Entwicklung und Anwendung eines hydrogeochemischen

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Entwicklung und Anwendung eines hydrogeochemischen
Entwicklung und Anwendung eines hydrogeochemischen Stoffflussmodells
Stoffflussmodells zur Beschreibung
konzentrationsbestimmender Prozesse im Rohwasser der Wassergewinnung
Wassergewinnung Liedern
der Bocholter EnergieEnergie- und Wasserversorgung GmbH (BEW)
Dorothea Denzig
Fragen 3 und 4:
Einleitung
Wie können diese konzentrationsbestimmenden Prozesse in ein hydrogeologisches Stoffflussmodell integriert werden
Die BEW betreibt die Grundwassergewinnung Liedern (Abb.1) in
einem intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebiet
und kann die Rohwasserqualität der Gewinnung Liedern retrospektiv mit einer hydrogeochemischen Modellierung
am Ostrand
nachvollzogen werden?
der Niederrheinischen Bucht. Zur Beschreibung konzentrationsbe-
Die ablaufenden Prozesse wurden schrittweise in eine Eingabedatei des hydrogeochemischen Rechenprogramms PHREEQC
stimmender Prozesse wurden vier Fragen bearbeitet. Die Bean-
FOTO
umgesetzt und die Wasserbeschaffenheit berechnet.. Das Stoffflussmodell (Abb. 4) wird nach jeder Entwicklungsstufe so lange
twortung der Fragen erfolgte schrittweise durch den Aufbau eines
um weitere Teilprozesse erweitert bis die Veränderungen in der Wasserbeschaffenheit (Abb. 5) nachvollzogen werden können.
hydrogeochemischen Stoffflussmodells nach dem Leitfaden zur
Modellierung der Beschaffenheitsentwicklung von Rohwässern
Berechnung der Auswirkungen geogener und anthropogener Einflüsse auf die Grundwasserbeschaffenheit wurde das Programm
.PHREEQC genutzt (PARKHURST, 1995; PARKHURST & APPELO,
Stickstoffeintrag
Stickstoffeintrag
(0.0 – 1.8 mmol/l)
(VAN BERK & HANSEN, 2006; VAN BERK, 2000). Als Software zur
Flusswasser
Bocholt Aa
Ca 2+ (aq)
Mg 2+ (aq)
SO42-(aq)
NO3- (aq)
∑CO2 (aq)
pH
Temp
1.750 mmol/
0.284 mmol/l
0.761 mmol/l
0.254 mmol/l
3.340 mmol/l
7.8
17°C
----------------------------O2(g)
-0.67
Sickerwasser
unter
Acker/Grünlandflächen
Bodenzone
Boden
-----------------------------0.67
O2(g)
-----------------------------0.67
O2(g)
-1.75
CO2(g)
Bodenzone
-----------------------------
unter
Grünlandumbruch
-0.67
O2(g)
CO2(g)
-1.40
Mackinawit 0,0008
Disulfid-Abbauzone
--------------------------Markasit
0.003
Pyritoxidationszone
--------------------------Pyrit
0.009
Pyrit
Fe(OH)3(a) 0.08
0.0
Grundwasser
unter
Grundwasser
Acker/Grünlandunter
flächen
Acker/Grünland
flächen
Pyritoxidationszone
--------------------------Pyrit
0.08
Fe(OH)3(a) 0.0
Calcit
0.0
Grundwasser
unter
Bocholter Aa
Fe(OH)3(a) 0.0
Calcit
0.0
Disulfid-Abbauzone
Grundwasser
unter
Acker/Grünlandflächen
Methodik und Ergebnisse
Frage 1:
Reduzierte Zone
---------------------------
Grundwasser
unter
Bocholter Aa
Wie hat sich die Rohwasserbeschaffenheit im Laufe der Betriebszeit der Wassergewinnung Liedern insgesamt
Pyrit
Calcit
Siderit
entwickelt?
Grundwasser
unter
Acker/Grünland
Grundwasser
flächen
unter
Acker/Grünlandflächen
0.08
0.0
0.0
+ 0,0006 mol CH2O
(Sulfatreduktion)
--------------------------Markasit
0.003
Pyrit
0.009
Fe(OH)3(a) 0.0
Reduzierte Zone
--------------------------0.08
Pyrit
0.0
Calcit
Reduzierte
Zone
--------------------------0.0
Siderit
Markasit
0.003
Pyrit
0.009
Pyritoxidationszone
---------------------------
Grundwasser
unter
Grünlandumbruch
Fe(OH)3(a) 0.0
Calcit
0.0
Reduzierte Zone
--------------------------Pyrit
0.08
Calcit
0.0
Siderit
0.0
Grundwasser
unter
Grünlandumbruch
+ 0,0012 mol CH2O
(Sulfatreduktion)
+ 0,0006 mol CH2O
(Sulfatreduktion)
Die Abb.2 zeigt die Entwicklung der Rohwasserbeschaffenheit der Gewinnung Liedern. Für die Konzentration der einzelnen
Parameter gilt:
Nitrat
Bodenzone
----------------------------O2(g)
CO2(g)
-0.67
-1.40
Grundwasser
unter
Grünlandumbruch
Oxidierte Zone
--------------------------Calcit
0.0
BrunnenVerockerung
--------------------------Fe(OH)3(a)
3.0
Rohwasser
Rohwasser
Chlorid
(0 - 1.8 mmol/l)
Sickerwasser
unter
Grünlandumbruch
Abb. 1: Foto Ansicht Wasserwerk Liedern
1999).
Sulfat
Stickstoffeintrag
(6,25 – 12,5 mmol/l)
Sickerwasser
Eisen
160
Sulfat:
100
80
60
Nitrat:
immer <10 mg/l.
Eisen:
ca. 3,5 mg/l.
pH:
fast alle im neutralen Bereich, pH 7,05
40
20
0
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
bis pH 7,36.
∑CO2(aq): kontinuierlicher Anstieg von ca. 90 mg/l
8
pH-Wert
Anstieg von 60 mg/l auf 140 mg/l
(± 20 mg/l) bis heute.
120
auf 190 mg/l.
7
zugeordnet und alle weiteren Sulfatkonzentrationen in relative Prozessintensitäten umgerechnet (Abb. 5). Zu jeder
Sulfatkonzentration gehört ein Messwert für Eisen, Nitrat, pH, Σ(Ca2++ Mg2+) und CO2-gesamt(aq) mit gleicher Prozessintensität.
Aus diesen gemessenen Werten wird eine Zielfunktion erstellt, an der das Ergebnis aus der hydrogeochemischen Modellierung
so lange geeicht wird, bis die gemessenen Werte mit den modellierten Werten übereinstimmen (Abb. 5). Dazu waren sechs
Modellschritte erforderlich (Tab. 1).
Calcium: Anstieg von rd. 70 auf 125 mg/l. Ab
6
1955
1960
1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2,0
1983 konstant bei ca. 125 mg/l.
Magnesium:konstant ca. 10 mg/l.
200
180
160
Konzentration[mg/l]
Abb. 4: Stoffflussmodell der letzten Modellentwicklungsstufe mit allen berücksichtigten Prozessen
Zuvor wurden der höchsten gemessenen Sulfatkonzentration von 1,61 mmol/l eine maximale Prozessintensität von 100 %
140
120
100
Sulfat (gem)
Konzentration[m
m
ol/l]
Konzentration[mg/l]
140
80
Eisen (gem)
Nitrat(gem)
Sulfat (ber)
Eisen (ber)
Nitrat (ber)
Modellentwicklungsstufen
Stickstoffeintrag und Nitratreduktion
1,0
durch Pyritoxidation
+ Infiltration der Bocholter Aa
0,5
60
+ Reaktion mit Karbonaten und CO2-
40
Abb. 2: Entwicklung der Rohwasserbeschaffenheit der
Gewinnung Liedern.
20
1960
1965
1970
1975
CO2 (aq)
1980
1985
1990
1995
Calcium
2000
0,0
8 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Magnesium
Gehalt der Bodenluft
+ Organischer Kohlenstoff und
2005
pH-W
ert
0
1955
Tab. 1: Modellentwicklungsstufen und
integrierte Teilprozesse
1,5
Frage 2:
Welche hydrogeochemischen Prozesse laufen im Grundwasserleiter ab, die die Rohwasserbeschaffenheit und
damit auch die Nitratkonzentration bestimmen?
Sulfatreduktion
7
pH-Wert (gem)
+ Grünlandumbruch mit Oxidation von
pH-Wert (ber)
6
5,5
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Biomasse und Eisenmonosulfiden
= Rohwasserbeschaffenheit Liedern
5,0
4,5
Bocholter Aa
Ackerland/Grünland
Förderbrunnen
Liedern
ungesättigte
Zone
4,0
Konzentration[m
m
ol/l]
Der Grundwasserleiter wird in Zonen (Abb. 3) eingeteilt, in denen unterschiedliche hydrogeochemische Reaktionen ablaufen:
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
Grundwasser Zone
∑ CO(gem)
CO2
2(aq) (gem)
0
Grundwassergeringleiter
oxidierte Zone
Pyritoxidationszone
20
30
∑ EAK: Ca,(gem)
Mg (gem)
Erdalkalien
50
60
70
∑ EAK: Ca (ber)
(ber)
Erdalkalien
80
90
100
Zusammenfassung
reduzierte Zone
Das Ergebnis der hydrogeochemischen Modellierung zeigt (Abb. 5), dass mit diesem Stoffflussmodell (Abb. 4) die gemessene
a)
Gasaustausch mit den Gasphasen der Bodenluft, Aufnahme und Umsetzung von Stickstoffdüngern,
b)
Stofffreisetzung durch Grünlandumbruch.
2.
Grundwasserzone in der das Sickerwasser oder Oberflächenwasser der Bocholter Aa eintritt und als Grundwasser zu
den Förderbrunnen strömt. Unterteilung in
oxidierter Zone in der keine Nitratreduktionsprozesse erfolgen, da kein Pyrit vorhanden ist,
b)
Pyritoxidationszone, mit einer Nitratreduktion und Eisenoxidation und Abnahme des Pyritgehaltes,
c)
reduzierter Zone, in der organischer Kohlenstoff oxidiert und Sulfat reduziert wird. Dadurch kann Pyrit neu gebildet
werden.
Rohwasserbeschaffenheit der Gewinnung Liedern retrospektiv mit einer hydrogeochemischen Stoffflussmodellierung
nachvollzogen werden kann.
LITERATUR
PARKHURST, D.L. (1995): Users Guide to PhreeqC - a Computer Program for Speciation,
Reaction-Path, Advective-Transport and Inverse Geochemical Calculations.- U.S. Geological
Survey Water-Resources Investigation Report 95 – 4227: 143 S.; Lakewood, Colorado.
VAN BERK, W. (2000): Hydrogeochemische Modellierung als Instrument zur
Wirkungsanalyse hydrogeochemischer Prozesse. Berichte aus der Geowissenschaft, 270 S.
Shaker, Aachen.
PARKHURST, D.L.; APPELO, C.A.J. (1999): Users Guide to Phreeqc (Version 2) - a
computer program for speciation, batch-reaction, one-dimensional transport and inverse
geochemical calculations.- U.S. Geological Survey. Water-Resources Investigations Report 99
– 4259; 312 S.; Denver, Colorado; USA.
VAN BERK, W.; HANSEN, C. (2006): Hydrogeochemische Stoffflussmodelle. Leitfaden zur
Modellierung der Beschaffenheitsentwicklung von Grund- und Rohwässern. Springer Verlag
Berlin, Heidelberg, New York, 226 S.
Förderbrunnen: Mischung der Wässer, Bildung von Eisenoxidmineralen (Brunnenverockerung)
Dipl.-Geol. Dorothea Denzig
Tel.:
02871 – 954 - 360
E-Mail: [email protected]
40
Prozess-Intensität rel. [%]
Ungesättigte Zone (Bodenzone):
3.
10
Abb. 3: Schnitt durch den Grundwasserleiter
mit den geochemisch definierten Teilzonen
1.
a)
∑
CO2(aq)
(ber)
CO2
(ber)
0,0
Abb. 5 (links):
Wasserbeschaffenheit des Stoffflussmodells nach
der letzten Modellentwicklungsstufe 6; Darstellung
der berechneten (ber) Stoffkonzentrationen (farbige
Symbole) im Vergleich zu den gemessenen (gem)
Konzentrationen (graue Symbole)
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, wird die Zukunft nicht in den Griff bekommen“
(Golo Mann)