Das unerwünschte Schweigen der Sirenen
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Das unerwünschte Schweigen der Sirenen
Artikel zu: Katastrophenschutz: Das unerwünschte Schweigen der Sirenen - Wissen | STERN.DE http://www.stern.de/wissen/technik/katastrophenschutz-das-unerwuenschte-schweigen-der-sirenen-60... http://www.stern.de/wissen/technik/katastrophenschutz-das-unerwuenschte-schweigen-der-sirenen-602513.html Erscheinungsdatum: 16. November 2007, 08:26 Uhr Katastrophenschutz: Das unerwünschte Schweigen der Sirenen Ihr durchdringender Heulton ist kaum noch zu hören. Jahrzehntelang waren Sirenen die Technik der Wahl, um die Bevölkerung zu warnen. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden viele abgebaut. Inzwischen wünschen sich Experten das System zurück, denn Alternativlösungen sind schwer zu finden. Kurgäste bewundern in Büsum an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste die 46 Jahre alte original Sturmflut-Sirene, Modell "E 57" © Wulf Pfeiffer/DPA Wie bekomme ich im Katastrophenfall nachts meine Bürger aus den Federn? Diese Frage treibt derzeit Innenpolitiker der Länder um. Massen-SMS, Katastrophen-Wecker, satellitengestütztes Warnsystem, Polizei-Lautsprecherwagen, Kirchenglocken - das Potpourri an Möglichkeiten ist reichhaltig. Eine bundesweite Regelung gibt es aber nicht. In den neunziger Jahren wurden viele der 80.000 grauen, nervtötenden Sirenen von Schul- und Behördendächern abgebaut. "Unbrauchbar", "nach Ende des Kalten Krieges überflüssig", "im Unterhalt zu teuer", hieß es. "Im Nachhinein ist man immer schlauer", sagt Thomas Giebeler vom schleswigholsteinischen Innenministerium. Stichwort: Sirenen Die Sirene wurde 1819 von dem französischen Physiker Charles Cagniard de la Tour erfunden. Der Name leitet sich von dem weiblichen Fabelwesen der griechischen Mythologie ab, das durch betörenden Gesang vorbeifahrende 1 von 3 Nur im Umkreis von Atomkraft- und Chemiewerken, an der Küste in Sturmflut-Gebieten und vereinzelt in den Städten gibt es diese Alarmanlagen noch. Kurz-Lang-Kurz: Dieses Sirenengeheul bedeutete lange Zeit "Radio einschalten, Nachrichten hören". Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sind noch 35.000 Sirenen im Dienst. Der Bund ist im Kriegsfall für die Alarmierung der 29.10.2009 14:16 Artikel zu: Katastrophenschutz: Das unerwünschte Schweigen der Sirenen - Wissen | STERN.DE Seefahrer anlockte, um sie zu töten. Mit der Sirene wurde die Erzeugung von Hochfrequenztönen auf mechanischem Wege möglich. Der häufigste Typ ist heute die Motorsirene. Der Ton wird um so höher, je rascher die Scheibe im Inneren läuft. Im Zweiten Weltkrieg heulten Sirenen ab 1942 in Deutschland immer öfter, um vor Fliegerangriffen zu warnen. Nach dem Krieg wurde im Zuge des Ost-West-Konfliktes ein flächendeckendes Netz von 80 000 Sirenen in der Bundesrepublik aufgebaut. Bis 1990 erfüllten die auf Schul- und Behördendächern angebrachten Anlagen für die Bevölkerung drei Funktionen: Warnung vor Feuer, Katastrophen und vor möglichen Kriegsangriffen. Zugleich diente die Sirene dem Zusammenrufen der Feuerwehrleute. Von 1992 bis 1995 wurden 45 000 der grauen, meist tellerförmigen Sirenen abgebaut. Auch die zehn Warnämter, die für die Auslösung der Sirenen verantwortlich waren, wurden mit Ende des Kalten Krieges abgeschafft. Mit der Entwicklung neuer Techniken wurde es für ausreichend gehalten, bei Gefahr über Rundfunk, Fernsehen, Internet oder per SMS zu warnen. Da der Katastrophenschutz - anders als der Zivilschutz - Ländersache ist, entstanden nach dem Ende des einheitlichen Systems regionale Lösungen. Für den Feueralarm gibt es weiterhin oft Sirenen, Feuerwehrleute werden aber nun über "Piepser" oder SMS alarmiert. 2 von 3 http://www.stern.de/wissen/technik/katastrophenschutz-das-unerwuenschte-schweigen-der-sirenen-60... Bürger zuständig, der Katastrophenschutz ist Ländersache. Wiederaufbau zu teuer Der Bund überließ es nach Ende des Ost-West-Konflikts den Ländern, Sirenen weiter zu betreiben. Da vielen Kommunen der Unterhalt zu teuer war, wurden die Melder eingemottet. Laut BBK erreichten die Sirenen 80 Prozent der Bevölkerung. Unter veränderten internationalen Bedingungen nach dem 11. September 2001 und durch Katastrophen wie das Elbe-Hochwasser 2002, als Städte nachts von den Fluten überrascht wurden, sind Politiker ins Grübeln geraten. Der Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz hat mehrere Vorschläge ausgelotet. Auch ein Wiederaufbau der Sirenen wird erwogen. Kosten: 130 Millionen Euro. Chips im Rauchmelder? "Durch unser föderales System und eine Heterogenität der Ideen haben wir in Deutschland ein Warnunwesen geschaffen. Überall gelten andere Warnsysteme, zudem gibt es ein Bevölkerungsbildungsproblem beim Katastrophenschutz", sagt Katastrophenforscher Willi Streitz von der Universität Kiel. "Es gibt zahlreiche Vorschläge, die jetzt ergebnisoffen diskutiert werden", erklärt BBK-Sprecherin Ursula Fuchs. In Bundesländern, wo Rauchmelder Pflicht sind, könnte ein Chip in die Melder eingebaut werden. Dieser wird über Zeitzeichensender angepeilt und könnte im Bedarfsfall Alarm auslösen. "Natürlich könnte es eine Verwechselung mit einem Feueralarm geben, deshalb müsste dies mit Infokampagnen begleitet werden", sagt Fuchs. Sie verweist darauf, dass es im BBK seit einigen Jahren ein satellitengestütztes Warnsystem gibt. Dies kann 170 angeschlossene Rundfunksender unmittelbar alarmieren - es ist aber nur wirksam, wenn Radio, Computer oder TV angeschaltet sind. Streitz kritisiert, dass zu 29.10.2009 14:16 Artikel zu: Katastrophenschutz: Das unerwünschte Schweigen der Sirenen - Wissen | STERN.DE Während in einigen Regionen heute eine Minute Dauerton Entwarnung bedeutet, wird woanders damit eine Warnung an die Bevölkerung angezeigt. Der gängigste Alarm ist noch der einminütige Dauerton mit zwei Unterbrechungen von zwölf Sekunden für den Feueralarm. Das Zivilschutzsignal ist in der Regel ein einminütiger, auf- und abschwellender Ton. Dieser Warnton wird für großflächige Ereignisse verwendet, als eine Art Weckruf für die Bevölkerung. Zum Beispiel im Kriegsfall, bei Hochwasser und schwerer Sturmflut oder bei einem Störfall in einem Atomkraftwerk. (DPA) http://www.stern.de/wissen/technik/katastrophenschutz-das-unerwuenschte-schweigen-der-sirenen-60... viel über komplizierte technische Lösungen nachgedacht werde. Diese würden schon bei Stromausfällen nicht mehr funktionieren. Radiowecker? Eine andere Möglichkeit ist ein Radiowecker, den die Flensburger Firma 2wcom entwickelt hat. Auf der UKW-Frequenz werden von Behörden ausgesandte Warnungen wie "Schwerer Störfall im AKW Krümmel - bitte Fenster und Türen geschlossen halten" aufgeschnappt und im Radio- Display angezeigt. Auch wenn das Radio ausgeschaltet ist, wird sofort ein energisches Signal ausgelöst. Die Firma hat 50.000 dieser Frühwarnsysteme an die schwedische Regierung verkauft, die sie an Bewohner in der Nähe von Atomkraftwerken ausgehändigt hat. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat auf seinem Schreibtisch zu Testzwecken ein solches Radio stehen. Es kostet zurzeit 50 Euro. "Der Wecker ist an sich eine gute Idee. Nur ist das Land finanziell nicht in der Lage, jeden Haushalt damit auszurüsten", erteilt Carstensen dieser Lösung eine Absage. Thomas Giebeler vom Innenministerium meint: "Die Sirene ist nach wie vor die wirksamste Methode, die Menschen im Katastrophenfall bis in den hintersten Winkel der Republik aus den Betten zu bekommen." Georg Ismar/DPA MEHR ZUM THEMA powered by WeFind © 2009 stern.de GmbH 3 von 3 29.10.2009 14:16