Ausgabe 01/2014 Fachliche Mitteilungen für fliegende
Transcrição
Ausgabe 01/2014 Fachliche Mitteilungen für fliegende
Flugsicherheit Ausgabe 01/2014 Foto: Markus Schulze - Bundeswehr Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände flugsicherheit Ausgabe 01 / 2014 Heft 1 März 2014 – 51. Jahrgang Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände In this issue Article overviews in English by Lt Col Jeff “Otter” Anderson, USAF Exchange Officer and member of the German Armed Forces Flugsicherheit Flight Safety Directorate. Menschliche Faktoren in der Flugzeugwartung // Human Factors in Aircraft Maintenance The twelve most common human factors that contribute to maintenance errors have been called The Dirty Dozen for years. How well do you really know these leading causes of maintenance errors that in-turn lead to enormous damage and numerous incidents and accidents in aviation every year? The article gives a nice refresher on the dozen; communication, stress, fatigue, carelessness and apathy, distraction, lack of teamwork, lack of self-assertion, lack of resources, time/performance pressure, lack of knowledge, lack of awareness, and norms. If it doesn’t interest you, you are experiencing number four in the list, if you can’t read German, you’ve got problems with number eight! Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände Titelfoto: Markus Schulze, Bundeswehr „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Im Stich gelassen? // Left in the lurch? The CH-53 was at an NH-90 airfield in need of being towed to a new position for a ground run. No regular tow-crews were available, so a stand-in tow-driver was pulled from his normal duties as a maintenance trainer for the job. The CH-53 crew that was available for the ground run could have filled out the necessary membership in the tow crew, or at least offered to help. The necessary tow briefing could have been conducted. The necessary supervision and communications could have been present. The problem was that none of these “could-have-beens” occurred. The end result: On a tow-path unfamiliar to the tow-driver, without the required crew, communications or supervision, the CH-53’s main rotor was dragged into the side of a hangar causing extensive damage to the helicopter. Herausgeber: Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203-9083124 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln [email protected] [email protected] Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: Heimbüchel & Köllen corporate publishing GbR 10117 Berlin [email protected] Editorial 1 Menschliche Faktoren in der Flugzeugwartung 2 Im Stich gelassen? 7 Geschichten aus dem Fehlermeldesystem 10 Electronic Flight Bags in der Bundeswehr 12 Runway Incursion - the Air Force Way23 Leserbriefe30 Verabschieden & Begrüßen 32 In this issue33 Geschichten aus dem Fehlermeldesystem // Stories from the Error Reporting System Snowfall at takeoff time did not require runway clearing, but it was a different story by landing time. The landing on an unexpectedly snowy runway shouldn’t have been the outcome, but that is exactly what happened. A shift change in ground personnel after the takeoff only explains the event in part. There were a lot of other people at the airfield who could have helped remind the airfield team of the information that got lost during the shift change. Does each member of your airfield team know they have an important role to play in safety? Electronic Flight Bags in der Bundeswehr The VIP Transportation Wing is the first unit in the German military to transition to use of Electronic Flight Bags (EFB). That is great news, but like any piece of technology, EFBs come with their own advantages, requirements and risks. The article describes the Wing’s experiences and the status of the on-going transition. Key information technology requirements are highlighted along with the importance of having the right supporting organizational structure in place. The article ends with an excellent question and answer section from the EFB project officers. Runway Incursion, the Air Force Way The German civil flight safety investigation agency, the BFU, recently released a report on the May 14th, 2008 runway incursion at Zweibrücken Airport (EDRZ). In the event, a German Air Force C-160 Transall mistook a clearance from the tower to ‘taxi and hold short’ and subsequently lined up and held on Runway 03 as a German Wings A319 was cleared to takeoff on Runway 21, the same runway, in the opposite direction. The A319 overflew the Transall at about 400 feet. There is much more to the event, though, than just one misheard clearance. Callsign confusion, airport terrain blocking lines-of-sight, some non-standard aviation English and more played a role in the event. This article offers a summary of the BFU report and some further insights. The full BFU report is available in English on the BFU website at www.bfu-web.de. Select English at the top and navigate to “Publications” and then “Final Reports”. Leserbriefe // Letter from a Reader A few issues back, in edition 02/2013, we brought you the story of “Mr. Steel”, a rather large bullet shaped piece of metal found under a C-160 Transall. Despite his size and apparent importance, no one seemed to know what he was or where he came from. Two letters from readers help identify Mr. Steel as a tool used to guide larger bolts into place, maybe on the Transall or maybe on the P-3C. It is still a little funny then, that Mr. Steel wasn’t marked as a tool should be and that no one noted him as missing. We say goodbye, we say hello // Verabschieden & Begrüßen 01-2014 EDITORIAL Zu viele geleistete Flugstunden überfordern den Einzel- vom Bedarf, sondern auch von nen; und zu wenige Flugstunden können zur Überfor- der Verfügbarkeit von Resderung des Einzelnen führen, zumindest in kritischen sourcen abhängen, kann sich Situationen. Diese Binsenweisheit ist so alt wie die auch GenFlSichhBw nicht verFliegerei selbst und wird auch im Jahr 2014 Bestand schließen. Umso entscheidender ist es, zwischen derzeihaben. Damit ist der vermeintliche ideale Zielkorridor, tiger und zukünftiger Einsatzbereitschaft zu priorisiein dem sich unsere Besatzungsangehörigen bewegen ren. Werden die verfügbaren Ressourcen im Schwersollten, relativ schmal, um optimal vorbereitet zu sein, punkt zum Erhalt einer möglichst hohen aktuellen ohne an oder über die eigene Belastungsgrenze geführt Einsatzbereitschaft investiert oder zum Aufbau von in zu werden. Was bei dieser Diskussion regelmäßig zu die Zukunft gerichteter Einsatzerfahrung verwendet? kurz kommt, ist, dass eine rein quantitative Betrachtung Eine zu treffende Führungsentscheidung, um die der Komplexität dieses Themenfeldes nicht gerecht wer- ich keinen beneide. Es muss jedoch unabhängig vom den kann. Eine taktisch ausgerichtete und dynamisch Dienstbereich sichergestellt bleiben, dass die an den Einverlaufende Flugstunde stellt andere Anforderungen zelnen gerichtete Aufgabenstellung seiner Qualifikation an die Besatzung als ein vorgeplanter Instrumentenflug. entspricht, um keine Überlastungssituation im FlugbeDennoch kann es, wie am 16. Januar 2014 im Endanflug trieb zu provozieren. auf Büchel geschehen, auch im Instrumentenendanflug Bei jedem Dienstantritt sollten wir uns selbst aber auch zu kritischen Situationen kommen, die in einem Flug- die kritische Frage stellen, ob wir der heutigen Aufunfall enden. gabenstellung gewachsen sind und wenn dies gefühlt In dieser Diskussion steht zwar immer das Fliegende nicht der Fall ist, das offene Gespräch mit unserem VorPersonal im Fokus der Betrachtung, aber das Gleiche gesetzten suchen. trifft natürlich auch auf Techniker und Fluglotsen zu. In der Ausgabe Flugsicherheit I/2014 sind einige „BeiJeder am Flugbetrieb Beteiligte braucht ausreichend spiele“ beschrieben, bei denen diese selbstkritische Frage Trainingsmöglichkeiten, um seine persönlichen Fer- möglicherweise hätte helfen können, eine kritische Situtigkeiten und Fähigkeiten aufrechterhalten zu können. ation zu vermeiden. Während meines Einsatzes als Base Commander in Den Beitrag zu „Electronic Flight Bags in der BundesMazar-e Sharif wurde mir das im Bereich des Flugver- wehr“ möchte ich ebenfalls zur Lektüre empfehlen. Er kehrkontrolldienstes besonders vor Augen geführt, als umreißt sehr anschaulich die Komplexität der Einfüherfahrene Fluglotsen aus unterschiedlichen Nationen rung moderner Kommunikationsmittel im Cockpit mit dem hohen Flugaufkommen und dynamisch ver- und gibt darüber hinaus einen interessanten Einlaufenden Flugverkehr am Einsatzflugplatz nicht zu- blick in einen Themenkomplex, der uns ohne diesen rechtkamen und an der Platzzulassung scheiterten. externen Beitrag verschlossen geblieben wäre. Ich Die eigene oder individuelle Belastungsgrenze unter- möchte an dieser Stelle nochmals alle Leserinnen liegt allerdings keinem Einheitsmaß und wird von einer und Leser ermutigen, uns auch ihre Spezialkenntnisse Vielzahl von einwirkenden Faktoren definiert. Welches oder Erfahrungen zur Veröffentlichung zur Verfügung Fundament an Erfahrung konnte ich mir über die Jahre zu stellen. aufbauen? Wie umfangreich konnte ich in den letzten Wochen und Monaten trainieren? Dies reicht bis hin Always fly safe! zur Frage der persönlichen Tagesform. Zumindest im zweiten meiner Punkte liegen Ideal- und Realwelt bereits seit geraumer Zeit auseinander. Der Erkenntnis, Klement dass Übungs- und Trainingsmöglichkeiten nicht nur Oberst i. G. 1 Flugsicherheit Menschliche Faktoren in der Flugzeugwartung von OSF d. R. Karl Heinz Weiß, KdoUstgVbdeLw Abt FlSichhBw Wenn wir den Begriff „Das dreckige Dutzend“ hören, denken wir in der Luftfahrt Beschäftigten nicht an den US-amerikanischer Kriegsfilm aus dem Jahre 1967, der von Robert Aldrich nach dem gleichnamigen Roman von E. M. Nathanson inszeniert wurde. Für uns Techniker ist es das Synonym für zwölf negativ besetzte Begriffe aus der Flugzeugwartung und Instandhaltung. 2 Nachdem es Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre zu einer ganzen Reihe von Zwischenfällen und Flugunfällen mit wartungsbedingten Ursachen gekommen war, identifizierte Transport Canada 1 in Zusammenarbeit mit der Luftfahrtindustrie die zwölf am häufigsten von Menschen verursachten Fehler in der Wartung und Instandsetzung, die man als das „Dreckige Dutzend“ (The Dirty Dozen) 01-2014 bezeichnete: Menschliche Faktoren, welche die Fähigkeit des Personals zur effizienten und sicheren Aufgabenerfüllung beeinträchtigen und zu Wartungsfehlern führen können. Als Ergebnis dieser Studie wurden 1994 sogenannte Dirty-DozenPoster herausgegeben, die dem technischen Personal weltweit Informationen und Anleitungen an die Hand gaben, um diese menschlichen Faktoren zu ermitteln und Fehlern vorzubeugen. Daneben wurden Sicherheitsnetze eingeführt, um entsprechende Mechanismen zur Vermeidung von menschlichem Versagen zu etablieren. Das Konzept wurde von Gordon Dupont entwickelt. In der Technik verursachte Flugausfälle oder verspätungen führen in der militärischen Luftfahrt bei internationalen Einsätzen oder bei Regierungsflügen zu einem erheblichen Imageschaden und hämischen Berichten in der Presse. Zusätzlich bedeutet es bei zivilen Fluggesellschaften einen hohen finanziellen Verlust. Mittlerweile führen die meisten Luftfahrtunternehmen ein „Human factors training“ für ihr technisches Personal durch. Das Ziel dieser Workshops ist es, Techniker, Vorgesetzte und Manager in die notwendigen Fähigkeiten einzuweisen, um Sicherheit, Teamarbeit und Effizienz am Arbeitsplatz zu verbessern und somit Fehler in der Technik zu reduzieren. Untersuchungen und Analysen haben gezeigt, dass die Ursachen für Flugunfälle auch in der Technik verankert sind. Hier einige Beispiele: -In einer umfassenden Untersuchung wurde festgestellt, dass 12 % aller Flugzeugunfälle auf Faktoren im Zusammenhang mit Wartung und Inspektion zurückzuführen sind. - Aus einer von Boeing 1995 durchgeführten Analyse geht hervor, dass bei 15 % der zwischen 1982 und 1991 verzeichneten Unfälle mit Ver1 Transport Canada ist der Name des Ministeriums für das Verkehrswesen von Kanada mit Hauptsitz in Ottawa, Ontario. Die Behörde ist zuständig für alle Verkehrsbereiche in Kanada (Luftverkehr, Seeverkehr, Schienen- und Straßenverkehr). kehrsflugzeugen Wartungsarbeiten eine maßgebliche Rolle gespielt haben. In der typischen Wartungsumgebung im Flugzeughangar laufen – während das Wartungspersonal an einem Flugzeug arbeitet – eine Vielzahl verschiedener komplizierter Vorgänge gleichzeitig ab. Zu den zahlreichen menschlichen Faktoren in diesem Zusammenhang gehört, dass technisches Personal auf engstem Raum oder in großer Höhe Arbeiten an Flugzeugteilen durchführt. Zusätzlich erfordert der Arbeitsablauf eine aufwendige Koordinierung zwischen den verschiedenen Teammitgliedern, der eine wesentliche Bedeutung zukommt. Diese Faktoren tragen in Verbindung mit der hohen Lärmbelastung – vielleicht auch in tiefer Nacht – und der Notwendigkeit zu äußerster Sorgfalt bei der Aufgabenerfüllung zu einer möglichen Fehlerquote bei. Dies belegen auch die nachfolgenden Zahlen (aus Human Factors: Beyond the ‚Dirty Dozen‘): Nach Angaben der US-amerikanischen Bundesluftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Agency) gehen rund 80 % der Wartungsfehler auf menschliche Faktoren (Human Factors) zurück; würden sie übersehen, könnte es zu Unfällen kommen. Darüber hinaus stellt der FAA-Bericht fest, dass bei Zwischenfällen am Boden im Jahr 2004 weltweit Schäden in einer Höhe von 5 Milliarden Dollar verursacht wurden. In einem Bericht der australischen Transportsicherheitsbehörde (Transport Safety Bureau) beziffert der Wissenschaftler Alan Hobbs die Kosten für die Annullierung eines Boeing-747-400-Fluges auf 140.000 $, für Verspätungen am Gate auf 17.000 $ pro Stunde zulasten der Fluggesellschaft; ein hoher Preis also, den Flugverspätungen und Flugausfälle nach sich ziehen. Aber zuallererst: Was ist ein Fehler? Generell wird von einem menschlichen Fehler gesprochen, wenn „ein beabsichtigtes Ziel nicht erreicht wird“. Ein Fehler kann auch ein Ausrutscher oder Irrtum sein. Mit anderen Worten: „Wir verursachen keine Fehler absichtlich!“ 3 Flugsicherheit Im Folgenden werden die zwölf Begriffe des und unseren Auftrag korrekt erfüllen können. „Dreckigen Dutzends“ näher erklärt. Alle in der Luftfahrt Beschäftigten müssen sich der Auswirkungen von Stress auf ihr LeistungsKommunikation vermögen bewusst sein. Halten Sie inne und Die vielleicht häufigste auftretende betrachten Sie das Problem rational. Legen Sie Fehlerquelle ist mangelnde Kommunikation. eine rationale Vorgehensweise fest und befolgen Damit ist nicht nur die verbale Kommunika- Sie sie. Nehmen Sie sich frei oder legen Sie zution gemeint. Vielfach ist es nicht möglich, eine mindest eine kleine Pause ein. Sprechen Sie mit Wartungsmaßnahme vor Schichtende oder jemanden. Bitten Sie Kollegen, Ihre Arbeit zu Dienstschluss erfolgreich zu beenden. So kann überwachen. Halten Sie sich körperlich fit. Sores vorkommen, dass ein Mechaniker seinen Ar- gen Sie stets für ausreichende Ruhezeiten. beitsplatz – in diesem Fall ein Luftfahrzeug – verlässt, ohne dessen Zustand bzw. Stand der Übermüdung/Erschöpfung Arbeit dem nächsten Mechaniker in irgendeiner Aufgrund von Erschöpfung werden Weise schriftlich oder mündlich mitzuteilen. Er Fehler gemacht. Das ist ein Grund, warum Ergeht einfach davon aus, dass der Nächste schon schöpfung zum „Dreckigen Dutzend“ gehört. sehen wird, wo welche Arbeiten unvollendet ge- Erschöpfung kann eine fortlaufende, chroblieben sind. nische Krankheit, aber auch „akut“ – verursacht Deshalb ist es unbedingt erforderlich, den Zu- durch Nächte ohne bzw. zu wenig Schlaf – stand des Flugzeugs im Bord- oder Arbeitsbuch sein. Erschöpfung und Müdigkeit führen zu dokumentieren. Die noch zu erledigenden so- z. B. dazu, dass man eine Aufgabe nicht vollwie die bereits fertig gestellten Arbeiten sollten ständig erfüllt, sie zu lässig angeht oder in seimit der Kollegin/dem Kollegen, die/der nach ner Kommunikation unklar wird. Gerade ihnen mit der Weiterführung der Wartungs- zum Ende eines arbeitsreichen, anstrenmaßnahme beauftragt wird, besprochen werden. genden Arbeitstags, vielleicht mit ein paar Nehmen Sie nichts als gegeben, prüfen Sie stets. Überstunden, kann es zur Erschöpfung kommen. Dadurch lässt die Konzentration nach. Schon ist eine Fehlerquelle geschaffen, Stress Stress ist eine psychische und manchmal indem durch diese Unkonzentriertheit einige auch physische Belastung, welche durch soge- wichtige Arbeitspunkte übersehen werden. nannte „Stressoren“ ausgelöst wird. Ein Stressor Seien Sie sich der Symptome der Erschöpfung kann eine einmalige Situation aber auch eine bewusst und achten Sie bei sich und anderen dafortlaufende Handlung sein. Ein kurzzeitiger rauf. Vermeiden Sie komplexe Arbeiten, wenn Stressor ist zum Beispiel ein schwerer Anflug Sie körperlich erschöpft sind. Sorgen Sie für reoder eine komplizierte Reparatur, die in gelmäßigen Schlaf und sportliche Betätigung. kürzester Zeit beendet sein muss. Sobald der Bitten Sie Kollegen, Ihre Arbeit zu überwachen. Anflug oder die Reparatur abgeschlossen ist, ist Machen Sie eine Pause, wenn Sie müde sind. auch der Stress wieder vorbei. Stress kann Einfluss auf die Wahrnehmung, das Gedächtnis Gleichgültigkeit/Selbstzufriedenheit oder andere Fähigkeiten nehmen. Im AllgemeiWenn eine Routinearbeit immer wieder nen wirkt sich Stress zu Ungunsten der Gesund- ausgeführt wird, können aus der wachsenden heit aus. Der aufgebaute Stress kann uns über- Routine ein übersteigertes Selbstvertrauen und fordern, sodass wir nicht mehr rational denken Selbstgefälligkeit erwachsen, die wiederum Fehl- 1 3 2 4 4 01-2014 einschätzungen nach sich ziehen können. Das kann dann dazu führen, dass Arbeitsschritte, die immer problemlos erledigt wurden, nicht mehr beachtet werden. Erziehen Sie sich dazu, dieses Verhalten zu erkennen und zwingen Sie sich zu Gründlichkeit und Sorgfalt. Zeichnen Sie niemals etwas ab, was Sie nicht selbst kontrolliert haben. Nehmen Sie nichts als gegeben, prüfen Sie stets. durch die Vorgesetzten anders – vielleicht harmloser – gesehen werden. Die Spezialisten vertreten nicht mehr ihre Fachmeinung. Sie lassen sich zu leicht von ihrer Position abbringen, was potenziell zu einem Unfall führen kann. Seien Sie selbstbewusst und geben Sie ein klares Feedback, wenn Sie Gefahr sehen. In unkritischen Fällen machen Sie einen Vermerk im Bordbuch und zeichnen Sie nur für Einwandfreies. Lassen Sie sich nicht von Ihren Standards Ablenkung abbringen. Gestatten Sie den Mitgliedern des Wird ein Mechaniker von seiner Arbeit Teams, ihre Meinung zu äußern, und nehmen abgelenkt, kann das potenziell Fehler nach sich Sie Kritik positiv an. ziehen, da seine Konzentration beeinträchtigt wird. Fehlende Ressourcen/Hilfsmittel Beenden Sie stets Ihre Arbeit oder sorgen Sie für Bei Ersatzteilmangel muss eventuell aus die Abstellung der Ablenkung. Dokumentie- Sicherheitsgründen entschieden werden, nicht ren Sie unvollständige Arbeiten und übergeben weiter zu fliegen. Überprüfen Sie kritische BeSie sie möglichst persönlich an einen anderen. reiche im Vorfeld bei der Planung einer InspekWenn Sie an Ihre Arbeit zurückkehren, gehen tion. Bestellen und lagern Sie Teile vorausschauSie selbst grundsätzlich drei Arbeitsschritte zu- end. Halten Sie die Standards ein. Wenn Sie im rück. Verwenden Sie eine detaillierte Check- Zweifel sind, lassen Sie das Luftfahrzeug am liste. Boden. Sorgen Sie für allumfassende Materialerhaltung durch entsprechende Wartung und Mangelndes Teamwork Instandsetzung. Vielfach kann man feststellen, dass auch in unserem Arbeitsumfeld die Linke nicht weiß, Zeit- oder Leistungsdruck was die Rechte tut. Es mangelt also gravierend an Oft übt die Durchführung einer InstandZusammenarbeit und Kommunikation, welche setzungsmaßnahme einen großen Druck auf alle jedoch bei der Durchführung schwieriger Auf- Beteiligten aus, vor allem dann, wenn viele Begaben, an denen mehrere Personen beteiligt reiche der Technik involviert sind. Oft – ohne sind, von grundlegender Bedeutung sind. es selbst zu merken – stellt man sich aber auch Erörtern Sie, was von wem und wie getan wer- selbst unter zu großen Leistungsdruck, etwa um den muss. Stellen Sie durch gute Kommunika- eine hohe Qualität seiner Arbeit in minimaler tion und Koordination mit den Teammitglie- Zeit zu erreichen: Das führt zu mentalem Stress dern sicher, dass jeder dies versteht und dem und Erschöpfung. zustimmt. Achten Sie gegenseitig auf sich. Die Vorgabe, eine Arbeit zur angegebenen Deadline zu erledigen, ist der am häufigsten Mangelndes Durchsetzungsvermögen vorkommende Druck in der Wartung- und InMechaniker, die nicht zu einer Entschei- standsetzung von Luftfahrzeugen. Aber auch dung stehen, die angeblich nicht im Sinne der Mitarbeiter können Druck aufeinander ausVorgesetzten ist, kann man vielerorts vorfin- üben. Sie können das Gefühl der Dringlichden. Sie haben gelernt, welche Beanstandungen keit aufbauen, wodurch man selbst gezwungen 5 8 6 9 7 5 ist, schneller zu arbeiten, als man es sich selber zutraut. In unserem Leben haben wir täglich verschiedene Situationen, die Druck auf uns ausüben. Aus diesem Grund zählt auch Leistungsdruck zum „Dreckigen Dutzend“: Er ist ein möglicher Faktor, der zu einem negativen Ergebnis führen kann. Die zivile wie auch militärische Luftfahrt haben täglich mit dem Problem des Leistungsdrucks zu kämpfen, aber wir müssen dafür sorgen, dass dieser nicht die Sicherheit und Effizienz gefährdet. Setzen Sie sich nicht selbst unter Druck. Äußern Sie Ihre Bedenken. Bitten Sie um Unterstützung. Sagen Sie einfach nein. 10 Mangelndes Wissen Es ist in der Luftfahrzeugtechnik wichtig, dass das beauftragte Personal Kenntnis über die Wartungsanforderungen, Arbeitsdurchführung und Kontrolle hat. Nur ein in der Theorie und Praxis ausgebildetes Personal darf mit der Durchführung der dafür vorgesehenen Arbeit betraut werden. Aufgrund einer raschen technologischen Weiterentwicklung, die dazu führt, dass immer mehr Wissen zur Durchführung einer Aufgabe erforderlich ist, ist das Personal ständig weiterzubilden und auf dem Stand der Technik zu halten. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gedächtnis und schlagen Sie in den aktuellen Vorschriften nach. Wenn Sie Zweifel haben, fragen Sie immer nach. Bilden Sie sich entsprechend fort. 11 Fehlendes Problembewußtsein Auch wenn z. B. in einer Anweisung „An leicht zugänglicher Stelle montieren“steht, muss dies mit Umsicht erfolgen. Anzubringende Geräte, wie Feuerlöscher und Rettungsgeräte sind so anzubringen bzw. abzustellen, dass keine Gefahr einer Verletzung besteht. Mangelnde Umsicht kann man auch in einigen Docks der Instandsetzungs- und Störbehebungshallen vorfinden, wo ausgelegte Kabel und Schläuche, aber 6 auch ab- bzw. ausgebaute Flugzeugteile Stolperfallen darstellen. Überlegen Sie sich, was im Routinebetrieb und im Falle eines Unfalls passieren könnte. Stellen Sie sicher, dass es keine Konflikte zwischen Ihrer Arbeit und bereits vorgenommenen Änderungen bzw. Instandsetzungen gibt. Fragen Sie andere, ob sie irgendwelche Probleme im Zusammenhang mit den durchgeführten Arbeiten erkennen können, während Sie Ihre Arbeit regelmäßig prüfen, um einwandfreie Arbeitsabläufe zu gewährleisten. 12 Normen/Verhaltensregeln Ein Spruch, der schon viele in die Verzweiflung getrieben hat, lautet: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ oder „Vergiss das Wartungshandbuch. So wie wir es hier machen, geht es wirklich schneller.“ Und obwohl dieses Verfahren vielleicht ungeeignet ist, wurde es zur Norm, weil die Mehrheit der Mitarbeiter so vorgeht. Halten Sie sich immer an die vorgegebenen Arbeitsverfahren. Seien Sie sich der Tatsache bewusst, dass „Konventionen“ es nicht zwangsläufig richtig machen. Lesson learned In der Luftfahrt ist es besonders wichtig, sich immer wieder an die Regularien, die Regeln der Kommunikation und der Teamarbeit zu erinnern und diese einzuhalten. Bevor man eine Tätigkeit ausführt, sollte man selber noch einmal auf Nummer sicher gehen, ob man das Wissen und die Fähigkeiten für diese Aufgabe mit sich bringt. Von Seiten der Führung muss sichergestellt sein, dass nur Wartungsarbeiten durchgeführt werden, für die die Organisation ausgerüstet ist, über das entsprechende Equipment verfügt und das Personal mit dem erforderlichen Ausbildungsstand vorhanden ist. Wenn nicht alles davon zutrifft, zeigen Sie Rückgrat, sagen Sie „Nein“, bevor es ansonsten vielleicht zu einem Unfall kommen könnte. Schleppzug CH-53 Flugsicherheit 01-2014 Im Stich gelassen? ...Den Schleppbereich kennen Sie auch nicht. Wir haben aber alle Zeit der Welt. Ich schlage vor, Sie erkunden zunächst mit unserem Bordmechanikerfeldwebel den beabsichtigten Schleppweg. Eine CH-53 wird an diesem Platz ja so gut wie nie geschleppt. Wir sind ja als “Guten Morgen. Sie sind also der Standortfremde hier nur gestrandet. Diese Zeit Schleppzugführer, der unsere CH-53 nehmen wir uns... auf das Flugfeld schleppen soll. Sie haben ja nur noch eine weitere Person ...Die vorgeschriebene Kommunikationsausmitgebracht – das ist, wie ich sehe, für stattung gibt es bei Ihnen nicht? Dann sollten eine Schleppcrew deutlich zu wenig. wir einen zusätzlichen Soldaten einsetzen, der Wir unterstützen Sie natürlich unein- vom Schleppfahrzeug ständig Sichtkontakt geschränkt … zum Bremser hält. Dann können Sie sich auf die Straße konzentrieren. Ich werde nach dem Ja, auch ein Portepeeunteroffizier oder ein Luft- Bodenlauf Ihren S3-Stabsoffizier Technik anfahrzeugführer können auf der linken Seite mit- rufen und ihm den Missstand der fehlenden laufen und die Hindernisfreiheit überwachen. Funkausstattung melden. So ein Mat-Ausgleich Machen Sie eben eine ausführlichere Einwei- Truppe-Truppe ist ja schnell gemacht. Vielsung, da dies nicht deren alltägliche Arbeit ist... leicht fehlt nur der Anstoß... von Oberstleutnant Ingo Engels, KdoUstgVbdeLw FlSichhBw 7 Flugsicherheit ...Sie sagen wenn die Erkundung abgeschlossen ist. Dann können Sie kurz ein Schleppbriefing machen und es kann losgehen...“ Entschuldigung an alle Leser des Artikels – ich war kurz in Gedanken und muss wohl geträumt haben. Ich wollte doch etwas zu einem Schleppunfall schreiben: Die Vorzeichen für diesen eigentlich einfachen Schleppauftrag waren zumindest nicht alltäglich: Eine CH-53 auf einem NH90-Flugplatz, die wegen eines geplanten Bodenlaufs von einer Halle auf einen Flugfeld-Spot geschleppt werden sollte. Es stand keine ausgebildete und routinierte Schleppcrew zur Verfügung. Der Schleppzugführer musste in einem Bereich schleppen, den er nicht kannte. Er war an diesem Tag der einzige Schleppzugführer für CH-53 am Standort. Er wurde aus seiner eigentlichen Aufgabe als Technikausbilder herausgezogen. Eine Kommunikationsausstattung stand nicht zur Verfügung – obwohl in der SollOrgMat vorhanden, gab es keinen IST-Bestand. Aber wenigstens war das Wetter gut. Es gab keinen anderen Schleppverkehr, der behindern konnte. Und eine ganze Luftfahrzeugbesatzung sowie weiteres technisches CH-53 Personal waren vor Ort; schließlich sollte ja gleich ein Boden- lauf durchgeführt werden. Jede Menge Personal also, um den Schleppzugführer unterstützen zu können. Aber irgendwie kam es dann doch zu dieser Kollision, die aufgrund der Beschädigung des Luftfahrzeugs als schwerer Zwischenfall eingestuft werden musste. Ohne Frage, die Verantwortung für den gesamten Schleppvorgang hat der Schleppzugführer. So sieht es die BesAnSchAufg 44/2-15-7990083 „Handbuch Bodensicherheit bei der Materialerhaltung an Luftfahrzeugen und im Flugbetriebsbereich“ vor – und Verantwortung ist unteilbar. Im Zuge von Maintenance Resource Management und einer offenen Fehlerkultur sollten trotzdem einige Fragen erlaubt sein: • Warum hat niemand den Schleppzugführer auf seine Versäumnisse bzgl. der Schleppvorbereitung aufmerksam gemacht? Das Fehlen von Kommunikationsausstattung und eines Einweisers auf der linken Seite des Luftfahrzeugs oder auch das Entfallen eines Schleppbriefings müssten jedem aufgefallen sein. • Wo war der Luftfahrzeugnachprüffeldwebel CH-53, der noch einen Soldaten eingeteilt hatte, den abgeklappten Heckrotor beim Schleppen gegen unbeabsichtigtes Drehen zu sichern? CH-53 nach Kollision mit Kfz-Halle 8 01-2014 • Wo war die gesamte Luftfahrzeugbesatzung? Hat sie zumindest gefragt: „Passt alles oder brauchen Sie noch Hilfe?“ Wenn nur der Luftfahrzeugschlepper mit Fahrer und Beifahrer kommt– anstelle einer vollen Schleppcrew – könnte man ja annehmen, dass hier irgendetwas nicht routinemäßig läuft. • Warum hat der Bremser nicht weitaus früher reagiert, beispielsweise als der Schleppzug die Schleppleitlinien verlassen hat und in den kleinen Stichweg eingebogen ist? Bei diesem Schleppvorgang wurden so viele Grundsätze und Vorschriften missachtet – das muss doch eine Reaktion hervorrufen. Das ist ja beinahe so, als wenn beim Schießen mit Handwaffen ein Soldat ohne Aufsicht und ohne Gehörschutz auf den Schießstand geht und alle umherstehenden Soldaten denken: Es wird schon so passen. Jeder Vorgesetzte ist verpflichtet, bei einem Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften einzugreifen. Nach hiesigem Verständnis hätten demnach zumindest die anwesenden Offiziere (§ 4.3 VVO) handeln müssen. Luftfahrzeugschlepp ist mehr als eine reine Dienstleistung. Hier gilt der gleiche Anspruch wie im Flugdienst oder bei luftfahrzeugtechnischen Arbeiten. Dieser Zwischenfall wäre vermeidbar gewesen. Einige Käsescheiben – wenn an dieser Stelle das Modell von Reason hergenommen werden darf – saßen im Laderaum und haben sich schleppen lassen. Das Luftfahrzeug wurde übrigens so schwer beschädigt, dass es im Straßentransport zur Firma Eurocopter transportiert werden musste. Allein die Befundung hatte einen Umfang von 100 Mann-Stunden. 9 Flugsicherheit Geschichten aus dem Fehlermeldesystem Winterflugbetrieb Am frühen Abend ist unsere Crew auf dem Weg zum Briefing. Beim Überqueren der Piste ist diese schon ein wenig eingeschneit. 10 Daraufhin erkundigt sich der Flugzeugführer beim Geschwader Gefechtsstand, ob noch geräumt wird. Er bekommt folgende Aussage: „Die Schneeräumbereitschaft ist in frühestens 01-2014 einer Stunde am Platz. Wenn Sie geräumt haben wollen, müssen sie den Flug verschieben.“ Die Piste und die Flugbetriebsflächen sind noch überwiegend frei. Der Flugzeugführer entscheidet sich, den Flug nicht zu verschieben und sich im Flugzeug selbst ein Bild von der Piste und den Betriebsflächen zu machen. Er fordert aber vom Geschwader Gefechtsstand, zur geplanten Landezeit eine schneefreie Betriebsfläche vorzufinden. Der Gefechtsstand versichert ihm, die Betriebsflächen bis zur Landung zu räumen. Der Flug wird daraufhin angetreten. Etwa eine halbe Stunde vor der Landung erkundigt sich der Flugzeugführer beim Kontrollturm und Gefechtsstand über den Pistenzustand. Der Gefechtsstand hat für ihn nur wenige Informationen zur Piste: „Der Räumunteroffizier ist kurz über die Piste gefahren und er sagt, dass es passen müsste und nur wenig Schnee auf der Bahn liegt“. Der Flugzeugführer weist den Gefechtsstand an, wegen der für ihn zu ungenauen Informationen einen Friction-Test (Reibungswert, Grip-Test) durchzuführen. Die Information soll vom Kontrollturm kurz vor der Landung an die Flugzeugbesatzung übermittelt werden. Die Besatzung diskutiert die bevorstehende Landung und zieht mögliche Ausweichflugplätze in der Nähe in Erwägung, entschiedet sich aber durch die Informationen des Gefechtsstands („Es liegt nur wenig Schnee auf der Bahn“) für die Landung am Heimatflugplatz. Während des Flugs durch das schlechte Wetter haben alle Besatzungsmitglieder das Bild von einer leicht mit Schnee bedeckten Landebahn vor Augen, überwiegend frei von Schnee, so wie beim Start. Der erste Anflug muss aufgrund der Anweisung der Flugverkehrskontrolle wegen „unklarer“ Piste abgebrochen werden. Die Crew muss unter Vereisungsbedingungen im Holding warten. Keine schöne Situation und kein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man bereits sicher gelandet sein könnte, wäre die Piste wie geplant geräumt worden. Nach ca. fünf Minuten im Holding wird der zweite Anflug freigegeben. Die Besatzung kann durch die Dunkelheit und die dürftigen Sichten nicht erkennen, dass die Piste mit Schnee bedeckt ist. Erst beim Aufsetzen stellt der Flugzeugführer fest, dass die Landebahn komplett von einer ca. 3 bis 4 cm dicken Schneeschicht bedeckt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Landung aber nicht mehr zu verhindern. Die Abfahrt über den Rollweg zur Parkposition gestaltet sich winterlich. Es werden lediglich die Rollwegbegrenzungsleuchten erkannt, die ebenfalls schon sehr stark eingeschneit sind. Alle übrigen Lichter und Markierungen sind nicht mehr zu erkennen. Der Flug wird trotz all der Beeinträchtigungen sicher beendet. Das hier geschilderte Ereignis zeigt einmal mehr, dass - alle am Flugbetrieb beteiligten Personen und Funktionen entscheidende Auswirkungen auf die Flugsicherheit haben können. - es im Flugbetrieb keine unwichtigen Tätigkeiten gibt. - ein funktionierendes Team elementarer Bestandteil für den sicheren Flugbetrieb ist. -kleine Fehler große Auswirkungen haben können. Deshalb ist es besonders wichtig: -Situationen mit gesteigerter Fehlerwahrscheinlichkeit zu erkennen (z. B. Schichtwechsel, unerfahrenes Personal, Winterflugbetrieb bei Dunkelheit). - das Personal dementsprechend für seine Aufgabe zu motivieren. - dass die Auswirkungen der eigenen Handlungen jedem klar sind. - darauf vertrauen zu können, dass alle Teamplayer ihre Aufgaben erfüllen. Jeder ist wichtig! 11 Flugsicherheit Electronic Flight Bags in der Bundeswehr Von Hauptmann Jörg Ricardo Schumacher und Oberleutnant Sebastian Schütz, Flugbereitschaft BMVg Cockpit Airbus A 319 mit EFB Die Flugbereitschaft BMVg nutzt als erster Verband der Bundeswehr Electronic Flight Bags (EFB) im operativen Flugbetrieb. Der althergebrachte „Pilotenkoffer“, der Anflugkarten, Vorschriften und Leistungsdaten enthielt, ist damit Geschichte. Aber mit EFBs verschwimmen die Grenzen zwischen persönlicher IT und Avionik. Für einen flug- und datensicheren Betrieb musste also in vielerlei Hinsicht Neuland betreten werden. Was sind also die Chancen und Risiken beim Betrieb von EFBs? Ein Überblick: 12 Szenario 1: Luftnotlage Ein Nachtflug mit dem Airbus A340 von Berlin-Tegel nach Jakarta, FL360 in der Nähe der pakistanisch-indischen Grenze. Die Kommunikation mit Chennai FIR erfolgt über Datalink (CPDLC), es ist also ruhig im Cockpit. Gast an Bord ist eine hohe Delegation des Außenministeriums. Plötzlich meldet das Electronic Centralised Aircraft Monitoring (ECAM) eine Rauchwarnung, die von der Kabine bestätigt wird. Die Cockpitcrew entscheidet sich für die schnellstmögliche Landung. Während die Kabine die Ursache lokalisiert, müssen vorne innerhalb weniger Minuten umfangreiche Notfallprozeduren abgearbeitet, 01-2014 Wetter- und Anfluginformationen eingeholt und schließlich der Anflug auf einen unbekannten Flughafen geplant werden. Nach der Landung berichtet der Kommandant: „Früher hatten wir auf einem Langstreckenflug bis zu drei Koffer mit Anflugunterlagen dabei. Das Suchen und Rausholen der richtigen Anflugkarte hat manchmal mehr als eine Minute gedauert, in der mein Copilot „Heads-Down“ gewesen war. Bei einem Notfall ist aber jede Sekunde wertvoll. Mit dem EFB habe ich die Karten stets wenige Klicks entfernt auf meinem Touchscreen – für das Öffnen der richtigen Anflugkarte benötigen wir weniger als zehn Sekunden. Und wenn ich nicht einmal diese Zeit habe, kann mein Copilot den Bildschirminhalt seines EFBs auf meinen Bildschirm übertragen.“ Dies war das erste von drei Szenarien, mit denen wir die Auswirkungen von EFBs auf den Flugbetrieb darstellen möchten. Szenario 2: Zusammenarbeit mit AIS Wieder Jakarta, diesmal ist die Crew vor Ort. Pünktlich zum Abendessen berechnet der Dispatcher mit seinem Flugplanungssystem im Operations Center (MOCC) Köln der Crew zwei Vorab-Operational Flight Plans (OFPs) mit alternativen Routen. Route 1 ist mit 13:45 berechneter Flugzeit dreißig Minuten länger, dafür macht sie einen deutlichen Bogen um die tropischen Gewitter über Indien. Es werden jedoch 105 Tonnen Kerosin als Mindesttankmenge ausgewiesen. Die maximale Spritmenge wird am nächsten Tag durch die Startleistung begrenzt sein. Es ist also ein genauer Blick erforderlich. Die Cockpitcrew loggt sich über eine gesicherte VPN-Verbindung in das OFP-System ein und lädt die neuesten Updates und die Vorab-OFPs auf das EFB. Nach kurzer Berechnung erwarten sie auch mit der langen Route sechs Tonnen „Luft“ zum maximalen Abfluggewicht. Sie entscheiden sich für Option 1 und teilen dem Dispatcher telefonisch mit, dass er diese Option vorbereiten und den Flugplan so veröffentlichen soll. Die gesamte Flugvorbereitung für die Crew an diesem Abend reduziert sich auf 15 Minuten; das Abendessen bleibt warm. Szenario 3: Berechnen der Startleistung Die Jakarta-Crew rechnete für den Start am nächsten Tag mit sonnigem Wetter. Leider spielt jedoch das Wetter in den Tropen manchmal verrückt und so geht kurz vor dem Start ein Gewitter über dem Platz nieder. Die Bahn ist also nass, und die Startleistung muss mit „wet runway“ berechnet werden. Wir vergleichen nun die althergebrachte Berechnung auf Papier und im EFB: • Für die alte Berechnung auf Papier werden 14 t „Dicker-Bleistift-Sicherheitsabschlag“ im Falle einer nassen Bahn ausgegeben. Damit kann der berechnete Flugplan nicht mehr abgeflogen werden und eine Zwischenlandung muss eingeplant werden. • Die gleiche Berechnung auf dem EFB erfolgt, indem man das Häkchen bei „wet runway“ setzt. Der Sicherheitsabschlag ist 4,8 t. Verbleiben also noch 1,2 t Luft – der Flug kann wie geplant durchgeführt werden. Wir hoffen, dass wir mit diesen drei einführenden Beispielen zeigen konnten, wie das EFB die Crews beim täglichen Flugbetrieb unterstützt, und zwar im Hinblick auf die Flugsicherheit, die Planbarkeit und die Auftragserfüllung. Es sei erwähnt, dass diese Beispiele nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern tatsächlich stattgefunden haben. Einzig die Rauchwarnung fand ihre Ursache zum Glück im etwas zu großzügigem Gebrauch von Haarspray durch eine hübsche und ansonsten sehr pflichtbewusste Kameradin. Risiken Die Einführung eines EFBs bietet jedoch nicht nur Vorteile, sondern bringt auch neue, syste13 Flugsicherheit minhärente Risiken mit, die erfasst, bewertet und minimiert werden müssen. Die FAA listet 67 relevante Zwischenfälle beim Betrieb von EFBs und elektronischen Takeoff-Daten im Zeitraum von 1995 bis 2009 auf; die Dunkelziffer ist wie immer höher. Relativ bekannt ist der Zwischenfall von Emirates-Flug EK407 im März 2009, bei dem ein um 100 t falsch eingegebenes Startgewicht in die PerformanceApplikation zu einem Tailstrike führte1. Ein weiterer Zwischenfall passierte an Bord von Finnair FIN070 am 26. November 2010. Während das Flugzeug zur Startbahn 07L in Hongkong rollte, bekam es die Takeoff-Clearance. Doch statt auf die Bahn 07L aufzurollen, rollte das Flugzeug auf den parallelen Taxiway A und begann den Takeoff Roll auf dem Taxiway. Der Controller bemerkte dies rechtzeitig und wies die Crew an, sofort anzuhalten. Nach Analyse und Befragung der Crew gaben sowohl der First Officer als auch der Kapitän an, dass sie abgelenkt und damit beschäftigt gewesen waren, ihr EFB zu verstauen, da es während „critical phases of flight“ nicht genutzt werden durfte. Bei beiden Ereignissen war ein menschlicher Fehler und nicht das EFB die Ursache, aber das EFB wurde als „contributing factor“ bewertet. In erstem Fall hätte eine ausgereiftere Software (automatisierter Plausibilitätscheck) den Zwischenfall vermeiden können, im zweiten Fall wäre es bei einer vernünftigen Hardwarelösung gar nicht zu dem Ereignis gekommen. Nach welchen Kriterien also soll vorgegangen werden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten? Und nach welchen Kriterien soll die Architektur aufgebaut werden, damit man den hohen Anforderungen an die Handhabbarkeit mit den bundeswehreigenen Vorschriften zum Schutz sensitiver Daten gerecht wird? 1 Aller Anfang ist schwer Im Jahr 2009 startete das EFB-Projekt der Flugbereitschaft mit der Maßgabe, spätestens zur Auslieferung des A340 im April 2011 eine vorläufige Zulassung zu erhalten – denn für den A340 standen nur elektronische Startleistungsdaten im Vertrag. Die aeronautischen Anforderungen an die Qualität der Systeme und Infrastrukturen sind sehr gut in den zivilen Zulassungsvorschriften Joint Aviation Regulations – Temporary Guidance Leaflet No. 36 der Joint Aviation Authorities (EU) (JAR-TGL36 der JAA) und im Advisory Circular 120-76 der Federal Aviation Authorities (USA) (AC-12076 der FAA) dargelegt. Mangels entsprechender militärischer Vorschriften wurden die Vorgaben des TGL36 zwischen der Wehrtechnischen Dienststelle 61 (WTD 61) und Flugbereitschaft als Grundlage für das Zulassungsprojekt vereinbart. Für die Gestaltung des IT-Sicherheitskonzepts bis VS-NfD wurde die Firma ESG beauftragt, als externer Berater und Prüfer in der Auslegung der IT-Architektur zu unterstützen. Die Umsetzung selbst wiederum erfolgte durch LH Systems. Im ersten Schritt entstand ein abstrakter Forderungskatalog, den jede technische Realisierung erfüllen muss, damit überhaupt eine Zulassung in Aussicht gestellt werden konnte. Es bot sich an, den Katalog in die vier Bereiche IT-Architektur, Prozesse/Qualitätsmanagement, Hardware und Software zu unterteilen. Diese Hauptanforderungen an die IT-Architektur sind zunächst aufgestellt worden: • Die EFB-Daten müssen weltweit abgerufen werden können. • Das System muss für den Abruf, die Übertragung, Speicherung und Darstellung von Informationen bis VS-NfD und bes.PersDat geeignet sein. Youtube-Link zum Emirates-Tailstrike: http://www.youtube.com/watch?v=Wmcr-3_ZG64&html5=1&hd=1 14 01-2014 • Die EFBs führen Datendownloads von einem zentralen Server automatisch über Skripts und ohne Userinput aus, um den „Human Error“ beim Aktualisieren von Daten auszuschließen. • Die Datenpakete des Servers werden mit einem Schlüssel signiert, dessen offenes Pendant auf den EFBs hinterlegt ist. Diese prüfen anhand der Signatur die Integrität der Daten. • Die EFBs geben ihren Datenstand nach erfolgtem Update an die Server zurück. • Die EFB-Administratoren müssen in einem Portal oder Report des EFB-Servers jederzeit für jedes EFB sehen können, auf welchem Stand es sich befindet. Dies entspricht der Definition eines „Controlled Portable Electronic Device (PED)“ gemäß TGL 36. • Sollten ein EFB, Komponenten davon oder der Server ausfallen, so muss es für die Piloten Ausweichverfahren geben, sodass der Flugbetrieb sichergestellt ist. • Es existiert eine Testumgebung, in der neu eingestellte Daten zunächst von EFB-Administratoren getestet werden, bevor diese Daten für Flugbetriebs-EFBs freigegeben werden. • Die Architektur ist schnittstellenoffen, d. h. die spätere Anbindung weiterer Datenquellen (z. B. Flugplanungssysteme) ist bereits vorbereitet. Anschließend wurden die Anforderungen an die einzurichtende Prozesslandschaft gestellt: • Es müssen einfache und für EFB-Nutzer leicht zu handhabende Störmeldewege eingerichtet werden. • Es wird ein hauptverantwortlicher EFB-Administrator benannt, der die Einhaltung der Prozesse sowie des ServiceLevels durch den EFB-Provider überwacht. • Es werden regelmäßige Spot- und QualityChecks durch das EFB-Team durchgeführt. 2 • Flugsicherheitskritische Daten wie Charts und Performance-Daten werden nur von zertifizierten Quellen bezogen, bereits dort qualitätsgesichert und auf Integrität und Fehlerfreiheit geprüft2. • Das Service Level Agreement (SLA) zwischen dem Operator und den Providern für diese externen Daten wird so gewählt, dass in 99 % der Fälle alle flugrelevanten Daten rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden können – sollten die Daten nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden können, existieren Workarounds, die einen (eingeschränkten) Flugbetrieb ermöglichen. • Für die Cockpitbesatzungen findet ein Training im Simulator statt und es gibt ein Computer Based Training (CBT), das in den Gebrauch der elektronischen Charts einweist. • Die Organisation stellt sicher, dass die fliegenden Besatzungen in die Risiken des EFBBetriebs eingewiesen werden. • Für alle identifizierten Risiken wird eine Risikoanalyse durchgeführt und es werden Risikominimierungswege identifiziert. • Alle Verfahren und Prozesse werden in einem detaillierten „EFB Manual“ festgeschrieben, welches zur offiziellen Flugzeugdokumentation gehört. Dem aufmerksamen Leser mag aufgefallen sein, dass dies bereits sehr umfangreiche Anforderungen an ein System sind, zu dem noch nicht einmal festgelegt wurde, welche Hardware als Endgerät benutzt wird. Und tatsächlich ist es so, dass die Wahl des Endgeräts, sei es ein Laptop, ein Toughbook, ein iPad oder ein anderes Gerät zunächst vollkommen nebensächlich ist. Zu diesem frühen Zeitpunkt war das einzig Entscheidende, dass das durch das Endgerät festgelegte Betriebssystem in eine IT-Architektur eingepasst werden kann, die obigen Anforderungen Die Qualitätsvorgaben an Erzeuger aeronautischer Daten sind in der EUROCAE ED-76/RTCA DO-200A festgelegt. 15 Flugsicherheit genügte. Man beachte jedoch insbesondere, dass es gemäß TGL36 nicht möglich ist, ein EFB zuzulassen, ohne die Prozesslandschaft, das EFB Manual und einen EFB-Administrator vorweisen zu können. Der Anforderungskatalog an die Hardware wurde dann nach TGL 36 wie folgt aufgestellt: • Das Gerät muss einen Dekompressions- und einen Test zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMI-Test) bestehen. • Sofern das Gerät einen Akku hat, muss die Wahrscheinlichkeit eines Akkubrands oder -lecks nachweislich gering sein. • Im Flugzeug fest installierte Hardware muss ein „supplemental type certificate“ (STC) erhalten. • Das Endgerät sollte markt- und handelsüblich sein, um eine Ersatzteilbeschaffung zu erleichtern und Kosten zu reduzieren. • Falls das Gerät tragbar ist, soll das Gewicht des Geräts so gering wie möglich sein, um die Akzeptanz bei den Crews zu erhöhen. • Unabhängig von der Cockpitlösung muss es personalisierte Geräte geben, d. h. jedes Mitglied der Cockpitcrew verfügt über ein an ihn persönlich ausgegebenes Gerät. Damit sollen Medienbrüche vermieden werden, insbesondere soll die Präsentation und Handhabung von Dokumenten und Checklisten im Cockpit exakt gleich sein zu der Präsentation und Handhabung beim Lernen und Üben außerhalb des Flugdienstes (das erste EFB-Projekt der Frachtfluggesellschaft AeroLogic scheiterte übrigens aus genau diesem Grund). • Der Bildschirm des Geräts muss beim Betrieb im Cockpit hell genug sein und sollte nicht spiegeln. 3 Die Anforderungen an die Software waren natürlich am umfangreichsten. Zunächst wurden die Anforderungen an die Softwareplattform bestimmt, ohne die einzelnen Applikationen festzulegen: • Der Pilot als Enduser hat keine Administratorrechte auf dem Betriebssystem; auch für Updates werden diese nicht benötigt. • Die gesamte EFB-Nutzung sollte so weit wie möglich vom Betriebssystem abgekoppelt sein. • Die Oberfläche der EFB-Plattform ist einfach bedienbar und die Gestaltung des User-Interfaces orientiert sich an den Standards der EN ISO 92413. • Es soll dem Piloten möglich sein, mehrere Applikationen zur gleichen Zeit geöffnet zu haben. • Die Applikationen sollen auch unter dem Aspekt einer vollständigen Festplattenverschlüsselung flüssig und stabil laufen. • Die Plattform soll alle vier Formen der Verbindungsintegration und des Datenaustauschs unterstützen: EFB-Server, EFB-EFB, EFB-Avionik und innerhalb eines EFBs zwischen verschiedenen Programmen/Apps. Ein interessanter Aspekt war die Analyse der Ergonomieanforderungen der Plattform und ihrer Applikationen. Da das EFB aber als ein regelmäßig verwendetes Instrument für den professionellen Gebrauch durch Piloten nach eingehender Einweisung konzipiert ist, wurde insbesondere klar, dass nicht das gleiche Level an Intuitivität verlangt werden muss, wie wir es heute zum Beispiel von gängigen Smartphones gewohnt sind. Dennoch sollten alle Aufgaben durch einen erfahrenen User in angemessener Geschwindigkeit erledigt werden können. Die DIN/EN/ISO 9241 beschreibt Standards die Mensch-Maschine-Interaktion und befasst sich z. B. mit den Grundsätzen der Dialoggestaltung.. 16 01-2014 tion ist nochmal mit zusätzlich mit TrueCrypt verschlüsselt. Die geschlossene Umgebung (EFB Partition) umfasste zunächst als Applikationen: • Charts, • TOPAS (Startleistungsberechnung), • Library für Vorschriften und Dokumentation, • FlightFolder für die Darstellung von Wetter, Notams, Operational Flight Plan (OFP) und • einige Serviceapplikationen (Update, Touchscreenkalibrierung etc). Dockingstation im Cockpit Airbus A 319 Probeflugbetrieb Der Probeflugbetrieb auf Airbus A319 begann in 2010. Da die A319 bereits mit einer Class II-Dockingstation von Goodrich ausgeliefert wurden, entschied man sich bei der Hardware für ein von Lufthansa Passage zu diesem Zeitpunkt eingeführtes kompatibles Fujitsu-Laptop. Die Zertifizierung (EMI, Batterien, Dekompressionstest) lag bereits vor. Die Software des EFB wurde als „geschlossene Umgebung“ konzipiert, unterhalb der sich Windows XP (ab 2014 Win 8.1) befindet. Der User bekommt nichts davon mit, dass Windows im Hintergrund als Betriebssystem dient. Zusätzlich steht eine „Updatepartition“ mit einer „normalen“ Windowsumgebung zur Verfügung, in die bei Bedarf hineingebootet werden kann. Beide Partitionen sind ab Bootebene mit SafeGuardEasy verschlüsselt; die EFB-Parti- Während dieses Probeflugbetriebes wurde die grundsätzliche Funktionsfähigkeit und Datenintegrität des EFB erprobt. Diese Phase wurde mit einem „User Acceptance Test“ (UAT) abgeschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt erteilten wir dem EFB auf Grund einiger Bugs eine „limited acceptance“. Weiter sollte auf Anforderung der WTD insbesondere die Startleistungsberechnung als Applikation mit dem größten Einfluss auf die Flugsicherheit intensiv getestet und nochmal um einige Datenelemente erweitert werden. Nach Analyse und Bereinigung der Bugs war das EFB bereit für eine formelle Nachweisführung zum Zwecke der Zulassung für den Flugbetrieb. In Zusammenarbeit mit WTD 61, WaSysKdoLw und FlBschft BMVg wurde anhand des TGL36 ein entsprechendes Prüfprogramm geschrieben. Um es kurz zu fassen: Jeder einzelne Satz des TGL36 wurde herrauskopiert, dessen Einhaltung kommentiert und das Ergebnis der WTD 61 vorgelegt. Gleichzeitig haben die Crews insgesamt 200 elektronisch berechnete Takeoffs aufgezeichnet; diese wurden anschließend auf Plausibilität überprüft. Zu jedem Flug wurde den Crews ein „EFB Ops Approval Report“ zur Verfügung gestellt, mit dem die Crews auch mit Freitext ihr Feedback geben konnten. Darüber hinaus wurde der Produktionsprozess 17 Flugsicherheit für eCharts (Provider: Lido/FlightNav in Zürich) und für die Takeoff-Daten (Provider: LH Systems, Raunheim) bei Vor-Ort-Terminen auditiert. Für die Einhaltung der Vorschriften an die IT-Sicherheit wurde das EFB-System als Teil des zeitgleich aufgestellten IT-Konzepts in der FlBschft aufgenommen. In dieser Zeit entstand das „EFB Manual“ als zentrale Vorschrift für den Betrieb des EFB in Zusammenarbeit mit Lufthansa Italia, die das gleiche System nutzten. EFB-relevante Procedures wurden in die Minimum Equipment List (MEL), in das Quick Reference Handbook (QRH) und den Subpart B (OM-B/FBH Bd. IV) aufgenommen; das Kapitel „Startleistungsberechnung“ wurde durch die Abschnitte zur elektronischen Startleistungsberechnung ergänzt. eine EFB-Infrastruktur. Aber in der konkreten Ausgestaltung stellten sich Widersprüche heraus, die sich durch die Anforderungen an den Einsatz von EFBs im Cockpit ergeben. Eine automatische Bildschirmsperre für Rechner, die VS-NfD-Daten verarbeiten, macht im Cockpit keinen Sinn. Ebenso wenig die gern geäußerte Forderung, dass Daten-Updates nur durch ITAdmins durchgeführt werden dürfen – denn wir haben nicht an jedem Flughafen dieser Welt einen S6. Die ESG half hier, diese Widersprüche aufzulösen und klarzumachen, dass die Flugsicherheit dem Datenschutz vorangestellt ist. Schlussendlich ist es gelungen, das System durch Einsatz von Festplattenverschlüsselung, SecureVPN und Firewalls allgemein deutlich über VSNfD-Niveau zu heben. Umstellung der Prozesse Der größte Teil der Arbeit entfiel jedoch – wie zu erwarten war – auf die Umstellung der Prozesse innerhalb der Flugbereitschaft. Die starke Trennung zwischen IT (S6) und fliegendem Personal erwies sich als großes Hindernis, denn die Schnittmengen der Fachkenntnisse waren gering. Insbesondere mussten Verfahren geschaffen werden, die eine „Serviceability“ dieses flugsicherheitsrelevanten IT-Systems 24/7 sicherstellten, während die Dienstzeit des S6 nur die täglichen Bürozeiten umfasst. Der Workaround bestand hier in der Schulung und Einweisung von Personal bei AIS in das Updating der EFBs. Rückblickend war die Bereitschaft und Flexibilität unserer AIS, Aufgaben zu übernehmen, die nicht zum Kern der Dienstpostenbeschreibung gehören, mitentscheidend für den Erfolg des Projekts. Die nächste Herausforderung lag im Bereich der IT-Sicherheit. Grundsätzlich sind die Ziele des Datenschutzes – Authentizität, Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit von Daten – kongruent mit den Anforderungen an Personalisierte EFBs und EFBs für die G5000 Der Probeflugbetrieb endete nicht von einem Tag auf den anderen, sondern die WTD entschied sich, einzelne Applikationen schrittweise freizugeben. So wurde im Mai 2011 die Startleistungsberechnung auf „electronic only“ umgestellt; die Umstellung auf elektronische Charts konnte indes jedoch erst einige Monate später erfolgen, da eine Anpassung der Verträge und des ServiceLevels notwendig war. Im Jahr 2011 standen endlich genug Laptops zur Verfügung, um jeden Piloten mit einem eigenen Gerät zu versorgen. Gleichzeitig wurde eine Version 2.0 der EFB-Plattform ausgerollt, die erhebliche Verbesserungen der Oberfläche und der Handhabbarkeit mit sich brachte und die Fehler, die während des Probeflugbetriebs gefunden wurden, beseitigten. Diese Version 2.0 war auch für die Verwendung in den EFBs der Global 5000 geeignet, sodass auch hier der Probeflugbetrieb starten konnte. Auch für die Version 2.0 wurde Probeflugbetrieb durchgeführt und dokumentiert. Es kamen einige neue Applikationen hinzu (Beispiele Seite 21/22). Der Abschlussbericht an die WTD 61 wurde 18 01-2014 im Mai 2012 vorgelegt und die Freigabe als Class II EFB für den operativen Flugbetrieb auf Airbus erteilt. Im Herbst 2012 folgte die Freigabe für die Global 5000. Weiter hoffen wir, dass wir eines Tages von der Vorschriftenverwaltung in Form von „dummen PDFs“ wegkommen. Und was macht die Industrie? Die ist – wie immer – schon einen Schritt weiter. Vision Wie geht es nun weiter mit den Electronic Flight Bags in der Flugbereitschaft, in der Bundeswehr und in der Industrie? Für 2014 strebt die Flugbereitschaft die Umstellung der Flugzeugdokumentation auf „electronic only“ an. Das OM-B für Airbus A310, A319 und A340 wird bereits jetzt in XML produziert und nur aufgrund unserer Vorschriften in Papierform konvertiert und ausgedruckt. Nach der Umstellung erreichen wir endlich den Industriestandard von ca. 2002. Hierfür wird es wiederum einen Probeflugbetrieb geben, dessen Ergebnisse dann von der WTD evaluiert werden. In der weiteren Zukunft hoffen wir, dass das Potenzial von EFBs in der Bundeswehr verstanden und umgesetzt wird. Ein EFB wird nie DesktopFlugplanungssysteme ersetzen, aber dennoch reicht das Potenzial weit über die reine Darstellung von Charts hinaus. Bereits heute dient das EFB bei vielen zivilen und militärischen Flugbetrieben als Werkzeug für die Verbreitung von betrieblichen Informationen und für ein ganzheitliches, gemeinsames „Wissensmanagement“. Es gibt eTechLogs, Foren, Nachrichten, Dienstpläne, Möglichkeiten zur Reisekostenabrechnung usw., die auf dem EFB (im Bodenbetrieb) genutzt werden können; kurz: es bietet die Möglichkeit, Crewmember auf der ganzen Welt zeitnah und sicher mit umfangreichen Informationen aus dem Flugbetrieb zu versorgen. Durch die für das 1. Quartal 2014 angekündigte Ablösung der nunmehr zehn Jahre alten grundlegenden EFB-Vorschrift TGL36 (was haben wir eigentlich inzwischen?) durch EASA AMC 20-25 wird es einen Technologieschub geben. Die Unterteilung in Class I, Class II und Class III EFB soll wegfallen und es wird nur noch zwischen „portable“ und „installed“ Devices unterschieden werden, wobei auch hybride Systeme beschrieben sind („a portable EFB may be part of a system containing installed EFB resources“). Airport Moving Maps werden als Software vom Typ B akzeptiert4 . Und es wird auf portablen EFB-Geräten erlaubt sein, nicht nur Daten aus der Avionik zu empfangen, sondern auch zu senden, wenn es dazu dient, Aeronautical Operational Control (AOC)-und Airline Administrative Control (AAC)-Nachrichten5 via SATCOM oder Datalink zu senden. Damit wird es möglich, verschlüsselte Telexe an den heimischen Gefechtsstand via ACARS zu senden, oder während des Flugs Live-Wetterdaten in der Umgebung der Luftfahrzeugposition z. B. in Form von Satellitenbildern anzufordern und auf dem EFB darzustellen. Wie hätte die Crew von AirFrance 447 wohl gehandelt, wenn sie gewusst hätte, dass die vorhergesagten vereinzelten Gewitter sich zu einer mächtigen Squall Line zusammengezogen hatten? Die Definition der Softwaretypen A und B ist jetzt nach Risikoklassen unterteilt. Dies bedeutet aber auch, dass z. B. OPS Manuals jetzt Applikationen vom Typ B sind. 5 AOC, AAC: Diese Nachrichtentypen dienen zur Kommunikation mit der Operationszentrale, nicht jedoch mit den Fluglotsen. 4 19 Flugsicherheit Einige Fragen an die beiden Autoren zum Thema EFB Was war, im Rückblick, das größte Hindernis bei der Einführung des EFBs? Auch in diesem Projekt kam es leider immer wieder zu künstlich geschaffenen Hindernissen durch „Bedenkenträger“. Die Kombination aus „mehr Wissen“, professioneller Unterstützung durch die ESG und – wichtig – einer klaren Weisungslage half jedoch, diese Hindernisse zu überwinden. Hier muss leider gesagt werden, dass ohne die ESG, die als externe Firma offensichtlich unsere Datenschutzvorschriften besser kennt als wir selbst, das Projekt wohl als „unmachbar“ abgeschmettert worden wäre. Weiter sollte darüber nachgedacht werden, ob es bei einer immer stärkeren Abhängigkeit des Flugbetriebs von der IT noch zeitgemäß ist, S6-Personal nur zu Bürozeiten vor Ort zu haben, während der Flugbetrieb 24/7 stattfindet. Die Autoren erlebten dies anders während ihres Linetrainings bei einer großen deutschen Airline. Sowohl den Piloten als auch den Dispatchern stand dort zu jedem Zeitpunkt ein Ansprechpartner an einem „ServicePoint“ zur Verfügung. Gab es bereits Zwischenfälle beim Betrieb der EFBs? Während des Probeflugbetriebs kam es tatsächlich zu Software-Bugs, sodass Crews auf Papier zurückgreifen mussten. Im Herbst diesen Jahres hatten wir nach einem Softwareupdate ein paar „zerschossene“ EFBs, die uns als EFB-Administratoren einige durchgearbeitete Wochenenden bescherten. Ein anderes Mal fand OTL Matthias Krenz als Testpilot der WTD61 heraus, dass die EOSID für Bogota für einen A340-300 nur auf dem Papier fliegbar war. Da stand das QM unseres Performanceproviders aber Kopf! Denn die Lufthansa fliegt regelmäßig dahin. Die EOSID wurde geändert, auch für die Lufthansa. Umgekehrt zeigt unsere Software jetzt keine V-Speeds mehr an, wenn das PTOW unter dem ATOW (actual takeoff-weight) liegt. Eine Verbesserung, die auf Silverjet, eine britische Fluggesellschaft, zurückgeht. Finden Sie, dass das EFB im Ganzen die Flugsicherheit erhöht? Der Markt der tragbaren Computer und Tablets hat in den letzten Jahren eine große Veränderung in die Cockpits gebracht. Die zulassenden Behörden stehen vor der Herausforderung, Geräte aus dem Bereich der Consumer-Electronic für den Gebrauch im Cockpit zuzulassen. Die Anzahl der Zwischenfälle im Bereich der General Aviation durch überhitzte iPads, Ablenkung, abgestürzte Apps etc. steigen rasant. Ein EFB an sich ist also zunächst einmal ein Risikofaktor. Aber es kann auch gut gehen, wenn die Infrastruktur dahinter entsprechend aufgebaut wird. 90 % der Qualität eines EFB-Systems stecken im Backend, in den Prozessen und im Training. Ob man mit dem Betrieb eines EFBs die Flugsicherheit erhöht oder sich unkalkulierbare Risiken einhandelt, entscheidet sich genau hier. Angenommen, Sie müssten nochmal von vorne anfangen. Wie würden Sie ein EFB-Projekt angehen? Ein Schlüssel zum Erfolg in unserem Projekt war die Vorgabe seitens der Führung: A340-Auslieferung nur mit elektronischer Takeoffberechnung und der dazugehörigen Timeline. Zunächst würde ich die Infrastruktur in Angriff nehmen. Ganz zum Schluss mache ich mir Gedanken über das 20 01-2014 Gerät. Die Entwicklung und Zulassung der einzelnen Apps würde ich wieder schrittweise machen. Dies bewahrt davor, zu viel auf einmal zu wollen. In der Industrie ist einer der Haupttreiber das Argument der geringeren Betriebskosten. Profitiert auch die Bundeswehr von geringeren Kosten? Durch die elektronische Takeoffberechnung können wir die Startleistung der Airbusse weiter optimieren und im Verhältnis zur Papierberechnung reduzieren. Das schont die Triebwerke und alleine durch die längeren Wartungsintervalle haben wir einen „return of invest“ errechnen können. Screenshot „Revisions“ Die Revision-App ermöglicht einen schnellen Vergleich von alter und neuer Version eines XML-Dokuments. Änderungen sind farblich hervorgehoben und werden der alten Version zum Vergleich gegenübergestellt. Da das Lesen jeder Änderung bestätigt werden muss, ist eine lückenlose Nachweisführung gewährleistet. 21 Flugsicherheit Screenshot „eRM Approach“ Screenshot „Library“ 22 01-2014 Runway Incursion – the Air Force Way Tower Rollweg Airbus A 319 Start Airbus A 319 Rollweg C-160 von Oberstleutnant Rüdiger Stein, KdoUstgVbdeLw AbtFlSichhBw In den Nachmittagsstunden des 14. Mai 2008 kam es auf dem Verkehrslandeplatz Zweibrücken zu einer gefährlichen Annäherung zwischen einem Airbus A 319 einer Flugverkehrsgesellschaft und einer Transall C-160 der Bundeswehr. Der vollständige Untersuchungsbericht ist auf der Internetseite der BFU (www.bfu-web.de) unter Aktenzeichen BFU 5X006-08 zu lesen. Im Nachfolgenden veröffentlichen wir eine gekürzte Version des Berichts und fügen einige eigene Gedanken an. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat das Vorkommnis in Übereinstimmung mit den anzuwendenden Verordnungen, Gesetzen und gemäß der Ressortvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung und dem Bundesministerium für Verteidigung vom September 1999 untersucht. Während der Untersuchung hatte die Abteilung GenFlSichhBw Gelegenheit, auf den Inhalt des Berichts Einfluss zu nehmen und schließt sich den Ausführungen der BFU an. 23 Flugsicherheit Ereignisse und Flugverlauf Der Airbus A319 war um 15.47 Uhr mit 132 Fluggästen und fünf Besatzungsmitgliedern für einen Flug nach Instrumentenflugregeln (IFR) von Zweibrücken nach Berlin-Schönefeld am Abfertigungsterminal abflugbereit. Es wurde eine Rollfreigabe über die Rollwege G und C für die Piste 03 erteilt. Vor dem Aufrollen auf die Piste ergänzte der Flugverkehrslotse die Freigabe mit „German W… 8045, line up 03, backtrack approved“. Danach rollte der Airbus auf die Piste und bewegte sich in südliche Richtung bis zum Startpunkt der Piste 03 (backtrack). Dort drehte das Flugzeug um 180° und war für die Startrichtung 03 bereit. Während der Airbus A319 zur Piste 03 rollte, meldete sich über Funk eine auf dem Vorfeld stehende C-160 Transall beim Flugverkehrslotsen im Turm für einen Flug nach Sichtflugregeln (VFR) zum Absetzen von Fallschirmspringern. Das militärische Transportflugzeug hatte an diesem Tag bereits vier Starts mit Fallschirmspringern an Bord ab Zweibrücken absolviert. Diese Flüge wurden nach telefonischer Absprache mit dem Tower von der Piste 21 gestartet. Der Erstanruf wurde vom Flugverkehrslotsen mit „German A… 1732, Zweibrücken hello, again, … wind 060 degrees, 6 knots, clouds and visibility o.k., temperature 25, dew point 06, QNH 1011, runway 03“ beantwortet. Diese Angaben wurden von der Besatzung der Transall mit „runway 03 and QNH, C-160, and requesting 21 for departure please“, zurückgelesen. Der Flugverkehrslotste bestätigte die gewünschte Piste mit „21 approved“. Um 15.54 Uhr bat die Transallbesatzung um eine Rollfreigabe, die vom Flugverkehrslotsen mit „German A… 173, taxi holding point runway, correction, taxi holding point Alpha, runway 21“ bestätigt wurde. Die Besatzung der Transall las „taxi runway holding point runway 21 via Alpha“ zurück. Ungefähr eine Minute später erhielt der Airbus A319 die Freigabe „A319, wind variable 1 knot, runway 03, cleared for take off“. Als der 24 Airbus A319 mit dem Startlauf begann, bemerkte der Flugverkehrslotse im Turm, dass die C-160 Transall auf die Piste aufgerollt war. Nach den Aufzeichnungen des Funkverkehrs gab er um 15.56 Uhr die Anweisungen „German A… 173, hold position“ und „8045, break up“. Der verantwortliche Luftfahrzeugführer des Airbus A319 erklärte gegenüber der BFU, dass er die Anweisung „…break up“ zunächst nicht verstanden habe. Die Geschwindigkeit sei zum Zeitpunkt der Anweisung „8045, break up“ oberhalb von V1 und ein Startabbruch deshalb nicht mehr möglich gewesen. Sie hätten die entgegenkommende C-160 Transall dann gesehen und den Startvorgang fortgesetzt. Im aufgezeichneten Funkverkehr war ein „say again“ zu hören, das aber aufgrund von Störungen auf der Sprechfunkfrequenz keiner Quelle zugeordnet werden konnte. Der Kommandant der C-160 Transall führte bei der Befragung aus, dass er die Startfreigabe für die Piste 21 erhalten und kurz vor dem Erreichen der Startposition am Südende der Piste den oberen Teil des Seitenleitwerks des sich auf der Piste annähernden Flugzeuges erkannt habe. Nahezu zeitgleich sei die Anweisung für den Startabbruch durch den Flugverkehrslotsen gekommen. Beide Besatzungen gaben an, dass der Airbus A319 die C-160 Transall mit einem vertikalen Abstand von ca. 400 ft überflogen hatte. Nachdem die am Boden stehende C-160 Transall von dem Airbus A319 überflogen worden war, erklärte die Besatzung der Transall auf Nachfrage des Flugverkehrslotsen: „I read take a lining up and wait runway…21“. Auf den Hinweis des Flugverkehrslotsen „you were cleared to holding point Alpha“ antwortete der Pilot der Transall „o.k., sorry about that“. Bei der Anhörung nach dem Ereignis hat die Besatzung der C-160 Transall die Aussage des Kommandanten bestätigt, dass eine Freigabe für das Aufrollen auf die Piste erteilt worden sei. 01-2014 Beurteilung Die Schwere Störung mit dem Airbus A319 und der C-160 Transall am 14. Mai 2008 auf dem Verkehrslandeplatz Zweibrücken war im Sinne der Definition der ICAO eine Runway Incursion1. Ein Flugzeug befand sich auf der Piste für einen Start in Richtung 21, obwohl sich ein anderes Flugzeug im Startlauf für einen Abflug in Richtung 03 befand. Bei diesem Vorfall bestand ein hohes Kollisionsrisiko. Ein Zusammenstoß wurde nur knapp vermieden. Die Untersuchung der Schweren Störung ergab keinen Hinweis auf einen Ausfall oder eine Fehlfunktion eines technischen Systems in den Flugzeugen, in den Einrichtungen des Flughafens oder des Flugsicherungsunternehmens. Schwerpunkt bei der Analyse des Ereignisses waren diese Fragestellungen: Warum konnte es zu dem Fehler oder Missverständnis in der Kommunikation bzw. Ausführung einer Rollanweisung kommen? Warum wurde dieser Fehler nicht früher erkannt? Die Möglichkeiten einer umfassenden HumanPerformance-Analyse waren eingeschränkt, da die Cockpit Voice Recorder für die Untersuchung nicht zur Verfügung standen. Betriebliche Aspekte An der Runway Incursion waren das Verkehrsflugzeug Airbus A319 und das militärische Transportflugzeug C-160 Transall beteiligt. Beide Flugzeuge befanden sich unter der Kontrolle des Flugverkehrslotsen der Kontrollzone Zweibrücken. Die Rollfreigabe für den Airbus A319 über die Rollwege G und C zur Piste 03 entsprach den 1ICAO Doc 9870; Runway Incursion: Any occurrence at an aerodrome involving the incorrect presence of an aircraft, vehicle or person on the protected area of a surface designated for the landing and take-off of aircraft. festgelegten Sprechfunkverfahren. Auch die Ergänzung „German W… 8045, line up 03, backtrack approved“ war in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Verfahren. Die Anweisungen wurden durch die Besatzung des Airbus A319 korrekt zurückgelesen und ausgeführt. Die Besatzung der C-160 Transall hatte einen Start in Richtung 21 erbeten, da sie an diesem Tag mehrere Flüge zum Absetzen von Fallschirmspringern beabsichtigte und damit jeweils vom Flughafenterminal zum Startpunkt eine wesentliche kürzere Rollstrecke hatte. Die Windverhältnisse und die Flugleistungen der C-160 Transall ließen diese Entscheidung zu. Die Startrichtung entgegen der für diesen Tag durch den Betreiber des Verkehrslandeplatzes festgelegten Betriebsrichtung für den allgemeinen Flugbetrieb war zwischen der Bundeswehr und dem Flugverkehrslotsen auf dem Kontrollturm telefonisch abgesprochen und damit den Beteiligten bekannt gewesen. Bei dem an diesem Tag schon viermal praktizierten Verfahren waren keine Probleme aufgetreten. Bei der mit „Zweibrücken Tower, German A… 173, hello again, request your latest“ erbetenen Startinformation wurde vom Kontrollturm mit „German A… 173, Zweibrücken hello, again, …wind 060 degrees, 6 knots, clouds and visibility o.k., temperature 25, dew point 06, QNH 1011, runway 03“ zunächst die Betriebsrichtung 03 genannt. Mit dem Zurücklesen hat die Besatzung der C-160 Transall explizit um die Startrichtung 21 gebeten, was vom Flugverkehrslotsen mit „21 approved“ beantwortet wurde. Damit war die Startinformation korrigiert und die gewünschte Startrichtung für das abfliegende Flugzeug bestätigt. Mit der etwa zwei Minuten später erfolgten Rollfreigabe „German A… 173, taxi holding point runway, correction, taxi holding point Alpha, runway 21“ war eine Freigabe zum Rollen bis zum Rollhalt der Piste 21 erteilt. Der Versprecher „taxi holding point runway“ wurde damit aus der Sicht 25 Flugsicherheit des Lotsen korrigiert. Im Sinne der standardisierten Phraseologie hätte der Wortlaut „taxi holding point runway 21 via Alpha“ lauten müssen. Die korrekte Freigabe zum Aufrollen auf die Piste wäre „line up runway 21“ gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass die korrigierte Startrichtung in Verbindung mit der korrigierten Freigabe zum Rollen der Beginn einer Konfusion war. Die Besatzung der C-160 Transall hat die Anweisung als Freigabe zum Aufrollen auf die Piste umgesetzt. Die Anweisung und Bestätigung waren nicht exakt in Übereinstimmung mit den vorgesehenen Sprechgruppen. Die anschließende Startfreigabe für den Airbus A319 war regelkonform. Die Besatzung hat die Freigabe durch die Wiederholung entsprechend bestätigt. Mit den Anweisungen „173 hold position“ und „8045, break up“ wollte der Flugverkehrslotse 44 Sekunden nach der Startfreigabe für den Airbus A319 beide Flugzeuge stoppen. Beide Anweisungen kamen direkt hintereinander, weil er bemerkt hatte, dass die C-160 Transall auf die Piste 21 aufgerollt war und der Airbus A319 aus entgegengesetzter Richtung sich schon im Startlauf befand. Der Pilot des Airbus A319 fragte nochmals nach, weil er die Anweisung „8045, break up“ nicht verstanden hatte. „Break up“ war insofern missverständlich, da eine Aufforderung zum Startabbruch daraus nicht unbedingt abzuleiten war. Es hätte die Sprechgruppe „stop immediately …“ sein müssen. Auch wegen der zu diesem Zeitpunkt erreichten Geschwindigkeit hat der Airbus A319 den Startlauf fortgesetzt. Der Fluglotse beantwortete die Nachfrage mit „danke“, weil der Airbus A319 die noch am Boden stehende C-160 Transall mittlerweile überflogen hatte. Ein Startabbruch hätte in der Folge mit einer Kollision oder einem Abkommen von der Piste verbunden sein können, weil die Geschwindigkeit, wie vom Kapitän des Airbus A319 angegeben, bereits oberhalb von V1 war. 26 Menschliche Faktoren (Human Factors) Eine Fehleranalyse der Handlungen aller Beteiligten zeigte, dass die Besatzung der C-160 Transall nach der Rollfreigabe „German A… 173, taxi holding point runway, correction, taxi holding point Alpha, runway 21“ auf die Piste 21 rollte. Es handelte sich um eine sogenannte Pilot Deviation, d. h. eine Flugbesatzung hat sich nicht an eine Anweisung gehalten oder ist von den vorgegebenen Verfahren abgewichen. Für die Herleitung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung vergleichbarer Vorfälle muss die Frage beantwortet werden, warum es zu diesem Fehler kommen konnte und dieser Fehler durch andere Beteiligte nicht frühzeitig bemerkt wurde. Bei der Beantwortung dieser Fragestellung ergaben sich nach Auffassung der BFU folgende Aspekte: 1.Die Besatzung der C-160 Transall hatte an diesem Tag bereits den vierten Abflug von Zweibrücken mit der Startrichtung 21 durchgeführt. Die Abweichung von der eigentlich vorgesehenen Betriebsrichtung mit Starts in Richtung 03 war für die Besatzung der C-160 Transall damit in gewisser Weise schon Routine und wurde daher nicht mehr als Abweichung von einem Standardverfahren wahrgenommen. Diese Startrichtung war bei der Planung schon telefonisch mit dem Flugverkehrsleiter abgesprochen worden. 2.Der Flugverkehrslotse hat formal die richtigen Anweisungen gegeben, musste sich aber im Hinblick auf die Betriebs-/Startrichtung korrigieren. Obwohl die Startrichtung 21 im Vorfeld mit ihm abgesprochen war, hat die Abweichung von der für diesen Tag festgelegten Flugrichtung in Verbindung mit der zusätzlichen Arbeitsbelastung durch andere Flugzeuge zu dem Versprecher geführt. 3.Einen Versprecher gab es bei der Rollfreigabe. Die Anweisung „German A… 173, taxi holding point runway, correction, taxi holding point Alpha, runway 21“, wurde von dem Copiloten 01-2014 der C-160 Transall mit „taxi runway holding point runway 21 via Alpha“ in korrigierter Form zurückgelesen. 4. Der Airbus A319 mit dem Rufzeichen „German W… 8045“ erhielt zeitnah eine Rollfreigabe mit Backtrack für die Startrichtung 03. Da hier das Aufrollen auf die Piste Bestandteil der Freigabe war und das Rufzeichen der „C-160 Transall German A… 173“ ähnlich war, kann es bei der Besatzung der Transall zu einer Irritation hinsichtlich der Inhalte der Freigaben gekommen sein. Bei beiden Rufzeichen wurde das „German“ stark betont. Verwechselungen oder Missverständnisse durch ähnlich lautende Rufzeichen oder Inhalte von Freigaben sind Fehlersituationen, die in der Luftfahrt vorkommen und durch etablierte Sicherheitsmechanismen oder auch redundante Informationen erkannt werden sollten. 5.Der Flugverkehrslotse bemerkte nicht rechtzeitig, dass die erteilte Rollanweisung durch die C-160 Transall nicht seiner Freigabe entsprechend umgesetzt wurde. Das Beobachten der Ausführung von erteilten Freigaben und Anweisungen gehört zu dem Aufgabenspektrum eines Flugverkehrslotsen. Durch eine zumindest kurzzeitige Überlastung des Flugverkehrslotsen und die spezifischen Bedingungen, wie zum Beispiel die eingeschränkte Sicht aufgrund der Höhenunterschiede und der Abweichungen von der Standardphraseologie im Sprechfunkverkehr, hat er seine Überwachungsfunktion nur eingeschränkt wahrnehmen können. 6.Die Anweisung des Flugverkehrslotsen an den Airbus A319 „8045 break up“ wurde nicht verstanden, weil sie nicht der Standardphraseologie entsprach. Die Besatzung des Airbus A319 war zu diesem Zeitpunkt auf den Startlauf konzentriert, sodass eine Aufmerksamkeit für nicht standardisierte Informationen und Verfahren nicht gegeben war. Dagegen war die Anweisung „173 hold position“ in Über- einstimmung mit der vorgesehenen Sprechgruppe. Diese wurde durch die Besatzung der C-160 Transall auch verstanden und umgesetzt. Die BFU geht davon aus, dass Unschärfen in der Kommunikation die Besatzung der C-160 Transall dazu bewogen haben, auf die Piste aufzurollen. Dabei handelte es sich um keinen einzelnen Fehler, sondern um kleine Unzulänglichkeiten, die sich in der Summe ausgewirkt haben. Einen Orientierungsverlust, zum Beispiel dass der „holding point Alpha“ nicht gefunden wurde, hält die BFU für weniger wahrscheinlich. Bei Betrachtung aller Fakten, die im Rahmen der Untersuchung ermittelt wurden, geht die BFU nicht davon aus, dass die Freigabe zum Aufrollen auf die Piste für die C-160 Transall tatsächlich erteilt wurde. Die Erfahrungen bei der Auswertung von Cockpit Voice Recordern und aufgezeichneten Funkgesprächen im Rahmen der Unfalluntersuchungen zeigten in der Vergangenheit, dass an einem Ereignis beteiligte Personen nach einem zeitlichen Abstand von mehreren Tagen zwischen dem Vorfall und der Befragung ein gedankliches Szenario bilden, das von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichen kann. Dabei muss es sich nicht um eine bewusste oder vorsätzliche Falschaussage handeln. Dennoch war aufgrund des Aufzeichnungsverfahrens des Sprechfunkverkehrs eine unantastbare Beweisfähigkeit nicht gegeben. Das auf sogenannte .wav-Dateien basierende digitale Aufzeichnungsverfahren war nicht fortlaufend, sondern wurde bei Sprechpausen gestoppt. Beim Auslesen bzw. Kopieren der .wav-Dateien wurden einzelne von der Länge der Sprechdauer abhängige Dateien generiert. Die einzelnen Dateien waren zwar mit einem Zeitstempel versehen, ein Nachweis für die Integrität war jedoch nicht gegeben. Somit konnte die BFU die Vollständigkeit der Aufzeichnungen nicht zweifelsfrei nachweisen. 27 Flugsicherheit Arbeitsbelastung Aus der Sicht der BFU war die entstandene Arbeitsbelastung für einen Flugverkehrslotsen nicht ungewöhnlich und nicht generell unsicher. Dennoch zeigte die Analyse der Arbeitsbelastung deutlich, dass in dieser Situation eine Abweichung oder eine Ausnahme zu der festgelegten Betriebsrichtung 03 nicht angebracht war. Die bewusste Abweichung von der Betriebspiste 03 sieht die BFU als eine Abweichung von dem standardisierten Betriebsverfahren, was zu einer Risikosituation führte. Einhaltung der Betriebsrichtung für die Piste Die vom Flughafenbetreiber in Absprache mit dem Flugsicherungsunternehmen festgelegte Betriebsrichtung sah Abflüge in Pistenrichtung 03 vor. Die Festlegung dieser Betriebsrichtung für Starts und Landungen war eine SOP, von der bei den Starts der C-160 Transall bewusst abgewichen wurde. Die Besatzung der C-160 Transall hatte um die entgegengesetzte Startrichtung gebeten, weil die Wege vom Terminal zum Startpunkt damit kürzer waren und Rollzeiten am Boden eingespart werden konnten. Im Sinne einer serviceorientierten Dienstleistung hat der Flugverkehrslotse die Abweichung vom für diesen Nachmittag standardisierten Verfahren akzeptiert. Die Abweichung von der SOP entstand nicht aus einer Ad-hoc-Situation, sondern war vorher abgesprochen. Ohne diese Ausnahme hätte die C-160 Transall über den Rollweg C an die Piste 03 rollen müssen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die C-160 Transall damit den Airbus A319 gesehen hätte und nicht auf die Piste aufgerollt wäre. Aufgrund der geografischen Lage der Piste und des daraus resultierenden Höhenverlaufs der Piste sollte nach Auffassung der BFU an diesem Flughafen generell auf den Betrieb auf entgegengesetzten Bahnen verzichtet werden. Das Sicherheitsproblem lag in der Tatsache begründet, dass an den Pistenenden stehende Flugzeuge sich je 28 nach Größe gar nicht oder nur eingeschränkt sehen konnten. Einhaltung der Sprechgruppen für den Funksprechverkehr Vor dem Entstehen der Runway Incursion wurde der Sprechfunkverkehr in Übereinstimmung mit den für Roll- und Startfreigaben vorgesehenen Sprechgruppen geführt. Die Angabe „runway 03“ bei der Startinformation als auch die Freigabe „...taxi holding point runway“ waren Versprecher des Flugverkehrslotsen, die durch ihn erkannt und bewusst korrigiert wurden. Das nicht exakte Einhalten der vorgesehenen Sprechgruppe sowie die Korrektur des Versprechers haben möglicherweise bei der Umsetzung durch die C-160 Transall zu der Missinterpretation beigetragen. Nicht in Übereinstimmung mit der vorgesehenen Sprechgruppe war die Anweisung „8045 break up“. In der für den Flugverkehrslotsen überraschend aufgetretenen abnormalen Situation, bei der gleichzeitig zwei Flugzeuge auf der Piste waren, wäre die standardisierte Anweisung „stop immediately, …“ einzuhalten gewesen. Ob ein Startabbruch aufgrund der zu diesem Zeitpunkt anliegenden Geschwindigkeit noch möglich gewesen wäre, kann aufgrund fehlender Flugschreiberdaten objektiv nicht abschließend bewertet werden. Die Erklärung des Kapitäns des Airbus A319 war jedoch plausibel. Read-back-/Hear-back-Verfahren Prinzipiell fand das Verfahren Anwendung. Unscharfe Formulierungen und kleinere Fehler wurden allerdings von den an der Kommunikation Beteiligten nicht erkannt. Nach den Aufzeichnungen des Funkverkehrs haben auch andere Besatzungsmitglieder nicht interveniert. Crew Resource Mangement (CRM) Im Cockpit der C-160 Transall befanden sich drei Besatzungsmitglieder. Auch wenn die Kommunikation im Cockpit aufgrund des fehlenden 01-2014 Cockpit Voice Recorders im Detail nicht nachvollziehbar war, ist davon auszugehen, dass keines der Besatzungsmitglieder den Inhalt der Freigabe wahrgenommen und eine situative Aufmerksamkeit für den startenden Airbus A319 entwickelt hat. Damit konnten auch die durch die Einführung von CRM vorgesehenen Sicherheitselemente, wie zum Beispiel das Hinweisen auf eine Fehlhandlung eines Besatzungsmitgliedes, nicht wirksam werden. Schlussfolgerungen Zur Runway Incursion kam es, weil eine C-160 Transall aufgrund einer Fehlinterpretation der Rollfreigabe nicht am Rollhalteort 21 anhielt, sondern auf die Piste 21 aufrollte. Dazu beigetragen hat, dass von standardisierten Betriebsverfahren (SOPs) abgewichen wurde. Im Einzelnen waren dies: - Die für die C-160 Transall geplante und von ihr benutzte Startrichtung war entgegengesetzt zu der für den sonstigen Start- und Landeverkehr bestimmten Betriebsrichtung. - Die standardisierten Sprechgruppen für den Funksprechverkehr wurden nicht konsequent eingehalten. -Das Read-back-/Hear-back-Verfahren wurde nicht konsequent eingehalten. - Das fehlerhafte Aufrollen konnte von den Besatzungen der beteiligten Flugzeuge nicht erkannt werden, weil die beiden entgegengesetzt auf der Piste stehenden Flugzeuge sich aufgrund des Höhenverlaufs der Piste nicht oder nur eingeschränkt erkennen konnten. Auch der Flugverkehrslotse im Tower konnte aufgrund des Höhenprofils nicht alle Flugzeuge am Boden zu jedem Zeitpunkt optisch wahrnehmen. lig, dass die gesamte Cockpitbesatzung unisono aussagte, am Rollhalteort für die Startbahn 21 angehalten zu haben, so wie es der Anweisung des (Tower-)Fluglotsen entsprochen habe. Copilot und Bordmechanikermeister (BMM) verstärkten ihre Aussagen dahin gehend, dass der Kommandant am Rollhalteort den BMM anwies, die Parkbremse zu setzen, was dieser auch tat. Alle sagten aus, nun die Freigabe zum Start auf der Startbahn 21 erhalten zu haben, worin logischerweise auch das Aufrollen auf die Startbahn enthalten war. Kommandant und Copilot erinnerten sich wörtlich an die Bestätigung, die der Copilot mit den Worten wieder gab: „German Air Force 173 is cleared for take off runway 21.“ Beide bemerkten, dass der Fluglotse eine letzte Bestätigung des vermeintlich korrekten read back vermissen ließ. Der Rest ist bekannt: Die Transall rollte auf die Bahn! Nun steht die Aussage der C-160-Besatzung im eklatanten Widerspruch zu der elektronischen Aufzeichnung des Funksprechverkehrs. Denn dort ist weder die erteilte Startfreigabe noch das Zurücklesen des Copiloten zu finden. Die BFU hat im Bericht erklärt, warum eine solche Diskrepanz zustande kommen kann und stellt klar, dass eine als Tatsache zu betrachtende Bandaufzeichnung höherwertiger ist als die auf purer Überzeugung beruhende Aussage einer Besatzung. Daneben gibt es noch ein weiteres Indiz, das Zweifel an der erteilten Freigabe nährt: Als das kritische Szenario überstanden war, wies der Fluglotse die Transall-Besatzung darauf hin, die Freigabe zum Rollen auf die Bahn nicht erhalten zu haben. Daraufhin äußerte der Copilot: „Äh, I read back lining up and wait runway, joah, passie… ,ähh, 21.” Dann entschuldigt er sich für den Fehler. Eine Besatzung, die zweifelsfrei der Überzeugung ist, richtig gehandelt zu haben, greift zu anderen Worten. Anmerkung In Zuge der Untersuchung hatte die C-160-Besatzung selbstverständlich die Möglichkeit, sich zu dem Vorkommnis zu äußern. Dabei ist auffäl- Fazit: Wir haben mal wieder Glück gehabt! 29 Flugsicherheit Leserbriefe In der „FLUGSICHERHEIT“, Ausgabe 02/2013, hatten wir auf den Seiten 27ff einen Artikel mit der Überschrift „Ach wie gut, dass niemand weiss ...“ veröffentlicht, der sich mit der Lebensgeschichte eines uns damals noch unbekannten Metallstücks beschäftigte. Den Artikel beendeten wir mit der Bitte, uns in Kenntnis zu setzen, falls einer unserer Leser den Gegenstand identifizieren könne. Dies ist mittlerweile geschehen! Hallo Mister Steel! Dein Versteckspiel hat ein Ende! Hier im Bayerischen ne nnt man Dich „Schlürfe r“. Und bevor Du Dich de r Öffentlichkeit vor dem re chten Hauptfahrwerk ein präsentiertest, warst D er Transall u ein durchaus nützliche r Helfer. Mechaniker der Transa ll, und sicher auch ande rer Luftfahrzeuge, nutz Deine Artgenossen als Ze en Dich und ntrierspitze. Aufgeschra ubt auf Bolzen hilfst D Verklemmen in die dafü u diesen, ohne r vorgesehenen Buchsen eingeführt zu werden. D Werkzeug und so ist es u bist also ein sehr verwunderlich, da ss man Dich namenlos Signierkennzeichen) in (o hne die Welt der Technik sch ickte. Frivole Gedanken ange sichts der weiblichen Sc hreibkraft des FSO und sind sicher Ausdruck ein Karnevalsgelüste es verdrängten traumat ischen Erlebnisses. Dein Mechaniker hat D ich einfach fallen lassen ... Ich hoffe, dass Deine G eschichte zu einem guten En de führt und wünsche D Deinen Therapeuten vi ir und el Erfolg beim finden D einer Identität. Günter Schmied, Abgesetzter Bereich Penz ing Systemzentrum Lu ftfahrzeugtechnik P.S.: Ich bin ausdrücklic h mit einer Veröffentlic hung einverstanden. Warum Bordmechanik er, Ladungsmeister und FSO das Teil nicht iden konnten (Nachfrage be tifizieren i technischer Gruppe, Pr üf gruppe, I Staffel...) bleib ein Rätsel. Ich hoffe instä t für mich ndig, dass sich recht viele Leser und Interessenten Artikel geäußert haben zu diesem ... 30 01-2014 Ebenfalls erreichte die Redaktion folgende Mail: Gibt es schon Hinweise zur Identifikation? Mein Tipp: Einbauwe rkzeug Taileron-Actuat or Tornado! Zum Einstecken der H altebolzen für den Taile ron-Actuator wird so ein aufgeschraubt, damit ke Adapter in Grat beim Einsetzen des Bolzens entsteht. MkG OSF Thomas Möckel TSLw 3 LGA Aus dem Norden erhielten wir diese Mail: nnt. ereich beka . b g u e z r h fa Luft orm) “ als BPS im nd der Patronenkugelf eren ck ü st ll ta e M u en von größ schriebene „ anntes „Bullet“ (aufgr ib e e b tr s a ch d r t u is D Mir sogen tz zum sich um ein ewindeschu enutzt. G n d n u fe il Es handelt Bolzen dan en b g r trierh e n n d e u Z d ss a n ls u P a / t, d n hraub das hrunge Dieses wir n durch Bo ewinde des Bolzens gesc et“ dafür, dass erstens e b u a r ch S / die Bolzen et auf das G . Dabei sorgt der „Bull r Bolzen sauber durch ll u B r e d d trieben itens de Dazu wir Bohrung ge hädigt wird, und zwe e g n e e in ird. e chaft durch s nicht besc die Bohrung geführt w ubt bündig mit dem S n e lz o B s e d “ durch fgeschra Gewinde des „Bullets ausgeführt, dass er au chmesser). m r o F e ch ein konis , durch die wöhnlich so ßt (gleiche Aussendur g e n g u t r is h o t“ B e e ll schlie och ein Der „Bu ärkung beim raube ist/ab er konischen Spitze n st r ch e S v s/ ft a n r e K lz o d des B en an llet“ ebel und ullets“ besitz rden kann, um als Kn Zange könnte der „Bu B „ e r e ß ö r G er we Einsatz ein nge geführt n Knebel/Sta ben zu dienen. Durch im Einsetze e b “ ts u e a r ll u ch B fs . Ab-/Au el, werden „ des Triebwerkes, usw ff ta . -S n e C d r -3 e verkratzt w wader, speziell in der P er Seitenstrebenbolzen sch lzen, d Hier im Ge festigungsbo e b k r e w b hlt! ie ass keiner fe der vier Tr d , n e b e g r e rt hat benutzt. ullets“ vor O B „ r e d e ll o Eine Kontr ann ann Wittm m ts o o sb b Sta 31 Flugsicherheit Wir begrüßen ... Hauptmann Dirk Heimann trat am 01. April 1989 in die Bundeswehr ein und startete seine Laufbahn an der Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg. Die fliegerische Ausbildung durchlief er in Ft. Rucker, Alabama und an der HFlgWaS, anschließend wurde er ab September 1992 beim HFlgRgt 30 in Niederstetten als Luftfahrzeugführer auf UH-1D eingesetzt. Im April 1999 erfolgte die Versetzung zur Heeresfliegerbrigade 3 nach Mendig und eine Verwendung als S3Offz LTH Einsatz. Nach fast acht Jahren auf diesem Dienstposten zog es ihn Anfang 2007 wieder zurück nach Niederstetten. In den dreieinhalb Jahren vor seiner Versetzung zur Abteilung FlSichhBw war er als Sachbearbeiter im Bereich Flugsicherheit – Flugbetrieb – Lizenzierung im BWB/BAAINBw eingesetzt. Während seiner fliegerischen Verwendung hatte er an den Auslandeinsätzen IFOR und KFOR teilgenommen. Er hat das Aufgabengebiet von Hptm Breitengraser im Dez c übernommen und wir wünschen ihm viel Erfolg und Freude in seiner neuen Verwendung als Sachbearbeiter der Waffensysteme BO 105, EC 135 und KpfHubschr TIGER. Herzlich Willkommen. Hauptmann Jens Uken hat den Dienstposten von Hauptmann Schleyer im Dezernat d übernommen und ist jetzt zuständig für die Auswertestation Avionik. Seit 1994 ist er in der Bundeswehr, seine Grundausbildung absolvierte er in Budel, Niederlande. In seiner Erstverwendung wurde er als Lfz Avionik Uffz im Fachbereich Radar am Waffensystem PA 200 beim JaboG 38 „F“ eingesetzt. Nach seiner Ausbildung zum Lfz Avionik Fw FB Radar folgte am 01. Oktober 1999 eine fünfjährige Verwendung zum FlgAusbZLw Holloman in Amerika. Nach der Ernennung zum Berufssoldat und Zulassung zum OffzMilFD begann die Fachoffiziersausbildung an der Technikerschule für Elektrotechnik in Feldafing, anschließend die Offiziersausbildung in Fürstenfeldbruck. Seit 2007 war er als LfzEloOffz/ Technische Gruppe im Aufklärungsgeschwader 51 „I“ eingesetzt, mit dem 01.01.2010 übernahm er als Leiter der Einsatzsteuerung den Dienstposten in der Technischen Gruppe Aufklärungsgeschwader 51 „I“. Nun ist er in Köln angekommen und wir wünschen in der neuen Verwendung viel Erfolg. Herzlich Willkommen. Wir verabschieden ... Hauptmann Stephan Breitengraser war seit dem 01. April 1980 bei der Bundeswehr. Nach seiner Grundausbildung begann seine Laufbahn in Mendig als Hubschraubermechaniker CH-53. Nachdem er den Flugbetrieb bei den Heeresfliegern für zwei Jahre erlebte, bewarb er sich für die fliegerische Ausbildung und startete im Mai 1982 mit dieser bei der HFlgWaS in Bückeburg. Im April 1984 wurde er zur HFlgStff 5 nach Mendig versetzt. 1994 wurde er zur Flugbetriebsstaffel und 1997 zum Stab HFlgRgt 35 (als S3 Offz) versetzt. Die Umschulung auf CH-53 fand 1999 statt, gefolgt von der Versetzung zur 1./FlgAbt 351. Mit Flugsicherheit hatte er in seiner gesamten militärischen Laufbahn engen Kontakt, mit seiner Versetzung 2003 zum BWB L 1.3 war er für Aspekte der Flugsicherheit beim BWB verantwortlich. Seit dem 01. Januar 2007 war Hauptmann Breitengraser im Dezernat c zuständig für die Waffensysteme BO 105, EC 135 und KpfHubschr TIGER. Wir wünschen ihm für den nun folgenden Lebensabschnitt viel Glück und Erfolg und vor allem Gesundheit. Major Jens Hoffmann ist seit dem 1. September 1999 in die Bundeswehr. Nach seinem Offizierslehrgang absolvierte er von 2000 bis 2004 das Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr München. Es folgte die Ausbildung zum Luftfahrzeugführer Tornado (in Phoenix, Arizona; Sheppard AFB, Texas; WST 44 Holloman AFB, New Mexiko) mit einer fliegerischen Verwendung in der 2. Staffel/JaboG 32. Zum 01. August 2011 wurde er in die AbtFlSichhBw versetzt, um das Dezernat Fehlermeldesystem aufzubauen und zu etablieren. Nach seinem dreijährigen Engagement im Fehlermeldesystem zogen ihn persönliche sowie familiäre Gründe in Richtung Berlin, um im Einsatzführungskommando in Potsdam eine neue Aufgabe zu übernehmen. In seiner neuen Verwendung wünschen wir Maj Jens Hoffmann gutes Gelingen und viel Erfolg. 32 flugsicherheit Ausgabe 01 / 2014 Heft 1 März 2014 – 51. Jahrgang Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände In this issue Article overviews in English by Lt Col Jeff “Otter” Anderson, USAF Exchange Officer and member of the German Armed Forces Flugsicherheit Flight Safety Directorate. Menschliche Faktoren in der Flugzeugwartung // Human Factors in Aircraft Maintenance The twelve most common human factors that contribute to maintenance errors have been called The Dirty Dozen for years. How well do you really know these leading causes of maintenance errors that in-turn lead to enormous damage and numerous incidents and accidents in aviation every year? The article gives a nice refresher on the dozen; communication, stress, fatigue, carelessness and apathy, distraction, lack of teamwork, lack of self-assertion, lack of resources, time/performance pressure, lack of knowledge, lack of awareness, and norms. If it doesn’t interest you, you are experiencing number four in the list, if you can’t read German, you’ve got problems with number eight! Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände Titelfoto: Markus Schulze, Bundeswehr „Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände der Bundeswehr Im Stich gelassen? // Left in the lurch? The CH-53 was at an NH-90 airfield in need of being towed to a new position for a ground run. No regular tow-crews were available, so a stand-in tow-driver was pulled from his normal duties as a maintenance trainer for the job. The CH-53 crew that was available for the ground run could have filled out the necessary membership in the tow crew, or at least offered to help. The necessary tow briefing could have been conducted. The necessary supervision and communications could have been present. The problem was that none of these “could-have-beens” occurred. The end result: On a tow-path unfamiliar to the tow-driver, without the required crew, communications or supervision, the CH-53’s main rotor was dragged into the side of a hangar causing extensive damage to the helicopter. Herausgeber: Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr Redaktion: Hauptmann Klemens Löb, Tel.: 02203-9083124 Luftwaffenkaserne 501/07 Postfach 906110 51127 Köln [email protected] [email protected] Gestaltung: Hauptmann Klemens Löb GenFlSichhBw Erscheinen: dreimonatlich Manuskripteinsendungen sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind daher möglich und erwünscht. Druck: Heimbüchel & Köllen corporate publishing GbR 10117 Berlin [email protected] Editorial 1 Menschliche Faktoren in der Flugzeugwartung 2 Im Stich gelassen? 7 Geschichten aus dem Fehlermeldesystem 10 Electronic Flight Bags in der Bundeswehr 12 Runway Incursion - the Air Force Way23 Leserbriefe30 Verabschieden & Begrüßen 32 In this issue33 Geschichten aus dem Fehlermeldesystem // Stories from the Error Reporting System Snowfall at takeoff time did not require runway clearing, but it was a different story by landing time. The landing on an unexpectedly snowy runway shouldn’t have been the outcome, but that is exactly what happened. A shift change in ground personnel after the takeoff only explains the event in part. There were a lot of other people at the airfield who could have helped remind the airfield team of the information that got lost during the shift change. Does each member of your airfield team know they have an important role to play in safety? Electronic Flight Bags in der Bundeswehr The VIP Transportation Wing is the first unit in the German military to transition to use of Electronic Flight Bags (EFB). That is great news, but like any piece of technology, EFBs come with their own advantages, requirements and risks. The article describes the Wing’s experiences and the status of the on-going transition. Key information technology requirements are highlighted along with the importance of having the right supporting organizational structure in place. The article ends with an excellent question and answer section from the EFB project officers. Runway Incursion, the Air Force Way The German civil flight safety investigation agency, the BFU, recently released a report on the May 14th, 2008 runway incursion at Zweibrücken Airport (EDRZ). In the event, a German Air Force C-160 Transall mistook a clearance from the tower to ‘taxi and hold short’ and subsequently lined up and held on Runway 03 as a German Wings A319 was cleared to takeoff on Runway 21, the same runway, in the opposite direction. The A319 overflew the Transall at about 400 feet. There is much more to the event, though, than just one misheard clearance. Callsign confusion, airport terrain blocking lines-of-sight, some non-standard aviation English and more played a role in the event. This article offers a summary of the BFU report and some further insights. The full BFU report is available in English on the BFU website at www.bfu-web.de. Select English at the top and navigate to “Publications” and then “Final Reports”. Leserbriefe // Letter from a Reader A few issues back, in edition 02/2013, we brought you the story of “Mr. Steel”, a rather large bullet shaped piece of metal found under a C-160 Transall. Despite his size and apparent importance, no one seemed to know what he was or where he came from. Two letters from readers help identify Mr. Steel as a tool used to guide larger bolts into place, maybe on the Transall or maybe on the P-3C. It is still a little funny then, that Mr. Steel wasn’t marked as a tool should be and that no one noted him as missing. We say goodbye, we say hello // Verabschieden & Begrüßen Flugsicherheit Ausgabe 01/2014 Foto: Markus Schulze - Bundeswehr Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände