I N F O R M A T I O N
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I N F O R M A T I O N
INFORMATION zur Pressekonferenz mit Landesrat Rudi Anschober 31. Juli 2009 zum Thema "Time Sozial – neue Form des Zusammenhaltes der Gesellschaft in OÖ" Wie aus Agenda-Prozessen neue Formen moderner Nachbarschaftshilfen entstehen – alle bringen Leistungen für die Gesellschaft ein, alle profitieren – ein Modell mit Zukunft Weiterer Gesprächsteilnehmer: Mag. Ferdinand Reindl (Vorstandsvorsitzender, TIME sozial) Mag. Karl Hofinger (Vorsitzender von TIME sozial DI Tobias Plettenbacher (stell. Vorsitzender TIME sozial) LR Rudi Anschober Seite 2 Time Sozial Nachbarschaftshilfe – der neue Zusammenhalt der Gesellschaft in OÖ TIME sozial ist am 12. März 2008 in Ried im Innkreis mit der ersten Projektgruppe gestartet. Inzwischen gibt es sechs Regionalgruppen in Ried, Schärding, Andorf, Braunau, Gusental und Kremsmünster. Die Zahl der Mitglieder steigt täglich, derzeit dürften es ca. 350 - 400 sein. Nachbarschaftshilfe, heutzutage vor vor allem wenigen im Jahrzehnten städtischen Bereich- noch auf selbstverständlich, Grund der ist anonymen Lebensweisen immer weniger anzutreffen. Viele Hilfsbedürftige trauen sich auch nicht mehr, andere um Hilfe zu bitten. Auf der anderen Seite haben viele Menschen Zeit und würden gerne ihre Leistungen für die Gesellschaft Jugendliche). einbringen Persönliche (Pensionist/innen, Hemmschwellen und die Hausfrauen, Arbeitslose, gewandelte Gesellschaft verhindern jedoch, dass diese hilfsbedürftigen und hilfsbereiten Personengruppen sich finden, Potentiale aktiviert und diese Bedürfnisse erfüllt werden können. Dem will der Verein Time Sozial entgegenwirken- mit drei interessanten Modellen, die nunmehr in der Region Gusen verwirklicht werden sollen: Der klassischen Nachbarschaftshilfe, der Zeitvorsorge und in weiterer Folge dem Time Wirtschaftsnetz – alle bringen ihre Leistungen für die Gesellschaft ein, alle profitieren, ein neues Miteinander entsteht. Wie funktioniert die TIME Nachbarschaftshilfe Time Sozial will die Nachbarschaftshilfe durch moderne und gerechte Stundenabrechnung wiederbeleben: Diese Art der Nachbarschaftshilfe ist ein soziales Netzwerk für Jung und Alt und stellt ein Tauschsystem auf Zeitbasis dar: wer anderen eine Stunde hilft, erhält eine Zeitgutschrift und kann damit wieder eine Stunde Hilfe beziehen. Jede geleistete Hilfe wird aufgezeichnet, damit sich Geben und Nehmen zwischen den Mitgliedern die Waage hält. So können keine Ungleichgewichte entstehen. Es werden Hemmschwellen abgebaut und bringt hilfesuchende und Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 3 hilfsbereite Menschen, Angebot und Nachfrage, Fähigkeiten und Bedürfnisse in der Nachbarschaft zusammen: Eine einsame Pensionistin, die Hilfe im Haushalt braucht, mit einer Mutter, die eine Leihoma benötigt. Einen jugendlichen Computerfreak mit einem Nachbarn, der Mofas reparieren kann. Der Austausch ist somit flexibel und geht sogar über viele Ecken: Die Pensionistin Maria betreut die Kinder von Eva. Eva hilft ihrem Nachbarn Otto im Haushalt. Otto repariert das Mofa von Peter und Sachen, die bei Maria kaputt gehen. Peter mäht bei Maria den Rasen und führt ihren Hund spazieren. Und so weiter... In einem Leistungsverzeichnis, das in der Marktzeitung, im Internet und als Newsletter erscheint, kann man die benötigten und angebotenen Hilfsdienste angeben. Dies können sein: Haushaltshilfe, Besuchsdienste, Kinderbetreuung, Lernhilfe, Gartenpflege, Winterdienste, Reparaturarbeiten etc. Die geleistete Hilfe wird dabei ebenso aufgezeichnet wie die in Anspruch genommene: der große Vorteil der Stundenabrechnung ist, dass kein direkter Austausch nötig ist. Die Hilfe erfolgt immer auf freiwilliger Basis. Kein Mitglied ist zu einer Hilfeleistung verpflichtet. Jedes Mitglied erhält ein Zeitkonto, auf dem die geleisteten Stunden gutgeschrieben oder abgebucht werden, damit sich Geben und Nehmen ausgleichen, und niemand die anderen ausnützen kann. In Notsituationen darf jeder sein Konto um 30 h überziehen, also zeitweise mehr Hilfe erhalten, als er oder sie geben kann. Jugendliche von 12-18 Jahren zahlen keinen Mitgliedsbeitrag, dürfen dafür aber ihr Konto aber nicht überziehen. Das Schöne daran ist: Jede/r kann die Tätigkeiten in die Gemeinschaft einbringen, die er/sie besonders gut kann oder gerne tut, und dafür Hilfe erhalten bei Aufgaben, mit denen er/sie überfordert ist. Man kann die Hilfe finden, die man dringend benötigt, ohne Familienmitglieder oder Freunde überstrapazieren zu müssen. Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 4 Man braucht kein schlechtes Gewissen zu haben, sich helfen zu lassen, da sich Geben und Nehmen ausgleichen. Verschenken und Vererben von Zeitguthaben ist beliebig möglich. Dabei erkennen viele, welche besonderen Talente sie eigentlich besitzen, wie viele Dinge sie beherrschen, die andere benötigen. Ältere Menschen entdecken, wie sehr sie noch gebraucht werden mit all ihren Erfahrungen, und dass sie selbst im hohen Alter noch aktiv sein können. Damit wird dazu beigetragen, dass die Generationen wieder näher zusammen rücken, die Menschen auch im Alter aktiv und dadurch länger gesund bleiben und ein stabiles soziales Netzwerk geknüpft wird. Derartige Systeme haben zusätzlich den Vorteil, dass sie antizyklisch zur Konjunktur wirken, d.h. in Zeiten wirtschaftlicher Rezession oder Krisen erhalten sie einen starken Zulauf und helfen der Wirtschaft wieder auf die Sprünge. In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs nimmt das Interesse an den komplementären Systemen ab. Neben der Förderung der Eigeninitiative wirkt es der Vereinsamung und sozialen Ausgrenzung entgegen, einfache soziale Hilfsdienste werden durch die neue Nachbarschaftshilfe abgedeckt und damit auch der öffentlichen Hand geholfen: Notsituationen werden abgefangen und soziale Härtefälle – damit wird der Aufwand reduziert, der künftig auf die sozialen Hilfsorganisationen zukommt. Dem soll die im Aufbau befindliche Zeitbank Abhilfe bieten: dies ist ein generationenübergreifendes Netzwerk für mobile Hilfe und Betreuung, damit wir alle zuhause alt werden können. Derzeit ist eine starke Überalterung und ein Rückgang der Bevölkerung abzusehen. Zugleich steigt die Lebenserwartung (heute 81 bzw. 85 Jahre) und die Menschen bleiben länger gesund. Dadurch steigt die Anzahl hilfsbedürftiger Menschen und die Dauer, in der sie Hilfe benötigen. Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 5 Der Bedarf an mobiler Hilfe wird nach Schätzungen der Vorarlberger Landesregierung bis 2020 um 280 % steigen! Auch der Anteil armer und armutsgefährdeter Menschen nimmt ständig zu, sogar unter der arbeitenden Bevölkerung ("Working Poor") - begleitet von der Zunahme der sozialen Ungleichgewichte und der immer ungerechteren Verteilung von Vermögen und Einkommen. Die Leistungen der Hilfsorganisationen sind somit für viele nicht mehr bezahlbar, vor allem wenn die staatlichen Zuschüsse reduziert werden, da durch den sinkenden Anteil der arbeitenden Bevölkerung sinkende Sozialeinnahmen und Finanzierungsprobleme zu erwarten sind. Die Helfer/innen erhalten die geleisteten Stunden auf ihrem Zeit-Vorsorgekonto gutgeschrieben. Für die Zeit-Guthaben bekommen sie bei Bedarf selbst wieder Hilfe. Hilfsbedürftige kaufen die Hilfe - das Geld wird teils zur Sicherung dieser Zeitguthaben zurückgelegt. Der Großteil wird in soziale Einrichtungen investiert, kommt also wieder allen zugute! Kommunen erhalten die Einnahmen und garantieren, dass man für die gesparten Stunden wieder Hilfe erhält. Hilfsorganisationen (unter Umständen Caritas, Rotes Kreuz, Volkshilfe, Hilfswerk etc.) sollen die Helfer/innen vermitteln .Dies ist nur möglich, wo ein Kooperationsvertrag mit einer Hilfsorganisation und der Kommune besteht. Regiogeld Die Idee des regionalen Geldes entstand in Deutschland und Österreich (Ulm, Wörgl) bereits um 1930. Die Neuauflage der Idee kommt aus Australien: Dort wurden durch ein Regiogeld nach acht Jahren sogar die meisten Discounter in Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 6 einem Ort von den lokalen Händlern verdrängt, da ihre Umsätze zu stark gesunken waren - es geht also auch umgekehrt! In Deutschland gibt es derzeit ca. 25 solcher regional gültiger Währungen (am bekanntesten der Chiemgauer), ca. 40 sind in Vorbereitung. Die meisten sind Mitglied im Regiogeld-Verband. In Österreich wurde 2005 in Kooperation mit Arbeiterkammer und AMS mit einer großen Fördersumme der Waldviertler eingeführt, der aber nicht durch professionelles Marketing oder innovative Ideen hervorsticht. Regiogeld ist ein Gutschein, der sich stark von gewöhnlichen Geschenkmünzen etc. unterscheidet. Er wird von Verbraucher/innen mit Euro gekauft, kann aber unter den Firmen der Region zirkulieren. Beim Rücktausch in Euro ist er mit einer Regionalabgabe belegt, die gemeinnützigen Vereinen der Region zukommt und wie eine Art "Regionalzoll" geschlossene Kreisläufe bewirkt. So funktioniert’s: Der Verein druckt Gutscheine in verschiedenen Stückelungen und gibt diese an Ausgabestellen. Die Kund/innen tauschen an den Ausgabestellen Gutscheine 1:1 gegen Euro. Die Kund/innen kaufen bei den teilnehmenden Unternehmen der Region mit den Gutscheinen ein. Die Gutscheine können an andere Unternehmen weitergeben werden, zirkulieren also. Die Gutscheine können mit Verlust (Regionalabgabe) wieder in Euro rückgetauscht werden. Nach Ablauf der Gültigkeit (1 Jahr) können die Gutscheine wieder in neue umgetauscht werden. Dies bewirkt, dass sie nicht liegen bleiben, sondern weitergegeben werden. Die Verbraucher/innen haben zwei Gründe teilzunehmen: Von jedem Euro, den sie umtauschen (meist im Abo von 100-200 € Monat), erhält ein Verein ihrer Wahl einen Anteil von 3 %. Durch ihre Einkäufe fördern sie ihre Region: Regionale Produkte, regionale Firmen und die eigenen Arbeitsplätze. Firmen, die Produkte von außerhalb kaufen, müssen mehr Regiogeld in Euro Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 7 rücktauschen, zahlen dadurch mehr Regionalabgabe, die wieder den gemeinnützigen Vereinen der Region zugute kommt. Die Firmen können billig neue Kund/innen gewinnen und Kunden binden und sich gegenseitig stärken, da sie ein Netzwerk bilden und untereinander einkaufen. Die Umsätze der beteiligten Firmen erhöhen sich erfahrungsgemäß deutlich, besonders bei Bioläden und Lieferanten von Büromaterial. Regiogeld erhöht jedoch kaum die Liquidität der Region, da die Gutscheine mit Euro gekauft und gedeckt werden müssen. Dies ist jedoch durch gegenseitige Kreditvergabe in einem Barter-Ring möglich. Barter-Ring - Gegenseitige Kreditvergabe Bartern ist eine traditionsreiche Art des Warenaustausches. Bei dieser Form des Tauschhandels werden Dienstleistungen oder Waren ausgetauscht ohne dass dafür Geld verwendet wird. Ein Barter-Ring für Privatpersonen und kleine und mittlere Unternehmen ermöglicht den Mitgliedern viele Vorteile: Wege zu zusätzlichen Geschäften, Auslastung freier Kapazitäten, Erschließung neuer Märkte, Zusammenführung von Angebot und Nachfrage (auch beim Fehlen von Kapital), Alternativen zu den Konditionen der Banken, gegenseitige Kreditvergabe und wechselseitige Unterstützung. Barter-Geschäfte erhöhen die Liquidität von Unternehmen und bringen neue Kund/innen. Sinkende Preise, geringere Margen und ungenügende Auslastung können sinnvoll ausgeglichen werden. Barter kommt ganz ohne Banken, Zins und Zinseszins aus. Barter-Ringe dienen vor allem zum internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen. Weltweit gibt es ca. 700 Barter-Ringe, allein 450 in den USA mit 600.000 teilnehmenden Firmen. Weltweit werden ca. 30 % aller Transaktionen zwischen Firmen (ca. 600 Mrd. US$ pro Jahr) im Zuge von Bartergeschäften abgewickelt (Kompensationsgeschäfte, Countertrade, Offset, Barter Clearing) - Tendenz steigend. Der Verwaltungsaufwand für die vorwiegend kleinen Transaktionen zwischen Privatpersonen und kleinen und mittleren Unternehmen ist für Barter-Firmen normalerweise zu groß. Daher setzt das TIME Wirtschaftsnetz auf Gutscheine, die jedes Mitglied vom Konto abheben und einzahlen kann. Dadurch wird das Pressekonferenz LR Rudi Anschober Seite 8 aufwändige Ausfüllen und Abrechnen von Barterschecks reduziert, und es wird der Einkauf von Kund/innen in Geschäften oder auf Märkten vereinfacht. Die Händler/innen können die eingenommenen Gutscheine direkt an andere Mitglieder weitergeben oder auf ihren Konten einzahlen und Überweisungen vornehmen (Tele-Banking). Landesrat Anschober: "Ich möchte die aus den Agenda-Prozessen entstandene neue Form des Miteinanders nach dem Pilotprojekt weiter ausdehnen und öffentlich anerkennen und unterstützen. Die Pilotprojekte werden uns wichtige Informationen geben, wie dies möglich und notwendig ist." Pressekonferenz