Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen
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Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen
Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen – Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 3 Inhaltsverzeichnis 1.Hintergrund .......................................................................................................................................................................... 4 1.1 Was sind Handelsbeschränkungen? ........................................................................................................................ 5 1.2 Handelsbeschränkungen bei Rohstoffen nehmen weltweit zu ............................................................................. 6 1.3 Die international-rechtlichen Rahmenbedingungen ................................................................................................ 6 1.4 Marktmacht China ....................................................................................................................................................... 7 2.Beispiele ................................................................................................................................................................................ 8 2.1 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen am Beispiel Seltene Erden ................................................................. 8 2.2 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Kupfer und Kupferschrott ............................................................ 9 2.3 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Stahlrohstoffen und Stahlschrott ............................................. 12 2.4 Handelshemmnisse bei nachwachsenden Rohstoffen ......................................................................................... 13 3.Herausforderungen .......................................................................................................................................................... 14 3.1 Zunahme der Handels- und Wettbewerbsverzerrungen auf den Rohstoffmärkten ........................................ 14 3.2 WTO-Regeln nicht mehr zeitgemäß ......................................................................................................................... 14 3.3 Mangelnde Transparenz bei handelsbeschränkenden Maßnahmen .................................................................. 15 3.4 Negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Wohlstand .................................................................................... 15 4.Forderungen der Industrie ............................................................................................................................................. 16 4.1 Bilaterale und multilaterale Abkommen stärker für den Abbau von Exportbeschränkungen und den Zugang zu Rohstoffen nutzen ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 16 4.2 Fairness im internationalen Wettbewerb sicherstellen ......................................................................................... 16 4.3 Die Bundesregierung und die EU müssen Einhaltung von internationalen Vereinbarungen einfordern 16 4.4 Transparente Rahmenbedingungen auf politischer Ebene schaffen .................................................................. 16 4.5 Wiederaufnahme der Gespräche im Rahmen der G7 und G20 .......................................................................... 17 4.6 Partnerschaft statt Protektionismus ........................................................................................................................ 17 Impressum .............................................................................................................................................................................. 18 4 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 1. Hintergrund Im Jahr 2013 importierte Deutschland mineralische und fossile Rohstoffe im Wert von rund 143 Milliarden Euro. Davon waren etwa 70 Prozent Energierohstoffe und rund 30 Prozent Metalle und Industrieminerale. Diese Rohstoffe werden aus aller Welt bezogen. Gute Handelsbeziehungen und der Abbau von Handelshemmnissen im Rohstoffbereich sind daher maßgeblich für eine gesicherte Rohstoffversorgung. sichern. Durch handelsverzerrende staatliche Maßnahmen werden einerseits Rohstoffimporte finanziell begünstigt und andererseits Rohstoffexporte beschränkt. Dies führt zu starken Preisschwankungen und einer künstlichen Verknappung auf den Weltrohstoffmärkten. Von derartig wettbewerbsverzerrenden Handelspraktiken ist die gesamte industrielle Wertschöpfungskette betroffen. Der sichere und diskriminierungsfreie Zugang zu Rohstoffen ist für Deutschland als Industrieland und Hightech-Standort von zentraler Bedeutung. Der wirtschaftliche Aufholprozess und die weitere Industrialisierung der Entwicklungs- und Schwellenländer, sowie die Entwicklung innovativer Technologien, erhöhen die weltweite Rohstoffnachfrage. Deutschland, als einer der größten Rohstoffimporteure, ist von der Verfügbarkeit auf den internationalen Märkten abhängig. Ein freier Welthandel ist für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit des Industrielands Deutschland somit ausschlaggebend. Die Entwicklungen auf den internationalen Rohstoffmärkten der vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass die Verknappung und Verteuerung wichtiger Rohstoffe für die Industrie zu einer großen Belastung werden kann. Auch Deutschlands heimische Rohstoffproduktion sowie die deutsche Rohstoffproduktion im Auslandsbergbau leiden unter Handels- und Wettbewerbsverzerrungen, da die Wettbewerbsfähigkeit durch staatliche Maßnahmen unterlaufen wird. Hinzu kommt, dass in Deutschland hohe Auflagen bezüglich Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards gelten, die die Produktion insgesamt verteuern. Es fehlen jedoch internationale Standards, die ein „level-playing-field“ gewährleisten. Die Industrie, als Wachstumsmotor Deutschlands, wird auch in Zukunft auf Rohstoffe angewiesen sein. Es liegt in der Verantwortung der Politik, faire und verlässliche Rahmenbedingungen für die Rohstoffversorgung zu ermöglichen. Eine Vielzahl von Ländern betreibt seit Jahren eine gezielte Rohstoffsicherungspolitik, um die Verfügbarkeit von Rohstoffen für die eigenen Unternehmen zu Wachsende Herausforderungen der Rohstoffversorgung der Europäischen Union (EU) Marktkonzentration auf wenige Staaten Protektionismus, Staatliche Eingriffe Konsolidierung des UpstreamBereichs Expansion des Wettbewerbs Einflussfaktoren Einflussfaktoren Einflussfaktoren Einflussfaktoren - Produktionskonzentration von Hochtechnologie-Rohstoffen: z.B. Wolfram: 87 % in CHN u. RUS Niob: 93 % in BRA - Staatliche Eingriffe zur Sicherung der heimischen Industrie (z.B. Exportsteuern, -lizenzen, Trade Defence Instruments, etc.) - Oligopolistische Strukturen (z.B. Eisenerz: Top3 kontrollieren rd. 60 % des seewärtigen Eisenerzhandels) - Markteinstieg neuer Produzenten durch Rückwärts-integration bei Industrie und Handel - oftmals in Ländern mit unsicherem Geschäftsumfeld (Korruption, politisches Risiko, Konflikte) - Staat nutzt Produktionsmonopol als Instrument der Handelspolitik - Starke M&A-Aktivitäten in der Bergbauindustrie Gefährdung der Wertschöpfungskette bei fehlender staatl. Unterstützung Steigende Wettbewerbsverzerrungen durch Eingriffe des Staates Gefährdung des Wettbewerbs durch zunehmende Markt-macht der Anbieter Härterer Wettbewerb um weniger ergiebige Rohstoffressourcen Quelle: WV Stahl - Abnehmende Qualität der Rohstoffvorkommen - Steigende Kosten der Extraktion Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 1.1 Was sind Handelsbeschränkungen? Protektionistische Maßnahme Handelsbeschränkungen sind Maßnahmen, die sich hemmend auf den internationalen Handel und Austausch von Waren auswirken. Sie dienen dem Ziel der Protektion der heimischen Wirtschaft und der Diskriminierung ausländischer Unternehmen. Unterschieden werden Handelsbeschränkungen in „tarifäre“ und „nichttarifäre“ Handelshemmnisse. Dabei wird die Einführung von Zöllen als „tarifäre Protektion“ bezeichnet. Import- und Exportzölle sind klassische Instrumente des Protektionismus, mit denen sich ein Land einen Vorteil zulasten eines anderen Landes verschafft. Nichttarifäre Handelshemmnisse bezeichnen alle Arten von Handelsbeschränkungen, die nicht in Form von Zöllen erhoben werden, z. B. Verbote, Quoten oder Lizenzverfahren. Tarifäre als auch nichttarifäre Handelshemmnisse führen zu Wettbewerbsverzerrungen und beschränken den Welthandel. Laut WTO sind Handelsbeschränkungen im Rohstoffsektor, insbesondere Exportsteuern, mit elf Prozent deutlich höher als im gesamten Welthandel mit nur rund fünf Prozent. Erklärung -- Zollabgaben als eine Art Steuer -- Einfuhrzoll (Schutzzoll) schützt heimische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz Importzölle/Exportzölle -- Ausfuhrzoll verteuert und reduziert den Export, Angebot im Inland steigt mit preissenkender Wirkung -- Verzerrung zwischen Weltmarktpreisen und Inlandspreisen Einfuhr-/Ausfuhrverbote -- Absolutes oder relatives Verbot bestimmte Waren ein bzw. auszuführen -- Begrenzung der Import- oder Exportmenge Kontingente / Quoten -- Nach Erreichung der Quote darf keine weitere Menge des betreffenden Produkts ein- bzw. ausgeführt werden Mindestpreisvorgaben -- Produkt darf nur zu einem bestimmten Mindestpreis angeboten werden Nicht-automatische Lizenzverfahren -- Genehmigung in Form einer Lizenz oder Zulassung, für den Import oder Export eines Produkts Subventionen -- Import- /Exportsteuerrabatte -- Mehrwertsteuererstattungen Quelle: WTO, OECD Geographische Herkunft der deutschen Rohstoffeinfuhren Kanada: USA: Jamaika: Suriname: Kolumbien: Peru: Brasilien: Bolivien: Chile: Argentinien: Spanien: Lybien: Guinea: Ghana: Namibia: Südafika: Israel: China: Indien: Indonesien: Australien: Steinkohle, Fe, Se, Ti Steinkohle, Ge, Li, V, W, Zn, PGM, Kaolin Tonerde Tonerde Steinkohle Ag, Cu, Pb, Sn Cu, Fe, Mn, Nb, Si, Graphit Pb Cu, Li, Mo Cu Zn, Al-Hydroxid, Tonerde Erdöl Bauxit Bauxit Fluorit Steinkohle, Cr, Fe, PGM, Ferro-Leg., Andalusit, Fluorit Phosphat Ge, Mg, Mn, Mo, Sb, SE, W, Ferro-Leg., Baryt, Farberden, Fluorit, Glimmer, Graphit, Magnesit Diamanten, Glimer, Schmirgel Sn Steinkohle, Pg, Zn Quelle: BGR (2014) - Rohstoffsituationsbericht Legende Ag: Silver Al: Aluminium Co: Kobalt Cr: Chrom Cu: Kupfer Fe: Eisen Ge: Germanium Li: Lithium 5 Mg: Magnesium Mn: Mangan Mo: Molybdän Nb: Niob Ni: Nickel Pb: Biel PGM:Platingruppenmetalle Sb: Antimon SE: Si: Sn: Ti: V: W: Zn: Zr: Seltene Erden Silizium Zinn Titan Vanadium Wolfram Zink Zirkonium Island: Al Irland: Pb, Zn, Al-Hydroxid, Norwegen: Erdgas, Erdöl, Al, Si, Ti, Ferro-Leg., Feldspat, Natursteine Schweden: Fe, Pb, Se, Zn Finnland: Zn Dänemark: Diatomit Niederlande:Erdgas, Ai, Pb, Tonerde Russische Föderation: Erdgas, Erdöl, Steinkohle, Al, Co, Cu, Fe, Ni, Pb, W, PGM, Ferro-Leg. GB: Erdöl, Al, Pb, Fluorit, Kaolin Griechenland: Ni, Perlit Ukraine: Ni Polen: Steinkohle, Cu Litauen: Torf Türkei: Feldspat Kazachstan: Erdöl, Ag, Ti Belgien: Mo, Pb, PGM, Ferro-Leg., Borate, Dolomit, Kaolin, Zement Osterreich: Mg, SE, V, W, Gips, Graphit, Natursteine Frankreich: Ag, Al, Al-Hydroxid, Natursteine, Phosphat, Zement 6 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe 1.2 Handelsbeschränkungen bei Rohstoffen nehmen weltweit zu Internationale Institutionen, wie die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), bestätigen die Zunahme neuer Handelsbarrieren innerhalb der G20. Trotz der Selbstverpflichtung der G20-Staaten in einem gemeinsamen Stillhalteabkommen keine neuen Handelsbeschränkungen einzuführen und bestehende Maßnahmen abzubauen, ist ein wachsender Protektionismus zu verzeichnen. Eine steigende Angebotskonzentration und zunehmende staatliche Eingriffe sind zentrale Einflussfaktoren auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen und schaffen weitreichende Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Rohstoffmärkten. Seit 2008 ist die Anzahl der protektionistischen Maßnahmen von etwa 100 auf insgesamt 858 gestiegen, lediglich 119 Maßnahmen wurden im selben Zeitraum abgebaut. Allein zwischen Juni 2013 und Juli 2014 gab es einen Anstieg neuer Handelshemmnisse um 25 Prozent. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 170 Handelsbeschränkungen neu eingeführt. Der Anstieg der Exportrestriktionen liegt dabei bei 39 Prozent. Die stetige Zunahme der Handelsbeschränkungen ist bereits seit einigen Jahren zu beobachten. Neben einer hohen Anzahl an Importmaßnahmen, wie z. B. Mehrwertsteuererstattungen auf gewisse Rohstoff Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln importe, dominieren im Rohstoffsektor Ausfuhrlizenzen und -steuern unter den Handelsbeschränkungen. Exportsteuern verringern das Exportvolumen und erhöhen das inländische Angebot. Der Preis im Inland sinkt und steigt gleichzeitig auf dem Weltmarkt. Eine gängige Maßnahme ist auch die nichtautomatische Erteilung von Exportlizenzen. Exporteure müssen vorab eine Genehmigung in Form einer Lizenz oder Zulassung für den Export ihres Produkts erhalten. Die Regierung kann so kontrollieren, wer exportiert und welche Mengen exportiert werden. Im Jahr 2012 haben neun Top-Produzenten verschiedener Rohstoffe nichtautomatische Exportlizenzen angewendet und damit den Handel von ca. 240 verschiedenen Primärrohstoffen und Halbfertigwaren beschränkt. 1 1.3 Die international-rechtlichen Rahmenbedingungen Verlässliche Handelsregeln sowie rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen sind Grundvoraussetzung für einen fairen Wettbewerb, auch auf den internationalen Rohstoffmärkten. Mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) und der daraus folgenden Gründung der WTO existiert eine zentrale internationale Organisation, die sich mit der Regelung von Handelsbeziehungen beschäftigt. Durch die Bindungs1 Quelle: OECD, 2014 Handelsbeschränkende Maßnahmen weiter massiv auf dem Vormarsch Entwicklung der Anzahl potenziell handelsbeschränkender Maßnahmen 1000 858 900 +25 800 688 700 +29 600 534 +26 500 424 400 333 +27 +49 300 223 +123 200 100 100 0 2008 Okt. 09 Okt. 10 Sept. 11 Apr. 11 Russland China Indien Indonesien Argentinien Ägypten USA Türkei Südafrika Thailand Tunesien Japan Brasilien Vietnam Mexico Ecuador Algerien Saudi-Arabien Nigeria Phillippinen Schweiz Südkorea Pakistan Jun. 13 Jul. 14 Quelle: 11. EU Bericht (2014) über potenziell handelsbeschränkende Maßnahmen; WV Stahl 32 23 16 14 13 10 8 7 7 6 4 4 4 3 3 3 3 2 2 2 2 Juni 2013 - Juli 2014 +170 1 1 0 10 20 30 40 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln wirkung der WTO-Regeln wird die Rechtssicherheit im internationalen Handel gestärkt. stand größten Anteil an der weltweiten Produktion, bei Wolfram sind es 75 bis 90 Prozent. Diese Marktmacht nutzt China als Instrument der Handelssteuerung auf den internationalen Rohstoffmärkten. Im Jahr 2012 waren 96 Prozent der weltweiten Wolframproduktion durch Exportmaßnahmen beschränkt. Im multilateralen Handelssystem spielte der Abbau von Exportbeschränkungen im Vergleich zu Importrestriktionen bisher keine prominente Rolle. Die WTO-Regeln zu Importbeschränkungen sind zahlreich und ausführlich. In mehreren Verhandlungen hat das Welthandelssystem erfolgreich zu einem maßgeblichen Abbau von Importzöllen und Einfuhrbeschränkungen beigetragen. Im Sinne von Artikel XI:1 GATT sind Exportsteuern keine unzulässigen Exportbeschränkungen. Es gibt keine explizite Regel, die sie durch eine rechtsverbindliche Obergrenze binden und so können WTO-Mitglieder Exportsteuern unilateral festlegen. 2 Quantitative Importund Exportrestriktionen sind hingegen grundsätzlich verboten. Es gibt aber verschiedene Ausnahmeklauseln, die Exportbeschränkungen in speziellen Fällen zulässig machen. Darunter fallen temporäre Schutzmaßnahmen oder auch allgemeine Ausnahmen, wie zum Zweck von Gesundheit- und Umweltschutz. Voraussetzung ist, dass heimische Unternehmen von der Maßnahme ebenso betroffen sind, also gleichzeitig die inländische Produktion verringert wird. Da Exportzölle auf multilateraler Ebene rechtlich erlaubt sind, sofern nicht spezielle Regelungen in den WTO-Beitrittsprotokollen (z. B. im Falle Chinas) aufgenommen wurden, werden Ausfuhrzölle oftmals in regio nalen bzw. bilateralen Handelsabkommen verboten (z. B. EU oder EU-Mexiko). Für die gesicherte Rohstoffversorgung der deutschen und europäischen Industrie sind bilaterale Handelsabkommen ein wichtiges Instrument, um eine international-rechtliche Grundlage zu schaffen. Exportbeschränkungen bei Rohstoffen (2012) Share of 2012 production restricted by any export measure Product 1 Antimony 98 % Bolivia*, China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, Russia*, Tajikistan, Vietnam 2 Rare earth elements 97 % China* 3 Tungsten 96 % Bolivia*, China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, Russia*, Vietnam* 4 Magnesium 92 % China* 5 Graphite 88 % China*, India* 6 Magnesite 85 % China*, Malaysia 7 Barytes 78 % China*, India* 8 Fluorspar 75 % China*, Malaysia 9 Lead 66 % China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, South Africa, Vietnam 10 Tin 63 % Bolivia*, China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, Russia, Vietnam 11 Zinc 54 % China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, Vietnam 12 Manganese 52 % China*, Dominican Republic, Gabon*, Grenada, India, Malaysia, Philippines, Vietnam 1.4 Marktmacht China China ist in den vergangenen Jahrzehnten zum führenden Verbraucher von Rohstoffen aufgestiegen. Mittlerweile verbraucht und produziert die Volksrepublik bei den meisten kritischen Rohstoffen mehr als 50 Prozent weltweit. Die Konzentrierung des Rohstoffangebots ist bei einer Reihe von Rohstoffen (u.a. Wolfram oder Antimon) sehr stark ausgeprägt. Bei Wolfram ist Deutschland vollständig importabhängig, da der Rohstoff hierzulande nicht primär gewonnen wird. China hingegen besitzt bei einzelnen Rohstoffen den mit Ab- 2 Gebundene Zölle dienen als Verhandlungsgrundlage innerhalb der WTO. Sie bilden eine rechtsverbindliche Obergrenze, über welche die angewandten Zölle der WTO-Mitgliedsländer nicht steigen dürfen. Producer countries restricting exports Rank** 13 Molybdenum 47 % China*, Dominican Republic, Grenada, Malaysia, Philippines, Russia, South Africa, Vietnam 14 Palladium 45 % Dominican Republic, Ghana, Grenada, Malaysia, Philippines, Russia* 45 % China*, Dominican Republic, Grenada, Guinea, India*, Malaysia, Philippines, Russia, Vietnam 15 Aluminium± Quellen: Produktionsdaten USGS Minerals Yearbook. OECD Inventory of Export Restrictions. 7 8 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 2. Beispiele 2.1 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen am Beispiel Seltene Erden Entwicklung der Exportquoten für Seltene Erden in China von 2004 – 2012 China besitzt mit mehr als 90 Prozent der Weltproduktion bei den 17 Metallen der sogenannten Seltenen Erden eine Quasi-Monopolstellung. Die Importquote der EU und weiterer westlicher Industrienationen beträgt nahezu 100 Prozent. Damit ist die Weltwirtschaft von Lieferungen aus China abhängig. Die speziellen Rohstoffe der Seltenen Erden werden weltweit für die Herstellung neuer Technologien und Produkte gebraucht. Seltene Erden sind physisch betrachtet nicht selten, auch weitere Länder, z. B. die USA, Australien, oder auch Deutschland verfügen über Vorkommen an Seltenen Erden. Der wirtschaftliche Abbau ist aber angesichts der geringen Konzentration in Mineralien sehr aufwendig und teuer. Jahr Exportquote [t] 2004 65.609 2005 65.609 0 46.000 2006 61.821 -6 50.000 2007 59.643 -4 50.000 2008 56.939 -5 56.000 2009 50.145 -12 25.000 2010 30.258 -40 49.000 2011 30.246 0 35.000 2012 ~31.130* +3 45.000? China hat in der Vergangenheit mit einer gezielten, industriepolitischen Strategie die Produktion von Seltenen Erden durch Dumpingpreise an sich gezogen und damit Projekte außerhalb der Volksrepublik unrentabel gemacht. Über mehrere Jahre hat das Land die Exportquote für Seltene Erden reduziert. 2005 lag die Ausfuhrquote noch bei rund 65.000 Tonnen. 2010 bei nur noch 30.000 Tonnen, was einer Reduzierung gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent entspricht. Diese Maßnahmen stehen den Interessen der Abnehmerländer entgegen. 2010 lag die weltweite Nachfrage 5.000 bis 10.000 Tonnen über dem globalen – chinesischen – Angebot. Die künstliche Verknappung führte zu einem Anstieg der Preise auf den internationalen Rohstoffmärkten gegenüber den chinesischen Inlandspreisen und behinderte den Zugang zu Rohstoffen für ausländische Unternehmen. Aus diesem Grund reichten die EU, gemeinsam mit den USA und Japan, Anfang 2012 bei der WTO Beschwerde ein und forderten ein offizielles Schlichtungsverfahren. Unterschied zum Vorjahr [%] Geschätzter Bedarf außerhalb Chinas [t] 57.000 Quellen: BGR. *Erste Allokation der Seltenen Erden Exporte für 2012: 24.904 Tonnen (bestätigt und provisorisch) Das WTO-Verfahren: Die Einführung der Exportquoten, Zölle und Mindestpreise Chinas verstößt gegen die internationalen Handelsregeln und den Beitrittsvertrag der WTO, so die Argumentation der großen Abnehmerländer. Die chinesische Regierung verteidigte ihre Politik, die Maßnahmen seien entsprechend der Ausnahmeklausel in Artikel XX GATT zum Schutz der Umwelt notwendig und sollten eine nachhaltige Entwicklung fördern. Die Exportbeschränkungen stünden daher im Einklang mit den WTO-Regeln. Die Ausnahmeklausel zum Umweltschutz greift jedoch nur, wenn die Gewinnung der betroffenen Rohstoffe im Inland ebenfalls eingeschränkt wird. In China war dies nicht der Fall. China hat sich im WTO-Beitrittsprotokoll verpflichtet, seine Exportzölle abzuschaffen, auch auf die Seltenen Erden und zudem das Recht aufgegeben, die allgemeinen Ausnahmeklauseln der WTO anzuwenden. Das WTO-Schiedsgericht urteilte Anfang 2014, dass die Exportquoten chinesischen Firmen unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen und damit gegen Regeln des freien Welthandels verstoßen. Die Ausnahmeklauseln können hier für China nicht geltend gemacht werden. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln Nach einem jahrelangen Handelsstreit hat China die Exportquoten für Seltene Erden aufgehoben, doch sind bereits neue Restriktionen geplant. Im Rahmen der neuen Richtlinien der Volksrepublik wird die Exportmenge nicht mehr durch eine Quote beschränkt; Exporteure brauchen jedoch eine Lizenz, um Seltene Erden ausführen zu dürfen. Dies führt zur Schließung von Minen und verursacht eine weitere Monopolisierung im Land. Die chinesische Exportpolitik bei Seltenen Erden führt vor allem dazu, dass durch geschickte Mengensteuerung neue Projekte auf den internationalen Märkten wie beispielsweise Mountain Pass (Kalifornien) oder Mount Weld (Australien) aus Wirtschaftlichkeitsgründen nicht anlaufen können. Die Versorgungssituation wird somit auf absehbare Zeit angespannt bleiben. dig gewonnen werden. Das Kupferrecycling bietet für Deutschland eine bedeutende Rohstoffquelle, doch auch im Recyclingsektor sind Wettbewerbsverzerrungen sehr ausgeprägt. Unternehmen, die durch staatliche Subventionen und günstige Kredite unterstützt werden, können auf den europäischen Märkten erfolgreicher konkurrieren, z. B. durch Importanreize für Schrotte. China implementiert beispielsweise Importsteuerrabatte auf Kupferschrotte und kupferhaltige Schrotte. Das Land rückerstattet den Firmen 30 Prozent der Importsteuer (VAT) von 17 Prozent auf den Kupferpreis, eine Entlastung von rund 5 Prozent des Preises der Shanghai Futures Exchange (SHFE). In der Folge kann es zu Verknappungen bei der Versorgung europäischer Werke kommen. Auch werden Exportsteuern und Ausfuhrverbote auf Schrotte eingeführt, um den Export zu reduzieren. Russland erhebt z. B. eine prohibitiv hohe Exportsteuer auf Kupferschrotte von 50 Prozent. So haben die hiesigen Werke keine Möglichkeit, Rohstoffe bzw. Schrotte in diesen Ländern zu kaufen, da der Export durch hohe Steuern wirtschaftlich blockiert wird. 2.2 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Kupfer und Kupferschrott Schrotte sind am Anfang der Wertschöpfungskette wichtige Rohstoffe zur Herstellung von Halbzeugen. Sie fallen im Wesentlichen in hoch-industrialisierten Ländern, wie Deutschland, an. Diese Rohstoffe stehen der Wertschöpfungskette sofort zur Verfügung (Urban Mining). Sie müssen nicht über Erzgewinnung aufwän- Übersicht Handels- und Wettbewerbsverzerrungen am Beispiel Kupfer Brasilien Russland Indien China Kupfererze, -konzentrate, Schlacken Importzoll 2% Importzoll 5% Importzoll 2% Exportzoll 10 % Nicht raffiniertes Kupfer, Kupferanoden Importzoll 6% Importzoll 5% Importzoll 5% Exportzoll 30 % Raffiniertes Kupfer, Kupferkathoden Importzoll 6% Importzoll 5% Importzoll 5% Aussetzen der MwSt-Zahlung bei Import Importzoll raff. Kupfer 2 %, Legierungen 1 % Exportzoll 30 % Importzoll 5% Importzoll auf Produkte aus raff. Kupfer 4 %, auf Produkte aus Kupferlegierung 7 % Kupferbarren, -stäbe, Profile aus Kupfer Importzoll 12 % Exportzoll 10 % Importzoll 5% Exportzoll 30 % Importzoll 5% Importzoll auf Produkte aus raff. Kupfer 4 %, aus Kupferlegierung 7 % Kupferdraht Importzoll 12 % Exportzoll 10 % Importzoll 5% Exportzoll 30 % Kupferrohre Importzoll 14 % Importzoll 5% Importzoll 7,5 % Importzoll 4 % Kupferkabel Importzoll 14 % Importzoll 15 % Importzoll 10 % Importzoll 5 % Schrotte aus Kupfer Importzoll 2% Exportzoll 50 % Importzoll 5% Erstattung der Umsatzsteuer (17%) bei Import Quellen: Produktionsdaten USGS Minerals Yearbook. OECD Inventory of Export Restrictions. Exportverbot 9 10 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 11 Abbau von Handelshemmnissen für nachwachsende Rohstoffe Die Versorgung der deutschen Industrie mit industriell genutzten nachwachsenden Rohstoffen kann nur sichergestellt werden, wenn Marktverzerrungen durch staatliche Eingriffe abgebaut werden. 12 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe 2.3 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Stahlrohstoffen und Stahlschrott Für die Stahlindustrie in der EU besteht eine hohe Importabhängigkeit, für eine Vielzahl der stahlrelevanten Einsatzrohstoffe sogar zu 100 Prozent. Der Gebrauch von Handelshemmnissen hat in den vergangenen Jahren oftmals unter dem Vorwand des Umwelt- und Ressourcenschutzes deutlich zugenommen. Besonders ausgeprägt ist dabei die Anwendung von Exportsteuern in den stahlrelevanten Rohstoffbereichen. Die maximalen Steuersätze belaufen sich dabei auf bis zu 45 Prozent. Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln Von den Handelshemmnissen betroffen sind nicht nur die primären Einsatzstoffe, wie Eisenerz und Kohle sondern auch der Sekundärrohstoff Stahlschrott. Derzeit sind in diesem Bereich Handelsbeschränkungen in mehr als 30 Ländern in Kraft. Insbesondere Schwellenländer in Asien und Afrika erheben Exportzölle oder Exportverbote, um eine ausreichende und kostengünstige Versorgung der heimischen Stahlindustrie mit Schrott zu gewährleisten. Während in Afrika vor allem Exportverbote in Kraft sind, greifen andere Regionen zu Exportsteuern, bei denen ein ständiges Nachjustieren zum Einstellen der gewünschten Dämpfung möglich ist. Zunehmende Abschottung der Rohstoffmärkte – Auswahl an Handelshemmnissen bei Stahlschrott Weißrussland: Exportsteuer 15% mind. 20€/t Russland: Exportsteuer 15% mind. 15 €/t Ukraine: Exportsteuer 13,2 EUR/t Export-Lizenzsystem Kasachstan: Exportsteuer 15% mind. 20 €/t Aserbaidschan: Exportverbot Iran: Exportsteuer bis 50% China: Exportsteuer 40% Algerien: Export-Lizenzsystem Marokko: Export-Lizenzsysvtem Vietnam: Exportsteuer 22 % Sri Lanka: Exportsteuer 10% Malaysia: Exportsteuer 10% Exportlizenzsystem Jordanien: Exportsteuer 50$/t Sri Lanka, Indonesien: Exportverbote Ghana, Kenia, Sambia, Ostafrika: Exportverbote Kenia: Exportsteuer 20% Uruguay: Exportlizenzsystem Argentinien: Exportsteuer 20% Quelle: OECD Stand Dezember 2014, WV Stahl Indien: Exportsteuer 15% Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 2.4 Handelshemmnisse bei nachwachsenden Rohstoffen land stofflich eingesetzten nachwachsenden Rohstoffen (außer Holz) liegt bei etwa 60 Prozent. 3 Potenziale für zusätzliche Anbauflächen für Biomasse bestehen größtenteils außerhalb Deutschlands. Daher wird die deutsche Industrie auch in Zukunft auf den Import nachwachsender Rohstoffe angewiesen sein. Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen wird aufgrund bestehender Handelshemmnisse, wie z. B. Exportzölle oder –quoten, zunehmend beschränkt. Die Versorgung der deutschen Industrie mit industriell genutzten nachwachsenden Rohstoffen kann nur sichergestellt werden, wenn Marktverzerrungen durch staatliche Eingriffe abgebaut werden und der Import zu wettbewerbsfähigen Weltmarktpreisen gewährleistet ist. Die Bundesregierung und die EU Kommission sollten sich dort, wo Einfuhrzölle den industriellen Einsatz nachwachsender Rohstoffe hemmen, für eine Senkung der Einfuhrzölle auf industriell genutzte nachwachsende Rohstoffe stark machen. Die industrielle Nutzung nachwachsender Rohstoffe gewinnt in Deutschland und weltweit an Bedeutung. Vor dem Hintergrund sich verknappender fossiler Ressourcen spielen die nachwachsenden Rohstoffe eine wichtige Rolle bei der Diversifizierung der Rohstoffquellen. Sie tragen zur Schonung der fossilen Rohstoffe und der nachhaltigen Entwicklung bei und schaffen zudem Arbeitsplätze und Wertschöpfung im ländlichen Raum. Angesichts der Endlichkeit von Erdöl und Erdgas werden die nachwachsenden Rohstoffe bei der zukünftigen Rohstoffversorgung Deutschlands ein unverzichtbarer Bestandteil sein. Nachwachsende Rohstoffe sind in verschiedenen Branchen seit langem etabliert und werden für die Herstellung diverser Anwendungen benötigt. Der Anteil der Importe an den in Deutsch- 3 Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe 13 14 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 3. Herausforderungen 3.1 Zunahme der Handels- und Wettbewerbsverzerrungen auf den Rohstoffmärkten Konträr zu der Selbstverpflichtung der G20 Länder hat die Einführung von handelsbeschränkenden Maßnahmen an Fahrt gewonnen und Schätzungen der EU Kommission zufolge werden etwa zwölf neue Maßnahmen pro Monat eingeführt. 4 Angesichts starker Abhängigkeiten und internationaler Wertschöpfungsketten ist die Zuspitzung dieses Trends eine globale Herausforderung. Die protektionistischen Praktiken haben nicht nur Einfluss auf inländische Firmen und Preise, sondern weltweit nachteilige Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte. Es bedarf einer aktiven und ganzheitlichen Rohstoffpolitik, um den Handelsbeschränkungen und Wettbewerbsverzerrungen auf den Rohstoffmärkten zu begegnen. Die Anzahl regulatorischer Vorgaben zu Nachhaltigkeit und Transparenz im Rohstoffhandel ist in den vergangenen Jahren gestiegen, berücksichtigt wird dabei jedoch zu wenig das Ziel der physischen Rohstoffsicherung. Die Herausforderung ist, einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Rohstoffsicherung zu schaffen. Bilaterale Handelsabkommen sind eine zentrale Ergänzung zur WTO und ein wichtiges Element für die Rohstoffversorgung. Es ist bisher jedoch nicht gelungen, dem Trend des wachsenden Protektionismus entgegenzuwirken. Dieser Herausforderung muss auf multilateraler Ebene stärker begegnet werden. 4 EU Kommission, 2014 3.2 WTO-Regeln nicht mehr zeitgemäß Das Regelwerk der WTO zu Exportrestriktionen ist ein Bereich, der bisher viel Spielraum für die Mitgliedsländer bietet. Es zeigt sich der deutliche Trend, dass Länder vermehrt die Ausnahmeklauseln, also Sicherheits- oder Umweltstandards, als Rechtfertigung von Handelshemmnissen angeben, um Rohstoffexporte z. B. durch hohe Zölle oder Quoten zu beschränken. Diese Maßnahmen geben vor, WTO-konform zu sein. Laut Artikel XI:2(a) sind quantitative Exportrestriktionen zulässig, wenn sie “temporär“, zur Bekämpfung eines “kritischen“ Mangels eingesetzt werden oder laut Ausnahmen in Artikel XX der Erhaltung natürlicher Ressourcen, dem Umweltschutz oder der Gesundheit dienen, oder für die nationale Sicherheit notwendig sind. Allerdings ist im WTO-Regelwerk nicht klar definiert, was temporär oder kritisch bedeutet. Es stellt sich die Herausforderung regelmäßig zu prüfen, ob Ausnahmen greifen und die Regeln eingehalten werden. Einen Fall vor die WTO zu bringen ist ein langwieriger und ressourcenintensiver Prozess, der häufig erst nach mehreren Jahren zu konkreten Ergebnissen führt. Der Durchsetzungsmechanismus der WTO ist bislang zu schwach, da Aufwand und Dauer eines Streitschlichtungsverfahrens enorm sind. Es ist nicht möglich, auf Regelverstöße unmittelbar zu reagieren, und aufgrund der mangelnden Kapazitäten der WTO sind häufige Verfahren grundsätzlich nicht realisierbar. Darüber hinaus dauert es oft Jahre, bis ein WTO-Urteil greift. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 3.3 Mangelnde Transparenz bei handelsbeschränkenden Maßnahmen 3.4 Negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Wohlstand Transparenz bei handelsbeschränkenden Maßnahmen ist eine grundlegende Schwachstelle im internationalen Handel mit Rohstoffen. Regierungen steht es weitestgehend offen, ob und welche Informationen über protektionistische Maßnahmen veröffentlicht werden. Kritisch ist dabei nicht nur dass Handelsbeschränkungen oft sehr kurzfristig eingeführt werden, häufig gibt es auch keine verfügbaren Informationen über die Ausgestaltung, die Dauer oder das angestrebte Ziel der eingeführten Maßnahme. Die Einflussnahme und Reaktionsmöglichkeit der betroffenen Stakeholder auf bereits umgesetzte Maßnahmen ist dadurch eingeschränkt. Das Monitoring der entsprechenden Institutionen (WTO, OECD, UNCTAD) konzentriert sich auf bereits eingeführte Handelsbeschränkungen (ex post). Da keine „ex ante“ Informationen vorliegen, können Unternehmen die negativen Auswirkungen der implementierten Handelsbeschränkung nicht antizipieren und demzufolge ihre Aktivitäten hinsichtlich der Rohstoffbeschaffung nicht anpassen. Gleiches ist auch für die Rohstoffgewinnung zutreffend. Handelsbeschränkungen führen zu steigenden Weltmarktpreisen. Da der Zugang zu Rohstoffen künstlich beschränkt ist, wirken die Handelshemmnisse wettbewerbsverzerrend. Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen reichen von Angebotsbegrenzungen, über Manipulation von Handelsbedingungen und Handelsströmen bis zu einem Rückgang der globalen Wohlfahrt. Der Handel im Rohstoffsektor wird durch die Einführung von Import- sowie Exportzöllen ineffizient beschränkt. Dabei profitieren Anwenderländer nur sehr selten, da protektionistische Maßnahmen die Wachstumsmöglichkeiten verringern. In der Regel werden Ausfuhrbeschränkungen auf unverarbeitetes Metall erhoben, um die inländische Wertschöpfung zu steigern. Einer Studie der OECD und der North-West University in Südafrika zufolge gibt es bei verschiedenen afrikanischen Ländern keine Hinweise darauf, dass die Beschränkungen der Rohstoffausfuhren die internationale Wettbewerbsfähigkeit von nachgelagerten Verarbeitungsindustrien positiv beeinflusst haben. 5 Ressourcenreichtum und ein wettbewerbsfähiger Berg bausektor schaffen nicht automatisch komparative Vorteile bei der Weiterverarbeitung. 5 OECD, 2015 15 16 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 4. Forderungen der Industrie 4.1 Bilaterale und multilaterale Abkommen stärker für den Abbau von Exportbeschränkungen und den Zugang zu Rohstoffen nutzen 4.3 Die Bundesregierung und die EU müssen Einhaltung von internationalen Vereinbarungen einfordern Für die Rohstoffsicherheit müssen die Bundesregierung und die EU weiterhin auf den kontinuierlichen Ausbau internationaler Handelsabkommen setzen. Auf multilateraler Ebene, insbesondere in den WTO-Beitrittsprotokollen, müssen auch Artikel zu Exportbeschränkungen eingefügt werden, um internationale Wettbewerbsverzerrungen im Rohstoffsektor zu vermeiden. Der Abbau von Handelsbeschränkungen bei Rohstoffen und von wettbewerbsverzerrenden Subventionen ist grundsätzlich zur Bedingung für den Abschluss von Handelsabkommen und WTO-Beitrittsvereinbarungen zu machen. Die Rolle der WTO muss verstärkt in den Vordergrund gerückt werden, denn eine multilaterale Konzertierung bringt die größten Effizienzgewinne. In bilateralen Gesprächen, auch in TTIP, muss konsequent auf den Abbau handels- und wettbewerbsverzerrender Maßnahmen im Rohstoffsektor hingewirkt werden. Es besteht die Möglichkeit für die WTO-Mitglieder, auf nichttarifäre Handelshemmnisse anderer WTO-Mitglieder durch Notifikation hinzuweisen. Bislang wird dieses Instrument nicht ausreichend genutzt. Grundsätzlich wird die Einhaltung der internationalen Vereinbarungen von den Handelspartnern nicht intensiv genug eingefordert. Eine sichere Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas zu wettbewerbsfähigen Bedingungen ist unverzichtbar für Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand, auch in Zukunft. Daher sollten die Bundesregierung und die EU gegen Verstöße von internationalen Vereinbarungen verstärkt vorgehen und deren Einhaltung prominent einfordern. Insbesondere den Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Märkten, die durch die Rohstoffsicherungspolitiken anderer Staaten entstehen, muss auf politischer Ebene entschlossen begegnet werden. 4.2 Fairness im internationalen Wettbewerb sicherstellen 4.4 Transparente Rahmenbedingungen auf politischer Ebene schaffen Die Gewährleistung eines „level-playing-fields“ beim Zugang zu Rohstoffen ist von zentraler Bedeutung. Dazu bedarf es verlässlicher Handelsregeln und einer stärkeren Ahndung von Verstößen gegen die Regeln. Obwohl die Handelsregeln der WTO in einigen Fällen formal nicht verletzt werden, entspricht das Vorgehen mehrerer Länder nicht dem Prinzip des fairen Wettbewerbs. Mit administrativen Maßnahmen wird die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Industrie zum existentiellen Schaden anderer wettbewerbsfähiger Konkurrenten, z. B. aus Deutschland, ausgeglichen. Um gegen Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen vorgehen zu können, müssen die WTO-Regeln im Bereich der Exportbeschränkungen verbessert werden. Es ist notwendig, den Streitbeilegungsmechanismus der WTO auszubauen, damit internationalen Wettbewerbsverzerrungen zügiger und effektiver begegnet werden kann. Derzeit sind die Verfahren zu langwierig, kostspielig und kapazitätsintensiv. Diese Weiterentwicklung der WTO-Regeln muss das langfristige Ziel auf multilateraler Ebene sein. Die Transparenz hinsichtlich der Anwendung von handelsbeschränkenden Maßnahmen muss verbessert werden, damit Handelspartner und Marktteilnehmer staatliche Eingriffe einkalkulieren und ihre Rohstoffbeschaffung entsprechend planen können. Die Informationspolitik, insbesondere vor der Einführung einer protektionistischen Maßnahme, ist von zentraler Bedeutung für die Kosteneinschätzung, das Risikomanagement und die grundsätzlichen Marktmöglichkeiten. Das OECD Inventory liefert bereits eine umfassende Informationsbasis zu Exportrestriktionen im Rohstoffbereich von 2009 bis 2012. Eine Aktualisierung ist derzeit in Arbeit, kann allerdings den ex ante Informationsbedarf nicht erfüllen. Zu einem vollständigen Informationssystem bedarf es einer frühzeitigen Kommunikation und außerdem einer Überprüfung der eingeführten Maßnahmen hinsichtlich der Erreichung des vorgegebenen Zwecks und der weiteren Notwendigkeit. Protektionistische Maßnahmen, die ihr ursprüngliches Ziel erfüllt oder sich als ungeeignet erwiesen haben, müssen umgehend abgeschafft werden. Die Politik ist aufgefordert, die relevanten Institutionen beim Monitoring protektionistischer Maßnahmen zu unterstützen, um transparente Rahmenbedingungen zu schaffen. Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln 4.5 Wiederaufnahme der Gespräche im Rahmen der G7 und G20 4.6 Partnerschaft statt Protektionismus Zur Stärkung des multilateralen Handels ist aus Sicht der Industrie der Abbau von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen essentiell. Daher wird die Selbstverpflichtung der G20, keine neuen Handelsbeschränkungen einführen zu wollen, sehr begrüßt. Allerdings ist dieses Stillhalteabkommen nicht effektiv genug. Die Zunahme politischer Eingriffe in den Handel mit Rohstoffen sollte bei den zukünftigen Gesprächen der G7 und der G20 wieder prominent adressiert werden. Langfristig muss ein weltweit fairer und gleichberechtigter Zugang zu Rohstoffen gesichert werden. Der G20 kommt in dieser Beziehung eine wichtige Funktion zu. Die Problematik des wachsenden Protektionismus muss auf die internationale Agenda gesetzt werden. 17 Eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft ist eine multilaterale Aufgabe. Angesichts der Globalisierung und der volatilen Märkte bedarf es einer globalen Kooperation. Während protektionistische Maßnahmen von Rohstoffabbauländern nicht die gewünschte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von nachgelagerten Verarbeitungsindustrien erzielt haben, könnte durch Vertrauen, größere Markttransparenz und faire Handelsbedingungen eine nachhaltige Rohstoffwirtschaft weltweit gefördert werden. Letztendlich können Produzenten und Konsumenten von einer gleichberechtigten Handelsbeziehung profitieren. Mit den Rohstoffpartnerschaften bzw. -kooperationen mit rohstoffreichen Ländern hat die Bundesregierung bereits diesen Weg der Zusammenarbeit beschritten, um eine Win-Win-Situation für beide Seiten zu schaffen. Einerseits durch eine Verbesserung des langfristigen Rohstoffangebots, andererseits durch den Know-how Transfer und die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Durch die damit verbundene Weiterentwicklung der Rohstoffindustrie vor Ort werden Arbeitsplätze geschaffen und Wohlstand aufgebaut. Dieses Modell gilt es in den kommenden Jahren hinsichtlich der Wohlfahrtseffekte für beide Seiten zu evaluieren und bei Bedarf anzupassen. 18 Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Impressum Herausgeber Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Redaktion Matthias Wachter, Abteilungsleiter Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Anna-Lynn Ratz, Referentin Abteilung Sicherheit und Rohstoffe Konzeption & Umsetzung Sarah Pöhlmann Abteilung Marketing, Online und Veranstaltungen Layout Michel Arencibia www.man-design.net Druck Das Druckteam Berlin www.druckteam-berlin.de Verlag Industrie-Förderung GmbH, Berlin Bildnachweis Cover: © 57940360 / M. Johannsen / Fotolia.com Seite 10: © 83953154 / Thaut Images / Fotolia.com Stand Oktober 2015 BDI-Publikations-Nr. 0038 Handels- und Wettbewerbsverzerrungen bei Rohstoffen Für einen diskriminierungsfreien Zugang und verlässliche Handelsregeln