König der Lüfte

28 SPORT STEIRISCH
Freitag, 14. September 2007
König der Lüfte
QUERPASS
Harald
Müllner
Der Sohn eines Bergbauern aus dem Bezirk Weiz hat schon
fünf Medaillen bei Weltmeisterschaften im Drachenfliegen gewonnen.
„Junger Mann, was wolln S’
denn wissen, fragen S’ nur“, diese aufmunternden Worte sind
mir vom kürzlich verstorbenen
Helmut Senekowitsch noch im
Gedächtnis geblieben, als ich
als ganz junger Reporter, noch
in Linz lebend, den damaligen
Jung-Trainer des SK Vöest befragen durfte. Meister ist er damals, 1974, geworden, was für
ein glänzender Auftakt einer
Trainerkarriere. Senekowitsch
war mir zuvor als Fußballer
noch lebhaft in Erinnerung.
Hoch in den Dreißigern war er
schon, als er gegen Ende einer
langen Karriere auch noch für
Wacker Innsbruck scheinbar
ohne Ermüdung seine Kilometer auf dem Spielfeld zurücklegte. Er hat eine Lunge wie
ein Pferd, pflegten die Fachleute damals zu sagen; und es
hat den Kern der Sache ganz
gut getroffen.
Erst viel später habe ich
mitbekommen, dass der
„Zeki“ aus Graz auch schon
Mitglied der so genannten Decker-Elf war, die um die 60er
Jahre so glänzende Ergebnisse
geliefert hatte. Es mutet heute wie ein Witz an, dass der
ÖFB damals aus Kostengründen (!) auf die Qualifikation
für die WM-Endrunde 1962 in
Chile verzichten musste. Senekowitsch hätte noch viel
mehr glänzen können. So ist
uns eben Cordoba in Erinnerung geblieben, untrennbar
mit Krankl als Vollstrecker
und Senekowitsch als kantigem Teamchef, der unsere Nationalelf zu einem heute unvorstellbaren siebenten WMRang geführt hatte.
Jahre später war der gebürtige Grazer ein echter Weltenbummler in Sachen Fußball,
der perfekt mehrere Sprachen
beherrschte und mit Fachwissen über so manches fremde Land überraschen konnte. „Zeki“ wird die Euro 2008
nicht mehr erleben können,
wer weiß, was er sich damit
womöglich erspart hat.
obert Reisinger lebt im Bergland nördlich von Graz und
kennt dort jeden Hügel von
oben: Als Hobby-Drachenpilot
hat er im Gebiet des Schöckel bereits hunderte Stunden in der Luft
verbracht. Seine größten Erfolge
hat der Sohn eines Bergbauern
aus Neudorf bei Passail aber im
absoluten Flachland erzielt: Heuer hat Reisinger bei der WM der
Drachenflieger in Texas Platz zwei
im Einzelbewerb belegt, im letzten
Jahr hat er bei der WM der Starrflügler in Florida sogar die Goldmedaille gewonnen. In Gebieten
also, die völlig flach sind wie die
ungarische Tiefebene.
Wie schaffen es motorlose Drachenflieger aber dort, in die entsprechende Höhe zu kommen?
Ähnlich wie ein Segelflugzeug
werden die Drachenflieger mittels
kleiner Propellermaschinen in
luftige Höhen geschleppt, immer
gleich drei, vier Piloten auf einmal
übrigens. Das ergibt dann beim
Start zu einem Wettbewerb ein
beeindruckendes Bild. In Texas
haben sich bei der WM nicht weniger als 105 Piloten gleichzeitig
am Himmel gedrängt. Erst nach
dem Startschuss dürfen die Piloten dann eine imaginäre Startlinie
R
Der weiteste Flug von Robert Reisinger führte ihn vom
Schöckel bis ins Zillertal. Dort
musste er nach acht Stunden
Flug wegen der einbrechenden
Dunkelheit landen. Foto: Trattner
überfliegen, die am Boden durch
große Orientierungspunkte festgelegt ist. Das Ziel ist variabel und
wird je nach Windrichtung kurzfristig festgelegt, ein Flugtag dauert meist drei, vier Stunden oder
mehr. Wer als Erster im Zielbereich gelandet ist, hat gewonnen.
Wie knapp Robert Reisinger
heuer dran war, die Goldmedaille zu gewinnen: Nach sieben
Wettbewerbstagen haben ihm in
Texas nur rund fünf (!) Minuten
auf den Sieg gefehlt. Gewonnen
hat ein ungarischer Pilot; die Österreicher haben aber durch den
Grazer Gerolf Heinrichs noch
Bronze gewonnen und gemeinsam mit dem Birkfelder Michael
Friesenbichler Platz drei in der
Mannschaftswertung belegt.
Wenn Robert Reisinger daheim
in Neudorf den Fuß vor die Tür
des elterlichen Bauernhofes setzt,
sieht er den mächtigen Nordhang
des Schöckels direkt vor sich. Seine Eltern betreiben auf 30 Hektar
eine Milchwirtschaft in 800 Metern Seehöhe. Der junge Robert
hat sich schon als Kind für die Drachenflieger begeistern können, die
vom Schöckel aus wie die Adler in
die Ferne schweben konnten. Mittlerweile hat er in 14 Jahren selbst
weit mehr als 3000 Stunden in der
Luft verbracht – ohne Zwischenfälle, wie er betont. Im nächsten
Jahr werden Reisinger und seinen
Kameraden weite Reisen erspart
bleiben: Die Europameisterschaft
der Hängegleiter findet 2008 im
Drautal in Kärnten statt.
Der beliebte Fußball-Philosoph
Vor fünf Jahren nahm Ivica Osim Abschied von Graz.
Unter seiner Führung errang Sturm Graz die größten Erfolge.
er Anfang vom Ende war
am 14. September 2002
gekommen: Unmittelbar
nach einer 1:3 Heimniederlage seines SK Sturm gegen den
FC Kärnten erklärte ein schwer
enttäuschter Ivica Osim seinen
Rücktritt. Es war ein Rückzug,
der sich zu diesem Zeitpunkt
schon abgezeichnet hatte. Zuvor hatte der damalige Präsident
Hannes Kartnig seinem Trainer
monatelang wenig schmeichelhafte Wortmeldungen zukommen lassen – es war Mobbing,
hat Jahre später ein Arbeitsgericht befunden. Das Vermächtnis des heute 66-jährigen Bosniers wird in Graz aber durch seinen Schüler fortgeführt. Franco
Foda, unter Osim erfolgreicher
Abwehrspieler in der glorreichen Zeit der Champions-League, lässt Sturms junge Mann-
D
Ivica Osim
Foto: Archiv
schaft ebenso erfrischenden
und attraktiven Fußball spielen, wie es sein Lehrmeister getan hat. Freilich konnte Osim
auf eine qualitativ hochwertige
Mannschaft vertrauen, bei der
alle Leistungsträger den Zenit
ihrer Laufbahn gleichzeitig erreicht hatten. Heute ist Osim
Trainer des japanischen Nationalteams und hat von knapp 20
Länderspielen ganze drei verloren. Die Qualität seiner Mannschaft kennt seit kurzem nunmehr auch ganz Fußball-Österreich. Sein Haus in Graz-St. Peter sieht Osim vorerst nur selten: Er soll die Japaner zur WMEndrunde 2010 führen. Erst danach wird wohl für den rastlosen Fußball-Philosophen die
Zeit gekommen sein, ein wenig
kürzer zu treten. Ganz wird ihn
der Sport ohnedies nicht loslassen können, das weiß er selbst
ganz gut. „Und Graz liegt in Europa ja ziemlich zentral“, hat er
einmal verschmitzt gesagt.
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