EineSportartfürKämpfer - Modern Pentathlon Zürich

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EineSportartfürKämpfer - Modern Pentathlon Zürich
Bellevue
Tages-Anzeiger – Montag, 15. August 2016
B-Side
Ich, Olympionike Moderner Fünfkampf (1/3)
Content for People
Die 15-Jährige, die 1912 als
Reiterin an die Spiele wollte
Eine Sportart für Kämpfer
Ein 15-jähriges Mädchen aus England,
Helen Preece, bewirbt sich 1912 um die
Teilnahme als Fünfkämpferin an den
Olympischen Spielen in Stockholm.
Preece ist bekannt als gute Reiterin. An
den Spielen sind die Pferdesportarten
jedoch den Männern vorbehalten – alle,
bis auf den Fünfkampf, der zum ersten
Mal olympisch ist und noch keine Geschlechterregelung kennt. Das schwedische Organisationskomitee entscheidet
in einer geheimen Abstimmung mit 10
zu 2 Stimmen gegen Preece’ Teilnahme.
Für die Sportsoziologin Jennifer Hargreaves ist klar: Am Modernen Pentathlon konkretisierte sich, was die Olympischen Spiele der Neuzeit in ihren Anfängen waren – «ein Kontext für institutionalisierten Sexismus». (mir)
Früher richtete sich der
Fünfkampf nur an Männer –
als ob Frauen nicht fechten
oder schiessen könnten.
Entscheidend ist die Lust am
Kampf, merkt die Autorin.
Mirjam Fuchs
Die Luft im Fechtclub ist stickig, unter
der weissen Weste fliesst der Schweiss,
die verdammte Maske engt mein Gesichtsfeld ein. Das alles lenkt mich so ab,
dass der Teenager, der mir entgegentänzelt, schon wieder einen Treffer platziert. Er grinst triumphierend. Ich bin
frustriert – die erste Lektion in modernem Fünfkampf läuft nicht gut für mich.
Moderner Fünfkampf ? Das braucht ein
paar Erklärungen.
Kaum einer kennt die Sportart, in der
Schweiz gibt es nur etwa 30 aktive Athleten. Und das, obwohl Pentathlon – so
die altgriechische Bezeichnung – laut
Pierre de Coubertin für den «vollkommenen Athleten» geschaffen wurde. Der
französische Baron modernisierte Ende
des 19. Jahrhunderts nicht nur die Olympischen Spiele, sondern auch den Fünfkampf der Antike. Aus Sprung, Lauf, Diskus, Speer, Ringen machte er Laufen,
Schwimmen, Reiten, Schiessen und
Fechten.
Die Presse sprach 1936 vom «schwersten und männlichsten» Wettbewerb der
Olympiade. Tatsächlich war Fünfkampf
lange Männersache. Nicht zuletzt, weil
sich die Auswahl der Sportarten am militärischen Training orientierte. Die Legende geht so: Einem Meldereiter wird
in feindlichem Gelände das Pferd getötet. Er verteidigt sich zunächst mit dem
Degen, nach dessen Verlust mit der Pistole, muss anschliessend durch einen
breiten Fluss schwimmen und legt die
restliche Strecke laufend zurück.
Ich bin eine Frau und habe erst einmal im Leben geschossen – mit einer
Chäpslipistole. Seither erschrecke ich
bei jedem Knall. Dass mit ungefährlichen Laserpistolen geschossen wird,
kommt mir deshalb entgegen. Ich stelle
mir eine Art Stuntwoman-Training vor,
mit dem ich eine mutige Soldatin doubeln könnte. Jeanne d’Arc, Lara Croft,
Grimmelshausens Landstörzerin Courasche? Alles Fünfkämpferinnen.
«Eins nach dem anderen»
Fünfkämpfer sind Alleskönner. Das verspricht Abwechslung beim Training. Organisatorisch ist die Sportart für Neulinge eine grosse Herausforderung,
merke ich beim Durchlesen der Website
von Pentathlon Zürich. Eine farbige Tabelle zeigt, wie die Woche eines Fünfkämpfers aussieht: Einsteiger trainieren
zweimal Schwimmen und zweimal Laufen. Später kommen dann, je nach Fortschritt, ein bis zwei Einheiten Fechten,
Reiten und Schiessen dazu.
Für sportliche Jugendliche ist das
machbar – aber für eine berufstätige Erwachsene? Fünfkampf heisst mindestens fünfmal Sport pro Woche. So viel
Aufwand braucht Überwindung. Gut,
gehe ich bereits jetzt regelmässig Laufen. Reiten ist mir dank einer kurzen,
aber heftigen Phase als Pferdemädchen
geläufig, und Brustschwimmen kann ich
auch.
Dumm nur, dass ich noch nie gefochten und geschossen habe. Allerdings
winkt bei Erfolg, schneller als in Disziplinen mit viel Konkurrenz, die Teilnahme
an den Olympischen Spielen. Wenn ich
19
Was man zu wissen braucht
Rio 2016 – der moderne
Fünfkampf im Überblick
Die 72 Athleten bestreiten die fünf Disziplinen an einem Tag – bei den Frauen ist
das der 19., bei den Männern der 20. August. Am Anfang steht die Qualifikationsrunde im Fechten: Jeder gegen jeden, ein
Treffer genügt zum Sieg innerhalb einer
Minute. Falls keiner der Duellanten trifft,
wird es als Doppelniederlage gewertet.
Es folgen 200 m Freistilschwimmen, die
Fechten-Bonusrunde, dann das Springreiten, bei dem mit einem zugelosten
Pferd ein Parcours mit 12 Hindernissen
bewältigt werden muss. Die Resultate
dieser Disziplinen bestimmen die Startreihenfolge für das Schiessen und Laufen, bei dem viermal 800 Meter mit vier
Schiessstopps kombiniert sind: Mit einer
Laserpistole muss fünfmal ein Ziel in
10 m Entfernung getroffen werden. (mir)
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Event-Vorschau
Leichttraben müsste eigentlich Schwertraben heissen, wenn es in einer brütend heissen Halle geschieht. Foto: Urs Jaudas
ab sofort täglich trainiere, ja dann
schaffe ich vielleicht die Qualifikation
für Tokio 2020.
Der Mann, der mir beim Einstieg helfen soll, heisst Andreas Perret. Er ist
deutsch-schweizerischer Doppelbürger
und Spezialist für Wertpapiere im Private Banking einer Schweizer Grossbank. 1993 wurde Andreas Perret Weltmeister mit der deutschen JuniorenMannschaft. Er ist zertifizierter Übungsleiter für modernen Fünfkampf und leitet seit einem Jahr eine Pentathlongruppe in Zürich.
Der 43-Jährige möchte Jugendlichen
weitergeben, was er selbst gelernt hat.
Dazu gehört, dass er ihnen die Angst vor
dem Scheitern nimmt. Die vielen Disziplinen könnten überwältigend sein, sagt
er, aber «man muss einfach eins nach
dem anderen machen».
Zögerliche Angriffsversuche
Bei unserem ersten Treffen im Fechtclub
in der Zürcher Saalsporthalle führt Perret geschickt durch die erste Lektion:
Vom korrekten Anlegen der weissen
Weste und der Maske über die Beinarbeit bis zu den Angriffen auf meinen
Gegner, Perrets 16-jährigen Sohn, der
ebenfalls Fünfkämpfer ist. Dieser pariert meine zögerlichen Angriffsversu-
che mit dem Degen geduldig, aber irgendwann wird es ihm zu blöd. «Mach
mal etwas!», ruft er mir durch das
schwarze Gitter seiner Maske zu. Doch
mit einer Waffe auf einen anderen Menschen loszugehen, fällt mir schwer,
Schutzausrüstung hin oder her.
Fehlt mir etwa die nötige Portion
Kampflust, die es für den Fünfkampf
braucht? Die nächste Trainingseinheit,
das Schiessen, wird es zeigen.
Serie Der olympische Geist weht
über das Bellevue
olympionike.tagesanzeiger.ch
Sha'S FEckEl
Konzert, Jazz
Exil · Hardstrasse 245 · Zürich
Montag, 15. August · 21.00 Uhr
Sportpsycho Von Patrick Frey
Alles Gequälte und Leidende
Lassen wir für einmal die Frauen aus
dem Spiel. Der moderne Fünfkampf
hiess früher militärischer Fünfkampf,
er diente der Kriegsertüchtigung, und
modern war daran wenig. Denn er
bestand aus den Disziplinen Reiten,
Schiessen, Stechen, Plündern
und Vergewaltigen.
Also gut, das ist
nun wirklich sehr
lange her. Heute
schwimmt der
moderne Fünfkämpfer 200
Meter, er ficht mit
dem Degen, er durchreitet einen
Hindernisparcours, und er läuft
schliesslich viermal 800 Meter und
muss dazwischen mit der Laserpistole
treffen. Alle Sportler quälen sich,
aber der Fünfkämpfer – für Baron de
Coubertin «der ideale Athlet» – ist
der grosse Leidende der Olympischen
Spiele.
Er leidet, weil ihm niemand zuschaut, wie er leidet. Seine Qualen
stehen in keinem Verhältnis zur Attraktivität seines Sports. Es ist, wie wenn
einer aus dem Militär nach Hause
kommt: Niemand will seine Geschichten hören. Er hat ja auch keine Höchstleistungen vorzuweisen, nach denen
OrgElkOnzErtE - SOmmErzykluS
Die Grossmünster-Orgel ist tragender
Bestandteil in den Gottesdiensten, die auch
durch regelmässige Mitwirkung von Chören und Ensembles bereichert werden. Das
wunderbare Instrument kann aber auch an
zahlreichen Konzerten erlebt werden.
Konzert, Klassik
grossmünster · Zwingliplatz · Zürich
Mittwoch, 17. August · 18.30 Uhr
das rekordsüchtige Publikum giert.
Er schwimmt so schnell wie Phelps
frühestens in 31 Jahren. Er schiesst wie
Heidi Diethelm Gerber mit einer
Flasche Gravensteiner intus. Er kämpft
nicht nur um den Sieg, sondern auch
für die Erhaltung seines Sports, den
man schon zweimal von der Olympialiste streichen wollte. Und um die
Spannung bis in die Schlussrunde
zu retten, wurden die Punkte in
Handicaps umgerechnet: Wer im
800-Meter-Lauf als Erster ins Ziel
kommt, kriegt Gold.
Vergeblich – das Einzige, was bei
diesem ehemaligen Armeesport heute
noch gekillt wird, ist die Quote.
matt mullican
Führung
kunstmuseum ·Museumstr. 52 · Winterthur
Dienstag, 16. August · 18.30 Uhr
dEr lEichnam
Ausstellung
Friedhof Forum · Aemtlerstrasse 149 · Zürich
Mittwoch, 17. August · 12.30 Uhr
city running EngE
Sport
hafen Enge · Mythenquai 87 · Zürich
Mittwoch, 17. August · 19.00 Uhr
Einträge unter www.eventbooster.ch · [email protected]
Bellevue
Tages-Anzeiger – Dienstag, 16. August 2016
B-Side
Ich, Olympionikin Moderne Fünfkämpferin (2/3)
Geili Teili
Auch im Hallenbad gilt:
Buoys will be buoys
Gut im Schuss
Auf der Tempobahn herrscht am Samstagmorgen reger Betrieb. Ausschliesslich
Männer kraulen dort durch das Becken,
an ihren Händen tragen sie farbige Brettchen. Sehen aus wie Flipflops, sind aber
Paddles. «Richtig eingesetzt, machen sie
schneller, funktionieren wie Flossen an
den Händen», erklärt ein befreundeter
Triathlet. Auch für die Schaumstoffscheiben, die Schwimmer zwischen die Beine
klemmen, hat er eine Erklärung. «Pool
Buoys helfen beim Auftrieb.» Männer lieben Gadgets, vor allem wenn sie schneller machen. Und Männer sind Männer,
auch im Wasser. (mir)
Fünfkampf-Anfänger starten
am besten mit Schiessen – der
schnellen Erfolgserlebnisse
wegen. Ob aus unserer
Autorin eine Lara Croft wird?
Mirjam Fuchs, Text
Urs Jaudas, Bilder
Moderne Fünfkämpfer trainieren jeden
Tag. Sie brauchen Disziplin und Talent.
In meiner ersten Fechtlektion stellte ich
fest, dass mir Letzteres fehlt. Meine
Beinarbeit war so miserabel wie damals,
als wir mit der Mädchenriege zu «Eye of
the Tiger» tanzten und sich alle synchron bewegten – alle ausser mir. Fest
entschlossen, den Mangel an Talent mit
fleissigem Training wettzumachen, gehe
ich am nächsten Tag ins Hallenbad. Alleine, weil mein Coach im Trainingslager
ist. Die Mission: herausfinden, was vom
Schulschwimmunterricht übrig geblieben ist.
Leider bin ich im Kraulen noch untalentierter als im Fechten. Nach drei Längen Japsen und Wasserschlucken sehe
ich es ein. Kein Auftrieb, kein Atem,
keine Ahnung. «No Problem!», schreibt
Andreas Perret, mein Coach, per SMS.
Später wird er erklären, dass man die
Koordinationsabläufe schon als Jugendlicher lernen muss, um ein richtig guter
Krauler zu werden. Er selbst hat als
14-Jähriger mit Fünfkampf angefangen
und ist vor einem Jahr, nach einer langen Pause, als Trainer zurückgekehrt. Er
sagt: «Diese Sportart ist wie eine Sucht.»
Als zweite Lektion hat Perret Reiten
vorgesehen. Darauf freue ich mich, einst
war ich vernarrt in Pferde. Die «Wendy»Zeitschriften habe ich weggeschmissen,
aber der Reithelm passt noch. In der
brütend heissen Reithalle in Uster drehe
ich mich mit dem Wallach Rubinell im
Kreis und nehme Schrittwechsel vor.
Das klappt ganz gut, aber von der Springlizenz, die es im Fünfkampf braucht,
trennen mich noch einige Reitstunden.
Immerhin. Ich schöpfe wieder Hoffnung
für Tokio 2020.
Für die letzte Lektion in der Kombidisziplin Laufen/Schiessen fahren wir
zur nahe gelegenen Sporthalle. An
einem Fünfkampf-Wettbewerb läuft man
und schiesst dazwischen vier Serien,
eine Art Sommerbiathlon. Geschossen
habe ich noch nie. Kein Problem, findet
Perret. «Einfach zielen und feuern.»
Zielen. Entspannen. Nachdenken.
Ein Gläschen Wodka
zur Beruhigung der Schützen
Früher, so liest man in den FünfkampfGeschichtsbüchern, war Alkoholtrinken
vor dem Schiessen normal. Man glaubte,
dass dies die Leistung verbessere. Damals wurde die Disziplin noch separat
vom Laufen ausgetragen. Jede Nation
hatte ihr Getränk, die Russen tranken
Wodka, die Österreicher Bier, die
Ungarn Barack. An der WM 1965 in Leipzig nahm ein österreichischer Schütze
zusätzlich zu seinem Mass Bier ungarischen Barack zu sich. Unter dem heissen
Wellblechdach schoss ihm der Alkohol
in den Kopf, und er zielte daneben. Die
Kampfrichter gingen erst in Deckung
und führten ihn dann ab. Seither ist Alkohol für die Schützen verboten. (mir)
Serie Der olympische Geist weht
durch die Bellevue-Redaktion
olympionike.tagesanzeiger.ch
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Event-Vorschau
Wenn Andreas Perret Schiessen erklärt, klingt das ganz simpel: «Einfach zielen und feuern.» Und was ist mit treffen?
Dabu Fantastic
Für Dabu Fantastic ist klar: So regelmässig
Konzerte zu spielen wie Celine Dion in Las
Vegas - das ist der ganz grosse Showteppich. Darum verbringen die Zürcher, die
grad bisschen mit «Angelina» flirten, fast
den ganzen August auf der Bühne.
Konzert, Mundart Pop
Güter Garten · Hohlstrasse 150 · Zürich
Donnerstag, 18. August · 18.00 Uhr
Der Rote muss ins Schwarze
Beim Zielen, das im Schützenjargon Visieren heisst, fokussiert das rechte Auge
Kimme und Korn, zwei Erhebungen auf
der Waffe. Damit dieses «Scharfsehen»
klappt, ist das linke Auge abgedeckt. Zu
meinem Glück schiessen Fünfkämpfer
nicht mit scharfen Waffen, sondern
einer ungefährlichen Laserpistole.
Schon bald feuere ich rote Laserstrahlen
auf die Zieltafel und treffe immer öfter
ins Schwarze. Cool! Ein bisschen wie
Büchsenschiessen an der Chilbi – bis ich
eine Runde laufen und dann auf Zeit
schiessen muss.
Das Herz pumpt, die Hand zittert, ich
schiesse daneben. Perret macht den
Einflüsterer: «scharfsehen», «langsam
ziehen», «nachhalten». Die Kommandos
helfen bei der Konzentration auf die
Technik. Diese sei beim Schiessen wichtiger als das Ergebnis, sagt Perret, «der
Weg ist das Ziel». Blöderweise gilt das
nicht fürs Schwimmen. Dort zählen
schnelle Zeiten. Und dafür braucht es –
genau: Talent und Disziplin.
21
Fünfkampf ist auch ein bisschen
Materialschlacht: Bereit fürs Reiten.
So präsentiert sich der Schiessstand.
Oder dient das Flipchart als Deckung?
Sehen wie eine Fliege: Unsere Autorin ist
bereit zum Duell.
Von DEn tropEn in DiE stubE
Ausstellung
botanischer Garten · Zollikerstr. 107 · Zürich
Mittwoch, 17. August · 9.30 Uhr
LuFt - ist nicht nichts
Ausstellung
technorama ·Technoramastr. 1 · Winterthur
Mittwoch, 17. August · 10.00 Uhr
city runninG EnGE
Sport
hafen Enge · Mythenquai 87 · Zürich
Mittwoch, 17. August · 19.00 Uhr
oDyssEE im stranDhaus
Theater
Landiwiese · Mythenquai · Zürich
Freitag, 19. August · 18.30 Uhr
Schwimmen kann jede. Gutes Kraulen
hingegen braucht Frühförderung.
Geschossen wird heute mit Laser.
Es ist schliesslich Moderner Fünfkampf.
Was sind schon 800 Meter? Viel, wenn
nach dem Laufen Schiessen ansteht.
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Bellevue
Tages-Anzeiger – Mittwoch, 17. August 2016
B-Side
Ich, Olympionikin Moderne Fünfkämpferin (3/3)
Amt für Modernisierung
Wie man eine einst moderne
Sportart modernisiert
Eine Handvoll Disziplinen
Der Moderne Fünfkampf ist seit 1912 (
Stockholm) olympisch. Seither gab es
immer wieder Versuche, die Randsportart aus dem Olympiaprogramm zu kippen. Zum Beispiel durch Jacques Rogge,
der 2002 als IOK-Präsident das Programm reformieren wollte. Der grosse
Organisationsaufwand und das geringe
öffentliche Interesse stünden in keinem
Verhältnis, monierte Rogge. Seine Reformpläne scheiterten, aber die Modernen Fünfkämpfer reagierten auf die Kritik, indem sie ihre Sportart sanft modernisierten: Laufen und Schiessen werden
seit 2009 kombiniert, und heute wird
mit Laserpistolen geschossen. So geht
Moderner Moderner Fünfkampf. (mir)
Früh übt sich, wer ein guter
Fünfkämpfer werden will.
Für unsere Autorin kommt
diese Erkenntnis zu spät.
Einzig ihr Coach sieht
noch Hoffnung.
Mirjam Fuchs
Fünfkämpfer sind Alleskönner. Leider
bin ich – so die Erkenntnis nach meiner
Schnupperrunde durch die Disziplinen
Laufen, Schwimmen, Reiten, Schiessen,
Fechten – eine Wenigkönnerin. Der
Olympiazug jedenfalls ist für mich abgefahren. Aber der Reihe nach, oder «eines
nach dem anderen», wie mein Fünfkampf-Coach Andreas Perret gern sagt.
Gestartet bin ich mit der Vorstellung,
Fünfkämpferin zu werden. Echt jetzt.
Die Vielfalt, die die Sportart bietet, ist
kaum zu übertreffen. Nur schon die Ausrüstung zeugt davon: Reithelm, Chaps
für die Beine, Badekappe, Schwimmbrille, Degen, Fechthelm, Laserpistole,
Augenklappe, Laufschuhe und die jeweils passende Kleidung. An Wettkampftagen muss ein Athlet innerhalb weniger
Stunden fechten, 3,2 Kilometer laufen,
aus 10 Meter Entfernung auf eine Zielscheibe mit knapp 60 Millimetern
Durchmesser schiessen, 200 Meter Freistilschwimmen und durch einen 350 Meter langen Springparcours mit 12 Hindernissen reiten. Wer will nicht ein solcher
Superheld sein?
Good News
Modern und militärisch
passen nicht zusammen
Die Geschichte des Modernen Fünfkampfs in Deutschland zeigt, wie sehr
die Sportart vom Militär weggerückt ist.
In Peking 2008 gewann Lena Schöneborn die erste deutsche Goldmedaille
seit Berlin 1936. An der «Nazi-Olympiade» (die Faschisten missbrauchten
die Spiele als Propagandaplattform)
wurde mit Oberstleutnant Gotthard
Handrick ein Vertreter der Wehrmacht
Olympiasieger. Nach dem 2. Weltkrieg
waren Sportarten mit militärischem
Charakter verboten. Erst nach der Gründung der Bundesrepublik 1949 kam es
zu einer Lockerung: Schon bald trainierten in der Polizei und später auch in der
Bundeswehr wieder Athleten. Seit den
70er-Jahren engagierten sich Deutsche
für den Frauen-Fünfkampf. Doch erst
2000 in Sydney durften Frauen an den
Olympischen Spielen teilnehmen. (mir)
Vor einem Berg Arbeit
Doch nun sehe ich schwarz, nicht bloss
für Tokio 2020, sondern auch für eine
Zukunft als Hobby-Fünfkämpferin. Dabei sind es nicht der tägliche Trainingsaufwand, das Herumschleppen der voluminösen Sporttasche, die militärischen Ursprünge oder die kleine Anzahl
Wettkämpfe pro Jahr, die mich abschrecken. Sondern der Berg an Arbeit.
«Von den fünf Disziplinen kann ich
nur eine so richtig: Laufen», jammere
ich. «Gut, dann fängst du mit dem Laufen an!», sagt Perret. Der Mann, der in
einer Bank ein Team leitet und drei Kinder hat, weiss, wie man motiviert. «Du
warst besser als erwartet», sagt er, «ganz
ehrlich.» Bis man als Fünfkämpfer an
einem Wettbewerb teilnehmen könne,
müsse man mindestens ein Jahr trainieren. «Diese Langfristigkeit muss man akzeptieren.» Ich schlucke leer. Geduld
und Durchhaltevermögen sind nicht
meine Stärken.
Perret hilft mit Salamitaktik, portioniert das grosse Ziel «Hobby-Fünfkämpferin» in kleine Schritte. Zur miesen
Trefferquote im ersten Fechtduell sagt
er: «Die Ambition, nach einer Stunde
den Gegner zu treffen, ist absurd.» Alleine um die Beinarbeit zu lernen, brauche man vier Intensivlektionen.
Fürs Kraulen ist es zu spät
Beim Thema Schwimmen holt Perret
weiter aus. «Jugendliche Fünfkampf-Anfänger beginnen mit Kraulen», das Gefühl für den Auftrieb im Wasser und die
Atemtechnik lerne man in jungen Jahren
am besten. Perret sagt es zwar nicht direkt, aber ich merke schon: Um eine
richtig gute Schwimmerin zu werden, ist
es längst zu spät.
Wieder relativiert der Coach. «Wichtig für den Trainingserfolg ist, dass man
sich auf die Stärken konzentriert.» Also:
Reiten kann ich bereits so gut, dass es
nur einige zusätzliche Stunden braucht,
bis ich es mit einem Pferd über Hinder-
17
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Eins nach dem anderen, sagt der Pentathlon-Coach: Fechten, Reiten, Schiessen, Schwimmen, Laufen. Foto: Urs Jaudas
nisse schaffe. Und mit etwas mehr Training werde ich eine gute Schützin. Weil
die Fünfkämpfer mit geräuschlosen
Laserstrahlen statt mit scharfer Munition schiessen, fällt die Knallerei weg,
man kann sich also auf die Technik konzentrieren. Wie beim Biathlon liegt der
Reiz beim kombinierten Laufen und
Schiessen im schnellen Wechsel zwischen Bewegung und Stillstand: Mit erhöhtem Puls die Hand ruhig halten, visieren, am Abzug ziehen und – Treffer!
Beim Stichwort Treffer erinnere ich
mich an die schmachvolle Niederlage
gegen einen jugendlichen Fechter vor einigen Tagen. «Mach mal etwas!», hat er
mir noch zugerufen. Das nehme ich mir
zu Herzen. Da beim Fünfkampf-Fechten
ein Treffer zum Sieg reicht, werde ich
das nächste Mal einfach entschieden angreifen. So machen es vielleicht nicht
die Alleskönner, aber die Alleswoller.
Serie Der olympische Geist weht
durch die Bellevue-Redaktion
olympionike.tagesanzeiger.ch
Der Beste der Geschichte
Peter Steinmann
Unser Bester in Rio
Schaut aus der Ferne zu
Nur 22 Punkte
weniger als der
Weltmeister holte
Peter Steinmann an
der WM 1991 in San
Antonio. Für seine
5476 Punkte gab es
Silber. 1995 gewann
der Dübendorfer
erneut Silber in der
Staffel. Dreimal nahm
er an den Olympischen Spielen teil (1984,
1988 und 1992). Nach seiner Profikarriere
wurde Steinmann Fünfkampftrainer. Heute
betreibt der 54-Jährige mit seiner Frau
Claudia, einer ehemaligen Olympiateilnehmerin im Synchronschwimmen, den Regionalfernsehsender Tele Z. Erfolgreich Fünfkampf
und Fernsehen machte auch Werner Vetterli,
der 1954 in Budapest Silber in der Mannschaft gewann. Er moderierte jahrelang die
Sendung «Aktenzeichen XY ... ungelöst» und
sass für die SVP im Nationalrat. (mir)
Keiner der rund
30 aktiven Schweizer
Athleten im Alter
zwischen 12 und 75
Jahren hat sich für
Rio qualifiziert. Um
einen der 36 Startplätze pro Geschlecht
zu ergattern, muss
man weit oben sein in
der Weltrangliste
oder sich durch einen offiziellen Wettkampf
qualifizieren. Die letzte Schweizer Fünfkämpferin an Olympischen Spielen war Belinda
Schreiber 2008 in Peking, sie erreichte den
11. Platz. Die Goldmedaillengewinnerin von
2008 ist die deutsche Lena Schöneborn; sie
gilt auch dieses Jahr als Favoritin. Beim
Testlauf für die Sommerspiele in Rio belegte
die 29-Jährige den zweiten Platz. Das ZDF
überträgt am Freitag: 15 Uhr Schwimmen,
17 Uhr Fechten, 20 Uhr Reiten, 23 Uhr Laufen
und Schiessen der Frauen. (mir)
SardiniEn - Land dEr TräumE
Die besonders fruchtbare Insel war Kreuzungspunkt der überseeischen Schifffahrt.
Dieses Spannungsfeld zwischen innerer Geschlossenheit und Offenheit nach
aussen führte zur Ausprägung der
charakteristischen «Nuraghenkultur ».
Ausstellung
archäologische Sammlung·Rämistr.73·Zürich
Freitag, 19. August · 13.00 Uhr
Jakob dEr LügnEr
Film
rote Fabrik · Seestrasse 395 · Zürich
Donnertag, 18. August · 21.00 Uhr
riESbachFEST
Fest
gZ riesbach ·Seefeldstrasse 93 · Zürich
Freitag, 19. August · 19.00 Uhr
comic-WorkShop Für kindEr
Workshop
museum Strauhof · Augustinergasse 9 · Zürich
Samstag, 20. August · 14.00 Uhr
FranciS picabia
Ausstellung
kunsthaus Zürich · Heimplatz 1 · Zürich
Samstag, 20. August · 10.00 Uhr
Einträge unter www.eventbooster.ch · [email protected]