Übersicht Rechtsprechung 1. Quartal 2008

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Übersicht Rechtsprechung 1. Quartal 2008
Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenzverfahren
Thomas Seethaler, Caritasverband Heidelberg e.V.
Die
vorliegende
Übersicht
gibt
nur
einen
Teil
der
Rechtsprechung
zum
Verbraucherinsolvenzverfahren wider, die im Jahr 2007 veröffentlicht wurde. Der Schwerpunkt
wurde
auf
möglichst
praxisrelevante
Entscheidungen
für
die
Arbeit
von
Insolvenzberater(innen) gelegt. Soweit sich die Insolvenzgerichte mit anderen Fragen beschäftigt
haben, die für die Arbeit der Schuldnerberatung nicht wichtig waren (z.B. Fragen der Vergütung
des Treuhänders bzw. des Insolvenzverwalters) wurde darauf verzichtet, sie in die Aufstellung
einzubeziehen.
Sämtliche unveröffentlichten Entscheidungen des BGH sind auf der Website des BGH
(www.bundesgerichtshof.de) in der Rubrik „Entscheidungen“ zu finden. In der dortigen Suchmaske
kann sowohl nach Aktenzeichen als auch nach Datum oder Stichworten gesucht werden.
Insolvenzantrag
Keine Beiordnung eines Rechtsanwaltes zur Antragstellung
Beabsichtigt der mittellose Schuldner, einen Insolvenzantrag nebst Verfahrenskostenstundung und
Restschuldbefreiung zu stellen, kann ihm zur Vorbereitung dieses Antrags kein Rechtsanwalt
beigeordnet werden; in Betracht kommt die Gewährung von Beratungshilfe nach dem
Beratungshilfegesetz.
BGH, Beschluss vom 22.03.2007, IX ZB 94/06, ZInsO 2007, 492 - 493 (Ausgabe 9)
Rücknahme eines Insolvenzantrags nur bis zum Wirksamwerden des
Eröffnungsbeschlusses
BGH, Beschluss vom 27.07.2006 – IX ZB 12/06, ZVI 12/2006, 564
Anmerkung: Ein Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird zu dem Zeitpunkt
wirksam, zu dem er vollständig unterschrieben die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts mit der
unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den Beteiligten bekannt gegeben zu werden.
(BGH, Beschluss vom 13.06.2006, IX ZB 88/05, ZVI 12/2006, 565)
Kein Rechtsmittel gegen gesetzliche Rücknahmefiktion des Insolvenzantrags wegen
Nichterfüllung von Auflagen (§ 306 Abs. 2 Satz 3, § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO)
Weder die bloße Mitteilung noch ein förmlicher Beschluss zum Eintritt der Rücknahmefiktion eines
Insolvenzantrags wegen nicht fristgerechter Erfüllung von Auflagen kann mit der sofortigen
Beschwerde angegriffen werden.
LG Düsseldorf, Beschluss vom 9.11.2006 – 25 T 980/06, ZVI 4/2007, 180
Stundung
Stundung und Restschuldbefreiung auch für Rentner ohne pfändbares Einkommen
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten und auf
Restschuldbefreiung besteht auch dann, wenn der Schuldner über kein pfändbares Einkommen
verfügt.
LG Berlin, Beschluss vom 11.01.2007 – 86 T 530/06, BAG-SB Informationen 1/2007, 22
Keine Stundung der Verfahrenskosten bei späterem Versagungsgrund wegen falscher
Angaben im Vermögensverzeichnis
AG Duisburg 8.5.2007 - 62 IK 9/07, ZVI 9/2007, 481
Schuldenbereinigungsplanverfahren
Keine Zustimmungsersetzung bei Weigerung des Schuldners zur Quotenänderung nach
Forderungsverzicht
Legt der Schuldner nach dem Verzicht von Gläubigern auf ihre Forderungen keinen neuen Plan
mit geänderten Quoten vor, so kann die Zustimmung widersprechender Gläubiger nicht durch das
Insolvenzgericht ersetzt werden.
AG Köln, Beschluss vom 29.06.2007 -71 IK 98/07, ZVI 10/2007, 524
Zustimmungsersetzung auch bei Nichtberücksichtigung einer Lohnabtretung im
Schuldenbereinigungsplan
Auch bei Nichtberücksichtigung bei Vorliegen einer Lohnabtretung zugunsten des Gläubigers kann
eine Zustimmungsersetzung nach § 309 InsO erfolgen, wenn das pfändbare Einkommen des
Schuldners dauerhaft unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt (hier: 650,-- €).
AG Nordhorn, Beschluss vom 22.01.2006, 7 IK 68/06 (rechtskräftig), ZVI 2/2007, 70
Schlechterstellung zum gerichtlichen Verfahren
1. Ob der Gläubiger, welcher den Versagungsantrag stellt, durch den Insolvenzplan wirtschaftlich
benachteiligt wird, ist auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Vorbringens des Gläubigers zu
beurteilen.
2. Macht der Gläubiger geltend, er sei durch den Entzug der Aufrechnungsbefugnis benachteiligt,
obwohl der Insolvenzplan eine höhere Quote als das Regelverfahren erwarten lässt, muss das
behauptete Ergebnis überwiegend wahrscheinlich sein.
BGH, Beschluss vom 29.3.2007 – IX ZB 204/05, ZVI 5/2007, 278
Anmerkung: Der Beschluss des BGH bezieht sich auf die fehlende Aufrechnungsbefugnis der
Finanzämter mit Steuererstattungsansprüchen des Schuldners zwar in einem Insolvenzplan
im eröffneten Regelinsolvenzverfahren (§ 251 InsO). Er lässt sich jedoch auch auf die Regelungen
in einem Schuldenbereinigungsplan nach § 305ff InsO anwenden.
Ersetzung der Gläubigerzustimmung zum Schuldenbereinigungsplan trotz fehlender
Wiederauflebensklausel
1. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Schlechterstellung des Gläubigers i.S.d. § 309 Abs. 1
Nr. 2 InsO durch den Schuldenbereinigungsplan sind einzig die Verhältnisse im Zeitpunkt der
Prognoseentscheidung maßgeblich.
2. Mögliche Obliegenheitsverstöße des Schuldners ohne konkrete Anhaltspunkte im
Prognosezeitpunkt sind nicht zu berücksichtigen.
3. Der Gläubiger ist durch den Schuldenbereinigungsplan daher nicht wirtschaftlich schlechter
gestellt, wenn eine Klausel fehlt, die seine erlassene Forderung für den Fall eines solchen
Schuldnerverstoßes wiederaufleben lässt.
AG Bremerhaven 23.10.2006- 10IK 30/06, ZVI 1/2007, 21
Eröffnetes Insolvenzverfahren
Keine Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Stundung der Forderungen
Forderungen, deren Gläubiger sich für die Zeit vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit
einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden erklärt haben, sind bei der Prüfung
der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners nicht zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 19.07.2007 – IX ZB 36/07, ZVI 9/2007, 462
Schadensersatzansprüche aus einer Trunkenheitsfahrt sind keine Ansprüche aus
vorsätzlich unerlaubter Handlung
Die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug
geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das
Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen
gefährdet hat, sind von der Restschuldbefreiung nicht ausgenommen.
BGH, Urteil vom 21.06.2007, IX ZR 29/06, ZInsO 2007, 814 – 816 (Ausgabe 15)
Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist nicht zwingend vorsätzlich
begangene unerlaubte Handlung
Kann der Arbeitgeber seine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Sozialversicherung wegen
Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen, liegt der Tatbestand des § 266a StGB grundsätzlich nicht vor.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, ZVI 8/2007, 424
Anmerkung: Nach den Leitsatz hört es sich zunächst so an, als ob hier eine Abkehr von der
bisherigen Rechtsprechung stattfindet. Ist aber nicht so! In der Begründung wird nämlich auf die
bisherige Rechtsprechung Bezug genommen und diese bestätigt. Sieht man sich die
Verpflichtungen an, die einen Arbeitgeber zur Sicherstellung der Zahlung der AN-Anteile treffen
muss, muss man aus der Praxis her feststellen, dass der Tatbestand des § 266a StGB
grundsätzlich erfüllt ist!
Nach Niederlegung des Schlussverzeichnis angemeldete Forderung
Eine nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldete Forderung
nimmt an der Schlussverteilung nicht mehr teil.
BGH, Beschluss vom 22. März 2007 - IX ZB 8/05, ZVI 5/2007, 267
Anmeldung von Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung
1. Der beschränkte Widerspruch eines Schuldners gegen die Anmeldung einer Forderung als
Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ist zulässig.
2. Legt der Schuldner Widerspruch gegen die Anmeldung einer Forderung aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung ein, kann der Insolvenzgläubiger Klage auf Feststellung dieses
Rechtsgrundes erheben.
BGH; Beschluss vom 18.01.2007 – IX ZR 176/05, ZVI 8/2007, 424
Widerruf von Lastschriften in Verbraucherinsolvenzverfahren
1. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Treuhänder gehalten, sämtliche Lastschriften, mit
denen ein schuldnerisches Guthabenkonto vor der Eröffnung im Wege des sog.
Einziehungsermächtigungsverfahrens belastet worden ist, zu widerrufen. Darauf, ob die
Buchungsvorgänge im Falle ihrer Genehmigung, sei es durch ausdrückliche Genehmigung oder
aber durch Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 7 Abs.3 AGB-Banken bzw. § 7 Abs.4 AGBSparkassen, das pfändbare oder das unpfändbare Einkommen des Schuldners betreffen würden,
kommt es nicht an.
2. Ist der Schuldner Mieter von Wohnraum, so sind grds. auch die eingezogenen Wohnraummieten
vom Treuhänder zu widerrufen. Soziale Erwägungen stehen dem nicht entgegen, da der Vermieter
wegen § 112 InsO nicht wirksam (fristlos) kündigen kann. Sofern der Vermieter nach dem erfolgten
Lastschriftwiderruf mit der Kaution aufrechnet, kommt eine (fristlose) Kündigung des Vermieters
wegen einer etwaigen Nichterfüllung des Kautionswiederauffüllungsanspruches ebenfalls nicht in
Betracht; dies ergibt sich jedenfalls aus den §§ 112, 119 InsO.
AG Hamburg, Beschluss .28.6.2007 68gI K 272/07, ZInsO 2007, 721ff.
Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine unbillige
Härte
Die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt für den
Schuldner keine unbillige Härte dar. Es begründet keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass
die Fachgerichte den besonderen Charakter der Geldstrafe hervorheben und ein Zurückstehen
des Strafanspruches nicht aus insolvenzrechtlichen Vorschriften herleiten können.
BVerfG, Beschluss vom 24.08.2006, 2 BvR 1552/06, ZVI 1/2007, 23
Insolvenzmasse
Bestimmung der Höhe des pfändbaren Einkommens: Wohnsitz in Deutschland und
Arbeitsplatz in Österreich
1. Zur Bestimmung der Höhe des pfändbaren Teils des Einkommens, findet bei einem in
Deutschland wohnenden, aber in Österreich arbeitenden Schuldner deutsches Recht (§§ 850 ff.
ZPO) Anwendung.
2. Allein der Umstand, dass der Schuldner seine Arbeit in einem anderen Land verrichtet,
verändert nicht die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit. Stellt er in diesem
Zusammenhang einen Antrag auf Änderung der Bestimmung des pfändbaren Betrages, so ist
dafür das Insolvenzgericht in Deutschland zuständig.
AG Deggendorf, Beschluss vom. 14. 02. und 08. 03. 2007 - IK 255/03 , ZInsO 2007, 558 - 559
(Ausgabe 10)
Keine gesetzliche Eigentumsvermutung bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften
Die nach § 1362 BGB gesetzliche Vermutung, dass die im Besitz beider Ehegatten befindlichen
beweglichen Sachen dem Schuldner allein gehören, ist auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft
nicht entsprechend anzuwenden.
BGH 14.12.2006 – IX ZR 92/05, ZVI 6/2007, 306
Pfändbarkeit von Bonusleistungen der Krankenkasse
Freiwillige Bonusleistungen von Krankenkassen an Bezieher von ALG II sind pfändbar.
AG Hanau 6.6.2007 – 82 M 3667/06, ZVI 7/2007, 368
Keine Freigabe von Heizkostenrückerstattungen nach Kontopfändung
1. Bei der Rückerstattung zuviel gezahlter Heizkostenbeiträge handelt es sich nicht um eine
wiederkehrende Leistung i.S.v. § 850k ZPO.
2. Selbst wenn monatliche Heizkostenvorauszahlungen aus Sozialleistungen erbracht wurden, ist
die Erstattung durch den Vermieter keine Sozialleistung.
3. Die Nichtfreigabe der Heizkostenrückerstattung nach erfolgter Kontopfändung stellt auch keine
unzumutbare Härte gem. § 765a ZPO dar.
AG Geldern 31.5.2007 – 21 M 27/99, ZVI 6/2007, 314
Verpflichtung des Schuldners zur Herausgabe der letzten drei Lohnabrechnungen vor
Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf gegenwärtiges und zukünftiges
Arbeitseinkommen pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, ist der Schuldner nach §
836 Abs. 3 Satz 1 ZPO verpflichtet, außer den laufenden Lohnabrechnungen regelmäßig auch die
letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor Zustellung des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses an den Gläubiger herauszugeben.
BGH, Beschluss vom 20.12.2006 – VII ZB 58/06, ZVI 2/2007, 63
Geringerer Pfändungsschutz bei einmaligen Abfindungszahlungen als bei laufendem
Arbeitslohn
1. Die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO für Arbeitseinkommen sind auf einmalige
Abfindungssummen nicht anzuwenden.
2. Der für den Pfändungsschutz einmaliger Abfindungszahlungen maßgebliche „notwendige
Unterhalt“ i.S.d. § 850i ZPO richtet sich grundsätzlich nach den niedrigeren Pfändungsgrenzen des
§ 850d ZPO.
LG Köln, Beschluss vom 28.9.2006 – 10 T295/06, ZVI 1/2007, 21
Kein Pfändungsschutz für arbeitsrechtliche Abfindung bei Deckung des notwendigen
Unterhalts durch laufende Einkünfte
Berechnung der notwendigen Beträge für den Unterhalt von Unterhalts-berechtigten
AG Bad Oldesloe 26.2.2007 – 5 M 1397/05, ZVI 9/2007, 470
Versagung nach § 290 Abs. 1 InsO
Allgemein
Wirksame Rücknahme eines Versagungsantrags
Ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung kann vom beantragenden Gläubiger bis zur
Rechtskraft des Versagungsbeschlusses zurückgenommen werden. Eine zuvor ergangene
Entscheidung ist nach § 269 Abs. 4 ZPO für unwirksam zu erklären.
LG Dresden, Beschluss vom 22. 01. 2007 - 5 T 0032/07, ZInsO 2007, 557 - 558 (Ausgabe 10)
Versagungsgründe sind bei Bezugsnahme auf Treuhänderbericht ausreichend glaubhaft
gemacht
Ein auf einen Bericht des Treuhänders an das Insolvenzgericht gestützter Versagungsantrag eines
Gläubigers kann nicht als nicht ausreichend glaubhaft gemacht zurückgewiesen werden. Dies gilt
selbst dann, wenn der Bericht des Treuhänders nicht hinrechend bestimmt sein sollte.
LG Fulda, Beschluss vom 29.09.2006, 3 T 226/06 (rechtskräftig), ZVI 12/2006, 597
Antragsrecht nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO für alle Gläubiger, die Forderung angemeldet
haben
BGH, Beschluss vom 22.02.2007, IX ZB 120/05, ZVI 6/2007, 327
Zulässigkeit des nachträglichen Versagungsantrages nach § 290 InsO
Ein Gläubiger kann sich auch in der Wohlverhaltensperiode noch auf einen Versagungsgrund gem.
§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO berufen, wenn dessen titulierte Forderung vom Schuldner vorsätzlich oder
grob fahrlässig im Vermögensverzeichnis nicht aufgeführt wurde und er deshalb seine Forderung
im Insolvenzverfahren nicht angemeldet hat.
AG Leipzig, Beschluss vom 15.02.2007, 91 IK 1441/03, ZVI 3/2007, 141
§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO
Versagung der Restschuldbefreiung wegen unrichtiger schriftlicher Angaben auch bei
falscher Auskunft gegenüber Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsbeamten
Eine schriftliche Erklärung des Schuldners liegt auch dann vor, wenn eine Urkundsperson dessen
mündliche Erklärungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit in einer öffentlichen Urkunde niederlegt.
BGH, Beschluss vom 09.03.2006 – IX ZB 19/05, ZVI 4/2007, 206
Versagung der Restschuldbefreiung bei Verbrauch von Geldern der Sozialagentur für
Mietrückstände
Unrichtige schriftliche Angaben macht ein Schuldner, der sich unter Vorlage eines
Widerrrufsvergleiches von der Sozialagentur Gelder zur Begleichung von Mietrückständen
auszahlen lässt, den Vergleich widerruft und die Gelder für sich verbraucht. In diesem Fall ist die
Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu versagen.
AG Göttingen 5.6.2007 – IN 2 /06, ZVI 8/2007, 438
Keine Versagung der Restschuldbefreiung wegen nicht angegebener
Kreditkartenverbindlichkeiten bei Frage nach monatlichen Krediten
1. Die Versagung der Restschuldbefreiung wegen falscher Kreditangaben gem. § 290 Abs. 1 Nr. 2
InsO setzt voraus, dass Fragen des Kreditgebers unrichtig beantwortet wurden.
2. Verlangt ein Kreditanbieter Auskünfte nur zu einer bestimmten Forderungsart, dann antwortet
der Schuldner nicht falsch, wenn er andere Verbindlichkeiten nicht angibt.
3. Bei formularmäßigen Selbstauskünften gehen unpräzise Fragestellungen zu Lasten des
Kreditgebers.
AG Hannover 29.6.2007 – 905 IK 311/06 – 4, ZVI 10/2007, 535
§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO
Keine Versagung der RSB wegen nicht vollständiger Erfüllung eines gerichtlichen
Vergleichs
Schließt der spätere Insolvenzschuldner fast zwei Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in
einem gerichtlichen Verfahren einen Vergleich, den er nur teilweise erfüllt, führt dies nicht zu einer
Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO wegen Verzögerung des
Insolvenzverfahrens.
LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2006, 25 T 1174/06, ZVI 7/2007, 387
Für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 Var. 3 InsO
Ist nur die Verzögerung des eigenen Insolvenzverfahrens ist maßgeblich.
Im Rahmen eines auf § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO gestützten Versagungsantrages kann eine
Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne der Norm nur dann vorliegen, wenn
es um ein eigenes Insolvenzverfahren des Schuldners geht. Ein Verhalten des Schuldners als
Geschäftsführer einer GmbH fällt nicht hierunter.
AG Hamburg 12.2.2007 – 67g IN 18/04, ZVI 4/2007, 209
Versagung der Restschuldbefreiung, wenn Schuldner durch Verspielen Vermögen
verschwendet und die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat
Eine Verschwendung von Vermögen liegt vor, wenn der Schuldner beim Verbrauch oder bei der
Weggabe von Vermögenswerten grob gegen ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft verstößt,
insbesondere wenn er Ausgaben tätigt, die angesichts seiner Lebens-, Einkommens- und
Vermögensverhältnisse offenkundig und greifbar unangemessen sind oder nicht in einem
sinnvollen Verhältnis zum vernünftigerweise zu erwartenden Nutzen stehen. Ein Schuldner, der im
Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit einen Betrag von 2.000,00 Euro beim Glücksspiel einsetzt
und verliert, verschwendet Vermögen. Die Einrichtung des Insolvenzverfahrens für natürliche
Personen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung ist inzwischen durch die Berichterstattung in den
öffentlichen Medien allgemein bekannt. Eine Unkenntnis dieser Möglichkeit beruht deshalb
regelmäßig auf grober Fahrlässigkeit.
AG Duisburg, Beschluss vom 10.01.2007, 62 IK 363/06
§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO
Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verschweigens von Forderungen des
Schuldners
Das Verschweigen zweier Forderungen ist ein Verstoß gegen die Auskunfts- und
Mitwirkungspflicht (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Der Umstand, dass es sich nach Auffassung des
Schuldners um schwierig beizutreibende Forderungen handelte, steht ihrer Berücksichtigung bei
der Versagungsentscheidung nicht entgegen. Denn es ist nicht Sache des Schuldners, seine
Aktiva zu bewerten und vermeintlich „für die Gläubiger uninteressante“ Positionen zu
verschweigen.
BGH, Beschluss vom 7.12.2006 – IX ZB 11/06, ZInsO 2007, S.96 (Ausgabe 2)
Versagung der Restschuldbefreiung bei Bezug von pfändungsfreiem Einkommen über mehr
als zwei Jahre
Bezieht der Schuldner über zwei Jahre Einkommen im unpfändbaren Bereich, ohne dies dem
Treuhänder mitzuteilen liegt darin ein Versagungsgrund gem. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
AG Göttingen 31.7.2006 – 74 IK 36/03, ZVI 1/2007, 34
Versagung der Restschuldbefreiung bei Nicht-Mitteilung der Aufnahme einer
selbstständigen Tätigkeit und von Provisionseinnahmen gegenüber Treuhänder trotz
Stornorisiko von über 90 %
1. Unterrichtet der Schuldner im eröffneten Verfahren den Treuhänder nicht von der Aufnahme
seiner selbständigen Tätigkeit , so verletzt er seine Auskunftspflicht. Die Restschuldbefreiung
kann dann nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt werden.
2. Eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO setzt – anders als eine
Versagung in der Wohlverhaltenszeit nach §§ 295, 296 InsO – keine Gläubigerbenachteiligung
durch die Obliegenheitsverletzung voraus. Das die vom Schuldner vermittelten Versicherungen zu
über 90 % storniert wurden, ist bei der Beurteilung der Versagungsgründe unbeachtlich.
3. Einnahmen von 3.600 Euro aus selbstständiger Tätigkeit innerhalb von fünf Monaten sind keine
geringfügigen Beträge.
4. Der Verbrauch von Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit zum Lebensunterhalt steht einer
Versagung der Restschuldbefreiung zumindest dann nicht entgegen, wenn der Schuldner bereits
Arbeitslosengeld oder Gehalt bezieht.
AG Offenburg 15.9.2006 – 2 IK 16/03, ZVI 1/2007, 34
Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verschweigens von nicht unerheblichen
Einkünften auch bei Beträgen unterhalb der Pfändungsfreigrenze
Verschweigt der Schuldner Einkünfte von nicht unbedeutender Höhe im Insolvenzverfahren, so ist
ihm die RSB zu versagen.
AG Wetzlar 27.1.2006 – 3 IN 75/03, ZVI 10/2007, 536
§ 290 Abs. 1 Nr. 6
Versagung der Restschuldbefreiung bei fehlenden Angaben über unterhaltsberechtigtes
Kind im Vermögensverzeichnis
Führt der Schuldner im Vermögensverzeichnis ein unterhaltsberechtigtes Kind überhaupt nicht auf,
dann ist die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auf Antrag eines Gläubigers zu
versagen.
AG Frankfurt 4.12.2006 – 810 IK 723/05, ZVI 4/2007, 211
Keine Versagung der Restschuldbefreiung bei Berichtigung einer Falschangabe vor
Insolvenzeröffnung
1. Die Angabe im Vermögensverzeichnis für einen PKW mit „nein“ ist auch dann eine
Falschangabe, wenn das Fahrzeug nur einen Erinnerungswert von 1 € hat.
2. Falschangaben über Umstände, die keine Auswirkung auf die Insolvenzmasse haben, können
nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.
3. Falsche Angaben können vom Schuldner bis zur Eröffnung berichtigt werden. Eine
Versagung der Restschuldbefreiung kann dann nicht mehr auf die ursprünglich unzutreffenden
Angaben gestützt werden.
LG Kleve 24.10.2006 – 4 T 330/06, ZVI 1/2007, 33
Keine Versagung der Restschuldbefreiung bei Berichtigung einer Falschangabe vor
Insolvenzeröffnung
Nachträgliche Ergänzungen oder Berichtigungen des Schuldners heilen eine Verletzung seiner
Erklärungs- und Auskunftspflichten jedoch nur, wenn der Schuldner sie vor Verfahrenseröffnung
von sich aus, also aus eigenem Antrieb und freiwillig vornimmt.
AG Duisburg 8.5.2007 – 62 IK 9/07, ZVI 9/2007, 481
Keine Versagung der RSB wegen Nichtangabe eines Gläubigers
1. Bei der Nichtangabe von Gläubigern kommt es für die Feststellung der Voraussetzungen des §
290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auf die Höhe der Forderung, deren Anteil an der Gesamtverschuldung, die
Anzahl der Gläubiger und den Zeitpunkt des letzten Vollstreckungsversuchers bzw.
Korrespondenz an.
2. Für das Vorliegen der Voraussetzungen Vorsatz/grobe Fahrlässigkeit trägt der Gläubiger die
Darlegungslast.
3. Bei einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren seit der letzten Korrespondenz, einer
Gesamtverschuldung von 38.000 € und einer konkreten Forderung von 500 € fehlt es bei der
Nichtangabe eines Gläubigers regelmäßig an grober Fahrlässigkeit.
AG Göttingen, Beschluss vom 23.05.2007, 74 IK 411/06, ZVI 6/2007, 330
Keine grob fahrlässige Nichtaufführung eines Gläubigers bei mehr als fünf Jahre alter
Forderung
Führt ein Schuldner eine mehr als fünf Jahre alte Forderung, die knapp über der
Unwesentlichkeitsgrenze von 500 Euro liegt und nur 0,19 % aller Hauptforderungen ausmacht,
nicht auf, dann ist sein Verhalten nicht grob fahrlässig.
AG Leipzig 16.2.2007 – 92 In 1879/01(rechtskräftig), ZVI 3/2007, 143
Obliegenheiten nach § 295 Abs. 1 InsO
Allgemein
Keine Notwendigkeit der Schuldneranhörung vor Restschuldbefreiungsversagung bei
unbekanntem Aufenthalt
Eine Anhörung des Schuldners vor der Entscheidung über die Versagung de RSB nach §§295,
296 kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn der Schuldner unbekannt verzogen ist.
AG Dresden, Beschluss vom 15.11.2006, 559 (533) IK 3176/03 (rechtskräftig), ZVI 2007, 331
Keine Erweiterung der Versagungsgründe durch das Insolvenzgericht über die vom
Antragsteller geltenden gemachten Gründe
Das Insolvenzgericht darf die Entscheidung über die Versagung der Restschuldbefreiung nicht von
Amts wegen auf andere als die vom Antragsteller geltend gemachten Versagungsgründe stützen.
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, ZInsO 2007, 322 (Ausgabe 6)
§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Glaubhaftmachung von Versagungsgründen (Bemühen um Arbeitsplatz)
Der abstrakte Hinweis auf die allgemeine Lage des regionalen Arbeitsmarktes reicht zur
Glaubhaftmachung eines Versagungsgrundes wegen unzureichender Bemühungen um einen
Arbeitsplatz nicht aus.
LG Landshut, Beschluss vom 07. 03. 2007 - 32 T 485/07, ZInsO 2007, 615 (Ausgabe 11)
§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO
Versagung der Restschuldbefreiung bei Verletzung der Meldepflicht bei Wohnungswechsel
1. Die Restschuldbefreiung ist nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu versagen, wenn der Schuldner in
der Wohlverhaltensperiode umzieht und den Wohnungswechsel nicht gemeldet hat.
2. Ist der Schuldner längere zeit nicht erreichbar, dann kann die Restschuldbefreiung nach § 290
Abs. 1 Nr. 1 InsO versagt werden, weil die Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nicht
geprüft werden kann.
AG Osnabrück, Beschluss vom 11.08.2006, 27 IK 26/03 (rechtskräftig), ZVI 2/2007, 89
Keine Versagung der Restschuldbefreiung wegen unterlassener schriftlicher Anzeige einer
Beschäftigungsaufnahme und eines Wohnungswechsels bei mehrfacher Telefonnachricht
für den Treuhänder und ordnungsgemäßer Ummeldung
AG Hannover 16.11.2006 – 905 IK 181/02-7, ZVI 4/2007, 211

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