Myelom + Niere

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Myelom + Niere
G. Gabriëls
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
PD Dr. med. Gert Gabriëls, Medizinische Klinik und Polikllinik D, UKM, Münster
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
bei Diagnose
bei ~ 50% der Patienten: Serum-Kreatinin erhöht
bei ~ 19% der Patienten: Serum-Kreatinin > 2 mg/dl
bei einigen Patienten Manifestation durch Niereninsuffizienz
1-Jahres-Überleben: Patienten Plasma-Kreatinin < 1,5 mg/dl
Patienten Plasma-Kreatinin > 2,3 mg/dl
80%
50%
Korrelation: Schweregrad der Nierenerkrankung ~ Überleben
43% von 998 Patienten Plasma-Kreatinin > 1,5 mg/dl
22% von 423 Patienten Plasma-Kreatinin 2,0 mg/dl
Eine Besserung der Nierenerkrankung nach Therapie hat prognostische Bedeutung.
Pathogenese Leichtketten (LK)
monoclonale Ig-Leichtketten (LK) (Bence Jones-Proteine) im Urin:
MG von etwa 22,000
im Glomerulum frei filtriert
von Zellen des proximalen Tubulus größtenteils resorbiert
normal: pro Tag <30 mg LK ausgeschieden
wenn Resorptionskapazität überschritten: 0,1- >20 g/d
vom U-Stix nicht detektiert
→ bei NI, blandem Urinsediment + neg. / mini-pos. Teststreifen:
Sulphosalizyl-Säure-Zusatz / Immunelektrophorese
Abhängigkeit des Erkrankungstyps vom Leichtketten-(LK-)Typ
biochemische Charakteristika der LK-Typen: entscheidend für Nierenerkrankung
Infusion von LK von Patienten bei Mäusen:
Entstehung derselben Erkrankung
Bildung hochmolekularer Aggregate:
→
Bildung großer, laminierter Zylinder bei Myelomniere
→
Ablagerung im Gewebe mit oder ohne Fibrillenbildung bei
primärer Amyloidose / LK-Erkrankung
klinisch: Beschränkung auf einen LK-Erkrankungstyp pro Patient
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G. Gabriëls
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
Es gibt drei renale Manifestationsformen des Multiplen Myelom
I.
Myelomniere: Histo: Tubulusschaden durch Leichtketten.
Klinik: tubuläre Dysfunktion, (GFR-Abfall)
II.
Leichtketten-(LK-)Nephropathie: Histo: Glomerulusschaden
Klinik: glomeruläre Proteinurie, RR ↑, Niereninsuffizienz
III.
AL-Amyloidose
Komplikationen entstehen durch
Ca++↑,
Hyperviskosität,
Infektionen,
KM-Applikation
intakte LK
LK-Fragmente
LK-Aggregate
LK-Fragment-Ablagerung
im Gewebe: in Glomerula (Tubuli)
Fibrillenbildung
keine
Fibrillenbildung
AL-Amyloidose
(v.a. bei λ-LKExkretion)
LKNephropathie
(v.a. bei κ-LKExkretion)
nephrotisches Syndrom /
chronische Niereninsuffizienz
prox.Tubulusschaden
Ausscheidung intakter LK
Verbindung mit
Tamm-Horsfall-Protein
Fanconi-Syndrom
renal-tubuläre Azidose
renaler Phosphatverlust
→ Hypophosphatämie
→ Osteomalazie
distale tubuläre Obstruktion
= „cast“-Nephropathie
= Myelomniere
akutes Nierenversagen
(chronische Niereninsuffizienz)
Pathogenese der Myelomniere
ANV oder CNV v.a. durch zwei Faktoren:
Filtration von LK → Tubulusschaden
→ Zylinderbildung und Obstruktion (nur im distalen Nephron)
→ Riesenzellreaktion
Faktor der Zylinderbildung LK-Affinität zu THMP aus TAL
Risikofaktoren: Dehydration (Fluss↓, [LK]↑)
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G. Gabriëls
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
tubuläre Funktionsstörung
Zylinder-Bildung bei manchen Patienten nur gering ausgeprägt
Grad der Niereninsuffizienz korrelliert besser mit Tubulusschaden und -Atrophie
Reabsorption von LK kann tubuläre Lysosomenfunktion schädigen
Wenn bei Schädigung des proximalen Tubulus LK-Reabsorption↓:
→ mehr Leichtketten ins distale Nephron → mehr Zylinder
→ weniger NaCl reabsorbiert
→ [NaCl] in Tubulusflüssigkeit↑
→ Aggregation von LK mit lokal sezerniertem THMP↑
Schleifendiuretika steigern Bildung von Zylindern über selben Weg
Colchizin → THPM-Bildung↓
AL-Amyloidose (λ
λ)
zirkulierende Lk von Makrophagen aufgenommen / z.T. metabolisiert
→ LK von Makrophagen sezerniert
→ LK-Fragmente können präzipitieren
→ als Kongo-Rot positive, ß-gefaltete Fibrillen dargestellt
LK-Nephropathie (κ
κ)
pathogenetisch ähnlich, jedoch bilden LK-Fragmente keine Fibrillen
→ Depots: Kongo-Rot negativ.
bei diesen Veränderungen:
nephrotisches Syndrom,
U-Stix:
Protein +++ oder ++++
wg. Albuminurie bei glomerulärem Leck
weniger: Nierenversagen wie bei Myelomniere.
Hyperkalzämie beim Plasmozytom
Sekretion der Zytokine Lymphotoxin und Interleukin-6↑
→ Knochenresorption ↑
[Ca++]↑ häufig: 15% der Patienten: [Ca++] >2,8 mmol/l bei Diagnose
[Ca++]↑ kann zu Nierenversagen beitragen durch
renale Vasokonstriktion, intratubuläre Kalzium-Ablagerung
Verstärkung der Toxizität durch filtrierte LK
kann zu nephrogenem Diabetes insipidus führen
[Ca++]↑-induzierte ADH-Resistenz (Polyurie, Polydipsie)
bei [Ca++]↑ / Volumendepletion: Gefahr des ANV durch NSAR
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Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
Akutes Nierenversagen (ANV) bei Plasmozytom
keine Faktoren, anhand derer Besserung vorausgesagt werden kann
ANV bei Myelomniere multifaktoriell bedingt
LK-Toxizität für Tubuli und Obstruktion
Hypovolämie
Hyperkalzämie
Kontrastmittel
Therapie:
intensive Hydrierung mit hypotonen Lösungen
bei Hyperkalzämie: Schleifendiuretika
bei LK-Produktion: Chemo-Therapie (Steroide + Cyclophosphamid od. Melphalan)
Plasmapherese
Dialyse
Bei jedem dieser Verfahren:
bei 50 – 80%: Besserung der NI, auch wenn initial Dialysepflicht
oft initial Kreatinin > 5 mg/dl, nach Therapie häufig < 2 mg/dl
BJ-Proteinurie / Hypercalcämie in 97% Ursache der Niereninsuffizienz
nach Hydratation + Chemo: Nierenfunktion zu 51% normalisiert
Plasmapherese trägt zur Wiederherstellung der Nierenfunktion nach ANV bei
Plasmozytom mit BJ-Proteinurie < 1g/d bei (Zucchelli P et al., KI 33:1175,1998);
bei fortgesetzter LK-Produktion (E´phorese): weitere Plasmapheresen
Therapie des langsam progredienten Nierenversagen bei Myelomniere
weniger klar als bei ANV, was optimale Therapie
am ehesten Besserung bei noch nicht terminalem Nierenversagen mit guter
Restdiurese
Nieren-PE evtl. prognostisch günstig →
Besserung weniger wahrscheinlich bei diffuser Zylinderbildung
Dialyse entfernt LK weniger effektiv als Plasmapherese
Die Peritoneal-Dialyse entfernt Leichtketten nur in geringem Ausmaß (bei 50 l
Peritoneal-Dialysat: nur 2 g) während ein Plasma-Austausch zur effektiven
Verringerung der Leichtketten führt (17 g bei 5 l Austausch).
Auch Standard- und high-flux Hämodialysen entfernenLeichtketten nur in geringem
Ausmaß. Eine Hämofiltration ist evtl. effektiver, dazu müssen jedoch noch
Untersuchungen vorgenommen werden.
Therapie bei terminaler Niereninsuffizienz bei Plasmozytom
Das mediane Überleben bei Hämodialyse ist ähnlich wie bei chronischer
Niereninsuffizienz ohne Dialysepflicht (22 Monate).
Eine Niereninsuffizienz hat keine negativen Folgen für eine Stammzell-Sammlung
oder das Angehen der Stammzellen bei autologer Stammzelltransplantation. Eine
Besserung der Niereninsuffizienz bei Plasmozytom durch Hochdosis-Chemo und
autologe Stammzelltransplantation hat signifikante Bedeutung für die Prognose.
Je weniger ausgeprägt die Niereninsuffizienz oder je kürzer die Dialyse-Dauer vor
einer Stammzelltransplantation, desto besser die Erholung der Nierenfunktion.
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G. Gabriëls
Nierenbeteiligung bei Plasmozytom
Prävention ist die beste Therapie der LK-Filtration bzw. der Obstruktion
2 Methoden in fast allen Fällen indiziert:
- Chemo / Stammzell- oder KM-Transplantation
- Verhinderung einer Volumendepletion / Volumenzufuhr:
Senkung der LK-Konzentration im Tubuluslumen
Senkung der NaCl-Konzentration in Tubulusflüssigkeit
Anhebung der Flussrate im Tubulus, um Ausfällen der LK zu verhindern
Die Interaktion zwischen LK und Tamm-Horsefall-Mukoprotein (THMP) aus dem
dicken aufsteigenden Ast der Henle-Schleife wird reduziert durch:
Alkalinisierung des Urins
Urin-pH↑ >6,0 – 6,5 (≥ pI der LK)
→ damit eigentl. positive LK neutral oder anionisch
→ Interaktion zw. LK und stark anionischem THMP↓
Vermeidung von Schleifendiuretika außer bei Hyperkalzämie:
Denn: Durch Steigerung der NaCl-Konzentration in der Tubulusflüssigkeit
wird die Aggregation von LK und THMP gefördert.
Vermeidung einer Volumendepletion, denn dann sinkt der Urinfluss
Gabe von Colchizin: damit wird die Sekretion von THMP gesenkt
Literatur
Alexanian R et al., Arch Int Med 150: 1693, 1990
Badros A et al., Br J Haematol 114: 822, 2001
Blade J et al., Arch Intern Med 158: 1889, 1998
Korzets A et al., AJKD 16: 216, 1990
Lee C et al., Bone Marrow Transpl 33: 823, 2004
Misiani R et al., AJKD 10: 28, 1987
Russell JA et al., Br Med J 2: 1397, 1978
Sharland A et al., AJKD 30: 786, 1997
Tosi P et al., Eu J Haematol 73: 98, 2004
Winearls C, KI 48: 1347, 1995
Zucchelli P et al., KI 33: 1175, 1998
Adresse des Autors:
Priv.-Doz. Dr. med. Gert Gabriëls
Medizinische Klinik und Poliklinik D, UKM
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
Tel:
0251-83-47676
Fax:
0251-83-47545
E-mail: [email protected]
Die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr, die Verantwortung liegt bei der
behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt.
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