Christian Boros ist Werber und Kunstsammler. Mit seinem
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Christian Boros ist Werber und Kunstsammler. Mit seinem
Christian Boros ist Werber und Kunstsammler. Mit seinem Museum im Bu Privatmuseum. Mit dem „Bananenbunker“ fand Christian Boros die Herberge für seine Kunstsammlung. Oben am Dach baute er sich ein Traum-Penthouse. 48 048_48-50_Boros 48 Bestseller 11|12 2010 01.12.2010 21:34:15 Der Zwangsvermittler m Bunker schuf er sich und der zeitgenössischen Kunst ein Denkmal. Bestseller stattete dem Ästheten einen Besuch in Berlin ab. Text von Sebastian Loudon Boros ColleCtion, HuBer von Wald Berlin Mitte, Anfang November. An einem grauen Freitagnachmittag schleichen zwei Gestalten um den sogenannten „Bananenbunker“ in Berlin-Mitte. Es ist kalt, viel zu kalt für diese Jahreszeit. Und es ist feucht. Der Bunker, erbaut 1942, bekam diesen liebevollen Namen in den Fünfzigerjahren, als er der DDR-Führung als Lager für Südfrüchte diente. Nach der Wende war er Schauplatz der härtesten Techno-Feten in Berlin. Das Gebäude ist quadratisch angelegt, hat auf jeder Seite einen Eingang. Die beiden Figuren im Novembernebel sind auf der Suche nach dem einen Eingang, der in eines der spektakulärsten Penthouses Berlins führt. Dort oben auf dem Dach des Bunkers lebt seit zwei Jahren Christian Boros mit seiner Frau Karen Lohmann und dem gemeinsamen siebenjährigen Sohn. „Sie sind auf der falschen Seite des Bunkers“, sagt Boros durch das Telefon. Er klingt geduldig, die Bestseller-Reporter sind offenbar nicht die Ersten, die sich schwer tun, auf Anhieb den richtigen Eingang zu finden. Umgekehrt läuten auch viele Museumsbesucher irrtümlich bei den Boros‘ im sechsten Stock an. Museum? Im Bunker? Ganz genau. Vor zwei Jahren machten Boros und Lohmann ihre Sammlung zeitgenössischer Kunst der Öffentlichkeit zugänglich. Im Berliner „Bananenbunker“. Und oben auf dem Dach stellten sie sich ihre Wohnung hin. Mit dem Fahrstuhl geht es also durch die 3,1 Meter dicke Decke des Bunkers – bis das Loch im Stahlbeton frei war, vergingen alleine drei Monate, das wird sogar den Museumsbesuchern aus aller Welt erzählt. Oben angekommen stehen die Besucher aus Wien vor einer gigantischen Metall-Schiebetür. Für einen Moment fühlen sie sich wie in einem James-Bond-Film, im Herzstück des Hauptquartiers des Bösewichts. Die Tür gleitet zur Seite, aber da steht kein Bösewicht, sondern Christian Boros, von Beruf Werber und seit 2008 Berliner Nebenerwerbs-Museumsdirektor. Flüchtlingskind und Ästhetik-Stundent Boros ist vielbeschäftigt – auch an diesem Freitagabend. Er muss seinen Sohn abholen, und abends kommen Gäste. Dennoch gibt er seinem Besuch keine Sekunde das Gefühl, er wäre nicht willkommen. Und er ist völlig unhektisch. „Bevor wir anfangen, möchte ich noch eine Zigarette rauchen.“ Dafür gibt es nur einen Ort in dem riesigen Loft, das man gemeinhin als atemberaubend bezeichnen würde, nämlich unter der Edelstahl-Dunstabzugshaube in der Küche. Neben dem Herd steht bereits das geschnittene Gemüse für die Gäste. „Heute wird groß aufgekocht“, sagt Boros, als er genüsslich seine Zigarette raucht und zu erzählen beginnt. Von seiner Kindheit im Flüchtlingslager, nachdem Boros‘ Eltern, als dieser sieben Jahre alt war, aus Polen in den „goldenen Westen“ kamen. Von seiner Jugend in Köln, wo er keinen Sport betrieb, „viel zu spät“ mit Mädchen zu tun hatte, aber dafür bereits sehr früh mit Kunst in Berührung gekommen ist. Er erzählt von seinem Entschluss, bei Bazon Brock in Wuppertal Ästhetik zu studieren, wo ihn Brock immer einen „Zwangsbeglücker“ genannt habe. „Weil ich die Dinge, die ich gut fand, immer unbedingt allen anderen vermitteln wollte.“ 49 049_48-50_Boros 49 01.12.2010 21:34:22 50 050_48-50_Boros 50 stellen sollte. Boros, bestens bekannt mit Wurm, war eingeladen und dachte sich „Oh Gott, jetzt wird der Erwin eitel, jetzt will er einen Prachtband über sein Lebens werk.“ Sein Vorschlag ging ins Gegenteil: Was gibt es Ironischeres und Wahrhaftige res zugleich, als wenn ein erfolgreicher Künstler in einem Buch über sein Lebens werk ebendieses als gescheitert oder eben umgangssprachlich als „vergurkt“ darstellt, dachte sich Boros und präsentierte das „Gurkenbuch“, einen dicken Schmöker mit einer großen Essiggurke im Relief vorne drauf. „Ein Objekt, kein Buch“, sagt Boros stolz, bevor er das Gespräch unterbricht: „So, genug geraucht, setzen wir uns rüber.“ Erster oder Letzter Wenn Boros mit seinen Ideen in eine Prä sentation geht, weiß er vorher schon ganz genau: Entweder werde ich mit Abstand Letzter, oder ich gewinne den Pitch haus hoch. Wie das geht, wollen wir wissen. „Ich habe nie in meinem Leben in einer an deren Agentur gearbeitet, nicht einmal ein Praktikum habe ich gemacht. Das heißt, mir hat niemand jemals gesagt: Das geht nicht, oder: So können wir das nicht ma chen. Nachdem mir dieser Abschleifungs prozess gefehlt hat und ich als Student oh nehin nicht viel zum Leben gebraucht habe, ging ich immer kompromisslos ins Viva liebt dich Rennen. Und bald hat man von uns erwar „Unser Auftrag lautete: Zeig der deutschen tet, dass wir Terror machen, wenn wir Jugend, wie toll Viva ist“, erinnert sich Boros. „Und wir haben dem Kunden gesagt: unsere Pappen hochhalten.“ Ecken und Kanten, das macht für Boros den Erfolg Entschuldigt, aber in den Augen eines aus – den der Kunst, den der Werbung und Sechzehnjährigen ist Viva nicht toll. Ers tens ist MTV viel toller, und zweitens inter auch seinen eigenen. „Wenn ich kein Profil habe, kann ich auch keine Spuren hinter essiert er sich ohnehin viel mehr für Pet lassen.“ Aus dieser Überzeugung resultiert ting als fürs Fernsehen.“ Betretene Stille, seine tiefe Abneigung, die Werbelinie von nachdenkliches Schweigen, bis Boros fort Marktforschung abhängig zu machen. fuhr: „Die imperativen Muster – ich sage „Solche Aufträge nehme ich gar nicht an. dir, was du von mir halten sollst – das funktioniert nicht mehr.“ Das Ergebnis: Das Das ist ungefähr so, wie wenn ein Künstler, um Erfolg zu haben, nur mehr gelbe Bilder erste Sujet für Viva zeigte ein Pärchen, das malt, weil er weiß, dass gerade gelbe Bil fummelnd unter einer Bettdecke versteckt der angesagt sind. Wenn man in der Wer war. Ganz nebenbei ein Fernseher, auf dem bung immer nur das produziert, was das Viva lief. Und unten der simple Slogan: normale Rezeptionsbewusstsein fordert, Viva liebt dich. „Was wir damals der dann befriedigt man zwar existierende Er Jugend gesagt haben, war: Wir sind nicht wartungen, aber man überrascht nie, man wichtig. Ihr seid es, die wichtig sind. Und schafft nichts Neues, nichts – im wahrsten wir sind für euch da.“ Bescheidenheit und Sinne des Wortes – Merkwürdiges.“ Genau Selbstironie – das sind die Hebel, mit de nen die Agentur Boros Communications ihr dieser Mut zu neuen Wegen ist für Boros das, was die Werbung von der Kunst ler Ziel der Relevanzmachung verfolgt. Ande nen muss. Und was er selbst aus der Kunst res Beispiel: Der österreichische Künstler gelernt hat. Allerdings schränkt er ein: Erwin Wurm bat zum Wettbewerb für ein Buch, das sein bisheriges Lebenswerk dar „Werbung muss zwar mutig, darf aber nie Huber von Wald (2) „Werbung muss mutig, darf aber niemals leichtsinnig sein.“ Christian Boros Die Studienwahl erfolgte sehr zum Leidwe sen seiner Eltern, die nicht in den Westen gekommen waren, damit ihr Sohn einen so brotlosen Weg einschlägt. Diese Sorge war unbegründet. Um sein Studium zu finanzie ren, begann Boros in Wuppertal als Werber in Eigenregie. Was ihn dazu legitimierte? „Ästhetik ist ja nicht nur die Lehre des Schö nen, Wahren und Guten, sondern letztlich die Kunst des Vermittelns, des Relevanz machens. Und nichts anderes sollte Wer bung ja auch tun, und man kann nun ein mal damit mehr Geld verdienen als mit Taxifahren“, sagt Boros. Es war ein Kava liersstart. Sein erster Kunde: Ein Musikleh rer aus Wuppertal kam mit der Idee eines deutschen Musikfernsehsenders auf ihn zu. „Er sagte, ich müsse mir einen Namen dafür ausdenken.“ Der Musiklehrer heißt Dieter Gorny, der Name, den sich Boros ausge dacht hat, lautet, erraten: „Viva“. „Das war mein Initialkunde, und die erste Kampagne, die ich dafür gemacht habe, war gleichzei tig das härteste Stück Werbung meiner zwanzigjährigen Laufbahn.“ Moment, das wollen wir genauer wissen! Und siehe da, mit der folgenden Anekdote nimmt Boros einen Gutteil der seit Jahren laufenden Diskussionen über Rolle und Tonalität der Werbung vorweg. Bestseller 11|12 2010 01.12.2010 21:34:25 Huber von Wald (2) leichtsinnig sein, denn schließlich arbeiten wir mit dem Geld anderer Leute.“ Und dann, nachdenkliche Kehrtwende: „Eine langweilige Kampagne ist auch nur raus geschmissenes Geld.“ TV ist tot. Es lebe das Buch Boros ist ganz verrückt nach Facebook. Er hat mehr als zweitausend Freunde, kommu niziert rege mit ihnen, ist aber weit davon entfernt, sich als SocialMediaJunkie titu lieren zu lassen. Seine Frau wundert sich nur, sie ist Verweigerin. Für ihn als Werber sind Social Media ein Riesenthema, das er Ästhet. Der Werber und Kunstsammler Christian Boros empfängt Bestsellerim größeren Zusammenhang sehen will. Er Chefredakteur Sebastian Loudon in seinem Loft, hoch oben auf dem Bunker. ist sich mit Amir Kassaei, dem Kreativchef von DDB Germany, in einem einig: „Die Zaha Hadid, James Turrel, Jean Nouvel oder sehr visuelle Menschen.“ Die Eckpunkte Werbung, wie wir sie kennen, ist tot. Nach der Sammlung Boros: rund 500 Werke von Olafur Eliasson. „Das ist pure Relevanz. Dekaden des bezahlten Lügens muss man 57 Künstlern, darunter Namen wie Damien Und glaubwürdig noch dazu.“ Nachsatz: mit einer anderen Mechanik arbeiten. Und Hirst, Olafur Eliasson, Elizabeth Peyton, diese Mechanik heißt Relevanz.“ Die Medien „Eine Broschüre wird weggeworfen, für ein Wolfgang Tillmans, Anselm Reyle, Manfred Buch sagt man ‚Danke‘.“ Manchmal spielt spielen dabei für Boros eine nachgelagerte Pernice, Tobias Rehberger oder John Bock. Rolle. Das traditionelle Fernsehen ist für ihn Boros die Marke seiner Kunden also be Olafur Eliasson, den Dänen, der in Berlin ein aussterbendes Geschäft. „Ich kenne kei wusst herunter, um Glaubwürdigkeit zu er sein Studio betreibt und unterrichtet, zählt reichen, wie im Fall von Viva, und dann nen mehr, der Fernsehen guckt – die Men Boros zu seinen engsten Freunden, und er wieder wird ein Produkt mit allen Mitteln schen haben so wenig Zeit, da möchten sie erhöht, wie es nur geht. Apropos: Die Agen war sein erster Sammler. Die „Boros Collec rezipieren, was sie wollen, und nicht, was tion“ ist der Hotspot unter den Berliner tur der Zukunft beschreibt Boros konse ihnen ein Programmchef gerade serviert.“ Museen. Führungen gibt es nur nach Vor quenterweise als eine „Gruppe von Fach Auch die Funktion des Fernsehens als Trä anmeldung im Internet, die Werke sind arbeitern, die daran arbeiten, eine Marke ger einer kollektiv erlebten Öffentlichkeit relevant zu machen, und den Inhalt um die nicht gekennzeichnet („Das gefällt Herrn sieht Boros ganz stark im Abnehmen. „Das Boros nicht“, sagt die Führerin), teilweise se Marke herum am Köcheln halten“. Kurze gilt vielleicht noch für den ‚Tatort‘ oder wurden die Räume für einzelne Werke Unterbrechung. Boros‘ Frau kommt nach ‚Wetten, dass..?‘, aber wenn Sie an einem eigens und extrem aufwendig adaptiert. Für Hause: „Liebste, läuft alles? Wann soll ich Samstagabend mit 60 Freunden auf Face Materialfetischisten: Beim Bau wurde soge denn unseren Sohn abholen?“ book online sind und chatten, spüren Sie nannter „Blauer Beton“ verwendet, der da die Gleichzeitigkeit und diese Gemeinschaft mals widerstandsfähigste Baustoff, der erst viel intensiver, als wenn Sie ahnen, dass Ihr Mit der Kunst unter einem Dach Man kann nicht mit Boros zusammensitzen, nach 30 Jahren voll ausgehärtet ist. Man Nachbar auch gerade ,Wetten, dass..?‘ che Werke hingegen fügen sich perfekt in ohne ihn über den Bunker auszufragen. schaut.“ Eine große Zukunft steht, Boros die existierende Architektur. Wenn Boros „Auch hier will ich letztlich nichts anderes zufolge, Print bevor, aber nur dann, wenn als vermitteln.“ Seine Sammlertätigkeit wird an die jahrelangen Umbauarbeiten zurück es gelingt, die Haptik wirklich erlebbar zu denkt, gerät er ins Grübeln: „Wenn ich ge von zwei Konstanten bestimmt, einer machen. Aus dem Südflügel des Lofts holt wusst hätte, wie aufwändig das wird, hätte formalen und einer subjektiven. Erstens er dann einen Geschäftsbericht für das ich es nicht gemacht. Das ist das Schöne, kaufen Boros und Lohmann ausschließlich Vorarlberger LichttechnikUnternehmen wenn man in schwarze Löcher springt. Zumtobel. Wieder so ein Beispiel: „Ich habe Werke, die zum Zeitpunkt des Erwerbs Man weiß nicht, wie groß die Fallhöhe ist. nicht älter als ein Jahr sind, und zweitens: den Herrschaften bei der Präsentation ge Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht sagt, ein Geschäftsbericht wird doch sowie „Ich interessiere mich nur für Kunst, die ich hineingesprungen. Jetzt bin ich froh, dass nicht verstehe, weil nur die das Potenzial so weggeworfen. Darauf herrschte wieder ich es gemacht, und vor allem, dass ich es hat, mich weiterzubringen. Alles, was ich dieses betretene Schweigen. Und dann schlug ich ihnen vor, etwas zu machen, das ohnehin verstehe, muss ich nicht auch noch geschafft habe.“ Auf die Frage, ob für so ein Megaprojekt mitten in Berlin nicht auch eben nicht weggeworfen wird.“ Der Wälzer, tautologisch wiederholen.“ Und warum die eine Portion Größenwahn von Nöten sei, den Boros in den Händen hält, ist mit Weiß enge Eingrenzung auf zeitgenössische Kunst? „Das sind die Werkzeuge der Gegen kann Boros nur milde lächeln. „Nein, aber gold verziert und beinhaltet Essays von wart. Meine Frau und ich wollen die Gegen Naivität.“ Aber dann doch wenigstens Sen dungsbewusstsein, der Wunsch, der Welt wart verstehen und Hilfe für die Zukunft ein großes Statement zu hinterlassen. „Ich suchen. Da interessiert mich das Statement bin eben ein Zwangsbeglücker“, sagt Boros anderer Menschen – das kann genauso ein und lacht. Buch sein, aber Karen und ich sind eben Bestseller 11|12 2010 051_48-50_Boros 51 51 01.12.2010 21:34:27