Zukunftsklau – mit uns nicht! - DGB

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Zukunftsklau – mit uns nicht! - DGB
Newsletter der DGB-Jugend Ausgabe März 2007
A 8895
soli aktuell
inhalt
3 ausbildung + beruf
EQJ-Praxis: Kritik von Bundesrechnungshof und DGB
OECD: Jugendarbeitslosigkeit
ist zentrales Problem
DGB-Jugend: Open Space
4 projekte
Abgeräumt: DGB-Jugend-Bandwettbewerb – das Finale
UN: Handbuch zum Jugend-Aktionsprogramm
Alternativer Ecofin: Wirtschaftspolitik für ein anderes Europa
5 thema
Azubis 2007: Wie steht’s
mit Finanzen?
Gegen Rentenpläne – die Gewerkschaftsjugend am 9. März 2007 in Berlin
6 azubi-berater
Zukunftsklau –
mit uns nicht!
Am 9. März 2007 wurde in
Berlin das neue Rentengesetz
verabschiedet: Die Gewerkschaftsjugend antwortete mit
heftigen Protesten vor dem
Bundestag.
us der Bude in die Grube« – so lautete einer der wütenden Slogans
von IG Metall- und DGB-Jugend
bei ihrer Kundgebung vor dem Bundestag
in Berlin am 9. März 2007, ein anderer: »Arme sterben früher«. Drinnen lief die namentliche Abstimmung über die Anhebung
des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre – und
sie wurde von einer großen Mehrheit der
Abgeordneten beschlossen. Gegen diese
Pläne hatte die Gewerkschaftsjugend zur
Demonstration aufgerufen. Über 2.500
Azubis und junge Arbeitnehmer kamen.
A
Von Anfang an haben die Gewerkschaften
die Rentenpläne der großen Koalition mit
heftigen Protesten begleitet: Sie sehen vor,
dass das Renteneintrittsalter ab 2012
schrittweise bis zum Jahr 2029 auf 67 Jahre
angehoben wird. Wer mit 65 Jahren aufhö-
ren will zu arbeiten, soll ordentlich Abschläge in Kauf nehmen.
Dass gerade junge Arbeitnehmer dagegen auf die Straße gehen, liegt auf der Hand:
Faktisch ist dies eine Rentenkürzung, von der
die junge Generation in besonderem Maße
getroffen wird. Demo-Teilnehmerin Jennifer
Jung, 23, Betriebsrätin aus Offenbach: »Das
bedeutet: Lebensplanung ist kaum möglich.
Wenn in den Betrieben weniger Leute in den
Ruhestand gehen können, wird an Ausbildungsstellen und Neueinstellungen gespart.«
Zusätzliche Jobs für Ältere wird es wohl
auch kaum geben. Müssen sie länger in den
Betrieben bleiben, geht das auf Kosten der
Jugend. Weder Jung noch Alt profitieren davon. IG Metall-Bundesjugendsekretär Michael Faißt: »Schon heute ist es die Ausnahme, dass jemand das volle Rentenalter
von 65 erreicht.« Die Bundesregierung hatte im Vorfeld argumentiert, ein höheres
Renteneintrittsalter garantiere stabile Versicherungsbeiträge und sei damit im Interesse gerade junger Arbeitnehmer.
Augenwischerei, kontert man bei der
Gewerkschaftsjugend: »Rente mit 67 ist vorsätzliche Körperverletzung«, so IG Metall-
Verhandlungssache: Termin
beim Chef
7 landesbezirke +
gewerkschaften
Medienbranche: Vorstoß in
Sachen Praktikum
Mann Markus Plagmann. Stabil bleiben die
Beitragszahlungen allenfalls für die Arbeitgeber. Für Arbeitnehmer bedeutet die Anhebung der Altersgrenze, dass sie privat
vorsorgen müssen – also erheblich drauf
zahlen. Die Frage ist nur: Wie soll das gehen,
wenn das neue Rentengesetz für eine Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit sorgt?
Für die Gewerkschaften allgemein und die
Gewerkschaftsjugend im besonderen ist
der Kampf gegen diesen weiteren sozialen
Kahlschlag nicht beendet. DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf: »Das Thema
Rente wird uns auf jeden Fall weiter beschäftigen, was die Perspektiven und Chancen der Jugend angeht.«
Die Gewerkschaften wollen auf keinen
Fall Ruhe geben. DGB-Chef Michael Sommer hat bereits angekündigt, die Arbeitnehmerorganisationen würden die Rente
zum Thema der Bundestagswahl 2009 machen. Die Gewerkschaftsjugend wird den
Zusammenhang Rente und Jugendarbeitslosigkeit in ihren Aktivitäten unter dem
Motto »Ausbildung für alle« in diesem Jahr
intensiv thematisieren. ∏
03.07 soli aktuell 1
kurz + bündig
Fuß vom Gas
DBJR zum Klimaschutz n Detlef Raabe,
Präsident des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) sieht dringenden Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz: »Die klimatischen Veränderungen sind keine einmaligen
Vorkommnisse, sondern Besorgnis erregende Vorboten für eine Klimaveränderung.«
Ganz wichtig: ein Tempolimit auf deutschen
Straßen.
Bereits 1999 hat der Deutsche Bundesjugendring in einem umweltpolitischen
Grundsatzpapier praktische Vorschläge gemacht, wie die Belastungen von Umwelt
und Klima verringert werden können.
www.dbjr.de
Neues Programm
Come in Contract n Mit neuen Themen
startet das erfolgreiche Jugend-Beteiligungsmodell »Come in Contract«. Bereits in
den letzten Jahren erfolgreich durchgeführt,
wird die Methode innerhalb des Aktionsprogramms für mehr Jugendbeteiligung neu
aufgelegt. Dabei sollen neue Themen mehr
Bewegung in die Beteiligung bringen: demographischer Wandel, jugendliches Engagement, Bildung und Ausbildung.
Erster Antragsschluss für Projektanträge ist
der 30. April 2007.
www.dbjr.de
Chancengleichheit
Gewerkschafter präsent n Zum Auftakt eines informellen Treffens der EU-Bildungsminister am 16. Februar 2007 in Heidelberg
haben Gewerkschafter und Globalisierungskritiker Chancengleichheit gefordert. Das
Aktionsbündnis Bildung hat zu einer Demonstration am Tagungsort aufgerufen, zu
der mehrere tausend Menschen kamen. Der
bundesweite Aktionstag stand unter dem
Motto »Freie Bildung für alle! Bildung ist ein
Menschenrecht«.
Unternehmenspolitik
Lehrstelle statt Strafe n Ein Unternehmen
hat die Rückforderung eines sechsstelligen
Lohnzuschusses durch die Arbeitsagentur
Hamm mit der Verpflichtung abwenden
können, drei Lehrstellen zu schaffen. Weil
der Familienbetrieb bei der Abrechnung von
Lohnzuschüssen für einen Mitarbeiter falsche Angaben gemacht habe, seien die zuvor gezahlten Fördergelder zurückgefordert
worden, berichtet die Arbeitsagentur. Die
Firma habe daraufhin vor dem Sozialgericht
Dortmund geklagt. Der nun getroffene außergerichtliche Vergleich rechne sich für die
Agentur: Die Kosten für die Versorgung
dreier Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz
seien höher als die geforderte Rückzahlung.
Jugendfilmpreise
Berlinale n Die elfköpfige Jury des Kinderund Jugendwettbewerbs »Kplus« der 57. Internationalen Filmfestspiele Berlin hat im
Februar 2007 den Gläsernen Bären für den
besten Spielfilm sowie den Gläsernen Bären
für den besten Kurzfilm vergeben.
Den Gläsernen Bären für den besten Spielfilm hat »Dek Hor« von Songyos Sugmakanan, Thailand, erhalten. Lobend erwähnt:
»Mukhsin« von Yasmin Ahmad, Malaysia.
Der Gläserne Bär für den besten Kurzfilm
geht an »Menged«, von Daniel Taye Workou, Äthiopien/Deutschland.
Die fünfköpfige Internationale Jury von
»Generation« (Jugendfilme) hat den mit
7.500 Euro dotierten Großen Preis des Deutschen Kinderhilfswerkes verliehen an:
»Muhksin«. Der Spezialpreis des Deutschen
Kinderhilfswerkes für den besten Kurzfilm
(2.500 Euro) ging an »Land gewinnen« von
Marc Brummund, Deutschland.
Infos: www.berlinale.de
Positiv, negativ
BAföG n Für ein falsches bildungspolitisches Signal hält
der DGB die Umstellung der
elternunabhängigen Förderung von BerufsoberschülerInnen und KollegiatInnen
I. Sehrbrock
auf eine elternabhängige
Förderung. DGB-Vize Ingrid Sehrbrock:
»Gerade leistungsfähige Absolventinnen
und Absolventen der beruflichen Bildung
werden dann davon abgehalten, mehr in ihre weitere Bildung zu investieren.«
Mit dem neuen monatlichen Zuschuss zur
Betreuung von Kindern Studierender und
der Unterstützung von Auslandsaufenthalten bereits von Beginn des Studiums an setze die Bundesregierung dagegen zwei Signale mit Langzeitwirkung. Sehrbrock: »Der
DGB begrüßt diese Entscheidungen.«
Praktikantengehalt
Umsonst ist gestern n Ein Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichtes (LAG)
bringt Bewegung in die rechtliche Situation
der Praktikanten: Das Gericht hat der Klage
eines Praktikanten stattgegeben, der von
seinem Arbeitgeber eine »angemessene
Vergütung« nach dem Berufsbildungsgesetz
eingefordert hatte. Geklagt hatte ein junger
Mann, der beim Deutschen Roten Kreuz ein
praktisches Ausbildungsjahr absolvierte,
das notwendiger Bestandteil der Ausbildung zum Rettungsassistenten ist. Im Vertrag war dafür keine Vergütung vorgesehen.
Der Kläger forderte eine monatliche Vergütung von 975 Euro entsprechend dem Tarif.
Sächsisches LAG, Az.: LAG 3 Sa 542/04
Mehr Knast
Jugendstrafrecht verschärfen? n Gewalttätige Jugendliche sollen nach dem Willen
von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) in Zukunft härter bestraft werden. Zypries will in den nächsten Wochen
einen Gesetzentwurf vorlegen, demzufolge
Richter in dramatischen Fällen auch bei jungen Tätern nachträglich Sicherungsverwahrung anordnen dürfen.
Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht liegt bislang bei
zehn Jahren. Künftig sollen
B. Zypries
Schwerstkriminelle wie Sexualstraftäter und Mörder, die ihre Taten
als Jugendliche begangen haben, wie erwachsene Straftäter behandelt und bis an
ihr Lebensende festgehalten werden können.
Zeitarbeit
Kündigen geht n Auch ein befristeter Arbeitsvertrag darf unter bestimmten Bedingungen vorzeitig gekündigt werden. Das
geht aus einem Urteil des LAG RheinlandPfalz in Mainz hervor. Voraussetzung ist,
dass dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag
oder in dem für die Branche geltenden Tarifvertrag vereinbart wurde.
Das Gericht wies mit seinem Urteil die Klage eines ehemaligen Marktleiters gegen seinen früheren Arbeitgeber ab. Der Kläger
war mit einem auf neun Monate befristeten
Arbeitsvertrag als »Marktleiter in Einarbeitung« eingestellt worden. Außerdem sah
der Arbeitsvertrag vor, dass beide Vertragspartner ohne Angabe von Gründen den Vertrag mit einer Frist von zwei Wochen auflösen können.
LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 8 Sa 581/06
Online-Protest
IG Metall-Jugend n Die IG Metall-Jugend
NRW hat ihre erste Internet-Demo gestartet. Mit dem Slogan »Die Zukunft gehört
uns« engagiert sie sich für die Übernahme
Jugendlicher nach der Ausbildung. Im Internet kann jeder sein Foto hochladen und sein
Statement abgeben.
Die IG Metall-Jugend NRW macht sich mit
der Kampagne unter anderem dafür stark,
dass alle Jugendlichen nach ihrer Ausbildung einen Arbeitsplatz bekommen, der ihrer Qualifikation entspricht. Denn immer
mehr Azubis kommen nach Abschluss ihrer
Ausbildung nur noch bei einer Zeitarbeitsfirma, in einer Teilzeitbeschäftigung oder im
Niedriglohnsektor unter.
Zur Demo geht’s auf www.dzgu.net
2 soli aktuell 03.07
ausbildung + beruf
Duale Ausbildung – am Ende?
Bundesrechnungshof und DGB
kritisieren die EQJ-Praxis.
er Bundesrechnungshof hat die
durch den Ausbildungspakt staatlich geförderten Berufspraktika
(Einstiegsqualifizierungsmaßnahmen, EQJ)
massiv kritisiert. Jungen Leuten werde dadurch nur selten der Weg in eine Ausbildung
geebnet. Außerdem werfen die Prüfer der
Bundesagentur für Arbeit (BA) vor, die Arbeitgeber beim Nachweis der Sozialversicherung und der Zahlung der Praktikumsvergütung nicht ausreichend zu kontrollieren. Nach Auffassung des Rechnungshofs
schafft nur jeder zweite Jugendliche den
Übergang in eine Ausbildung. Vor allem in
Ost-Deutschland ermittelten die Prüfer ent-
D
täuschende Resultate. Die BA räumte die
Vorwürfe teilweise ein. Grundsätzlich halte
man aber die Berufspraktika für einen Erfolg.
Als »bedenklich« stufen die Prüfer in ihrem Bericht außerdem ein, dass die Agenturen für Arbeit als zuständige Träger Firmen mit Steuermitteln unterstützten, auch
wenn diese für die Jugendlichen keine Sozialabgaben zahlten. Daneben hält der Bundesrechnungshof den Arbeitsagenturen vor,
nicht geprüft zu haben, ob die Betriebe die
Praktikumsvergütung von 192 Euro im Monat tatsächlich auszahlten. Dies, so gestand
man seitens der BA zu, wolle man ab jetzt
kontrollieren.
2004 haben nur noch 43 Prozent der Jugendlichen, die dem Ausbildungsmarkt zur
Verfügung standen, eine reguläre Ausbil-
Kein guter Start
OECD: Jugendarbeitslosigkeit ist zentrales Problem.
ugendarbeitslosigkeit bleibt eines
der dringendsten Sozial- und Wirtschaftsprobleme der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Dieses Fazit zieht
eine aktuelle Studie, die Glenda Quintini
und Sébastien Martin vorgelegt haben. Sie
untersuchten die Trends der letzten zehn
Jahre auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche.
Obwohl die Gesamtzahl junger Menschen in den OECD Ländern heutzutage ge-
J
ringer ist als früher, sie dafür aber im Durchschnitt besser ausgebildet als die älteren Erwachsenen, tut sich in Sachen Jugendarbeitslosigkeit nicht viel. So fiel zwar zwischen 1995 und 2005 die Arbeitslosenquote
von Jugendlichen um durchschnittlich 0,8
Prozent. Verantwortlich dafür war aber nur
gut die Hälfte der OECD-Staaten, wobei
sich vor allem der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Irland und Finnland bemerkbar macht. In der anderen Hälfte der Länder stieg die Arbeitslosenquote
dung begonnen. Weitere 40 Prozent gingen
in das Übergangssystem, in schulische und
überbetriebliche Ersatzmaßnahmen wie das
Berufsgrundschuljahr sowie in Praktika.
Selbst AbiturientInnen und AkademikerInnen nehmen bereits an EQJ-Maßnahmen
teil.
Die Gewerkschaften halten das für einen Skandal. Der DGB-Vorsitzende Michael
Sommer: »Es ist nicht länger hinnehmbar,
dass Wirtschaft und Kammern fast täglich
ein Klagelied über die angeblich wachsende
Quote nicht ausbildungsfähiger Bewerber
anstimmen und gleichzeitig ein extra dafür
geschaffenes und finanziertes Programm
zur Förderung dieser Bewerber nutzen, um
die trotz Ausbildungspakt klägliche Bilanz
am Lehrstellenmarkt zu schönen.« ∏
um fünf Prozent an, so in Osteuropa, Österreich, Deutschland und Luxemburg.
Jugend ist ein Risikofaktor: 2005 waren
42,3 Prozent aller Jugendlichen in den
OECD-Ländern nicht erwerbstätig. Die Jugendarbeitslosigkeit lag damit durchschnittlich 2,7 mal höher als die der Erwachsenen. Dieses Verhältnis hat sich in
zwei Dritteln der OECD-Ländern sogar verschlechtert. Eine der wichtigsten Ursachen
ist, dass eine überproportional hohe Zahl
die Schule ohne Abschluss verlässt. Mehr
als 14 Prozent der Jugendlichen im Durchschnitt aller OECD-Länder haben keinen
weiterführenden Abschluss. ∏
Die Studie im Download: www.jugendpolitikineuropa.de/
news-360.html
d g b - j u g e n d : i d e e n w e r k s tat t
Open Space
Es wird oft über sie geredet, aber wenig mit ihnen: Welche Meinung die von Arbeitslosigkeit
betroffenen Jugendlichen haben, wollte die
DGB-Jugend wissen – und veranstaltete gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung am 2.
und 3. März 2007 in Berlin ein Open-SpaceTreffen. Außer Jugendlichen kamen Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Arbeitsagentur, Lehrer
und Gewerkschafter. Eröffnet wurde das Treffen von DGB-Vize Ingrid Sehrbrock und der
ehemaligen Bildungsministerin Christine Bergmann.
Dass Jugendliche in einem der höchstentwickelten Industrieländer der Erde schon früh
Existenzängste erfahren, wurde schnell klar –
und führt zwangsläufig zu der Frage, wo der gan-
ze Wohlstand denn geblieben ist. Im Bildungssystem wohl nicht.
Ali*, der portugiesisch-arabische Eltern hat:
»In arabischen Ländern schicken die Eltern ihre
Kinder auf Privatschulen, da sind wenigstens die
Fronten klar.« Er ist 18 und findet beim besten
Willen keine Lehrstelle. Aber er räumt auch eigene Fehler ein, wundert sich, dass ihn niemand
»in den Hintern getreten« hat, als es in der
Schule bergab ging.
Der eigene Wille ist schwer zu entwickeln.
Wer nicht weiß, wo seine Perspektiven liegen,
verliert auch die Lust an allem. »Dann fängt man
an, bis 15 Uhr im Bett zu liegen«, wie Georgina*
aus Berlin-Wedding zusammenfasst. Ihr Berufswunsch: Friseurin. Dirk Neumann von der DGBJugend, der das Treffen gemeinsam mit seinem
Kollegen Marco Frank organisiert hat: »Ausgren-
zung zu Beginn des Berufslebens zeigt für viele
Auswirkungen auf ihr ganzes Leben.«
Nun haben sich zahlreiche Projekte und Initiativen des Problems der Jugendarbeitslosigkeit angenommen. Betroffene und Aktive kommen aber nicht immer zusammen. Die DGB-Jugend will sie miteinander bekanntmachen, vernetzen und einen nachhaltigen gesellschaftlichen Dialog anstoßen.
Die Open Space-Veranstaltung der DGB-Jugend war in diesem Sinne als »beteiligungsorientierte Ideenwerkstatt« zu verstehen, in der die Bedürfnisse und Ängste der jungen Leute »bearbeitet« werden konnten. So wurde von erfolgreichen
Initiativen und Projekten berichtet, neue Denkund Handlungsanstöße wurden gesammelt. Weitere Veranstaltungen sollen folgen. ∏
*Namen von der Redaktion geändert.
03.07 soli aktuell 3
projekte
Finale: Kritisch und laut
Beim diesjährigen DGBJugend-Bandwettbewerb
dominierte Rockmusik.
Am rockigsten: Die Gewinner
von Trümmerfeld.
rümmerfeld heißen die Gewinner
des diesjährigen DGB-JugendBandwettbewerbes, dessen Endrunde am Freitag, den 23. Februar 2007, im
Palast der linken Politik, im Berlin-Kreuzberger Kato stattfand. Die Trümmer-Boys
können sich über drei Tage zum Aufnehmen
und Abmixen im legendären K4 Studio in
Berlin freuen. Im Vorfeld hatten sich die
fünf Finalisten gegen ca. 100 Mitbewerber
durchgesetzt. Vorgabe: Nicht nur Lala-Mucke, sondern kritische Texte.
nig unterscheidbar. Alle
Bands waren ziemlich
rockig. Und vor allem:
ziemlich gleich rockig.
Stilistisch ging’s meistens in Richtung Sportfreunde Stiller oder Tocotronic. Experimente
gab’s da keine.
T
Etwa 120 Zuhörer waren gekommen, um
live zu erleben, wer sich der harten Kritik der
Jury (Arno Frank, Alexander Brettin, Eric
Wrede, Stefan Körbel, Jürgen Ehle) aussetzte. Durchs Programm führte die mexikanische Rapperin MC Senaya. Um die Zeit zu
überbrücken, die die Jury für ihre Entscheidungen brauchte (bis ca. halb 2 Uhr morgens), spielten Verbale Interpretation, die
Sieger des letzten Jahres.
Da kamen Trümmerfeld gerade recht:
Bei dem Namen wunderte es nicht, dass die
Trümmerfeld stachen
heraus, weil die obendrein noch punkrockig
waren. Als Referenznamen geben sie Die Toten Hosen und Nirvana
an – wobei sie musikalisch am ehesten an
den ersteren orientiert
Das Haus gerockt: Trümmerfeld
sind.
19 und 20 Jahre alten Musiker um Sänger
Auf dem zweiten Platz (Gutschein über
Paul aus Ribnitz-Damgarten/Mecklenburg500 CDs) landete Proton, auf dem dritten 3
Vorpommern abräumten. Mit ihrem Song
im Sinn (Gutschein über 400 Euro vom On»Helden von heute« spielten sie scheinheiline-Musicshop Thomann).
lige Lokalpolitiker an die Wand.
Der Publikumspreis ging mit Abstand
Das Programm – außer Trümmerfeld bean Die Weltt aus Marburg – die hatten entsetzt mit den Bands 3 im Sinn, Mitsnakker,
schieden die meisten Freunde mitgeProton und Die Weltt – war im Gegensatz
bracht. ∏
zum Vorjahr, wo eindeutig HipHop die ProFotos auf www.dgb-jugend.de
testmusik der Stunde war, insgesamt schwer
rockig. Jawohl. Und damit nicht so wahnsin-
un-handbuch jugend
Alternative zu Ecofin
Wirtschaftspolitik für Europa: Die andere EU-Konferenz am
20. und 21. April 2007 in Berlin mit Gewerkschaftsbeteiligung.
aastricht-Kriterien, Stabilitäts- und
Wachstumspakt, Zinssatzentscheidungen der Europäischen Zentralbank: Der Kern der Europäischen Union ist
die Wirtschaftsgemeinschaft. Wegen dieser Dominanz ist der Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) der
mächtigste Ministerrat und eine zentrale
Schaltstelle des Neoliberalismus in Europa.
Trotzdem dringt wenig über seine Tätigkeit an die Öffentlichkeit.
Auch am 20./21. April 2007 tagt der Ecofin-Rat in Berlin hinter verschlossenen Türen – Anlass: die deutsche Ratspräsidentschaft. Die Bundesregierung, meinen Kritiker, will die EU weiter auf einen neoliberalen
Kurs verpflichten.
Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, globalisierungskritischen Bewegungen,
M
4 soli aktuell 03.07
kirchlichen Organisationen, Entwicklungs-,
Frauen- und Umweltorganisationen will dieser Absicht mit einem Alternativen Ecofin
öffentlich entgegentreten, der an die erfolgreiche Premiere in Wien im April 2006
anschließt.
Der Alternative Ecofin soll zur Aufklärung und öffentlichen Diskussion über die
EU beitragen und auf dramatische Fehlentwicklungen hinweisen. Zugleich sollen politische Alternativen für eine ökonomisch,
sozial, ökologisch vernünftige und solidarische Entwicklung in Europa und für entwicklungsfreundliche Beziehungen zu den
Ländern des Südens aufgezeigt werden. ∏
20. bis 21. April 2007. Alternativer Ecofin. Rathaus Schöneberg, Berlin. Anmeldung und Information: Alternativer
Ecofin, Torstr. 154, 10115 Berlin, Tel.: 030 / 27 59 68 87, Fax:
030 / 27 59 69 28, E-Mail: [email protected]
Die sollen es mal
besser haben
Bereits im Jahre 1995 beschlossen, bildet das
»World Programme of Action For Youth«
(WPAY) zusammen mit den relevanten Inhalten der UN-Deklaration zum Jahrtausendwechsel einen Meilenstein im Bemühen der
Vereinten Nationen, die Verbesserung der
Lebens- und Sozialisationsbedingungen von
Kindern und jungen Menschen zu einer weltweiten Priorität zu machen.
Das Handbuch mit dem schönen Titel
»Guide To The Implementation Of The
World Programme Of Action For Youth«,
von der Undesa (United Nations Department of Economic and Social Affairs) herausgegeben, richtet sich gleichermaßen an
Politiker, administrative Entscheidungsträger und Fachkräfte im Jugendbereich. Es präsentiert Empfehlungen, Fallstudien und Projektideen für eine Umsetzung jugendpolitischer Aktivitäten, die dazu beitragen sollen,
dass kommende Generationen unter wesentlich verbesserten Bedingungen aufwachsen können. ∏
Das UN-Handbuch im Download: www.jugendpolitik
ineuropa.de/sonstiges/news-356.html
thema
Azubis und ihr Geld
Im Jahr 2007 treten gesetzliche
Änderungen in Kraft, die für
einige Azubis mehr und für andere weniger Geld bedeuten.
Von Jula Müller
eginnen wir mit dem Positiven:
Zwei Gesetzesänderungen, die
2007 in Kraft treten, wirken sich
auf die Haushaltskasse vieler Auszubildenden günstig aus.
B
(+) Sozialversicherungsbeiträge
Auszubildende, die mehr als 325 Euro verdienen, müssen anteilig Sozialabgaben abführen. Zwar steigen die Abgaben zur Rentenversicherung 2007 von 19,5 auf 19,9 Prozent, gleichzeitig werden aber die Beiträge
zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2
Prozent gesenkt. Insgesamt dürfte den meisten Auszubildenden dadurch ein bis zwei
Prozent mehr Nettogehalt übrig bleiben.
(+) Wohngeldzuschuss
Eine weitere wichtige Änderung betrifft alle Auszubildenden, die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beziehen. Die BAB enthält
zwar auch einen pauschalen Zuschuss zu
den Wohnkosten – in der Regel ist der aber
sehr gering. Die Diskrepanz zwischen BABZuschuss und realen Mietkosten wird nun
durch eine Neuerung im SGB II geschlossen.
Auszubildende können ab 2007 unter folgenden Voraussetzungen einen zusätzlichen Wohngeldzuschuss erhalten:
∂ Sie müssen tatsächlich BAB oder Ausbildungsgeld (für behinderte Auszubildende)
beziehen
Für Auszubildende und Jugendliche in
berufsvorbereitenden Maßnahmen gilt:
Hat Anspruch
auf Wohngeldzuschuss
Hat eigene Wohnt im
Wohnung
Elternhaus
… erhält BAB
Betriebliche Ja
Nur bei
Ausbildung
Behinderung
Berufsvorbereitende Ja
Nein
Maßnahme
… ist behindert und bekommt
Ausbildungsgeld
Berufliche
Ja
Ja
Ausbildung
Berufsvorbereitende Ja
Nein
Maßnahme
∂ Bei ihnen müssen tatsächlich Wohnkosten (Miete und Heizung) anfallen
∂ Ihre realen Wohnkosten sind höher als
der Betrag, der in ihrer Ausbildungsförderung für das Wohnen vorgesehen ist.
Der Antrag auf den Wohngeldzuschuss
muss normalerweise bei den ARGEn (Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagentur und
der Kommune zur Betreuung von bedürftigen Arbeitslosen nach Sozialgesetzbuch II)
gestellt werden.
Erster Stolperstein bei der Antragstellung dürfte sein, dass die ARGE zunächst
prüft, ob die Kosten für die Miete angemessen sind – hier gibt es je nach Wohnort unterschiedliche Obergrenzen. Unklar ist bis
jetzt auch, ob die ARGE den Antrag mit der
Begründung ablehnen darf, der Azubi habe
sich einen Nebenjob zu suchen. Trotzdem
empfehlen wir allen Auszubildenden, die
BAB beziehen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Da die Regelung neu ist,
bleibt abzuwarten, wie die ARGEN ihren
Ermessensspielraum nutzen.
lien mit hohem Einkommen das Kindergeld
gestrichen würde.
(+) Tarifliche Einkommen
Auszubildende im Westen verdienten 2006
durchschnittlich 629 Euro brutto und somit
ein Prozent mehr als im vergangenen Jahr.
Im Osten stieg die Ausbildungsvergütung
um 1,3 Prozent auf durchschnittlich 536 Euro
an. Dies ergab eine Auswertung der tariflichen Vergütungen durch das Bundesinstitut
für Berufsbildung (BIBB). Wie bereits in den
Jahren zuvor konnten die Auszubildenden
mit diesen geringfügigen Erhöhung nicht
die Inflationsrate ausgleichen – und hatten
unter dem Strich weniger Geld zur Verfügung. Aufgrund der anziehenden Konjunktur haben die Gewerkschaften in einigen
Branchen bereits angekündigt, in diesem
Jahr deutliche Gehaltsteigerungen zu fordern – auch für die Azubis.
Laut Elterngeldrechner auf der InternetSeite des Bundesfamilienministeriums würde eine Auszubildende mit einem Nettoverdienst von 407 Euro ein Jahr lang 330
Euro Elterngeld bekommen – deutlich weniger, als vorher. Bisher konnten Auszubildende bis zu zwei Jahre lang 307 Euro Erziehungsgeld oder ein Jahr lang das Budget von
460 Euro erhalten.
Leider gibt es für Auszubildende 2007 auch
einige Verschlechterungen:
(-) Kindergeld
Ab diesem Jahr wird das Höchstalter für den
Bezug von Kindergeld schrittweise auf 25
Jahre gesenkt. Das Kindergeld ist gerade für
Auszubildende aus einkommensschwächeren Familien ein wichtiger Bestandteil der
Ausbildungsfinanzierung. Auch Millionäre
in Deutschland bekommen Kindergeld –
und hier wäre eine Gesetzesänderung überfällig: Gerecht ist, wenn die, die mehr benötigen, auch mehr bekommen. Man könnte das Kindergeld für einkommensschwache Familien deutlich erhöhen, wenn Fami-
(-) Elterngeld
Das neue Elterngeld wird sich für die meisten Auszubildenden eher nachteilig auswirken. Auch sie erhalten jetzt ein Jahr bzw. 14
Monate lang 67 Prozent von ihrem durchschnittlichen Einkommen der letzten zwölf
Monate, wenn sie in Elternzeit gehen. Der
Mindestbetrag liegt bei 300 Euro, es gibt
Sonderregelungen für Geringverdiener.
Was heißt das konkret? Weibliche Auszubildende im Osten, die tariflich bezahlt
wurden, verdienten 2006 durchschnittlich
516 Euro (ca. 407 Euro netto), im Westen lag
der tarifliche Durchschnitt bei 607 Euro.
Tarifliches Durchschnittseinkommen
Männer
Frauen
Vergütung
West
643
607
Vergütung
Ost
548
516
Für das Jahr 2006; Quelle: BIBB
(-) Mehrwertsteuer
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft
auch die Auszubildenden – und zwar besonders, da sie in der Regel wenig Geld zur
Verfügung haben.
Fazit
Es wird also vom Einzelfall abhängen, ob ein
Azubi 2007 von den Änderungen profitiert.
Und davon, ob die Gewerkschaften ihre Positionen in den Tarifrunden durchsetzen
können.
Noch ein guter Tipp
Für alle die es noch nicht wissen: Unter
www.babrechner.arbeitsagentur.de können
Auszubildende jetzt online berechnen lassen, ob sie Anspruch auf BAB haben. ∏
Elterngeldrechner: www.bmfsfj.de/Elterngeldrechner
Sozialversicherungen und Wohngeldzuschuss:
www.erwerbslos.de
Tariflichen Ausbildungsvergütungen: www.bibb.de
Elterngeld und Kindergeld: www.bmfsfj.de
BAB-Rechner: www.babrechner.arbeitsagentur.de
03.07 soli aktuell 5
azubi-berater
Verhandlungssache
Wahrscheinlich kennst du das:
Das mulmige Gefühl, wenn
ein Gespräch mit dem Chef
ansteht, bei dem du Forderungen durchsetzen oder dich
zur Wehr setzen willst. Tipps
und Verhandlungstaktiken.
Teil 1
das Gespräch geht, seiner Wut Ausdruck
verleiht und den Ausbilder mit Vorwürfen
überschüttet, wird das Gespräch sicher
nicht positiv verlaufen. Wenn er das alles
runterschluckt, wird die Situation wahrscheinlich irgendwann unhaltbar. Jetzt gilt
es, mit kühlem Kopf zu planen.
Euro die Stunde, das kann/will ich mir nicht
leisten, außerdem fällt dann wieder so viel
Papierkram an. Ich wäre ja bereit, ein bisschen dafür zu zahlen, wenn das nicht so viel
Arbeit wäre. Und die Ausbildung läuft doch
gut ab, bisher haben alle meine Azubis die
Prüfung bestanden! Klar bleibt der Auszubildende oft länger, aber ich brauche einfach
flexible Mitarbeiter. Außerdem ist er auch
sehr oft krank und schwänzt die Schule. Ich
sehe das eher als Reinarbeiten von Fehlzeiten!«
2. Ziele festlegen
Eine gute Methode, Interessen von den
Emotionen zu trennen, besteht darin, Ziele
festzulegen. Will der Azubi dem Ausbilder
eins auswischen oder will er, dass sich die
Situation am Ausbildungsplatz
Lösungsmöglichkeiten
verbessert und das ArbeitskliBei einer Verhandlung neigen
ma gut bleibt? Wenn er Rache
alle dazu, die Welt in Intereswill, sollte er klagen. Dafür
sengegensätzen zu sehen. Im
braucht er kein Gespräch.
nächsten Schritt denken wir
Wenn er den Ausbildungsplatz
daran, wie wir unsere Positiobehalten und seine Situation
nen durchsetzen oder die Kluft
Termin bei Dr. Azubi.
verbessern will, sollte er sich
zwischen den zwei unterMit Jula Müller
überlegen, was eigentlich seischiedlichen Positionen verne Interessen und Wünsche sind. Vielleicht
kleinern und einen Kompromiss erzielen
kommt er dabei zu überraschenden Ergebkönnen, also z.B. weniger putzen oder etnissen.
was pünktlicher zahlen.
»Das Putzen an sich macht mir nichts aus,
Aber diese Sichtweise ist nicht richtig.
1. Chaos in Kopf
aber ich will dafür extra bezahlt werden, auch
Es gibt immer mindestens zwei Möglichkeiund Seele
wenn es nicht viel ist: Hier
ten – in der Regel sind es viel mehr. Man
Die Gedanken des AzuDie Frage ist: Will der
geht es um die Anerkenkann Alternativen entwickeln und die PosiAzubi dem Ausbilder eins
bis sehen so aus:
nung!
tionen erweitern. Der Azubi sollte jetzt
»Ich will nicht putauswischen oder will er…
Die täglichen Überkreativ sein und sich Lösungen überlegen,
zen, da komme ich mir
stunden würden mir gar
die sich an seinen Interessen orientieren.
total ausgenutzt vor. Der Chef will sich nur das
nicht so viel ausmachen – wenn die AusbilNatürlich sollte er dabei so gut wie möglich
dung gut wäre und ich
Geld für die Putzfrau sparen – und es ist ihm
die Interessen des an…dass sich die Situation am
ab und zu einen Tag frei
doch egal, wie es mir dabei geht! Außerdem
deren mit einbeziehen.
Ausbildungsplatz verbessert und Die Vorschläge könnten
bekommen würde.
hab ich ein Recht darauf, richtig ausgebildet zu
das Arbeitsklima gut bleibt?
Wenn ich mehr Anwerden! Und ständig diese Überstunden! Kein
so aussehen:
»Ich putze weiterhin,
erkennung bekommen
Wunder, wenn ich da ab und zu die Schule
erhalte dafür aber eine Vergütung, z.B. wird
würde, wäre ich sicher nicht so oft krank.«
schwänze oder mich krankschreiben lasse, um
mir das Geld für die Monatsmarke vom Ausmal frei zu haben! Am liebsten würde ich ihn
3. Den anderen verstehen
bilder dazugegeben.«
verklagen oder sonst was, aber er sitzt ja am
Auch der Ausbilder ist – wahrscheinlich –
Man geht gemeinsam den Ausbildungslängeren Hebel. Wenn ich Ärger mache,
ein Mensch. Wenn er wirklich eine durchrahmenplan durch und stellt fest, was noch
schmeißt er mich raus.«
weg bösartige oder gestörte Person ist, werHier vermischt sich einiges. Vor lauter
fehlt. Dann wird ein gemeinsamer betriebden die Verhandlungen sehr schwierig werWut über die ungerechte Behandlung
licher Ausbildungsplan für die verbleibende
den.
möchte der Azubi sich am liebsten am AusZeit aufgestellt.
Wahrscheinlicher ist aber, dass auch er
bilder rächen oder ihm eins auswischen. Es
»Ich bleibe täglich länger, darf aber dafür
ein Mensch mit Vorstellungen, Interessen
geht ihm nicht nur darum, dass sich etwas
jeden Tag mindestens zwei Stunden assistieren
und Ängsten ist. Es ist bei diesem Schritt
ändert, der Ausbilder soll ihn auch versteund/oder bekomme wöchentlich zwei Stunden
sehr wichtig zu begreifen, wie die Gegenhen und sehen, wie es auf seiner Seite ausEinweisungen vom Ausbilder. Ich bekomme an
seite denkt und fühlt. Es gilt zu verstehen,
sieht.
einigen Brückentagen, an denen die Praxis gemit welchen Stärken und welchen EmotioDie Angst spielt eine große Rolle: Wir alschlossen ist, frei, ohne dass ich dafür Urlaub
nen die Gegenseite an bestimmten Vorstel- nehmen muss. Im Gegenzug verspreche ich,
le neigen dazu, unsere Befürchtungen auf
lungen hängt.
den anderen zu übertragen. Die größte
nicht mehr zu schwänzen und meine FehlzeiDer Auszubildende sollte sich also hinAngst des Azubis ist es, dass er dem Ausbilten möglichst zu reduzieren.« ∏
setzen und überlegen, wie der Ausbilder
der egal ist und nur ausgenutzt wird – und
Teil II folgt in der Soli 5-2007: Wie du als Azubi deine Lösungsvorschläge durchsetzen kannst.
wohl zu den einzelnen Punkten steht. Vieldass er seinen Ausbildungsplatz verlieren
leicht denkt er ja so:
wird, wenn er Ärger macht.
Buchtipp: Roger Fisher u.a.: Das Harvard-Konzept, Campus, Frankfurt/M. 2003, 268 S., 24,90 Euro
Wenn der Azubi mit diesen Gefühlen in
»Eine Putzkraft kostet mindestens 15
nser Beispiel-Azubi lernt den Beruf
Arzthelfer und arbeitet in einer
Praxis, in der es keinen Putzdienst
gibt. Die Putzarbeiten muss der Azubi übernehmen, immerhin drei bis vier Stunden
pro Woche. Inhaltlich verläuft die Ausbildung nicht optimal – der Azubi ist schon am
Ende des zweiten Lehrjahres und hat viele
Tätigkeiten, die im Ausbildungsrahmenplan
vorgesehen sind, noch nicht erlernt. Außerdem bleibt er täglich ein bis zwei Stunden
länger in der Praxis, da er anwesend sein
muss, bis alle Patienten behandelt sind. Anschließend räumt er auf. Ganz klar: Unser
Modell-Azubi möchte seine Situation verändern.
U
6 soli aktuell 03.07
landesbezirke + gewerkschaften
Wer hat’s erfunden?
ei Außenübertragungen war ich Ersatz für eine vollwertige Arbeitskraft und habe Aufgaben übernommen, die zum Teil den Festangestellten
nicht zugemutet werden. Sehr häufig musste ich am Wochenende und nachts arbeiten
– und das alles ohne Vergütung.«
Ein Praktikums-Bericht aus einem regionalen TV-Sender, dessen Belegschaft zu zwei
Dritteln aus Praktikanten besteht? Weit gefehlt. Der anonyme Autor,
der darüber in der PraktikaDatenbank des DGB-Jugend-Projekts »Students at
work« berichtet, hat seine
Erfahrungen auf dem Mainzer Lerchenberg beim ZDF
sammeln müssen.
Ein besonders krasser
Einzelfall? Einige Indizien
sprechen dagegen. So haben bis auf den Westdeutschen und den Bayrischen
Rundfunk alle öffentlichrechtlichen Anstalten ihren
Praktikanten zum Anfang des Jahres die
Aufwandsentschädigung gestrichen.
B
In Zeiten, in denen landauf landab Redaktionen ausgedünnt werden, hat auch die
Ausbeutung des journalistischen Nachwuchses offenbar Methode. So konstatiert
Michael Haller von der Universität Leipzig
eine »starke Vernachlässigung der Ausbildung«, Praktikanten und Volontäre müssten
oft als billige Arbeitskräfte herhalten. Die
Folge sei eine »fortschreitende Deprofessionalisierung« des Journalismus.
Dass die Ausbeutung von Praktikanten
Methode hat, ist inzwischen fast schon zum
Allgemeinplatz geworden. Die Wortschöpfung »Generation Praktikum« wurde im
letzten Jahr auf Rang zwei der Worte des
Jahres gewählt. Böse Zungen hatten jedoch
eine ganz eigene Erklärung für das große
mediale Echo. So hielt der Arbeitsmarktexperte Kolja Briedis vom Hochschulinformationssystem (HIS) die umfangreiche Berichterstattung über ausgebeutete Praktikanten für eine »Nabelschau der Medienbranche« – schließlich sei das Problem dort
besonders ausgeprägt.
Dass Briedis damit zu kurz greift, zeigte
die Anfang Februar 2007 veröffentlichte
Studie der DGB-Jugend und der Hans-Böckler-Stiftung zur »Generation Praktikum«:
Praktika sind ein Querschnittsphänomen,
wenn auch je nach Studienrichtung unterschiedlich stark ausgeprägt. 41 Prozent der
500 befragten Absolventen der FU Berlin
und der Uni Köln absolvierten nach dem
Studium ein Praktikum; gut die Hälfte davon ohne Bezahlung. Dabei lag die Praktikanten-Quote in keinem Studienfach unter
15 Prozent. Jeder siebte Jurist, jeder vierte
Erziehungswissenschaftler und jeder dritte
Naturwissenschaftler waren betroffen.
Doch besonders häufig trifft es die Geistesund Kulturwissenschaftler: Hier geht jeder
Zeitung machen – nicht ohne meine Betriebsvereinbarung
zweite durch diese »neue Form der Übergangsarbeitslosigkeit«, wie die Autoren der
Studie das Praktikum nach dem Studium
nennen.
Dass die Betroffenen sich damit nicht
abfinden wollen, zeigen die 60.000 Unterzeichner einer Online-Petition der DGB-Jugend an den deutschen Bundestag.
Doch derzeit sind die Aussichten auf eine
gesetzliche Regelung nicht gerade rosig.
Zwar hatte sich Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) im September 2006 dafür
ausgesprochen – mittlerweile ist die SPD jedoch wieder davon abgerückt. Im Arbeitsministerium setzt man stattdessen auf Aufklärung und Information – als sei das Problem den Betroffenen noch weitgehend unbekannt. Ansonsten verweist man gern auf
die Tarifpartner, die sich dieses Problems
durch branchenspezifische Regelungen
selbst annehmen sollten.
Diejenigen, die – nicht nur laut Briedis –
am stärksten betroffen sind, gehen dies nun
als erste an: Die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di hat, gemeinsam mit dem
Deutschen Journalisten-Verband (DJV), eine
Foto: Christian Ditsch / Version
Die Medien spielen in Sachen
Praktikum die Hauptrolle.
Deshalb fordern die Journalisten-Gewerkschaften dju in
ver.di und DJV jetzt faire Standards. Von Robin Avram
Praktika-Offensive gestartet. Beide Organisationen luden die Arbeitgeberverbände
BDZV, VDZ, VPRT und die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten zu Gesprächen
ein, bei denen zusammen mit der Jugendpresse Deutschland, Vertretern der Ausbildung und Betroffenen die Missstände thematisiert und Lösungen entwickelt werden
sollen. Am 8. Februar 2007 fand in der ver.diBundesverwaltung das erste Treffen im größeren Kreis statt.
Thema: eine Verständigung auf Standards, die längst nicht in allen Medienbetrieben üblich sind – das Anrecht auf einen
Arbeitsvertrag, einen festen Betreuer, eine
fundierte Einführung, die Möglichkeit, mehrere Arbeitsbereiche kennenzulernen, ein
qualifiziertes Zeugnis und eine angemessene Aufwandsentschädigung.
Der größeren Durchschlagskraft halber
sollen die Gespräche auf eine empirische
Basis gestellt werden. Die Professoren Michael Haller (Leipzig) und Hans Kleinsteuber (Hamburg) erklärten sich gemeinsam
dazu bereit, eine umfassende wissenschaftliche Studie zur Untersuchung der Beschaffenheit journalistischer Praktika zu konzeptionieren. Dauer des Projekts: ein Jahr Laufzeit.
Für Praktikanten, die sich in ihren Betrieben ausgebeutet fühlen, lohnt schon heute ein Gang zum Betriebsrat. Der ist für
Praktikanten genauso zuständig wie für alle anderen weisungsgebundenen Arbeitnehmer – mit Ausnahme der Schüler-Praktikanten.
Er kann bei der Zahl und Einstellung von
Praktikanten mitreden, ist berechtigt, Informationen über wöchentliche Arbeitszeiten, Ausbildungspläne und Entlohnungen
zu erhalten – und kann sich in Absprache
mit den örtlichen Industrie- und Handelskammern auch für eine angemessene Entlohnung stark machen. Verankert werden
können faire Standards dann in Betriebsvereinbarungen, wie sie bei einigen Medienbetrieben – z.B. »Ostseezeitung« und
»Münchner Abendzeitung« – auch schon
eingeführt wurden.
Viele Betriebsräte müssen für die Belange der Praktika jedoch noch stärker sensibilisiert werden. Die DGB-Jugend wird hier demnächst
mit einer Broschüre Aufklärungsarbeit leisten. ∏
Infos: E-Mail: [email protected]
Robin Avram ist Mitglied der djuHochschulgruppe Bremen.
03.07 soli aktuell 7
tipps + termine
Entgelt bezahlt, Postvertriebsstück A 8895
Absender: DGB-Bundesvorstand, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
w e b t i p p d e s m o n at s
»Zu den Umverteilungswirkungen staatlicher
Hochschulfinanzierung« – unter diesem Titel
hat das »Aktionsbündnis gegen Studiengebühren« (ABS) nun ein Gutachten vorgelegt.
Es geht es um die Überprüfung der populistischen These, »die Krankenschwester finanziere mit ihren Steuern das Studium der
Chefarzttochter« (siehe auch Soli 11/122006). Sie wird oft als Argument für die Einführung von Studiengebühren angeführt. In
NRW wurde kürzlich genau dieses Argument
zur Begründung der Campus-Maut herangezogen.
Wichtigstes Ergebnis der Studie: die Umverteilungswirkung staatlicher Hochschulfinanzierung ist stark umstritten. Keinesfalls lässt
sich die These einer Umverteilung von unten
nach oben empirisch belegen.
www.abs-bund.de/aktuelles/2818/
Antidiskriminierung:
Seit nunmehr über zehn
Jahren gibt es Betriebs- und
Dienstvereinbarungen für die
Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund sowie gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung. Aktuelle Fallstudien aus
acht Betrieben, wie Betriebsvereinbarungen zu Gleichbehandlung in
der Praxis aussehen können, bietet
das Forum Migration in seiner neuen Broschüre: »Integration und partnerschaftliches Verhalten«.
+
Robert Kecskes, Leo Monz, Michaela Dälken:
Integration und partnerschaftliches Verhalten – Fallstudien Betriebs- und Dienstvereinbarungen, Bund-Verlag, Frankfurt a. M.,
2006, 84 S., 9,90 Euro
»A world stage« – eine Weltbühne sollen die Ruhrfestspiele
in Recklinghausen in diesem Jahr vom
1. Mai bis 17. Juni 2007 werden. Sechs
Welturaufführungen und mehrere
Europa- und Deutschlandpremieren
stehen an. 248 Veranstaltungen zählt
das Festival – so viele wie noch nie. Für Gewerkschaftsmitglieder gibt es diverse Vergünstigungen.
+
www.ruhrfestspiele.de
impressum
11. bis 13. Mai 2007. DGB-Jugendbildungszentrum Hattingen,
Buchungscode VIP 8620
Namentlich gekennzeichnete Artikel
geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder.
Verantwortlich für den Inhalt:
Ingrid Sehrbrock
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DGB-Bundesvorstand, Ber. Jugend,
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Jugendplans des Bundes (BMFSFJ)
Anmeldungen: www.dgb-jugendbildung.de
Alle Anbieter von Beiträgen, Fotos und Illustrationen stimmen der Nutzung im Internet zu.
Der Angriff des Hamburger Senats auf die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) wurde von Seiten der Studierenden mit der Kampagne »HWP in
Bewegung – für eine kritische Wissenschaft« beantwortet.
Die Geschichte dieser studentischen Protestbewegung wurde jetzt von Dirk Hauer und Bela Rogalla zusammengefasst.
+
Dirk Hauer, Bela Rogalla: HWP in Bewegung, VSA-Verlag, Hamburg 2006,
80 S., 9,80 Euro
3. McPlanet-Kongress: Kann der Klimawandel noch verhindert werden? Die
Vorbereitungen laufen zum globalisierungskritischen Kongress »McPlanet.com«. Er wird veranstaltet von Attac, BUND, Greenpeace etc.
+
4. bis 6. Mai 2007. Infos: Kongressbüro »McPlanet.com«,
Chausseestr. 131a, 10115 Berlin, Tel.: 030 / 28 09 78 01, Fax:
030 / 28 09 78 21, E-Mail: [email protected],
www.mcplanet.com
seminare
»Auf geht’s in die Berufsschulen«: Was sind Gewerkschaften? Welche Rechte und Pflichten gibt’s in
der Ausbildung? Wie läuft Mitbestimmung im Betrieb? Argumentationslinien, Stresstraining, Anleiten zum Lernen: Bevor wir als Teamer in die Berufsschulen gehen, wollen wir dieses Seminar besuchen
und uns mit allem versorgen – um fit zu sein für den
Projekttag Demokratie und Mitbestimmung.
27. bis 29. April 2007. DGB-Jugendbildungszentrum Hattingen.
Buchungscode MOD 8649. Achtung: Die Teilnehmer sollen über
die DGB-Bezirke benannt werden.
»Visualisieren und Präsentieren«: Pinnwand, Flipchart, Beamer, der unglaubliche Präsentationskoffer,
PowerPoint ist tödlich: Der Einsatz von Präsentationstechniken ist fester Bestandteil der gewerkschaftlichen Jugendbildungsarbeit. In diesem Seminar geht’s um Grundlagen für den sicheren Umgang
mit diesen Methoden.
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