Freie Räume für die Altstadt Konzentration der Märkte und

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Freie Räume für die Altstadt Konzentration der Märkte und
Freie Räume für die
Altstadt
Konzentration der
Märkte und Freischaffung
des Viktualienmarktes
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m Beginn des 19. Jahrhunderts änderte die Münchner
Innenstadt mit dem Auszug zahlreicher Märkte hinaus in die
neu ent­ste­hen­den Vorstädte und durch die gleichzeitige Konzentration
der verbliebenen Märkte auf den 1807 ins Leben gerufenen
Viktualien­markt in einem weiteren Punkt ganz entscheidend ihr
Gepräge. Ausschlaggebend hierfür war die Absicht einer Freiräumung
des zu­nehmend als überlastet empfundenen Schrannenplatzes
(heute Marienplatz), der spä­testens an der Wende zum 14. Jahr­
hundert zu Münchens wich­tigstem Warenumschlagszentrum
aufgestiegen war.
Am Beginn dieser Entwicklung stand der Eier- und Kräutlmarkt,
eine Art Lebensmittelmarkt für den täglichen Bedarf.43 Dieser hatte
seinen angestammten Standort zunächst im östlichen Randbereich
des Schrannenplatzes, vor dem Alten Rathaus. Seine Bedeutung für
die Stadt erschließt sich nicht zuletzt aus einem Kupferstich Michael
Wenings, der seine um 1700 angefertigte Darstellung des Alten
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Rathauses ausdrücklich mit „Das Rahthauß sambt dem Kreütl Marckh
zu München“ titulierte. Mit dem Anwachsen der Stadt breitete sich
auch der Markt stetig aus, hinein ins Tal, in die Burgstraße und
gegen den Rindermarkt zu. Seine Auflösung wurde zur eigentlichen
Geburtsstunde des Viktualienmarktes. Für den Neubau des Eckhauses
Marienplatz/Burgstraße (heute Kaufhaus Ludwig Beck) im Jahre
1801 musste der Markt – sehr zum Unmut der Händler – in den
ehemaligen Friedhofsbezirk von St. Peter ver­legt werden. Der
sprachlichen Mode der Zeit entsprechend firmierte der Markt von
nun an unter dem latinisierten Begriff Viktualienmarkt. Diesem
wurde, mit Allerhöchster Entschließung des Königs Max I. Joseph
vom 10. März 1807, als neuer Standort der Hof des säkularisierten
Heilig-Geist-Spitals zugewiesen; im Sinne eines neuen Marktzentrums
erwog man zugleich die Um­wandlung der Spitalskirche in ein
Kaufhaus. Die Kirche blieb zwar von der profanen Umnutzung
verschont, den für den wachsenden Markt nötigen Platzbedarf
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Der Kräutermarkt vor dem Alten Rathaus
(Stich von Michael Wening, um 1700)
jedoch schuf die Stadt, indem sie bis 1823 das gesamte Spital
aufkaufen und sukzessive abbrechen ließ. Des Weiteren ließ der
Magistrat das „Corrections Haus“, das ehemalige Gefängnis, durch
die Freibank ersetzen (seit 2005 „Wirtshaus Der Pschorr“), sowie
weitere einengende Baulichkeiten, darunter fünf eigens von der
Stadt zu die­sem Zweck aufgekaufte Häuser an der Rossschwemme,
de­molieren.
Als letztes „störendes“ Gebäude wurde 1885 das sog. Weiberhaus
des ehemaligen Spitals, ein mächtiger, quer vor der Kirchenfassade
liegender Riegel, abgebrochen. Die so geschaffene neue Freifläche
kam auch dem Fischmarkt zugute. Dieser war spätestens seit dem
13. Jahrhundert auf dem Schrannenplatz beim Fischbrunnen
abgehalten worden und wurde 1831 auf den Viktualienmarkt verlegt,
in jenem Bereich an der Westenriederstraße, an dem er sich noch
heute befindet.
Wichtigster Markt der Stadt war der bereits 1296 als Kornmarkt
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erwähnte Getreidemarkt. Auch er fand, zweimal wöchentlich, auf
dem zentralen Schrannenplatz (heute Marienplatz) statt. Rasch zum
größten Getreidemarkt in Bayern aufgestiegen, führte seine Abhaltung
im Herzen der Stadt seit jeher zu massiven Verkehrsproblemen, die
man durch eigene Verkehrs- und Schrannenordnungen zu bewältigen
versuchte. Eine rege stadtpolitische Diskussion über die Verlegung
des Marktes hatte bereits Ende des 18. Jahrhunderts begonnen, der
Entschluss hierzu fiel jedoch erst 1849. Für die hierfür neu zu
erbauende, 1853 fertig gestellte Schrannenhalle wurde der durch
die Niederlegung der Stadtmauern frei gewordene weitläufige Platz
entlang der Blumen­straße zwischen Angertor und Viktualienmarkt
gewählt. Das stadtmauer­ähnliche Bollwerk mit weit über 400 Metern
Länge wurde jedoch schon bald als störend empfunden und nach
Eröffnung der neue Großmarkthalle in Sendling 1911 abgebaut (in
den Jahren 2000 ff. in Fragmenten wieder aufgestellt und seither
überwiegend gastronomisch genutzt).
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Der ehemalige „Weiberbau“ des HeiligGeist-Spitals, seit 1870 als Fleischhalle genutzt,
vor seinem ­A bbruch 1885 (Federzeichnung
von F. Perlberg, 1885); die Heilig-Geist-­Kirche
links erhielt erst damals ihre neubarocke Fassade.
Eine ähnliche Entwicklung erlebten die Viehmärkte. Der ur­
sprünglich innerhalb des ersten Stadtmauerrings auf dem Rinder­
markt abgehaltene Viehmarkt war schon früh, wohl noch im
14. Jahrhundert, auf den Anger verlegt worden. Dort befand sich
spätestens seit 1369 auch der Münchner Pferdemarkt, in einem
Bereich, der erst 1957 seiner ehemaligen Bestimmung gemäß in
Rossmarkt umbenannt wurde. Später kamen Viehverkaufsplätze
im Tal, im Färbergraben und entlang der Sendlinger Straße hinzu,
1851 eröffnete ein neuer Viehmarkt in der Herrnstraße. Hierher
wurde auch der Pferdemarkt verlegt, der zuvor zugunsten des neuen
Feuerwehrhauses am Anger von dort auf den Maximiliansplatz
gewechselt hatte. Mit der Fertigstellung des Schlachthofs in der
Isarvorstadt 1878 verließen sämtliche Viehmärkte den Altstadtbezirk.
Auf dem Areal des ehemaligen Viehmarktgeländes in der Herrnstraße
wurde 1881–82 das zweite protestantische Schul­haus Münchens
errichtet.
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Ein weiterer einstmals bedeutsamer Markt, der Weinmarkt,
hatte sich zu dieser Zeit bereits von selber erledigt. Zunächst in der
Weinstraße abgehalten, wechselte auch er noch im 14. Jahrhundert
auf den Schrannenplatz (heute Marienplatz). Dort erlangte er eine
derartige Bedeutung, dass noch zu Beginn des 17. Jahrhundert die
Bezeichnung Weinmarkt zuweilen als Synonym für den gesamten
Platz verwendet wurde; dies ist nicht weiter verwunderlich, gehörte
der Wein doch bis zum Beginn der frühen Neuzeit zum wichtigsten
Volksgetränk in Bayern. Erst das 1516 erlassene bayerische Rein­
heits­gebot, maßgeblich verstärkt durch das 1602 begründete Weiß­
biermonopol der Wittelsbacher mitsamt wirkungsvoller landes­herr­
licher Maßnahmen zur Förderung des Bierkonsums bei gleichzeitiger
Behinderung des Weinabsatzes, führte zu einem spürbaren Niedergang
des Weinhandels.44 Der empfindlich getroffene Weinhandel zog
sich immer weiter vom Marktplatz zurück hinein in die städtischen
Weinkeller, etwa unter der ehemaligen Ratstrinkstube an der Ecke
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