Geschichte des Indigos

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Geschichte des Indigos
Geschichte des Indigos
Andreas Dutly
Inst.f.Chemie-/Bioingenieurwissenschaft ETH-Zürich
ETH-Hönggerberg
8093 Zürich
Versuchen Sie nicht nur, leichte Arbeiten zu
machen, wenden Sie sich vor allem
schwierigen Fragen zu
Adolf von Baeyer
Indigo - von diesem Wort ging über Jahrhunderte eine
grosse Faszination aus. Indigo, das war einst der teure
Farbstoff aus fernen Ländern, der den Menschen die blaue
Farbe brachte, die sie überall in der Natur sahen , aber
lange Zeit nicht herstellen konnten. Indigo ist auch ein
Meilenstein in der Entwicklung der modernen Technischen
Chemie. Auch heute ist es noch fesselnd, die Spur dieser
Substanz in Kultur, Wissenschaft und Technik zu
verfolgen. Der entscheidende Durchbruch zur
synthetischen Herstellung von Indigo erfolgte 1890 an der
ETH in Zürich. Auf der Suche nach Blau wurde als
Nebenprodukt auch eines der ersten erfolgreichen
Medikamente gefunden.
1. Physikalische Eigenschaften:
Der systematische Name ist 2,2‘-Biindolinyliden-3,3‘-dion
(C16H10N2O2)
Abbildung 1: Indigo.
Das Molekulargewicht beträgt 262,26 g/mol. Die dunkelblauen
Kristalle haben einen Schmelzpunkt von 390-392°C. Schon bei
170°C beginnt Indigo unter Bildung von kupferroten Prismen
zu sublimieren. Indigo ist in Wasser, Ethanol, Ether und
verdünnten Säuren unlöslich, in konzentrierter Schwefelsäure
mit grüner, beim Erwärmen mit blauer Farbe löslich. Dabei
entsteht die 5,5'-Disulfonsäure (Indigocarmin), ein
wasserlöslicher Farbstoff für Wolle und Seide mit
mangelhaften Licht- und Wascheigenschaften, der langezeit als
Lebensmittelfarbstoff verwendet wurde. Das
Absorptionsmaximum von Indigo in Ethanol liegt bei 606 nm
(log e: 4,23)
Der hohe Schmelzpunkt und die schlechte Löslichkeit finden
eine Erklärung in der Kristallstruktur. Aus
Röntgenuntersuchungen ergibt sich, dass der Indigo im festen
Zustand ein Wasserstoffbrücken-Polymer bildet; jedes
Indigomolekül ist an vier umgebende Moleküle gebunden.
Durch Reduktion in Gegenwart von Alkalien mit Dithionit
(Hydrosulfit), Hydroxyaceton, Zinkstaub, katalytisch
angeregtem Wasserstoff oder durch biochemische Reduktion
(Gärungsküpe) entsteht Leukoindigo (Indigoweiss), ein
weisser kristalliner Körper, der sich in Alkalien mit gelber
Farbe löst und an der Luft wieder zu Indigo oxidiert wird.
Dieser Vorgang ist die Grundlage der Küpenfärberei.
Der Indigo gehört in die Klasse der Carbonylfarbstoffe. In
dieser Klasse werden alle Farbstoffe, die mindestens zwei
miteinander in Konjugation stehende Carbonylgruppen
besitzen, zusammengefasst. Weiter gehören auch die
Anthrachinonfarbstoffe in diese Gruppe.
Die Beliebtheit des Indigos bis auf den heutigen Tag ist seiner
recht guten Wasch- und Lichtechtheit zu verdanken, wenn
auch modernere Küpenfarbstoffe ihm deutlich überlegen sind.
Auf Wolle ist seine Lichtechtheit vorzüglich. Bei längerer und
intensiver Lichteinwirkung verblasst die Färbung, doch es
bilden sich keine missfarbigen Abbauprodukte wie bei anderen
Blaufarbstoffen.
2. Geschichte des natürlichen Indigos:
Schon in prähistorischer Zeit hat der Mensch Pelze, später
Textilien und andere Gegenstände gefärbt. Als Farbstoffe
dienten Naturstoffe, vor allem pflanzlichen, aber auch
tierischen Ursprungs. In ägyptischen Keilschriften findet man
genaue Anleitungen zur Gewinnung von Naturfarbstoffen und
deren Anwendung. Doch lange Zeit fehlte das Blau. Die
damaligen Menschen sahen überall blau um sich herum: am
Himmel, im Wasser. Und manche Blüte und Frucht ist intensiv
blau. Doch ist das eine Blau nicht greifbar, das andere nicht
beständig.
Die Natur hatte zwar mehrere Möglichkeiten bereit, doch
mussten sie zuerst durch spezielle Technologien gefunden und
erschlossen werden. Man kann mit Recht behaupten, dass diese
Prozesse die ersten biotechnologischen Verfahren darstellten.
Unabhängig voneinander wurde die Blaufärberei mit
Ausnahme von Australien und dem Süden von Afrika - ausser
Madagaskar - auf allen Kontinenten betrieben. Die Grundlage
dazu bildeten viele Pflanzenarten, von denen zwei besonders
wichtig waren.
2.1 Der Färberwaid
In unseren Breiten wächst ein Kreuzblütler mit dem
lateinischen Namen Isatis tinctoria. Der deutsche Name
Färberwaid zeigt, wofür diese Pflanze lange Zeit verwendet
wurde. Es handelt sich um eine zweijährige Pflanze, die bis 1,2
m hoch werden kann. Die Pflanze enthält in ihren Blättern und
Stengeln einen Stoff der durch geeignete Behandlung eine
blaue Farbe ergibt. Dieser Färberwaid war seit der frühen
Eisenzeit im europäischen Raum stark verbreitet. Eine
Verwendung bei den Kelten Britanniens wird 54 v. Chr. von
Julius Caesar in “De Bello Gallico” beschrieben: “Omnes
vero se Britanni vitro inficiunt, quod caeruleum efficit
colorem, atque hoc horribiliores sunt in pugna aspectu“ (Alle
Briten malen sich mit Waid an, der wild wächst und einen
blauen Farbton produziert. Das gibt ihnen in der Schlacht ein
schreckliches Aussehen). Die Misserfolge der Römer auf der
britischen Insel dürften aber nicht alleine auf dieser Tatsache
beruhen
Abbildung 2: Isatis tinctoria
Wie andere Färberpflanzen auch, erlebte der Waid im Laufe
der Jahrhunderte eine Entwicklung von der Verwendung in der
bäuerlichen Hausfärberei über die Kultivierung in Hofgütern
und Klostergärten bis hin zum planmässigen Anbau. Der
kommerzielle Anbau von Färberwaid in Europa erlebte seine
Blüte im 13. Jahrhundert. Die Hauptanbaugebiete lagen im
Elsass und in Thüringen.
Der Farbstoffgehalt hängt stark vom Klima und den
Bodenverhältnissen ab. Die Bauern waren nicht nur für den
Anbau und die Ernte zuständig. Sie zermahlten die geernteten
Blätter zu einem Brei, der zur Gärung gebracht wurde. Nach 2
Wochen, in denen die Masse mehrmals zu wenden war, formte
man die sogenannten Waidkugeln oder Blaukörner, die
getrocknet wurden.
Ein weiteres Verarbeiten war den Bauern verboten und durfte
nur von den Waidhändlern durchgeführt werden. Diese
zerkleinerten die Waidkugeln und die Masse wurde durch
Anfeuchten mit Wasser und Urin einer weiteren Gärung
unterworfen. Strenge Auflagen waren mit dieser stinkenden
Arbeit verbunden; so durfte diese Gärung unter Androhung
von schweren Strafen nicht an Festtagen durchgeführt werden.
Das Endprodukt dieser nochmaligen Gärung wurde dann in
Fässern, meist auf dem Landwege, über weite Strecken zu den
Verbrauchern transportiert. Haupthandelsplätze für Waid
waren Frankfurt, Nürnberg, Köln und Speyer.
Waid war in Europa mit Abstand der wichtigste Farbstoff des
Mittelalters. So verpflichtete Karl der Grosse schon im 8.
Jahrhundert alle seine Meier-Höfe zum Anbau einer gewissen
Fläche Färberwaid. Dadurch sollte wohl die Eigenversorgung
gesichert werden und es konnten - um in modernen Kategorien
zu denken - auch Devisen gespart werden.
2.2 Indigofera tinctoria
In den tropischen und subtropischen Gebieten gibt es eine
Schmetterlingsblütlerart, die Indigofera tinctoria, die
gegenüber der Färberwaid mehr und qualitativ besseres Blau
ergibt. Spuren der Blaufärberei lassen sich in Indien und China
bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. nachweisen. Auch die Aegypter
kannten die Kunst des Färbens mit Indigo. In Grabkammern
fand man Mumien, die in blaugefärbte Bänder eingewickelt
waren. Indigo wurde schon im 1. Jahrhundert v. Chr. in der
Medizin als Adstringens (zusammenziehendes Mittel) bei
Entzündungen und Geschwülsten, aber auch zur Reinigung
und Heilung von Wunden verwendet. Bedingt durch den
eingeschränkten Handel mit dem Orient war in der Antike und
im Mittelalter der Indigo in Europa fast unbekannt und wurde
aufgrund des hohen Preises nur als Malerfarbe verwendet.
Die ersten sicheren Angaben über die orientalische Färbekunst
von Textilien brachte um 1300 der Venezianer Marco Polo
(1254-1324) von seinen Reisen mit. Er beschreibt in seinen
Reiseberichten die Gewinnung von Indigo im Königtum
Kulam an der Westküste Indiens und erwähnt Gujarat und
Cambai in Nordwestindien als Zentren der Indigofabrikation.
Weitere Hauptanbaugebiete befanden sich auf den
Sundainseln, besonders auf Java. Diese Pflanze wurde dann
jahrhundertelang in Indien, Indonesien und viel später durch
die europäische Kolonisation auch auf den Antillen und in
Amerika in grossen Mengen landwirtschaftlich angebaut.
Abbildung 3: Indigofera tinctoria
Die abgeschnittenen Pflanzen wurden zusammen mit Wasser
und verschiedenen Zugaben bei einer Temperatur von 35°C
vergoren. Nach etwa 18 Stunden wurde die Flüssigkeit in ein
tiefergelegenes Becken abgelassen, wo sie mit Ruten oder
Holzlatten während einiger Stunden geschlagen wurde (Abb.
4). Der Sauerstoff, der durch diese Behandlung in die Lösung
gelangt, oxidiert das lösliche Indoxyl zu Indigo. Gleichzeitig
treibt er störendes Kohlendioxid, das sich bei der Gärung
gebildet hat, aus. Der wasserunlösliche Farbstoff scheidet sich
allmählich in Form von blauen Flocken ab. Diese Flocken
wurden gesammelt, getrocknet und in Stücke gepresst.
Abbildung 4: Indigogewinnung auf Java
2.3 Gemeinsamkeit - das Blau
Chemisch gesehen interessant an diesen beiden Pflanzen ist,
dass der blaue Farbstoff in einem farblosen Vorprodukt
vorkommt, das wir heute Indoxyl nennen:
Abbildung 5: Gemeinsames Blau.
An dieses Indoxyl ist, je nach Pflanze, ein Zuckermolekül
chemisch gebunden (Abb. 5). Durch einen
Fermentationsprozess muss diese Bindung zunächst gelöst
werden. Beim Waid wurde das zerstossene Pflanzenmaterial
unter Zugabe von Urin vergoren. Dieser Prozess wurde in
Kübeln durchgeführt; entsprechend nannte man die
entstandene Brühe Küpe. Daraus leitet sich der auch heute
noch gebräuchliche Begriff ¨Küpenfarbstoff¨ ab.
Tränkt man nun Textilmaterial mit dieser farblosen Brühe und
legt es dann an die Sonne, so erscheint die blaue Farbe (Abb.
6).
Abbildung 6: Vom Indoxyl zum Indigo.
Natürlich wussten die damaligen Färber nichts von
Reduktions- und Oxidationsvorgängen. Die
Arbeitsvorschriften waren ein streng gehütetes Geheimnis der
Färberzünfte und legten den Arbeitsablauf genau fest. Auch
blieb die chemische Identität der beiden blauen Naturstoffe
lange Zeit unbekannt.
Beide natürlich vorkommenden Indigo waren mit Indigotin,
dem cis-Isomeren, und Indirubin (Indigorot) verunreinigt. Die
Zusammensetzung variierte stark und verlangte von den
Färbern viel Erfahrung beim Umgang mit diesen Stoffen.
2.4 Untergang des Färberwaid
Nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien im Jahre 1498
durch Vasco da Gama fand der asiatische Indigo durch
portugiesische Handelsleute schnell Zugang nach Europa. Die
Portugiesen nannten den neuen Handelsstoff Anil, nach dem
altindischen Wort “nilah“, was schwarzblau bedeutet.
Anfänglich bereitete der Umgang mit diesem neuen Indigo
grosse Schwierigkeiten. Zur Ueberführung in die zum Färben
geeignete Leukoform (so nennt man die reduzierte Form des
Farbstoffes) verwendete man zunächst Operment
(Arsensulfid); eine Methode, die vermutlich von den indischen
Färbern übernommen wurde. Operment - auch Rauschgelb
genannt - war aus der Schwarzfärberei bekannt, da Arsensulfid
mit Eisen einen schwarzen Niederschlag bildet. Das Arbeiten
war für den Färber mit grossen gesundheitlichen Risiken
verbunden und die ätzende Wirkung des Operment auf die
Faser trug dem Indigo bald den Ruf als "Corrosivfarbe" ein.
Später verwendete man eine Vitriolküpe aus Eisensulfat und
Kalk zur Reduktion des Indigos. Eisenvitriol machte aber die
Fasern hart und brüchig und führte zu einer Schädigung des
Gewebes. Aus diesen Gründen - und wohl auch zum Schutz
der Waidbauern - wurde diese "fressende Teufelsfarbe" in
einer kaiserlichen Reichspolizeiverordnung 1577 verboten und
das Färben sowie das Anbieten von gefärbten Stoffen unter
Strafe gestellt. Frankreich ging schon 1558 einen Schritt weiter
und untersagte die Indigofärberei bei Androhung der
Todesstrafe. Einzig in England, wo nur wenig Waid angebaut
wurde, stiess der Indigo auf keine Abwehr.
Trotzdem wurde mit Indigo weiterexperimentiert. Häufig
verwendeten die Blaufärber eine Waidküpe, indem sie beim für
Waid üblichen Verfahren blieben und einfach die grösste
Menge des Waides durch asiatischen Indigo ersetzten. Bald
kamen neue, einfachere Gärungsküpen hinzu (etwa die
Pottasche- und Sodaküpe) und die alte Urinküpe spielte nur
noch eine untergeordnete Rolle. Die Urinküpe ist nur schwach
alkalisch und eignete sich besonders für das Färben von Wolle,
da diese besonders empfindlich auf hohe pH-Werte reagiert.
Besonders in der bäuerlichen Hausfärberei blieb die Urinküpe
bis in unser Jahrhundert erhalten.
Je besser man den Umgang mit dem asiatischen Indigo
beherrschte, um so mehr trat der Waid in den Hintergrund. Die
Portugiesen wurden in Indien durch die Holländer verdrängt
und mit der Gründung der Ostindischen Handelsgesellschaft
im Jahre 1602 wurde die Indigoeinfuhr aus Indien und
Indonesien nach Europa intensiviert. Die Spanier führten dann
die Indigopflanze auch in den von ihnen besetzten Gebieten in
Mittel- und Südamerika ein und es entstanden dort grosse
Indigoplantagen. Und damit begann auch das Leiden und
Sterben tausender von Sklaven, die von Afrika aus in die neu
angelegten Plantagen gebracht wurden. Frankreich förderte den
Anbau auf San Domingo, ihrer wichtigsten Besitzung in
Westindien, und die Engländer gründeten um 1700 die ersten
Indigoplantagen in Karolina.
Der Untergang des in Europa noch in hoher Blüte stehenden
Färberwaid-Indigos war damit trotz grossem Widerstand der
Waidbauern besiegelt (damals gab es noch keine EG mit ihrer
Agrarordnung). Insbesondere der Ausbruch des 30jährigen
Krieges im Jahre 1618 führte zu einer Verknappung des
Waides, da viele Waidacker nicht mehr richtig bestellt werden
konnten oder zur Gewinnung von Nahrungsmitteln genutzt
wurden. In diese Lücke trat nun der weitaus billigere und
qualitativ bessere asiatische Indigo.
Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien (1783)
intensivierte England den Indigoanbau in Bengalen. Nach dem
Aufstand der Mulatten und Neger in San Domingo (1795)
eroberte sich Grossbritannien eine Monopolstellung im
Indigohandel. Darauf versuchte Napoleon I durch Förderung
des Waidanbaus und mit einer Importsperre englischer
Produkte zu antworten. Er setzte 1810 einen Preis von 425 000
Franken für die Verbesserung der Waidfärberei oder das
Auffinden einer leicht anbaubaren Ersatzpflanze aus. Ein Jahr
später wurde der Waidanbau in ganz Frankreich gesetzlich
angeordnet. Doch alle diese Bemühungen führten infolge der
nur noch kurzen Lebensdauer des Kaiserreiches zu keinem
Erfolg.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts erlebte die Indigoproduktion
dank dem intensiven Anbau in Britisch-Indien eine
beträchtliche Steigerung. Rund 75 % der Weltproduktion
stammten aus diesem Gebiet. Java und Ceylon, Guatemala,
San Salvador, Nicaragua, Mexico und Venezuela waren
weitere wichtige Exportländer. Wie alle Monokulturen waren
auch die grossen Indigoplantagen anfällig für Schädlinge und
nicht selten wurde die ganze Ernte vernichtet.
In ganz Europa wurde nun mit diesem natürlichen Farbstoff
aus fernen Ländern Blaufärberei betrieben. Auch in unserer
Sprache hat sie Spuren hinterlassen. Nach zwölfstündigem
arbeitsintensiven Ansetzen der Küpe und der Behandlung des
textilen Materials in der Küpe folgte das ebenso lange Hängen
an der Luft. Sonntags wurde nicht gearbeitet; so lag das
Färbegut einen Tag mehr in der Küpe. Am Montag wurde dann
“Blau gemacht“. Man begann die neue Arbeitswoche also
eher gemächlich und wir kennen heute noch die Bezeichnung
vom “blauen Montag“.
1897 betrug die Weltproduktion von natürlichem Indigo neun
Millionen Kilogramm. In Indien umfasste die Anbaufläche für
Indigo rund 650 000 Hektaren. Kalkutta wurde zum
wichtigsten Handelsplatz für Indigo.
Die reinsten Sorten des natürlichen Indigos enthielten bis 90%
Farbstoff und stammten vorwiegend aus Java. Bei schlechteren
Sorten betrug der Farbstoffgehalt 20% oder weniger. Es ist
klar, dass versucht wurde, dieses kostbare Handelsprodukt
durch Zugabe von Stärke, Berlinerblau, Russ, Harz und
zerkleinerten, blauen Woll- und Seidenstoffabfällen zu
strecken.
Einen weiteren Aufschwung erlebte die Indigofärberei 1873.
Der französische Chemiker Paul Schützenberger* (18291897) entdeckte die hydroschweflige Säure und das als starkes
Reduktionsmittel wirkende Natriumhydrosulfit. Damit begann
eine neue Epoche in der Geschichte der Küpenfärberei.
Erstmals war es möglich, die Indigoküpe in einfacher und
sicherer Form anzusetzen, besonders später mit dem, einen
konstanten Farbstoffgehalt aufweisenden, synthetischen
Indigo. In kurzer Zeit (kalt in 60 Minuten, bei Erwärmen in 30
Minuten) war die Reduktion vollzogen.
An dieser Stelle eine kurze Nebenbemerkung. Im Auftrage
eines Amsterdamer Handelsgeschäftes war ein tüchtiger
Kaufmann in Russland im Indigogeschäft tätig. Dieser brachte
es dank der grossen Nachfrage schnell zu Reichtum und konnte
es sich leisten, sich ganz seiner Leidenschaft, der Archäologie,
zuzuwenden. So stehen die Ausgrabungen von Heinrich
Schliemann in Troja (1870) und Mykene in einem
nachweisbaren Zusammenhang mit dem Indigo.
Während der Indigo immer noch Höchstpreise erzielte, war
sein Schicksal schon besiegelt. Mit der Gründung der
Teerfarbenindustrie begann eine Umwälzung, die die Färberei
völlig umgestalten und die Herrschaft der synthetischen
Farbstoffe begründen sollte.
3. Strukturaufklärung und Synthese
Allmählich begann sich die wissenschaftliche Chemie mit dem
Indigo zu befassen. Die einfachste Reinigungsoperation für
eine Substanz bestand darin, sie zu verdampfen und wieder zu
kondensieren. 1826 versuchte der Apotheker Otto
Unverdorben* dieses Verfahren mit Indigo. Die Substanz
zersetzte sich dabei und Unverdorben nannte das flüssige
Zersetzungsprodukt in Anlehnung an die portugiesische
Sprache Anilin.
Abbildung 7: Abbau zum Anilin.
Damit war der Weg für einen neuen, wichtigen Industriezweig
vorgezeichnet. Manche Firmen tragen heute noch das Anilin
im Firmennamen, so z.B. die Badische Anilin und
Sodafabrik (BASF) oder die Aktiengesellschaft für
Anilinfarben (AGFA).
1841 wurde durch Abbau unter milderen Bedingungen aus
dem Indigo die Anthranilsäure gewonnen. Weitere
Abbaumethoden führten später zum Indol und zum Isatin. Die
Namen dieser Substanzen verraten den ursprünglichen
Zusammenhang mit den natürlichen Farbprodukten (Abb. 8).
Nun erst wurden auch die chemischen Zusammenhänge
zwischen dem Färberwaid und dem asiatischen Indigo erkannt.
Abbildung 8: Abbau zu Indol und Isatin.
1865 beginnt Adolf von Baeyer* mit der Strukturaufklärung
und Synthese des Indigos. Seine ersten Erfahrungen mit Indigo
machte Baeyer schon mit 13 Jahren, als er mit seinem
Taschengeld ein Stück davon kaufte und nach dem
Chemiebuch von Wöhler weiterverarbeitete.
Bis zum Abschluss dieser Arbeiten sollten 15 Jahre vergehen.
Einen ersten Erfolg erzielte Baeyer schon 1866, als es ihm
durch Zinkstaubdestillation gelang aus dem Indigo Indol
herzustellen. 1870 stellte er den ersten synthetischen Indigo
durch Chlorierung und anschliessende Reduktion von Isatin
her. Da aber das Isatin durch Oxidation von Indigo erhalten
wurde, stellte sich nun das Problem nach einer machbaren
Isatinsynthese. Es brauchte weitere 8 Jahre bis die Herstellung
von Isatin aus Phenylessigsäure glückte und die erste wirkliche
Vollsynthese von Indigo erfolgte am 6. Juni 1878. Doch die
genaue Struktur von Indigo blieb immer noch unbekannt. Bei
seinen Arbeiten wurde Adolf von Baeyer stark vom damaligen
technischen Direktor der BASF, Heinrich Caro, unterstützt. Es
entwickelte sich für Jahre eine gute Zusammenarbeit zwischen
Hochschule und Farbstoffindustrie. Es folgte eine Zahl von
weiteren Synthesen für Indigo, die allerdings wegen den
kleinen Ausbeuten und den Kosten für die Edukte technisch
nicht machbar waren.
Im Jahre 1880 glückte Baeyer eine neue Herstellungsmethode
aus Zimtsäure (Abb. 10). Es zeigte sich bald, dass zur
Herstellung von Indigo, Isatin und Indol die Zimtsäure ein
besseres Ausgangsmaterial war alle bisher verwendeten. Am
19. März 1880 wurde die erste Indigosynthese ausgehend von
o-Nitrozimtsäure patentiert (Deutsche Patentschrift 11 857)
Abbildung 9: Adolf von Baeyer
Abbildung 10: Erste Indigosynthese nach Adolf von Baeyer.
Ein weiteres von Baeyer im Jahre 1883 patentiertes Verfahren
geht von o-Nitrobenzaldehyd aus (Abb. 11). Mit Hilfe dieser
Synthese konnte nun erstmals die Struktur von Indigo
eindeutig festgelegt werden. Baeyer konnte befriedigt
bemerken, dass nun jedes Atom im Molekül seinen Platz
gefunden hat. Die genaue Struktur - nämlich die trans-Form konnte erst nach dem Tod von A. von Baeyer durch
Röntgenstrukturanalyse im Jahr 1928 einwandfrei festgestellt
werden. Mit 4-Brom-2-nitrobenzaldehyd als Edukt konnte
später mit dieser Methode das 6,6'-Dibromindigo (Purpur)
dargestellt werden.
Abbildung 11: Zweite Indigosynthese nach Adolf von Baeyer.
Für den Universitätsprofessor A. von Baeyer war damit die
Arbeit mit Indigo abgeschlossen. Die weitere Nutzung und
Anwendung seiner Forschung war ihm gleichgültig. Dies ist
ein gutes Beispiel für den Unterschied zwischen rein
akademischer und industrieller Forschung.
Die von Baeyer gefundenen Synthesen erwiesen sich als
unwirtschaftlich, da durch rationellen Plantagenanbau der
indische Indigo zu einem Preis auf den Markt kam, der für die
Herstellung des synthetischen Produktes enge Grenzen setzte.
Insbesondere die aromatische Nitrierung bereitete
Schwierigkeiten, da sie immer zu einem Isomerengemisch
führte. Doch war es Adolf von Baeyer, der grundsätzlich
zeigte, dass die Synthese von Indigo möglich ist. Ein
Meilenstein in der Entwicklung der synthetischen Farben war
gelegt.
Doch muss an dieser Stelle auch auf die Kehrseite der
Entwicklung hingewiesen werden. Flüsse wurden als
Abwasserkanäle missbraucht und mit Gift- und Reststoffen
aller Art belastet. Viele der neuen Farben erwiesen sich zudem
als giftig und die gesundheitsgefährdenden
Arbeitsbedingungen in den neuen Fabriken prägten bald die
Begriffe “Anilinhölle” und “Giftküche”.
Nun setzte eine stürmische Entwicklung ein und viele neue
Verfahren zur Herstellung von Indigo wurden patentiert (unter
anderem auch in Basel bei Geigy mit der von Traugott
Sandmeyer* entwickelten Thiocarbanilid-Synthese)
Besonders wichtig war eine von Karl Heumann* (1851-1894)
am 6. Mai 1890 patentierte, von Anilin ausgehende Synthese.
Heumann fand in der Alkalischmelze von N-Phenylglycin 10%
Indigo. Alle für die technische Synthese von Phenylglycin
gebrauchten Edukte wie Anilin, Essigsäure, Chlor und Alkali
standen schon damals in ausreichender Menge billig zur
Verfügung (Abb. 12).
Abbildung 12: N-Phenylglycin aus Anilin.
Noch im gleichen Jahr entwickelte Heumann eine zweite, von
Naphthalin ausgehende Sythesefolge (Abb. 13). Endprodukt
war die N-Phenylglycin-o-carbonsäure, die in der
Alkalischmelze wesentlich grössere Ausbeuten (bis 90%) an
Indigo liefert.
Abbildung 13: N-Phenylglycin-o-carbonsäure aus Naphthalin.
Der gebürtige Darmstädter Heumann war zu dieser Zeit
Professor an der ETH in Zürich. Die Schweizer Industrie
verpasste die einmalige Gelegenheit und so wurden seine
Erfindungen von der BASF und von der Firma Meister,
Lucius & Brüning (später wurde daraus die Hoechst AG)
patentiert und weiterentwickelt. Den wirtschaftlichen
Durchbruch seines Verfahrens durfte Heumann nicht mehr
erleben.
Abbildung 14: Indigosynthesen nach Heumann.
Doch mussten nochmals sieben Jahre vergehen, bis der erste
synthetische Indigo durch die BASF auf den Markt kam. In
dieser Zeit wurden viele technische Verfahren zur Gewinnung
der Grundsubstanzen (z.B. das wichtige SchwefelsäureKontakt-Verfahren) entwickelt.
4. Andere Blaufarbstoffe, das erste Medikament von Bayer
Die Farbenfabriken waren in der Zwischenzeit nicht untätig
und versuchten ihr Geschäft mit anderen Blaufarben. 1886
brachte Bayer mit grossem Werbeaufwand den Azofarbstoff
Benzazurin G (Abb. 16) heraus, der besser als Indigo sein
sollte. Man plante bei Bayer schon den Bau einer neuen
Fabrik, die 10 000 Kilogramm täglich produzieren sollte. Die
Versprechungen waren zu hoch gegriffen, denn an der Sonne
trat schon nach Stunden eine rötliche Verfärbung auf. Doch in
Ermangelung eines besseren Farbstoffes kletterte die
Tagesproduktion bald auf über 1000 Kilogramm. In einem
ersten Schritt wurde Phenol nitriert (Abb. 15).
Abbildung 15: Nitrierung von Phenol
Als Nebenprodukt fielen grosse Mengen p-Nitrophenol an,
das zu dieser Zeit nicht weiterverwendet wurde und in Fässern
abgefüllt auf dem Werksgelände lagerte. Bald war die ganze
Fabrik mit diesen Fässern überstellt - eines der ersten grossen
Entsorgungsprobleme der jungen technischen Chemie.
Nach Methylierung der OH-Gruppe und Reduktion der
Nitrogruppe zum Amin entstand o-Methoxyanilin (o-Anisidin),
aus dem sich durch eine Benzidin-Umlagerung leicht das
entsprechende Dianisidin herstellen lässt. Durch Diazotieren
und Kuppeln auf 1-Naphthol-4-sulfonsäure lässt sich der
Farbstoff gewinnen.
Abbildung 16: Benzazurin G
Bei der Lösung des Abfallproblems war wie so oft in der
Geschichte auch hier der Zufall im Spiel. Ein Strassburger
Apotheker verkaufte zwei jungen Aerzten (Dr. Kahn und Dr.
Hepp) Acetanilid anstelle von Naphthalin. Die beiden
Mediziner wollten die von ihnen vermutete fiebersenkende
Wirkung von Naphthalin an einem an Staupe erkrankten Hund
ausprobieren und fanden so die unerwartete Eigenschaft von
Acetanilid. Kalle & Co. in Biberich brachte Acetanilid unter
dem Namen Antifebrin auf den Markt. Doch war das erste
synthetische Medikament nicht frei von unangenehmen
Nebenwirkungen. Den Bayer-Werken gelang daraufhin die
Gewinnung eines im Vergleich zu Acetanilid weniger giftigen
Stoffes aus dem störenden p-Nitrophenol und sie brachten
1888 mit dem Phenacetin (Abb. 17) ihr erstes erfolgreiches
Medikament heraus und machten den ersten Schritt weg von
einer reinen Teerfarbenfabrik.
Abbildung 17: Phenacetin, N-(4-Ethoxyphenyl)-acetamid.
Das Medikament kam gerade rechtzeitig, denn 1889 ging eine
Influenza-Welle durch die Welt, von der vor allem Amerika
stark betroffen war. Phenacetin wurde zur Hilfe für unzählige
Kranke.
Phenacetin wirkt bei Migräne, Ischias, Neuralgien, Rheuma
usw. und war bis zum Verbot 1986 in zahlreichen
schmerzstillenden und fiebersenkenden Präparaten enthalten.
Der Dauerkonsum führt zu Nierenschädigung und erhöhtem
Krebsrisiko.
Die Suche nach einem blauen Farbstoff führte also indirekt
auch zu der Entwicklung der Pharmaindustrie, denn viele
Farbenfabriken begannen nun mit der Produktion von
Arzneimitteln.
5. Synthetischer Indigo
Doch zurück zum König der Farbstoffe. Beim ersten der
beiden Heumann-Synthesen bot der Ausgangsstoff keine
Schwierigkeiten. Phenylglycin lässt sich leicht aus Anilin und
Chloressigsäure darstellen. Doch die Weiterverarbeitung zum
Farbstoff führte in eine Sackgasse; die Ausbeute war einfach
zu gering und das Verfahren unrentabel.
Bei der Methode über die N-Phenylglycin-o-carbonsäure war
technisch schon der erste Schritt, die Oxidation von Naphthalin
zu Phthalsäureanhydrid, problematisch. Dieser
Reaktionsschritt konnte zunächst nur mit der teuren
Salpetersäure durchgeführt werden, und das machte das
Verfahren zu kostspielig. Und hier trennen sich die Wege von
BASF und Hoechst auf der Suche nach einem billigen
Oxidationsmittel.
Hoechst versuchte es zunächst mit Chromsäure und
Chromaten. Dieser Weg war zwar machbar, doch brachte
wirtschaftlich keinen Erfolg, solange es nicht möglich war, die
Chromlaugen billig wieder in Chromsäuren zurückzuführen.
Mit Hilfe der Elektrochemie fand man die Lösung, doch es
fehlte vorerst die Versorgung mit billigem Strom. Mit einer
Elektrizitätsgesellschaft schloss man einen Vertrag zur
Gewinnung von Strom aus dem Lech und kaufte bei Augsburg
ein Baugelände. Auf diesem wurde ein Werk errichtet, das
Indigo und seine Vorprodukte produzieren sollte.
Während bei Hoechst die neue elektrochemische Anlage
entstand, arbeitete die BASF an der Oxidation von Naphthalin
mit rauchender Schwefelsäure. Die ersten Resultate waren
alles andere als vielversprechend. Da kam ein Zufall - einer der
berühmtesten in der Chemiegeschichte - ins Spiel. Bei einem
Versuch zerbrach das Thermometer und Quecksilber floss in
den Reaktionskolben. Die bekümmerten Gesichter der
Chemiker hellten sich schnell wieder auf, als sich zeigte, dass
Quecksilber der ideale Katalysator für diese Oxidation war.
Die BASF war nun am Ziel ihrer Wünsche: jahrelanges
Forschen und Investitionen von 18 Millionen Mark (dem
ganzen Aktienkapital) waren nicht vergebens. Im Februar 1897
begann die Produktion und im Juli war der erste synthetische
Indigo auf dem Markt.
Abbildung 18 : Indigo-Etikette
Anfänglich begegnete man in Färberkreisen dem neuen
Produkt mit grossen Vorurteilen und Zurückhaltung. Zudem
erwuchs der BASF bald ernsthafte Konkurrenz, denn 1901
stellte Johannes Pfleger* (1867-1957) bei der Degussa
(Deutsche Gold- und Silberscheidanstalt) fest, dass NPhenylglycin sich in der Alkalischmelze unter Zusatz von
Natriumamid in 90%iger Ausbeute in Indigo umwandeln lässt.
Natriumamid fiel bei der Degussa als Nebenprodukt bei der
Gewinnung von Natriumcyanid an, das zur Extraktion von
Edelmetallen benötigt wird. Die Wirkung von Natriumamid
beruht vermutlich darauf, das auch die letzten Spuren von
Wasser gebunden werden. Die Temperatur der
Ringschlussreaktion konnte von 300°C auf 200°C gesenkt
werden. Die thermische Zersetzung des gebildeten Indoxyls
wird so weitgehend verhindert.
Das Verfahren wurde von den Farbwerken Hoechst (vormals
Meister, Lucius und Brüning) übernommen und als Indigo
ML&B in den Handel gebracht. Die BASF verlor ihre
Vormachtstellung und ein heftiger Konkurrenzkampf begann.
Schliesslich wurde der Markt 1904, nachdem der Preis auf 7
Mark pro Kilogramm gesunken war, durch den Abschluss
einer Konvention aufgeteilt. Der Ausbau des
elektrochemischen Werkes in Augsburg wurde nicht
fortgeführt, denn das Pfleger-Verfahren verdrängte bald alle
anderen. Im Jahre 1913 produzierte alleine Hoechst 4,5
Millionen Kilogramm Indigo. 1926 schlossen die beiden
deutschen Werke einen Vertrag, der es allen erlaubte, nach der
kombinierten Heumann-Pfleger-Methode zu produzieren.
Dieser Vertrag bildete eine Vorstufe zur Gründung der IGFarben.
1900 musste Deutschland noch für 20 Millionen Mark
Naturindigo importieren, doch schon 1905 erreichte der Export
von synthetischem Indigo einen Wert von 25 Millionen Mark.
Das stolze Englische Indigo-Monopol geriet so erst ins wanken
und zerbrach dann in kurzer Zeit ganz (und ein weiterer Schritt
zum Untergang der einstigen Weltmacht war gemacht). Das
deutsche Nationalbewusstsein bekam dadurch deutlichen
Auftrieb. Zum ersten Mal war es durch moderne Technik und
Wissenschaft gelungen, einer grossen Kolonialmacht eine
Monopolstellung zu entreissen.
Der natürliche Indigo erlebte während dem ersten Weltkrieg
eine neue kurze Blüteperiode, weil zahlreiche Staaten vom
Bezug des nur in Deutschland und in der Schweiz hergestellten
synthetischen Indigos abgeschnitten waren. Nach der
Wiederaufnahme der Fabrikation, nun auch in anderen
Ländern, sank der Verbrauch des Naturstoffes sehr schnell.
1930 war dann die Indigokultur in Britisch-Indien so gut wie
erloschen.
Heute wird Indigo immer noch aus Phenylglycin hergestellt,
das durch Verseifen von Phenylaminoacetonitril gewonnen
wird (Abb. 19).
Abbildung 19: Heutige Methode zur Herstellung von
Phenylglycin.
Neben dem Indigo wurden viele weitere indigoide Farbstoffe
hergestellt, die einige Zeit besonders im Textildruck eine
wichtige Rolle gespielt haben. Wichtig war der von Paul
Friedländer 1905 entwickelte Thioindigo, bei dem die NHGruppe des Indigo durch Schwefel ersetzt ist. Dieser Farbstoff
wurde von Kalle-Biebrich unter dem Namen Thioindigorot
fabriziert und erfreute sich damals grosser Beliebtheit.
6. Indigo in unserem Jahrhundert
Was lange Zeit heiss ersehnt und mit grossem Einsatz gesucht
wurde, stand nun mehrfach zur Verfügung: Wege zum
synthetischen Indigo. Doch die Vormachtstellung sollte nicht
lange halten, denn nun waren auch erstmals die chemischen
Vorgänge der Küpenfärberei klar und es dauerte nicht lange,
bis auch andere Farbstoffe (vor allem Anthrachinonfarbstoffe)
durch Reduktion in lösliche Form gebracht und so auf die
Faser appliziert wurden. Durch Oxidation konnte man eine
dauerhafte Fixierung auf der Faser erreichen. Und auf einmal
wurde man auf eine Unzulänglichkeit von Indigo aufmerksam:
Diese neuen Farbstoffe hatten bessere Wasch- und
Reibeigenschaften als der König der Farbstoffe.
So gelang schon 1901 René Bohn* (1862-1922) in der BASF
die Indanthren-Synthese durch Verschmelzen von 2-Aminoanthrachinon in Alkali (Abb. 20)
Abbildung 20: Indanthren-Synthese.
Der von Bohn ursprünglich verwendete Namen Indanthren
zeigt seine eigentliche Absicht auf: Indigo aus Anthrachinon.
Das gelang zwar nicht, doch das erhaltene Produkt war
ebenfalls blau.
R. Bohn schreibt über diesen neuen Farbstoff: "Dieses neue
Blau lässt sich wie Indigo ausfärben und hat die gleiche
Lichtechtheit. Aber der Farbstoff sitzt auf der Faser wie
eingebrannt".
Dieser Farbstoff wurde 1903 von der BASF als Indanthrenblau
RS und 1906 von Bayer unter dem Namen Algol mit einem für
die damalige Zeit grossen Werbeaufwand eingeführt. Eine
völlig neue Marktstrategie wurde dafür entwickelt. Nicht mehr
nur der Färber alleine sollte von der Qualität der Produkte
überzeugt werden, sondern vielmehr der Verbraucher. Der
Konsument soll von nun an dem Markt befehlen, was dieser zu
produzieren hat.
Das neue Syntheseprinzip beschränkte sich nicht nur auf Blau.
Bald folgten weitere Farbstoffe mit ähnlich hoher Echtheit und
der Begriff Indanthren wurde 1922 zum Markenzeichen für
alle hochwertige Küpenfarbstoffe (Abb. 21).
Abbildung 21: Indanthren Markenzeichen
Und schon bald kamen billige blaue Schwefelfarbstoff auf den
Markt und traten in Konkurrenz zum Indigo.
Zunächst aber konnte der Indigo jedoch seine
Vormachtstellung behalten. Manche Färber blieben aus
Tradition bei ihrem Farbstoff. Doch wurde der
charakteristische Geruch vermisst, und so mussten dem
Industrieprodukt zunächst noch Stinkstoffe zugesetzt werden.
Durch immer grössere und verbesserte Produktion sank der
Preis für Indigo kontinuierlich. Dem Indigo kam zugute, dass
der Markt für blaue Arbeitskleidung mit zunehmender
Industrialisierung stark zunahm. Ein grosser Teil des Exportes
ging dann nach China für die blauen Kittel der fleissigen MaoAmeisen. Bald verbrauchte China mehr Indigo als alle anderen
Länder zusammen. Das königliche Blau des Altertums und des
Mittelalters wurde so zum Farbstoff der breiten und
gewöhnlichen Masse.
Trotzdem ging der Bedarf an Indigo immer mehr zurück und
viele Firmen stellten die Produktion ein. Lange Zeit wurde
Indigo nur noch zur Herstellung von Isatin, einem wichtigen
Zwischenprodukt für andere Farbstoffsynthesen, verwendet.
Als dann auch für Isatin ein neuer Herstellungsweg gefunden
wurde, spielten viele Hersteller mit dem Gedanken, die
Produktion ganz einzustellen. Doch rechtzeitig begann eine
neue Aera in der wechselvollen Geschichte des Indigos.
7. Indigo - Jeansblau
Blenden wir einige Zeit zurück. Im Jahre 1850 wandert ein
zwanzigjähriger Kaufmann namens Levi Strauss (26.2.182926.10.1902) aus Buttenheim (Oberfranken) nach San Francisco
aus. Zu dieser Zeit herrschte im Westen der USA der
Goldrausch und Levi Strauss stellte aus indigogefärbtem
Drillich strapazierfähige Arbeitskleider her. Den Drillich führte
er aus dem französischen Nîmes ein. Aus dem "Bleu de
Nîmes" wurde so das amerikanisierte "Blue Denim", die heute
noch übliche Bezeichnung für diese Textilart. Den benötigten
Indigo importierte man über Genua in die USA. Aus "Bleu de
Gênes" wird da "Blue Jeans". 1872 wurden die bekannten
Kupfernieten zur Verstärkung eingeführt und patentiert.
Und die neue Jeanswelle am Ende der sechziger Jahre verhalf
dem Indigo zu einem Comeback. Der Jugend war alles
Perfekte suspekt und so wurden die mit Indigo, einem nicht
ganz so perfekten Farbstoff, gefärbten Jeans zum Ausdruck
einer veränderten Lebenseinstellung. Aus dem König der
Farbstoffe wurde ein Symbol der Nonkonformisten. Heute sind
die Jeans schlicht und einfach legere Freizeitmode - alle tragen
Jeans.
Die Jahresproduktion von Indigo betrug 1988 wieder stolze
14'000 Tonnen (Tendenz steigend), die zu 90% zum Färben
von Jeanskleidung verwendet werden. Für ein Paar Jeans
werden, je nach Qualität, 3 bis 12 g Indigo benötigt. Das
entspricht bei einem Indigopreis von 30 Franken pro
Kilogramm einem Wert von 10 bis 35 Rappen. Obwohl die
Weltproduktion in der Grössenordnung von einer Milliarde
Indigo-Jeans pro Jahr liegt, spielt Indigo mit einem
Weltjahresumsatz von gut 400 Millionen Franken für die
Chemieindustrie wirtschaftlich nur noch eine untergeordnete
Rolle. Die Buffalo Color Corp. in den USA, die BASF in
Deutschland, ICI (Imperial Chemicals Industries) in England
und Mitsui Toatsu in Japan sind heute die vier führenden
Gesellschaften zur Herstellung des synthetischen Indigos.
Ueber 400 Produzenten stellen heute Jeans her und färben sie
mit Indigo. Mehr als 70% der Textilien stammen aus dem
fernen Osten, insbesondere aus Hong Kong. Asien ist auch der
grösste Absatzmarkt für Jeans, gefolgt von den USA und
Europa.
8. Ein Indigoverwandter - der Purpur
Um 1500 v.Chr. fanden die Phönizier, dass bestimmte
fleischfressende Meeresschnecken (Murex brandaris und
Murex trunculus) an der Wand ihrer Atemhöhle einen
farblosen Schleim absondern, der auf textilen Fasern an der
Luft und mit Licht eine tiefviolette Färbung ergibt.
Abbildung 22: Murex brandaris und Murex trunculus
Eine antike Sage beschreibt diese Entdeckung so: Der Hund
des phönizischen Schutzgottes Melkarth zerbiss beim Spiel am
Strand eine Schnecke und bekam ein rotes Maul. Melkarth
färbte daraufhin für seine Geliebte, die Nymphe Tyros, ein
Kleid.
Da eine Schnecke nur sehr wenig Schleim enthielt, war die
Gewinnung mühsam und die Färbetechnik aufwendig. Um den
Schleim zu erhalten, wurden die Schnecken getötet, zerstampft
und mit Salz versetzt. Nach drei Tagen wurde mit Wasser und
Urin verdünnt und zehn Tage lang gekocht. Fleischteile und
sonstige Fremdkörper wurden dabei sorgfältig abgeschöpft.
Dieser Vorgang war natürlich mit Geruchsentwicklung
verbunden und so soll es in der bedeutenden phönizischen
Handelsstadt Tyrus, einem Zentrum der Purpurgewinnung
(wird schon in der Bibel zitiert; Ezechiel 27:7 und zweites
Buch Chronik 2:7), ganz erbärmlich gestunken haben. Die
Färbekunst verbreitete sich an der Küste von ganz Kleinasien.
Auf der Suche nach ertragreichen Fangplätzen bereisten die
Phönizier das ganze Mittelmeer und drangen sogar in den
Atlantik vor. So findet man an der Nordwestküste von Afrika
Spuren der phönizischen Purpurgewinnung. Die Produkte
blieben aber wegen des hohen Preises der Oberschicht
vorbehalten und Purpur wurde die Farbe der Könige. Und im
Buch Moses wird Purpur als Priesterfarbe (Tekhelet)
beschrieben (Exodus 26:1,31). Auch Alexander der Grosse
und Cleopatra frönten dem Purpurluxus. Bei den Römern war
der Purpurmantel das Privileg des Herrschers. Caesar
beschränkte das Recht zum Purpur auf sich (als Triumphator)
und seine höchsten Beamten, die "vestae clavatae" (Gewänder
mit Purpurstreifen) tragen durften. Augustus beschränkte
dieses Recht auf die Senatoren. Eine Ausnahme war Tiberius,
der den Purpur ablegte, um die Römer durch sein Vorbild von
ihrer Purpurlleidenschaft abzubringen. setzte dann für das
Tragen des kaiserlichen Purpurs sogar die Todesstrafe aus.
Nach Neros Selbstmord wurden die Gesetze gelockert, doch
das Tragen vollständig mit Purpur gefärbter Gewänder blieb
das Vorrecht des Kaisers.
Zur unsicheren Zeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert wich
die Purpurfärberei nach Sizilien aus, wo sie unter den
Normannenkönigen zu besonderem Ansehen gelangte. Mit
dem Erscheinen der synthetischen Farben starb die
Purpurfärberei in kurzer Zeit ganz aus.
Unabhängig von der Purpurfärberei in Kleinasien entwickelte
sich auch in Südamerika eine eigenständige Färbereitechnik.
Denn auch in zwei pazifischen Schneckenarten findet man den
antiken Purpur (Purpura aperta und Purpura lapillus). Die
Indios legten die Schnecken auf feuchtes Gewebe und brachten
sie durch Beträufeln mit Zitronensaft zur Absonderung des
Sekretes. Die Schnecken wurden danach wieder ins Meer
gegeben. Das so behandelte Gewebe verfärbte sich an der
Sonne in kurzer Zeit.
1909 gewann der an der Technischen Universität Darmstadt
tätige Paul Friedländer* (1857-1923) aus 120 000 Schnecken
ca. 1,4 Gramm Farbstoff und konnte damit die Struktur
bestimmen (Berichte 42,765). Es handelt sich beim Purpur um
das 6,6'-Dibromderivat des Indigos (Abb. 23). Es ist sehr
erstaunlich, in der Natur eine Bromverbindung zu finden.
Zudem sitzen die Bromatome an den Stellen des aromatischen
Systems, die den in der Chemie gültigen Substitutionsregeln
widersprechen.
Abbildung 23: 6,6'-Dibromindigo, "Purpur".
Die C=O- Gruppe ist m-dirigierend, die NH- Gruppe o-,pdirigierend. Daher wird zuerst die 5,5'-Stellung substituiert.
Aus diesem Grund war eine synthetische Herstellung technisch
aussichtslos teuer. Während alle anderen Halogenderivate den
Farbton des Indigos ins Grünstichige verschieben, ändert sich
nur bei der im Purpur vorliegenden Position der Bromatome
die Farbe in die rötliche Richtung. Die Sonderstellung, die der
Purpur in Geschichte und Kultur eingenommen hat ,ist also
auch aus wissenschaftlicher Sicht gerechtfertigt. Sinnlos
erscheint mir dagegen der von den Amerikanern in jüngster
Zeit gewählte Deckname "Purple" für ein in Vietnam
eingesetztes Entlaubungsmittel.
9. Färben mit Indigo:
Indigo gehört in die Gruppe der Küpenfarbstoffe. Für die
Küpenfarbstoffe ist charakteristisch, dass sich das
Farbstoffmolekül nicht chemisch mit der Textilfaser verbindet.
Es haftet als unlösliches Pigment physikalisch auf der
Faseroberfläche. Das Hauptanwendungsgebiet der
Küpenfärberei ist heute das Färben von Cellulosefasern.
Weltweit dürften im Jahr etwa 60'000 Tonnen Küpenfarbstoffe
verbraucht werden.
Küpenfarbstoffe sind, wenn man einmal vom Indigo selbst
absieht, überwiegend Abkömmlinge des Anthrachinons und
Derivate höher kondensierter aromatischer Ringsysteme mit
einem geschlossenen System konjugierter Doppelbindungen.
Die Zahl der reduzierbaren Carbonylgruppen beträgt in der
Regel 2,4 oder 6.
Die Färbung der Textilien mit Küpenfarbstoffen erfolgt aus
technischen Gründen meist aus einer wässrigen Lösung, der
sogenannten Flotte. Da diese Farbstoffe aber in Wasser
unlöslich sind, müssen sie vor der Färbung erst wasserlöslich
gemacht werden. Das nennt man Verküpen. Chemisch gesehen
ist dies eine Reduktion. Aus dem blauen Indigo entsteht dabei
wasserlösliches, hellgelbes “Indigo-Weiss“ bwz. in basischer
Lösung sein Natriumsalz (Fig. 24).
Abbildung 24: lösliche und unlösliche Form von Indigo.
Die Farbstoffkonzentration in der Küpe liegt bei 0,15-0,2%
Farbstoff.
Das grösste Problem der heutigen Indigofärberei (und der
Küpenfärberei) ist der Reduktionsprozess. In den meisten
Färbereien verwendet man immer noch Natriumdithionit
(Hydrosulfit) als Reduktionsmittel. Daraus entstehen
Natriumsulfit und mit dem im Abwasser gelösten Sauerstoff
Natriumsulfat. Diese beiden Salze können biologisch nicht
abgebaut werden. Unter anaeroben Bedingungen entsteht aus
Sulfat giftiger Schwefelwasserstoff. Oft gelangt auch
unverbrauchtes Dithionit ins Abwasser. Aus ökologischen
Gründen mussten in den vergangenen Jahren mehrere Firmen
die Küpenfärberei einstellen oder gar den Betrieb auf
behördliche Anordnung hin schliessen.
Das Ueberleben der Küpenfarbstoffe und der Küpenfärberei
hängt von der raschen Entwicklung einer neuen
biokompatiblen Färbetechnik für diese wichtige
Farbstoffklasse ab.
Heute laufen weltweit verschiedene Forschungsprogramme,
die einen umweltfreundlicheren Weg für die Küpenfärbung
und insbesondere für die Indigofärberei suchen.
Ein Forschungsprojekt der ETH-Zürich verwendet als
Reduktionsmittel Hydroxyaceton. Bei einer optimalen Wahl
von verschiedenen Prozessparametern gelingt es, einige der
wichtigsten Küpenfarbstoffe - wenn auch noch nicht alle problemlos zu reduzieren. Die Färbung ist bei tiefer
Temperatur durchführbar, so dass Energie gespart werden
kann. Es hat sich auch gezeigt, dass die Oxidationsprodukte
des Hydroxyacetons, und die daraus entstehenden
Folgeprodukte, sehr gut biologisch abbaubar sind.
10. Herstellung von Indigo im Labor (J.R.
McKee, M. Zanger, J. Chem. Ed. 10, A242, (1991))
Indigo kann nach folgender Vorschrift leicht im Labor
hergestellt werden. Die Reaktion verläuft über eine Anzahl von
Kondensationen, Disproportionierungen und Oxidationen.
0,5 g o-Nitrobenzaldehyd werden in 5 ml Aceton gelöst und
nach der Zugabe von 5 ml Wasser wird gerührt. 2,5 ml einer 1
molaren Natronlaugelösung werden tropfenweise zugegeben.
Diese Reaktion verläuft sehr exotherm und die Lösung kann zu
kochen beginnen. Nach 5 Minuten wird der ausgefallene
Indigo abfiltriert und mit Wasser und Ethanol gewaschen.
Zum Färben wird der gewonnene Indigo in 10 ml Wasser
aufgeschlämmt und mit 3 Natronlauge-Plätzchen versetzt. Das
Ganze wird aufgekocht und 2 ml einer 10%-igen
Natriumdithionitlösung zugegeben. Danach wird noch solange
tropfenweise Dithionit zugefügt, bis sich der Indigo klar gelöst
hat und in seiner Leukoform vorliegt. Die gelbliche Lösung
wird mit 100 ml Wasser verdünnt und kann nun zum Färben
von Baumwolle verwendet werden.
*Paul Schützenberger (23.12.1829-16.6.1897)
Machte 1849 unter L. Pasteur in Strassburg das
naturwissenschaftliche Bakkalaureat. Er arbeitete als Assistent
im Labor von Caillot und ging 1853 als Assistent an das
Conservatoire des arts et métiers in Paris. 1854 wurde er
Dozent und ein Jahr später Professor an der Gewerbeschule in
Mulhouse. Nebenbei setzt er seine medizinische Studien fort
und promoviert 1855 als Dr. med. 1863 promoviert er an der
Sorbonne als Dr. chem. und wurde Assistent am Collège de
France in Paris. 1868 ging er als stellvertrendender Direktor an
die Ecole practique des hautes der Sorbonne. 1876 wurde er
Professor für mineralogische Chemie am Collège de France
und 1882 Direktor der Ecole municipale de physique et de
chimie in Paris. Schützenberger lieferte wichtige Beiträge
sowohl zur anorganischen wie auch zur organischen Chemie.
Es isolierte die farbigen Inhaltsstoffe der Krappwurzel und
konnte zeigen, dass nur Alizarin und Purpurin Textilfarbstoffe
sind. 1865 stellte er erstmals Cellulosetriacetat her, das
Ausgangsprodukt für Acetatseide. 1869 gelang es ihm, die
dithionige Säure in Form ihres Natriumsalzes
(Natriumdithionit) zu isolieren. Als Indikator verwendete er
Indigo, welches durch Dithionit entfärbt (reduziert) wird. Er
schlug vor, diese Reaktion bei der Indigo-Verküpung
anzuwenden. Bei Arbeiten über Platin, dessen Verbindungen
und Legierungen, entdeckt er 1870 die Fähigkeit von CO, NH3
und PCl3 zu recht beständigen Additionsverbindungen. 1875
begann er sich mit Hefe zu befassen. Später dehnte er diese
Tätigkeit auch auf Kohlenhydrate aus. Weiter arbeitete er auf
dem Gebiet der Metallcarbide und der Isolierung seltener
Erden.
*Otto Unverdorben (13.10.1806-28.11.1873)
Ausbildung zum Chemiker in Dresden, Leipzig und Halle. Er
untersuchte vor allem die trockene Destillation von
organischen Substanzen. Ab 1829 übernahm er eine geerbte
Gemischtwarenhandlung und war nicht mehr wissenschaftlich
tätig.
*Adolf von Baeyer (31.10.1835-20.8.1917)
Studierte zuerst in Berlin Mathematik und Physik, später in
Heidelberg bei Bunsen und Kekulé Chemie. 1858 promovierte
er und folgt Kekulé nach Gent. Zurück in Berlin habilitierte er
sich 1860 und bekam eine Lehrstelle am Berliner
Gewerbeinstitut. Seine Schüler Graebe und Liebermann klärten
hier mit der Baeyerschen-Zinkstaubdestillation die Struktur des
Alizarins auf und stellten es aus Anthracen her. Nach einem
Abstecher an die Universität Strassburg wurde er 1873 als
Nachfolger von Liebig nach München berufen. Er arbeitete u.a.
über Phthaleine (Fluorescein 1871), Hydrobenzene, Acetylene,
Terpene, Oxoniumsalze und Pyrone. Sein Hauptwerk war die
Indigosynthese. Die Kondensation von Phenol und
Formaldehyd im Jahre 1872 (Baeyer-Reaktion), war die
Grundlage zur Herstellung von Bakelit durch L.H. Beakeland.
Bei der Baeyer-Villiger-Oxidation (1899) werden Persäuren
zur Oxidation von Ketonen zu Estern eingesetzt. Für seine
Verdienste bei der Entwicklung der organischen Chemie wurde
Baeyer 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
*Traugott Sandmeyer (15.9.1845-9.4.1922)
Zunächst machte Sandmeyer eine Lehre als Feinmechaniker in
Zürich, wurde 1875 Geselle und machte sich 1877 selbständig.
Er erwarb sich autodidaktisch chemische Kenntnisse und
wurde 1881 Vorlesungsassistent bei V. Meyer an der ETH.
1888 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Firma
Geigy in Basel, wo er 1901 Direktor und Mitglied des
Verwaltungsrates wurde. 1884 findet er die SandmeyerReaktion. In den Jahren 1899 und 1912 publiziert Sandmeyer
zwei Verfahren zur Indigoherstellung. Daneben entwickelte er
eine Reihe weiterer Farbstoff- und
Zwischenprodukteverfahren.
*Karl Heumann (10.9.1850-5.8.1894)
Heumann studierte Chemie an der Technischen Hochschule in
Darmstadt und an den Universitäten von Heidelberg und
Berlin. Danach war er zunächst Privatdozent in Darmstadt und
wurde 1877 Professor für chemische Technologie an der ETH
in Zürich. Neben Arbeiten auf anorganischem Gebiet
beschäftigte er sich mit Azo- und Diazoverbindungen. Sein
Haupterfolg waren die beiden Indigosynthesen 1880.
*Johannes Pfleger (11.9.1867-8.8.1957)
Seit 1891 war Pfleger als Chemiker, später als Chefchemiker
bei der Firma Degussa in Frankfurt am Main angestellt. Das
von ihm 1901 gefundene Kondensationsmittel Natriumamid
verhalf der Heumann-Indigosynthese zum Durchbruch. Es
wird daher oft von der Heumann-Pfleger-Indigosynthese
gesprochen.
*René Bohn (7.3.1862-6.3.1922)
Studierte Chemie am Polytechnikum in Zürich und schloss
1882 als Dipl-Ing.Chem. ab. 1883 promoviert er bei Heumann.
Ab 1884 war er bei der BASF sowohl in der Farbstofforschung
wie auch im Färbetechnischen Dienst tätig. 1906 kam er in der
Vorstand der BASF. Bohn entwickelte Farbstoffe auf der Basis
von Gallussäure, Pyrogallol, Naphthalen und Anthracen. 1889
fand er, dass mit rauchender Schwefelsäure und Quecksilber
als Katalysator Hydroxylgruppen in Anthrachinonderivate
eingeführt werden können (Bohn-Schmidt-Reaktion). 1901
entdeckte er die Indanthrene (Indigo aus Anthracen), die zu
einer der wichtigsten Farbstoffklasse wurden. 1912 erschloss
er mit den Chromiumkomplex-Säure-Farbstoffen eine weitere
Farbstoffklasse.
Paul Friedländer (29.8.1857-4.9.1923)
Studium der Chemie in Königsberg, Strassburg und München,
wo er Assistent bei A. von Baeyer wurde und diesem bei der
Indigosynthese zur Seite stand. Die FriedländerscheChinolinsynthese, die Kondensation von 2-Aminobenzaldehyd
mit Carbonylverbindungen, die in Nachbarstellung zur C=OGruppe eine reaktionsfähige CH2- Gruppe besitzen, fand er
1882. Beim Versuch 1906 Schwefelfarbstoffe in der Firma
Casella aufzuklären, kam ihm die Idee, Thioindigo
herzustellen. Er synthetisierte ab 1908 indigoide Verbindungen
aller Nuancen. 1909 isolierte er aus Schnecken (Murex
brandaris) Purpur und klärte die chemische Konstitution auf.

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