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Brennende Giraffen, die Greuel des Gebirges und
kein Treffen mit Sigmund Freud
Salvador Dalí und Österreich
Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts
der Kunstgeschichte
an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät
der
Paris Lodron Universität Salzburg
eingereicht von
Linus Klumpner
0721371
Betreuerin:
Univ.Prof. Dr. Andrea Gottdang
Salzburg, 15. November 2013
Inhalt
Einleitung
1
Forschungsstand .........................................................................................7
2
Künstlerreisen ...........................................................................................18
2.1
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
Der Maler als Reisender vom Beginn der Neuzeit bis zur ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts .........................................................................18
Dürer und eine Ausrede ..............................................................................19
Der Künstler als Diplomat ..........................................................................22
Das Motiv in der Ferne suchen ...................................................................24
Maler, die Alpen und Touristen ..................................................................27
2.2
Dalí auf Reisen: ein Künstler in der High Society......................................30
3
Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís ....................................33
3.1
Die Malkunst des Johannes Vermeer – Dalís Fixpunkt in
Österreich ....................................................................................................34
3.2
Dalís Auffassung der Landschaft ................................................................37
4
Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen
Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís ................................................40
4.1
Österreich und Dalí .....................................................................................41
4.2
Narziss, die Ungeheuer und die Schubladenfrau – Dalís Gemälde
mit Österreichbezug ....................................................................................46
Die Paranoia-Kritische Methode................................................................47
Die Metamorphose des Narziss ..................................................................50
Die Erfindung der Ungeheuer .....................................................................63
The City of Drawers ...................................................................................72
Geplünderte Dalís - die 17 Gemälde in der Datenbank des Jeu de
Paume .........................................................................................................75
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.2.5
4.3
Don Quijote am Flexenpass – Dalís Graphiken mit
Österreichbezug ..........................................................................................77
4.3.1 Eine Kiste voller Hunde für Breton – Dalís Arbeit auf einer
österreichischen Postkarte...........................................................................78
4.3.2 Der spanische Nationalheld im Schnee – Dalís zweite paranoiakritische Postkarte vom Arlberg .................................................................80
4.3.3 Der Schuhhut...............................................................................................82
4.4
Gibt es noch mehr zu entdecken? – der Österreichbezug in Dalís
Gesamtoeuvre .............................................................................................84
5
Resumée .....................................................................................................88
Abbildungen
Literatur
Eidesstattliche Erklärung
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit
ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen
und Hilfsmittel angefertigt und die den benutzten Quellen wörtlich oder
inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Diese
Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form noch bei keiner anderen Prüferin/
keinem anderen Prüfer als Prüfungsleistung eingereicht. Mir ist bekannt, dass
Zuwiderhandeln mit der Note „nicht genügend“ (ohne Möglichkeit einer
Nachbesserung oder Wiederholung) geahndet wird und weitere rechtliche
Schritte nach sich ziehen kann. Diese Arbeit wurde neben der gedruckten
Version auch auf CD-Rom zur Prüfung der o.g. Erklärung bei dem zuständigen
Prüfer hinterlegt.
Salzburg, 15. November 2013
Linus Klumpner, Bakk.phil.
Abstract
Abstract
D
er spanischstämmige Künstler Salvador Dalí (1904 – 1989) zählt ohne jegliche Zweifel zu
einer der prominentesten und schillerndsten Persönlichkeiten, welche die Strömung des
Surrealismus hervorgebracht hat. Seine Werke und Arbeiten genießen bis heute eine enorme
Popularität unter Kunstinteressierten. Zudem sind Objekte aus seinem Oeuvre in den
renommiertesten Museen und Kunstsammlungen weltweit vertreten und erreichen im
Kunstmarkt Rekordpreise.
Es ist nicht zu leugnen, dass die kunsthistorische Forschung bereits eine Vielzahl an
Publikationen und Arbeiten zum Thema Dalí hervorgebracht hat und auf den ersten Blick mehr
als ausgeschöpft erscheinen mag. Dennoch hat sich eine relevante Fragestellung rund um den
Österreichbezug in Dalís Oeuvre, vor allem seine Gemälde und Grafiken betreffend, aufgetan,
die wissenschaftlicher Bearbeitung bedarf.
Es ist belegbar, dass sich der Künstler in den Dreißigern des zwanzigsten Jahrhunderts für eine
nicht unwesentliche Zeit in Österreich aufgehalten hat. Zahlreiche Belege und Indizien deuten
darauf hin, dass dieser Besuch zum einen bedeutende Kunstobjekte hervorgebracht hat, die
teilweise zu den bedeutendsten seines Gesamtwerkes zählen, zum anderen auch einen
markanten Einfluss auf einige dieser Arbeiten und deren Ikonographie gehabt hat.
Ein Ziel dieser Arbeit ist es die Biographie Dalís im Hinblick auf diese Materie zu beleuchten,
betreffende Kunstwerke zu diskutieren und die angeführten Thesen wissenschaftlich zu
fundieren. Außerdem soll die Reiseroute durch Österreich, inklusive vorheriger und
nachfolgender Reisestationen im Jahr 1937, unter Zuhilfenahme verbleibender
Aufzeichnungen und Archivalien, dokumentiert werden. Gleichzeitig gilt es, nicht zuletzt der
Vollständigkeit dieser Thematik halber, den Blick auf den Bezug zu Österreich in Dalís
späterem Tun zu lenken.
W
ithout any doubt the Spanish artist and painter Salvador Dalí (1904 – 1989) was one of
the most important members and representatives of the Surrealistic movement in
Europe. His work enjoys an enormous reputation in the world of art, is represented within the
most important museum collections and still reaches high estimates in auctions.
It cannot be denied that there already exist tons of literature and research papers about Dalí and
his enormous oeuvre, and on a first glance it might seem that there is not much space left for
further studies. Nonetheless a number of relevant questions and problems regarding the relation
to Austria in Dalí´s work needed to be addressed. This topic, especially his paintings, drawings
and graphic art, must become subject of an art historic research.
It is attestable that the artist spent some time in Austria in the thirties of the twentieth century.
Several records and documents from archives point to the fact that on the one hand important
objects had been produced during this stay and on the other hand this sojourn were influencing
those and some of his further work. This is especially true regarding the iconography.
A goal of this thesis is to review Salvador Dalí´s biography related to this issue, to discuss
affected artworks and to base those theories on historic evidence. Another intention is to
reconstruct the artist´s route in 1936, with the aid of remaining documents, not only through
Austria but also including the places he visited before and after. At the same time it is
important to have an eye on the Austria-relation in Dalí´s further work.
Einleitung
Einleitung
Was haben brennende Giraffen, die Gräuel des Gebirges und Sigmund Freund
miteinander zu tun?
Die Antwort ist eine gemeinsame Schnittstelle: der
Künstler Salvador Dalí. Es sind vor allem seine Werke aus dem Jahr 1937,
darunter einige seiner bekanntesten Gemälde, die im Zentrum dieser
Masterthesis stehen. Dabei handelt es sich um jene Stücke aus Dalís enormem
Oeuvre, welche sich über einen gemeinsamen Bezug zu Österreich definieren
und erstmals als ein eigenständiges Ensemble zusammengefasst werden. Eine
beachtliche Zahl ausgewählter Arbeiten ist nachweislich in Österreich
entstanden und es findet sich ein inhaltlicher oder ikonographischer
Zusammenhang, der auf einen von Dalís Aufenthalten in den 30er Jahren in
diesem Land zurückzuführen ist.
Ausgehend vom Entstehungsprozess der Metamorphose des Narziss (Abb.1),
sind es die ersten Entwürfe zu diesem Gemälde, welche den Beginn einer
ganzen Reihe von Arbeiten darstellen, die Dalís Österreichreise und die damit
verbundenen Impressionen auf ganz besondere Weise skizzieren. Neben den
größeren Arbeiten auf Leinwand, sind es die graphischen Werke, die einen
Eindruck davon geben, wie dieser geniale Surrealist aus ganz banalen
Alltagsstücken, wie zum Beispiel einer Postkarte, ein kleines Kunstwerk
kreierte. Grundlage dieser äußerst spontanen Graphiken ist häufig die von Dalí
entwickelte Paranoia-Kritische Methode, deren Idee auf das Phänomen des
Doppelbildes und optische Täuschungen zurückzuführen ist.
Eine der zahllosen, vermeintlich verrückten Ideen, die dieser Welt der
Surrealisten zuzuschreiben ist, vergleichbar mit denen anderer Größen wie
beispielsweise von René Magritte. Doch jene des Salvador Dalí bleiben
unübertroffen, denn keinem gelang es sämtliche Sparten der Wissenschaften,
wenn nicht gar des humanen Wissens überhaupt, seiner Kunst zu subsumieren.
Das, was an Einfällen aus seinem geradezu genialen Kopf hervorgegangen ist,
reizt aber zugleich die Grenzen der Kunst aus. Kurzum: was vorher nicht als
Kunst angesehen wurde, wird durch die Hand des Dalí einfach zur Kunst
Einleitung
gemacht. Gepaart mit wirtschaftlichem Talent, vor allem dem seiner Ehefrau
Gala, die hier eine nicht unwesentliche Rolle spielen wird, brachte er alles, was
er anpackte, an den Mann. Und in gewisser Weise konnte er schlussendlich
alles verkaufen, denn selbst Berührungsreliquien des Künstlers hätten einen
Abnehmer gefunden. Der daraus resultierende „Dalí-Kult“ und sein
persönlicher Reichtum - absolut unüblich für einen Künstler in der
Zwischenkriegszeit - ermöglichte viele Reisen. Die Eindrücke, welche er auf
diesen exklusiven Touren gewinnen konnte, resultieren, neben vielen anderen,
in den Werken seines enormen Oeuvres, die dieser Arbeit zugrunde liegen und
die dafür gewissenhaft selektiert wurden.
Das Thema Dalí hat in der kunsthistorischen Forschung, besonders in den
letzten Jahren, gerade wegen den Feierlichkeiten zu seinem hundertsten
Geburtstag im Jahr 2004, einen regelrechten Aufschwung erfahren. Die daraus
resultierende Fülle an Publikationen, lässt eine Masterarbeit zum Oeuvre Dalís
entbehrlich erscheinen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, weil die hier
behandelte Thematik eines Österreichbezuges bisher nur in den Grundzügen
tangiert wurde. Salvador Dalí selbst gibt in seinen Schriften nur sporadisch
Auskünfte darüber, die Schlüsse zulassen würden, welche Gemälde aus dem
Jahr 1937 in Österreich entstanden sein könnten. Dennoch hat die Forschung
dieses Kapitel stets zurückgestellt, da vermutlich angenommen wurde, dass
sich das Thema kurz abhandeln ließe. Doch ausgehend von Beweisen, die sich
auf die Abbildung einer Gebirgsgruppe der Lechtaler Alpen in einem von Dalís
Gemälden beziehen, hat sich gezeigt, dass es im Hinblick auf einen
Österreichbezug in Dalís Oeuvre weitaus mehr zu erkunden gibt.
Vor einer genauen Analyse der einzelnen Stücke, darunter tatsächlich einige
von Dalís bedeutendsten Gemälden und kleinerer Arbeiten auf Papier, steht
eine kurze Abhandlung der Geschichte von Malern als Reisende. Kein
unwichtiges Kapitel, um bewerten zu können, wie Dalí als Maler in den
1930ern
einzuordnen
ist.
Quer
durch
die
Kunstgeschichte
wurde
Kunstschaffenden eine gewisse Reisebereitschaft abverlangt. Zu Beginn der
Neuzeit
freilich,
um
als
Talent
–
anfänglich
einzig
aus
reiner
Selbsteinschätzung heraus - der provinzhaften und kulturfreien Umgebung der
Dörfer und Kleinstädte zu entfliehen. In den Metropolen der Renaissance, oder
Einleitung
den Höfen des europäischen Adels angelangt, trennte sich die Spreu vom
Weizen und es zeigte sich schnell, wer das Zeug dazu hatte, Karriere zu
machen. Für viele platzte dieser Traum und sie landeten in den Hinterzimmern
der Werkstätten jener, die mit ihrem Können überzeugen konnten. Jene wurden
wieder auf Reisen geschickt, oftmals durch ganz Europa, um für ihre
Auftraggeber die Gemälde der Großen der Kunstgeschichte zu kopieren. Der
Strom der Reisenden verlief allerdings recht einseitig von Nord nach Süd. Die
Interessen des Adels fokussierten sich auf die südeuropäische Kunst, die zur
damaligen Zeit als fortschrittlicher und freizügiger galt und, nicht zuletzt
deswegen, nördlich der Alpen eine Vielzahl von Bewunderern hatte.
Somit wurde aus dem Maler erneut ein Reisender, dessen Reisekomfort und
Auftreten jenem eines Diplomaten oft in nichts nachstand. Wie es solchen
Künstlern im Fortlauf der Kunstgeschichte auf ihren Reisewegen weiter erging
und wie sich die Beweggründe des Reisens an sich änderten, wird im Verlauf
dieses Kapitels bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts beleuchtet. Am
Ende wird feststehen, dass Salvador Dalí zwar Gemeinsamkeiten mit seinen
Kollegen der Vergangenheit und Zeitgenossen teilt, aber dennoch eine absolute
Ausnahme bildet.
Nachdem Dalí in der Tradition des Künstlers auf Reisen besprochen wurde, gilt
es den Bezug zu Österreich herzustellen. Da es tatsächlich viele Punkte gibt,
an denen sich Dalí und Österreich tangieren, ist es vonnöten darauf
einzugehen, wie es überhaupt dazu kam, dass Salvador Dalí eine gewisse
Verbundenheit und Begeisterung gegenüber österreichischen Persönlichkeiten
und Orten pflegte. Denn diese ging schlussendlich soweit, dass die
landschaftlichen Ikonen dieses, in der Zwischenkriegszeit eher unbedeutenden,
Alpenlandes gar mit denen seiner über alles geliebten Heimat Katalonien
konkurrieren konnten. Mitunter kann die Bewegung des Dada und frühen
Surrealismus und deren Zusammentreffen im abgelegenen Tirol als markanter
Aspekt hinter Dalís Motivation gesehen werden. Bruchstücke dessen, was die
schrägen Künstlergruppen einst in besagtem Bundesland auf künstlerischer
Ebene antrieb, finden sich später bei Dalí wieder.
Eine weitere prominente Rolle wird der englische Millionär Edward James
einnehmen. Zum einen ist er ein nicht unwesentlicher Faktor, der Dalí dazu
Einleitung
bewegte, mehrere Wochen in Österreich zu verbringen und zum anderen steht
James in enger Verbindung zu jenen Kunstwerken, welche Dalí in den Jahren
1936 und 1937 schuf. Der angeblich außereheliche Sohn King Edward des VII.
hatte zu jener Zeit eine Art Eigentumsrecht auf Dalís Gemälde. Außerdem
verband die beiden Exzentriker eine außergewöhnliche Beziehung, deren
Auswirkungen auch bei den hier diskutierten Objekten zu erkennen sein
werden.
Bevor es aber tatsächlich an die kunstgeschichtliche Betrachtung der Gemälde
Metamorphose des Narziss und Erfindung der Ungeheuer (Abb.2), City of
Drawers (Abb.3), sowie mehrerer graphischer Stücke, darunter von Dalí
bearbeitete Postkarten des Vorarlberger Ansichtskartenverlages Risch-Lau,
geht, sollte man die Technik und Arbeitsweise des Salvador Dalí genauer unter
die Lupe nehmen. Fasziniert vom Vorgehen der alten Meister, allen voran
Johannes Vermeer1, dessen Malkunst ein fixer Anziehungspunkt für Dalí war,
passte er seine Technik den alten Malweisen bis ins Detail an. Jene Brillanz in
der Art der Darstellung, sei es bei noch so alltäglichen Motiven, die in der
Kunst am Anfang des 20. Jahrhunderts eigentlich als veraltet und unmodern
galt, erlebt bei den Surrealisten und allen voran bei Dalí eine regelrechte
Renaissance. So übertrieben intensiv die Faszination des Künstlers an dieser
Manier einem auch vorkommen mag, stellt sie doch eine fundamentale
Grundlage der hier präsentierten Forschungsergebnisse dar. Dieses präzise
Malen nach der Natur und die Feinheit der Details, haben es erst möglich
gemacht, auf diese Entdeckungsreise durch die österreichische Landschaft,
innerhalb Dalís Gemälden, zu gehen.
Die Begeisterung für Maler wie Johannes Vermeer oder Hans Baldung Grien
hat ferner Auswirkungen auf diese Arbeit, als sich damals in Wien befindliche
Gemälde der beiden Künstler in Dalís Oeuvre rezipiert finden – auch ein
gewisser Österreichbezug, nämlich zur Kunst in Österreich, der hier kurz
angeschnitten wird. Außerdem liefert ebendiese Rezeption bereits vorhandener
Motive eine weitere Grundlage dieser Arbeit. Freilich wäre es alles andere als
fachlich korrekt, Dalí dabei als bloßen Kopisten hinzustellen, denn durch die
1
Anm: Geburtsname Jan Vermeer, aber die in Österreich gebräuchliche Schreibweise lautet
Johannes Vermeer.
Einleitung
von ihm entwickelte Paranoia-Kritische Methode erfahren ebendiese Motive
einen vollkommen neuen Deutungsansatz. Da diese komplexe Methode für das
Verstehen der beiden hier behandelten Gemälde wichtig ist, wird sich ein
kleiner
Abschnitt
mit
dem
Naturwissenschaftler
Dalí
beschäftigen.
Naturwissenschaftler deswegen, weil seine Methode nicht bloße Denkansätze
darstellt, wie es bei den Surrealisten oft der Fall war, sondern von ihm zu
absoluter Perfektion gebracht wurde. Und einmal verstanden, ergibt diese sogar
Sinn – auch alles andere als eine Selbstverständlichkeit, was man weiß, wenn
man sich genauer mit Dalí auseinandergesetzt hat. Es lohnt jedenfalls sich
exemplarisch mit einigen dieser in den Gemälden und vielen graphischen
Arbeiten angewandten optischen Spielereien zu beschäftigen. Denn um zwei
derart komplexe Objekte aus Dalís Oeuvre verstehen zu können, muss man
einschätzen
können,
welch
markanten
Einfluss
die
Paranoia-
Kritische Methode schlussendlich auf den Arbeitsprozess des Künstlers gehabt
hat. Vor allem bei dem der Legende des Narziss gewidmeten Gemälde kommt
es zu einer Verstrickung mehrere Kunstgattungen, denn das Bild bezieht sich
auf ein paranoia-kritisches Gedicht aus Dalís Feder und umgekehrt. Um den
Kreis wieder zu schließen, kann an dieser Stelle, freilich ohne zu viel
vorwegzunehmen, noch eines verraten werden: auch dieses Gedicht entstand in
Österreich.
Ein Schwerpunkt liegt daher auf dem Jahr der wichtigsten Österreichreise Dalís
1937 und auf dieses Jahr datieren auch die meisten Arbeiten, die hier
vorgestellt werden. Trotzdem wird es nicht möglich sein, sich auf einen
konkreten Zeitrahmen zu beschränken, denn sowohl zuvor als auch danach gibt
es Anekdoten und Projekte in Dalís Leben, die mitunter einen Österreichbezug
aufweisen. Über einige dieser Pläne kann bis heute nur spekuliert werden,
darunter mögliche Auftragsarbeiten für österreichische Opernhäuser. Und auch
Dalís Wirkung auf die Wiener Schule des Phantastischen Realismus und
österreichische Künstler, wie Ernst Fuchs, kann nicht ganz beiseite gelassen
werden. Zuletzt muss auch das düstere Kapitel des Nationalsozialismus
gestreift werden. Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg fand Dalís Werken
gegenüber keinen Grund diese in der Öffentlichkeit zu dulden. Einige um 1937
entstandene und heute verschollene Gemälde tauchen zum letzten Mal in den
Einleitung
Katalogen der Nazis auf. Und es ist gut möglich, dass sich darunter Objekte
befanden, welche den Gegenstand dieser Masterarbeit streifen.
Um zu jener Frage zurückzukehren, welche am Beginn gestellt wurde, am
Ende wird sie gänzlich beantwortet sein. Selbst der Zusammenhang zwischen
Österreich und den brennenden Giraffen und die mögliche Antwort auf die
Frage danach, warum die Giraffen denn überhaupt in Flammen stehen mussten,
wird einem dann nicht mehr allzu kurios erscheinen.
Salvador Dalí ist eine der prägendsten Künstlerpersönlichkeiten des
20. Jahrhunderts, überheblicher Snob und Genie zugleich. Aber die Ergebnisse
dieser Masterarbeit fokussieren eine andere Perspektive, die Dalí als eine
Persönlichkeit zeigen, deren Subtilität fürs Detail innerhalb der Kunst gerade
im 20. Jahrhundert einzigartig ist.
1 Forschungsstand
1
Forschungsstand
Unter den großen Malern der Kunstgeschichte stechen einige besonders hervor,
die sich heute dadurch auszeichnen, dass die Literatur und Forschung zu ihrem
Oeuvre und ihrer Person an einem Punkt angelangt ist an dem zwangsweise der
Eindruck entsteht, dass es kaum möglich ist mit neuen Einblicken und
Erkenntnissen aufwarten zu können. Offensichtlich ist auch eine Zugehörigkeit
Salvador Dalís zum Kreis ebendieser Persönlichkeiten kaum mehr von der
Hand zu weisen. Dem nicht genug, kommt auch noch die Tatsache hinzu, dass
uns Motive aus seinen Gemälden von Kalendern, Postern und Kitschprodukten
förmlich entgegenspringen. All das zusammengenommen führte in den letzten
Jahren zu einer Art Gau, da sich zunehmend jene Stimmen häufen, die eine
Erschöpfung des Auges mit den wunderbaren Objekte aus Dalís Werk
assoziieren. Dem Kenner liegt freilich nichts ferner als diese einmaligen
Arbeiten in einen derartigen Kontext zu bringen, aber ein gewisses Verständnis
für eine solche Einstellung muss dieser dann doch einräumen. Wer kennt nicht
die zerflossenen Uhren, die dem Gemälde Beständigkeit der Erinnerung2
entrissen, auf Krawatten, Notizblöcken und Kugelschreibern prangen – ein
Schicksal, das sie mit Raffaels lümmelnden Putten teilen.
Zum Glück beschäftigt sich diese Arbeit nun mit einer Thematik, die alles
andere als bekannt ist und von der Dalí-Forschung bis heute fast ausgespart
wurde. Deswegen darf auch angenommen werden, dass jeder, der sich für Dalí
begeistern kann, auch diesem Thema, Dalí und Österreich, ein gewisses
Interesse entgegenbringen wird. Es wäre aber kaum zuträglich an dieser Stelle
die wissenschaftlichen Publikationen zu Dalí bis zum Überdruss zu behandeln.
Viel spannender ist es, auf die Anfänge ebendieser Forschung zu blicken und
darauf, an welchem Punkt sie kunsthistorisch wurde. Denn zu Beginn waren es
die Sammler und Dalís Umfeld, die sich um eine solche Aufarbeitung
bemühten. Der Auftakt zu dieser wissenschaftlichen Arbeit rund um Dalís
2
Salvador Dalí, Die Beständigkeit der Erinnerung, 1931, Öl/Leinwand, 24,1 x 33 cm,
Museum of Modern Art (MoMA), New York.
7
1 Forschungsstand
Werk ist auch deshalb schon interessanter, weil die meisten jener Stücke, die
sich in dieser Arbeit wiederfinden werden, in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts fallen. Und so verhält es sich auch mit den ersten
wissenschaftlichen Betrachtungen – die meisten gehen auf diese Dekaden
zurück. Außerdem verhält es sich oft so, dass diese konkreten Ansichten in
Bezug auf bestimmte Objekten später nur rezipiert werden. Umso sinnvoller ist
es, auf die Ursprünge einzelner Werkbetrachtungen zurückzugreifen, zumal
ihre Verfasser Dalí meist persönlich kannten. Sicherlich muss man dabei eine
gewisse Subjektivität bedenken, aber unter Berücksichtigung von Dalís
enormem Ideenreichtum und seinen obskuren Denkansätzen, kann es nur ein
Vorteil gewesen sein, eine persönliche Erklärung zu einem Gemälde von Dalí
zu erhalten.
An dieser Stelle werden nur jene Publikationen aufgeführt, die entweder in die
Anfänge der Dalí-Forschung fallen, unumgängliche Basiswerke sind oder
aktuelle Fragestellung innerhalb dieser Forschung repräsentieren. Jene Werke,
die auf einen Österreichbezug eingehen – es handelt sich dabei um nur einige
wenige, die sich meist voneinander nähren – werden erst an der passenden
Stelle im jeweiligen Kapitel erwähnt. Gleiches gilt für alle Schriften, die aus
Dalís Feder stammen und zwar formal als Quellen gelten, tatsächlich aber vor
Phantasie gerade so strotzen. Hierbei wird es dann wichtig sein, Fiktion und
Realität voneinander zu separieren und nur die für eine Beweisführung
relevanten Fakten zu erwähnen.
Zu einer ersten intensiven Auseinandersetzung mit dem Oeuvre Dalís kam es
im Rahmen der Ausstellung im Museum of Modern Art in New York 1941.
Diese würdigte Dalí auf dem Gipfel seines Erfolges in den Vereinigten Staaten
von Amerika und wurde von James Thrall Soby, ein schon damals bedeutender
Autor, Kritiker, Sammler und Förderer der Künste, betreut, der bald darauf gar
zum Leiter der Gemäldesammlung des MoMA gekürt wurde.3 Seine
Ansichten, auch aus dem Blickwinkel eines Sammlers, dürfen durchaus als
Anfänge der Dalí-Forschung betitelt werden. Diese Ansichten hat in seinem
3
MoMa (Hg.): James Thrall Soby Papers in the Museum of Modern Art Archives.
New York 2010 (URL: http://www.moma.org/learn/resources/archives/EAD/Sobyf; Zugriff
am 30.09.2012).
8
1 Forschungsstand
Buch Salvador Dalí4, welches begleitend zur erwähnten Ausstellung erschien,
niedergeschrieben. Thrall Soby kann nicht als Wissenschaftler bezeichnet
werden, da er kein Kunsthistoriker war und er seinen Posten ohne seine Rolle
als Patron der Künste und seiner Bedeutung als Sammler kaum erlangt hätte.
Als Auftakt für weitere Schriften zu Dalí in den kommenden Jahren spielte
seine knapp hundert Seiten umfassende Broschüre aber eine bedeutende Rolle.
Ein weiteres Medium, das sich relativ schnell für Dalí und seine surrealistische
Kunst begeistern konnte, war jenes der Zeitschrift. Heutzutage würde man
solchem kaum den nötigen akademischen Anspruch beimessen, da es erschwert
möglich ist seriöses von unseriösem zu unterscheiden, außer es handelt sich um
einen der klassischen Fachtitel. In den USA der Nachkriegszeit verhält es sich
damit aber noch entschieden anders und ein Artikel, der im populären
LIFE Magazine erschien, wird durchaus dem kunsthistorischen Bedürfnis
gerecht. Repräsentativ für einige der erschienenen Beiträge zu Dalí ist ein von
Winthrop Sargeant verfasstes „Close-Up“ mit dem Titel: Dalí - An excitabel
Spanish artist, now scorned by his fellow surrealists, has succeeded in making
deliberate lunacy a paying proposition.5 Für diese Arbeit ist dieser Artikel vor
allem dahingehend wichtig, als er Dalís gesellschaftlichen Aufstieg skizziert.
Außerdem berichtet Sargeant von einem Phänomen, das schon zur damaligen
Zeit mit Dalí in Verbindung gebracht wurde: die Beliebtheit seiner Kunst bei
den breiten Massen. Sargeant spricht sogar davon, dass es Dalí gelungen sei,
Millionen für Kunst zu begeistern, darunter viele, die nie eine Galerie oder gar
ein Museum betreten haben.6 Wieso? Aufträge
großer Kaufhäuser zur
Gestaltung von deren Schaufensterfronten entlang der New Yorker Avenues,
damals ein viel umworbener Anziehungspunkt für die Massen. Was einst als
Werbung angepriesen wurde,
heute würde man es unter dem Begriff der
Aktionskunst subsumieren. Dalí war also ein Prominenter und das schon seit
vielen Jahren, zumal die Presse schon früher von ihm zu berichten wusste, auch
4
Soby, James Thrall: Salvador Dalí. Katalog zur Ausstellung im MoMA 1941, New York
1941.
5
Sargeant, Winthrop: Dalí - An excitabel Spanish artist, now scorned by his fellow surrealists,
has succeeded in making deliberate lunacy a paying proposition. In: LIFE, Heft 13, 24.
September 1945, S. 63-66, 68.
6
Ebenda, S. 64.
9
1 Forschungsstand
darauf weist Sargeant, seines Zeichens eigentlich Musikkritiker7, hin.8
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass dieser Bericht im
LIFE Magazine das beste Beispiel für jene Berichterstattung ist, die Dalí in den
1940ern und den Jahren davor gewidmet wurde und außerdem eines der
wichtigen Dokumente, die uns zu Dalí aus dieser Zeit erhalten geblieben sind.
Stoff für Kunsthistoriker wurde Dalí auch in den kommenden Jahren und
Jahrzehnten nicht. Aber auch die nächste unter den Dalí-Kennern bekannte
Person, die sich mit dem Künstler beschäftigte, findet sich in den 1940ern:
Reynolds A. Morse, ebenfalls Sammler und Hobbyforscher, aber Verfasser
erwähnenswerter, weil eben früh erschienener, Bücher und Aufsätze zu
Künstler und Werk. Seine Bestrebung bestand vor allem darin, endlich ein
bebildertes Werk zu jenem Künstler zu schaffen, der in den USA einen
enormen Erfolg verzeichnete. Vor allem der Aufsatz The Dream World of
Salvador Dalí9 von 1945 ist als Beitrag bedeutend, wie auch seine Tätigkeit als
Verfasser von ausstellungsbegleitenden Publikationen, wie Salvador Dalí,
catalogue de l´exposition Salvador Dalí10, erschienen zur Schau im Cleveland
Museum im Jahr 1947. Nach dem zweiten Weltkrieg folgte dann 1958 noch die
Publikation Dalí – Study of His Life and Work.11 Ziel war es einen
Sammelband mit möglichst vielen Abbildungen herauszubringen, da gerade
diese wichtig waren, um in die Bilderwelt Dalís einzutauchen. Ein
problematisches Vorhaben, da eine Bebilderung damals die Kosten für ein
Buch enorm in die Höhe treiben konnten und Farbabbildungen diese gar ins
Exorbitante steigerten. Nachhaltig Bedeutung erlangt Morse aber als Stifter des
Dalí Museums in St. Petersburg, Florida. Aus der privaten Sammlung, die er
und seine Gattin Eleanor über die Zeit aufgebaut hatten, entstand das
7
Winthrop Sargeant. In: Encyclopaedia Britannica, 2013 (URL:
http://www.britannica.com/EBchecked/topic/524253/Winthrop-Sargeant; Zugriff am
10.03.2013).
8
Ebenda, S. 63.
9
Morse, Reynolds: The Dream World of Salvador Dalí. In: Art in America, Bd.33, Nr. 3, Juli
1945, New York 1945, S. 110-126.
10
Morse, Reynolds: Salvador Dalí, catalogue de l´exposition Salvador Dalí. Katalog zur
Ausstellung im Cleveland Museum, Cleveland 1947.
11
Morse, Reynolds: Dalí – a Study of His Life and Work. New York 1958.
10
1 Forschungsstand
bedeutendste Dalí-Museum außerhalb Spaniens, welches durch einen
einzigartigen Bestand an Originalen beeindrucken kann.12
Die nächste Person, die sich als Dalí-Kenner und Sammler profilieren lässt und
zugleich dem engsten Umfeld der Familie Dalí zugeschrieben werden kann, ist
Robert Descharnes. 1962 veröffentlichte er The World of Salvador Dalí13 ein
biographisches Werk, welches sozusagen mit Informationen aus erster Hand
aufwarten sollte. Doch gerade diese Nähe zu Dalí, Descharnes muss als
wirklich enger Vertrauter gesehen werden,14 hat ein hohes Maß an
Subjektivität zur Folge. Doch er, der eigentlich Photograph war, versuchte
auch Dalís Werke Photographien gegenüberzustellen, die Dalís Alltag
dokumentierten. Ein interessantes Vorhaben, da es oft solch alltägliche
Begegnung waren, denen Dalí eine solche Begeisterung entgegenbrachte, dass
er versuchte sie in sein Oeuvre einzubauen. Heute spielt Descharnes eine
maßgebliche Rolle bei den Verkäufen von Dalís Werken. Als einer der letzten
Überlebenden aus dem engsten Umfeld des Künstlers und jemand, der mit
seinem Oeuvre derartig gut vertraut ist, gilt er als vorrangiger Experte und bei
Versteigerungen ist er die erste Anlaufstelle der großen Auktionshäuser.
In den nächsten Jahren gibt es kaum maßgebliche Publikationen zu Dalí, aber
mit der nachfolgenden kann zugleich eine neue Gruppe definiert werden.
Salvador Dalí war zwar über all die Jahre eine Berühmtheit geblieben, aber
hinsichtlich seiner Gemälde zeichnete sich zunehmend ab, dass er seinen Zenit
hinter sich gelassen hatte. Er widmete sich zunehmend anderen Projekten und
legte zum Teil eine gewisse Lieblosigkeit an den Tag, was seine Malerei
anging. Sein Ruhm erfuhr deswegen keine Minderung und deshalb wurden
dem Meister des Surrealismus bereits zu Lebzeiten mehrere große
Soloausstellungen in den großen Museen weltweit dediziert. Im Zuge dieser
Expositionen kam es auch endlich zu einer Konfrontation zwischen
Kunsthistorikern und Dalís Gemälden. Folglich waren es bis zu Dalís Ableben
12
The Dalí Museum Collection (URL:
http://thedali.org/about_the_museum/the_collection.php; Zugriff am 30.09.2012).
13
Descharnes, Robert: The World of Salvador Dalí. New York 1962.
14
Anm.: In den letzten Lebensjahren Dalís mutierte Descharnes zu Dalís rechter Hand und
hatte einen enormen Einfluss auf die Entscheidungen des Künstlers. Vgl.: Gibson, 1997,
S. 584-585.
11
1 Forschungsstand
vorrangig Ausstellungskataloge, die nun in einen Forschungsstand eingereiht
werden können. Interessant ist auch, dass jene Wissenschaftler, die sich für
diese Ausstellungen mit dem Künstler auseinandersetzten, später die eine oder
andere Monographie zu Dalí veröffentlichten. Doch dazu später.
Noch zu Lebzeiten des Künstlers wurde 1979 im Centre Pompidou Paris eine
der wichtigsten dieser Dalí- Retrospektive organisiert. Die größte seit 1965 in
New York und 1970/71 in Baden Baden, wie das Burlington Magazine
berichtet.
15
Im Anschluss wurde die Pariser Schau losgeschickt um das
Publikum der Tate Gallery in London in ihren Bann zu ziehen. Als
federführende Person hinter dem Katalog Salvador Dalí. Rétrospective, 192080 kann Daniel Abadie genannt werden.16 Dieser Ausstellungskatalog kann als
einer der Forschungshöhepunkte zu Dalís Lebzeiten erhoben werden. Die
Ausstellung berücksichtigt neben seinem malerischen Werk auch dessen
Arbeiten für Film und Bühne, die hier erstmals unter der Regie des Direktors
des Centre Pompidou, Pontus Hulten und dem Kurator der Ausstellung Daniel
Abadie, wissenschaftlich begutachtet werden. Zugleich markiert diese
Publikation eine Art Schnittstelle am Übergang zu einer posthumen
Auseinandersetzung mit Dalí, die nach dessen Ableben 1989 auftritt und bis
heute zahllose Themenfelder aus Dalí´s Leben und Oeuvre beleuchtet hat – die
Themen, mit denen man sich als Kunsthistoriker auseinandersetzten könnte,
ganz abgesehenen von der wissenschaftlichen Relevanz, sind wohl endlos.
Einige Schwerpunkte dürfen aber an dieser Stelle nicht fehlen.
Einem überlieferten Zitat zufolge, definierte sich Dalí zwischen zwei Wassern
schwimmend, dem kalten Wasser der Kunst und dem warmen Wasser der
Wissenschaften.17 Umso mehr liebte er es den Betrachter mit einer Vielzahl
optischer Tricks und Illusionen zu verblüffen und zu verwirren. Schlussendlich
war es aber nicht sein persönliches Amüsement, welches im Vordergrund
stand. Es war der Versuch seine eigenen Hypothesen – basierend auf den
15
Calendar. In: The Burlington Magazine, Bd. 122, Nr. 923, Februar 1980, S. 154.
Abadie, Daniel (Hg.): Salvador Dalí. Rétrospective, 1920-80, Katalog zur Ausstellung im
Centre Georges Pompidou, Musée Nationale d´Art Moderne, Paris 1979.
17
Ades, Dawn (Hg.): Dalí´s Optical illusions. Katalog zur Ausstellung im Wadsworth
Athaneum, Hartford 2000, S. 11.
16
12
1 Forschungsstand
Erkenntnissen der psychologischen Wissenschaften – zu fundieren, welche den
tiefen Einfluss und die daraus resultierenden Effekte von Bildern auf die
menschliche Psyche beschreiben. Ergebnis dieser Überlegungen ist die hoch
wissenschaftlich anmutende Paranoia-Kritische Methode.18 Im Jahr 2000 hat
sich eine Ausstellung des Wadsworth Athaneum in Hartford Dalís optischpsychischen Spielereien gewidmet und der im Rahmen dieser Schau
entstandene
Ausstellungskatalog
von
Dawn
Ades
fasst
viele
der
erwähnenswerten Hintergrundinformationen zu dieser Thematik zusammen.19
Da Dalís Ambitionen auf diesem Gebiet der optischen Täuschungen zum Teil
nur schwer nachvollziehbar sind und seine eigenen Publikationen zu diesem
Thema meist nur mehr Verwirrung stiften, ist dieser Katalog ein guter Führer
durch diese Welt der optischen Illusionen. Dawn Ades Nachforschungen
fokussieren sich auf die komplizierten Aspekte von Dalís Methode und
sezieren seine Gedankengänge. Anhand ausgewählter Beispiele werden diese
schlussendlich für jedermann verständlicher.
Stellvertretend für dieses beachtlich umfassende Gebiet der Dalí-Forschung ist
noch Das endlose Rätsel. Dalí und die Magier der Mehrdeutigkeit20 zu nennen.
Die beiden Kuratoren Jean-Hubert Martin und Stephan Andrae haben dafür
höchstinteressantes Material zusammengetragen. Allerdings beschränken sie
ihre Forschungen nicht auf Dalí, sondern weiten diese auf die Kunstgeschichte
aus. Sie beschäftigen sich also mit der Beziehung zwischen Kunst und Illusion
und dem Begriff des Doppelbildes.21 Sie gehen auf ein historisches
Zusammenspiel zwischen Künstlern und diesen Methoden ein und erklären,
wie diese im aufkeimenden Surrealismus eine Wiedergeburt erfuhren. Zuletzt
war es eben Dalí, der diesem Gedankengut von der Gotik bis zum Barock zu
einer Renaissance verhalf. Von Dalí geradezu vergöttert, ist es umso wichtiger
dieses Unterkapitel der Kunstgeschichte besser zu verstehen und dieser
Ausstellungskatalog kann dabei helfen.
18
Gibson, Ian: The Shameful Life of Salvador Dalí. New York, London 1997, S. 255.
Ades 2000.
20
Martin, Jean-Hubert, Stephan Andrae (Hgg.): Das endlose Rätsel. Dalí und die Magier der
Mehrdeutigkeit, Katalog zur Ausstellung im Museum Kunstpalast, Düsseldorf 2003.
21
Ebenda, S. 7.
19
13
1 Forschungsstand
Das Jahr 2004 markierte Dalís einhundertsten Geburtstag, ein Datum, welches
mit großer wissenschaftlicher Hingabe gefeiert wurde: Ausstellungen, Bücher
und Projekte häufen sich um dieses Jahr geradezu. Darunter sollten aber einige
hervorragende Arbeiten mit besonderer Beachtung gesichtet werden. Allen
voran ein Projekt, das von einem enormen Aufwand zeugt und sich heute als
unverzichtbares Instrument eines jeden Dalí-Forschers etabliert hat.
Die Fundacío Gala-Salvador Dalí setzte einen lange gehegten Plan in die Tat
um, nämlich die Erstellung eines „Catalogue Raisonné“ voranzutreiben. Diese
zwischenzeitlich zu einem Gros verwirklichte Ressource hat den Zweck das
malerische Werk Salvador Dalís zusammenzufassen und für die Öffentlichkeit
als Online-Publikation zugänglich zu machen. In einem ersten Schritt wurden
2004 die Daten zu den Jahren 1910 bis 1930 online gestellt. Das in mehrere
Abschnitte gegliederte Unterfangen soll am Ende alle Gemälde bis 1983
rigoros aufarbeiten. Bis heute kann man Informationen zu jenen Stücken
abrufen, die vor 1952 entstanden sind.22 Für diese Arbeit reichen die bisher zur
Verfügung gestellten Daten also völlig aus. Die Fundacío Gala-Salvador Dalí,
mit Sitz in Figueres, der Geburtsstadt des Künstlers, ist die bedeutendste
Institution, welche in Relation zu Dalí existiert. In ihrem Besitz und Archiv
befinden sich nicht nur die erhaltenen Wohnhäuser des Spaniers, sondern auch
die größte Sammlung an privaten Dokumenten, Zeichnungen und Gemälden.
Die im Katalog zur Verfügung gestellten Daten stammen also aus erster Hand
und werden dadurch mehr als vertrauenswürdig. Der Eintrag zu jedem
Gemälde enthält nebst einer Abbildung, den genauen technischen Angaben,
Provenienz und Ausstellungsgeschichte, auch eine detaillierte Bibliographie
zum jeweiligen Werk. Da es früher teils sehr kompliziert war, genaue Angaben
zu Dalís Gemälden zu bekommen, stellt die Installation dieses Onlinekatalogs
eine enorme Erleichterung dar.
22
Fundacío Gala-Salvador Dalí (Hg.): Salvador Dalí Catalogue Raisonné of Paintings [1910 –
1951]. Online-Publikation 2007 (URL: http://www.salvadordali.org/cataleg_raonat/index.html?lang=en; Zugriff am 08.07.2012).
14
1 Forschungsstand
Unter den vielen Ausstellungen ist eine Schau allen voran zu nennen. Hinter
dem unspektakulären Namen Dalí23, verbirgt sich ein Katalog, welcher 2004
aus einer Kooperation des Palazzo Grassi in Venedig und des Philadelphia
Museum of Art resultierte. Mit Leihgaben, unter ihnen namhafte Institutionen
wie die Neue Nationalgalerie Berlin, das Art Institute of Chicago, Museo
Nacional Centro de Arte Reina Sofia, das Museo Thyssen-Bornemisza, das
Metropolitan Museum und Museum of Modern Art in New York und das Dalí
Museum in St. Petersburg in Florida, war es zum ersten Mal in der Geschichte
möglich, die bedeutendsten Werke aus Dalís Oeuvre gemeinsam zu zeigen. Die
Früchte der Zusammenführung dieses enormen Schatzes an Gemälden sind
jene durchgeführten Forschungsbestrebungen, welche, unter der Regie von
Dawn Ades, Michael R. Taylor und der Mitarbeit anderer hochrangiger
Wissenschaftler, im Katalog zusammengetragen sind. Vor allem die am Ende
des Buches stehende Enzyklopädie und Chronologie24 bedeuten eine enorme
Unterstützung bei jeglicher Nachforschung zum Thema Dalí. Durch die
Überprüfung und Reflektion des bisherigen Forschungsgeschehens, konnten
Fehleinschätzungen nach jahrelanger Rezeption endlich ausgemerzt werden.
Somit existiert eine weitere gut recherchierte und wissenschaftlich fundierte
Übersicht von allerlei Fakten zu Dalís Biographie und Oeuvre.
Neben jenen wissenschaftlichen Buchprojekten, die sich vornehmlich mit dem
Oeuvre Dalís beschäftigen, darf eine Publikation aus dem Jahr 2009 in diesem
Forschungsstand nicht fehlen. Dabei handelt es sich um ein Kompendium mit
dem Titel Dalí´s World25, eine Auswahl von Dokumenten in Faksimile, die
zusammengenommen Dalís Leben und Werk in völlig neuem Licht darstellen.
Die meisten persönlichen Unterlagen Dalís sind nach dessen Tod in die
Archive der Fundacío Gala-Salvador Dalí gewandert und sind heute nur
erschwert zugänglich. Auch wenn sich das Center for Dalinian Studies in den
letzten Jahren zunehmend geöffnet hat, ist das Prüfverfahren, wer Einblick in
diese Kostbarkeiten erhält, nach wie vor sehr streng. Diese Tatsache macht
23
Ades, Dawn (Hg.): Dalí. Katalog zur Ausstellung in Venedig und Philadelphia 2004/2005,
Italien 2004.
24
Ebenda: S. 425–539.
25
Aguer, Montserrat: Dalí´s World. London 2009.
15
1 Forschungsstand
Montserrat Aguers Buch für diese Arbeit besonders interessant, da einige jener
Briefe,
welche
für
die
Recherchen
zu
Dalí
und
Österreich
eine
Forschungsgrundlage bilden, nun im detaillierten Nachdruck zur Verfügung
standen.
Als Abschluss muss noch ein Buch genannt werden, welches man auch als
Dalí-Bibel betiteln könnte und das deswegen separat angeführt werden muss,
da es ohne jegliche Konkurrenz dasteht. Wenn es darum geht, sich mit Dalís
Biographie zu beschäftigen, gibt es neben seinen persönlichen Erzählungen nur
die Biographie von Ian Gibson. Gala und Salvador Dalí führten ein für ein
Ehepaar, das vorrangig von seiner Kunst lebte, beispiellos glamouröses und
abwechslungsreiches Leben. Zahllose in Dalís eigenen Schriften verewigte
Anekdoten und unzensierte Berichte der in den 30er Jahren aufblühenden
Klatschpresse berichten davon. Aber besonders die eigenen Erzählungen des
Künstlers sind mit Vorsicht zu genießen und in der Flut von biographischen
Schriften haben sich viele dieser nicht allzu ernstzunehmenden Schwänke
eingeschlichen und über die Jahre manifestiert. Für seriöse Recherchen gibt es
seit 1997 und dem Erscheinen von Gibsons Dalí-Biographie The Shameful Life
of Salvador Dalí26 nur mehr eine Biographie, die für Nachforschungen
herangezogen werden muss. Auch wenn es in wissenschaftlicher Hinsicht
kaum etwas an dieser Biographie auszusetzten gibt, muss man beim Umgang
mit dieser Ressource doch auf zwei Dinge achten. Erstens sollte man mit dem
englischsprachigen Original arbeiten, da sich bei den Übersetzungen einige
Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen haben und zweitens immer im Hinterkopf
behalten, dass Gibson derart von Dalí fasziniert ist, dass er in der Folge zu
Schwärmereien tendiert. Der Bedeutung dieser Lebensschrift, als einer der
wichtigsten Forschungsgrundlagen, tut dies allerdings keinerlei Abbruch.
Gibsons Ansicht nach bedurfte es sieben Jahre nach dem Ableben des
Künstlers einer dringenden Rehabilitierung seiner Person, seines Lebens und
Werks. Sein Buch sollte ein unterstützender Beitrag dazu sein27 und in der Tat,
ein solcher wurde es auch.
26
27
Gibson 1997.
Gibson 1997, S. 28.
16
1 Forschungsstand
Die Dalí-Forschung ist also im 21. Jahrhundert angelangt und trotz der Fülle an
Publikationen gibt es noch Bereiche, die einer Aufarbeitung bedürfen. Zurzeit
zeichnet sich ein neuer Schwerpunkt ab, der sich mit Dalís Arbeiten für
Theater und Film auseinandersetzten.28 Ein weiteres Feld, das noch kaum
Beachtung gefunden hat, sind Dalís unzählige Portraitarbeiten. Viele davon
befinden sich nach wie vor in Privatbesitz und ebenso viele konnten bis heute
nicht identifiziert werden. Doch auch hier wurde der Nachholbedarf erkannt
und es steht eine höchst interessante Veröffentlichung an, die mit
faszinierenden Resultaten aufwarten kann.
29
Außerdem darf der nächste Teil
des Catalogue-Raisonée der Fundacío Gala-Salvador Dalí, der in Kürze
veröffentlicht wird, nur mit Spannung erwartet werden.
28
Anm.: Dissertation im Druck; Dr.des. Christian Sauer ist Universitätsassistent am
Fachbereich Kunstgeschichte der Universität Salzburg.
29
Anm: die Publikation zu Dalís Portraitarbeiten steht kurz vor der Fertigstellung und
Publikation; Autoren: Julia Pine, Ottawa und Karl-Heinz Klumpner, Salzburg.
17
2 Künstlerreisen
2
Künstlerreisen
Wie Anfangs bereits angedeutet wurde, gibt es eine Reihe von Komponenten,
die Dalí als Reisenden von seinen Vorgängern differenziert. Dieser besondere
Status, den Salvador Dalí als vielseitig talentierte Persönlichkeit schon von
Beginn seiner Karriere an hatte, beeinflusste später zwangsläufig seine Manier,
wie er mit den Eindrücken auf seinen Reisen verfahren hat. Denn es war ihm
möglich, seinen Empfindungen freien Lauf zu lassen und bei der Motivwahl
beliebig zu agieren, ohne jegliche Befürchtung, keine Abnehmer für seine
Werke zu finden. Im folgenden Kapitel kommt es nun zu einer Konfrontation
Dalís mit dem Typus des Künstlers auf Reisen quer durch die Kunstgeschichte.
Außerdem gibt ein kurzer Exkurs darüber Auskunft, wie die Künstler vor Dalí
bei der Rezeption der österreichischen Landschaft und der Alpen verfahren
sind und warum diese solch eine Faszination auf sie ausgeübt haben.
Schlussendlich sind es doch bei allen Sehnsüchte, die diese Maler in solch eine
einzigartige Landschaft getrieben haben. Die Forschung hat sich über die Jahre
mit den meisten Facetten der Künstlerreise beschäftigt. Die Anfänge, die
Thematik des Hofkünstlers und die Auswirkungen der Grand Tour haben
ausreichend Beachtung gefunden. Dennoch ist ein Schwerpunkt in Richtung
Orientalismus und Primitivismus zu erkennen, der sich mit den Fernreisen von
Künstlern wie Eugène Delacroix, Paul Gauguin oder Pablo Picasso beschäftigt,
die stellvertretend genannt werden können. Aber auch der philosophische
Aspekt des Reisens findet zunehmend Beachtung und die Frage danach, was
und welche Intentionen uns in die Ferne locken.
2.1
Der Maler als Reisender vom Beginn der Neuzeit bis zur
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Begibt man sich auf die Quellensuche zum Terminus der Künstlerreise, dann
stößt man im Conversations-Lexikon von 1830 auf einen interessanten Satz,
der eine grundlegende Unterscheidung betrifft:
Da Jemand, der nicht Künstler ist, selten bloß der
Kunstanschauung und Kunstbildung wegen eine Reise anstellt
[…] so versteht man gewöhnlicher und Vorzugsweise unter
18
2 Künstlerreisen
Kunstreisen solche Reisen, welche von Künstlern um der Kunst
Willen gemacht werden.30
Somit gilt es von Anfang an, die Grand Tour - eine Reise zur Bildung der
höheren Gesellschaftsschichten, die kurz thematisiert wird - von der
Künstlerreise klar zu unterscheiden. Im Laufe dieses Kapitels werden sich drei
Typen des reisenden Künstlers exemplarisch hervorheben: der des
selbstmotivierten reisenden Künstlers, des Hofkünstlers in diplomatischen
Diensten und jener des Studienreisenden. Erwähnt sei, dass jene Künstler,
welche der Faszination und den Reizen des Orients und dem Exotischen
verfallen waren, an dieser Stelle ausgespart werden. Ein knapper Exkurs wird
sich mit der Rezeption der österreichischen Gegend in der Kunstgeschichte
befassen. Da es aber nur erschwert möglich ist, auf die verschwommenen
Grenzen des österreichischen Territoriums in der beginnenden und
fortlaufenden Neuzeit Rücksicht zu nehmen, wird sich dieser thematische
Abstecher auf die Landschaft der Alpen fokussieren. Schlussendlich war es die
Anmut dieses einmaligen Naturgebiets, das Dalí dazu bewegt hat, ihr ein
künstlerisches Denkmal zu setzen.
2.1.1
Dürer und eine Ausrede
Im Mittelalter stand die Kunst im Dienst der Kirche und die Personen, welche
als Künstler im Hintergrund agierten, interessierten zur damaligen Zeit kaum
jemanden. Erst mit einem wachsenden Interesse an den Erschaffern der Kunst
und der Intention die Technik und Darstellung vor den eigentlichen Zweck zu
stellen, keimte auch eine Sehnsucht nach einer Erneuerung der Kunst auf, die
man versuchte, durch Experimentieren und neue Erfahrungen, welche man in
der Wanderschaft suchte, zu stillen.31
Nachdem der Kunst bis zum Beginn der Neuzeit also nur verhältnismäßig
wenig Freiheiten und dem Künstler entsprechend wenig Raum zur
Eigeninitiative zugestanden wurde, schien sich die Lage mit dem Aufkeimen
einer humanistisch orientierten Strömung zu bessern. Die Renaissance führte
zugleich zu einer Verlagerung der Themen, welche die Auftraggeber, nun auch
vermehrt großbürgerliche und weltliche Personen, wünschten. Einen Freibrief
30
Brockhaus, F.A. (Hg.): Allgemein deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände.
Band 6, 7.Aufl., Leipzig 1830, S. 344.
31
Otterbeck, Christoph: Europa verlassen. Künstlerreisen am Beginn des 20. Jahrhunderts.
Köln 2007, S. 28.
19
2 Künstlerreisen
zu Vergnügungsreisen für Künstler gab es dennoch nicht, denn diese blieben
den hohen Herren und Damen vorbehalten. Das Einzige, was den jungen
Künstlern gebührte und zugleich von deren Meistern forciert wurde, war eine
lange Gesellenreise. Da die Kunstschaffenden ebenfalls in Zünften organisiert
waren, passten sie sich dahingehend an, ganz nach dem Vorbild anderer
Handwerksgilden. Und die Hoffnung auf eine spannende Anstellung fernab der
Heimat, war oft stiller Begleiter der zahllosen umherreisenden Burschen.32 Auf
genauso einer Reise befand sich einst auch der junge Albrecht Dürer. Sein Weg
führte ihn quer durch Deutschland, die Niederlande und schlussendlich bis in
die Republik Venedig. Initiator war sein Vater, ebenfalls Künstler, doch nach
vier Jahren auf Wanderschaft beorderte ihn dieser 1494 zurück in die
Heimatstadt.33 Doch die ersten Anzeichen einer Sesshaftigkeit - Dürer heiratete
kurz nach seiner Rückkehr – trügten, denn bereits 1505 kehrte er für fast ein
Jahr nach Venedig zurück. 34 Dürer repräsentiert also eine
Künstlerpersönlichkeit, die es, entgegen der damaligen Gepflogenheiten, stets
zu Reisen drängte. Dass es eine seiner Intentionen gewesen sein muss, die
Kunst dieser Länder zu studieren, zeigen exemplarisch einige Kopien
venezianischer Arbeiten, die sich bis heute erhalten haben.
Nach seiner Heimkehr galt es für Dürer den Anforderungen seiner
Auftraggeber gerecht zu werden und die Geschäfte liefen für ihn und seine
Frau Agnes, die sich rege am Betrieb beteiligte, mehr als zufriedenstellend.
Aber spätestens bei den Plänen gemeinsam mit seiner Gattin auf eine
mehrjährige Reise zu gehen, musste sich Dürer einer Ausrede bedienen, denn
private Vergnügungs-, beziehungsweise Bildungsreisen waren in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts ausschließlich dem Adel vorbehalten. Daher nutze
Dürer den Umstand, dass ihm die Stadt Nürnberg, die vom Kaiser großzügig
gewährte Leibrente, nach wie vor schuldig blieb. Maximilian I. war 1519
verstorben und der neue Kaiser sollte in Aachen inthronisiert werden. Da es
nach heutigem Stand offenbar Agnes war, die den Wunsch äußerte, die
Niederlande bereisen zu wollen, reisten beide unter dem Vorwand, Dürers
Rente sichern zu wollen, nach Aachen. Nach einer Woche war die
Angelegenheit geklärt und da man sich schon zufällig in Reichweite der
Niederlande befand, beschlossen die Dürers, sich für zwei Jahre in Antwerpen
32
Rees, Joachim (Hg.): Künstler auf Reisen. Von Albrecht Dürer bis Emil Nolde, Darmstadt
2010, S. 31.
33
Roth, Johann Ferdinand: Leben Albrecht Dürers, Vaters der deutschen Künstler. Leipzig
1791, S. 16.
34
Ebeneda, S. 22.
20
2 Künstlerreisen
niederzulassen. Die Rückreise nach Nürnberg erfolgte im Juni 1521.35 Auch
wenn die Reise für Abrecht Dürer einen enormen gesellschaftlichen Erfolg
darstellte und ihm unzählige Ehrungen zu Teil wurden, so wurde eine der
ursprünglichen Intentionen, nämlich Geschäfte und vor allem Gewinn zu
machen, nicht erfüllt. Denn Dürer schreibt:
Ich machte viel Sachen den Leuten zu gefallen; aber das
wenigste wurde mir bezahlt. – Ich hab in all´ meinen Machen,
Zehrungen, Verkaufen, und anderen Handlungen Nachtheil
gehabt im Niederland […].36
Auch wenn in Dürers Bericht eine gewisse Melancholie mitschwingt, darf
nicht außer Acht gelassen werden, dass diese zweijährige Reise, die Albrecht
gemeinsam mit seiner Gattin Agnes antrat, in der Kunstgeschichte als
einzigartig angesehen werden kann. Allen gesellschaftlichen Sitten des
beginnenden 16. Jahrhunderts widersprechend, gelang es ihnen durch einen
geschickten Schachzug eine Reise zu unternehmen, die aus dem Interesse
entsprang, eine bestimmte Gegend Europas bereisen zu wollen. Die
Niederlande waren, wie bekannt ist, zur damaligen Zeit eine der
wohlhabendsten Gegenden Europas und das, was dort an den großen Häfen der
Nordsee aus aller Welt ankam, muss eine unheimliche Faszination auf die
Menschen ausgeübt haben. Die Dürers wollten all das zu sehen bekommen und
sahen wahrscheinlich in diesem internationalen Umschlagplatz zugleich eine
Möglichkeit, Kontakte zu potentiellen Auftraggebern gewinnen zu können. Es
wäre durchaus legitim an dieser Stelle damit zu kontern, dass es viele Künstler
in diese Metropolen der damaligen Zeit mitunter auch aus ähnlichen
Beweggründen zog, aber das was mit Sicherheit als eine absolute Ausnahme zu
gelten hat, ist die Tatsache, dass die Dürers stets wussten, dass sie wieder ins
heimatliche Nürnberg zurückkehren würden. Und genau aus diesem Grund ist
es auch angebracht einen Vergleich zwischen den Dürers und den Dalís zu
ziehen. Denn im Grunde genommen sind Albrecht und Agnes Dürer
beispielgebend für ein Paar, das, wie die Dalís knapp vierhundert Jahre später,
auf eine Vergnügungsreise durch Europa ging, welche zwar aus eigener Tasche
finanziert wurde, aber dennoch in einer gewissen Weise nur deshalb
Sinnhaftigkeit erlangte, da die Reichen und Adeligen dem Ehepaar Dürer mit
offenen Türen begegneten.
35
36
Rees 2010, S. 34-35, 41.
Roth 1791, S. 30.
21
2 Künstlerreisen
2.1.2
Der Künstler als Diplomat
Das was bei den Dürers seinen Anfang nahm, nämlich den Künstler am
offiziellen Hofleben teilnehmen zu lassen, gar Feste zu seinen Ehren
abzuhalten, mutierte in den kommenden hundert Jahren dazu, dass Künstler als
Repräsentanten eines bestimmten Hofes in ganz Europa eingesetzt wurden.
Legitimiert wurde diese diplomatische Rolle oft dadurch, diese ausgewählten
Künstlerpersönlichkeiten in den Adelsstand zu erheben.
Bereits im 15. Jahrhundert hatte der hohe Adel die Annehmlichkeiten des
Malers als Reisebegleiter kennengelernt. Zum Einen galt es eine Fülle an neuen
kulturellen Eindrücken sowie die Reise an sich graphisch zu dokumentieren,
zum anderen erwies sich ein Künstler auch als perfekter Zeitvertreib um das,
den mangelhaften Transportmittel gebührende, beschwerliche Fortkommen
durch interessante Konversation erträglicher zu machen. Manch ein Fürst ging
sogar so weit, dass er keine Reise ohne Begleitung seines Malers machte.37
Das wachsende Interesse weltlicher Herrscher an den schönen Künsten brachte
es auch mit sich, dass Maler in den Prozess von Friedensfindungen integriert
wurden. Dabei ging es darum, ehemals feindliche Regenten mit dem Können
der Maler zu verwöhnen. Ein positiver Nebeneffekt war der daraus entstehende
Wettbewerb, wer denn mit dem besten Künstler aufwarten konnte.
Ein relativ frühes Beispiel für den Typus eines Malers in höfisch
diplomatischer Mission, ist die Reise des Gentile Bellini ins damalige
Konstantinopel. Die Republik Venedig strebte stetig nach den Reichtümern,
welche mit dieser Stadt als Tor zu Asien assoziiert wurden. Im 15. Jahrhundert
war diese in die Hände der Osmanen gefallen und Venedig hatte diesen den
Krieg erklärt. Da sich aber ein Versagen auf venezianischer Seite einstellte,
folgte 1479 das Friedensabkommen. Noch im selben Jahr erreichte ein Gesuch
Sultan Mehmeds Venedig, in dem er unter anderem um die Übersendung eines
Portraitmalers bat.38 Bellini sollte diese Aufgabe mit vollster Zufriedenheit des
Sultans erfüllen (Abb.4) und das Können des Malers hat mit Sicherheit dazu
beigetragen, den Frieden abzusichern.
Berühmtestes Beispiel eines Malers in diplomatischem Rang bleibt allerdings
Peter Paul Rubens. Die diplomatische Karriere des Rubens nahm ihren Anfang
am Hof des Vincenzo Gonzaga. Der flämische Maler war bereits Jahre zuvor
als freier Meister in den Süden gezogen und fand eine Anstellung am Hof von
37
Warnke, Martin: Stellvertretende Künstlerreisen. In: Arnhold, Hermann: Orte der Sehnsucht.
Katalog zur Ausstellung im LWL-Landesmuseum, Regensburg 2008, S. 33.
38
Rees 2010, S. 18-19.
22
2 Künstlerreisen
Mantua. Nun, drei Jahre später, wurde er mit der Begleitung einer
Geschenksendung an den Hof von Philip II. nach Spanien betraut.39 Dieser
zwischenhöfische Geschenkverkehr, wie ihn der Kunsthistoriker Martin
Warnke nennt, entstammte ebenfalls dem 15. Jahrhundert und zeichnete sich
durch eine rasend wachsende Popularität aus. Zu Lebzeiten Rubens war die
diplomatische Bedeutung dieser Kunstgeschenke ins Unermessliche gestiegen,
vor allem zwischen den europäischen Großmächten hatten diese einen Status
der Unentbehrlichkeit erlangt. Zugleich war es auch wichtig geworden, nur die
besten Künstler mit der Übersendung zu beauftragen, nicht zuletzt, weil diese
zum Symbol des höfischen Wettbewerbs geworden waren.40 Benefit für den
Künstler war dabei nach wie vor der Luxus, in entfernte Länder reisen zu
können und gleichzeitig die dortige Kunst zu studieren. Das, was Dürer also
noch aus eigener Tasche bezahlen musste, wurde mittlerweile offiziell geduldet
und von den Höfen bezahlt. Außerdem garantierte dies den Herrscherhäusern,
die sich ja mittlerweile im künstlerischen Wettstreit befanden, dass das Können
ihrer Künstler stets den aktuellen Gepflogenheiten entsprach.41
Über diesen ersten Kontakt zum spanischen Hof gelangte Rubens nach
Antwerpen, damals ein Zentrum der spanischen Niederlande, wo sich neben
dem künstlerischen Erfolg auch eine Karriere auf diplomatischer Ebene
einstellte. Rubens, der über die Jahre äußerst gute Kontakte in den höchsten
Kreisen sein Eigen nennen durfte, wurde mit der Zeit an diplomatische
Missionen herangeführt, deren positiver Ausgang für das Wohl Spaniens von
größter Bedeutung war. Ein Umstand, der nicht bei allen Mitgliedern der
königlichen Familie auf Wohlgefallen stieß. Dennoch wusste sich der Maler,
denn das war er noch immer, mit bestem Geschick auf diesem Parkett zu
bewegen. In England wurde er einst vom König sogar in einer Privataudienz
empfangen, da dieser einen Disput unter den Gesandten vermeiden wollte,
denn auch diese konnten mit einem Künstler der zum Diplomaten avanciert
war nur wenig anfangen. Schlussendlich war es aber diese Intimität zu den
königlichen Würdenträgern, die einen erfolgreichen Abschluss der jeweiligen
Anliegen gewährleisten würde.42 Am Höhepunkt seiner politischen Karriere
39
Palais des Beaux-Arts, Lille (Hg.): Rubens. Katalog zur Ausstellung, Stuttgart 2004, S. 2526.
40
Warnke, Martin: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 2. überarb. Aufl.,
Köln 1996, S.2 61-263.
41
Warnke 2008, in: Arnhold 2008, S. 34.
23
2 Künstlerreisen
hatte sich Rubens derart verdient gemacht, dass Mitglieder der höchsten
diplomatischen Ränge nicht mehr auf seinen Rat verzichten wollten.
Beachtenswert ist der Sachverhalt, dass Rubens dabei nie der Kunst den
Rücken kehrte und ein regelrechtes Imperium aufbauen konnte, dessen
Ansehen sich im prachtvollen Antwerpener Wohnhaus des Künstlers noch
heute erahnen lässt.
Auch an Dalí haftet die Ausstrahlung eines Diplomaten. Spanien war nach dem
Zweiten Weltkrieg dem Diktator Franco unterworfen, das Leid groß. Doch
Dalí, der seine Heimat über alles liebte und Angst hatte, wie während der
Kriegsjahre, ein Leben im Exil führen zu müssen, verstand es, sich geschickt
mit dem General zu arrangieren. Dazu war ihm keine Pietätlosigkeit zu schade:
als einmal eine Gruppe junger Aufständischer hingerichtet wurde, gratulierte
Dalí Franco in einem Telegramm. Dalí, der international ein hohes Ansehen
genoss, wurde im Fortlauf zum Staatskünstler erhoben. Somit wurde ihm eine
repräsentative Rolle im Ausland zu Teil: für das angekratzte Franco-Regime zu
werben. Den Einwohnern von Cadaqués blieb der diplomatische Dienst Dalís
versagt, denn die setzten einmal alle Hoffnung auf Dalí, der ihre Anliegen bei
einem Treffen mit dem Staatschef vorbringen sollte. Als sich Franco nach
Salvadors Heimat erkundigte, entgegnete dieser, dass dort alles wunderbar
sei!43
2.1.3
Das Motiv in der Ferne suchen
Der Typus des Künstlers auf Reisen war über die Jahrhunderte einem
kontinuierlichen Wandel unterworfen, der mit einem stetigen Wachstum des
Ausmaßes an persönlichen Freiheiten einherging. Vor allem im ausgehenden
18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde es Künstlern vermehrt möglich,
selbstständige Bildungsreisen zu unternehmen, ohne dabei dem Willen eines
konkreten Arbeitgebers unterworfen zu sein. Seit dem 17. Jahrhundert gehörte
es auch zum Bildungsprogramm junger Männer aus Großbritannien die
Grand Tour anzutreten, sofern sie es sich denn leisten konnten. Die klassische
Route verlief durch Kontinentaleuropa und konzentrierte sich auf Frankreich
und Italien und führte bis an den Golf von Neapel. Das Studium der lokalen
Kunst, vom Altertum bis zur Gegenwart, anhand selbst gefertigter Skizzen und
43
Thurlow, Clifford (Hg.): Sex, Surrealism, Dalí and Me. The Memoirs of Carlos Luzano,
Cornwall 2000, Kapitel 21, erste Seite [Anm.: keine Seitenzahlen].
24
2 Künstlerreisen
das Führen eines ordentlichen Tagebuchs, waren maßgebliche Bestandteile
dieser Reise. Mit der Zeit vermischten sich der Reisestrom der Grand Tour mit
dem der Künstler und gegen Ende des 18. Jahrhunderts, mit zunehmender
Bedeutung der landschaftlichen Eindrücke, verebbte die gesellschaftliche
Bedeutung der Bildungsreise.44 Für die Künstler eröffneten sich aber neue
Reiseziele in Mitteleuropa, also die Schweiz, Deutschland und Österreich.
Den kunstgeschichtlichen Höhepunkt dieser Strömung kann man aber
zweifelsohne im 19. Jahrhundert ansiedeln. Interessant ist dabei eine im
Vordergrund stehende Sehnsucht, welche die meisten Künstler auf bestimmte
Regionen in Europa fokussierte. Zu den beliebtesten Destinationen zählte unter
den
Klassizisten
mit
abwechslungsreichsten
Sicherheit
Italien,
das
Land
mit
den
archäologischen, sowie landschaftlichen Facetten.
Diese Idyllen - ein Terminus, der mit Vorsicht zu benutzen ist, aber in Bezug
auf viele Maler dieser Epoche benutzt werden darf - wurden in abertausenden
Gemälden festgehalten. Hinzu kam eine Faszination an den alten Meistern der
Renaissance, deren Darstellungsweise in zeitgemäßer Form rezipiert wurde.
Und eine ähnliche Aura ging von den unzähligen Ruinenstätten der Antike aus,
die in der Glut der italienischen Sonne fabelhafte Motive abgaben. Mit der Zeit
entwickelte sich ein regelrechter Italienboom, denn je mehr Leute mit ihren
Reiseberichten und Skizzen aus dem Süden heimkehrten, wuchs die Begierde
der Daheimgebliebenen selbst eine solche Aventüre zu unternehmen.45 Somit
begann sich der Typus der Künstlerreise mit dem der Grand Tour zu
vermischen, denn da es sich geziemte, das Gesehene im Detail zu studieren und
in Skizzen festzuhalten, wurde aus jedem ein Künstler, auch wenn die meisten
mit den Zügen eines Amateurs versehen waren. Im Übrigen unterwarfen sich
alsbald alle Gattungen der bildenden Künste der Notwendigkeit einer solchen
Studienreise. Vor allem Architekten und Poeten fanden Gefallen daran ihr
Oeuvre vom Flair des Südlandes beeinflussen zu lassen. In einigen
ausgewählten Fällen war sogar zu beobachten, dass die Grenzen zwischen
44
Grand Tour. In: Lexikonredaktion des Verlags F.A. Brockhaus (Hg.): Der Brockhaus Kunst.
Künstler, Epochen, Sachbegriffe, 3. akt. u. überarb. Ausg., Mannheim 2006, S. 335.
45
Roettgen, Steffi: Natur und Kultur Italiens in der Wahrnehmung der „nordischen Wanderer“.
In: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.): Viaggio in Italia. Künstler auf Reisen 1770-1880,
Katalog zur Ausstellung, München 2010, S. 41.
25
2 Künstlerreisen
Malerei und Architektur zu verschwimmen begannen. Prominentestes Beispiel
hierfür mag wohl Karl Friedrich Schinkel sein, dessen Bauten oftmals aus
Italien transferiert wirken und dennoch im tiefsten Preußen angesiedelt und
entstanden sind.46 Hatten die Herrscher nördlich der Alpen in den
Jahrhunderten zuvor noch das Verlangen verspürt italienische Künstler zu sich
zu holen – Beispielgebend hierfür Bernini am Hof Ludwig XIV.47- war es nun
selbstverständlich geworden, einen heimischen Architekten mit demselben
Erfahrungsschatz in Reichweite zu haben.
Schlussendlich gilt es noch zu klären, wie sich nun der Typus der Künstlerreise
hin zum 20. Jahrhundert veränderte. Basierend auf den soziokulturellen
Veränderungen der Revolutionsjahre und dem Niedergang jahrhundertealter
Hierarchien, nahm das Ansehen des Berufsstandes der Maler einhergehend ab.
Letztes Beispiel für einen reisemotivierten Künstler, bei dem sich Parallelen zu
Salvador Dalí erkennen lassen, ist Vincent van Gogh. Teile seiner Vita bergen
wertvolle Informationen, welche Veranlassung einen Künstler dieser Zeit zu
einer längeren Reise motivieren konnte. Van Gogh hatte am Anfang seiner
Karriere zu seiner Berufung als Maler gefunden und hielt sich seit einiger Zeit
in Paris auf. Im Winter 1888 machte sich der junge Künstler auf in die
Provence, denn die französische Hauptstadt schien für Van Gogh an Reiz
verloren zu haben. Nach einer über einjährigen Anwesenheit in Frankreichs
Süden waren tatsächlich hunderte Gemälde und graphische Arbeiten
entstanden, die Van Goghs Impressionen eingefangen hatten (Abb.5). Dieser
resümierte: Ich glaube, dass das Leben hier etwas dankbarer ist als an manch
anderem Ort. Und Van Gogh war darum bemüht, den zukünftigen Betrachtern
die Schönheit dieses Ortes in seinen Bildern zugänglich zu machen. Prinzipiell
tat er also das, was schon die Romantiker taten, um den Nordeuropäern den
Süden visuell zugänglich zu machen. Aber Van Gogh bediente sich einer
gänzlich anderen Methodik, die auf den Empfindungen und Emotionen basiert,
die das menschliche Auge mit bestimmten Farben verbindet und tatsächlich
betätigt das Van Gogh in einem seiner Briefe, in denen er eingesteht, dem
Betrachter durch seine Gemälde und die Wahl bestimmter Farben und
Techniken die Annehmlichkeiten bestimmter Regionen vermitteln zu wollen.48
46
Schumann, Ulrich Maximilian: Eingebildete Bauten – Italienerfahrung und Bilderfindung
von Architekten zwischen Aufklärung und Romantik. In: Staatliche Kunsthalle Karlsruhe,
2010, S. 35.
47
Rees 2010, S. 89-100.
48
De Botton, Alain (Hg.): Kunst des Reisens. Frankfurt a.M. 2002, S. 202-205.
26
2 Künstlerreisen
In diesem Fall besteht die Verbindung zu Dalí darin auf, dass er Dinge, die er
auf seinen Reisen sah, oftmals in seinen Gemälden rezipierte. Dies geschah im
Wesentlichen oft, um Menschen seine Erfahrungen und Eindrücke, die er an
bestimmten Orten machte, jederzeit wieder erfahrbar zu machen. So auch in
vielen der Arbeiten, die im Rahmen dieser Arbeit mit einem Österreichbezug in
Verbindung gebracht werden.
2.1.4
Maler, die Alpen und Touristen
Dalí in der Alpenregion, insbesonders in Österreich, ist zweifelsohne eine
detaillierte Abhandlung wert. Aber da Salvador Dalí nicht der erste Maler war,
welcher der Schönheit dieser Region verfallen war, gilt es auch dahingehend
einen Kontext zu seinen Vorgängern zu eruieren. Erst in der Folge kann
untersucht werden, inwiefern Dalís Arbeiten einzuordnen sind und ob es
Besonderheiten gibt, die ihn von diesen Pionieren unterscheiden.
Hauptsächlich aber fundiert sich eine Unterscheidung in diesem Punkt erneut
darin, dass Dalí irgendwie immer einzigartig bleibt. Denn ein professioneller
Maler, der auch als Tourist eines Nobelskiortes auftritt, findet sich in der
Kunstgeschichte kein zweites Mal.
Graphisch eingefangen wurden die Alpen schon früh. Denn als schnellster
Verbindungsweg auf dem Landweg zwischen Nord und Süd querte ein
mancher Künstler die Alpen. Oftmals, wie erwähnt, als Begleiter eines
Standeshohen oder in diplomatischer Mission. Stellvertretend ist auch das
Interesse Rudolfs II. an den Alpen. Dieser residierte Anfang des
17. Jahrhunderts in Prag und fristete ein elend anmutendes Dasein. Sein
Hofmaler Roelant Savery musste mehr als einmal nach Tirol reisen, um die
landschaftliche Schönheit für den Kaiser in Bildern zu verewigen (Abb.6),
denen dieser sich dann schwärmerisch hingab.49 Ein weiteres beeindruckendes
Zeugnis
eines
künstlerischen
Verständnisses
für
landschaftliche
Besonderheiten ist ein Blatt Leonardo Da Vincis (Abb.7). Da Vinci fertigte
allerlei Skizzen in seinen Reiseaufzeichnungen, oftmals dienten diese zu
Studienzwecken, manchmal suchte er nach geeigneten Handlungsorten für
seine Gemälde.50 Dieses Blatt ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Maler
begonnen hatten, die tradierten Stoffe aus der Bibel oder der Mythologie in
reale Landschaften zu versetzten. Da Vinci kann darüber hinaus als Vorreiter
anerkannt werden, da er es sich angeeignet hatte, die atmosphärischen
49
50
Warnke 2008, in: Arnhold 2008, S. 33.
Abdelouahab, Farid: Unterwegs! Reisetagebücher aus fünf Jahrhunderten, Kehl 2007, S. 12.
27
2 Künstlerreisen
Gegebenheiten perfekt in einem zweidimensionalem Medium einzufangen. Die
Alpen boten ihm dafür ein hervorragendes Studienobjekt, denn nirgends sonst
gibt es derart viele atmosphärische Eindrücke zur gleichen Zeit zu bewundern.
Für die nordeuropäischen Künstler hingegen waren die Alpen die einzige
Möglichkeit, sich mit den Darstellungsmöglichkeiten alpiner Regionen vertraut
zu machen. Ein Kuriosum ist die Tatsache, dass sich manche Künstler sogar
auf das Malen der Alpen spezialisierten. In einer Art Symbiose,
beziehungsweise einer Kollaboration, arbeiteten diese Spezialisten dann mit
den Größen der niederländischen Malerei zusammen. Als repräsentatives
Beispiel kann ein Gemälde Joos de Mompers (Abb.8) genannt werden. Die
Staffagefiguren in einer solch für die Niederlande des 17. Jahrhunderts
beliebten Landschaftsszene stammen von einem anderen Künstler, hier von
einem Mitglied der Brueghel-Familie.51 Eine topographische Genauigkeit, also
das Streben nach Wiedererkennung, sollte erst mit dem 18. Jahrhundert eine
Rolle spielen, zumal diese unwegsame Landschaft kaum erforscht war. 52 Doch
gerade diese Ungenauigkeit und der Verzicht auf eine reale Darstellung eines
bestimmten Gipfels, sind ausdruckgebend für die Faszination, welche vom
Gesamtflair der Alpen ausging. Eine Faszination, der Dalí noch Jahrhunderte
später verfiel, allerdings konzentrierte er sich auf die spezifische Darstellung
einer Gipfelgruppe, da er es als Künstler einer viel späteren Generation und für
sich so gewohnt war.
Als große Epoche der künstlerischen Alpenrezeption muss jedoch unbedingt
das Zeitalter der Romantik verstanden werden. Für diese Arbeit ist es dabei
von spezifischem Interesse, dass die touristische Erschließung vieler alpiner
Regionen damit in einem engen Kontext zu sehen ist. Denn ohne die verklärten
und zugleich heroisierenden Ansichten vieler, uns heute allen bekannter
Berggipfel, durch die Größen der romantischen Malerei, wie zum Beispiel
Joseph Anton Koch (Abb.), wäre es nie zu einer solchen Hochkonjunktur von
Reisenden gekommen. Denn die Alpen wurden Sinnbild für die Beständigkeit
und Tradition, in einer Welt der Industrialisierung, deren einziges Ziel es war,
sich möglichst schnell zu entwickeln und zugleich zu verändern. Faktischer
Grundstein für den Massentourismus in den Alpen war aber die Gründung
eines Alpine Club in London 1857. Kurz darauf folgten die Schweizer und
Österreicher mit der Gründung ähnlicher Vereine in den Sechzigern des
51
Maringer Eva: Die Alpen. Faszination und Schrecken ferner Gipfel. In: Arnhold 2008,
S. 346.
52
Ebenda, S. 341-342.
28
2 Künstlerreisen
19. Jahrhunderts.53 Zugleich kam es auf diesen ersten geführten Alpenreisen zu
einer ersten Konfrontation zwischen dem Tourismus und der Kunst. Da eine
Reise in die Alpen lediglich für das betuchte Publikum gedacht war – eine
gewisse Ironie, war die Alpenbevölkerung mitunter die ärmste – sah der
Erfinder des Gruppentourismus Thomas Cook auch keinen Widerspruch darin,
seine hastigen Europarundreisen um einen Abstecher in die Alpen zu
erweitern. Ziel war es dabei in einer Woche möglichst viel „Europa“ zu
Gesicht zu bekommen. Zu einem Aufschrei führte dies wiederum bei einem der
wichtigsten Verfechter des gemäßigten Reisens John Ruskin. Dieser hatte sich
als Künstler und unter anderem als Patron der Zeichenkunst einen Namen
gemacht und sah den Sinn und Zweck einer Reise darin, das Gesehene zu
skizzieren und dadurch besser wahrzunehmen, eine Einstellung, die sein
erhaltenes Oeuvre an Reiseaufzeichnungen bekräftigt. Das Talent des
jeweiligen Reiseindividuums spielte dabei seiner Ansicht nach keine Rolle,
aber das Reisen ohne das Führen adäquater Aufzeichnungen ließ in Ruskins
Augen jedwede Sinnhaftigkeit entbehren. Auf die Tourismusbranche hatten
Ruskins Ansichten keinen Einfluss und Cooks Klientel hastete weiter, wie mit
Scheuklappen versehen und im Rekordtempo durch Europa. Die Kunst und der
Tourismus gingen wieder getrennte Wege.54 Allerdings sollten zu Beginn des
20. Jahrhunderts aus Künstlern Touristen werden. So hat der Weg über die, auf
Sommerfrische in Tirol befindlichen, Hauptvertreter des Dada und
Surrealismus, über Gala Eluard, hin zu Dalí und dessen Bezug zu Österreich
geführt.
Ein konträres Exempel innerhalb der modernen Kunst, das außerdem als
Zeugnis des österreichischen Alltags verstanden werden kann und zugleich die
Lebensbedingungen der Landbevölkerung darlegt, ist Franz Marcs Gemälde
Das arme Land Tirol (Abb.9).55 Bei Marc stand 1913 der gesellschaftskritische
Aspekt im Vordergrund und nicht die Schönheit der österreichischen
Landschaft.56 Innerhalb der Historie der Tätigkeit des Künstlers auf Reisen und
eines Österreichbezuges in der frühen Moderne, handelt es sich aber um ein
Stück, das aufgrund seiner Bedeutung angeführt werden muss.
53
Lautsch, Sebastian (Hg.): Die Regionale Differenzierung der Tourismusindustrie in Europa.
Norderstedt 2008, S. 6
54
De Botton 2002, S. 237-240.
55
Marc, Franz, Das arme Land Tirol, 1913, Öl/Leinwand, 131,1 x 200 cm, Guggenheim
Museum, New York.
56
Spector, Nancy: The Unfortunate Land of Tyrol (URL: http://www.guggenheim.org/newyork/collections/collection-online/artwork/2775; Zugriff am 24.10.2013).
29
2 Künstlerreisen
2.2
Dalí auf Reisen: ein Künstler in der High Society
Nachdem die Historie der Künstlerreise nun ausführlich beleuchtet wurde, geht
es darum Parallelen und Unterscheidungen zu den Reisen Salvador Dalís
nachzuweisen. Auf den ersten Blick handelt es sich bei Dalí um einen
Flüchtigen, der den Wirren des 2. Weltkriegs zu entkommen versuchte, so wie
viele seiner Zeitgenossen. Obwohl Spanien nicht direkt von den Auswirkungen
der faschistischen Machtergreifung in Deutschland betroffen war, litt das Land
unter den katastrophalen Zuständen eines Bürgerkriegs. Dieser dauerte mehrere
Jahre und hinderte das Ehepaar Dalí daran in seine Heimat zurückzukehren.
Eine daraus resultierende, fast übertrieben anmutende Reisetätigkeit half den
beiden dabei die Zeit ohne Aufkommen von Langeweile zu überbrücken. Den
meisten, vor allem wohlhabenden Kriegsflüchtlingen war es offenbar wichtig,
eine dauerhafte, beziehungsweise sichere Exilheimat ausfindig zu machen, die
Dalís hingegen strebten nach etwas für ihre Ansprüche passendem. Erfüllung
fanden die beiden in der Welt der internationalen High Society. Die Tour durch
die Metropolen des Luxus - natürlich nur durch jene, die vom ersten Weltkrieg
verschont geblieben waren- erreichte um das Jahr 1937 ihren Höhepunkt.
Ein besonderes Augenmerk ist auf einen von Dalís Aufenthalten in den USA
zu legen, die er und Gala am 7. Dezember 1936 an Bord eines Luxusdampfers
erreichten. Denn das was Dalí in den kommenden Tagen in New York
widerfahren würde, war die endgültige Etablierung seines Ruhmes. Julien
Levy, mitunter einer der geschicktesten Galeristen seiner Zeit, hatte in Dalís
Arbeiten ein enormes Potential erkannt und es sich zum Ziel gemacht, dem
jungen Künstler zu einer angemessenen Bekanntheit zu verhelfen. Levys
Kunstverständnis ging weit über das eines Geschäftsmannes hinaus, hatte er
doch zahlreiche Schriften zu den aktuellsten Kunstströmungen verfasst und
sich ein facettiertes Wissen auf diesem Gebiet angeeignet. Außerdem legte er
ein ungemeines Geschick an den Tag, denn die Eröffnung der Dalí-Ausstellung
in Levys New Yorker Dependance sollte einen Tag nach der Vernissage von
Fantastic Art, Dada, Surrealism im Museum of Modern Art, bei welcher
ebenfalls einige von Dalís Arbeiten gezeigt wurden, stattfinden. Die
Einzelausstellung Dalís, welche definitiv die hochkarätigeren Arbeiten
präsentierte, wurde zu einem Durchbruch, denn nur wenige Tage später prangte
Dalís Konterfei auf dem Titel des Time Magazine (Abb.10). Er war damit zu
einer Persönlichkeit geworden, deren Status mit dem eines Künstlers wenig zu
tun hatte, denn Dalí war nun eine Berühmtheit geworden. Julien Levys
30
2 Künstlerreisen
überlieferte Einschätzung fängt diesen Wandel am passendsten ein, denn Dalí
war nun nicht länger ein halb befangener, halb boshafter Fremdling, sondern
teuer, elegant und äußerst beeindruckend. Salvador selbst musste diese
Metamorphose am eigenen Leib erleben, denn es war ihm quasi unmöglich
sich unerkannt durch die Straßen New Yorks zu bewegen, auf der 5th Avenue
musste er Autogramme an Passanten verteilen.57 Dalí als reisender Künstler, ist
von diesem Moment an von all seinen Zeitgenossen klar zu unterscheiden.
Auch wenn sich die Ambitionen zu seiner Reise in einem direkten historischen
Vergleich mit seinen Vorgänger anfangs decken, gilt es Dalí nun klar als
Einzelfall zu extrahieren. Die Aufmerksamkeit wird einzig seiner Person
entgegengebracht und gilt weder seinem Können allein, noch einem im
Hintergrund agierenden Mäzen, beziehungsweise einer Herrscherfigur, wie in
früheren Zeiten. Dass es so weit kam, ist tatsächlich dem Zustand zu
verdanken, dass Dalí in den Vereinigten Staaten zu Ruhm gelangte und die dort
agierende Medienmaschinerie wesentlich weiter entwickelt war, als in Europa.
Denn einzig und allein diese verfügte über die nötigen Mittel und das benötigte
Maß an Aufmerksamkeit und Reichweite, um eine Person derart prominent zu
machen, wie sie es mit Salvador Dalí tat. Ein neuer Liebling der neureichen
amerikanischen High Society war geschaffen. Und Dalí, seines Zeichen nun
Prominenter, beschloss kurz darauf sich dem Rummel um seine Person zu
entziehen und einige Wochen in Kanada zu verbringen, wo auch Edward James
zugegen war. Diese Reise diente allerdings ausschließlich dem Zweck der
Erholung und wurde angemessen im Flaggschiff von Québec, dem Château
Frontenac, verbracht.58 Ab diesem Zeitpunkt ist Dalí zugleich meilenweit von
dem entfernt, was in den vorangehenden Kapiteln unter Künstlerreisen
subsumiert wurde, denn ein Leben im puren Luxus und dazu passende Reisen
zu führen und die Arbeit auf diesen Routen vorrangig dem Zweck zuzuführen
diesen Lebensstandard zu halten, war in der Kunstgeschichte noch keinem
Künstler geglückt. Doch gerade auf dieser Erholungsfahrt kommt es zu einem
bedeutenden Übereinkommen zwischen Edward James und Salvador Dalí. Am
21. Dezember 1936 besiegeln die beiden einen Vertrag, der die zwischen Juni
1937 und Juni 1938 geschaffenen Arbeiten, wobei ein genaues Pensum an
Gemälden ebenfalls Vertragspunkt ist, als automatischen Besitz von Edward
James deklariert. Dadurch werden einige der bedeutendsten Gemälde, darunter
auch jene, die Bestandteil dieser Arbeit sind, direkt in den Besitz des reichen
Engländers und Dalí-Begeisterten Edward James gehen. Die dabei vereinbarte
57
58
Gibson 1997, S. 364-366.
Gibson 1997, S. 369.
31
2 Künstlerreisen
und dem Künstler zugesicherte Apanage sollte dem Ehepaar Dalí den
sorgenfreien Luxusalltag für die kommenden Jahre erhalten.59
Bevor die Dalís im Frühjahr 1937 die Rückkehr nach Europa planten, stand
noch ein Besuch an der amerikanischen Westküste an. Hollywood lockte Dalí
als Mekka der Filmindustrie und zugleich trieb ihn die Ambition an, den
surrealen Film einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Neben
Walt Disney waren es vor allem die Marx Brothers, die Dalí für eine
Kooperation ins Auge gefasst hatte. Schon das erste Treffen lief äußerst
erfolgsversprechend ab und allen voran Harpo Marx schien ein
Seelenverwandter Salvadors zu sein (Abb.11). Bei einigen weiteren
Begegnungen kam es tatsächlich zu intensiveren Gesprächen hinsichtlich eines
gemeinsamen Filmprojektes und die dazu gehörende Korrespondenz wird auch
beim Österreichbezug eine Rolle spielen.60
Im März 1937 findet sich die Spur der Dalís dann bereits in Österreich, wo sich
die beiden im Hotel Berghof in Seefeld aufhielten (Abb.12).61 Sowohl für Gala
als auch für Salvador war dies nicht das erste Mal in Österreich, denn schon
über die Jahre zuvor lässt sich ein Österreichbezug in der Vita der beiden
erkennen. Wann und wie es zu diesen Berührungen kam und was es zu Dalí
und Österreich neben der Reise von 1937 zu berichten gibt, wird in einem
eigenen Kapitel behandelt. Zusammenfassend ist es aber wichtig nochmals
festzuhalten, dass Dalís Künstlerreisen, abgesehen von einigen weniger
Parallelen, einem historischen Vergleich mit gleichgestellten Personen kaum
standhalten. Auch in diesem Punkt sticht er als ein Unikum hervor, das
lediglich seinem eigenen Verständnis der Dinge folgte und zumindest was ihn
selbst anging, sich, obwohl Künstler, einer Herrscherfigur gleichsetzte. Dalí
selbst wusste diesen Status in seinen eigenen Worten noch zu steigern, denn er
schrieb einmal über seine Kindheit:
Ich habe erzählt, dass ich mit sechs Jahren Koch werden wollte.
Mit sieben Napoleon. Doch als ich das Alter der Vernunft
erreicht hatte, wurde mir klar, dass es keinen höheren Ehrgeiz
gab, als Dalí zu werden!62
59
Ebenda S. 369.
Ebenda S. 370.
61
Salvador Dalí an André Breton; Poststempel vom 27.März 1937; Privatsammlung (URL:
http://www.andrebreton.fr/fr/item/?GCOI=56600100125640; Abb. 8, 10-12; Zugriff am
20.03.2013).
62
Dalí, Salvador: Meine Leidenschaften. Aufgezeichnet von Louis Pauwels, München 1989,
S. 157.
60
32
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
3
Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
In den Kunstwissenschaften, insbesonders der kunstgeschichtlichen
Beweisführung bedarf jede Theorie einer Stütze, die sie bekräftigt. Da diese
Arbeit viele Erkenntnisse ans Tageslicht bringt, die in der Literatur zu Dalí
bisher nicht erwähnt wurden, geht es in diesem Kapitel darum, Dalís Affinität
gegenüber den alten Meistern und die daraus resultierende Rezeption bekannter
Motive, seien sie aus Gemälden oder der Landschaft, vorzustellen. Denn nur
auf diesem Wege wird es an spätere Stelle klar sein, dass es sich bei der
Aufnahme solcher Motive in Dalís eigenes Oeuvre bei Weitem um keinen
Einzelfall handelt. Zugleich lässt diese Beobachtung auch eine Analyse von
Dalís Technik und Malweise zu, die im 20. Jahrhundert in ihrer Brillanz und
technischen Ausgereiftheit konkurrenzlos bleibt.
Die Gemälde aus Dalís Frühwerk unterlagen einer außerordentlichen
Experimentierfreudigkeit, denen die unterschiedlichsten Kunstströmungen und
stilistischen Einflüsse zu Grunde liegen. Ein Indiz dafür, dass sich der junge
Künstler längst nicht sicher war, in welcher Stilrichtung er seine Erfüllung
finden würde. So erkennt der Kunsthistoriker darin impressionistische,
expressionistische gar kubistische Züge, bevor die Tendenzen vermehrt auf den
Surrealismus hindeuten. Für Dalís technische Orientierung ist vor allem das
Gemälde Der Brotkorb (Abb.13) von 1926 ausschlaggebend.63 Binnen weniger
Gemälde zeichnet sich eine Entwicklung ab, die zu einer Adaptierung
altmeisterlicher Maltechniken geführt hat. Dalí gelingt es daher eine absolut
realistische Malerei mit den Grundgedanken des Surrealismus zu vereinen und
dadurch einen vollkommen neuen Stil zu entwickeln. André Breton hat es
einmal am treffendsten formuliert und erkannt, dass Dalís surreale Phantasien
gemeinsam mit dieser ultra-rückgreifenden Technik - die Breton gerne mit
Meissonier in Verbindung brachte - eine bis dahin unbekannte Symbiose
formieren.64 Der Effekt auf den Betrachter ist ebenfalls eine absolute Neuheit.
Da Dalís Traumwelten in derart naturnaher Weise abgebildet sind, ist die
Wirkung eine gänzlich andere und die optische und psychische Auswirkung
auf den Bildbetrachter nähert sich einer nie dagewesenen Perfektion der
63
64
Salvador Dalí, Der Brotkorb, 1926, Öl/Holz, 31,5 x 31.5 cm, St. Petersburg, Florida
Hopkins, David: Salvador Dalí: The Early Years. New York, Metropolitan Museum,
Review, in: The Burlington Magazine, Vol. 136, London 1994, S. 402.
33
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
Täuschung. Es darf also behauptet werden, dass die surreale Malerei Dalís den
Zenit dieser Bildgattung repräsentiert. Zwei Jahrzehnte später fertigte Dalí eine
weitere Version seines Gemäldes Brotkorb an, die sich verblüffend an den
Photorealismus annähert. Er selber erinnert sich damals an die erste Version
und sieht zwischen den beiden Gemälden eine stilistische Entwicklung vom
Charme des Primitivismus zu einem stereokopischem Hyper-Ästhetizismus.65
Und erst diese Detailverliebtheit Dalís ermöglicht es uns heute noch aus der
Natur übernommene Motive einwandfrei identifizieren zu können.
Anlehnungen an den Stil und die Motive zeitgenössischer und zeitnaher
Kollegen finden sich schon früh in Dalís Oeuvre. Aber mit der Zeit beginnt er
den kunstgeschichtlichen Größen, deren Werke er über die Jahre eingehend
studiert hat, in seinen Gemälden einen Platz zu geben. Somit findet sich die
eine oder andere in ein surreales Thema verpackte oder verwandelte
Hommage. Neben den Meistern der italienischen Renaissance schien Dalí eine
besondere Vorliebe und Faszination für die nordeuropäische Malerei des
goldenen Zeitalters zu hegen. Kennzeichnend für diese Bewunderung ist die
Adaption deren Technik, die zum Beispiel aus den niederländischen
Genrebildern und alltäglichen Interieurs bekannt ist, und unverwechselbare
Charakteristika aufweist. Für den Kontext zu dieser Arbeit ist daher die
Verbundenheit Dalís zu Johannes Vermeer und dessen Gemälde Die
Malkunst66 (Abb.14) von besonderer Bedeutung, denn dieses war über die
Jahrhunderte nach Österreich gelangt
3.1
Die Malkunst des Johannes Vermeer – Dalís Fixpunkt in
Österreich
Als er fertig war, ging er in das große Zimmer zurück und setzte
sich wieder in den Armsessel. Und nun sah man, dass diese
Figur Adolf Hitler war. Und man sah auch […], dass er sich in
seinem Refugium in Berchtesgaden befand. Ehe er sich wieder
hinsetzte blieb Adolf Hitler vor dem großen Vermeer stehen[…]
Hitlers Hand schien die Leinwand zu streicheln, fast ohne sie zu
berühren, und verharrte einen Moment lang auf dem mit Lorbeer
bekrönten Gesicht der jungen Frau[…]67
65
Aguer 2009, S. 25.
Johannes Vermeer, Die Malkunst, um 1666/68, Öl/Leinwand, 120 x 100 cm, KHM, Wien.
67
Dalí, Salvador: Verborgene Gesichter. Frankfurt a.M. 1973, S. 362-63.
66
34
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
Eine befremdliche und zugleich fabelhafte Situation, die Salvador Dalí in
seinem Roman Verborgene Gesichter da beschreibt. Dalís Begeisterung für
Vermeer lässt aber fast vermuten, dass er sich selbst in dieser Szene skizziert
und seiner Verbundenheit zu diesem einen Gemälde Ausdruck verleihen soll.
Dieses Gemälde eines Meisters der niederländischen Malerei, eignet sich
besonders, neben einem Österreichbezug, Dalís Verständnis der
Kunstrezeption zu studieren und zugleich zu begreifen, was geschah, wenn der
ehrgeizige Katalane in ein Motiv vernarrt war. In der Folge tauchte dieses oft
in Dalís Gemälden auf, wobei sich die Rezeption an sich von einer absolut
banalen Kopie bis hin zur absoluten Komplexität steigern kann und es in der
Folge nur dem Kenner möglich ist, eine Verbindung wahrnehmen zu können.
Auch wenn Dalís Schaffensprozess stark von Phasen geprägt ist, zieht sich
einzig die Bewunderung für Vermeer wie ein roter Faden durch dessen
Lebenswerk. Bereits in seiner Jugend dürfte Dalí erste Bekanntschaft mit
Vermeer gemacht haben, hing doch die Kopie eines seiner Gemälde im
elterlichen Haushalt. Später und besonders in der 1930ern steigerte sich diese
Faszination spürbar. Dalí adaptierte Elemente seiner Technik, wie
beispielsweise dessen Präzision bei Details und analysierte Vermeers
Auffassung des Lichts. Dabei spielte vor allem das Einsetzen verschwommener
Passagen an der richtigen Stelle eine wesentliche Rolle um eine perfekt
illusionistische Atmosphäre zu schaffen.68 Dalís Arbeitstempo orientiert sich
jedoch keineswegs an dem der alten Meisters. Brillante Gemälde sind oft in
wenigen Wochen entstanden, andere Monumentalwerke in mühevoller Arbeit,
manch ein Kunstwerk gar in wenigen Sekunden. Dalís Tempo kann also nicht
standardisiert werden und muss im konkreten Einzelfall anhand biographischer
Daten festgelegt werden.
In Vermeer erkennt der Spanier also den für ihn größten Maler aller Zeiten, in
der Malkunst gar das schönste Gemälde der Welt.69 Neben dem offensichtlich
hohen technischen Können des Niederländers, erstreckte sich diese
Hochachtung allem voran auf dessen einzigartige Auffassungsgabe. So schrieb
Dalí:
68
Elder, R.Bruce: Deception as Agression: Salvador Dalí and Luis Buñuel´s “Un Chien
Andalou”. In: Boldt-Irons, Leslie, Corrado Federici, u.a. (Hgg.): Disguise, Deception and
Trompe-l´oeil. Interdisciplinary Perspectives, New York 2009, S. 218-219.
69
Dalí 1973, S. 363.
35
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
Vermeer, das ist das Auge der Seele, das das Unsichtbare
durchdringt, um zu den angelischen Wirklichkeiten der Natur zu
gelangen. Für ihn gehört das Sehen in die Ordnung der Gnade.70
Dass Dalí eine kuriose Auffassung von seiner Umwelt vertrat, ist nicht von der
Hand zu weisen und in Vermeer erkannte er daher quasi einen
Seelenverwandten. Dieser besaß in seinen Augen, genau wie er selbst, die
Gabe in der Fülle der alltäglichen Begegnungen und Eindrücke die
Besonderheiten zu selektieren und in einem künstlerischen Werke aller Welt zu
offenbaren.
Dalí hatte das Gemälde seinen Angaben nach bei jedem seiner drei Aufenthalte
in Wien besichtigt. Dieses hing damals noch im Palais Czernin und der Gang
zur Malkunst war das erste was Dalí am Morgen eines Besuches in der
österreichischen Hauptstadt tat.71 Eine daraus logisch resultierende
Schlussfolgerung lässt vermuten, dass Dalí das Gemälde in natura eingehend
studierte und sich zugleich mit den Besonderheiten in diesem Gemälde
auseinandergesetzt hat. Die Perfektion Dalís lässt sich dann am breiten
Spektrum der Rezeptionsebenen erkennen, die sich der Maler angeeignet hat.
Am Beginn steht dabei die direkte Konfrontation mit dem Gemälde, wobei das
Motiv zu einem paranoia-kritischem Bild transformiert wird. (Abb.) Bereits
hier wird die Bedeutung einer simplen Kopie überschritten, da Dalí das Bild
einer von ihm entwickelten Methodik unterwirft. Dennoch bleibt in diesem
Schritt das ursprüngliche Gemälde, freilich auch aufgrund seiner Popularität,
erkennbar. Später beschränkt sich Dalí darauf, einzelne Elemente der Malkunst
zu entleihen und in seine surrealen Szenarien zu integrieren.(Abb.) Außerdem
inszeniert er in einem Gemälde Gala und sich ganz im Sinne der Malkunst als
Maler und Modell. (Abb.)
Die Rezeption der Malkunst innerhalb Dalís Oeuvre bekräftigt exemplarisch
den Standpunkt, dass jeder noch so kleine Bestandteil eines Bildes, ganz im
Sinne eines Gesamtkunstwerkes, einem Zweck zugeführt werden kann, oder
auf einen bestimmten Gedanken Dalís verweist. Oftmals verbirgt sich dahinter,
wie im Zusammenhang mit Vermeer, eine nahezu fanatische Wertschätzung,
deren Einfluss weit über die Rezeption hinausgeht. Eine Anekdote dazu hat
sich bis heute erhalten. Einmal soll Dalí erfahren haben, dass es eine alte Frau
70
71
Dalí 1989, S. 56-57.
Dalí, Salvador: Das geheime Leben des Salvador Dalí. München 1984, S.37-38.
36
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
in Wien gäbe, der es nach Jahrzehnten gelungen sein soll, Vermeers Technik
perfekt zu imitieren. Außer sich vor Freude machte sich Dalí sofort auf den
Weg, um besagte alte Dame zu konsultieren, doch die Truppen der Nazis
hatten diese bereits deportiert.72 Aber genau an dieser Erzählung lässt sich die
nahezu bedingungslose Faszination Salvador Dalís gegenüber Vermeer
festmachen. In seinem Buch 50 magische Geheimnisse erstellt Dalí eine
Rangliste der besten Maler aller Zeiten. Darin bewertet er handwerkliches
Können, Inspiration, Farbgebung, Strichführung, Genie, Bildkomposition,
Originalität, Atmosphäre und Authentizität. Für jeden Abschnitt kann eine
maximale Punktezahl von 20 erreicht werden, die Vermeer, abgesehen von 19
Punkten bei Originalität, durch die Reihe erhält. Damit führt er vor Raphael mit
176 Punkten und Velasquez mit 173 Punkten. Sich selbst bewertet Dalí mit 148
Punkten.73 In diesem Sinne also: Vermeer ist nahezu alles!74
3.2
Dalís Auffassung der Landschaft
Baut man auf dem Wissen auf, welche Relevanz die Rezeption bei Dalí hat,
kann man einen weiteren Akzent auf die Landschaften beziehungsweise
landschaftlichen Elemente in Dalís Gemälden setzen. Denn auch hier achtete
Dalí stets auf eine getreue Abbildung von Landstrichen oder geologischen
Formationen, die eine gewisse Faszination in ihm erweckten und die zugleich
seine Phantasie beflügelten.
Eine vorrangige Stellung aber nimmt die Gegend ein, die Dalí seit seinen
Kindheitstagen beflügelte, das Cap de Creus. Zerklüftet vom Meer und der
Tramontana fasziniert diese Landschaft durch einzigartige Felsformationen und
Gebilde, in denen gerade Dalí mehr als das bloße Gestein erkennen konnte.
Welchen Eindruck diese auf ihn ausübte, hat Dalí einmal selbst beschrieben:
Eine halbe Stunde Bootsfahrt (von Cadaques) entfernt, beginnen
die Felsaufhäufungen des Cap Creus, der verlassenen
Hauptstadt des dalinischen Reiches. Die Pyrenäen estreben in
einem letzten leidenschaftlichen Gebärdenspiel im Meer. Diese
berühmte Landmarke […] strotzt von Figuren, die die
Tramontana ausgeschliffen hat. […] auf den hohen Felsen hat
der Wind, als ob er Teig arbeitete, Orgeln, Faltenwürfe und
72
Soby, James Thrall: Salvador Dalí. New York 1946, S. 17.
Dalí, Salvador: 50 magische Geheimnisse. Ostfildern 1986, S. 28.
74
King, Elliott: Dalí, Surrealism and Cinema. Harpenden 2007, S. 156.
73
37
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
denkmalhafte Modellierungen geschaffen: Indianerkopf, Stier,
Tiger, Adler, Schildkröte, Greifen, Ratten, Pferde.75
Wie aus Dalís zitiertem Bericht hervorgeht, waren viele dieser Formationen
mit Tieren oder Gestalten assoziiert. Dass viele davon später in seinen
Gemälden eine Rolle spielen, ist kein Zufall. Denn diese Landschaft war für
Dalí zugleich eine der wichtigsten Inspirationsquellen, was ihn auch zu der
Aussage führte: Das Cap de Creus, bin ich!76 Diese auf der Welt einzigartige
Region mit ihren kuriosen, von der Natur geformten Gesteinsanordnungen, hat
Dalí nicht nur zu allseits bekannten Meisterwerken wie Der Große
Masturbator geführt, sondern fand zugleich Eingang in sein multimediales
Schaffen, wie zum Beispiel die Eröffnungssequenz des Filmes L´Âge d´or77
(Abb.15).
Bereits Dalís erste Konfrontation mit dem Medium der Malerei, ist zugleich
eine Auseinandersetzung mit der Thematik der Landschaftsmalerei. Dies ist
natürlich nichts außergewöhnliches, da eine Person, die sich als Künstler
versuchen möchte, meist diese Gattung wählt. Doch bei Dalí, der sich sehr
schnell von der Amateurkunst abhob, ist von Beginn an eine gewisse Stringenz
ersichtlich, was seine Verbundenheit zur Landschaft der Costa Brava und des
Empordà78 anbelangt. Unter den ersten, uns heute bekannten Werken des
Meisters, finden sich neben Portraits einige spannende Gemälde, die Szenen
aus dieser Gegend einfangen. Auch wenn Dalí hinsichtlich seiner stilistischen
Orientierung über einen langen Zeitraum experimentierte, so eröffnet sich dem
Betrachter eine Konstante, die nicht zu übersehen ist: die Rezeption der
Landschaft. Seien es impressionistisch angehauchte Hafenszenen, oder
expressionistisch anmutende Portraits, im Vorder-, als auch im Hintergrund
steht immer eine Dalí vertraute Gegend. Ein Aspekt ist dabei aber von
äußerster Wichtigkeit. Diese landschaftlichen Impressionen sind stets mit einer
solchen Genauigkeit dargestellt, dass sie mühelos lokalisiert werden können.
Mögen Dalís Bilderwelten noch so surreal sein, die in seinen Gemälden
erscheinenden Felsformationen und Küstenabschnitte, entsprechen meist der
Realität.
75
Dalí 1989, S. 16.
Aguer 2009, S. 7.
77
Ades 2004, S. 42.
78
Bezeichnet die Gegend um Dalís Heimatstadt Figueres.
76
38
3 Der Stellenwert der Rezeption im Oeuvre Dalís
Dalís Begeisterung für seine Heimat und die Landschaft um Figueres und vor
allem Cadaqués sind wohl ausreichend dokumentiert und lassen keine Zweifel
offen, dass eine damit in Zusammenhang stehende detailgetreue Rezeption
einen hohen Stellenwert innerhalb Dalís Oeuvre einnimmt. Was außerdem
längst bewiesen ist und nicht angezweifelt werden kann, ist die dabei im
Vordergrund stehende Übereinstimmung mit den tatsächlichen geographischen
Gegebenheiten. Da dem also so ist, ist es auch alles andere als spekulativ, dass
Dalí bei seinem Aufenthalt in Österreich seiner Einstellung gegenüber der
Landschaftsmalerei treu geblieben ist. Bei den im Anschluss besprochenen
Gemälden finden sich freilich auch Züge des Cap de Creus wieder. Aber dass
Dalí darüber hinaus eine Begeisterung gegenüber den österreichischen Alpen
entwickelte, hat sich, wie sich zeigen wird, auch in einigen der 1937
entstandenen Arbeiten manifestiert. Darüber, warum den Alpen die „Ehre“
einer Rezeption zu Teil wurde, kann nur spekuliert werden, aber vielleicht
erinnerten Dalí die zerklüften Berge an die Felsen in seiner Heimat, die ihm zu
diesem Zeitpunkt, resultierend aus den Wirren des Krieges, verwehrt geblieben
war.
39
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
4
Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen
Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Das Herzstück dieser Arbeit bildet zweifelsohne die nachfolgende Gruppe
jener Gemälde und kleinerer graphischer Stücke, welche in einem Bezug zu
Österreich stehen. Im Vordergrund steht Dalís Rezeption und Auffassung
einiger österreichischer Landmarken, die er, womöglich aus spontaner
Begeisterung, in eben diesen Gemälden wiedergegeben hat. Sieht Dalí also
eine bestimmte Form oder ein konkretes Motiv, zum Beispiel in der Landschaft
oder auf einer Postkarte, das seinen künstlerischen Geist beflügelt, resultiert
daraus eine sofortige Verwertung in einer künstlerischen Arbeit. Das wurde
bereits im Hinblick auf den Einfluss des Cap de Creus auf Dalí erläutert.
Oftmals handelt es sich dann dabei nur um eine kleine Kritzelei, sollte sich
Dalí in diesem Moment aber in einem Anflug nahezu manischer Begeisterung
befunden haben, so kommt es zu einer intensiven Konfrontation, welche die
Grenzen der Malerei sprengt, also eine Verarbeitung in mehreren Gattungen
der Schönen Künste findet. Dabei handelt es sich freilich um konkrete
Einzelfälle, aber bei der Metamorphose des Narziss liegt ein solcher eben vor.
Bei einigen der nachfolgenden Beispiele kommt noch hinzu, dass sie für Dalí
die perfekte Möglichkeit darstellten, die von ihm entwickelte ParanoiaKritische Methode in all ihren Facetten zur Geltung zu bringen. Zumal diese
erst einige Jahre zuvor entstanden war und Dalí alles daran setzte, ihre
allgemeine Gültigkeit unter Beweis zu stellen, ist diese wiederum der Zugang
zum Verständnis einiger der hier präsentierten Arbeiten. Über diese Methode
lässt sich zum Beispiel erklären, wie aus einer in Österreich aufgenommenen
Photographie bei Dalí eine Darstellung des spanischen Nationalhelden Don
Quijote werden konnte.
Und genau in diesem Kapitel der Arbeit greift auch jene Affinität Dalís für die
alten Meister. Schließlich war es nicht nur die Technik vorangegangener
Malerdynastien, die Dalí versuchte zu kopieren, nein er beschäftigte sich auch
zeitlebens mit den bedeutendsten literarischen Grundlagen, die schon von
40
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
seinen Vorgängern ins Bild umgesetzt wurden. Hat er einmal ein Thema
gewählt, ist anzunehmen, dass sich dessen Ausgestaltung über mehrere
Arbeiten erstreckt. Er experimentiert produktiv damit und es entstanden
mitunter Zyklen, die entweder zur Gänze oder zum Teil Gemeinsamkeiten in
der Ikonographie aufweisen. Oftmals ist es dabei schwer, diese Parallelen zu
erkennen, was auf das Detailreichtum besagter Szenerien oder des
entsprechenden Bildmotivs innerhalb Dalís Gemälden zurückzuführen ist.
Durch eine ausführliche Analyse ist es aber dann möglich, mehrere Gemälde
und Graphiken in einen Zusammenhang zu bringen.
4.1
Österreich und Dalí
Bereits vor dem Jahr 1937 lassen sich Verbindungen zwischen Dalí und
Österreich ausfindig machen. Inwiefern diese Einfluss auf die Arbeiten von
1937 genommen haben, sei dahingestellt, aber sie können dabei assistieren, das
Österreichverständnis Dalís womöglich analysierbarer zu machen. Dieser kurze
Exkurs greift die noch existenten und überlieferten Zusammenhänge in Dalís
persönlichen Aufzeichnungen, sowie in denen von ihm nahestehenden
Personen von vor 1937 auf.
Gala Dalí, in erster Ehe mit Paul Eluard verheiratet, ist schon 1921 in
Österreich gewesen. Die Dadaisten nutzen die inspirierende Umgebung Tirols
schon 1921 zur Niederschrift ihres Manifestes Dada au Grand Air / Der
Sängerkrieg in Tirol, wobei in jener Zeit auch ein erstes Aufkeimen des
Surrealismus zu datieren ist. Dies könnte vor allem auf die Berührung mit
Freuds Schriften zurückzuführen sein. In Kombination mit der Unberührtheit
der Tiroler Berge führte dies zu gänzlich neuen Ansichten. Dass Paul Eluard
und André Breton dann in jenem Sommer sogar noch Sigmund Freud in Wien
besucht haben sollen,
79
stimmt so nicht. Als die Eluards in Tirol eintrafen,
fanden sie nur noch das Ehepaar Breton vor.80 Gemeinsam reisten sie nach
Wien, wo André Breton alleine am 10. Oktober 1921 ein, aus seiner Sicht
79
80
Dankl, Günther: DADAutriche, 1907-1970. Innsbruck 1993, S. 11.
Gateau, Jean-Charles: Paul Eluard oder Der sehende Bruder. Berlin 1994, S. 87.
41
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
enttäuschendes, Interview mit Freud führen konnte.81 Dies könnte, freilich
spekulativ, sogar dahingehend interpretiert werden, dass die Idee eines
Surrealismus in Österreich geboren wurde. Obwohl es den Dadaismus in
Österreich nie gegeben hat, fand das dritte und zugleich letzte große Treffen
der Dadaisten 1922 in diesem Land statt. Darunter befand sich die gesamte
Dada-Prominenz, wie Tristan Tzara, Andre Bréton, Hans Arp, Max Ernst und
Johannes Theodor Baargeld.82 Für die Thematik einer frühen Rezeption der
österreichischen Landschaft in der modernen Kunst, hebt sich ein besonders
interessantes Zeugnis aus jenen Tagen hervor: Max Ernst Gemälde Au rendezvous des amis von 192283 (Abb.16). Denn vor dem Panorama der Tiroler Berge
wurden die Teilnehmer dieses Treffens damals portraitiert, unter ihnen Gala
Eluard. Dadurch dokumentiert dieses Gemälde zwei für diese Arbeit wichtige
Aspekte: einen Österreichbezug Dalís, der über Gala hergestellt werden kann
und die Tatsache, dass sich auch ein anderer Surrealist, wie Ernst einer wurde,
derart für die österreichische Landschaft begeistern konnten, dass er diese in
seinem Oeuvre verewigte. 1922 hatte sich Max Ernst mit seiner Frau auf
Sommerfrische nahe Imst niedergelassen und die Eluards dürften wenig später
nachgereist sein.84 In jenem Sommer führten die beiden Ehepaare dann gar
einen gemeinsamen Haushalt im Starkenberger Schlösschen in Tarrenz bei
Imst.85
Dalí selbst hatte schon vor seinem Aufenthalt in Zürs im Frühjahr 1937
Erfahrungen
mit
dem
Treiben
in
einer
der
österreichischen
Touristenhochburgen, konkret mit Kitzbühel, gemacht. Tourismus war
wohlgemerkt eine „Erfindung“ der vom ersten Weltkrieg gebeutelten Mittelund Oberschicht, und der Künstler scheint, stilgerecht, einige Tage in
Kitzbühel in Tirol verbracht zu haben, wenn auch nicht zur Gänze aus freien
81
Polizzotti, Mark: Revolution des Geistes. Das Leben André Bretons, München 1996, S. 235.
Dankl 1993, S. 34.
83
Max Ernst, Au rendez-vous des amis, 1922, Öl/Leinwand, 130 x 195 cm, Museum Ludwig,
Köln.
84
Dankl 1993, S. 11.
85
Ebenda, S.87.
82
42
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Stücken. Gala musste sich aus gesundheitlichen Gründen seit ihrer Jugend
regelmäßig in den Bergen aufhalten.86
Seine ersten Eindrücke vom winterlichen Treiben, die zugleich eine äußerst
unterhaltsame Anekdote darstellen, finden sich in Dalís Buch „Meine
Leidenschaften“.87 Eine Sammlung von Anekdoten, die erstmals in den
1960ern erschien und Erzählungen aus Dalís bisherigem Leben enthält. Um
seine Ansicht authentisch wieder zu spiegeln, ist es am besten, dies mit seinen
eigenen Worten zu tun. Außerdem wurde dieses Zitat, das sich auf Dalís
Österreichaufenthalt um 1934 bezieht, bisher mit zu wenig Beachtung
gewürdigt. So berichtet Dalí:
Greuel! Greuel! Greuel des Gebirges! Und der Wintersport,
welche Abscheulichkeit! All diese leeren Orte, diese Wüsten in
der Höhe, diese Gefängnishofmauern aus weißem Quark! Eines
Tages überließ uns Gaston Berger88, der das Skilaufen liebte und
in Paris zurückgehalten wurde, seine Plätze in einem Hotel in
Kitzbühel. Ich war noch nie an einem solchen Ort gewesen. Es
wurde das trostloseste Schauspiel meines Lebens. Zunächst ist
für einen Voyeur von meinem Weitblick der Kummer groß, ein
Fenster zu öffnen und sich klar darüber zu wundern, dass da
nicht das geringste zu sehen ist: Weiß, nichts als Weiß von so
einer arroganten Nichtigkeit, dass es ihm nicht einmal genügt,
waagrecht zu bleiben. Ferner ist für einen Mann von meinem
Geschmack nichts abstoßender, als diese Skifanatiker zu hören
und zu sehen, die kindisch bei ihren Abfahrten sind, ganz zu
schweigen von dem, was sie mit ihren Füßen machen und dass
sie wie Schweine leben, wenn sie mit ihren riesigen Stiefeln
überall schmutziges Wasser von sich geben. Ich hatte mir
monumentale Kamine und herrschaftliche Speisen vorgestellt.
Ich bekam lauwarme Heizkörper, Fußböden, auf denen sich der
Schmutz häufte, panierte Koteletts und Horsd´oeuvres aus der
Klinik, eine Schnitte Lachs, gekrönt von einer Olive, in
Mayonnaise gebettet. Schließlich brachte man mich in eine
86
Bona, Dominique: Gala. Frankfurt a.M. 1996, S. 23.
Dalí, Salvador: Meine Leidenschaften. Aufgezeichnet von Louis Pauwels (Übers. a. d.
Französischen Orig. v. Jutta u. Theodor Knust), München 1989.
88
Anm.: gemeint Gaston Bergery.
87
43
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
graue Höhle hinab und nagelte mich auf Skier wie einen
gefrorenen Christus. Draußen versuchten diese furchtbaren
Objekte, mit boshaftem und gespenstigem Leben begabt, sich
davonzumachen, indem sie mir die Knöchel zerschlugen. Ich
hätte weinen mögen, ich war in einen Zustand klebriger Trauer,
in beklagenswerte Wut und ungeheuerliche Trostlosigkeit
versetzt worden. Greuel des Gebirges, das weder dem Maß noch
der Maßlosigkeit des Menschen entspricht, disproportioniert
ohne jede Erhebung! Übrigens liebe ich ausschließlich
Cadaques, mein eigenes Zentrum, das die ganze Welt am Rand
des Meeres ist.“89
Wie aus diesem Bericht zu entnehmen, scheint Salvador Dalí bei seinen ersten
Erfahrungen in den österreichischen Alpen nur wenig Erfreuliches erlebt zu
haben. Womöglich waren es für den Katalanen die ersten authentischen und
vor allem sportlichen Berührungen mit Schnee. Und es fällt schwer sich den
südländischen Künstler auf einem wackeligen Modell Skier der 30er Jahre
vorzustellen. Ganz zu schweigen vom ersten Kontakt mit der österreichischen
Küche, für einen Gaumen, der die Kost der leichten mediterranen Küche und
der französischen Haute Volée gewohnt war. Ein banales Wiener Schnitzel,
und das aus dem tiefsten Tirol, konnte da wahrlich nur erschwert mithalten.
Und Kitzbühel hatte mit seinem heutigen Ruf, als einer der nobelsten Skiorte
der Alpen, noch nichts gemein. Von Interesse ist auch der Mann, der dieses
Höllenszenario in den Tiroler Bergen zu verantworten hatte: Gaston Berger.90
Der Name Berger, auch unter dem Nachnamen Bergery aufgeführt, steht auch
mit einer der Arbeiten Dalís aus dem Jahr 1937 in Verbindung, die später unter
die Lupe genommen wird. Gastons Frau Bettina Bérgery (Abb.17), eigentlich
Bettina Shaw Jones, war die rechte Hand der italienischen Modedesignerin
Elsa Schiaparelli, die einige großartige Entwürfe Dalís verwirklichte. Übrigens
dürfte Dalí Bettina Bergery 1934 in einem Gemälde verewigt haben, das bisher
89
90
Dalí: Meine Leidenschaften. München 1989, S. 156 – 157.
Ebenda, S. 156.
44
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
nur als das Portrait einer Unbekannten91 (Abb.18) betitelt ist und als nicht
identifizierbar galt. Einige Photographien, die Bettina Bergery zeigen, eines
unter Umständen sogar beim Winterurlaub in Kitzbühel, lassen eine markante
Ähnlichkeit zwischen der unbekannten Frau und Bettina Bergery erkennen.
Dalís nächster Aufenthalt in Österreichs Bergen sollte dann wesentlich
beschaulicher zugehen und auch die Jahreszeit dürfte dem Künstler ungleich
mehr zugesagt haben. Die Impressionen der Schneeschmelze in der sanften
Aprilsonne und der Anblick der blühenden Narzissen, haben bei Dalí einen
künstlerischen Erguss ausgelöst, von dem bei seinem ersten Aufenthalt im tief
verschneiten Tirol nicht im Entferntesten zu träumen gewesen wäre. Und der
Ort Zürs mit seinen imposanten, verschwenderischen Bauten, die doch den
Charme eines Alpenchalets bewahren, dürfte eher in die Welt, der inzwischen
vom Luxus verwöhnten Dalís, gepasst haben. Das Publikum selbst, hatte dort
auch nicht mehr viel mit den „Schweinen“ aus Tirol zu tun und entstammte
zum Teil auch den gekrönten Häusern Europas. Kurzum: ein Flair lag in der
Luft, welcher ganz nach dem Geschmack Dalís war. Damals war es
wahrscheinlich Edward James, der Salvador Dalí und seine Frau Gala zu einer
weiteren Österreichreise bewegen konnte. James liebte die Alpen und war ein
begeisterter Skifahrer.92 Obwohl die Aufzeichnungen der Tourismusbehörde,
die Dalís betreffend, allesamt nicht mehr erhalten sind, konnte im Zuge der
Recherchen im Gemeindearchiv Lech/Zürs immerhin im Falle Edward James
ein kleiner Durchbruch erreicht werden. So berichtet das Vorarlberger
Volksblatt am 28. Jänner 1936 über einen Auszug aus der Zürser Fremdenliste
des aktuellen Monats. Es findet sich folgender Vermerk:
Zürserhof:
Herr und Frau Franz Schicht, London; Herr und Frau Werner
Schicht mit Tochter, Wien; […] Lady Winston Churchill und
Familie,
London;
[…]
Prinzessin
Natalie
Paley,
Kinoschauspielerin, Paris; Monsieur Joseph Sert, Attaché a
l’Embassade d’Espagne, Paris; Madame Doroville de la Cour,
91
Salvador Dalí, Portrait einer Unbekannten (wohl Bettina Bergery), 1934, Öl/Holz, 25,4 x
18,7 cm, Balogh Family Foundation, Miami Beach.
92
James, Edward: Swans Refelcting Elephants. My Early Years, London 1982, S. 54.
45
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Kopenhagen; Mr. James,
Eleonore v. Placher, Wien;94
93
Schriftsteller, London; Frau
Primär interessiert hier der ominöse Mr. James, Schriftsteller aus London. Die
Auflistung der anderen Personen bekräftigt die Annahme, dass es sich dabei
wirklich um „unseren“ Edward James handelt, denn Joseph Sert,
95
Natalie
Paley und die Churchills zählten damals zum Freundeskreis von James und
Dalí96 (Abb.19). Da Edward James veranlasste, nach seinem Ableben auf
seinem Grabstein als Poet bezeichnet zu werden, muss es auch nicht
verwundern, dass es sich laut Vorarlberger Volksblatt um einen Schriftsteller
James handelt.
4.2
Narziss, die Ungeheuer und die Schubladenfrau – Dalís
Gemälde mit Österreichbezug
Neben einer Arbeit aus dem Jahr 1936, steht Dalís Schaffen von 1937 bei den
folgenden Objekten klar im Vordergrund. Während die Intention des Künstlers
bis weit in die Neuere Kunstgeschichte einem klassischen Schema an
Symbolen, also quasi einer vorgegebenen Bildsprache untergeordnet war,
verhält es sich bei Dalí zuweilen anders. Die gesellschaftlichen Verhältnisse
der Zwischenkriegszeit billigten dem Kunstschaffenden ein nie zuvor
dagewesenes Maß an persönlicher Kreativität zu, welches der Tragödie der
Zeitgeschichte folgend, nur allzu kurz möglich war. Unter dem Einfluss der
Nationalsozialisten wendete sich das Blatt, was zur Folge hatte, dass Dalís
Gemälde in deren Machtgebiet als nicht herzeigbar galten. Die hier
vorgestellten Werke, die vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, kurz ERR,
nach dem Einmarsch in Frankreich beschlagnahmt wurden und deren Schicksal
sind
beispielgebend.
Offizielle
Stellen,
konkret
die
Fundacío Gala-
Salvador Dalí, klammern diese Stücke interessanterweise mehrheitlich aus und
93
Anm.: Hervorhebungen vom Autor.
Auszug aus der Zürser Fremdenliste im Monat Jänner 1936. In: Vorarlberger Volksblatt,
28.01.1936.
95
Etherington-Smith, Meredith: Dalí: a biography. London 1992, S. 173.
96
Dalí 1984, S.463.
94
46
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
berücksichtigen diese nicht einmal im offiziellen Oeuvrekatalog. Und das,
obwohl deren Existenz Dank der Aufarbeitung des Jeu de Paume gesichert ist.
Bei einigen dieser Arbeiten ist jedoch ein Österreichbezug zu vermuten und
daher werden sie in der Folge in einem eigenen Unterkapitel behandelt.
Ein Gemälde ist bei Dalí nie ein bloßes Bild, sondern eine komplexe Struktur
vielschichtiger Inhalten, deren gemeinsamer Schlüssel zum Verständnis die
Paranoia-Kritische Methode ist. Diese konnte nur entwickelt werden, weil Dalí
keinerlei Konventionen unterworfen war, was die Themen seiner Gemälde und
Bilder und die damit erhoffte Wirkung auf den Betrachter betrifft.
4.2.1
Die Paranoia-Kritische Methode
„Ich weiß nicht genau, worin sie besteht, aber […] sie funktioniert fabelhaft!“97
– trotz dieser etwas verstörenden Antwort Dalís auf die Frage nach seiner
Paranoia-Kritischen Methode, kann diese durchaus zufriedenstellend in ihren
Grundzügen erläutert werden. Was genau ist die Paranoia eigentlich? Der
Begriff geht aus dem Altgriechischen hervor und bedeutet so viel wie
„verwirrter Verstand“. Vom psychologischen Standpunkt aus lassen sich
Paranoia als eine Geistesstörung definieren, die sich vor allem durch ein
gesteigertes Misstrauen sowie das Gefühl einer permanenten Gefährdung durch
andere bei der erkrankten Person diagnostizieren lässt.98 Dalí selbst war von
diesem Phänomen fasziniert und beschäftigte sich mit allem, was diesen
Bereich tangierte. Als er erfuhr, dass einer seiner Großväter paranoid gewesen
sein soll und auch weitere Verwandte von dieser Geistesstörung geplagt waren,
befiel ihn dann doch ein gewisses Unbehagen. 99 Die Schlussfolgerung, warum
Dalí sich derart intensiv mit Paranoia beschäftigte, ist, dass er versuchte, durch
die Entwicklung seiner Methode sich selbst vor einer Erkrankung zu schützen,
beziehungsweise diese dadurch kontrollierbarer zu machen. Als Hypochonder
bekannt, würde eine solche Intention durchaus in Betracht zu ziehen sein.
97
Salvador Dalí 1979 in der spanischen Fernsehsendung „Imagénes“; in: Gibson 1997, S. 255
Fenigstein, A.: Paranoia. In: Ramachandran, V.S. (Hg.): Encyclopedia of Human Behavior.
Online-Ausgabe 2012 (URL: http://dx.doi.org/10.1016/B978-0-12-375000-6.00265-2;
Zugriff am 14.03.2013).
99
Gibson 1997, S. 255
98
47
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Was auch immer Dalí zu dieser komplexen, aber in sich absolut homogenen
Methodik bewegt haben mag, auf ihre Ansätze stößt man bei einem seiner
frühen Vorträge. Am 22. März 1930 referierte er vor dem Ateneu-Club in
Barcelona über „Die moralische Position des Surrealismus“, Ansichten, die bei
den Zuhörern eine große Resonanz zur Folge hatte.100 Heute ist diese Rede
dahingehend interessant, dass Dalí die Grundzüge seiner Methode in derart
klaren Worten formuliert, wie es später nur selten der Fall sein wird. Der
Terminus einer Methode taucht überhaupt erst einige Jahre später auf101 und
zugleich ein gewisser wissenschaftlicher Anspruch, welchen Dalí unter
anderem durch mannigfaltige Deutungen und verwirrende Fachsimpelei zu
erreichen versuchte. Wirft man nun einen Blick in den Text seiner Lesung,
gelingt es Dalí mit Bravour seine Ausführungen zu Paranoia geschickt in das
eigentliche Thema, den Surrealismus, einzuordnen. Er spricht von
der Geburt des neuen surrealistischen Bildes, der Geburt eines
Bildes der Demoralisierung. Es ist vonnöten auf das extreme
Wahrnehmungsvermögen der Paranoia […] zu bestehen. Ein
Paranoiker, der denkt er sei vergiftet […] erkennt in allem um
ihn herum eine Vorbereitung seines Todes. Kürzlich habe ich
(Dalí) im Zuge eines paranoiden Prozesses erkannt, dass das
Bild einer Frau […], ohne das tatsächliche Aussehen zu
verändern, […] zugleich das eines Pferdes ist.102
Die Essenz der Paranoia-Kritischen Methode beruht also auf dem Phänomen
des Doppelbildes und darin, in einem Motiv mehrere Dinge erkennen zu
können. Solche einfachen optischen Spielereien sind uns allen bekannt, wie
zum Beispiel das Bild eines Kelches, das bei längerer Betrachtung zu zwei,
entgegenstehenden Gesichtssilhouetten mutiert. Dieses Prinzip der optischen
Täuschbarkeit des menschlichen Auges und Geistes kam den Surrealisten, die
in ihren Bildern einen Zustand zwischen Traum und Realität einfangen
wollten, zugute. Allerdings hat keiner von ihnen anfangs auch nur annähernd
100
Ebenda, S. 250.
Ebenda, S. 255.
102
Dalí in seinem Vortrag „Die moralische Position des Surrealismus“; Ateneu-Club Barcelona
22.03.1930. [Anm.: Übersetzung vom Autor]
101
48
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
so darauf beharrt, wie später Dalí. Was bei den Surrealisten als Traumbilder
begonnen hat, gipfelt in der Folge in Dalís Arbeiten, die zur Gänze nach der
Paranoia-Kritischen Methode entworfen wurden.
Am einfachsten ist es jedoch kurz auf ein Werk Dalís einzugehen, das am
besten erklärt, wie es sich bei der Entwicklung, besser gesagt Entdeckung,
eines
paranoia-kritischen
Bildes
einmal
zugetragen
hat,
um
seine
Gedankengänge beim Entstehungsprozess zur Metamorphose des Narziss
leichter zu begreifen. Neben solch komplexen Gemälden sind es vor allem die
kleineren Arbeiten, die Zeugnisse Dalís „paranoider Spontanität“ sind. Diese
konnte ihn bei der Betrachtung eines jeden beliebigen Bildes überkommen.
Vermutlich ging es ihm auch so, als ihm eines Tages eine Karte in die Hände
fiel, die eine kleine Strohhütte mit einigen davor sitzenden afrikanischen
Ureinwohnern abbildete. Das, was er darin erkannte, wurde von ihm 1930
sofort in der Zeitschrift Le Surréalisme au service de la révolution publik
gemacht. Was er als Communication: visage paranoiaque103 dort erstmals zu
vermitteln versuchte, war Folgendes: beim Anblick dieser Buschszene erkannte
er durch drehen der Abbildung den Kopf Picassos. Als er dies André Breton
kommunizierte, konterte dieser und meinte darin das Konterfei des Marquis de
Sade mit gepuderter Perücke wiederzuerkennen. Durch diesen Widerspruch
ergab sich für Dalí ein wunderbares Beispiel dafür, welches die Existenz
solcher mehrdeutiger Bilder bekräftigte, wenn nicht gar unleugbar machte.104
Später entstand aus dieser ersten Begegnung das Gemälde Visage
Paranoiaque.105 Dieses ist zwar, im Gegensatz zum ursprünglichen Bilde,
leicht überarbeitet, aber dennoch gibt es im Wesentlichen die kleine
Hüttenszene detailgetreu wieder. Interessant ist dabei vor allem, dass Dali
weiterhin auf die Eigeninitiative des Betrachters setzt und das Bild in der
Horizontalen wiedergibt, also nicht entsprechend dreht, um das Profilgesicht
sofort erkennbar zu machen – er setzt also voll und ganz auf das Prinzip einer
103
Le Surréalisme au service de la révolution, Nr. 3, 1931; in: Ades 2004, S. 130.
Schneede, Uwe: Die Kunst des Surrealismus: Malerei, Skulptur, Fotografie, Film. München
2006, S. 125.
105
Salvador Dalí, Visage Paranoiaque, ca. 1935, Öl/Leinwand, 18,5 x 22,5 cm,
Privatsammlung.
104
49
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
optischen Entdeckungsreise, bei der der Betrachter den Weg dieser paranoiakritischen Veränderungen selbst durchleben soll.
Bei späteren Arbeiten wie der Metamorphose des Narziss wird diese
Entdeckungsreise durch das Gemälde aber derart komplex, dass Dalí in diesem
besonderen Fall mehrere Sehhilfen integriert. Außerdem verfasste er das dazu
passende Gedicht,
das
neben
einer einfühlsamen
Beschreibung
der
dargestellten Tragödie zugleich eine Anleitung ist, in welcher Reihenfolge die
Betrachtung des Gemäldes zu erfolgen hat. Was Dalí uns dabei noch über seine
eigenen Empfindungen und seine Psyche verrät und wo nun der
Österreichbezug in diesem brillanten und zugleich intimen Bild versteckt ist,
soll nun erläutert werden.
4.2.2 Die Metamorphose des Narziss
Als eines der bekanntesten Gemälde Dalís wurde die Metamorphose des
Narziss in der Vergangenheit zum Thema zahlreicher Aufsätze. Darunter auch
hervorragende
Abhandlungen,
wie
jene
von
Milly
Heyd.
Dalí´s
„Metamorphosis of Narcissus“ Reconsidered106 von 1984 beleuchtet das
Gemälde von einem vollkommen neuen Standpunkt aus. Heyd stellt die
ursprüngliche Erzählung des Narziss in den Kontext zu Dalís Arbeit und geht
dabei auch auf den Bezug zu den in den Jahrhunderten davor entstandenen
Darstellungen ein. Ferner orientiert sie sich an der Struktur einer klassischen
kunstwissenschaftlichen Abhandlung zu einem Gemälde, sie analysiert
schließlich die Ikonographie und führt das Stück an das Oeuvre von Dalís
Zeitgenossen heran. Auch die spezielle Symbolik Dalís findet dabei
Beachtung. Schließlich isoliert sie einzelne Objekte aus dem Bild - wie zum
Beispiel das Ei, als ein bei Dalí häufig verwendetes Symbol – und versucht
deren Bedeutung anhand der neuzeitlichen Standardwerke zur Emblematik und
Ikonographie noch eingehender zu betrachten.
106
Heyd, Milly: Dalí´s „Metamorphosis of Narcissus“ Reconsidered. In: Artibus et Historiae,
Bd.5, Nr.10, 1984.
50
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Ähnlich verhält es sich auch mit den aktuellsten Nachforschungen zu diesem
Gemälde Dalís, die David Lomas in seinem Buch Narcissus Reflected107
zusammengetragen hat. In dieser begleitenden Publikation zu einer Ausstellung
in Edinburgh, an deren Verwirklichung auch die namhafte Dawn Ades beteiligt
war, versucht Lomas die Metamorphose des Narziss noch eingehender mit
anderen Werken der Moderne bis zur Gegenwartskunst zu vergleichen. Dabei
verläuft sich der Bezug zu Dalís Gemälde, das zum Auftakt im Mittelpunkt
steht, ein wenig. Er geht allerdings auf einen Umstand ein, der bis dahin nur in
einigen wenigen Dalí-Biographien gestreift wurde, nämlich, dass dieses
Gemälde einen Bezug zu Österreich aufweist. Am entscheidenden Punkt
nimmt er zwar an, dass die österreichischen Alpen zur Zeit der Narzissenblüte
einen Einfluss auf Dalí genommen haben, aber die Landschaft im Gemälde ist
für ihn ganz klar am Cap de Creus anzusiedeln.108 Eine Fehleinschätzung, wie
sich gleich zeigen wird, da sich von diesem Gemälde ausgehend ein roter
Faden durch Dalís Arbeiten des Jahres 1937 zieht, der Österreich eine
besondere Rolle zukommen lässt.
Die aktuellste Publikation zu diesem Gemälde ist die Monografie
Metamorfosis de Narciso109, die von der Gala-Salvador Dalí Stiftung 2008
herausgegeben wurde und neben einigen Aufsätzen die wichtigsten Quellen
und Originalabbildungen davon zusammenfasst. Ein Glücksfall, da die Stiftung
aus Figueras sehr sorgsam mit dem Erbe Dalís umgeht und solche Quellen
meist nur selbst publiziert. In diesem Buch ist also nun erstmals das
vollständige Manuskript zum Gedicht Metamorphose des Narziss in leserlicher
Größe abgelichtet. Die enthaltenen Essays von Montse Aguer, Joan M.
Minguet Batllori und David Lomas, können mit keinen unbekannten Themen
aufwarten. Der Mythos des Narziss, optische Täuschungen und Dalís Bezug zu
Freud stehen auch hier an erster Stelle. Am revolutionärsten erscheint der
Beitrag von Lomas, der sich ja bereits in der Vergangenheit mit diesem
Gemälde beschäftigt hat und kein Neuland betritt. Diesmal seziert Lomas das
107
Lomas, David (Hg.): Narcissus Reflected. Katalog zur Ausstellung in der Fruitmarket
Gallery Edinburgh, London 2011.
108
Ebenda, S. 33.
109
Fundació Gala-Salvador Dalí (Hg.): Salvador Dalí: Metamorfosis de Narciso. Barcelona
2008.
51
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Gedicht penibel, aber in den entscheidenden Passagen, die sich mit der
Landschaft beschäftigen, dringt die Bedeutung des Cap de Creus wie gewohnt
in den Vordergrund der Diskussion. Die Alpen werden seitens Lomas auch hier
nur als Quelle der Inspiration benannt.110 Im Großen und Ganzen enthält dieser
Essay aber weitläufige Exzerpte aus Lomas Aufsatz Painting is dead – long
live painting!: Notes on Dalí and Leonardo111, der 2006 erschienen ist.
Vor einigen Jahren war die Auseinandersetzung mit dem Gemälde
Metamorphose des Narziss meine Aufgabenstellung in einem Seminar, das ich
belegt hatte. Im Laufe meiner Recherchen zu dieser Seminararbeit, gelangte ich
erstmals zu jenen Erkenntnissen, welche zu dieser Masterthesis geführt haben.
Da wenig später eine Ausstellung im Museum Huber-Hus in Lech am Arlberg
geplant war, die sich auf Kunst und Architektur in der Region konzentrierte
und ich kurz zuvor mit Nachforschung in Lech beschäftigt war, wurden die
Ergebnisse meiner Arbeit im begleitenden Ausstellungskatalog gewürdigt.112
Außerdem konnten die Autoren noch ein weiteres Kleinkunstwerk Dalís
ausfindig machen, das mit Österreich in Verbindung steht. Somit ist dieser
kleine Katalog die einzige, mir bekannte Publikation, die bisher auf einen
Österreichbezug innerhalb Dalís Oeuvre des Jahres 1937 eingeht und darüber
hinaus zwei damit korrespondierende Werke Dalís vorstellt.
Der Mythos des Narziss erfreut sich in der Rezeption durch die Malerei einer
äußerst großen Beliebtheit. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war es keine
Besonderheit, weiterhin den klassischen Mythenstoff, zu welchem auch die
tragische Geschichte des selbstverliebten Jünglings gehört, in Gemälden zum
Leben zu erwecken. Mit einem Neudenken innerhalb der Kunst am Ende der
Romantik jedoch waren es plötzlich andere Motive, die Eingang in die Malerei
fanden. Bei den Zeitgenossen Salvador Dalís schließlich war der klassische
Stoff dann fast zur Gänze in anderen Gattungen der bildenden Künste
110
Lomas, David: Sobre el Narcismo en Dalí: una Introducción. In: Fundació Gala-Salvador
Dalí (Hg.): Salvador Dalí: Metamorfosis de Narciso. Barcelona 2008, S. 95.
111
Lomas, Davis: Painting is dead – long live painting: Notes on Dalí and Leonardo. In: Papers
of Surrealism, 4 Ausgabe, Frühjahr 2006.
112
Just, Marcel, Birgit Ortner (Hg.): Lech & Zürs am Arlberg 1920 – 1940, Zwischen
Tradition und Moderne. Architektur-Technik-Kunst-Grafik-Fotografie-Film, Lech 2010,
S. 50-52.
52
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
angesiedelt. Dalí hingegen entzog sich sein ganzes Leben hindurch nie einer
Konfrontation mit diesen alten Erzählungen. Dass er sich eingehend mit Ovid
beschäftigt haben muss, zeigt nicht nur der Titel des Gemäldes, sondern lässt
sich auch dadurch beweisen, dass Passagen der Metamorphosen, freilich frei
verändert, in das mit dem Bild korrespondierende Gedicht integriert wurden.
Hier muss aber eine Beweisführung im Vordergrund stehen, die sich auf den
hier im Mittelpunkt stehenden Österreichbezug fokussiert. Zuerst geht es
darum einen zeitlichen Rahmen zu setzten, wie lange Salvador und Gala Dalí,
sowie Edward James am Arlberg verweilt haben. Dafür kann die
Korrespondenz Dalís herangezogen werden, anhand derer man, dank
Poststempeln, eruieren kann, wo Dalí sich zu welchem Zeitpunkt aufgehalten
hat. Grundsätzlich gäbe es einen einfacheren Weg, um die Aufenthaltsdauer
der oben genannten Personen genau feststellen zu können. Wie schon am
Beispiel Edward James für das Jahr 1936 aufgezeigt werden konnte, bestand
zur damaligen Zeit eine Meldepflicht für Touristen. Die Hotels und
Gaststättenbetriebe hatten die Pflicht, die Ankunft ihrer Gäste bei den
Behörden anzuzeigen. Bedauerlicherweise wurden die offiziellen Unterlagen
aus Zürs für das Jahr 1937 bei einem Brand vernichtet. Da es bei den
Tageszeitungen nicht immer zu einer Berichterstattung bezüglich der
Fremdenliste kam und es sich bei dem Nachweis eines „Mr. James“ im Jänner
1936 um einen Glückstreffer handelt, war es nicht möglich die Dalís in einer
vergleichbaren Quelle zu ermitteln. Selbst bei den relevanten Hotels haben sich
keine Dokumente erhalten, da diese heute in große Hotelketten eingegliedert
sind. Auch die Angehörigen der damaligen Besitzerfamilien konnten trotz
intensiver Nachforschungen keine Nachweise mehr finden und lebende
Zeitzeugen gibt es in den Orten Lech und Zürs keine mehr. Alle heutigen
Einwohner kamen erst nach dem zweiten Weltkrieg in die Gemeinden.
Im Januar und Februar 1937 weilte Dalí noch in den USA, in Los Angeles und
auch im luxuriösen Arizona Inn in Tucson113 (Abb.20), weshalb angenommen
werden kann, dass er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der
113
Salvador Dalí an René Magritte; Poststempel vom 3. Februar 1937; Privatsammlung (URL:
http://www.autographauctions.co.uk/bidcat/detail.asp?SaleRef=0009&LotRef=380; Zugriff
am 20.03.2013).
53
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Metamorphose
des
Narziss
auseinandergesetzt
hat.
Denn
Dalí
war
nachweislich äußerst umtriebig mit seinen Projektideen für Hollywood
beschäftigt. Die Idee einer Kooperation mit der immer einflussreicher
werdenden Filmindustrie hatte es ihm angetan und die Vorstellung eines
internationalen Durchbruches des surrealistischen Films.114 Einen Partner fand
Dalí damals, vor allem in Harpo Marx, der einer cineastischen Inszenierung
des Surrealismus nicht abgeneigt schien.115
Am 27. März 1937 war Dalí dann jedenfalls schon in Seefeld in Tirol. Aus dem
Hotel Berghof schrieb er an André Breton nach Paris. Bis heute haben sich das
Kuvert und zwei beschriebene Bögen des hoteleigenen Briefpapiers aus
Bretons Nachlass erhalten.116 Der Inhalt des Schreibens ist an dieser Stelle eher
bedeutungslos, da Dalí lediglich seine Ausführung zur Idee einer Eröffnung
einer Galerie in Paris an Breton weitergibt.
Kurz danach muss Dalí dann schon am Arlberg gewesen sein. Das beweist eine
Postkarte, die mit einem Poststempel vom 11. April 1937 an Pablo Picasso in
Paris ging (Abb.21a-b). Aufschlussreich ist auch der Inhalt, der einen Eindruck
davon vermittelt, wie der Tagesablauf des Künstlers verlaufen ist. Im
Gegensatz zum klassischen Publikum in Zürs, scheint sich Dalí nicht voll und
ganz dem Wintersport hingegeben zu haben. Er schreibt:
[…] ich arbeite von 7h bis 9h abends, ich habe auch viel
gesehen; es gibt viel zu erzählen in einem Monat in Paris[…].117
Der Inhalt der Postkarte, die auf der Vorderseite einen Blick in die Alpen bei
Lech und einen Skifahrer zeigt, verrät uns also, dass Dalí durchaus daran war
zu arbeiten. Ferner scheint das Ehepaar hinsichtlich seiner Rückkehr nach Paris
bereits einen Zeitpunkt ins Auge gefasst zu haben, der somit in den ersten
114
Gibson 1997, S. 370.
King 2007, S. 66.
116
Salvador Dalí an André Breton; Poststempel vom 27.März 1937; Privatsammlung (URL:
http://www.andrebreton.fr/fr/item/?GCOI=56600100125640; Abb. 8, 10-12; Zugriff am
20.03.2013).
117
Salvador Dalí an Pablo Picasso; Poststempel vom 11.April 1937. In: Madeline, Laurence
(Hg.): Dalí: Letrres à Picasso (1927-1970). Paris 2005, S.70-73. Anm.: fälschlicher Weise
Zürich als Aufgabeort vermutet.
115
54
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Maiwochen anzusiedeln wäre. Am 12. April schrieb Dalí außerdem eine Karte
an Chick Austin, den Direktor des Wadsworth Atahaneum in Hartford118
(Abb.21c). Ein weiteres Zeugnis für Dalís Österreichaufenthalt ist ein
aufgesetztes Telegramm an Harpo Marx. Dalí hatte die geplante Kooperation
nicht vergessen und arbeitete in Zürs an der Umsetzung dieser Idee.119 Da sich
dieses Schreiben auf einem Briefpapier des Wintersporthotels nur im Archiv
der Edward James Foundation erhalten hat, ist nicht klar, ob Marx das
Telegramm je erhielt. Ein genaues Datum für die Komplettierung der Zeitleiste
zur Entstehung der Metamorphose des Narziss gibt es nicht.120
Neben diesen Postkarten ist es vor allem die Korrespondenz von Paul Eluard,
die uns darüber informiert, wie die Reiseroute der Dalís durch Österreich
verlaufen ist und ab wann das Ehepaar wohl die Rückreise nach Paris
angetreten hat. Wie aus einem Brief von Eluard hervorgeht, war Edward James
im April auch noch mit von der Partie, da Paul Eluard über Gala Grüße an „den
kleinen Dalí und James“ ausrichten lässt. In einem Brief vom ersten Mai
berichtet Eluard dann, dass Edward James bei ihm in Paris gewesen sei und er
bedaure noch keine Neuigkeiten von Julien Levy gehört zu haben. Gala und
Salvador Dalí weilten zu diesem Zeitpunkt am Semmering und scheinen ihren
Aufenthalt verlängert zu haben und da Eluard plante, Gala noch ein paar
Bücher dorthin zu schicken, darf angenommen werden, dass die beiden auch
nicht vorhatten, kurzfristig nach Paris heimzukehren.121
Warum an dieser Stelle derart penible auf die Aufenthaltsorte der Dalís,
Edward James und die Berichterstattung zu Julien Levy eingegangen wird, hat
einen bestimmten Grund. Es darf nämlich angenommen werden, dass die
Metamorphose des Narziss nicht nur ikonographisch einen Bezug zu
Österreich aufweist, sondern höchstwahrscheinlich auch auf österreichischem
Boden entstanden ist. Eine derartige Andeutung hat bisher nur Edward James
gemacht,
der
seinen
eigenen
Angaben
nach
die
Anfänge
zum
118
Ades 2000, S. 52.
King 2007, S. 66-67.
120
Gibson 1997, S. 370
121
Briefe Nr.229-231, in: Dreyfus, Pierre (Hg.): Paul Eluard. Liebesbriefe an Gala (19241948), Hamburg 1937, S. 264-268.
119
55
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Entstehungsprozess des Gemäldes, bis hin zu den ersten Vorzeichnungen auf
der Leinwand mitverfolgt hat.122 Es lässt sich jedenfalls nachweisen, dass der
Künstler lange genug am Arlberg und in Österreich verweilte, um das Gemälde
im Wesentlichen fertigzustellen. Diese zeitlich enge Rekonstruktion des Aprils
und Mais 1937 wird im Nachfolgenden auch eine Rolle bei Erfindung der
Ungeheuer spielen. Dieses Gemälde wurde im Gegensatz zur Metamorphose
des Narziss noch nie mit Dalís Österreichreise im Frühjahr 1937 in Verbindung
gebracht, weswegen nicht zuletzt die chronologische Betrachtung der
Entstehung der beiden Werke Dalís eine wesentliche Bedeutung in dieser
Arbeit einnimmt.
Julien Levy jedenfalls – ein Galerist aus New York, der in den 1930ern eine
durchaus innige Beziehung zu Dalí pflegte – publizierte 1937 mit freundlicher
Genehmigung von Edward James, dem Besitzer der Metamorphose des
Narziss, eine Broschüre mit selbigem Titel.123 Diese beinhaltete das Gedicht
und das Gemälde, die erstmals gemeinsam nach der Paranoia-Kritischen
Methode entstanden sind und somit eine surrealistische Sensation darstellen.
Dieses Heft, welches bereits im Juni 1937 gleichzeitig in französischer und
englischer Sprache veröffentlicht wurde, setzt voraus, dass das Gemälde an
sich schon im Mai fertig gestellt sein musste. Die Beteiligten bestanden auf
eine Farbabbildung, was zu dieser Zeit mit einem enormen finanziellen
Aufwand verbunden war. Daher muss eine gewisse Vorlaufzeit angenommen
werden. Darüber, ob James bei seinem Aufenthalt in Paris im Mai 1937 das
Gedicht oder gar das Gemälde im Gepäck hatte, kann nur spekuliert werden.
Aber aufgrund des engen Zeitrahmens muss Dalí die Metamorphose des
Narziss spätestens kurz nach seiner Rückkehr nach Paris zwecks der
Druckvorbereitungen fertig gestellt und abgeliefert haben. Dafür, dass Dalí das
Gemälde nach Paris brachte, spricht eine Photographie, die Dalí in seiner
Pariser Wohnung beim Malen zeigt. Auf der Staffelei vor ihm steht die Die
Metamorphose des Narziss, bis auf einige Elemente vollendet. Hinzu kommt
die Existenz eines Briefes Dalís an Edward James vom 15 Juni 1937, dem
122
Ades, Dawn: Edward James and Surrealism. In: Coleby, Nicola (Hg.): A Surreal Life.
Edward James, Katalog zur Ausstellung im Royal Pavilion, Brighton 1998, S. 73.
123
Levy, Julien (Hg.): Metamorphosis of Narcissus. New York 1937.
56
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
besondere Beachtung zu schenken ist. Den Briefkopf ziert eine kleine Skizze
des Gemäldes und der Inhalt des Schreibens lässt keinen Zweifel offen, dass
die Metamorphose des Narziss zu jenem Zeitpunkt schon fertig gewesen sein
muss. Dalí erwähnt in dem Brief beigelegte Photographien des vollendeten
Gemäldes und gibt eine Auflistung der für James resultierenden Kosten für die
Finanzierung der Farbabbildung in der Broschüre, welche dann bei Levy
erschienen ist.124
Wenn man versucht, die Entstehungsgeschichte des Bildes zu rekonstruieren,
dann findet man womöglich in einem Brief Edward James aus dem Jahr 1938
Hinweise auf die Beweggründe, die Dalí dazu brachten, dieses Gemälde zu
malen. Obwohl es nicht seine erste Reise nach Österreich war, dürfte ihn der
Anblick der Bergwelt zum Frühlingsbeginn tatsächlich beeindruckt haben. So
erinnert sich Edward James noch ein Jahr danach an den gemeinsamen
Aufenthalt mit den Dalís und verweist auf die “diamantgleiche Transparenz der
Luft
in den
österreichischen
Alpen“ und
„die Narzissenblüte und
Schneeschmelze“.125 Prüft man die von James tradierten atmosphärischen
Gegebenheiten, finden sich diese auch im Gemälde wieder, denn die Sicht in
die Ferne ist vollkommen klar, die Berge gestochen scharf. Und auch die
Elemente der Schneeschmelze und Narzissen-Blüte finden sich im Bild wieder.
Vielleicht hatte James gar das Gemälde vor Augen, als er 1938 den Brief an
seinen Bekannten schrieb. Vielleicht haben aber auch Jugenderinnerungen aus
James glücklichsten Tagen in der Schweiz einen Anstoß zur Metamorphose des
Narziss gegeben. Die Zeit im Internat genoss er in vollen Zügen und fuhr
stundenlang mit dem Rad, entlang an den, ihm endlos erscheinenden,
Narzissenfeldern.126
Selbst von botanischer Seite lässt sich verifizieren, dass es sich bei der im
Gemälde dargestellten Narzissenart um eine Gattung handelt, die in den
österreichischen Alpen heimisch ist. Dalí schreibt zwar auch, wie schön er die
blühenden Narzissen in Vorarlberg findet, aber das alleine bestätigt bei über
124
Salvador Dalí an Edward James; 15. Juni 1937, Edward James Foundation. in: Coleby 1998,
S. 34.
125
Edward James an Mr. Kornfeld, 12. Oktober 1938, Edward James Foundation.
126
James 1982, S. 55.
57
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
24.000 bekannten Formen freilich nicht, dass es sich bei der im Gemälde
verewigten Blume um eine Untergattung aus Österreich handelt. Nachweisbar
handelt es sich tatsächlich um die Darstellung einer Narcissus poeticus
(Abb.22), welche in der Natur nur in montanen Lagen über 400 Meter und in
ausgewählten
vorkommt.
127
Gebieten
der Westalpen und hauptsächlich in Österreich
Dazu zählt auch der Raum des Lechtals und der Vorarlberger
Alpen.
Es bedarf wohl keiner großen Überzeugungskraft mehr, um Dalí als einen
Künstler wahrzunehmen, dessen Arbeitsprozess verstärkt auf der visuellen
Wahrnehmung seiner Umgebung basiert. Kurzum ein Maler, der darum
bemüht ist, das kürzlich Gesehene in seinem Oeuvre zu verewigen. Aufgrund
des Briefpapiers mit dem Entwurf des Gedichtes, das sich heute im Besitz der
Gala-Salvador Dalí Stiftung befindet, ist bekannt, dass Dalí im Hotel
Alpenrose Post in Zürs gewohnt hat. Dieses Hotel befindet sich, vom
Flexenpass kommend, direkt am Ortseingang von Zürs und existiert noch heute
(Abb.23). Allerdings wurde das Gebäude von den privaten Eigentümern an
eine Hotelkette verkauft und zwischenzeitlich erweitert. Das bemerkenswerte
an diesem Ort am Arlberg ist die Tatsache, dass er sich in den letzten siebzig
Jahren baulich kaum verändert hat. Und das obwohl er seit dem Aufkommen
des Tourismus als Reiseziel der Haute Volée gilt. Aber man wollte eben eine
gewisse Intimität bewahren, was es heute noch möglich macht, sich das Wesen
des Ortes in den 1930ern vorstellen zu können. Die Natur ist in Zürs
allgegenwärtig und darum darf durchaus angenommen werden, dass Dalí trotz
Arbeit die eine oder andere kleine Wanderung unternahm – ein Zeitvertreib,
dem er auch an der heimatlichen Costa Brava gerne nachging.
Östlich von Zürs gelegen befindet sich das Parzil Tal, ein leicht zu
erwanderndes Gebiet, an dessen Ende sich die Valuga und der Rockspitz
erheben (Abb.24a-b). Dieses Bergmassiv findet sich nun tatsächlich fast
naturgetreu in Dalís Gemälde Metamorphose des Narziss wieder (Abb.25). Es
handelt sich bei der Berggruppe im Bildhintergrund also nicht um die
Ausläufer der Pyrenäen, wie oft angenommen, sondern um zwei Berge der
127
Pohler, Alfred (Hg.): Alpenblumen. 2004, S. 54.
58
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
österreichischen Alpen. Da diese über eine äußerst charakteristische Form und
Silhouette verfügen, lässt sich eine Übereinstimmung nicht von der Hand
weisen.
Chronologisch betrachtet taucht diese Gebirgsgruppe erstmals auf dem so
bedeutsamen Briefpapier als schemenhafte Zeichnung auf (Abb.26). Allerdings
skizzierte sie Dalí aus einem anderen Blickwinkel. So wie das Dokument heute
im Archiv der Stiftung inventarisiert ist, findet sich die kleine Skizze auf der
dritten Seite. Interessant ist dabei, dass diese im Vergleich zum gedruckten
Briefkopf richtig herum angelegt ist, während der Entwurf des Gedichts
verkehrt herum auf das Papier gebracht wurde. Somit drängt sich folgendes
Vorgehen Dalís auf: er wird sich für den Anblick der aufblühenden Natur im
April mit Sicherheit begeistert haben und deswegen eine schnelle Skizze auf
das Briefpapier gezeichnet haben, welche einige wesentliche Elemente der
Metamorphose des Narziss wiederspiegelt. Bei diesen Elementen handelt es
sich zugleich um Inhalte des Gedichtes und des Gemäldes: die Berge, die
blühende Narzisse und die Schneeschmelze. Das ist es, was Dalí auf dem
Papier verewigt hat, umgeben von einem simplen rechteckigen Rahmen, von
flottem Strich. Darunter die gekritzelten Worte „Mite de Narcis“. Das
suggeriert, dass Dalí zuerst vorhatte ein Gemälde zu malen und der Prozess, ein
dazu passendes paranoia-kritisches Gedicht zu verfassen, erst später einsetzte.
Auffällig ist die Tatsache, dass der erste Entwurf eines Gedichtes auf dem
Papier verkehrt herum und auf der Rückseite des Blattes begonnen wurde –
heute die erste Seite. Außerdem ist die erste Seite in perfektem Französisch
verfasst und zugleich fein säuberlich geschrieben. Beides Sachverhalte, die
schwer mit Salvador Dalí in Einklang zu bringen zu sein scheinen. Erst
nachträglich wurden Passagen mit der für Dalí typischen
Handschrift
überarbeitet und die übrigen Seiten des Gedichts in der gleichen Manier
fortgesetzt. Es drängt sich also die Vermutung auf, ob es nicht einen zweiten
Schreiber gab, nämlich Edward James, bekennender Poet. Da Edward James
1936 maßgeblich in Dalís Schaffensprozess miteingebunden war, wäre es auch
alles andere als spekulativ, den Engländer als Initiator des Gedichtes
anzunehmen. Zumal diese ausgeprägte Symbiose zwischen Gedicht und
59
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Gemälde, wie bei der Metamorphose des Narziss, innerhalb Dalís Oeuvre
einzigartig geblieben ist.
Dennoch wird es ohne intensive Nachforschungen, die den Rahmen an dieser
Stelle sprengen würden, weder möglich sein, eine solche Vermutung zu
verifizieren, noch zu widerlegen. Dalí war ein Meister des Wandels und diese
Flexibilität lässt sich auch auf seine Handschrift übertragen, denn diese
wechselte andauernd. Manchmal nutzte er sie sogar als ein Mittel, um seinen
graphischen Arbeiten Ausdruck zu verleihen. Das Gedicht wird also wohl von
Dalí stammen, die Motivation zu einer kalligraphisch anmutenden Schrift hat
nicht lange angehalten und innerhalb weniger Zeilen mutiert sie zu dem
Geschmiere, wie wir es vom Künstler gewohnt sind.
Nimmt man also an, dass Dalí im Anschluss an die kleine Zeichnung damit
begonnen hat, den Mythos des Narziss in ein Gedicht zu verpacken, dann
haben
die aus der österreichischen Natur entnommenen Grundelemente,
welche als Motivation zu dieser Arbeit Dalís dienten, auch in diese Zeilen
Eingang gefunden. Für einen Kunsthistoriker erweist sich eine Analyse dieser
Zeilen schon deswegen als lukrativ, weil Dalí weitere Ausführungen von sich
gibt, die in einem Gemälde nicht wirklich vermittelt werden könnten. Zum
Beispiel legt er einen zeitlichen Rahmen fest, wann sich die Verwandlung
vollzieht: dans le ciel neuf d´Avril. Kaum ein Zufall, dass die Metamorphose
des Narziss im April von Statten geht, dem gleichem Monat in dem sich Dalí
am Arlberg aufhält. Die daraus resultierende Schlussfolgerung bekräftigt einen
Österreichbezug und lässt die Annahme zu, dass die Geschehnisse mit einer
Alpenkulisse versehen wurden und eben nicht mit der des Cap des Creus.
Neben dem Motiv der Schneeschmelze ist es aber die Narzissen-Blüte, die als
Bindeglied zwischen Realität und Erzählung dient und als Objekt zum Mythos
überleitet. Kurzum haben nicht nur die österreichischen Alpen ihre
Verewigung in diesem Gemälde Dalís erfahren, sondern es dürfte tatsächlich
jene einzigartige Frühlingsatmosphäre in Zürs gewesen sein, die Dalí
überhaupt zu diesem markanten Hauptstück seines Oeuvre inspiriert hat.
Das Gemälde hat aber noch einen anderen Österreichbezug aufzuweisen, der
auf der Begegnung mit einem der berühmtesten österreichischen Zeitgenossen
60
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Dalís basiert. Sigmund Freud war eine Ikone des Surrealismus und seine
verschwommenen Thesen von Traumwelten und den komplexen Ebenen der
menschlichen Psyche stellten einen Nährboden für die Anschauungen dieser
Kunstströmung dar. Doch keiner gab sich mit solcher Inbrunst Mühe den
Wissenschaftler kennenzulernen, wie es Dalí tat. Über den gemeinsamen
Bekannten Stefan Zweig unternahm Dalí zahllose Versuche den Österreicher
zu treffen. Doch der Krieg und die daraus resultierende Flucht Freuds aus Wien
verhinderte ein Zusammentreffen über lange Zeit. Zumal Freuds Meinung über
die Surrealisten alles andere als begeistert war, dürfte das Bedauern
dahingehend, dass ein Treffen immer verschoben werden musste, recht
einseitig gewesen sein. Doch 1938 gelang das, was sich Dalí so lange wünschte
und Freud stimmte einem Treffen zu. Als Beispiel für seine paranoia-kritischeMethode entschied Dalí das Gemälde Metamorphose des Narziss auf die Visite
mitzunehmen,
um
dem
Psychoanalytiker
zugleich
geeignetes
Anschauungsmaterial unterbreiten zu können. So skeptisch sich Freud all die
Jahre über die Gesellschaft seiner seltsamen Anhängerschaft geäußert hat, so
war es ihm doch nicht möglich sich einer gewissen Faszination über das, was
ihm Dalí zeigte, zu entziehen.128
Obwohl das Gemälde zu besagtem Zeitpunkt schon in den Privatbesitz Edward
James übergegangen war, wurde es trotzdem auf diese ungewöhnliche
Exkursion geschickt. Es war der 19. Juli 1938129 (Abb.27), als Salvador, Mr.
James und Stefan Zweig sich auf den Weg nach Primerose Hill machten, der
Exiladresse Freuds in London. Dort weilte er seit dem Juni 1938, da Freud
gegen seinen Lebensabend seine Heimat Wien wegen großer Eskapaden und
Druck durch die Nazis verlassen musste.130 Der mitgenommene, alte Freud
hatte sich, wie bereits erwähnt, lange um diese Begegnung bitten lassen,
weshalb das Zusammentreffen bei Dalí eine enthusiastische Begeisterung zur
Folge hatte. Für ihn bestand nun endlich die Möglichkeit, seinem
naturwissenschaftlichem
Vorbild,
die
Paranoia-Kritische Methode
zu
128
Purser, Philip: The extraoridnary worlds of Edward James. London 1978, S. 67.
Eintrag im Kalender Stefan Zweigs in dessen Londoner Taschenkalender des Jahres 1938.
[Abb.]
130
Gibson, 1997, S. 381.
129
61
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
präsentieren, zugleich ein Geschehnis, das ihn endgültig im Kreise seiner
Künstlerkollegen nobilitieren würde.
Eines lässt sich heute aus den Biographien der beiden Männer, Dalí und Freud,
klar erkennen, nämlich den großen Eindruck, den diese Begegnung beiderseits
hinterließ. So schreibt Freud später in einem Brief an Zweig
Wirklich ich darf Ihnen für die Führung danken […], denn bis
dahin war ich geneigt, die Surrealisten, die mich scheinbar zu
ihrem Schutzpatron gewählt haben, für absolute (sagen wir 95%,
wie beim Alkohol) Narren zu halten. Der junge Spanier mit
seinen fanatischen Augen und seiner unleugbaren technischen
Meisterschaft hat mir eine andere Schätzung nahe gelegt. Es
wäre in der That sehr interessant die Entstehung eines solchen
Gemäldes analytisch zu erforschen. Kritisch könnte man jedoch
noch immer sagen, der Begriff der Kunst verweigere sich einer
Erweiterung, wenn das quantitative Verhältnis von unbew.
Material und vorbew. Verarbeitung nicht eine bestimmte Grenze
einhält. Aber jedenfalls ernsthafte psychol. Probleme.131
Für Die Metamorphose des Narziss und das Ziel dieser Arbeit stellt dieser
Brief eine unschätzbare Quelle dar. Denn Freud war zu jener Zeit schon durch
die Strapazen seiner Flucht und seiner Krebserkrankung ein gebrochener Mann
gewesen. Für die Surrealisten bedeutete dies, dass sich ihr Schutzpatron, wie
sich Freud selbst betitelt, nie über sie äußern würde, geschweige denn in
Richtung einer Akzeptanz einlenken würde. Und doch geschah diese
unglaubliche Kehrtwende in den letzten Lebenszügen des Psychoanalytikers.
Auch wenn es lange nicht erkannt wurde, verbirgt sich darin eine gewisse
Faszination und zugleich Ironie, war es doch ein Bild aus Freuds Heimat
Österreich, welches dieses Ereignis mitbewirkt hat. Und obwohl es den
Surrealismus in diesem Land nie gab, hat es Salvador Dalí in seinem Oeuvre
verewigt.
Zu einer Analyse Freuds kam es nicht mehr. Bei seinem Besuch hatte Dalí eine
Skizze von Freud angefertigt. Stefan Zweig betont in einem Buch, dass es gut
131
Cowles, Fleur: Der Fall Salvador Dalí. München 1959, S. 283
62
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
gewesen sei, dass Freud diese vielsagende Portraitskizze nie zu Gesicht
bekommen hat132: sie zeigt einen alten, kränklichen Mann, der nicht mehr
lange zu leben hat. Dalí scheint Freuds miserable Verfassung erkannt zu haben
und tatsächlich starb dieser ein Jahr nach dem Besuch. Salvador erzählte noch
lange von jenem Nachmittag in London, wobei sich Realität und Fiktion
schnell mischten. Aber eine Bemerkung Freuds über Dalís Bild ist noch
interessant. Denn dieser verweilte und sagte: In klassischer Malerei suche ich
nach dem Unbewussten – in einem surrealistischen Gemälde nach dem
Bewussten.133 Somit hatte der Surrealismus die Antwort auf all seine Fragen
erhalten und Dalí erkannte darin ein Todesurteil der Kunstströmung, auch
wenn sie als geistiger Zustand erhalten bleiben werde.134
4.2.3
Die Erfindung der Ungeheuer
Bei der Metamorphose des Narziss wird ersichtlich, dass es sich tatsächlich
lohnt einen Österreichbezug innerhalb Dalís Oeuvre aufzuarbeiten. Allerdings
hat es bei diesem Gemälde diesbezüglich schon die eine oder andere
Bemerkung gegeben, zumal das Gemälde eines der bekanntesten von Dalí ist
und zugleich häufiger von Kunsthistorikern bearbeitet wurde. Außerdem lässt
die Quellenlage in diesem einen besonderen Fall schnell eine Verbindung
zwischen dem Gemälde und Österreich erkennen. Dennoch konnten in dieser
Arbeit einige bedeutungsvolle Beobachtung vorgestellt werden, die bisher so
nicht wahrgenommen wurden.
Das Gemälde zum Mythos des Narziss ist aber nur als Stein des Anstoßes zu
verstehen, denn die aus einer kunsthistorischen Analyse resultierenden
Erkenntnisse hatten gewissermaßen eine Erweiterung des Blickfeldes zur
Folge. Wenn Dalí bei seinem Aufenthalt in Zürs schon eine Beeinflussung
seiner Tätigkeit als Künstler durch die Landschaft zugelassen hat, wäre es dann
nicht eine logische Schlussfolgerung, dass er im Laufe seiner Reise durch
132
Cowles 1959, S. 283
Brief Salvador Dalís an André Breton Anfang 1939; Fonds Breton, Bibliothèque Littéraire
Jacques Doucet, Paris.
134
Gibson 1997, S. 383.
133
63
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Österreich weiter so verfahren hat? So plausibel ein solcher Gedankenansatz
auf den ersten Blick auch erscheint, verfolgt hat ihn bisher offenbar niemand.
Fakt ist, dass Dalí 1937 noch weitere Arbeiten auf seinem Weg durch
Österreich begonnen hat. Das nächste Gemälde, auf welches daher
eingegangen werden muss, ist Die Erfindung der Ungeheuer,135 ebenfalls ein
durchaus prominentes Stück innerhalb Dalís Oeuvre. Da dieses Gemälde aber
weniger bekannt ist, als zum Beispiel Metamorphose des Narziss, wird eine
kurze Bildbeschreibung wohl dienlich sein.
Der Betrachter findet sich in einer wüsten, trockenen Eben wieder, die im
Bildhintergrund durch eine Gebirgskette flankiert ist. Zur Mitte hin senkt sich
diese von beiden Seiten zum Horizont ab und gibt den Blick gegen Himmel
frei. Dort hängen einige Wolken, die auf den ersten Blick wirken, als ob sie im
Licht des Abendrots erglühen, doch bei genauerem Hinsehen scheinen ihre
Ränder in Flammen zu lodern. Das Licht und die Stimmung sind befremdlich
und erschaffen eine fast überirdische Atmosphäre. Links vorne, an den
Bildrand grenzend, erkennt man einen länglichen Tisch. Auf ihm ein
Sammelsurium an Objekten, deren Zusammenhang vorerst nicht erkennbar ist:
eine Büste, die kleine Plastik einer Hand, die ein Ei hält und eine Brotstange.
Am vorderen Ende des Tisches sieht man eine amorphe Gestalt, die in ein rotes
Gewand gehüllt ist. Eigentlich zwei Wesen, mit menschlichen Zügen, die aber
zu einem verschmelzen. Die Gesichter sind schon nahezu eins und in den drei
erkennbaren Händen halten sie einen gelben Falter und ein Stundenglas.
Interessiert betrachten, nahezu studieren sie diese Objekte. Am Tisch sitzen
Dalí und seine Frau Gala, in ihrer Pose ähneln sie dem Wesen, ihre Gesichter
halten sie ebenfalls Wange an Wange136 (Abb.28). Dalí schielt den Betrachter
aus dem Augenwinkel an. Darüber, also zur linken oberen Bildecke, tummeln
sich in einer Senke mehrere Figuren, die in ihrer Form an Kentauren erinnern.
Einige von ihnen sind nur schemenhaft angedeutet, manche verschwinden in
einer Materie, die in einem Strom vom Gebirge herabfließt und die Senke füllt.
Rechts daneben, im Zentrum des Bildes, erhebt sich ein blockartiges Gebilde,
135
Salvador Dalí, Die Erfindung der Ungeheuer, 1937, Öl/Leinwand, 51,4 x 78,4 cm, The Art
Institute of Chicago.
136
Anm.: basierend auf einer Photographie Eric Schaals von 1937.
64
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
das, den räumlichen Gesetzten widersprechend, über dem Boden zu schweben
scheint. Es ist in verschiedenen Farben gehalten und wird am Fuß von einem
schmalen Fries begrenzt. Auf dem Objekt, fast könnte man es als Altar
benennen, steht die Büste einer Frau, deren Kopf in den eines Einhornes
übergeht. Diese Büste betrachtend, kniet vor dem Altar eine weitere Figur, die
den rechten Arm auf der Platte abstützt. Aus ihrem Rücken springen blaue
Schwingen hervor und sie trägt eine Maske, die an das Gesicht einer Katze
erinnert. Die Maske vereint sich wiederum mit dem Kopf einer Katze, die auf
dem Altar liegt. Das irritierende Treiben wird durch die Erscheinung eines
blauen Hundes im rechten, unteren Bildfeld und einer brennenden Giraffe
gleich darüber vervollständigt. Dem Betrachter eröffnet sich also eine surreale
Traumwelt, welche den meisterhaften Gedanken Dalís entsprungen ist und
deren Rätsel es zu erkunden gilt.
Das Museum des Art Institute of Chicago konnte das Gemälde 1943 erwerben
und wusste es damals schon als ein bedeutendes Werk der Gegenwartskunst zu
schätzen.137 Als Dalí über den Ankauf informiert wurde, verfasste er gar ein
Gratulationsschreiben, in dem er immerhin einige, wenn auch zugleich
verwirrende, Angaben zu seinem Gemälde machte:
According to Nostradamus the apparition of monsters presages
the outbreak of war. The canvas was painted in the Semmering
mountains near Vienna a few months before the Anschluss and
has a prophetic character. Horse women equal maternal river
monsters. Flaming giraffe equals masculine apocalyptic monster.
Cat angel equals divine heterosexual monster. Hourglass equals
metaphysical monster. Gala and Dalí equal sentimental monster.
The little blue dog is not a true monster.138
Der erkennbare Vorteil dieses Schreibens liegt jedenfalls darin, dass Dalí den
Gestalten, die in der Bildbeschreibung genannt sind und nur provisorisch
137
Reports of the Departments for 1943. In: Bulletin of the Art Institute of Chicago, Bd.38,
Nr.3, Report for the Year 1943, Chicago 1944, S. 9.
138
Schriftsendung Salvador Dalís an das Art Institute Chicago 1943;
(URL:http://www.artic.edu/aic/collections/artwork/151424; Zugriff am 17.08.2013).
65
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
beschrieben werden können, Namen zukommen lässt. Ob allerdings die
Klassifizierung des zum Beispiel katzenähnlichen Wesens als Katzenengel
zugleich
heterosexuelles
Monster
zufriedenstellend
sein
kann,
bleibt
dahingestellt. Offensichtlich würde sich eine psychologische Analyse des
Gemäldes durchaus lohnen und bei mehrmaligem Durchlesen entwickelt sich
eine
gewisse
Sinnhaftigkeit
hinter
der
komplexen
Konzeption
der
Erfindung der Ungeheuer, aber studiert man diese Quelle hinsichtlich eines
Österreichbezuges, springt einem nur ein Wort ins Auge: Semmering. Nun
verhält es sich tatsächlich so, dass dieser Hinweis Dalís für jeden offensichtlich
gewesen ist und auch keine Neuentdeckung ist. Aber da sich die Forschung
bisher eines Österreichbezuges in Dalís Werken, vor allem jenen aus dem Jahr
1937, verschloss, ging keiner dieser Äußerung des Künstlers im Detail nach.
Zumal die Beurteilung dieser unmittelbaren Quelle völlig fehlinterpretiert
wurde und lange vermutet wurde, Dalí hätte zwar 1937 etwas am Semmering
gemalt, aber teilweise wurde sein künstlerisches Schaffen auf die Schöpfung
des Motives der brennenden Giraffe reduziert.139
Überdies wird als
Entstehungszeitpunkt auch das Jahr 1938 genannt. Folglich wurde ein
Zusammenhang mit der Reise des Ehepaares Dalí im Jahre 1937 und eine
intensive
künstlerische
Auseinandersetzung
mit
der
österreichischen
Landschaft auch hier vorerst nicht erkannt. Das Art Institute of Chicago, als
heutiger Eigentümer, lässt zumindest keine Zweifel mehr daran offen, dass
Erfindung der Ungeheuer am Semmering gemalt wurde.140
Diese Erkenntnisse decken im Wesentlichen die von der Forschung
anerkannten Beziehungen zwischen diesem Gemälde und Österreich ab,
eventuell noch mit dem Zusatz, dass Dalí, wie er selbst schreibt, darin eine
apokalyptische Vision des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich im
März 1938 festhält. Aber mit dem Fundament eines entsprechenden
Vorwissens und ehrlicherweise Dank eines glücklichen Zufalls, gibt es noch
weitaus mehr über das zu berichten, was Dalí in diesem Gemälde verewigt hat.
139
Habarta Gerhard und Annemarie: Dalí in Wien. In: Perrot-Moore, Catherine, John Peter
Moore (Hgg.): Salvador Dali (1904), Bilder, Zeichnungen, Objekte. Katalog zur
Ausstellung im Palais Auersperg, Wien 1982.
140
Invention of the Monsters (URL: http://www.artic.edu/aic/collections/artwork/151424;
Zugriff am 18.08.2013).
66
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Der Semmering war also nach Zürs am Arlberg die nächste große Station des
Ehepaars Dalí. Dass die Dalís dort einen längeren Aufenthalt eingeplant hatten,
beweist einer der bereits angeführten Briefe von Paul Eluard an Gala.141
Außerdem galt der Semmering damals als angemessene Reisedestination der
oberen Gesellschaftsschicht und entsprach genau dem Niveau, das Salvador
Dalí für sich als einzig angemessen empfand. In den 1930ern hatte die Region
um den Semmering ihren Ruf als Kurort der Reichen etabliert und diese
besondere Klientel musste auch auf keinerlei Annehmlichkeiten mehr
verzichten, die es aus den europäischen Metropolen, wie zum Beispiel Wien,
gewohnt war. 1937 durften sich die dortigen Hotelbetriebe dann bereits
definitiv
dem
Luxussegment
der
Beherbergung
hinzuzählen.142
Als
Flaggschiffe dieser Luxusherbergen können das Grand Hotel Panhans und das
Südbahn-Hotel genannt werden, wobei bisher immer unklar gewesen war, wo
die Dalís residierten. Über die Jahre verlor der Semmering dann den Hauch des
Elitären und Exklusiven und viele Hotels mussten schließen, wurden gar dem
Verfall preisgegeben. Heute tummeln sich auf den lokalen Flaniermeilen eher
durchschnittliche Touristen, wobei die Anziehungskraft des Semmerings nicht
mehr weit über den deutschsprachigen Raum hinauszugehen scheint.
Bedauerlich, kann diese unverwechselbare Gegend Österreichs doch mit
landschaftlicher
Schönheit
und
einzigartigen
Szenerien
aufwarten.
Touristisches Lockmittel erster Güte ist vor allem die Polleroswand an welcher
sich die Gleise der Semmeringbahn, ein weiteres Charakteristikum der Region,
nahezu
waghalsig
anschmiegen143
(Abb.29).
Dieses
imposante
Erscheinungsbild stand sogar für das Motiv einer der ehemaligen 20-Schilling
Geldschein-Serien Pate, wenn auch in einer freien Komposition mit anderen
Landmarken um den Semmering, wie man sie in natura nicht vorfinden würde.
Aber dieses Motiv auf den Geldscheinen der alten österreichischen Währung
ist nur ausdruckgebend dafür, welche Faszination von dieser besonderen
141
Brief Nr. 231, in: Dreyfus, Pierre (Hg.): Paul Eluard. Liebesbriefe an Gala (1924-1948),
Hamburg 1937, S. 264-268.
142
Kos, Wolfgang (Hg.): Die Eroberung der Landschaft. Semmering, Rax, Schneeberg.
Katalog zur Ausstellung im Schloss Gloggnitz, Wien 1992, S.600-601.
143
Ebenda, S. 84.
67
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Gegend Österreichs ausging. Nicht zuletzt findet sich die Polleroswand auf
zahlreichen Darstellungen von der Landschaftsmalerei bis zur Postkarte.
Und offenbar hielt auch Dalí die Polleroswand bestens dafür geeignet, wenn
nicht gar prädestiniert dafür, seiner apokalyptischen Vorahnung, die
Geschichte Österreichs betreffend, in der Erfindung der Ungeheuer ihren
angemessenen Platz zukommen zu lassen: denn der markante Berg im rechten
Hintergrund ebendieses Gemäldes ist die signifikante Polleroswand. Folglich
kann ein weiteres bedeutsames Werk Dalís aus dem Jahr 1937 in einen
gewichtigen
Zusammenhang
mit
Österreich
gebracht
werden.
Jenes
Rezeptionsschema, welches in Metamorphose des Narziss mit der Valuga und
dem Rockspitz beginnt, manifestiert sich in der Erfindung der Ungeheuer
durch die Darstellung der Polleroswand.
Kritische Stimmen könnten an dieser Stelle sicherlich damit argumentieren,
dass es ziemlich vage erscheint, diese Ansichten auf einer Aussage Dalís und
einem Brief Eluards aufzubauen. Einen überlieferten Beweis dafür, dass das
Ehepaar Dalí tatsächlich am Semmering geweilt hat, gab es nämlich bisher
nicht, da Eluard Galas Briefe wunschgemäß vernichtet hatte. Und es wäre als
äußerst bedauerlich zu erachten, wenn die Quellenlage so geblieben wäre.
Denn eine intensive landschaftliche Auseinandersetzung Dalís mit dem
Semmering würde vor allem nur dann Sinn ergeben, wenn Dalí einige Zeit vor
Ort gewesen wäre. Erst so würde die Theorie einer Rezeption der Polleroswand
in einem Gemälde Dalís beachtenswert und zugleich würde es eine Entstehung
der Erfindung der Ungeheuer in Österreich bekräftigen. Der besagte und bisher
fehlende Beweis ist im Mai 2013 aufgetaucht und ebenso schnell wieder
verschwunden, aber glücklicherweise und durch Zufall war es möglich, ihn in
diesem kurios kurzen Zeitfenster zu erfassen. Am 16. Mai 2013 wurde bei
einem Pariser Auktionshaus eine Ausgabe der Begleitbroschüre zur
Metamorphose des Narziss angeboten.144 Darin enthalten waren zwei
autographe Blätter Salvador Dalís, die bisher unbekannt waren. Diese
paranoia-kritische Skizze, die hier keine eigentliche Rolle spielt, hat Dalí auf
144
Auktion bei Binoche et Giquello, Paris am 16. Mai 2013 (URL:
http://www.binocheetgiquello.com/html/fiche.jsp?id=2990619&np=13&lng=fr&npp=20&o
rdre=1&aff=1&r; Zugriff am 28.10.2013).
68
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
dem Briefpapier des Südbahn-Hotels am Semmering gezeichnet (Abb.30).
Dank des unübersehbaren und authentischen Schriftzuges „autentique Dalí“,
vom Künstler im oberen Bildrand mit dickem, blauen Stift gekritzelt, stellt
diese eher alltägliche Arbeit für die Belange dieser Arbeit eine Sensation dar!
Ein Aufenthalt Dalís am Semmering ist anzunehmen, noch dazu in einer der
nobelsten Herbergen, die dort zur Verfügung standen. Besonders erfreulich ist
dabei, dass das Südbahn-Hotel an einem Hang, gegenüber der Polleroswand,
situiert ist (Abb.31). Dalí hätte sie also theoretisch sogar von seinem
Zimmerfenster aus malen können. Außerdem ist in Betracht zu ziehen, dass
dieses Auktionsstück eine zeitnahe Verbindung zwischen der Schöpfung der
beiden Gemälde Metamorphose des Narziss und Erfindung der Ungeheuer
nahelegt.
4.2.3.1 Die berühmte „brennende Giraffe“ – in Österreich erfunden?
Nach Nostradamus sagt das Auftauchen von Ungeheuern Krieg
an. Die brennende Giraffe ist das männliche kosmische
Ungeheuer der Apokalypse.145
Dalís Erfindung der brennenden Giraffe ist beinahe schon so berühmt, wie
seine zerflossenen Uhren. In unzähligen Arbeiten findet sich dieses Tier, wenn
auch oft nur klein im Hintergrund. In Erfindung der Ungeheuer wird sie zu
einem wesentlichen Bestandteil Dalís apokalyptischer Vision und taucht dort
vermutlich erstmals in einem Gemälde auf.
Laut eigenen Aussagen Dalís, gegenüber dem Wiener Galeristen Gerhard
Habarta 1973, soll die Idee der brennenden Giraffe in Österreich entstanden
sein.146 Es ist tatsächlich nachweisbar, dass dieses Bildmotiv erstmals in
Werken von 1937 auftaucht. Allerdings ist es nur mehr zum Teil möglich, eine
chronologische Abfolge dieser Werke zu erstellen. Unrichtig ist jedenfalls die
Annahme, dass die brennende Giraffe erstmals im Film L´Age d´Or zu sehen
145
Salvador Dalí. In: Habarta, Gerhard (Hg.): Salvador Dalí. EintausendundEin Träume,
Wien 1988, S. 3.
146
Perrot-Moore 1982, Vorwort.
69
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
sei.147 Wer die betreffende Szene anschaut, wird bemerken, dass da zwar neben
diversen Gegenständen auch ein brennender Nadelbaum und eine Giraffe aus
dem Fenster geworfen werden (Abb.32a-b), aber keineswegs eine brennende
Giraffe148
Gesichert ist, dass Dalí die brennende Giraffe im Gemälde Erfindung der
Ungeheuer einfügt, welches mit Sicherheit 1937 und mit äußerst hoher
Wahrscheinlichkeit am Semmering entstanden ist. Das Giraffenmotiv taucht
aber auch in einer Fassung des Gemäldepaares Paar die Köpfe voller Wolken149
(Abb.34a) auf, welches dem italienischen Komponisten Giacomo Scelsi gehört
hat und heute in eine Sammlung im italienischen Rovereto eingegangen ist. Die
Datierung auf das Jahr 1936, wie sie noch im Katalog zur Dalí-Retrospektive
von 2004 vorzufinden ist,150 wurde mittlerweile revidiert.151 Somit steht die
berühmtere Fassung von 1936 ohne brennende Giraffe152 (Abb.33b) an erster
Stelle, die 1937 auch auf der Begleitbroschüre zur Metamorphose des Narziss
abgebildet ist.153 Infolgedessen kann ausgeschlossen werden, dass das berühmte
Bildmotiv schon 1936 entstanden ist.
Weitere Darstellungen einer brennenden Giraffe finden sich auf einer
Zeichnung für ein Filmprojekt mit den Marx Brother (Abb.). Dalí hat, wie
bereits angeschnitten, während seines Aufenthaltes in Zürs im April 1937 am
Drehbuch für Giraffes on Horseback Salad gearbeitet.154 Nach dem Treffen
mit Harpo Marx in Hollywood hat Dalí erste Skizzen angefertigt und damit
begonnen, seine Ideen für das Projekt niederzuschreiben. Zeichnungen mit den
brennenden Giraffen dürften wohl erst später entstanden sein (Abb.34). So
gibt es eine Zeichnung, die während des besagten Zusammenkommens in den
USA angefertigt wurde und Harpo Marx mit einem Hummer am Kopf, an einer
Harfe sitzend, zeigt. Eine weitere Portraitskizze von Marx, die auch mehrere
147
Buñuel, Louis: L´Age d´Or. Film, Frankreich 1930.
Drehbuch zu L´Age d´Or, in: Walther, Ingo: Salvador Dalí: Retrospektive 1920-1980.
Katalog zur Ausstellung im Centre Pompidou Paris, Dezember 1979 – April 1980,
München 1980, S. 100.
149
Salvador Dalí, Paar die Köpfe voller Wolken, 1937, Öl/Holz, 92.5 x 72.5 cm und
90 x 70.5 cm, Privatsammlung.
150
Ades 2004, S. 256-257.
151
Couple with Their Heads Full of Clouds, in: Fundcacío Gala-Salvador Dalí (Hg.):
Catalogue Raisonée der Gemälde [1910-1951]. 2007 (URL: http://www.salvadordali.org/cataleg_raonat/fitxa_obra.html?obra=508&inici=1935&fi=1939&lang=en; Zugriff
am 31.10.2013).
152
Salvador Dalí, Paar die Köpfe voller Wolken, 1936, Öl/Holz, 92,5 x 69,5 cm und
82,5 x 62,5 cm, Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam.
153
Fundació Gala-Salvador Dalí 2008, S. 59.
154
King 2007, S. 67.
148
70
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
brennende Giraffen abbildet, ist nicht während dieses Treffens entstanden.
Letztlich gibt es noch einen Coverentwurf für die Zeitschrift The American
Weekly, der ebenfalls das Thema der brennenden Giraffe aufgreift (Abb.35).
Das Blatt datiert zwar auf 1937, dürfte aber zeitnahe zur Veröffentlichung der
Ausgabe angefertigt worden sein, die am 9. Jänner 1938 erschien. Dalís
Gemälde waren zu jener Zeit nur einer ausgewählten Klientel zugänglich und
erst über den Titel des us-amerikanischen Magazins wurde das Motiv der
brennenden Giraffe einem großen Publikum bekannt.
Auf der Suche nach der ersten brennenden Giraffe ist das Gemälde Die
brennende Giraffe155 (Abb.36) ein weiteres Glied in der Kette der Indizien. Es
könnte ebenfalls in Österreich entstanden sein, da es neben Die Metamorphose
des Narziss und Die Erfindung der Ungeheuer im Juli 1937 bei Renou & Colle
in Paris zu sehen war (Abb.37). Es könnte sich bei dem ausgestellten Stück
aber auch um eine gleichnamige Gouache auf Papier handeln, die am 4.
November 2009 zu einem Rekordpreis bei Sotheby´s156 versteigert wurde und
sich heute im Besitz von Lauren Santo Domingo in New York befindet
(Abb.38). Ein weiteres Gemälde mit brennender Giraffe, das ausfindig gemacht
werden kann, wurde von den Nazis beschlagnahmt und ist nur noch über eine
Photographie nachweisbar, welche das Objekt neben vielen anderen aufgereiht
zeigt.
Letztlich aber spricht eine plausible These dafür, dass das Motiv der
brennenden Giraffe tatsächlich in Österreich entstanden ist und von Dalí
erstmals in Erfindung der Ungeheuer gemalt wird. Der Denkansatz ist ein
vollkommen neuer und ist mit dem Absturz des Deutschen Luftschiffs
Hindenburg verknüpft. Diese Katastrophe ereignete sich am 6. Mai 1937 in
Lakehurst, zu jener Zeit, als Dalí nachweislich am Semmering weilte und an
Erfindung der Ungeheuer arbeitete. Die Photographien der Katastrophe, vor
allem des in Flammen stehenden Luftschiffes, gingen um die Welt und
prangten weltweit auf den Titelseiten der Tageszeitungen. Vielleicht
inspirierten Dalí diese Bilder dazu die Giraffe in Flammen zu setzten. In das
Schema seiner apokalyptischen Vorahnungen, die er in diesem Gemälde
festhielt, passt diese Katastrophe perfekt. Sohin würde diese Variante erstmals
eine plausible Erklärung dafür geben, warum er begonnen hat brennende
155
Salvador Dalí, Die Brennende Giraffe, 1937, Öl/Lindenholz, 35 x 27 cm (?),Emanuel
Hoffmann Foundation.
156
Auktion bei Sothebys, New York am 4. November 2009, Impressionist and Modern Art
(URL: http://www.nytimes.com/2009/11/06/arts/06iht-melik6.html?_r=2&; Zugriff am
28.10.2013).
71
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Giraffen zu malen. Wer Dalís spezielle Art der Wahrnehmung kennt und die
Photos des Hindenburgunglücks anschaut (Abb.39), kann darin vielleicht wie
Dalí eine brennende Giraffe erkennen, also das Ungeheuer der Apokalypse, das
sich in der Katastrophe offenbart.
Bisher beruhte die Vermutung, die brennende Giraffe sei in Wien oder auf dem
Semmering erfunden worden, lediglich auf einer Aussage Dalís gegenüber dem
Wiener Galeristen Habarta.157 Aber Dalí erzählte viel, dass so nicht stimmte
und eine kunsthistorische Beweisführung fehlte. Doch erfreulicherweise hält
diese Behauptung dieser ersten wissenschaftlichen Analyse stand.
4.2.4
The City of Drawers
Chronologisch betrachtet fällt dieses Gemälde ein wenig aus dem Kontext, da
es bereits im Jahr 1936 gemalt wurde. Überdies ist es von den vorangestellten
Gemälden abzugrenzen, da es zwar einen Österreichbezug im Gemälde gibt,
aber das Bild, im Unterschied zur Metamorphose des Narziss und Erfindung
der Ungeheuer, nicht in Österreich gemalt oder zumindest begonnen wurde.
Inhaltlich orientiert sich The City of Drawers158 an Dalís Begeisterung für
Freud und die Psychoanalyse, wodurch es mit den beiden Gemälden von 1937
in einer Linie steht.
Dieses Entzücken Dalís gegenüber den freudschen Theorien kommt in der
Verwendung des Schubladenmotives zur vollen Geltung. Genauer in den für
den Katalanen so charakteristischen Schubladenfiguren – seine Version der
Venus von Milo mit Schubladen159, ist nahezu so bekannt wie das Original.
Eine solche Figur steht auch im Zentrum von The City of Drawers, zwar
liegend und in ihrer Anatomie eher befremdlich, aber die dem Torso
entspringenden Schubladen stehen im Mittelpunkt des Bildes. Die Frage,
warum Dalí diese Idee des Torsos mit Schubladen so häufig verwendete, hat er
selbst beantwortet:160
157
Perrot-Moore 1982, Vorwort.
Salvador Dalí, The City of Drawers, 1936, Öl/Holz, 25,4 x 17,4 cm, Kunstsammlung
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf.
159
Salvador Dalí, Venus von Milo mit Schubladen, 1936, Gips, Metall, Nerz, 98 x 32,5 x 34
cm, Art Institute of Chicago.
160
Anm.: nachfolgendes Zitat vom Autor übersetzt.
158
72
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Nehmen Sie diese Zeichnung von mir [Abb]161, die den Körper
einer Frau zeigt, dem Schubladen entspringen. Diese Schubladen
beinhalten alles: Freud, christlichen Glauben, die Möglichkeit in
das Innere des menschlichen Wesens einzudringen, mit seinen
geheimen Fächern, voll mit Bedeutung.162
Dalís Interpretation dieser Schubladen, denen seiner Ansicht zufolge auch der
Geruch des Narzissmus entströmt und sein persönlicher Umgang mit dem
menschlichen Körper und dessen Natur, gipfeln also unweigerlich in Der
Metamorphose des Narziss.163
Dalís Oeuvre der Jahre 1936 und 1937 ist maßgeblich von zwei Faktoren
beeinflusst. Neben der Paranoia-Kritischen Methode ist dies vor allem seine
Faszination für Freud. Diese beinahe Besessenheit, allen Facetten der
freudschen Lehre gerecht zu werden, findet ihre Besänftigung erst in jenem
Treffen in London 1938 und dem Umstand, dass Freud schlussendlich doch
von Dalí begeistert war. Aber dieses Treffen war über Jahre lediglich ein
inniger Wunsch Dalís gewesen, den ihm das Schicksal immer wieder zu Nichte
machte.164 Das kleine Geheimnis, das sich in The City of Drawers verbirgt,
könnte dieser Frustration und dem innigsten Wunsch Freud zu treffen,
geschuldet sein. Mit Sicherheit aber steht das Gemälde in einem engen
Zusammenhang mit Dalís eingehender Aufarbeitung psychoanalytischer Ideen.
Es existieren mehrere Studien, die Dalí angefertigt hat, bevor er das Gemälde
The City of Drawers gemalt hat. In der Folge gilt die hauptsächliche
Aufmerksamkeit der rechten, oberen Ecke des Bildes und der dort
festgehaltenen Szenerie. Dieses kleine Detail variiert in den einzelnen Arbeiten
und zeigt Anfangs den Blick in das Interieur einer Wohnung und einige
Staffagefiguren (Abb.40a) In einer weiteren Version (Abb.40b) und im fertigen
Gemälde eröffnet dieser Teil des Bildes den Blick in eine Straße. Neben
einigen Personen ist eine Häuserzeile zu erkennen, in der auch ein Sakralbau
mit Doppelturmfassade situiert ist. Dieses kleine Straßenpanorama hat Dalí für
161
Anm.: z.B. das Exemplar im Art Institut of Chicago.
Salvador Dalí, in: Judovitz, Dalia; Drawing on art. Duchamp and Company, Minneapolis
2010, S. 164.
163
Judovitz 2010, S. 164-165.
164
Gibson 1997, S. 381.
162
73
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
das Gemälde nochmals leicht abgewandelt (Abb.41) Betrachten wir das Detail
in The City of Drawers also genauer.
Nachforschungen haben ergeben, dass es sich um ein Capriccio handelt, das
Dalí aus Gebäuden des IX. Wiener Gemeindebezirkes Alsergrund konzipiert
hat. In diesem Stadtteil, nämlich in der Berggasse, praktizierte auch Sigmund
Freud. Dalí muss sich, seinen missglückten Versuchen Freud zu sehen, bedingt,
auch mehrmals in diesem Teil Wiens aufgehalten haben. Dementsprechend
wäre es auch möglich, dass er dort einige Postkarten mit Ansichten aus dem
Alsergrund gekauft hat und Impressionen von dort in sein Gemälde
übernommen hat.
Bei der Kirche handelt es sich um St. Canisius, einen neoromanischen Bau aus
dem Jahr 1903 in der Lustkandlgasse im IX. Bezirk Wiens (Abb.42). Bei
einem direkten Vergleich der Kirche im Gemälde und dem Original in Wien,
bleibt kein Zweifel offen, dass es genau dieses Gebäude ist, welches Dalí
adaptiert hat. Die Analyse der architektonischen Charakteristika, darunter
selten vorzufindende Baudetails, bestätigt diese Annahme. Zum Beispiel gibt
es eine Übereinstimmung bei der Dachform der Türme. Dabei handelt es sich
um eine unverkennbare Kombination aus Pyramidendach, mit an den vier
Turmseiten vorgesetzten dreieckigen Giebeln und vier an den Ecken platzierten
Wichhäusern. Hinzu kommt die bestechende Übereinstimmung hinsichtlich der
Fassadengliederung: die Portalsituation, die Situierung der Fensterrose und der
abschließende, dreieckige Giebel mit eingestellten Rundbogenfenstern finden
sich am Originalbau und im Gemälde wieder.
Bei dem markanten Gebäude, welches Dalí weiter hinten im selben Straßenzug
abbildet, könnte es sich um das Hotel Mozart handeln (Abb.43). Dafür
sprechen würde der unverkennbare Eckturm, der mit einer Kuppel abschließt
und auch die Thermenfenster im obersten Geschoß des Eckrisalits würden
einem direkten Vergleich standhalten: eine Übereinstimmung mit dem
Gemälde ist gegeben.
Somit existieren mindestens drei Gemälde aus Dalís Oeuvre, in denen sich
eine beachtenswerte Hommage an Österreich verbirgt. Natürlich sind diese
Forschungsergebnisse erfreulich, da sie bisher nicht dokumentiert wurden, aber
grundsätzlich bekräftigen sie Salvador Dalís Vorliebe, die reale Welt in seine
Arbeiten zu übernehmen. Und das in einer ganz eigenen Art und Weise, die
ganz im Zeichen des Surrealismus steht und dies nicht offensichtlich tut.
74
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
4.2.5
Geplünderte Dalís - die 17 Gemälde in der Datenbank des Jeu de
Paume165
Die Galerie nationale du Jeu de Paume in Paris hat in einem aufwendigem
Projekt die Verzeichnisse und andere Hinterlassenschaften des Einsatzstab
Reichsleiter Rosenberg, kurz ERR, ausgewertet und in einer Datenbank166 der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Scans der Inventare und die dazugehörigen
Originalabbildungen der Kunstwerke komplettieren diese außergewöhnliche
Ressource. Aus diesem Grund war es möglich, in dieser Quelle nach
vernichteten oder verschollenen Gemälden Salvador Dalís zu suchen, die in
den Jahren um 1937 entstanden sind und womöglich der Gruppe der Gemälde
mit einem Österreichbezug zuzuordnen sind.
Adolf Hitler ernannte Alfred Ernst Rosenberg bereits 1934 zum
Kulturbeauftragten der NSDAP,167 der später mit dem ERR seine Beutezüge
durch Europa begann. Rosenberg oblag es, Kunstgegenstände jeglicher
Herkunft, ob aus öffentlichen Sammlungen oder Privatbesitz, für den Führer zu
beschlagnahmen. Vorrangig ging es dabei aber um die Überführung
„verwaisten“ jüdischen Eigentums in den Besitz der Nazis. Ab dem Jahr 1940
folgte die Plünderung französischer Sammlungen, in denen sich insgesamt 17
Arbeiten Salvador Dalís befanden, die vom ERR eingezogen wurden. Die
konfiszierten Kunstwerke wurden in den Räumlichkeiten des Jeu de Paume
gelagert und ausgestellt.168 Außer besagtem Inventar, das in dieser Institution
bis heute verwahrt wird, existiert eine Photographie, die einige der vom ERR
beschlagnahmten Gemälde Dalís zeigt (Abb.44). Darunter auch Arbeiten, die
zwar in der Datenbank aufgeführt werden, aber zu denen es keine
Photographien des ERR gibt.
Einige der Gemälde, die von den Truppen der Nazis geraubt wurden, datieren
auf das Jahr 1937 und greifen Motive auf, welche auch in den drei oben
angeführten Bildern auftauchen. Darunter eine Arbeit, welche die Nazis als
Nächte Fels- und Küstenlandschaft mit kauernder Figur, im Mittelgrund und
zwei Flammenbesetzte Giraffen169 benannten. Es existiert also noch eine Arbeit
die das Thema der brennenden Giraffe beinhaltet, und die in der Historie dieses
165
Anm.: gemeint ist die Galerie nationale du Jeu de Paume in Paris.
Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the
Jeu de Paume (URL: http://www.errproject.org/jeudepaume/; Zugriff am 01.11.2013).
167
Bollmus, Reinhard: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. München 2006, S. 58.
168
Playà Maset, Josep: Lalista de las 20.000 obras robadas por los Nazis. In: La Vanguardia,
23.10.2010, S. 36-37.
169
Salvador Dalí, Öl/Leinwand, 51 x 78 cm, vernichtet.
166
75
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Sujets berücksichtigt werden muss. Da eine Datierung dieses Gemäldes fehlt
und das Stück vernichtet wurde, muss es, vom heutigen Standpunkt aus und
aufgrund der mangelnden Fakten, in der Entstehungsgeschichte der
brennenden Giraffe beiseite gelassen werden.
Eine weitere Arbeit, betitelt als Studie von Pferden und Frauen170 (Abb.45)
greift ein Detail aus Erfindung der Ungeheuer auf und ist womöglich eine
Studie zu besagtem Gemälde. Bei diesem Objekt wäre es somit möglich, dass
es in Österreich entstanden ist und sich folglich wunderbar in diese
Masterarbeit einfügen würde. Da es aber an einer gesicherten Datierung fehlt,
bleibt auch diese Annahme rein spekulativ. Nicht zuletzt deswegen, weil Dalí
konkrete Motive öfters verwendet hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass
er diesem Detail eine große Arbeit gewidmet hat, die chronologisch nach
Erfindung der Ungeheuer anzusiedeln ist.
Es gibt aber auch Gemälde, die dank glücklicher Umstände, nicht in den
Wirren des Krieges verloren gegangen sind – so auch Schwäne spiegeln
Elefanten171 von 1937. Das Gemälde ist auch auf der Photographie aus dem Jeu
de Paume zu erkennen, wo es bis 1944 in der Salle des Martyrs aufbewahrt
wurde (Abb.). Interessanterweise ist es das einzige der ERR-Gemälde, das in
den Katalog Raisonée der Gala-Salvador Dalí Stiftung aufgenommen wurde.
Dort findet sich auch ein Hinweis auf die Beschlagnahmung durch den ERR.172
Über den Gesamtkatalog kann die unbekannte Sammlung, die in den ERRInventaren bei diesem Gemälde angeführt wird, als die von Edward James
identifiziert werden. Die Angaben des Jeu de Paume, das dieses und ein
weiteres Objekt aus dem Besitz eines Peter Watson stammen, muss revidiert
werden. Wie viele der geplünderten Arbeiten aus dem Besitz James waren,
lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Ominös ist der Verbleib der übrigen
sechzehn Gemälde. Der ERR gibt an, dass 13 Gemälde vernichtet wurden,
darunter verwunderlicher Weise auch Schwäne spiegeln Elfanten. Von den vier
angeblich verbliebenen Gemälden fehlt hingegen heute jede Spur. Der
Ungereimtheiten nicht genug, könnte es sich bei dem von den Nazis als
Menschenkopf zy phantastischer Berglandschaft mit grauweissen Figuren
170
Salvador Dalí, Studie von Pferden und Frauen, Öl/Leinwand, 60 x 73 cm, vernichtet.
Salvador Dalí, Schwäne spiegeln Elefanten, 1937, Öl/Leinwand, 51 x 77 cm,
Privatsammlung.
172
Swans Reflecting Elefants. In: Fundacío Gala-Salvador Dalí 2007 (URL:
http://www.salvadordali.org/cataleg_raonat/fitxa_obra.html?obra=454&inici=1935&fi=1939&lang=en; Zugriff
am 02.11.2013).
171
76
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
geformt173 beschriebenen und angeblich vernichtete Gemälde um Der große
Paranoiker174 handeln, der heute in Rotterdam hängt. Allerdings fehlt ein
entsprechender Verweis im Katalog der Fundacío Gala-Salvador Dalí.
Das Fazit zu den ERR-Gemälden fällt also schlussendlich eher ernüchternd
aus, da es aus heutiger Sicht schwer ist, den Werdegang der Objekte und die
damit verknüpften Widersprüche zu entwirren. Zumal der ERR den Gemälden
teils befremdliche Titel gegeben hat und sich nur bedingt Photographien zu den
einzelnen Inventarnummern erhalten haben. Es wäre also durchaus denkbar,
dass sich in einigen der Bilder ein Österreichbezug verbirgt, der aber leider
aufgrund der überraschend komplizierten Quellenlage nicht mehr aufgelöst
werden kann.
4.3
Don Quijote am Flexenpass – Dalís Graphiken mit
Österreichbezug
Anhand von Dalís Gemälde hat sich deutlich machen lassen, wie spannend sich
die Spurensuche nach Verweisen auf Österreich innerhalb seines Oeuvre
gestalten kann. Aber die wirklichen Überraschungen finden sich unter seinen
kleineren Arbeiten auf Papier, denen allgemein weniger Aufmerksamkeit
beigemessen wird. Die größte Problematik einen Österreichbezug
nachzuweisen, liegt dabei in Dalís Arbeitseifer, der die ursprünglichen Motive,
oft Postkarten, bis zur Unkenntlichkeit überzeichnet hat. Doch genau aus
diesem Grund ist es im Umkehrschluss so erfreulich die ursprünglichen Bilder
rekonstruieren und einem Ort zuordnen zu können. Hilfreich dabei war der
Katalog der VLB-Fotosammlung Risch-Lau.175 Die Firma war bereits in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der bedeutendste Ansichtskartenhersteller im
Vorarlberger Raum. Sollte Dalí also eine solche Postkarte verwendet haben, ist
es wahrscheinlich, diese oder zumindest ein vergleichbares Exemplar in
besagtem Archiv ausfindig zu machen.
Neben den Postkarten sind es vor allem Dalís Zeichnungen zu seinen
vielfältigen Projekten, deren Entwicklung auch auf seinen Reisen
173
ERR Sammlung (Unbekannt/UNB) – Unk., Inventar Nr.: Unb. 55 a-r (URL:
http://www.errproject.org/jeudepaume/card_view.php?CardId=17270; Zugriff am
02.11.2013).
174
Salvador Dalí. Der große Paranoiker, 1936, Öl/Leinwand, 62 x 62 cm, Museum Boijmans
van Beuningen, Rotterdam.
175
Onlinekatalog der Vorarlberger Landesbibliothek, Fotosammlung Risch-Lau (URL:
http://vlb-katalog.vorarlberg.at/F?func=file&file_name=find-a&local_base=fot; Zugriff am
03.11.2013).
77
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
vorangetrieben wurde. Und wie sich zeigt, ist manch eine dieser kuriosen Ideen
offenbar in Österreich entstanden.
4.3.1
Eine Kiste voller Hunde für Breton – Dalís Arbeit auf einer
österreichischen Postkarte
La mélancolie extatique de chiens, gâteuse comme une vertigineuse descente
en ski – dieser imposante Titel steht unter einer kleinen Arbeit Dalís von
1936.176 Dabei handelt es sich um ein paranoia-kritisches Bild, das zum
Bestandteil einer Collage des Surrealisten Georges Hugnet wurde. Cartes
postales surréalistes177 vereint einundzwanzig eigens kreierte Postkarten
surrealistischer Künstler, die ihrem Gedankengut entsprechend beweisen, dass
sich eben aus einem alltäglichen Motiv mehr machen lässt, als das Auge auf
den ersten Blick wahrnimmt.
Bei Dalís Beitrag handelt es sich um eine kleine Karte, die eine Kiste voll mit
Welpen178 zeigt, mitten in einer Schneelandschaft (Abb.46) Nun kommt es zu
einigen Widersprüchlichkeiten bei der zeitlichen Einordnung dieser Arbeit und
hinsichtlich der Frage, warum Dalí schon 1936 im Besitz dieser Postkarte war,
oder diese angeblich schon 1932 aus Zürs an Breton geschrieben haben soll.179
Vor 1937 ist Dalí aber mit Sicherheit nicht am Arlberg gewesen und wenn man
alle Komponenten berücksichtigt, hat Dalí auch keine Urlaubsgrüße an Breton
geschickt. Der Schlüssel liegt in Hugnets Arbeit, die auf das Jahr 1936 datiert180
Im Jahr 2010 wurde ein Original der ersten Edition von 1937 bei Sotheby´s in
Paris versteigert und im Katalog finden sich die genauen Angaben, die auf der
Rückseite von Hugnets Arbeit abzulesen sind. Neben der Datierung sind das
auch die Namen der 21 Künstler, die einen Beitrag zu Cartes postales
surréalistes geleistet haben.181 Daher ergibt sich folgendes Bild zur
Entstehungsgeschichte dieser Graphik Dalís: dieser hat sie 1931182 oder 1932
als normale Postkarte an André Breton geschickt, in dessen Nachlass sich das
176
Salvador Dalí, La mélancolie extatique de chiens, gâteuse comme une vertigineuse descente
en ski, 1936, Collage, Gouache/Postkarte, 14 x 9 cm, Verbleib unbekannt.
177
Georges Hugnet, Cartes postales surréalistes, 1937
178
Anm.: Direkte Übersetzung aus dem Titel der arbeit wäre „Hund“, aber da die Tiere
aufeinandersitzen, könnte es sich auch um ein für Welpen typisches Verhalten handeln.
179
Just 2010, S. 52.
180
Jaguer, Edouard: Les mystères de la chambre noire, Paris 1982, S. 69.
181
Auktion bei Sotheby´s Paris am 18.Mai 2010, Books and Manuscripts, Lot 125 (URL:
http://www.sothebys.com/en/auctions/ecatalogue/2010/books-and-manuscriptspf1018/lot.125.html; Zugriff am 03.11.2013).
182
Katalognummer 26, in: Breton, André (Hg.): L´Écart absolu. Katalog zur Ausstellung, Paris
1965.
78
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Original befand und erst 1936 haben sich mehrere Künstler getroffen, um aus
alten Postkarten kleine Arbeiten für Hugnets Collage anzufertigen. Dabei sollte
die spontane Kreativität der Surrealisten unter Beweis gestellt werden und Dalí
konnte die Wirksamkeit seiner Paranoia-Kritischen Methode erneut
vorführen.183 Diese Postkarte ist also aus zwei Gründen besonders interessant.
Zum einen könnte sie ein Indiz dafür sein, dass Dalí bereits Anfang der 30er
Jahre in Kitzbühel gewesen ist, sofern es sich bei der Postkarte nicht doch um
ein Relikt aus Galas erster Ehe mit Eluard handelt – sie war mit ihm ja schon
mehrmals zuvor in Österreich gewesen. Zum anderen ist es ein
außergewöhnlicher Zufall, dass Dalí schon ein Jahr vor seinem Aufenthalt in
Zürs eine Postkarte mit einem Motiv aus den Vorarlberger Alpen bearbeitet hat
und dies Jahre später wieder getan hat, als ihm das paranoia-kritische Bild Don
Quijotes in die Hände fiel.
Die Postkarte aus den Anfängen der 30er Jahre stammt tatsächlich aus dem
Sortiment der Ansichtskartenfirma Risch-Lau, wie das Siegel, ein
monogrammiertes RL, das in ein Dreieck eingestellt ist, verrät. Am linken
unteren Rand steht der Titel Schussfahrt. Ursprünglich war also lediglich die
Schussfahrt dreier Skifahrer am Tannberg bei Lech inszeniert. Das Motiv
wurde vom Hersteller bis in die 60er Jahre verwendet, kursierte aber seit den
dreißiger Jahren184 (Abb.47). Da es sich bei Risch-Lau um eine namhafte
Institution handelt, hätte Dalí die Karte deshalb auch in Kitzbühel kaufen
können. Rein spekulativ könnte man auch vermuten, dass Dalí auf diesem Weg
Breton über seine grauenhaften Erfahrungen auf Skiern berichten wollte.
Kennt man aber nun die Collage, die Dalí aus dieser Karte angefertigt hat, dann
ist das „unschuldige“ Auge des Betrachters passé. Man wird stets nur mehr den
Kopf eines Terriers sehen. Die oberen zwei Skifahrer bilden die Augen, der
untere die Nase, der aufgewirbelte Schnee fungiert als Fell. Dalí lässt diese
ursprüngliche Szene in seiner Arbeit unberührt und arrangiert dann lediglich
die übrigen sechs Hunde drum herum und bastelt eine dazugehörige Kiste, die
als Körbchen dient. La mélancolie extatique des chiens, gâteuse comme une
vertigineuse descente en ski ist das Paradebeispiel eines paranoia-kritischen
Bildes mit Österreichbezug. Erst wenn man das Ausgangsmotiv kennt - so war
es schon bei der erwähnten Postkarte, die eine Hütte im Busch zeigt – ist es
183
184
Katalog zu “Vente Breton”, Auktion bei Calmels Cohen Paris, 14.April 2003, Lot 4017.
Fotosammlung Risch-Lau, Inv.Nr. R-Lau b 200897 (URL: https://vlbkatalog.vorarlberg.at/F/JDRHUJ4RK6VEXQ2F3P2THVKRBUACQX82YTRF16CSR6K
YTFPSXI-29610?func=full-set-set&set_number=002081&set_entry=000009&format=999;
Zugriff am 04.11.2013).
79
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
einem möglich, Dalís Vorgehen zu verstehen. Betrachtet man die Augen und
Münder der Hündchen genauer, lassen sich bei allen noch die ursprünglichen
Umrisse der Skifahrer erkennen. Dalí verändert das Ausgangsmotiv also nur
bis zu einem gewissen Grad, denn obwohl es sich um eine optische Spielerei
handelt, funktioniert diese nur dann, wenn es möglich ist, beim Betrachten
zwischen Ursprung und Verfälschung wechseln zu können. 1944 hat Dalí das
Postkartenmotiv von Risch-Lau nocheinmal verwendet. Für eine Illustration in
der Zeitschrift Town&Country,185 die seinen Roman Hidden Faces bewirbt,
mutieren die drei Skifahrer diesmal zu einem Katzenkopf.
Bis zu diesem Punkt ist die Parnaoia-Kritische Methode ausführlich erläutert
worden, aber es bedarf eben einiger Beispiele, bis man Dalís Praktik versteht
und worin die Unterschiede zu den gängigen optischen Täuschungen liegen.
Diese Methode befähigt quasi, durch den Alltag zu gehen und stets von neuen
Dingen überrascht zu werden, die nicht jeder wahrnimmt. Daraus entsteht also
ein erlebbarer Surrealismus.
Aufschlussreich ist auch der Titel, den Dalí der Karte regelrecht verpasst hat.
Auf Deutsch: Die ekstatische Melancholie der Hunde, vertrottelt wie eine
schwindelerregende Schussfahrt.186 Es ist endgültig: Dalí verachtet den
Wintersport.
4.3.2
Der spanische Nationalheld im Schnee – Dalís zweite paranoiakritische Postkarte vom Arlberg
Dieses Beispiel beweist, dass auch Salvadors Ehefrau Gala ein Gespür dafür
hatte Postkarten zu entdecken, die erstaunliche Doppelbilder zutage brachten.
Es ist darüber hinaus bekannt, dass es eine österreichische Postkarte war, in
welcher Dalí das Portrait des Don Quijote erkannte und dieser Entdeckung eine
kleine Arbeit widmete187 (Abb.48a-b) Dalí äußert sich nicht genauer darüber,
wann sich diese Geschichte zugetragen hat, aber es muss fast während dem
Österreichaufenthalt 1937 am Arlberg gewesen sein. Er war ja mit Gala
gemeinsam unterwegs und das ursprüngliche Postkartenmotiv war, wie sich
gleich zeigt, mit Sicherheit nur regional erhältlich und nicht, wie die
Schussfahrt im vorherigen Beispiel, überregional zu erwerben.
185
Dalí, Salvador: Uncovering Hidden Faces. In : Town&Country, März 1944, S. 117.
Anm.: Übersetzung des Autors; wichtig ist es gâteuse als das Umgangssprachliche Wort zu
übersetzten, dass es auch ist. Also mit vertrottelt und nicht abgeschwächt wie z.B. närrisch.
187
Dalí 1984, S. 339.
186
80
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Don Quijotes Kopf ergibt sich aus einer Straßensituation, wie sie sich am
Flexenpass wiederfindet. Dieser imposante Passübergang, der in den 1930ern
schon durch eine Straße erschlossen war, führt von der Arlbergstraße hinauf
nach Zürs und zählt sicherlich zu einer der eindrucksvollsten
Straßenkonstruktionen Österreichs. Besonders in den 1930ern muss eine
Überquerung im Winter äußerst abenteuerlich gewesen sein. Aber Dalí kannte
ähnliches aus Katalonien, wo sich der Weg nach Cadaques vergleichbar
gestaltete.
Leider war es in diesem Fall nicht möglich, die ursprüngliche Postkarte im
umfassenden Risch-Lau Archiv ausfindig zu machen, aber über den Vergleich
mit ähnlichen Karten ist es leicht nachzuweisen, dass es sich um eine
Lawinengalerie am Flexenpass handelt (Abb.49a-b). Die Aufnahme ist, was die
Schneemassen indizieren, im Winter entstanden. In einer existenten Aufnahme
der Postkarte aus Dalís Buch Das Geheime Leben, lässt sich einiges erkennen.
Im Vordergrund die Spuren im Schnee, rechts die aufgetürmten Schneehaufen,
die zur Seite geschaufelt wurden und dann einer der charakteristischen Tunnel,
die oben mit einem Pultdach abschließen. Rechts, oberhalb der Galerie, lässt
sich eine Bergkette erkennen, die ebenfalls so von der Flexenstraße aus zu
sehen ist. Dank freundlicher Hinweise aus dem Gemeindearchiv Lech/Zürs,
müsste es sich konkret um den ersten Lawinentunnel nach dem Flexentor
handeln.188
Dalí hat die Postkarte dann in einen Kupferstich integriert. (Abb. Arbeit Dalí)
Recherchen haben ergeben, dass es sich ursprünglich um ein Portraitmedaillon
handelt, das den niederländischen Maler Pieter Bruegel glorifiziert. Gestochen
wurde das Blatt 1580 von Egidius Sadeler189 (Abb.50).
Die beiden österreichischen Postkarten, die hier vorgestellt wurden, zeigen also
dass es sich lohnt, auch Dalís kleineren Arbeiten Beachtung zu schenken. Für
diese Masterarbeit, die einen Österreichbezug in Dalís Oeuvre untersucht,
erlangen sie natürlich einen besonderen Stellenwert, überhaupt wenn es nach
Jahrzehnten gelingt, die Orte, mit denen diese Stücke verknüpft sind, ausfindig
zu machen.
188
189
Der entsprechende Ort ist in der Abbildung mit einem Kreis gekennzeichnet.
Anm.: Egidius Sadeler, um 1555 – 1609; in: AKL online (URL:
https://secure.sbg.ac.at/view/AKL/,DanaInfo=.awxyChjmy273p3Mq32+_00117404T1?rske
y=hp6mHM&result=10&dbq_0=egidius+sadeler&dbf_0=aklfulltext&dbt_0=fulltext&o_0=AND#akl_00117404T1_1M; Zugriff am 11.11.2013,
Lizenzpflichtig).
81
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
4.3.3
Der Schuhhut
Salvador Dalí weilte, eigenen Angaben nach, vor 1941 dreimal in Wien.190 Da
er jedes Mal den Vermeer in der Sammlung Czernin zu bestaunen pflegte, ist
anzunehmen, dass die erste Reise nach Wien 1934 stattfand. Die Tatsache, dass
Dalí im selben Jahr damit begonnen hatte, das Sujet aus Vermeers Malkunst in
seinen Gemälden aufzugreifen, muss eine Koinzidenz sein. Ein weiterer
Aufenthalt ist 1937 anzusiedeln, dem Jahr der großen Reise durch Österreich.
Da die Dalís bereits am Semmering waren, von wo aus es nicht mehr weit nach
Wien ist, werden sie vorher oder anschließend der Bundeshauptstadt einen
Besuch abgestattet haben und im Hotel Sacher logiert haben.191
Dalí pflegte bereits zu dieser Zeit eine Freundschaft mit der italienischen
Modeikone Elsa Schiaparelli,192 mit welcher er gerne kooperierte und diverse
Projekte verwirklichte. Über Schiaparelli hat er auch Bettina Bergery
kennengelernt. Vor einigen Jahren bot ein deutsches Auktionshaus eine
Zeichnung Salvador Dalís an,193 die eine elegante Dame, womöglich Gala, mit
einer etwas eigenwilligen Kopfbedeckung zeigt: dem Schuhhut. Die Kreation
ist legendär, taucht in Terry Gilliams Klassiker Brazil von 1985 auf und wirkt
sogar bis zur Widerbelebung der Marke Schiaparelli im Jahr 2013 nach.194 Bei
einem Zeichentrickkurzfilm, der im Herbst 2013 auf der Homepage des
Maison Elsa Schiaparelli gezeigt wurde, wird die Dame mit Schuhhut
unerwartet zum Publikumsliebling. Und einer der ersten Entwürfe zu dieser
schrägen Erfindung Dalís wurde 1937 auf einem Briefpapier des Hotel Sacher
in Wien skizziert (Abb.51).
Ob es tatsächlich der erste war, kann aus heutiger Sicht nicht mehr bestimmt
werden, da es ein weiteres Skizzenblatt Dalís gibt, welches heute im DalíMuseum in St Petersburg, Florida aufbewahrt wird. Heads of Gala195 (Abb.52a)
bildet neben einigen Kopfstudien Galas mit dem Schuhhut auch Details aus
Schwäne spiegeln Elefanten und Die Metamorphose des Narziss ab. Außerdem
taucht auch ein Kopf auf, der eine Kopfbedeckung trägt, die an zwei
190
Dalí 1984, S. 37.
Ebenda, S. 38.
192
Gibson 1997, S. 377.
193
Auktion bei Ketterer Kunst am 30.03.2007, Lot 77 (URL:
http://globoauctions.com/kunst/kd/details.php?obnr=410700580&anummer=318; Zugriff
am 04.11.2013).
194
Vogue, 30.09.2013 (URL: http://www.vogue.de/mode/mode-news/mode-news-marcozanini-uebernimmt-leitung-von-maison-schiaparelli, Zugriff am 04.11.2013).
195
Salvador Dalí, Heads of Gala, um 1937, Bleistift auf Papier, 24,8 x 35,2 cm, Salvador Dalí
Museum, St. Petersburg, USA.
191
82
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
übereinander gefaltete Hände erinnert. Schließlich dürfte diese Skizze
zumindest zeitnah zu jener auf dem Schreibpapier des Hotel Sacher gezeichnet
worden sein, was sich dadurch erkennen lässt, dass in dieser Kritzelei
Bestandteile aus besagten zwei Gemälden auftauchen. Und es gibt eine dritte,
undatierte Skizze, die nur den Torso einer Frau mit Schuhhut wiedergibt.
Dieses Blatt wurde 2009 in einer Auktion196 angeboten und trägt auf der selben
Seite eine kleine handschriftliche Notiz Dalís: Nous arriverons à Paris demain
à 3 ½. (Abb.52b) Vielleicht stammt diese Notiz von der Rückreise aus
Österreich nach Paris im Jahr 1937? Es wäre denkbar.
Letztlich befindet sich noch ein vergleichbares Blatt im Los Angeles County
Museum of Art (LACMA). Shoe Hat197 (Abb.52c) wird zwar auf das Jahr 1937
datiert, ist aber mit Sicherheit nicht in Spanien enstanden, wie das LACMA
anführt,198 da diese Zeichnung einer weiblichen Büste in der Ausführung sehr
dem Portrait Galas auf dem Sacher-Papier ähnelt. Am logischsten erscheint es
daher, dass Dalí alle diese Skizzen in Österreich und kurz danach in Paris
angefertigt hat.
Bleibt noch die spannende Frage zu beantworten, ob denn der Schuhhut nun in
Österreich erfunden wurde. Eines der Originale, ein Exemplar199 aus dem
Nachlass von Galas Tochter Cécile Eluard, befindet sich im Musée de la Mode
in Paris (Abb.53). Dortigen Ansichten zu Folge stammt die Idee des
Schuhhutes bereits aus dem Jahr 1933 und wurde von Dalí 1937 lediglich
erneut aufgegriffen.200 Diese Annahme basiert auf einigen spontanen
Photographien, die Man Ray im Garten des Hauses in Port Lligat von Salvador
gemacht hat, darunter auch einige experimentelle Aufnahmen mit einem
Schuh. Es handelt sich dabei aber bestimmt nicht um die Erfindung des
Schuhhutes. Ganz im Sinn des Dada und Surrealismus und dem Objét trouvé
hat sich Dalí an diesem Tag so ziemlich alles auf den Kopf gesetzt, was in
seiner greifbaren Nähe war. Neben einem Stock, einem Stein und einem Brot
auch einen Schuh Galas. Diesen balanciert er richtig herum auf dem Kinn, setzt
ihn aber nicht wie einen Hut auf. Dalí hatte an diesem Tag, den er zum großen
196
Auktion der Autographenhandlung J.A. Stargardt, 23./24. Juni 2009.
Salvador Dalí, Shoe Hat, um 1937 Bleistift/Papier, 19,05 x 12,06 cm, LACMA.
198
Salvador Dalí, Shoe Hat, in: Onlinekatalog des LACMA (URL:
http://collections.lacma.org/node/184967; Zugriff am 05.11.2013).
199
Elsa Schiaparelli/Salvador Dalí, Chapeau-Chaussure, 1937-1938, schwarzer Filz, Musée de
la Mode de la Ville de Paris.
200
Elsa Schiaparelli/Salvador Dalí, Chapeau-Chaussure, in: Onlinekatalog des Musée de la
Mode de la ville de Paris (URL: http://palaisgalliera.paris.fr/oeuvre/chapeau-chaussureelsa-schiaparelli-en-collaboration-avec-salvador-dali; Zugriff am 05.11.2013).
197
83
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Teil in ein Leintuch gehüllt verbrachte, also eher nicht den Schuhhut erfunden.
Auch von einem Photo das Gala 1932 gemacht hat, rührt diese Erfindung nicht
her (Abb.54). Folglich lässt der aktuelle Forschungsstand vermuten, dass die
Idee erst 1937 in Dalís Kopf gereift war und die oben vorgestellten Skizzen
und Zeichnungen die Anfänge dieses Konzeptes eines Schuhhutes darstellen.
Somit ist die Idee in Österreich enstanden. Der Hut war schon Teil der
Herbstkollektion 1937 und Dalí wird zu den ersten Treffen in Paris schon
vorbereitete Konzepte mitgebracht haben.
Ungeachtet dessen ist der Schuhhut mehr als ein Kunstwerk und gilt noch
heute als eine Ikone der Moderevolution der 30er Jahre. Elsa Schiaparellis
Entwürfe waren elegant und doch ausgefallen und irgendwie das absolute
Gegenteil dessen was Gabrielle „Coco“ Chanel anbot.201 Zu den Kunden des
Maison Schiaparelli Paris zählten Bekanntheiten wie die Herzogin von
Windsor, die für die Vogue in Dalís Hummerkleid posierte. (abb) Deshalb
widmete die Zeitschrift L’Officiel de la Mode et de la Couture den Kreationen
eine ganze Strecke an Aufnahmen des Photographen, mit dem Schuhut als
Titelstar und weiteren Entwürfen der Kooperation Dalí-Schiaparelli.202 Der Hut
war übrigens alles andere als untragbar: Gala gebührte die Ehre ihn als erste zu
tragen und Mrs. Reginald Fellowes führte ihn, kurz nach der Entstehung, zur
Sommersaison der Upperclass in Venedig aus.203
4.4
Gibt es noch mehr zu entdecken? – der Österreichbezug in
Dalís Gesamtoeuvre
Die Kunstwerke, die in dieser Masterarbeit thematisiert werden, stammen alle
aus den Jahren 1934 bis 1938. Reflektiert man über die Ergebnisse zum
Österreichbezug in Dalís Oeuvre, stellt sich die logische Frage, ob es wohl
Beispiele gibt, die zeitlich gesehen früher oder später entstanden sind. Dalís
relevante Reisen nach Österreich fanden alle in den 1930ern statt und könnten
den einzigen Grund für eine Konfrontation mit österreichischen Sujets
darstellen. Dieser wesentliche Faktor würde zu einem anderen Zeitpunkt
fehlen. Andererseits lässt sich in Dalís Arbeitsweise öfters so etwas wie eine
201
Cabasset, Patrick: 1937 : Le monde marche sur la tête! 05.08.2012 (URL:
http://www.lofficielmode.com/2012/08/05/1937-le-monde-marche-sur-la-tte/; Zugriff am
05.11.2013).
202
L’Officiel de la Mode et de la Couture, Oktober 1937.
203
Dalí 1984, S. 113.
84
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
zeitliche Verzögerung zwischen der Entdeckung und der Verwertung eines
Motivs erkennen.
Fakt ist, dass der Österreichbezug nach dem Jahr 1937 nicht abreißt. Als
Paradebeispiel lässt sich einer der Titelentwürfe zu Dalís Roman Hidden Faces
von 1944 aufführen204 (Abb.55a). Als Grundlage dient das Gemälde Die drei
Lebensalter und der Tod 205des deutschen Künstler Hans Baldung, genannt
Grien (Abb.55b). Dalí verändert lediglich den Körper der erwachsenen Frau:
diesen übersäht er mit ins Fleisch geritzten Hakenkreuzen und Ameisen und er
setzt ihr eine Augenmaskierung auf. In den Zwischenraum über der Gruppe
fügt er den Titel Hidden Faces ein. Der relevante Bezug zu Österreich ist über
das originale Gemälde des Grien herzustellen, das sich seit 1806 in der
Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien befindet.206 Es bietet
sich an, dass Dalí die Photographie des Gemäldes in Wien erworben hat. Dies
bestätigt er Jahre danach selbst: gekauft wurde sie bei Wolfrum. 207 Da er
während seiner Aufenthalte gerne durch die Stadt flanierte und Antiquariate
durchstöberte, um den Frust darüber zu kompensieren, Freud nicht getroffen zu
haben,208 hat er das Bild wohl auf einer dieser Touren entdeckt. Berücksichtigt
man also diese Arbeit von 1944, liegt die Vermutung nahe, dass sich in Dalís
nahezu unüberblickbarem Oeuvre weitere Funde ähnlicher Art enthüllen lassen
könnten. So finden sich umgekehrt auch vor 1937 weitere Bezüge zu
Österreich. Ein skurriles Beispiel: Machine à penser209 (Abb.56a), eine
Entwurfszeichnung von 1935, 210 die als Illustration für Das Geheime Leben
Verwendung fand, zeigt den Stuhl Nr. 30 der Wiener Firma Jacob & Josef
Kohn211 (Abb.56b). Der Stuhl, der leicht mit einem Bugholzstuhl der Firma
Thonet verwechselt werden kann, zeichnet sich durch die Raffinessen im
Design aus. Die Lehne besteht aus nur zwei Teilen, von denen einer nahtlos in
die hinteren Stuhlbeine übergeht. Eine klare Übereinstimmung mit dem Stück
in Dalís Entwurfszeichnung.
204
Salvador Dalí, Hidden Faces, 1944, Mischtechnik, 24,8 x 17 cm, Verbleib unbekannt.
Hans Baldung, gen. Grien, Die drei Lebensalter und der Tod, um 1509/10, Öl/Lindenholz,
48,2 x 32,8 cm, KHM Wien.
206
Hans Baldung, gen. Grien, Die drei Lebensalter und der Tod, in: Onlinekatalog des KHM
(URL: http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=96; Zugriff am 06.11.2013).
207
Perrot-Moore 1982, Vorwort.
208
Dalí 1984, S. 38.
209
Salvador Dalí, Machine à penser, 1935, Tinte/Papier, Privatsammlung.
210
Abadie 1979, S. 228.
211
Katalog der Firma Jacob & Joseph Kohn, 1916, S. 8 (URL: http://bugholzmoebel.at/jacobjosef-kohn/; Zugriff am 14.11.2013).
205
85
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Oder man betrachtet den nach vorne gebeugten Mann in dem Gemälde
Apotheker, der mit äußerster Vorsicht die Haut des Konzertflügels lüftet212
(Abb.57a) und auch in andren wie Der Apotheker von Ampurdan, der absolut
nichts sucht213 zu sehen ist. Robert Descharnes zeigt zwar das ursprüngliche
Bild, führt aber keine Herkunft der Photographie an und nennt die Person Dr.
Heisenmenger.214 Das Photo stammt aus einer französischen Fachzeitschrift
und zeigt den ungarisch-österreichischen Mediziner Dr. Rudolf Eisenmenger
beim Betrieb seiner Beatmungsmaschine, einem Vorläufer der heutigen HerzKreislauf-Maschine215 (Abb.57b). Sowohl die Literatur zu Dalí, als auch der
heutigen Eigentümer des Gemäldes führen fälschlicherweise den Leibarzt
Kaiser Frans Joseph I., Dr. Viktor Eisenmenger,216 an,217 um den es sich hier
definitiv nicht handelt.
Dalí hatte aber außer zu Stefan Zweig und Sigmund Freud auch zu zahlreichen
weiteren Österreichern Kontakt. Darunter der surrealistische Maler Wolfgang
Paalen, der Cineast Amos Vogel oder die Künstlerin Angela Aschauer, besser
bekannt als Brenda Star West, Mitglied von Andy Warhols Factory. Weitere
Anknüpfungspunkte sind diverse Projekte, die er mit Österreichischen
Persönlichkeiten oder Institutionen verwirklicht, oder zumindest geplant hat.
Es findet sich zum Beispiel der Hinweis auf den Auftrag für ein Bühnenbild für
eine Produktion der Wiener Staatsoper, die im März 1961 Puccinis Turandot
auf dem Spielplan hatte.218 Die tatsächliche Ausführung ist fraglich, aber
zumindest berichtet die spanische Tageszeitung La Vanguardia im April
1960219 über ein entsprechendes Vorhaben.
212
Salvador Dalí, Apotheker, der mit äußerster Vorsicht die Haut des Konzertflügels lüftet,
1936, Öl/Holz, 30 x 52 cm, Museum Volkwang Essen.
213
Salvador Dalí, Der Apotheker von Ampurdan, der absolut nichts sucht, 1936, Öl/Leinwand,
48 x 62 cm, Privatsammlung.
214
Descharnes, Robert (Hg.): Die Eroberung des Irrationalen. Dalí, Sein Werk – Sein Leben,
Köln 1984, S. 155.
215
L.R. (?) in: La Nature. Revue des Sciences et de leurs application aux artsat a l´industrie,
Journal hebdomadaire illustré, 34. Jhg., 2. Halbjahr, Paris 1906, S. 19-20.
216
Artikel zu Viktor Eisenmenger, in: Vierhaus, Rudolf (Hg.): Deutsche Biographische
Enzyklopädie, 2. Ausg., München 2006, S. 12.
217
Salvador Dalí, Apotheker, der mit äußerster Vorsicht die Haut des Konzertflügels lüftet. In:
Onlinekatalog des Museum Folkwang Essen (URL: http://sammlung-online.museumfolkwang.de/eMuseumPlus?service=direct/1/ResultDetailView/result.inline.list.t1.collectio
n_list.$TspTitleImageLink.link&sp=13&sp=Sartist&sp=SfilterDefinition&sp=0&sp=1&sp
=1&sp=SdetailView&sp=1&sp=Sdetail&sp=0&sp=T&sp=0&sp=SdetailList&sp=0&sp=F
&sp=Scollection&sp=l2952; Zugriff am 12.11.2013).
218
Neuinszenierung, Premiere am 22.Juni 1961. In: Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper
(URL: http://db-staatsoper.die-antwort.eu/performances/2828; Zugriff am 11.11.2013).
219
La Vanguardia, 9. April 1960, S. 35.
86
4 Österreich im Bild – Rezeption der österreichischen Landschaft und Kultur im Oeuvre Dalís
Zu berücksichtigen sind aber auch die Kontakte mit dem Wiener Galeristen
Gerhard Habarta, der die große Dalí-Ausstellung 1982 nach Wien holte, oder
dem Künstler André Heller, zu dessen Projekt Luna, Luna Dalí den Spiegeldom
beisteuerte.
87
5 Resumée
5
Resumée
Salvador Dalí und Österreich sind nachweisbar enger miteinander
verbunden als es die kunsthistorische Forschung bisher angenommen hat.
Dalís Österreichaufenthalt von 1937 war immer schon bekannt und das
Wissen über bestimmte Quellen, wie der Entwurf des Gedichtes zur
Metamorphose des Narziss auf dem Briefpapier eines Hotels in Zürs, waren
immer frei zugänglich. Und dennoch wurde nie in Betracht gezogen, dass
einer der schlussendlich drei Österreichaufenthalte Dalís ein Indiz zur
Identifikation derartig vieler Details in seinem Oeuvre sein kann. Darüber
hinaus geht es nicht darum die betreffenden Gemälde und Arbeiten dadurch
aufzuwerten, dass sie in Österreich entstanden sind, sondern einen
wesentlichen Teil dazu beizutragen die Arbeitsweise des Salvador Dalí und
seine Person für die Forschung besser verständlich zu machen. Denn bisher
konnte es nicht anhand eines konkreten Beispiels und zugleich auf eine
derart minutiöse Art bewiesen werden, dass die permanente Umgebung eine
solch große Auswirkung auf Dalís Werk hatte. Der Zufall bedingt es
wahrscheinlich, dass sich ein österreichischer Autor derart intensiv mit dem
Gemälde Metamorphose des Narziss auseinandergesetzt hat, dass er auf die
Idee kam die Berge im Bildhintergrund mit den Vorarlberger Alpen um
Zürs abzugleichen. Wäre dabei nicht herausgekommen, dass sich tatsächlich
ein Treffer ergibt, hätte es keinen persönlichen Anreiz gegeben, nach
weiteren vergleichbaren Funden zu suchen.
Aufgrund der Fülle an Ergebnissen, die alle anfänglichen Erwartungen an
das Thema übersteigen, steht es außer Zweifel, dass Dalí so etwas wie das
heutige Mind-Mapping praktiziert hat. Allerdings in einem derartigen
Ausmaß, wie es nur ein Genie kann. Aus einem umfassenden Fundus
scheint er dann bei Bedarf auf die passenden Motive zurückgegriffen zu
haben, um diese in seine Arbeiten zu integrieren. Dieser Umstand hat zur
Folge, dass es umgekehrt schwierig ist, diesen Arbeitsvorgang wieder zu
entwirren, aber für einige Schlüsselwerke Dalís, wie beispielsweise
Erfindung der Ungeheuer, konnten mehr als siebzig Jahre nach deren
Entstehung, umfassende Erkenntnisse dazugewonnen werden. Selbst für die
berühmte Idee der brennenden Giraffe gibt es eine neue schlüssige
Sichtweise, wie diese entwickelt wurde.
88
5 Resumée
Es hat sich gezeigt, dass die Dalí-Forschung an einem Punkt angelangt ist,
an dem sie sich darauf fokussieren muss tief verwurzelte Annahmen zu
hinterfragen. Beispielgebend ist die allgemein gültige Meinung zu Dalís
Verständnis der Landschaftsrezeption und die fixe und zugleich
unüberwindbare Idee, dass es immer das Cap de Creus und die Empordà
sein müssen, die den Handlungsrahmen seiner Gemälde bilden. Der
Umstand, dass dem offenbar nicht so ist, wirft die Frage auf, ob es sich mit
anderen Themen nicht ähnlich verhalten könnte. Zumal sich herausgestellt
hat, dass sich in den zahlreichen von Dalí persönlich aufgezeichneten
Anekdoten mehr Wahrheit verbirgt, als lange vermutet wurde. Bevor Fleur
Cowles durch ihre Recherchen im Nachlass Stefan Zweigs beweisen konnte,
dass es tatsächlich zu einem Treffen Dalís mit Sigmund Freud kam, wurde
diese Erzählung als Hirngespinst abgetan. Dabei handelt es sich dabei um
eines der prägendsten Ereignisse in Dalís Leben. Mit Erzählungen zu seinen
Österreichreisen wurde teilweise ähnlich verfahren.
Salvador Dalís Oeuvre ab den 30er Jahren ist von der ParanoiaKritischen Methode geprägt. Die Recherchen zu dieser Arbeit standen ganz
im Zeichen dieser Methode und dem persönlichen Versuch, ein wenig wie
Dalí zu denken. Der Schlüssel zu dieser Vorgehensweise liegt in einem Zitat
Dalís versteckt:
Es ist richtig, dass ich mich mein Leben lang der Fotografie
bedient habe. Ich habe schon vor Jahren erklärt, dass die
Malerei nur eine von Hand gefertigte Farbfotografie ist […].
Alle großen Kunstwerke, die ich bewundere, sind nach
Fotografien entstanden.220
Dalí hat nicht nur die Kunst der alten Meister, sondern auch stets seine
eigenen Kunstwerke bewundert und so gibt es wohl noch viel zu entdecken.
220
Perrot-Moore 1982, Kat.Nr. 33.
89
Abbildungen
Abbildungen
Anmerkung zum Abbildungsteil
Aufgrund der derzeitigen rechtlichen Lage, hält die Fundacío GalaSalvador Dalí in Figueres die exklusiven und ausnahmslosen Rechte an
allen Arbeiten des Künstlers. Der rein wissenschaftliche Rahmen dieser
Masterarbeit gestattet es, jegliche verfügbare Abbildung zu verwenden.
Obwohl die Photographien der Stiftung mit einem Wasserzeichen versehen
sind, werden diese aber bei Gemälden Dalís, vor allem aus qualitativen
Gründen, benutzt. Ausgenommen davon sind Details aus diesen Gemälden.
Die Rechte der übrigen Abbildungen werden, sofern sie nicht frei
zugänglich sind oder bei den jeweiligen Museen liegen, im abschließenden
Abbildungsnachweis erläutert.
Bei Kunstwerken werden außer Künstler, Titel und Entstehungsjahr nur
dann genau Angaben genannt, sofern diese noch nicht in den Fußnoten
innerhalb der Arbeit aufgeführt werden.
90
Abbildungen
1. Salvador Dalí, Metamorphose des Narziss, 1937
Abbildungen
2. Salvador Dalí, Die Erfindung der Ungeheuer, 1937
Abbildungen
3. Salvador Dalí, The City of Drawers, 1936
Abbildungen
4. Gentile Bellini, Sultan Mehmet II., 1480, Öl/Leinwand, 70 x 52 cm,
National Gallery, London
5. Vincent van Gogh, Ernte in La Crau, 1888, Öl/Leinwand, 73 x 92 cm,
Rijksmuseum Vincent van Gogh, Amsterdam
Abbildungen
6. Roelant Savery, Karstige Gebirgslandschaft mit Flusstal, 1629, Feder/Papier,
18,8 x 25,7 cm, Albertina, Wien
7. Leonardo da Vinci, Sturm in einem Alpental, ca.1508/10, Kreide/Papier,
19,8 x 15 cm, Royal Collection, HM Queen Elizabeth II.
Abbildungen
8. Joos de Momper, Große Gebirgslandschaft, ca. 1620, Öl/Leinwand,
226 x 327 cm, Sammlung Liechtenstein, Wien
9. Franz Marc, Das Arme Land Tirol, 1913
Abbildungen
10. Cover des Time Magazine vom 14. Dezember 1936
11. Harpo Marx mit Salvador Dalí 1937
Abbildungen
12. Salvador Dalí an André Breton, 27. März 1937
13. Salvador Dalí, Der Brotkorb, 1926
Abbildungen
14. Johannes Vermeer, Die Malkunst, um 1666/68
Abbildungen
15. Still aus L´Age d´Or, 1930
16. Max Ernst, Au rendez-vous des amis, 1922
Abbildungen
17. Bettina Bergery in Skikleidung von Elsa Schiaparelli, frühe 1930er
18. Salvador Dalí, Portrait einer Unbekannten (wohl Bettina Bergery), 1934
Abbildungen
19. Aufnahme von 1934 aus Das Geheime Leben des Salvador Dalí
20. Salvador Dalí an René Magritte, 3. Februar 1937
Abbildungen
21. a-b Salvador Dalí an Pablo Picasso, 11. April 1937
Abbildungen
21. c Salvador Dalí an Chick Austin, 12. April 1937
22. Narcissus poeticus
Abbildungen
23. Wintersporthotel Alpenrose-Post in Zürs, 1950er
24. a Parziltal, 1927
Abbildungen
24. b Valuga mit Rockspitz
25. Metamorphose des Narziss, Detail des rechten oberen Bildrandes
Abbildungen
26. Salvador Dalí, Entwurf zu Metamorphose des Narziss, 1937
Abbildungen
27. Eintrag im Kalender Stefan Zweigs vom 19. Juli 1938
28 Eric Schaal, Gala und Salvador Dalí, vermutlich Anfang 1937
Abbildungen
29. 20-Schilling Geldschein mit Polleroswand, Serie 1968
30. Salvador Dalí, Entwurf auf Briefpapier des Südbahn-Hotel, ca. 1937,
Privatsammlung
Abbildungen
31. Werbebild der Firma Ittner, Südbahnhotel mit Blick zur Rax, um 1925
32. a-b Still aus L´Age d´Or, 1930
Abbildungen
33. a-b Salvador Dalí, Paar die Köpfe voller Wolken, oben 1936, unten 1937
Abbildungen
34. Salvador Dalí, Entwurf zu einem Projekt mit Harpo Marx, 1937,
Kohle/Gouache/Papier, 60 x 46 cm, Salvador Dalí Museum, St. Petersburg, Florida
35. Cover des American Weekly vom 9. Jänner 1938
Abbildungen
36. Salvador Dalí, Die brennende Giraffe 1937
37. Einladungskarte Renou & Colle, 30. Juli 1937
Abbildungen
38. Salvador Dalí, Brennende Giraffe, 1937, Gouache/Papier, Privatsammlung
39. Absturz des Luftschiffs Hindenburg am 6. Mai 1937 in Lakehurst
Abbildungen
40. a Salvador Dalí, Entwurf zu The City of Drawers, 1936, Grafitstift/Papier,
35,2 x 52,2 cm, Art Institute of Chicago
40. b Salvador Dalí, Entwurf zu The City of Drawers, Tinte/Papier, 32 x 41,5 cm,
Privatsammlung
Abbildungen
41. The City of Drawers, Detail des rechten oberen Bildrandes
42. St. Canisius in Wien
43. Hotel Mozart in Wien IX.
Abbildungen
44. Dalís Gemälde im Jeu de Paume, nach der Beschlagnahmung durch den ERR
45. Salvador Dalí, Studie von Pferden und Frauen, ERR-Inventar
Abbildungen
46. Salvador Dalí, La mélancolie extatique de chiens, 1936
47. Schussfahrt, Ansichtskarte des Verlages Risch-Lau, undatiert
Abbildungen
48. a Postkarte die Dalí 1937 am Arlberg erworben hat
48 b Salvador Dalí, Don Quijote aus Das Geheime Leben des Salvador Dalí
Abbildungen
49. a-b Flexenstraße, Ansichtskarten des Verlages Risch-Lau, 1965 und 1948
Abbildungen
50. Egidius Sadeler, Portrait Pieter Bruegel d.Ä., 1580, Kupferstich,
Bibliothèque Royale, Brüssel
Abbildungen
51. Salvador Dalí, Femme au Chaussure, ca. 1934/37, Kugelschreiber/Papier,
18 x 13,5 cm, Privatsammlung
52. a Salvador Dalí, Kopfstudien Galas, 1937/38, Stift/Papier, 24,8 x 35,2 cm,
Salvador Dalí Museum, St. Petersburg, Florida
Abbildungen
54. b Salvador Dalí, Skizze, ca. 1937, Privatsammlung
54. c Salvador Dalí, Shoe Hat, um 1937
Abbildungen
53. Elsa Schiaparelli / Salvador Dalí, Chapeau Chaussure, 1937/38
54. Salvador Dalí in seinem Garten in Port Lligat, 1932
Abbildungen
55. a-b Salvador Dalí, Coveretwurf zu Hidden Faces von 1944 und das Gemälde
von Hans Baldung, gen. Grien im KHM in Wien
Abbildungen
56. a Salvador Dalí, Machine à Penser aus Das Geheime Leben des Salvador Dalí
56. b Bugholzstuhl Nr. 30 der Firma Jacob & Joseph Kohn, 1960
Abbildungen
57. Salvador Dalí,
Apotheker, der mit äußerster Vorsicht die Haut des Konzertflügels lüftet, 1936
57. b Dr. Rudolpf Eisenmenger in einer französischen Fachzeitschrift, 1906
Abbildungsnachweis
Abbildungsnachweis
Artprice.com: Abb. 51, 54 b
Association Atelier André Breton: Abb. 12, 37, 46
Binoche et Giquello, Paris: Abb. 30
bugholzmoebel.at: Abb. 56 b
Bundesarchiv der Bundesrepublik Deutschland: Abb. 44, 45
Dumont Verlag: Abb. 54
Fundacío Gala-Salvador Dalí: Abb. 26
Gallimard: Abb. 21 a-b
Guggenheim Museum, New York: Abb. 9
Habarta Kunsthandel & Verlag: Abb. 55 a
International Autograph Auctions Ltd.: Abb. 20
Los Angeles County Museum of Art: Abb. 54 c
Media Wien: Abb. 42
Musée de la Mode de la Ville de Paris: Abb. 53
Museum Ludwig, Köln: Abb. 16
Schirmer/Mosel: Abb. 19, 28, 40 b, 48 a-b, 56 a
Sotheby´s Auctions, New York: Abb. 38
Thomas Reinagl, Wien: Abb. 31
Time Inc.: Abb. 10
Vorarlberger Landesbibliothek: Abb. 23, 47, 49 a-b
Wadsworth Athaneum, Hartford: Abb. 21 c
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