Knochen im Stress - Regensburger OrthopädenGemeinschaft

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Knochen im Stress - Regensburger OrthopädenGemeinschaft
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ermüdungsbruch
Knochen im Stress
Das Knochenskelett ist der härteste und stabilste Teil unseres Bewegungsapparates. Das bedeutet aber nicht, dass es unverwundbar ist. Knochen
brechen bei Unfällen und Stürzen – aber auch, wenn sie über einen längeren
Zeitraum überlastet werden. Dieser sogenannte Ermüdungsbruch kommt
besonders bei Freizeitsportlern häufig vor.
Dr. ulrich graeff
Facharzt für Orthopädie
S
olange sich die Überlastung auf Knochen-
Früher nannte man diese Verletzung Marschfrak-
haut und Sehnenansätze beschränkt – wie
tur, heute wird eher der Begriff Stressreaktion des
zum Beispiel bei einer Entzündung des
Knochens oder Ermüdungsreaktion beziehungs-
Achillessehnenansatzes oder beim Schien-
weise -bruch verwendet. Meistens tritt sie bei Hob-
beinkantensyndrom –, ist die Stabilität
bysportlern auf, die zu lange trainieren und dabei
des Knochens nicht gefährdet. Wird jedoch der
Schmerzsignale ihres Körpers ignorieren.
Knochen andauernd überlastet, können Risse und
Schätzungsweise zehn bis zwanzig Prozent aller
nachfolgend Knochenbrüche entstehen.
Brüche entstehen aus solchen Ermüdungsreaktionen. 80 Prozent davon betreffen die unteren Extremitäten, vor allem Schienbein und Mittelfußknochen, aber auch Fersenbein, Sprungbein und den
3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Radfahren
und dann noch einen Marathon laufen: Damit die
extremen Belastungen eines Ironman nicht mit einem
Ermüdungsbruch enden, sollten Sportler ihren Körper
Fotos: © Lein de Leon, shutterstock.com
auf die Belastung gründlich vorbereiten.
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Oberschenkelknochen. Für den zuletzt genannten Fall gab es
diesen Sommer mit dem Bundesligisten Georg Niedermeier
ein bekanntes Beispiel: der Fußballer fiel aufgrund eines
Ermüdungsbruches mehrere Wochen aus.
Stressreaktionen können aber auch an den oberen Extremitäten oder sogar an den Rippen auftreten.
Besonders oft sind Frauen betroffen. Die Ursache liegt meist
in einem niedrigen Östrogenspiegel oder einer Osteoporose.
Auch der erniedrigte Hormonspiegel bei Leistungssportlerinnen stellt einen Risikofaktor dar.
Ermüdungsbrüche an Mittelfußknochen, Schien- und
Wadenbein werden häufig von bestimmten Fehlformen des
Fußes, wie zum Beispiel einem Hohlfuß, hervorgerufen.
Eine Sonderform tritt bei älteren Menschen auf: Aufgrund
einer Osteoporose oder einer anderen Knochenkrankheit
kommt es zu einem gelenknahen Ermüdungsbruch, zum
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Beispiel einer Schenkelhalsfraktur. In diesen Fällen muss
der Knochen in einer besonderen Therapie wieder aufgebaut
werden, oft ist auch eine Operation nötig.
Bei Schmerzen und Schwellungen
an die Knochen denken
Anzeichen für eine Überlastungsreaktion des Knochens sind
Schmerzen und Schwellungen am Fuß oder an den Unterschenkeln, die auf einen bestimmten Bereich begrenzt sind.
Sie treten nach dem Sport auf oder nach langen einseitigen
Belastungen wie längeren Bergwanderungen. Auch Pilger
sind vor Ermüdungsbrüchen nicht gefeiht, wie einer meiner
Patienten kürzlich schmerzhaft erfahren musste.
Die Diagnose eines Ermüdungsbruchs ist schwierig, da
Oben: Röntgenbild eines Vorfußes mit Bruch im dritten
Zehenstrahl. Die Bruchstelle ist leicht verschoben.
er im Anfangsstadium auf dem Röntgenbild oft nicht zu er-
Unten: Kernspin-Aufnahme eines Rückfußes mit Haarriss
kennen ist. Erst wenn der Knochen heilt – mehrere Wochen,
in der Ferse.
nachdem die Verletzung eingetreten ist –, wird er sichtbar.
Es empfiehlt sich daher, die Beschwerden von einem erfahrenen Orthopäden, Unfallchirurgen oder Sportmediziner abklären zu lassen. Mittels Kernspintomographie kann dieser die
Verletzung zweifelsfrei diagnostizieren und schnell richtig
behandeln.
Wenn sich noch kein Haarriss im Knochen herausgebildet hat, lässt sich die Stressreaktion durch Entlastung und
eine Trainingspause von mindestens sechs bis acht Wochen
heilen. Bei größeren Schwellungen, beziehungsweise, wenn
die Kernspintomographie Risse im Knochen zeigt, muss der
Knochen zusätzlich im Gips ruhiggestellt werden und der
Patient schmerzlindernde, abschwellende Medikamente
einnehmen. Gegen Schmerzen helfen lokale Kältebehandlungen. Damit der Muskel während der Ruhigstellung nicht
abbaut, bekommt der Patient eine Bewegungstherapie.
In sehr seltenen Fällen kann auch eine Operation erforderlich sein, in der der Knochen durch Platten oder Schrauben fixiert wird.
Regensburger Orthopädengemeinschaft
Vorbeugen
Stressreaktionen lassen sich vermeiden, indem der Sportler
das Trainingsprogramm auf seine körperliche Belastbarkeit
abstimmt. Dazu gehören auch hochwertige Laufschuhe mit
Sohlendämpfung und gegebenenfalls orthopädisch angepassten Einlagen.
Bei Leistungssportlern ist eine zusätzliche sportmedizinische Beratung zu empfehlen. Prinzipiell sollte sich der Sportler vor dem Training gründlich aufwärmen und dehnen,
um den Bewegungsapparat auf die bevorstehende Belastung
vorzubereiten.
Auch eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen – vor allem Kalzium! – hilft, die
Knochen stabil zu halten. Außerdem sollten Läufer auf ihr
Gewicht achten, da jedes Kilo mehr die Knochen zusätzlich
belastet. □
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