramblas. Dort überlegten
wir, was wir unternehmen könn-
glaubten einfach, dass der letzte
Wille des Künstlers nicht erfüllt
worden war.
Sie sinnierten also über ein
Grab und die Liebe. Herr Torna-
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Nr. 1596, 18. Juli 2014 I Costa Blanca Nachrichten
dijo, mit allem Verlaub, klingt
das nicht ein wenig sonderbar?
mierte irische Hispanist Ian Gibson stellt in einer Dalí-Biographie
aus dem Jahr 1998 die Sache mit
dem Grab in Frage.
Überhaupt nicht. Wir kamen zu
dem Schluss, dass es drei Möglichkeiten für uns gab. Zum einen
konnten wir das letzte Testament,
welches Dalí gemacht hatte, entwenden. Wir wussten, dass Dalí,
als er schon sehr alt war, auf einem
Stück Karton den Wunsch geäußert hatte, in Púbol begraben zu
werden, und zwar mit bedecktem
Gesicht. Man vermutet, dass das
Schriftstück am 15. April 1985
entstanden war. Es befand sich offensichtlich im Besitz eines Notars
in Figueras. Wir versuchten, an das
Schreiben zu kommen, doch vergeblich. Wir bekamen zwar Zugang zu dem Büro, fanden den
Karton aber nicht. Es ist in dieser
Form natürlich auch kein legales
Dokument.
Warum ist dann nie jemand der
Angelegenheit nachgegangen?
Nach Dalís Tod entfachte ein Streit
über das Erbe des Künstlers. Dalí
und Gala hatten keine Kinder, und
Dalís Werk war sehr bedeutend.
Erst im hohen Alter hatte Dalí sein
gesamtes Vermögen dem spanischen Staat vermacht. Und nun
stritt man sich darüber, warum Dalí Spanien und nicht Katalonien
sein Werk hinterließ. Doch die Beziehungen Dalís zur katalanischen
Regierung waren nie gut gewesen.
In den Medien wurde damals nur
darüber berichtet. Wo Dalí begraben wurde, interessierte niemanden
mehr. Es ging auch alles viel zu
schnell. Der Bürgermeister hatte
Dalí ja gerade mal zwei Tage vor
seinem Tod besucht und von dessen
vermeintlichen Wünschen erfahren.
Es blieben Ihnen also noch zwei
Möglichkeiten…
Genau. Nummer zwei war, den damaligen Bürgermeister von Figueras zu entführen. Doch das erschien uns zu schwierig. Als dritte
Möglichkeit kam die Idee auf den
Tisch, den Leichnam Dalís zu entwenden und ihn von Figueras nach
Púbol zu verlegen.
Und die Grabstätte hatte Dalí in
keinem anderen Testament erwähnt?
Das weiß man nicht. Dalí hat insgesamt acht Testamente verfasst,
abgesehen von dem Stück Karton,
der offiziell nicht zählt. Doch man
kennt natürlich nur das letzte, was
er im September 1982 verfasst hatte, drei Monate nach dem Tode
Galas. Und darin schreibt Dalí,
dass er sein Gesamtwerk dem spanischen Staat vermacht.
Auch nicht wirklich eine leichte
Angelegenheit…
Auf keinen Fall. Im Roman ist alles sehr kompliziert. Doch in unserer Gruppe gab es auch Leute aus
Figueras, die das Museum gut
kannten. Wir hatten alle Pläne und
wussten, wo die Sicherheitskräfte
nachts unterwegs waren.
Warum bringen Sie Ihren Roman gerade jetzt?
Geschrieben hatte ich den Roman
bereits in den 1990er Jahren. Doch
ich dachte, dass das 25. Todesjahr
Dalís ein guter Zeitpunkt wäre, an
die Geschichte zu erinnern. Und
daran, dass in dieser Angelegenheit noch etwas aussteht.
Sie hatten also tatsächlich vor,
den Leichnam zu entführen?
Legal ist das ja nicht gerade…
Ich bin das, was man einen Neoromantiker nennt. Und da geht es
nicht darum, ob etwas legal oder
illegal ist. Wir wollten, dass die
Liebe über die Wirklichkeit und
bloße wirtschaftliche Interessen
siegt. Natürlich sind diese romantischen Anliegen meist zum Scheitern verdammt. Doch das gehört irgendwie dazu.
Glauben Sie, die Gemüter mit
Ihrem Buch aufzurütteln?
Die Hoffnung habe ich natürlich,
die gibt jemand wie ich niemals
auf. Ich glaube, es gibt einfach zu
viele Leute, die diese Geschichte
gar nicht kennen, all die jungen
Leute. Für sie ist Dalí Künstler und
Surrealist, doch über sein Verhältnis zu Gala oder dem Tod wissen
die meisten nichts. Dabei war der
Tod stets sehr wichtig für Dalí.
Und nun befindet sich sein Grab
direkt neben der Toilette.
Dann hatten Sie auch mit Ihrem Aufruf in den Zeitungen
keinen Erfolg?
Ich hatte das Manifest geschrieben,
um die menschliche Würde zu verteidigen und dem letzten Willen
Dalís Respekt zu zollen. Antworten kamen nur wenige. Die meisten davon waren positiv, einige
auch gegen mein Anliegen. Wir
sprechen immerhin von einem
Spanien, das gerade so den Übergang zur Demokratie geschafft
hatte. Ein Land, das nur wenig
Modernes besaß. Und Gala war eine umstrittene Persönlichkeit. Sie
hatte viele Liebhaber und war eine
sehr freie Frau.
Provokateur bis hin zum Tode: Archivbild von Salvador Dalí vom November 1963 (oben). Unten: der
Künstler mit seiner Frau Gala bei einer Bootsfahrt im August 1959.
Fotos: Carm/Robert Descharnes
Woher kam die Überzeugung,
dass Dalí tatsächlich neben
Gala in Púbol begraben werden
wollte?
Dalí hatte die Burg in Púbol in den
1960er Jahren für Gala gekauft
und auch dort gelebt. Die beiden
hatten 1958 sogar kirchlich gehei-
ratet, das wissen viele nicht. Als
Gala starb, wurde sie in dem Doppelgrab bestattet, dass Dalí für beide hatte errichten lassen. Es gibt
viele Personen, die Dalí nahestanden und von seinem Wunsch
wussten. Arturo Caminada zum
Beispiel war über 40 Jahre als As-
sistent bei Dalí beschäftigt. Nach
dem Tode des Künstlers betonte er
immer wieder, dass Dalí bei Gala
sein wollte. Auch Dalís Sekretär
Robert Descharnes bestätigte das
Gleiche, ebenso der Bürgermeister
von Púbol oder der Fotograf Galas,
Marc Lacroix. Selbst der renom-
Neben der Toilette?
Ja, das Museum wurde umgebaut,
und jetzt kommt man auf dem Weg
nach unten zur Toilette an der Grabstätte vorbei, gerade mal vier Meter
von der Tür entfernt. Das ist doch
eine absolute Schande. Stellen Sie
sich mal vor, dass Goethe oder
Beethoven direkt neben dem WC
ihre Ruhestätte hätten. Undenkbar!