schattenseiten - Der Steinkreis

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SCHATTENSEITEN
Braune Streifen in Esoterik und Heidentum
eine Rubrik von Matthias Wenger, Tel. 030/ 45 49 34 25 oder 0173/ 9300 595, e-mail: [email protected]
VON MATTHIAS WENGER
M
it anderen Leuten organisieren wir seit einigen Jahren einen heidnischen Stammtisch in Berlin. Nachdem wir
uns offensiv mit Geza v. Nemenyis Fundamentalismus auseinandergesetzt und angesichts seiner
regelmäßigen Besuche bei uns einen Trennungsstrich gezogen hatten, entstand eine neue Situation.
Zu Recht waren einige Besucher des Stammtischs der Meinung, man könne jetzt auch mal gemeinsam etwas Positives
in Gang setzen, statt sich immer nur gegen destruktive Tendenzen zur verteidigen.
Daraus entstand eine Initiative, die zunächst ein mal ein gegenseitiges Kennenlernen und "Beschnuppern" zum Ziel
hatte - in zwangloser und lockerer Form auf einer "Heidenparty" für die Berliner Heiden. Wie Ihr auf einer der
nächsten Seiten sehen könnt, sind die Vorbereitungen zu diesem Unternehmen auch schon ziemlich weit gediehen
Thilo Kabus, seines Zeichens bis jetzt Repräsentant des Berlin-Brandenburger Ablegers des Odinic Rite hatte sich
gerade vor einer Woche in diese Aktivitäten eingeklinkt - mit einer von ihm gestalteten Internet-Plattform, auf der
Links zu verschiedenen Gruppen in der Region gesetzt waren.
Jetzt platzte in den letzten Stammtisch eine Neuigkeit, die meinerseits den folgenden Brief hervorbrachte:
"Hallo, Thilo !
Eines wird man Dir kaum vorwerfen können: Einen Mangel an Offenheit. Nachdem Du am letzten Dienstag lautstark
Deine bevorstehende Ernennung zum Pressesprecher der brandenburgischen DVU-Landtagsfraktion bekannt gegeben
hast, machte mich das doch etwas neugierig.
Ein kurzer Besuch auf der DVU-Homepage brachte mir dann ein bisschen mehr Klarheit über Deine Tätigkeit. Du
hast ja auch schon bisher diverse Presseerklärungen in Vertretung unterschrieben. Die schärfste war mit Sicherheit die
vom 04.11.03, wo das Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts kommentiert wurde. Da heißt es, "ein preußischer
Beamter trage kein Kopftuch", von der Bedeutung eines christlichen Abendlandes für Dich oder Euch als aktive
Christen ist die Rede. Zur Erinnerung:
http://www.wno.org/newpages/par34.html
Aber Spaß beiseite: Eine nationalistische Ideologie, die noch dazu die primitivsten Vorurteile bestärkt, ist mit einer
heidnisch-naturreligiösen Weltsicht unvereinbar.
Natürlich hat jeder als Angehöriger einer religiösen Gruppe oder Szene das Recht, politisch zu denken, was er möchte.
Aber die politischen Schlussfolgerungen, die etwa Angehörige von Wicca, feminitische Hexen oder freifliegende Hexen
aus iher Religion ziehen, werden eher ökologisch, egalitär und sozialrevolutionär sein - aber nicht rechtskonservativ.
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Braune Streifen in Esoterik und Heidentum
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Einen rechtskonservativen Weg kann man nur Leuten unterjubeln, die über die Zusammenhänge noch nicht richtig
nachgedacht haben. Oder jenen, denen entscheidende Informationen über die gesellschaftliche Realität fehlen, in der
wir leben müssen.
Die besondere zeitliche Koinzidenz Deines Handelns ergibt, dass Du zur gleichen Zeit, wo Du Dich mit der
Einrichtung der Internet-Seite für die Berliner Heidenszene in eben dieser Szene profilierst, zugleich eine besonders
prominente Rolle in einer rechtsextremen Partei zu spielen beginnst. Ich kann Dich folglich nicht als bloßen Mitläufer
betrachten - obwohl das ja schon schlimm genug wäre.
Vielmehr trägst Du in einem solchen Amt die volle Mitverantwortung für die aggressive, verdummende und
menschenfeindliche Rhetorik, wie sie in der Deutschen-National-Zeitung, dem Quasi-Zentralorgan der DVU, üblich
ist.
Deine Mitarbeit hätte Folgen für den heidnischen Neubeginn in Berlin, die ich nicht verantworten kann. Ich habe ein
Jahrzehnt meines Lebens damit verbracht, der Aneignung naturreligiöser Inhalte durch rechtsextreme Kräfte die Stirn
zu bieten. Ich werde also nicht tatenlos zusehen, wie diese Kräfte ihre eigene geistige Beschränktheit aufpeppen, indem
sie sich ein heidnisches Mäntelchen umhängen.
Ich fordere Dich demzufolge auf, die Links auf der von Dir gestalteten Seite "Berliner Heidenszene", die zu "Hain" und
zum Stammtisch führen, wieder zu löschen. Ich bin auch nicht mehr bereit, mit dem Odinic Rite zusammenzuarbeiten,
der ja in Berlin von Dir repräsentiert wird und auch andere Formen von Zusammenarbeit werden nicht mehr möglich
sein.
Was die Unvereinbarkeit von Nationalismus und Heidentum betrifft, so wird auf dem nächsten Stammtisch darüber zu
reden sein. Wenn es dann zu einer Scheidung der Geister in größerem Umfang kommt, wäre dies keine Katastrophe es würde uns nur mehr geistige Klarheit über den eigenen Weg bringen.
Matthias Wenger"
Interessant waren für mich die Reaktionen. Von Thilos Seite kam das Argument, er sei lediglich Angestellter der DVU
und würde diesen Job nur aus finanziellen Gründen machen - er sei noch nicht mal Parteimitglied und identifiziere sich
auch nicht mit der Linie dieser Partei.
Der Bundesvorstand des Odinic Rite, Volker Kunze, sieht das anders. Er hat ziemlich schnell reagiert und das Amt des
Repräsentanten des Odinic Rite jemand anders übertragen. Für ihn soll zwischen Odinic Rite und DVU kein
wahrnehmbarer Zusammenhang entstehen, da sich der Odinic Rite bewusst von totalitären und rechtsextremen
Inhalten distanziert. Entsprechende offene Auseinandersetzungen gibt es auch auf internationaler Ebene, bei denen die
deutsche Sektion des Odinic Rite eine klare Linie vertritt.
Andere Reaktionen waren dergestalt, dass es hieß, die DVU sei doch eine legale Partei und daran sei doch dann nichts
auszusetzen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe die politische, ethische und philosophische Bewusstlosigkeit der
heidnischen Szene gewaltig unterschätzt. Was diese genannten Kategorien betrifft, befindet sich die heidnische
Bewegung offenbar in einem Kindheitszustand, aus dem sie sich hoffentlich in absehbarer Zeit herausentwickelt.
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