Gesundheit - SportPraxis Prof. Dr. med. Karsten Knobloch

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Gesundheit - SportPraxis Prof. Dr. med. Karsten Knobloch
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Von Prof. Dr. med. Karsten Knobloch
Umknickverletzungen des oberen Sprunggelenks (OSG) sind die häufigsten Sportverletzungen überhaupt. Hauptrisikosportarten für die so häufige Supination, das
Umknicken über den Fußaußenrand, sind
der Laufsport und die Ballsportarten Fußball, Volleyball, Basketball und Handball.
Aber auch beim Gerätturnen und Ballet
sind Supinationsverletzungen des oberen
Sprunggelenks die häufigste Verletzungsform (siehe Tabelle).
Die Anatomie des Außenbandapparates am oberen Sprunggelenk unterscheidet
drei Bänder:
das vordere Außenband (Ligamentum
fibulotalare anterius, FTA),
das mittlere Außenband (Ligamentum
fibulocalcaneare, FC) und
das hintere Außenband (Ligamentum
fibulotalare posterius, FTP).
85 Prozent aller Sprunggelenksverletzungen betreffen das vordere Außenband am
Außenknöchel entweder in 65 Prozent isoliert oder in 20 Prozent kombiniert mit dem
mittleren Außenband welches nie isoliert
reißt. 5 Prozent Risse des hinten gelegenen
Außenbandes und 5 Prozent Syndesmosenverletzungen zwischen dem Schien- und
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Wadenbein komplettieren das Bild nach
Umknickverletzungen am oberen Sprunggelenk.
Durch Lage des vorderen Außenbandes
innerhalb der Gelenkkapsel und dadurch
eine ausgezeichnete Gefäßversorgung heilt
es ähnlich gut wie das Innenband des Knies.
Unterstützt werden diese drei Außenbänder am oberen Sprunggelenk von dem sehr
kräftigen Bandapparat am Innenknöchel.
Dieses Band, das Ligamentum deltoideum
am Innenknöchel, besteht aus fünf Anteilen und verbindet in zwei Schichten den Innenknöchel mit dem Fersen-, Sprung- und
Kahnbein.
fessionelle Basketballnationalspieler mit
jeweils mehr als 10 OSG-Umknickverletzungen und 50 knöchelgesunde Kontrollpersonen einer dezidierten Untersuchung
der Statik. Es stellte sich heraus, dass jene
Basketballspieler mit den meisten Sprunggelenksverletzungen die schlechteste Körperhaltung im Zehenspitzenstand zeigten,
was die statische und dynamische Balance
betraf (Perrin et al. 1997).
Drei Jahre später konnte eine Arbeits-
Verletzungsmechanismus
Umknickverletzungen des oberen Sprunggelenks entstehen in unterschiedlichen, typischen Verletzungssituationen in den verschiedenen Sportdisziplinen. Im Laufsport
kann insbesondere beim Treten in Schlaglöcher, am Bordstein oder auch im Wald der
Fuß nach außen umknicken.
Eine frühere Umknickverletzung ist ein
wesentlicher Risikofaktor für ein erneutes
Umknicktrauma. Balancedefizite könnten
bis zu 12 Wochen nach OSG-Verletzungen
nachgewiesen werden. Eine französische
Studie aus dem Jahr 1997 unterzog 15 pro-
Abb. 1: Umknickverletzung am oberen
Sprunggelenk mit deutlicher Schwellung
am Außenknöchel.
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Umknickv
gruppe um McGuine aus Madison, Wisconsin an 210 Basketballspielern eine ähnliche
Studie an einer größeren Probandengruppe
durchführen (McGuine et al. 2000). Keiner
der teilnehmenden Sportler hatte in den 12
Monaten zuvor eine Sprunggelenksverletzung erlitten. Die Balancefähigkeit wurde
anhand von Auslenkversuchen mit geschlossenen und offenen Augen im Einbeinstand
erfasst. Probanden, die eine Sprunggelenksverletzung erlitten, hatte eine schlechtere
sport
Häufigkeit von Sprunggelenksverletzungen
in Hochrisikosportarten
Sportart
Erstautor
Sportniveau
OSG-Verletzung
Ballett
Garrick
Unterschiedlich
17%
Basketball
Henry
Professionell
18%
Bergsteigen
Tomczak
nicht angegeben
40%
Eishockey
Park
Junioren
4%
Eislaufen
Smith
Junioren
29%
Fußball
Nielsen
Unterschiedlich
36%
Laufen
Bishop
Professionell
36%
Orientierungslauf
Johansson
Elite
26%
Squash
Soderstrom
nicht angeben
20%
Volleyball
Solgard
Unterschiedlich
41%
(Nach Clanton und Wood 2003.)
Abb. 2: Sprunggelenksschienen können eine
erneute Umknickverletzung reduzieren helfen wie auch in der Therapie über sechs Wochen zielführend eingesetzt werden.
Balance (p = 0,001). Diejenigen mit der
schlechtesten Einbeinstandbalance hatte
ein siebenfach höheres Risiko für eine Umknickverletzung des oberen Sprunggelenks
als jene mit einer guten Balance.
Auf der anderen Seite können propriozeptive Schwächen (Wahrnehmung von
Körperbewegung und -lage im Raum) sehr
wohl auch ein zukünftiges Verletzungsrisiko anzeigen. Eine amerikanische Studie
aus Omaha, Nebraska konnte 1997 dies
nachweisen.
Symptome
Typischerweise kommt es nach einem Umknicktrauma zu einer raschen Schwellung
am äußeren Fußrand und oberhalb des Außenknöchels sowie im Bereich des oberen
Sprunggelenks (Abb.1). Der Sportler hat
Schwierigkeiten aufzutreten. Die Blutung
in das obere Sprunggelenk hält über ein bis
zwei Tage an, wenn nicht die Sofortmaßnahmen der PECH-Behandlung (Pause, Eis,
Compression, Hochlagern) mit umgehender
Kompression, Kühlung und Hochlage- >>>
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Abb. 3: Tapeverbände ermöglichen auch im
Sportschuh die Sportausübungen bei gleichzeitiger Stabilisierung des Sprunggelenks.
Abb. 4: Ein sportartspezifisches Balancetraining von täglich 5 min kann die Umknickwahrscheinlichkeit deutlich reduzieren helfen. Fotos: Autor (4), Uwe Steen/pixelio.de
>>> rung stattfinden. Der Schwerkraft folgend läuft der Bluterguss in den Folgetagen
häufig in die seitliche Mittelfußreihe und
je nach Belastung auch in die Zehenregion
aus, wenn der Fuß wenig bis gar nicht entsprechend der PECH-Behandlung hochgelagert wurde.
Der Schmerz ist über der verletzten
Bandregion häufig direkt am Außenknöchel
lokalisiert sowie nach vorn horizontal zum
der sicher ausgeschlossen werden. Die beste
Zeit zur Beurteilung der Bandfunktion beträgt vier bis sieben Tage nach dem Unfall,
wenn das obere Sprunggelenk Gelenk nach
der PECH-Behandlung abgeschwollen, die
Schmerzpunkte präziser lokalisierbar und
der Stabilitätstest sicherer durchzuführen ist.
PECH-Behandlung
Pause
Eis als Kälteanwendung über 3 x 10 min
intermittierend über die ersten 3 bis 5
Tage
Compression als wichtigster, die Blutung
unmittelbar limitierender Effekt
Hochlagerung zur Abschwellung über
Herzhöhe
Sprungbein ziehend, direkt im Bandverlauf
des vorderen Außenbands, das in 2/3 der
Umknicktraumen verletzt ist.
Eine Unmöglichkeit des Auftretens,
evtl. begleitet durch eine rasch zunehmende
Schwellung, lassen einen Knochenbruch in
der Sprunggelenks- bzw. in der Fußregion
vermuten. Dies muss durch eine Röntgenuntersuchung ausgeschlossen werden.
Therapie der frischen Verletzung
Die wichtigste Maßnahme ist die Begrenzung des Blutergusses durch Kompression. Es sollten keine Gehhilfen verordnet
werden, da durch diese die frühfunktionelle Heilung eher verzögert wird. Kann ein
Patient schmerzbedingt nicht auftreten, so
sollte ein Knochenbruch durch Röntgenbil22 LAUFZEIT November 2012
Sprunggelenksschienen
Insbesondere im Hinblick auf eine stattgehabte Sprunggelenksverletzung ist die
Sprunggelenksschiene (am Beispiel der einzig wissenschaftlich untersuchten AircastSchiene) mit ein Prozent Verletzungen dem
Taping (5 Prozent) und der Kontrollgruppe
(25 Prozent) überlegen (Abb. 2). Eine KostenNutzen-Metaanalyse von Olmsted im Jahr
2006 zeigte die Sprunggelenksschiene gegenüber Taping dreifach kosteneffektiver, bei
der Vermeidung von Umknickverletzungen
über eine Saison.
Bei Sprunggelenksverletzungen werden
zur frühfunktionellen Therapie Sprunggelenksschienen häufig mit gutem klinischen
Erfolg eingesetzt. Diese Schienen blockieren
die verletzungsauslösende Fußeinwärtsbewegung, erlauben jedoch die Sprunggelenksbeugung und -streckung, sodass ein Schutz
gegenüber dem Umknicken vorhanden ist.
Sie werden im Sport- und im Alltagsschuh
tagsüber wie nachts zunächst über sechs
Wochen getragen. Im Anschluss daran wird
der Verletzte häufig die Schiene noch zum
Schutz vor einer erneuten Sprunggelenksverletzung im Sport tragen.
Tapeverbände
Die Verwendung von Tapetechniken zur
Stabilisierung des Sprunggelenks zeigte
eine 35 bis 50 Prozentige Verminderung
des Bewegungsumfanges unmittelbar nach
Aufbringen des Tapeverbands, jedoch verlor der Verband innerhalb von 10 Minuten
sportlicher Aktivität rund 40 Prozent der
Stabilisierungsfunktion (Abb. 3). Innerhalb
der ersten 10 Minuten nach Aufkleben verliert ein Tapeverband bei der Sportausübung
rund 40 Prozent Stabilität. 100 Schrittsprünge führen zu einem Stabilitätsverlust von 33
Prozent, 200 Schrittsprünge schon zu einem
60 Prozent Verlust.
Über eine Saison sind Tapeverbände
im Vergleich zu OSG-Orthesen dreifach
kostenintensiver in der Vermeidung einer
erneuten Sprunggelenksverletzung (Sekundärprävention).
Dennoch konnte die präventiv wirksame
Anwendung von Tapeverbänden am OSG
zur Verhinderung von Umknickverletzungen bei unterschiedlichen Ballsport- und
Kontaktsportarten überzeugend nachgewiesen werden.
Prävention
Ein sportartspezifisches Balancetraining
kann durch Stimulation von Gelenk- und
Bandrezeptoren eine erneute Umknickverletzung verhindern helfen (Abb. 4). Jeden
Tag 5min Balanceübungen, so z.B. morgens
und abends einbeinig beim Zähneputzen auf
einem zusammengelegten Handtuch balancierend können schon ausreichen, um die
Umknickwahrscheinlichkeit nachhaltig zu
reduzieren.
Unser Autor:
Prof. Dr. med. Karsten Knobloch
SportPraxis
Prof. Dr. med. Karsten Knobloch
Heiligerstr. 3, 30159 Hannover
www.sportpraxis-knobloch.de
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