- Gundolf S. Freyermuth

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- Gundolf S. Freyermuth
1986
Reprint
Chuck Berry
Mister Rock&Roll
Den Rock’n’Roll hat er miterfunden. Und Rock’n’Roll
heißt für ihn nicht einfach Musik. Sondern Sex. Auch Tanzen, Autofahren, Geld verdienen. Und wieder Sex. Und
mehr Geld verdienen. So lange und so schnell es geht.
Eine heißkalte Begegnung mit Chuck Berry Weiter
Von Gundolf S. Freyermuth
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Die Uhr piept fünf: “Just let me hear some Rock’n’Roll Music”, fordert seine Stimme
aus meinem Walkman, als unsere Maschine auf dem Rollfeld aufsetzt: Rock’n’Roll will
ich hören, darauf steh’ ich, Rock’n’Roll-Musik muss es sein, wenn du mit mir ‘ne Nummer schieben willst...” Oder in der gereinigten Version: “Wenn du mit mir tanzen
willst ...”
MR. ROCK&ROLL ERWARTET UNS, in einem Schuppen namens Lanier Land bei einem
Nest namens Cumming, nicht weit von Atlanta, der Scarlett-O’Hara-City und Coca-ColaKapitale.
Zwischen den heruntergekommenen Gebäuden der schwarzen Außenbezirke lauert
Slum, der böse Geist des Verfalls: Müll starrende Grundstücke, Autowracks, die in der
feuchten Hitze vor sich hin rosten, von Unkraut halb überwachsen. Die letzten Ruhestätten der Straßenkreuzerdinosaurier, von der Ölkrise dahingerafft, geben beliebte
Treffpunkte ab. Kleine Gruppen dunkelhäutiger Männer zwischen Ende vierzig und dem
Ende ihres Lebens lehnen sich an die zerstörten Blechungetüme oder sitzen inmitten
der Alptraumlandschaft auf Campingstühlen und reden und trinken verstohlen aus Flaschen, die sie in braunen Papiertüten verbergen.
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Hier rotten nicht einfach Autos und Häuser vor sich hin, hier verfällt die amerikanischen Teenage-Idylle der 50er Jahre, wie sie keiner besser als Mr. Rock&Roll besungen
hat: jene saubere (und weiße) Vorstadt-Wohlstands-Welt aus chromblitzenden Autos
und Drive-ins, aus hoffnungsvollen Jungs und Petticoat-Petting-Mädchen, die ziellos
durch die Gegend fahren und nichts sonst im Sinn haben als Spaß, Tanzen und die
Eroberung der Rücksitze - eben das, was die Worte Rock’n’Roll im Slang schon lange
meinten, bevor es die Musik dazu gab.
Die Uhr piept sechs: “Maybellene, why can’t you be true?” klagt seine Stimme aus
meinem Walkman, als wir den Highway erreichen: Maybellene fährt auf Abwegen, und
so jagt er ihr im Cadillac mit 170 Sachen nach, bis er sie auf dem Gipfel des Berges
endlich kriegt ...
Das ist schiere Auto-Minne, Liebeswerben auf vier Rädern, aber auch ein verliebter
Tribut an die mobile Gesellschaft. Als der kleine Chuck in die Pubertät kam und entdeckte, was man mit Mädchen in Autos alles machen kann, rollten in den USA erst 27
Millionen Schlafzimmer auf Rädern; 1955, als Maybellene entstand, waren es schon
mehr als doppelt so viele. Und wie der damals allgegenwärtig werdende Lärm von
quietschenden Reifen und tönenden Hupen hört sich Chuck Berrys erster Hit denn auch
an: Highway Sound.
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Maybellene beginnt mit einem - von Berrys Gitarre imitierten - Auto-erotischen Horn
und fährt dann ab in einen zischenden Leitplanken-Klang, als wäre die Aufnahme unterwegs entstanden, derweil die Musiker zu ihrem nächsten Auftritt eilten.
MR. ROCK&ROLL ERWARTET UNS also. Fragt sich nur: wie? Mit der schon legendären
schlechten Laune? Oder hält er noch ein paar seiner üblichen Überraschungen bereit
– als da sind kaltschnäuzige Verarschungen, Fußtritte und auch schon mal ein durchgeladenes Gewehr?
Wahrlich, es mangelt nicht an Geschichten über das miese, launische, aggressive, geldgierige, unzuverlässige, zynische, erpresserische Gehabe des Mr. Rock&Roll.
Zu seinen Fans hat er ein gebrochenes Verhältnis. Nur zu oft spielt er mit schlechten,
dafür billigen Bands, deren Mitglieder er erst Tage oder Stunden zuvor aufgelesen hat,
und er spielt kurz – die genaue Zahl der wenigen Minuten pflegt er dem Publikum aus
reinem Sadismus vorher anzukündigen.
Zugaben sind nicht drin.
Und Interviews gewährt er so gut wie nie, und die wenigen Ausnahmen hat er bislang
noch immer dazu benutzt, nichts oder schieren Unsinn zu erzählen. Berüchtigt ist auch
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der Tort, den er Agenten und Veranstaltern antut: Mr. Rock&Roll tritt nur gegen Bargeld
auf, gegen Cash, zahlbar vor Beginn der Show. Damit erst gar kein Zweifel aufkommt an
seiner Prinzipientreue, lässt er die Gitarre mitunter solange im Auto, bis die Lappen auf
dem Tisch des Hauses liegen. Nachzählen tut er höchstpersönlich. Verträge und Quittungen unterzeichnet er hingegen ungern, denn er neigt dazu, in letzter Minute, wenn
der Saal so richtig schön voll ist, noch mal einen Nachschlag aufs Honorar zu verlangen.
Aber was soll’s, nette Menschen gibt’s genug. Vollkommen unbedeutend ist das alles
gegenüber der Tatsache, dass wir diesem schlanken schwarzen Mann ein Dutzend der
besten, wichtigsten, schönsten, einflussreichsten Songs des frühen Rock’n’Roll verdanken, darunter Maybellene (‘55); Roll over Beethoven (‘56); Rock and Roll Music und
School Days (‘57); Sweet Little Sixteen, Reelin’ and Rockin’, Johnny B. Goode, Around
and Around und Carol (‘58); Memphis, Tennessee, Back in the USA und Little Queenie
(‘59); Nadine und No Particular Place To Go (‘64).
Seine Hits hat er zudem nicht nur gesungen und gespielt wie andere Rock’n’Roller, wie
Bill Haley, Jerry Lee Lewis oder Elvis – er hat sie geschrieben, die bessere Hälfte der
Klassiker aus der Frühzeit des Rock. Wäre er so schneeweiß wie er rabenschwarz ist,
die Industrie hätte nicht Muttis Hüftie aus Memphis, sondern den Teenie-Verführer aus
St. Louis zum King gekrönt.
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Fast ein ganzes Jahrzehnt blieb Chuck Berry der bedeutendste Komponist und Poet der
Jugendkultur, bis ihm seine britischen Schüler die Show stahlen: Am Anfang der Musikbegeisterung von John Lennon und Paul McCartney, von Mick Jagger und Keith Richards
stand die Bewunderung für die schwarzen Scheiben des schwarzen Mr. Rock&Roll. Sie
haben von ihm gelernt und geklaut und ihre Karriere auf seinen Songs aufgebaut. Come
on war die erste Single der Rolling Stones, bis dato haben Jagger & Co. über zwanzig
Berry-Werke aufgenommen. Und auch die Beatles landeten zwei frühe Hits mit Versionen von Rock and Roll Music und Roll over Beethoven.
Die Uhr zeigt sechs fünfundvierzig: “Roll over Beethoven”, fordert seine Stimme aus
dem Walkman, als wir den Highway verlassen: Beethoven einfach überrocken und
überrollen, das ist ein Rock’n’Roll-Manifest. “Roll over Beethoven, roll over Beethoven” – die permanente Wiederholung der Zeile am Ende des Songs will den Geist des
Ludwig van ein für alle mal aus dem Diesseits der Musik exorzieren. Und Tschaikowsky
werden die Leviten gleich mit gelesen, bloß keine falsche Bescheidenheit.
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MR. ROCK&ROLL ERWARTET UNS. Fragt sich nur, wo? In der provinziellen Kaufhausreproduktion eines plüschigen Las-Vegas-Showroom? Oder in einer plastikbeschichteten
Gemeindehalle mit dem Charme eines bundesdeutschen Freizeitheims? In einer dieser
finsteren, verrauchten Discos mit Laserlicht, in einem eiskalten New-Wave-Neon-Laden?
Oder gar - oh, Mann, nein - mitten auf der Weide in einer Fertigbau-Scheune!?
Die Uhr zeigt sieben zwanzig: Der Verkehr staut sich. Links der xte Autofriedhof, dann
rechts die entsprechende Ruhestätte für die Fahrer und Fahrerinnen. Ansonsten Kühe,
wohin das Auge blickt. Ordner winken uns auf eine riesige, frischgemähte Wiese, die
den Parkplatz für die rund 3000 Fahrzeuge abgibt, mit denen die 5000 Rock’n’Roller
aller Altersgruppen anreisen.
Eine seltsame Gemeinde, vom Großvater bis zur Enkelin, drängelt sich da zu einer seltsamen Kathedrale: Inmitten der bukolischen Landschaft steht eine Art Heuschober mit
Spitzdach. Den unteren Teil der Wände ersetzen schwere Planen, die jetzt hochgeschlagen sind, so dass das viereckige Gebäude an drei Seiten offen ist. Zusammen mit der
Abendkühle zieht Herbst-Heu-Geruch herein. Das Konzert wird so gut wie auf der Weide
stattfinden. Doch vorher:
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MR. ROCK&ROLL ERWARTET UNS. Fragt sich nur...
“Ich gebe keine Interviews”, sagt Chuck Berry zur Begrüßung, als wir ihm am Ende unserer ein paar tausend Kilometer langen Reise hinter der Bühne gegenüberstehen, und
dann prostet er uns mit seinem Plastikbecher Eistee zu. Der immer noch spindeldürre
schwarze Satyr grinst glücklich über unsere dummen Gesichter. Seine Laune steigt im
selben Maße wie die unsrige fällt.
Charles Edward Anderson Berry, geboren 1926, vermutlich am 15. Januar, vielleicht
aber auch am 18. Oktober – nach einem Vierteljahrhundert des Versteckspiels hat er
immerhin zugegeben, nicht Jahrgang 1931 zu sein –, sieht erstaunlich jung aus für einen
Mann, der demnächst 60 wird. Und von erstaunlich frischer Boshaftigkeit ist er auch.
Warum weigert er sich jetzt, obwohl hoch und heilig versprochen, mit uns zu reden?
Mr. Rock&Roll lächelt sardonisch wie der große Verderber, für den ihn eine ganze Generation von Tugendwächtern hielt.
“Ich muss vorsichtig sein, ich würde glatt all meine Schwächen offenbaren. Ich gerate
leicht in Stimmung. Dann vergesse ich mich selbst und gebe alles preis.”
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Der jugendliche So-gut-wie-Sechziger in
der biederen braunen Hose und dem dazu
unpassenden blauen Hemd wird zunehmend
zufriedener. Den Kragen hält er mit einer
Art Sheriffstern-Krawatte geschlossen, die
vollkommen überflüssige Sonnenbrille hängt,
ganz Fünfziger-Jahre-Playboy, im zweitobersten Hemdknopf. Die Freude, uns zappeln zu
sehen, schwemmt seine schlechte Laune hinweg. Berrys Stimme wird fast emphatisch.
“Kaum zu glauben, was da die Jahre über
schon den Bach runtergegangen ist, ein Haufen Geld, Francs, Pfunde, D-Mark, Dollar. Nur
weil ich mich von meiner Begeisterung habe
mitreißen lassen.
Will Mr. Rock&Roll als Gegenleistung für ein
Gespräch Bares?
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Nein, null Interesse. Er will nur spielen wie die Katze mit der Maus, bevor sie ihr den
Todeskuss gibt.
“Kein Interview?”
“Kein Interview!” sagt Mr. Rock&Roll.
Und beginnt zu sprechen. Von sich, von seinen Eltern, seinen Kindern, von seinen Autos
und vom Rock’n’Roll. Als er sieht, dass ich mitschreibe, zieht er seinen dünnen Mund
schief und bricht mitten im Satz ab. Dann lächelt er plötzlich und zuckt mit den Achseln.
“Tja, ich mach’, was ich will. Auch wenn ich’s gerade noch nicht wollte. Die Leute
sagen, dass ich verhext bin. Aber so muss es eben laufen: sein eigener Herr sein, frei
arbeiten, frei leben!”
Zwei Vor-Teenage-Jungs unterbrechen seine philosophischen Geständnisse. Die Knaben
sind mit irgendwem verwandt und werden deshalb als einzige Fans hinter die Bühne
gelassen.
“Hallo, ich bin Bo Diddley”, sagt Chuck Berry. Die Jungs erröten vor Verzweiflung.
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Die Uhr zeigt sieben vierzig: MR. ROCK&ROLL ERZÄHLT. Fragt sich nur, was. Und ob wir
es mit der Wahrheit zu tun haben.
Die sieht erst mal so aus, dass Mr. Rock&Roll wichtige Abschnitte seines Lebens mit
Gefängnisaufenthalten zu beenden pflegt, bislang dreimal. Geboren 1926 in Kalifornien
und aufgewachsen in St. Louis, schloss er seine Jugend 1944 mit dem ziemlich dilettantischen Versuch eines Raubüberfalls ab, was ihn für drei Jahre in eine Besserungsanstalt
brachte. Als er entlassen wurde, war er einundzwanzig Jahre alt und geriet erst mal in
die künstlerische Unfreiheit des Fließbandarbeiters in einer Autofabrik.
Da er sehr schnell merkte, dass das nicht das Richtige für ihn war, besuchte er die
Abendschule und ließ sich zum Kosmetiker ausbilden, was das Überleben schon ein wenig schöner machte. Doch für Frau, zwei Kinder und ein ordentliches Auto brauchte es
mehr Geld. So begann er nach der Arbeit in einer Band Gitarre zu spielen. Bald gehörte
er zu den musikalischen Lokal-Größen in St. Louis und Umgebung.
Aber was bedeutete das schon?
Also zog er weiter, nach Norden, nach Chicago, in die industrielle Traum-City, in der
schwarze Musiker wie Howlin’ Wolf und Muddy Waters aus dem ländlichen Blues des
Südens den städtischen, elektrisch verstärkten Rhythm&Blues schufen.
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Muddy Waters wurde Chuck Berrys Mentor. Die beiden traten ein paar mal zusammen
auf. Sehr bald schickte Muddy Waters, damals Anfang vierzig, seinen neunundzwanzigjährigen Schützling zur 2120 South Michigan Avenue. Dort residierte Chess-Records, das
Top-Rhythm&Blues-Label, erst Ende der vierziger Jahre von zwei polnischen Einwanderer-Brüdern gegründet – ihr erster R&B-Hit war Muddy Waters Rolling Stone, der Song,
nach dem sich zwanzig Jahre später die Rolling Stones und das Rolling Stone Magazine
nennen sollten und der auch Bob Dylan zu seinem klassischen Like a Rolling Stone animierte.
Chuck Berry fuhr zurück nach St. Louis und nahm auf einem billigen Monogerät zwei
Eigenproduktionen auf. Den Chess-Brüdern gefiel, was sie hörten, und nach sechsunddreißig Studio-Anläufen war die Debut-Single im Kasten. Maybellene wurde im Mai 1955
veröffentlicht und erreichte acht Wochen später die Nummer 1 der R&B-Charts, dabei
ausgerechnet Bill Haleys Rock Around the Clock vom ersten Platz verdrängend.
“Wie war das für einen Ex-Sträfling, Ex-Fließbandarbeiter und Abendschul-Kosmetiker,
plötzlich ein Star zu sein? Nicht mehr jeden Morgen zur Arbeit zu müssen, von den
Mädchen auf der Straße erkannt zu werden und vor allem sich den Cadillac leisten zu
können, den Maybellene fast noch mehr als die Geliebte besingt?”
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“Maybellene war berühmt, Chuck Berry nicht.”
Mr. Rock&Roll mimt den eisernen Eingeborenen. Der Erfolg veränderte sein Leben also
nicht?
“Nein, ich war ja kein Teenager mehr, ich war erwachsen. Ich hatte schon ein Haus,
einen Wagen.”
“Einen Caddy?”
“Nein, einen uralten Ford, ein ‘33er Modell. Aber seitdem habe ich mir siebenundfünfzig Autos gekauft.”
“Und der Hitparaden-Eleve machte erst einmal weiter wie bisher, ging brav in den Friseursalon arbeiten?”
“Nicht direkt.” Chuck grinst. “Das Geschäft litt ein wenig.”
Er strahlt übers ganze Gesicht. Heilfroh, war er, dass der Alltag ein Ende hatte.
Kaum war der Song in den Charts, begann Chuck Berry schon die erste seiner unzähligen Mammuttourneen - 101 Auftritte in 101 Tagen in ein paar Dutzend Städten. Da wird
das Friseur-Geschäft allerdings ein wenig gelitten haben.
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“Heute mitgerechnet bin ich...” Chuck krumpelt seine hohe Stirn. Man sieht, wie er
über eine Zahl nachdenkt, die einem bekloppten Journalisten mit seiner bekloppten
Neugier glaubhaft erscheinen könnte. “Also, genau 2408mal bin ich aufgetreten.”
Je skeptischer ich gucke, desto harmloser strahlt mich Chuck an. Der Mann ist ein
lebendes Paradox. Wie kann einer so aalglatt und zugleich so grob sein? Und so sympathisch!
“Soll das allen Ernstes eine exakte Zahl sein?” frage ich vorsichtig.
Mein Misstrauen weckt den Ehrgeiz von Mr. Rock&Roll.
Reporter in die Pfanne hauen ist einfach toll. Chucks Laune steigt ins Verdächtige. Er
grinst verschämt und klimpert mit den Wimpern wie eine Barbie-Puppe.
“Klar, exakte Zahl. Nichts als Fakten. Nur auf die kommt’s an. Ich hab’ das alles in meinem Computer zu Hause.”
Das Lied vom Computer, in dem alles bis aufs Komma genau steht, geht direkt über in
die alte Arie vom großen Buch seines Lebens, an dem Mr. Rock&Roll seit Menschengedenken arbeitet – weshalb er keine Interviews gibt, denn die Presselümmel verdrehen
alles, also schreibt er es jetzt selbst usw. Die Geschichte haben schon drei Generatio-
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nen von Rock-Journalisten zu hören bekommen. Der Computer allerdings ist neu. Und
neu ist, dass Mr. Rock&Roll nach Absingen der Arie den Reporter nicht rausschmeißt.
“Fangen wir damit an, wie alles begann”, versuche ich es ganz vorsichtig auf die konventionelle Tour.
“Im Kirchenchor, mit sechs Jahren...”
“Rock’n’Roll?”
“Was?” Chuck schaut mich an wie jeden anderen Verrückten auch.
“Diese Musik”, sage ich, “du weißt schon...”
“Wir nannten das noch nicht Rock’n’Roll.”
“Wie denn?”
“Gar nicht.” Chuck scheint beleidigt. “Man hat einfach Musik gemacht. Die Leute, die
die Etiketten erfanden, kamen erst später.”
“Okay, Kirchenmusik...”, sage ich. “Aber vielleicht gab es noch andere Vorbilder...?”
“Ich hätte Prediger werden sollen”, sagt Mr. Rock&Roll mit einer Ironie, an der nun
wirklich nichts Feines mehr ist, und geht zur Bühnentür, um einen Blick aufs Publikum
unten auf der Weide zu werfen.
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Ganze Familien sind da, um einen drauf zu machen. Die jüngsten tragen noch Windeln,
die ältesten sind gerade so alt wie Mr. Rock&Roll. Beste Laune allerseits. Denn das ist
nicht einfach irgendein Sonnabend in irgendeiner Stadt. Das ist DER SAMSTAGABEND auf
dem Lande. Und hier wissen die weisen weißen Leute noch – keiner von der schwarzen
Bevölkerungsmehrheit drunter –, was sie einem Sonnabend schuldig sind.
Warum?
Weil sie noch wissen, was ein Sonntag ist. Mit Kirche, Braten und allem Zubehör.
Chuck amüsiert sich, als würde er denken: Vor dem Gottesdienst ist Spaß angesagt,
auf Teufel komm raus. Aber vielleicht hat er doch Biblischeres im Sinn? Ingrid, seine
Tochter, wird mir später über ihre eigene Jugend sagen: “Wir wurden gottesfürchtig
erzogen.”
Chuck hampelt ein bisschen im Raum herum, zapft neuen Tee, versieht ihn mit Eis und
setzt sich schließlich wieder neben mich.
“Nat King Cole mochte ich, und Glen Miller.” Er summt ungefähr drei Töne einer Melodie und fragt: “Was ist das?”
Ich zucke mit den Achseln.
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“Glen Miller, In the Mood. Das war die erste Platte, die ich mir in meinem Leben gekauft habe.” Er schaut mich mitleidig an. “Richtige Teenager-Musik wie heute gab es ja
noch nicht.”
“Wie hast du geübt, damals zwischen 1940 und 1955? Warst du Plattensammler? Hast
deine Lieblingssongs von den Scheiben nachgespielt, wie es Jagger und Lennon, McCartney und Richards später mit deinen Hits gemacht haben?”
“Nein, in meinem ganzen Leben habe ich mir vielleicht zehn Schallplatten gekauft – natürlich die nicht gerechnet, die für meinen Nightclub angeschafft wurden.”
Der Mann, dessen Ruhm und Wohlstand auf Abermillionen Vinylscheiben ruht, ist sichtlich stolz auf seine Musikkonsum-Abstinenz.
“Außerdem, als Teenager besaß ich überhaupt keinen Plattenspieler. Wir waren nicht
so wohlhabend. Ich habe viel Radio gehört, was aber auch nicht so einfach war. Denn
es gab nur eins im Haus, ich musste warten, bis ich es ganz für mich allein hatte. Und
dann musste ich sehr vorsichtig damit umgehen. Man durfte nicht einfach an den Knöpfen rumdrehen. Es war ja ein ungeheuer kostbares Möbel.”
“Keine Schwierigkeiten mit den Eltern wegen der Liebe zur Lärmmusik?”
“Oh no.”
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“Und deine eigenen Songs, haben die deinen Eltern gefallen”?
“Oh yeah.”
Die Mehrheit der Erwachsenen dachte in den Fünfzigern allerdings nicht so. Vor allem
beim weißen Mittelstand war Mr. Rock&Roll höchst unbeliebt. Denn im Unterschied zu
anderen schwarzen Rock’n’Rollern, zu Fats Domino, einem überschweren schwitzenden
Monster, oder zu Little Richard, einem pumpstragenden und parfümierten Vorgänger
der Transsexuellen-Mode, stellt der athletische Beau aus St. Louis eine sexuelle Bedrohung dar. Zumal seine Songs Loblieder auf nichts anderes als das eine sangen.
Im August 1959 wurde Chuck Berry in Mississippi verhaftet, weil er sich angeblich –
welch unglaubliche Sauerei – mit einem weißen Mädchen verabredet hatte. Die Sache
ging noch mal glimpflich aus. Doch wenig später hatten sie diesen, wie Berry von sich
selbst dichtete, “brown-eyed handsome man”: Der braunäugige, gutaussehenden Mann
hatte eine vierzehnjährige Prostituierte über die Staatsgrenze gebracht und in seinem
Nachtclub als Garderobiere angestellt.
Nach zwei Jahren und zwei Prozessen – das erste Urteil musste wegen allzu offenen
Rassismus für ungültig erklärt werden – wurde Berry zu fünf Jahren Gefängnis verur-
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teilt. Im Februar 1962 zog die Justiz den Schrecken aller ordentlichen Amerikaner für
eine Weile aus dem Verkehr.
Noch während er zum zweiten Mal im Knast saß, begann die zweite Welle des Rock.
Und seine Songs waren nicht wenig daran beteiligt. Die Beach Boys kalifornisierten den
Text von Sweet Little Sixteen und landeten mit Surfin’ USA ihren ersten Hit. Beatle- und
Stones-Versionen von Berry-Songs folgten auf dem Fuß.
So kam es, dass Chuck Berry, als er Ende 1963 vorzeitig entlassen wurde, plötzlich zum
Altmeister des Rock’n’Roll geworden war. Eine seltsame Erfahrung, wie er damals in
seltener Offenheit der Presse anvertraute: “Manchmal hören Kids Platten von mir, und
dann sagen sie: Mann, der Typ spielt ja ‘ne Rolling Stones-Nummer!”
Mr. Rock&Roll, dessen Karriere durch den Knast einen endgültigen Knick bekommen
hatte – sieht man einmal davon ab, dass er Pleite war und dass ihn seine Frau unter
Mitnahme der Kinder verlassen hatte –, rettete sich in demonstrativen Zynismus und
launische Menschenfeindlichkeit. Kollegen und Freunde wie etwa Carl Perkins (Blue Suede Shoes) erkannten den umgänglichen Kerl von einstmals kaum wieder.
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Die Uhr piept acht: Ein paar Mitglieder der Begleittruppe kommen sich vorstellen. Der
Saxophonist, ein freakiger Mittdreißiger, drückt sich verschüchtert um uns herum wie
ein Butler, der gerade bemerkt, dass er den Nachtisch in der Ming-Vase serviert hat.
“Mr. Berry, es ist ein Vergnügen, mit Ihnen auftreten zu dürfen.”
Chuck heuchelt nur mäßig Interesse. Ein paar der Leute sieht er augenscheinlich zum
ersten Mal. Sollen die doch alleine üben, er kann seine Lieder schon ...
“Saxophon”, sagt er gleichgültig zum Saxophonisten, “wollte ich immer mal lernen.”
Der Mittdreißiger lächelt.
Chuck lächelt.
Der Saxophonist weiß nicht, was er noch sagen soll.
Chuck hält den Mund.
Ich tue so, als wäre ich nicht da.
Der Saxophonist sagt: “Also dann”, und macht den Abgang.
Ich bin nicht da.
Chuck geht in seine Garderobe.
Chuck kommt wieder.
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Dass ich gar nichts mehr sage, ist ihm auch nicht recht.
“Icchk llliieppe deik”, radebrecht er, um gut Wetter zu machen. Denn es ist einfach
ärgerlich für die Katze, wenn die Maus zu früh krepiert.
“Ich liebe dich”, verbessere ich.
“Yeah, icchk llliieppe deik”, wiederholt er.
Wenn er so weiter macht, wird er sich den Kiefer brechen. Zur allgemeinen Erleichterung erzählt er auf Englisch weiter – wie er in ganz Hamburg keine “Sweinechops”
bekommen hat.
Die Uhr zeigt acht fünfundzwanzig: In einer halben Stunde wird Mr. Rock&Roll auftreten. Ein Typ kommt und fragt, wo er die Mikros hinstellen soll. In Sekundenschnelle ist
Berry genervt.
“Keine Ahnung, Mann!”
“Wo wirst du denn ...”
“Mal hier, mal da. Ich gehe auf die Bühne und fange an zu spielen. Ich überlege mir das
vorher nicht.”
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Chuck guckt weg, der Mann ist ihm lästig. Die tiefen müden Augen von Mr. Rock&Roll
schauen wie ein alter Kahn auf der Suche nach seinem Rettungsanker.
“Ich arbeite, wie ich lebe. Ohne Plan.”
Der Junge gibt endlich auf und zieht ab. Weiß Gott oder der Teufel, wo die Mikros hinkommen.
“Ich werde sie schon finden”, sagt Chuck.
Die Uhr zeigt acht vierzig: Mr. Rock&Roll verschwindet in seiner Garderobe und zieht
sich zur Show um. Als er wieder auftaucht, ist an die Stelle der dezent braunen eine
grell gelbe Hose getreten, deren geschmackloser weiter Schlag auf ihre Herkunft aus
den siebziger Jahren schließen lässt. Ein buntes Hemd in den ungefähren Farben des
Sternenbanners rundet die Kostümierung fürs Provinzpublikum ab.
Mr. Rock&Roll setzt sich wieder in den Sessel neben mich und schweigt.
Höchste Zeit für ein paar der superintelligenten Fragen, auf die man nie eine vernünftige Antwort kriegt.
“Du giltst als Poet der amerikanischen Massenkultur, als Messdiener in den Kathedralen
des Wohlstands, du singst Hymnen auf Statussymbole und Konsum...”
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Schweigen.
“Deine Texte rühmen die Reize von Geschwindigkeit, Tanzen, Sex. In einer simplen,
minimalistischen Alltagssprache verkünden sie die Schönheit von Cadillacs und kurzen
Röcken, von Motels und Schnellimbissen, loben die flüchtigen Genüsse auf den Highways und Parkplätzen ...”
Chuck lächelt versonnen, ich habe den Eindruck, dass er ganz woanders ist. Doch er
zwinkert mir sofort zu, als ich aufhöre zu reden.
“Okay”, mache ich weiter, “du liebst die Reize von Hamburgern und hockhackigen
Schuhen, die Gemütlichkeit von Drive-ins ...”
“Ich war in meinem Leben noch in keinem Drive-in”, sagt Chuck beiläufig und fummelt
in seinem Eistee herum.
“Du hasst Drive-ins?”
“Nein.”
“???”
“Genaugenommen sind sie mir egal.”
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“Dafür hast du ziemlich viel davon gesungen: Wie froh bin ich in den USA zu leben, wo
die ganze Nacht auf den offenen Grills die Hamburger brutzeln ...”
“Ich habe über das geschrieben, was ich gesehen habe. Wenn ich in den Songs erzählt
hätte, was ich selbst so trieb – oh, Mann, die Leute waren damals sehr streng!”
Vor allem mit Schwarzen und vor allem im Süden. Die Wohnviertel und die Lokale, die
öffentlichen Toiletten und sogar die Trinkbrunnen wurden strikt nach Hautfarbe getrennt wie heute nur noch in Südafrika. Auf Schritt und Tritt begegnete Berry reizender
Rassendiskriminierung. Nur zu oft musste er sich etwa sein Essen von weißen Bandmitglieder aus den Restaurants holen lassen und alleine im Tourneebus essen.
“Wie fühlte man sich als schwarzer Junge mit großen Ambitionen im Süden? War
Rock’n’Roll für Schwarze damals so etwas wie Boxen, ein Weg nach oben?”
“LISTEN TO THE MUSIC”, sagt Mr. Rock&Roll: “Hör auf das, was ich singe.”
Die Uhr piept neun: Mr. Rock&Roll erobert die Bühne. Er schwingt sich die Gitarre um
den Giraffenhals und würdigt das Publikum eines Seitenblickes.
Das reicht. Johlen, Pfeifen. Lärm, der kilometerweit die Kühe erschrecken muss.
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“Gut’n’ab’nd”, sagt Mr. Rock&Roll. So höflich, als wäre das keine Vorstellung, sondern
ein Vorstellungsgespräch. “Ich bin Chuck Berry.”
Noch so ein Satz und die Leute, gesittete Menschen allesamt, werden den Laden auseinandernehmen. Aber Chuck weiß, wie man einen Haufen Weißer runter kriegt.
“Wir machen jetzt genau 35 Minuten Musik”, sagt er mit viel Gemeinheit in der
Stimme.
“Oh, mein Gott”, stöhnt seine Tochter Ingrid, die neben mir im Seitengang der Bühne
steht. Sie ist ein Vierteljahrhundert jünger als ihr Vater und eine ganze Menge schöner,
als es ein Mann jemals sein wird.
Mr. Rock&Roll wringt seine Gitarre, dass man denkt, er wolle die Wäscheschleuder
noch einmal erfinden: “Hail, hail, Rock’n’roll...” Sehr bald schon beginnt er den ersten
seiner legendären “Duckwalks”: Er geht in die Hocke und hopst auf Zehenspitzen die
Bühne auf und ab, sein Instrument dabei umklammernd wie ein Gondoliere das Ruder.
Kaum zu glauben, dass damals die puritanischen Sittenwächter diesen gierig-eleganten
Entengang, der heute Gefahr läuft, wie eine Art Aerobic für Ischiaskranke zu wirken,
als wüsten Ausbruch wilder Sinnlichkeit fürchteten. Auf Chucks Gesicht zeigen sich im
blau-roten Bühnenlicht die ersten Schweißtropfen:
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“Meine Temperatur steigt, die Musikbox haut die Sicherungen durch, mein Herz schlägt
den Rhythmus, meine Seele singt dazu den Blues ...”
Chuck streichelt und knutscht seine Gitarre, als wäre er mit ihr in der dunkelsten Ecke
einer Teenie-Diskothek. Immer lustvoller werden ihre Töne. Ingrid hält es nicht. Sie bearbeitet den Boden mit ihren hohen schwarzen Pumps. In den hinteren Reihen springen
die ersten Leute auf und beginnen zu tanzen. Doch im selben Maße, wie sein Publikum
ausrastet, wird Chucks Gesicht eisern.
“Er macht mich nervös, wenn er nicht lächelt”, sagt Ingrid.
Sie gibt ihm Zeichen und zieht sich, als Mr. Rock&Roll endlich zu ihr schaut, mit den
Fingern die Mundwinkel auseinander: Smile, lächele, lächele!
Chuck starrt böse durch sie durch. Schließlich stoppt er die Musik abrupt, beugt sich
zum Publikum runter und sagt sardonisch: “Ihr sagt, was - wir spielen’s.”
Das ist Fernseh-Politik: Gib den Leuten, was sie wollen, besser kannst du sie nicht für
dumm verkaufen. Was folgt, ist eine Kaskade von Golden Hits, in die Mr. Rock&Roll
jeweils so plötzlich einsteigt, dass die Begleitband verzweifelt. Alle suchen krampfhaft
nach den richtigen Tönen, bis sie kapiert haben, welchen Song Chuck gerade begonnen
hat. Hat sich die Band dann reingefunden, steigt Mr. Rock&Roll schon wieder aus, dabei
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der Gitarre an den Hals klopfend wie einem lieben alten Bekannten, dem er gerade die
Luft abdreht. Ingrid wird immer nervöser.
“Als ich Reelin’ and Rockin’ schrieb, war sie vier Jahre alt ...”, lächelt Papa Chuck.
Ingrid hüpft auf die Bühne, reelin’ and rockin’. Eine hüftenschwenkende Zweideutigkeits-Nummer beginnt, die atemlos macht und von den angeblichen Wurzeln des
Rock’n’Roll nicht mehr sehr weit entfernt ist.
“Ich war immer noch am Rocken”, prahlt Chuck und verdreht die Augen und kreist mit
dem Unterleib, um keinen Zweifel daran zu lassen, was da hin und her gerockt. Immer
mehr Männer im postpuritanische Farm-Publikum schlagen sich und ihren sichtlich auflebenden Frauen auf die Schenkel, dass man meint, es knallen zu hören.
“Sie wartete nicht mal drei Minuten, bevor sie sagte: Gib mir mehr davon ...”
Johlen, Kreischen. Das Inzest-Duo mit Holzfäller-Charme begeistert, die Hälfte des Publikums tanzt im Stehen und auf den Stühlen.
“She let me turn her around and do it again!”
Chuck rockt frenetisch. Ingrid wehrt ab und tut empört. Dann reckt sie ihren SatinHintern in Richtung Mr. Rock&Roll. Das gibt dem Publikum auf der Weide den Rest. Der
schwarze Verführer wiederholt:
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“Sie ließ sich von mir umdrehen und es mich noch einmal machen.”
Die gottesfürchtige weiße Gemeinde schreit wie ..., nein, im Orgasmus.
Mr. Rock&Roll hat erreicht, was er wollte. Sofort geht er daran, den Abgang vorzubereiten.
“You want us to stop”, singt er, “Ihr wollt, dass wir aufhören?”
“No”, brüllen 5000 Münder.
“Noooo”, brüllt Ingrid.
Chuck, sanft rockend: “We gotta go...”
Ingrid: “I don’t wonna to ...”
Chuck rockt davon ... davon ... und von der Bühne.
Kein Pfeifen, kein Klatschen, kein Brüllen, kein Buhen bringt ihn zurück. Die 35 Minuten
sind rum, Zugaben nicht drin.
In anderthalb Stunden aber wird die Uhr elf piepen und die zweite Show des Abends beginnen. Mr. Rock&Roll wird wieder seine Goldenen Hits spielen und dann weiter jagen,
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die Straße runter und manchmal auch wieder rauf, Kohle machen, Cash kassieren, Fans
düpieren.
“With No Particular Place To Go”, ohne bestimmtes Ziel, ohne irgendwohin zu wollen.
Ein manischer König des Rock&Roll, ein König Ohneland, der gerade dabei ist, die dritte
Generation von Fans zu überleben.
Rock, Rock, Rock’n’Roll. Als wäre das Perpetuum Mobile endlich erfunden.
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Commons, 171 Second
Street, Suite 300, San
Francisco, California
Impressum
Druckgeschichte
Mister Rock & Roll. (Erschienen unter dem Titel: „Der wilde Sechziger”)
In: STERN (45/1986), S. 34-37 / S. 246. Nachdruck in der italienischen
Wochenzeitschrift EPOCA unter dem Titel: „Rock‘n‘Roll Che Bombe I Patriachi”
(n. 1885 / 21. 11. 1986), S. 66-70.
Digitaler Reprint
Dieses Dokument wurde von George und Gundolf S. Freyermuth in Adobe InDesign und Adobe Acrobat erstellt
und am 5. Mai 2011 auf www.freyermuth.com unter der Creative Commons License veröffentlicht (siehe Kasten
links). Version: 1.0.
Über
den
Autor
Gundolf S. Freyermuth ist Professor für Angewandte Medienwissenschaften an der ifs Internationale Filmschule
Köln (www.filmschule.de). Weitere Angaben finden sich auf www.freyermuth.com.
94105, USA.
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