Christliches Handeln in der Bibel und heute

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Christliches Handeln in der Bibel und heute
Wettbewerb „Christentum und Kultur“ 2010/2011
Christliches Handeln
in der Bibel und heute
Ein Vergleich
Abbildung 1
ende Hände
Andreas Schmierer
Robert-Franck-Schule Ludwigsburg
Betreuende Lehrkraft: Roland Schmierer, OStR
Oberstenfeld, 18. August 2011
Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Inhaltsverzeichnis
1
CHRISTLICHES HANDELN .......................................................................................................................... 3
1.1
1.2
2
LITERARISCHE IMPULSE............................................................................................................................ 5
2.1
2.2
2.3
2.4
3
4
EINLEITENDE GEDANKEN .............................................................................................................................. 3
DEFINITION ............................................................................................................................................... 4
KOMMENTAR: MENSCHEN HELFEN MENSCHEN ................................................................................................ 5
KURZGESCHICHTE: DIE BERGPREDIGT HEUTE – EINE MODERNE FASSUNG (MAT 5-7) .............................................. 6
GEDICHT: ICH BIN DA................................................................................................................................... 7
GEDICHT: TROTZDEM .................................................................................................................................. 8
CHRISTLICHES HANDELN IN DER BIBEL ..................................................................................................... 9
3.1
DIE ZEHN GEBOTE (DER DEKALOG) ( 2. MOSE 20,1-18) ............................................................................ 9
3.2
DIE BERGPREDIGT ( MT 5-7) ............................................................................................................... 11
3.3
VON DEN ARBEITERN IM WEINBERG ( MT 20,1-16) ................................................................................ 15
3.4
3.5
VOM WELTGERICHT ( MT 25,34-46) ................................................................................................... 17
DAS DOPPELGEBOT DER LIEBE UND DER BARMHERZIGE SAMARITER .................................................................... 19
CHRISTLICHES HANDELN HEUTE ............................................................................................................. 23
4.1
4.2
4.3
4.4
CHRISTLICHES HANDELN IN UNTERNEHMEN ................................................................................................... 23
CHRISTLICHES HANDELN IN DER POLITIK ........................................................................................................ 26
CHRISTLICHES HANDELN IN DER GESELLSCHAFT .............................................................................................. 27
INTERVIEW MIT PFARRER JOHN-WALTER SIEBERT ........................................................................................... 29
5
ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................................................ 33
6
DOKUMENTATION ................................................................................................................................. 36
6.1
6.2
7
EIGENE ERFAHRUNGEN .............................................................................................................................. 36
ARBEITSBERICHT ....................................................................................................................................... 38
ANHANG ................................................................................................................................................ 41
7.1
7.2
7.3
SCHLUSSERKLÄRUNG ................................................................................................................................. 41
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................................................... 41
LITERATURVERZEICHNIS.............................................................................................................................. 41
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
1
Christliches Handeln
1.1
Einleitende Gedanken
„Kann sein, dass du heute glücklich bist, versuch das Glück zu teilen.
Sieh doch den Menschen neben dir, vielleicht kannst du ihn heilen.
Zum Geben und Nehmen will Gott uns befrein, wir sterben und leben, wir sind nicht allein.“ 1
(LOTHAR ZENETTI)
In unserer heutigen Gesellschaft wird häufig von „christlicher Ethik“ und „beständigen Werten“ gesprochen. Ein neues Wertebewusstsein wird in Zeiten von Weltwirtschaftskrise, sozialer Kälte und
von der Menschheit mitverursachtem Klimawandel gefordert, weil in den vergangenen Jahren verstärkter Egoismus und eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten zu spüren waren. Was steckt
eigentlich hinter dieser Forderung? Welche Werte sollen in unserer Gesellschaft gelten? Auf welchem Fundament beruhen sie? In Verbindung mit dem Leben und Wirken Jesu ergibt sich ein interessanter Sachverhalt: Inwieweit entspricht unser Tun dem Handeln in der Bibel?
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage: Was ist christliches Handeln überhaupt? Welche Ausprägungen gibt es? Nachdem ich das Thema literarisch auf verschiedene Weise aufarbeiten werde, soll
es anschließend um die Basis des christlichen Handelns gehen, die in der Bibel verankert ist. Ich
möchte in dieser Dokumentation nur beispielhaft auf einige Bibelstellen zu dieser Thematik eingehen. Die wichtigsten Grundlagen für christliche Werte und daraus resultierendes Handeln sind die
Zehn Gebote, die Bergpredigt und das Doppelgebot der Liebe.
Daran schließt sich eine Betrachtung der gegenwärtigen Situation an. Christlich zu handeln ist modern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im März bei einem Interview: „Für mich ist die Tatsache,
dass ich dem christlichen Glauben verpflichtet bin, auch schon von daher eine Beruhigung, weil klar
ist, das der Mensch nicht vollkommen ist und auch ich selbst durchaus Fehler machen kann.“ 2Es gibt
noch viele weitere Beispiele, wie Menschen des öffentlichen Lebens christlich handeln. Dazu werde
ich beispielhaft einige Personen und ihr Verhalten skizzieren.
Ein Vergleich zwischen dem christlichen Handeln in der Bibel und heute soll den Abschluss dieser
Dokumentation bilden. Ein interessantes Spannungsfeld: Auf der einen Seite das Handeln, das die
1
2
Zenetti, L. (2002). In seiner Nähe. Matthias-Grünewald-Verlag. (S.133)
http://www.erf.de/1-542-3626-Artikel.html?PHPSESSID=6au62i0s5f2seo75ja5br933381, abgerufen am
04.04.2011; Lothar Rühl „Bin dem christlichen Glauben verpflichtet“
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Bibel, vor allem Jesus, uns vorlebt, andererseits unser täglicher Umgang mit unserem Mitmenschen,
der Schöpfung und der Erde. Hier möchte ich Parallelen, aber auch Differenzen herausarbeiten.
Warum soll ich handeln wie Jesus? Welche spezielle Aufgabe kommt Christen dabei zu? Was hat sich
in 2000 Jahren verändert? – Fragen, auf die ich hoffentlich eine Antwort finden werde.
1.2
Definition
Christliches Handeln ist das aktive Ausführen von Tätigkeiten, wobei diese Realisierung auf verschiedenen Geboten und Texten der Bibel – vor allem von Jesus – basiert. Die niedergeschriebenen Erwartungen an den Menschen sind die theoretischen christlich-ethischen Maßstäbe, die durch das Ausführen in die Praxis umgesetzt werden. Deshalb „stehen Christen […] vor der Herausforderung, ihr
Leben nicht nur zu reflektieren, sondern auch ganz praktisch zu leben.“3
Eine weit verbreitete Fehleinschätzung ist, dass Christen auf das Himmelreich hoffen und sich deshalb in unserer Welt zurückziehen sollten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Martin Luthers Lehre von
den zwei Reichen – dem weltlichen und dem göttlichen Reich – behandelt diesen Sachverhalt genau.
„Er [ein Christ] lebt einerseits im Reich zur Rechten aus Glauben, Nächstenliebe und Heiligem Geist.
Gleichzeitig ist er aber auch als Staatsbürger Teil des Reiches zur Linken und ist verpflichtet, der weltlichen Macht gehorsam zu sein. […]Deshalb dürfen Christen aus dem Reich zur Rechten auch den
Staat korrigieren, wenn der seinen Auftrag nicht erfüllt […].“4
Oftmals entsteht auch der Eindruck, dass christliches Handeln aus Sorge um das eigene Seelenheil
praktiziert wird. Der evangelische Theologe Helmut Gollwitzer hat es so ausgedrückt: „Sei jetzt nicht
mehr besorgt darum, wie du dir das ewige Leben erwerben könntest; […] sei aber besorgt darum, wie
andere zum Lieben-Können und damit zum bleibenden Sinn ihres Lebens kommen können […].5
Christlich handeln ist mehr als nur das Einhalten der nötigen Gesetze und Verordnungen des Staates
(Verfassung) oder der Zehn Gebote. Es ist das Handeln im Aufsehen auf Jesus Christus, wobei sich der
Mensch bewusst sein muss, dass er für dieses Handeln vor Gott Rechenschaft ablegen werden muss.6
3
Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. Stuttgart: Ernst
Klett-Verlag. S.34f.
4
Ebd.
5
Ebd.
6
Vgl. Hebräer 4,13
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
2
Literarische Impulse
2.1
Kommentar: Menschen helfen Menschen
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
1. MOSE 12,2
Wie würde eine Welt aussehen, in der Hilfsbereitschaft anstatt Geld regieren würde? Was wäre das
für ein Lebensgefühl? Ich stelle mir so eine Welt ganz fantastisch vor. Die Menschen helfen einander,
jeder bringt sich mit seinen Gaben ein. „Geben ist seliger als Nehmen.“ Da ist etwas Wahres dran.
Mir geht es so, dass ich zum Beispiel technisch völlig unbegabt bin. Da kann ich machen was ich will,
wenn es komplizierter wird, stehe ich vor einem großen Rätsel. Kleinere Reparaturarbeiten bekomme ich hin, aber sobald es mehr als ein Kabel auswechseln ist, bin ich mit meinem Latein am Ende. Da
ist es fantastisch, wenn ich weiß, wen ich um Hilfe fragen kann. Andererseits kann ich diese Person
unterstützen, wenn es zum Beispiel darum geht, einen offiziellen Brief oder eine Rede zu verfassen.
Ein gegenseitiges Geben und Nehmen – zum Vorteil beider.
Ich plädiere für eine neue Hilfsbereitschaft. Der Bibelvers, der diesen Text begleitet, drückt das sehr
präzise aus: Wir werden von Gott gesegnet („Ich will dich segnen“) – mit Fähigkeiten, Gaben, Stärken
und Besonderheiten. Aber im selben Satz des ersten Mosebuches kommt eine Verdeutlichung, manche mögen es auch eine Einschränkung nennen: „… und du sollst ein Segen sein!“ Jetzt wird es etwas
komplizierter. Wir sollen das, was wir bekommen, weitergeben? Anderen zur Verfügung stellen? Ein
Segen für andere sein?
Jetzt tief durchatmen! War das so gemeint? Ja! Unsere Talente sind wertlos, wenn wir sie nicht einsetzen und nutzen. Ein kommunikativer Mensch sollte diese Begabung einsetzen und kann in der
Kirchengemeinde eventuell ältere Menschen betreuen, die Ansprache brauchen. Der gerade Konfirmierte hat vielleicht hervorragende PC-Kenntnisse und kann den Internet-Auftritt der Gemeinde
neustrukturieren. So gibt es für jeden einen Platz.
Ist es nicht eine Last, wenn man den Segen weitergeben soll? Zunächst sind wir geneigt „ja“ zu sagen.
Wenn wir jedoch länger darüber nachdenken, wird uns auffallen, dass ein Segen, der nicht weitergegeben wird, nutzlos ist. Das ist so wie Sieb, das Wasser aufhalten möchte – es ist wirkungslos. Zum
Glück muss das ja nicht sein!
Irgendwie ist es auch eine Art Versicherung, wenn man ein Segen für andere ist. Ich lege sozusagen
einen „Vorrat“ an Vertrauen und Hilfsbereitschaft des anderen an. Davon kann ich zehren, wenn ich
selbst in eine Notlage gerate und weder ein noch aus weiß.
Ich glaube auch, dass jeder Mensch eine bestimmte Berufung hat. Wir haben die Aufgabe, für ein
produktives und positives Miteinander zu sorgen. Als Vorbild für kommende Generationen und als
Botschafter Gottes auf Erden. Er will, dass wir seine Gnade und Güte repräsentieren. Wenn wir anderen helfen – und das ohne Hintergedanken – werden uns die Segnungen Gottes viel präsenter sein
und das Leben miteinander wird ein Stück lebendiger.
Segnen bedeutet übrigens „mit dem Zeichen des Kreuzes versehen“. Wenn wir für andere ein Segen
sind, so setzen wir ein Zeichen für Jesus. Eine tolle Sache, finden Sie nicht?
Andreas Schmierer
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
2.2
Kurzgeschichte: Die Bergpredigt heute – eine moderne Fassung
(Mat 5-7)
Jesus sah die Menschenmenge und stellte sich auf eine große Bühne mitten in der Stadt. Die Menschen lauschten gespannt seinen Worten. Seine Ansprache wurde in alle Welt übertragen. Das Fernsehen, das Internet und das Radio berichteten live von diesem bewegenden Ereignis. Gottes Sohn
betonte, dass er unseren Gesetzen und Verordnungen nicht widersprechen wollte – im Gegenteil er
versuchte, die Kriterien zu konkretisieren.
„Wichtig ist eure innere Haltung. Wichtig ist, was ihr fühlt und wie ihr handelt! Begeht nicht den Fehler, den viele in kirchlichen Führungspositionen machen und denkt, dass euer Amt genügt, um vor
Gott zu bestehen. Lebt euren Glauben, ansonsten findet ihr keinen Platz in Gottes ewigem Reich!
Euren Vorfahren hat man gesagt, dass sie niemanden töten dürfen – ich sage euch: Vertragt euch
und entschuldigt euch für eure Taten. Dasselbe gilt für das Ehebrechen. Ihr heiratet überstürzt und
plötzlich trennt ihr euch wieder? Das kann doch nicht sein! Ihr begeht Ehebruch, wenn ihr Gefühle
für andere Frauen empfindet! Das ist der Anfang vom Ende.
Eure Frauen sind euch gleichgestellt! Ihr habt sie nicht zu beherrschen. Sie sind nicht euer Eigentum,
eure Lustobjekte. Seid aufrichtig und sprecht die Wahrheit – dann braucht ihr auch nichts zu schwören oder einen Eid ablegen.
Mir ist ganz wichtig, dass ihr wisst: Ich verurteile Gewalt. Seht in euren Feinden einen Menschen mit
Gefühlen. Werdet ihr verletzt, so schlagt nicht mit denselben Waffen zurück, handelt anders! Handelt
überraschend nachsichtig und wartet ab, was sich verändert. Ihr seid meine Nachfolger, meine Brüder. Betet für eure Feinde, segnet sie. Auch sie sind Kinder Gottes. Euer Handeln wird belohnt werden.
Prahlt nicht mit eurem Verhalten. Seid authentisch und lebt euren Glauben – aber preist ihn nicht
täglich an. Vergesst nicht! Das Geld und den Reichtum, den ihr auf der Erde sammelt, der kann verloren gehen: Diebe, Finanzkrisen, Kriege, Spekulationen. Ihr müsst euch entscheiden, wer bei euch die
Nr. 1 ist: Gott oder ein materieller Götze.
Macht euch nicht zu viele Sorgen! Der Herr ist mit euch und wird euch führen. Das Wichtigste ist,
dass ihr eure bewusste Entscheidung für unseren allmächtigen Gott trefft. Der Rest wird sich finden,
Gott trägt euch durch alles hindurch.
Hört auch damit auf, immer nur andere zu kritisieren. Schaut erst, was ihr selbst falschmacht und vor
welchen Problemen ihr steht. Es ist viel einfach über andere zu lästern und sie zu verurteilen. Aber
haltet inne! Kümmert euch zunächst um eure Probleme. Verhaltet euch so, wie ihr es von anderen
erwartet.“
Andreas Schmierer
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
2.3
Gedicht: Ich bin da
Ich bin da
Ich habe Angst, alles ist dunkel.
Ich bin da!
Ich weiß nicht mehr weiter, was wird morgen sein?
Ich bin da!
Ich brauche Geld, meine Kinder brauchen Kleidung.
Ich bin da!
Ich brauche Hilfe, ich schaff es nicht allein.
Ich bin da!
Ich habe keine Kraft mehr, bin schwach.
Ich bin da!
Ich werde sterben, wer ist bei mir?
Ich bin da!
Ich brauche Gerechtigkeit, mein Mann missbraucht mich.
Ich bin da!
Ich brauche Luft zum Atmen.
Ich bin da!
Ich brauche Wasser zum Waschen, ich dürste.
Ich bin da!
Ich brauche Liebe, alle haben mich verlassen.
Ich bin da!
Andreas Schmierer
Das Gedicht handelt von Ängsten und Nöten, die Menschen auf unterschiedlichen Teilen dieser Erde haben. In diesen Situationen brauchen
wir die Unterstützung unserer Mitmenschen, die sich leidenschaftlich
für uns einsetzen, Hilfe anbieten oder einfach nur sagen: „Ich bin [für
dich] da!“
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
2.4
Gedicht: Trotzdem
Trotzdem
Die Menschen sind grausam,
sie benutzen, nötigen, töten!
Trotzdem.
Das Leben ist irgendwann zu Ende.
Erwartest du die Wende?
Trotzdem.
Dankbarkeit ist fehl am Platz,
kein einziger Satz!
Trotzdem.
Du bist selbst in Not,
Achtung, da ist der Tod!
Trotzdem.
Sie werden es machen,
sie werden dich auslachen!
Trotzdem.
Sie werden dich entlassen,
so wie die Massen!
Trotzdem.
Trotzdem!
Ich will handeln
wie Er.
Andreas Schmierer
In diesem Gedicht bekommen die Zweifel an christlichem Handeln
Raum. Es gibt einige Gründe, egoistisch und ich-zentriert zu leben. Andererseits löst sind diese Erklärungen in Nichts auf, wenn wir hinaufschauen auf den, der die Liebe in die Welt gebracht hat und dessen
Herrlichkeit wir weitergeben können.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
3
Christliches Handeln in der Bibel
3.1
Die Zehn Gebote (der Dekalog) ( 2. Mose 20,1-18)
Einordnung & Inhalt
Die Zehn Gebote sind aufgrund ihrer ethi-
Die Zehn Gebote nach Martin Luther
schen und nicht auf eine Religion festgeleg-
1. Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
ten Aussagen eine der berühmtesten Textstellen des Alten Testaments und der gesamten Bibel. Kernaussagen der Bibel sind
2. Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes
nicht missbrauchen.
als Fundament für Werte in die Verfassun-
3. Du sollst den Feiertag heiligen.
gen von Ländern und Staatenbünden aufgenommen worden.
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren,
auf dass es dir wohlergehe und du lange lebest auf
Erden.
Interpretation / Bedeutung
5. Du sollst nicht töten.
Ethische Argumentation
6. Du sollst nicht ehebrechen.
Die Zehn Gebote „scheinen dem modernen
Subjekt unangemessen.“7 Das hängt damit
zusammen, dass Gebote oft als Verbote
verstanden werden. Der Dekalog ist keine
7. Du sollst nicht stehlen.
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
in sich abgeschlossene Gesellschaftsord-
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
nung, sondern ein Rahmen, eine Leitplanke,
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau,
Knecht, Magd, Vieh, noch alles was sein ist
wo menschliches Handeln und Leben möglich sind. Die Zehn Gebote argumentieren
Abbildung 2: Der Dekalog
auf ethischer Ebene, sodass sie auch für Nichtgläubige - mit wenigen Ausnahmen – als Standard unseres Zusammenlebens gelten können.
Erstaunlich ist auch die Kompaktheit, also die Prägnanz der Zehn Gebote. Arno Backhaus, ein christlicher deutscher Liedermacher, bringt es auf den Punkt: „Auf der ganzen Welt gibt es etwa 40 Millionen Gesetze – und das nur, um den Zehn Geboten Geltung zu verschaffen.“ Dieses Zitat weist auf
zwei Besonderheiten des Dekalogs hin. Einerseits zeigt es die Qualität, das Können, das beim Verfassen der Zehn Gebote nötig war. Andererseits zeigt es, dass wir uns Millionen von Gesetzen sparen
könnten – unter der Voraussetzung, dass sich jeder an die Zehn Gebote hält.
Formal fällt auf, dass die Gebote mit der persönlichen Anrede „Du“ genannt werden. Der Bezug für
jeden Menschen zu diesem elementaren Zeugnis, das heute Grundlage für viele modernen Demokra-
7
Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. Stuttgart: Ernst
Klett-Verlag. S.14
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
tien und Rechtsauffassungen ist, wird hier hergestellt. Selbstverständlich können Gebote wie „Du
sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ ( 2. Mose 20, 3) nicht ins Grundgesetz oder die UNCharta übernommen werden. Andere Gebote, wie etwa „Du sollst nicht töten.“ ( 2. Mose 20,13)
beziehungsweise „Du sollst nicht stehlen.“ ( 2. Mose 20,15) finden dagegen Anwendungen in vielen Gesetzen. In moralischer Hinsicht sind auch das neunte und zehnte Gebot bedeutend: Neid und
Missgunst führen zu Konflikten.
Bedeutung der Gebote
Weshalb gibt es überhaupt die Zehn Gebote? Sie sichern den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Das Verbot, an fremde Götter zu glauben, war nötig, da aus geschichtlichem Hintergrund der Polytheismus weitverbreitet war. Demnach war „Jahwe in der pluralistischen Welt des königzeitlichen
Judas zwar die anerkannte Hauptgottheit […], aber auch andere Gottheiten [sind] geduldet oder sogar verehrt“8 worden. Auch in heutiger Zeit hat dieses Gebot seine Berechtigung. Von welchen materiellen Göttern machen wir uns abhängig? Oftmals sind es moderne mediale Erfindungen wie das
iPhone, das Internet oder ein soziales Netzwerk wie etwa Facebook.
Schutz der Menschen
Damit wird ein Hauptelement des Dekalogs deutlich: Gott will den Menschen durch diese Gebote
schützen. Dazu passt auch das 5. Gebot, welches die Heiligung des Sabbats vorschreibt. „Die humane
Begründung stellt den Sabbat als soziale Maßnahme dar, nach der dieser Tag allem, was zur Familie
gehört, also auch Sklaven und sogar dem Vieh, zusteht, so dass am Sabbat alle Menschen grundsätzlich frei sind.“9 Eine soziale Komponente steckt dahinter: Viele Berufstätige haben kaum noch Zeit für
ihre Familien und Freunde. Der Sonntag ist dazu da, soziale Kontakte zu pflegen, sich zu erholen,
Kraft zu tanken und vielleicht auch noch den Gottesdienst zu besuchen und Zeit mit Gott zu verbringen. Zeit ist ein immer kostbarer werdender Faktor in unserer Gesellschaft. Selbst der Schöpfer ruhte, nachdem er die Erde geschaffen hatte.
Auch das Gebot „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ ( 2. Mose 20,12) zielt auf einen
sozialen Aspekt ab. Es spricht die Kinder an, „dass diese für die Versorgung und respektvolle Behandlung ihrer Eltern – Mutter wie Vater – eintreten. Somit möchte das Gebot nicht Autorität aufrichten,
sondern eher begrenzen und Verantwortung gegenüber den Schwächeren einprägen.“10
8
Orth, G. Der Dekalog im Alten und Neuen Testament, In: Orth, G.; Schulte, A.; Wiedenroth-Gabler,I. Leben im
Regenbogen, Leipzig: 2008 S.135ff.
9
Ebd.
10
Ebd.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Schutz des Lebens
Als zentrale Aussage der Zehn Gebote kann der Schutz des Lebens gewertet werden. Der Dekalog hat
„also eine ganz existenzielle Bedeutung.“11 Das Verbot der Tötung eines Menschen reicht bis in die
Menschenrechte und Verfassungen hinein. Demnach hat auch kein Staat der Welt das Recht, die
Todesstrafe auszuüben. Hier wird klar: Der Dekalog will uns nicht in unserem Handeln einschränken –
im Gegenteil, er will uns etwas sehr Kostbares schenken: die Freiheit.
3.2
Die Bergpredigt ( Mt 5-7)
Einordnung & Aufbau
12
Eine der zentralen Stellen des Neuen Testaments ist zweifelsfrei die Bergpredigt im Matthäus-Evangelium. Eine Parallelstelle hierzu ist
die sogenannte Feldrede des Evangelisten Lukas
( Lk 6,19-47). Die Bergpredigt ist nach heutigem Stand der Forschung eine Sammlung wichtiger Reden und Worte Jesu. Das heißt, tatsächlich gab es keine kontinuierliche Bergpredigt von
Jesus, sie wurde später zusammengefügt.13
Interpretation / Bedeutung14
Die Seligpreisungen
Zu Beginn der Bergpredigt werden die neun
Seligpreisungen genannt, die zeigen, dass Gott
vor allem ein Herz für Arme, Schwache und Zukurzgekommene hat. Gesteht der gläubige
Christ sich ein, dass er sündig ist und vor Gott
nur durch dessen Gnade und Barmherzigkeit
bestehen kann, so erscheinen die Seligpreisun-
Abbildung 3: Der Aufbau der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium
gen als Wohltat für alle Menschen. Die Seligpreisungen sind ein Zuspruch Jesu an uns. „Selig sind, die
da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.“ ( Mt 5,3) Geistliche Armut, damit ist bei
Weitem nicht mangelnde Intelligenz gemeint, sondern das Zugeständnis eines Menschen, der er11
Ebd.
Abbildung 1: Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen.
Stuttgart: Ernst Klett-Verlag. S.30
13
vgl. Quelle zu Fußnote 12
14
Angesichts der Ausführlichkeit der Bergpredigt werden hier nur Textstellen näher erörtert, die für das Thema
relevant sind.
12
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
kannt hat, dass er selbst hilflos ist und sein Leben in Gottes Hand legt und sich ihm anvertraut.15 Jesus macht mit den Seligpreisungen Mut, Leid in unserer Welt auszuhalten und stellt dafür prachtvolle
Zustände im Himmelreich in Aussicht.
In der Übersetzung der „Hoffnung für alle“-Bibel werden die Seligpreisungen durch „Glücklich sind…“
eingeführt. Auf den ersten Blick sind Hungernde, Verfolgte und Leidtragende nicht mit Glück überschüttet. Allein die Gewissheit, dass ihr Glaube, ihre innere Haltung genügt, um mit Jesus im Paradies
zu leben, gibt ihnen Hoffnung.
Als Kernaussage kann festgehalten werden: Gott wird für Gerechtigkeit sorgen. Kleine, für Gott niemals unbedeutende (!) Menschen dürfen sich als Könige fühlen.16 Für den anerkannten deutschen
Jesus-Forscher Gerd Theißen „lehrt [Jesus] in seiner Auslegung, Sanftmut und Souveränität zu verbinden, Versöhnung und Frieden zu suchen und gleichzeitig innerlich überlegen zu bleiben, auch
wenn man nachgibt.“17
Die Antithesen (Töten/Ehebrechen/Schwören)
Bevor Jesus die sechs Antithesen nennt, bekennt er sich klar zum Gesetz, von dem er kein einziges
Gebot auflösen möchte ( Mt 5,17ff.). Genaugenommen verschärft Jesus das Gesetz. „Mit den
Worten »Ich aber sage euch« leitet Jesus einen Zusatz zu diesem Gesetz ein. Man kann nun nicht
länger damit prahlen, dass man noch keinen Menschen umgebracht habe. Jesus sagt nun: ‚In meinem Königreich darfst du noch nicht einmal mörderische Gedanken hegen.‘ Er verfolgt damit den
Mord bis an seine Quelle und warnt dabei vor drei Formen des ungerechten Zorns.“18 Auch beim
Thema „Ehebruch“ ist Jesus ziemlich streng und sieht bereits das Auftreten von sexuellen Gedanken
an außereheliche Partner als Ehebruch an.
Zum Kapitel „Vom Schwören“ findet Christus eine evidente, also einleuchtende Regelung: „Ich aber
sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt […].“ ( Mt 5,34) Wenn jeder Mensch die Wahrheit sprechen würde, wäre das Schwören folgerichtig überflüssig.
Vom Vergelten
Die wohl umstrittenste Passage in der Bergpredigt ist Jesu Aussage zur Vergebung: „Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.“ ( Mt 5,39) Damit verbunden ist keine kampflose Aufgabe. Es geht eher um die moralische Haltung in dieser Situation. Lass ich
mein Verhalten von der Rache bestimmen? „[Jesus] formuliert es zugespitzt, weil er den eigentlichen
Sinn der Gebote Gottes aufdecken möchte. Gott möchte den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt
15
MacDonald, William; Kommentar zum Neuen Testament (1989). S.37f.
vgl. Theißen, G. (2008). Protestantische Akzepte, Predigten und Meditationen. Gütersloh S.55f.
17
ebd.
18
MacDonald, William; Kommentar zum Neuen Testament (1989). S.42
16
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
durchbrechen. Wo Menschen anfangen, dies zu leben, da verändert sich etwas.“19 Erfolgreiche Beispiele sind Martin Luther King, welcher der Rassentrennung in Amerika ein Ende setzte oder auch die
friedliche Revolution in der DDR.
Es erfordert Stärke, standhaft zu bleiben und die andere Backe hinzuhalten. Damit wird aber auch an
den Verstand des Angreifers appelliert. Wer bekommt schon freiwillig die zweite Wange zum Zuschlagen hingehalten? Das kann einen Denkprozess in Gang setzen. Christen haben die Aufgabe anders zu handeln (vgl.  Mt 5,47). Ein Perspektivwechsel kann genauso hilfreich sein: Der „Feind“ ist
ebenfalls ein Mensch mit Gefühlen, der durch Gott verändert werden kann. „Die Pointe liegt also in
der über den Verzicht auf Vergeltung deutlich hinausgehenden freiwilligen Verdopplung des erlittenen Unrechts. […] Dadurch soll dem Feind die Ordnung Gottes vorgelebt und er zur Akzeptanz dieser
Ordnung bewegt werden.“20 Es ist nicht auszuschließen, dass Gott einen Menschen dazu gebraucht,
einem anderen zu zeigen, dass der allmächtige Gott ein Gott der Liebe ist. Jesus will die Menschen
sensibilisieren, ihr Verhalten in solchen Situationen zu überdenken. Notwehr und nötige Maßnahmen
zum Verteidigen schließt dies ausdrücklich nicht aus.
Von der Feindesliebe
Auch die Feindesliebe, die Jesus proklamiert hat einen ganz praktischen Nutzen: Sie macht uns frei.
Wir sind gelöster, Lasten – ja vielleicht sogar die sprichwörtlichen Steine – fallen uns vom Herzen.
Lewis B. Smedes hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Vergebung heißt: Einen Gefangenen freizugeben – und dann festzustellen, dass der Gefangene man selbst war.“ Natürlich kann ich den anderen verfluchen und ihm Schlimmes an den Hals wünschen, aber werde ich damit glücklich? Die seelischen Wunden werden bleiben, wenn das offensichtliche Gefühl der Genugtuung der Unzufriedenheit und Verbitterung gewichen ist. Als Mensch, dem etwas Unrechtes angetan worden ist, kann ich
meinem Gegenüber verzeihen, vielleicht sogar den ersten Schritt tun. Es macht mich frei und gleichzeitig setzt es auch einen Denk- und hoffentlich auch Lernprozess bei meinem Feind ein. Liebe kann
alles überwinden – Grenzen, Kriege und Streit. „Wo Menschen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen, da erkennen sie im anderen den Bruder und die Schwester […], Menschen können wieder
unbeschwert miteinander leben. Jede Gewalt hat dann ein Ende.“21
Jesus bezeichnet es auch als die Aufgabe seiner Jünger, seiner Nachfolger, dass sie ihre Feinde lieben.22 „Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch
die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht
19
Gruner, J. (07. 11 2010). Gottes- und Nächstenliebe. Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, S.16f.
Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. Stuttgart: Ernst
Klett-Verlag. S.32
21
Gruner, J. (07. 11 2010). Gottes- und Nächstenliebe. Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, S.17
22
Vgl. Mt 18,22 „Der Schalksknecht“
20
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
dasselbe auch die Heiden?“ ( Mt 5,46f.) Christen haben eine Vorbildfunktion, sie sollten sich nicht
mit dem Niveau von Heiden begnügen, sondern zeigen, dass sie Ebenbilder des allmächtigen und
gütigen Gottes sind, der andere Maßstäbe ansetzt als auf Erden gelten.
Die Goldene Regel
„Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz
und die Propheten.“ ( Mt 7,12) Die Goldene Regel wird in den allermeisten Fällen negativ ausgedrückt: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“23 In allen großen Religionen ist diese Regel zu finden. Die positiv gewandte Form „Was du willst…“ gründet in einem hoffnungsvollen Erwarten, die passive Form „Was du nicht willst, das man dir tu…“ beruht auf der Angst
verletzt zu werden.
Die Goldene Regel drückt in kompakter Weise ein Verhalten aus, das auf einer moralischen Ebene
argumentiert. Universell ist dieses Gedankengut nicht, da es sich nur auf mich und mein Gegenüber
bezieht und etwa die Umwelt außen vor lässt. Kritisch könnte man die Goldene Regel als „zweckorientiert“ abstempeln, das würde an ihrer eigentlichen Intention jedoch weit vorbeigehen. Die Bergpredigt und auch die Zehn Gebote wollen Hinweise für unser Handeln geben und uns Freiheit schenken.
Die Bergpredigt in der Praxis
Theologen und Wissenschaftler befinden sich seit vielen Jahren in einem kontroversen Diskurs, was
die Auslegung der Bergpredigt und ihre Vereinbarkeit mit unserem heutigen Leben angeht. Eine entscheidende Frage lautet: Sind die Thesen der Bergpredigt erfüllbar?
Zunächst muss festgehalten werden, dass die Bergpredigt sich an gläubige Christen richtet. Aber auch
für sie ist das komplette Erfüllen der Bergpredigt unmöglich. Das kann die Abhängigkeit des Menschen von Gott darstellen, der dessen Willen ohne Gnade und Barmherzigkeit nicht entsprechen
kann. Gleichzeitig fordern die Inhalte der Bergpredigt auf, sich dem Idealzustand zu nähern und nicht
sofort aufzugeben.
Einen anderen Weg geht Martin Luther: „Das Problem, das in der Spannung zwischen den extremen
Forderungen Jesu und dem Leben dieser Welt liegt, versuchte Luther mit der Lehre [Luthers ZweiReiche Lehre] von den zwei Regimentern zu lösen: Wir werden im Glauben gerechtfertigt und gehören so zum Reich Gottes; in dieser Welt aber müssen wir uns nach ihren inneren Gesetzen richten.“24
23
24
Vgl. Bertl, S. & Husmann, Dr. B Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. S.32f.
Schnackenburg, R. Die sittliche Botschaft des Neuen Testaments. Bd.1. Freiburg: Herder-Verlag. S.112f.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Die Bergpredigt kann Wegweiser für unser Leben sein. Natürlich enthält sie nicht zu jeder Lebenssituation die passende Antwort. Anhaltspunkte, wie ein christliches Handeln nach Gottes Willen aussehen kann, sind dennoch sehr hilfreich und regen zum Nachdenken an. Vor allem in der Politik kann
sich eine Rückbesinnung auf christliche Werte langfristig auszahlen. Eine komplette Übernahme der
Bergpredigt in tagesaktuelles politisches Handeln könnte hingegen gefährlich werden: die zweite
Wange hinzuhalten, wenn ein Terrorist einen Anschlag durchführt, endet tödlich. Grundlegend bei
den Überlegungen zur Bergpredigt ist den eigenen Verstand dabei nicht auszuschalten. Jesus will uns
einen Vorgeschmack auf das Himmelreich bieten und uns schon jetzt ermutigen mit Liebe anstelle
von Waffen und Gewalt die Welt zu regieren. „Wie war denn die bisherige Politik ohne Bergpredigt?“25, fragt der Journalist und Buchautor Franz Alt, „Konflikte und Machtfragen wurden oft mit
Kriegen und Massenmord ‚gelöst‘. […] Auch die deutsch-französische Versöhnung erfolgte erst,
nachdem Millionen Menschen wegen Dummheit und Verblendung ermordet waren. […] Niemand
kann garantieren, dass eine Politik der Feindesliebe ‚erfolgreicher‘ im Sinne von weniger Toten ist.
[…] Feindesliebe heißt: Sei klüger als der Feind. […] Schaffe eine Kultur des Friedens.“26 Plausibel erscheint die Vorstellung, dass es Jesus um die innere Einstellung, die Haltung der Menschen im Leben
geht, was als Gesinnungsethik bezeichnet wird.
3.3
Von den Arbeitern im Weinberg ( Mt 20,1-16)
Einordnung & Inhalt
Das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg wird von mehreren Geschichten, die von der inneren Haltung
der Menschen handeln27, umrahmt. Jesus berichtet seinen Jüngern in einer Parabel von einem Weinbergsbesitzer, der ausdrücklich mit dem Himmelreich verglichen wird und am Morgen Arbeiter auf
dem Marktplatz für seine Gärten einstellte. Als Lohn für deren Arbeit wurde ein Denar vereinbart.
Einige Stunden später28 kehrt der Hausherr wieder auf den Marktplatz zurück und beschäftigt weitere Tagelöhner. Den Vorgang wiederholt er zur sechsten und neunten Stunde. Als er zur elften Stunde
(ca. 17 Uhr) ein letztes Mal auf den Marktplatz kommt, begegnet er niedergeschlagenen Tagelöhnern, die den Tag über nicht eingestellt wurden. Ihnen bietet der Weingärtner auch noch Arbeit an.
Am Ende des Tages bekommen alle Arbeiter ihren Lohn vom Verwalter. Die Arbeiter, die zuletzt ein-
25
Alt, F. Gute Politik nur mit der Bergpredigt, in: Die Evangelische Zeitung, 27/2007
(www.dieevangelische.de/beitraege/?p=662)
26
ebd.
27
„Der Reiche Jüngling“, vgl. Mt 19,16-26; „Der Lohn der Nachfolge“, Mt 19,27-30 und nachfolgend „Die dritte
Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung“, Mt 20,17-19; „Vom Herrschen und vom Dienen“, Mt 20,2028. Alle Geschichten handeln vom Umgang der Menschen mit Geld, der Erwartung des Himmelreiches und
vordergründig der inneren Einstellung der Menschen.
28
„um die dritte Stunde“ (vgl. Mt 20,3): Die Uhrzeit richtete sich nach dem Stand der Sonne. Die dritte Stunde
entspricht ungefähr 9 Uhr morgens.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
gestellt worden sind, erhalten einen Denar – genauso wie alle anderen Arbeiter auch. Die Tagelöhner, die bereits am Morgen ihre Arbeit aufgenommen hatten, sind entrüstet. Den ganzen Tag lang
haben sie hart gearbeitet und erhalten dafür denselben Lohn wie die Arbeiter, die kaum eine Stunde
gearbeitet haben. Der Verwalter weist die aufgebrachten Männer zurück: „Bist du nicht mit mir einig
geworden über einen Silbergroschen? Nimm was dein ist, und geh!“ ( Mt 20,13f.) Abschließend
äußert er eine heute berühmte Redensart: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ ( Mt 20,16)
Interpretation / Bedeutung
Die Arbeiter
Viele Tagelöhner warten jeden Morgen auf dem Marktplatz darauf, Arbeit zu finden. Der Hausherr
stellt einige Arbeiter ein und vereinbart mit ihnen den Tageslohn. Am Ende des Tages sind sie unzufrieden als sie mitbekommen, dass die anderen Arbeiter nur einen Bruchteil ihrer Arbeit geleistet
haben und ebenfalls einen Silbergroschen erhalten. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Wahrscheinlich waren sie nur aufgebracht, weil sie vom Lohn der anderen erfahren hatten. Eigentlich
brauchten sie sich nicht zu beschweren. Ein Vertrag ist ein Vertrag.
Der menschliche Verstand widerspricht hier trotzdem: Leistung muss sich doch lohnen! Wer einen
ganzen Tag arbeitet, muss doch besser entlohnt werden als eine Teilzeitkraft! Die Unzufriedenheit
der Arbeiter wäre nicht aufgetreten, wenn sie sich nicht verglichen hätten. Sie sind undankbar. „Die
Güte Gottes durchkreuzt nicht selten menschliches Gerechtigkeitsdenken und -empfinden, indem sie
ein ganz eigenes, von Gottes Liebe geprägtes Gerechtigkeitsprinzip aufstellt, das die engen Grenzen
menschlicher Gerechtigkeitsvorstellungen sprengt. Das im wirtschaftlichen Leben häufig vorherrschende Leistungsprinzip hingegen führt nicht selten zu Arroganz, Neid und Missgunst.“29
Der Lohn
Die unzufriedenen Arbeiter erkennen nicht die Güte Gottes. „Der Weinbergbesitzer gibt allen Arbeitern genau den Lohn, der in damaliger Zeit notwendig war, um eine Familie einen Tag lang ernähren
zu können. Da das Gleichnis mit einer Anrede der Zuhörer in Du-Form endet, wäre es dahingehend
auszulegen, dass Jesus seine Zuhörer ermutigen will, in entsprechender Weise zu handeln: nämlich
jedem das Überleben zu ermöglichen.“30 Die Beseitigung des Mangels ist ihm wichtig.
29
Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG). (kein Datum). Abgerufen am 25. 04 2011 von
http://www.pfadfinderinnen.de/fileadmin/user_upload/fuer_uns/Gerechtigkeit/Gottesdienst_weinbergarbeiter.pdf
30
Luckas-bot, B. (21. 04 2011). Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Abgerufen am 25. 04 2011 von
http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichnis_von_den_Arbeitern_im_Weinberg
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Die Letzten werden die Ersten sein
Dieser bekannte Satz des Hausherren – der mit dem Himmelreich verglichen wird ( Mt 20,1) –
lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Menschen, die erst spät in ihrem Leben in den Weingarten, also
zu Gott finden, bekommen ebenso das ewige Leben geschenkt, wie Menschen, die schon seit Kindertagen an Gott glauben. Keinesfalls soll dieser Satz dazu führen, dass Menschen sich in jungen Jahren
bewusst Gott verschließen, weil „die Ersten die Letzten sein werden“ ( Mt 20,16). Auch sie werden
auf ihre Weise Gnade erfahren und dürfen sich glücklich schätzen, viele Jahre Erfahrungen mit dem
allmächtigen Gott sammeln zu dürfen. Genauso könnten die Arbeiter, die den ganzen Tag über im
Weinberg arbeiteten, dankbar sein, überhaupt beschäftigt worden zu sein. Es geht in dieser Redewendung um die Hoffnung für Ältere, Kranke und Verzweifelte: Gottes Reich steht jedem offen –
auch am Sterbebett.
Der Weinbergbesitzer
„Der Hausherr wusste, dass alle diese Männer Geld nötig hatten, und so bezahlte er sie nach ihren
Bedürfnissen und nicht nach der Geldgier. Keiner bekam weniger als er verdient hatte, aber alle erhielten, was sie für sich und ihre Familien benötigten.“31 Bei Gott gibt es eine andere Gerechtigkeit,
sie lässt sich nicht mit den Verhältnissen auf der Erde vergleichen. Aus moralischer Sicht hätte der
Weinbergbesitzer den undankbaren Arbeitern – die ein wenig an die Pharisäer erinnern32 – weniger
Lohn geben können. Als gnädiger und gütiger Gott vergibt er ihnen jedoch. Jesus will zeigen, dass es
allen Menschen gut geht, dass alle genug zu essen haben und dass unsere innere Haltung entscheidend ist.
3.4
Vom Weltgericht ( Mt 25,34-46)
Einordnung & Inhalt
Im Rahmen seiner Endzeitrede wird im 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums vom Weltgericht erzählt. Christus berichtet, dass der König im Weltgericht zwischen Schafen und Böcken unterscheiden
wird. Die Schafe wird er zu seiner Rechten stellen und sagen: „Kommt her, ihr Gesegnete meines
Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.“ ( Mt 25,34) Daran anschließend sind die Werke der Barmherzigkeit: „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu
essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder
gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin
krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ ( Mt 25,35f.) Auf die Frage der Gerechten, wann sie Jesus gedient haben, antwortet er
31
32
MacDonald, William; Kommentar zum Neuen Testament (1989). S.115f.
vgl. Mt 5,20: „Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und
Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
ihnen: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern,
das habt ihr mir getan.“ ( Mt 25,40) Gleichzeitig werden die Böcke ins ewige Feuer kommen, weil
sie die Werke der Barmherzigkeit nicht erfüllt haben.
Interpretation / Bedeutung
Werke der Barmherzigkeit
Zunächst macht die Ermahnung Christus zum Weltgericht ein wenig Angst: eine Selektion der Menschen findet statt. Die genannten Werke der Barmherzigkeit (Hungrigen zu essen und trinken geben,
Fremde aufnehmen, Kleidung geben, Kranke und Gefangene besuchen) sind neben dem barmherzigen Samariter ideale Beispiele für christliches Handeln. Entgegen der emotionalen RäuberGeschichte im Lukas-Evangelium wird dieser dagegen blasser wirkende Text nur sehr selten zitiert.
Die Gerechten
Jesus macht an dieser Bibelstelle klar, was er will. Die Gerechten werden Jesus fragen, wann sie ihm
denn begegnet sind. Sie sind sich noch nicht bewusst, dass Jesus in einer viel größeren Dimension
denkt. Jesus kommt in der Person eines Fremden, Kranken oder Häftlings und dann stellt sich die
Frage, ob wir barmherzig handeln, Mitleid haben oder die Situation und den Hilfsbedürftigen ignorieren. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“, sagt
Jesus in Vers 40. Da alle Christen Kinder Gottes und in der Konsequenz Brüder Jesu sind, ist jedes
Handeln an Mitmenschen ein Dienst am Herrn. Dafür lohnt es sich über den eigenen Schatten zu
springen und couragiert zu handeln – wohl wissentlich das dieses Verhalten erst eingeübt werden
muss.
Die Folgen unseres Handelns
Jesus sagt auch sehr deutlich, was wir tun sollen. Dabei steht weniger die Folge als das Handeln an
sich im Mittelpunkt. Die Ungläubigen werden eine „ewige Strafe“ erhalten, aber an dieser Bibelstelle
eine lückenlose Fortsetzung des „Tun-Ergehens-Zusammenhangs“ des Alten Testaments zu sehen,
wäre zu einfach. Jeder Mensch macht sich selbstverständlich Gedanken um sein Seelenheil. Dennoch
gebietet es sich nicht, hinter jedem barmherzigen, selbstlosen Handeln ein reines Ansinnen auf das
ewige Leben zu sehen.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Gottes Liebe
Wer Gottes Liebe kennt und weiß, wie wunderbar die Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft der Christen sein kann, der lebt in einem sprichwörtlich anderen Licht.
Jesus „verkörpert den empfindsamen Menschen, der sich betreffen lässt, nicht in Gleichgültigkeit
verharrt, sondern Situationen in Liebe meistert. Und der uns bewegt, barmherzig zu sein wie er. Wo
Barmherzigkeit geschieht, ist Leben. Wo Barmherzigkeit an Notleidenden geschieht, fließt die Liebe
zurück, die Christus, Gottes menschliches Gesicht, in Menschen entzündet hat.“33
Christus begegnet uns als Leidender, er hat die Schuld der Menschheit auf sich genommen und ist
dafür am Kreuz gestorben. Die Werke der Barmherzigkeit sind ein Stück von Gottes Gnade uns Menschen gegenüber.
3.5
Das Doppelgebot der Liebe und der barmherzige Samariter ( Lk
10,25-37)
Einordnung & Inhalt
Eines der bekanntesten Gleichnisse der Bibel ist die Beispielgeschichte vom „Barmherzigen Samariter“. Nachdem Jesus zu seinem Vater gebetet hatte, stand ein Schriftgelehrter auf und wollte Jesus
auf die Probe stellen. Er möchte von Jesus wissen, was er tun muss, um das ewige Leben zu bekommen. Nach einer Gegenfrage von Jesus gibt der Gelehrte die Antwort selbst: das Doppelgebot der
Liebe.
Mit dieser Auskunft gibt sich der Gelehrte jedoch nicht zufrieden. Er will wissen, wer sein Nächster
ist. Jesus erzählt ihm von einem Reisenden, möglicherweise ein Jude, der auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho von Räubern überfallen, ausgeraubt und zusammengeschlagen wurde. Der Reisende war halb tot. Ein Priester und ein Levit 34 kommen am Tatort vorbei, reagieren aber nicht und gehen weiter. Ein Samariter handelt anders: Er sieht die Not des Menschen, hat Mitleid, verbindet dessen Wunden und bringt ihn in eine Herberge. Dem Wirt gibt er zwei Silbergroschen und den Auftrag,
den Kranken zu pflegen. Falls das Geld nicht reichen sollte, würde es der Samariter später bezahlen.
Jesus wendet sich wieder an den Schriftgelehrten und will von ihm wissen, wer ist der Nächste aus
Sicht des Opfers? Der Gelehrte antwortet: „Der Samariter.“ Abschließend fordert Jesus ihn auf genauso zu handeln.
33
Popp, D.T. (02. 06 2002). Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienst. Abgerufen am 25. 04 2011 von
http://www.a-m-d.de/hauskreise/impulse/archiv/_doc/6%20Juni%202002.doc
34
Leviten: Stamm, dem im Tempel besondere Aufgaben als Helfer des Priesters zukommen
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Interpretation / Bedeutung
Der Schriftgelehrte stellt Jesus auf die Probe
Die Textstelle im Lukasevangelium lässt sich in zwei Abschnitte gliedern: Zunächst spielt das Doppelgebot der Liebe eine Rolle ( Lk 10,25-28), anschließend geht es um den barmherzigen Samariter
( Lk 10,29-37).
Der Schriftgelehrte will Jesus in Versuchung führen. Er stellte Jesus eine Frage: „Was muss ich tun,
dass ich das ewige Leben ererbe?“ ( Lk 10,25 i.A.) Ein kurioser Sachverhalt. Ein Schriftgelehrter zur
Zeit Jesu hätte die Antwort kennen müssen. Es klingt fast schon anmaßend. Man könnte meinen, der
Schriftgelehrte will die Bestätigung, dass sein Amt genügen würde, um das ewige Leben zu erlangen.
„Das ewige Leben ist nur für Sünder bestimmt, die ihre Verlorenheit einsehen und durch Gottes Gnade erlöst werden.“35 Der Schriftgelehrte scheint nicht zu wissen, dass die Errettung der Menschen
allein der Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu verdanken ist.
Wahrscheinlich war er sich dieser auch bewusst, verzichtete wissentlich darauf und hoffte, dass sich
Jesus selbst in Widersprüchen verstricken oder gegen das Gesetz verstoßen würde. Die Antwort auf
die Frage des Schriftgelehrten ist das Doppelgebot der Liebe. „Er antwortete und sprach: ‚Du sollst
den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst‘ (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18).“ ( Lk 10,27)
Den Nächsten lieben
Den Nächsten lieben? Das fällt auch dem Schriftgelehrten schwer. Was, wenn der Nächste nicht meinen Vorstellungen entspricht? In der Parallelstelle im Matthäus-Evangelium ( Mt 22, 37-40) ist die
Rede vom „höchsten und größten Gebot“. Der barmherzige Samariter fasst christliches Handeln eindrücklich zusammen: Hilf dem, der Hilfe benötigt – unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder
ethnischer Herkunft. Jesus „stellt Nächstenliebe auf eine Stufe mit der Liebe zu Gott.“36 In der Realität ist es niemals komplett umsetzbar. Dies hängt damit zusammen, dass wir allesamt Sünder und auf
Gottes Gnade angewiesen sind.37 Gott zu lieben – das ist mehr als nur Pflichtbewusstsein. Hier wird
deutlich, dass ein geistliches Amt nicht genügt, um vor Gott zu bestehen. Es ist die innere Einstellung
und das Verhalten in meiner Beziehung Gott gegenüber.
35
MacDonald, William; Kommentar zum Neuen Testament (1989). S.275f.
Steinmann, W.-D. (11. 10 2009). Kirche im SWR. Abgerufen am 24. 04 2011 von Sonntagsgedanken:
http://www.kirche-im-swr.de/mprint.php?id=6912
37
„Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gnade ist es, nicht
aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ ( Eph 2,8f)
36
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Liebe deinen Nächsten...
In der Theorie ist das Doppelgebot der Liebe ausdrucksstark: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!
Die Umsetzung in der Realität gestaltet sich komplizierter. Nächstenliebe heißt Courage zeigen, die
Initiative ergreifen und vor allem Handeln, wo andere wegsehen. Es ist viel einfacher, sich einzureden
und das Gewissen zu beruhigen, dass andere bei einem Autounfall zur Hilfe eilen oder bei einem
gewalttätigen Übergriff intervenieren werden.
…wie dich selbst
Die praktizierende Nächstenliebe gründet auf einem gesunden Selbstbild. Ich kann auf lange Sicht
andere nur lieben, ihnen beistehen und Hilfestellungen anbieten, wenn ich mich selbst akzeptiere
und mit mir zufrieden bin.
Die Beispielgeschichte: Der barmherzige Samariter
Für den Schriftgelehrten ist die Frage noch nicht beantwortet. Er möchte wissen: „Wer ist denn mein
Nächster?“ ( Lk 10,29) Jesus berichtet von einem Mann, der auf dem Weg nach Jericho von Räubern überfallen worden ist und halb tot liegengelassen wurde. Ein Priester und ein Levit kommen
vorbei, beide sehen die Situation, gehen aber weiter. Warum?
Der Priester und der Levit
Sowohl der Priester als auch der Levit, also ein Tempeldiener, sind angesehene Geistliche. Welche
Beweggründe haben sie wohl, dass sie nicht helfen, einfach weitergehen? Möglicherweise gehen die
Geistlichen ihrem Dienst so gewissenhaft nach, dass sie dabei das tatsächliche Handlungsfeld ihrer
Arbeit vergessen: das Leben. Der Priester muss sicherlich schnell in den Tempel und einen Gottesdienst halten. Auch der Levit wird seine Gründe gehabt haben. Aber: Welchen Nutzen haben gehaltvolle, mitreißende Predigten, wenn ich im Alltag genau diametral handle?
Der Samariter
Der dritte Mensch, der am Tatort vorbeikommt, ist ein Mann aus Samaria. „Ausgerechnet ein Samariter!“, könnte der Schriftgelehrte gedacht haben. Die Samariter wurden von den Juden gemieden und
missachtet. Sie waren ein Mischvolk, dass nur die fünf Bücher Mose als Heilige Schrift anerkannte.
Ausgerechnet ein Samariter, ein Ketzer, ein Feind hilft dem Verletzten. Demütigt Jesus hier die Juden? Keinesfalls, er versucht vielmehr die Unabhängigkeit der persönlichen Befindlichkeiten bei der
Liebe zum Nächsten zu demonstrieren. Selbst dem schlimmsten Feind, im Fall des jüdischen Schriftgelehrten also einem Samariter, müsste geholfen werden, wenn er halb tot am Wegrand liegen würde. Aber auch der Samariter hatte sich die Reise sicherlich anders vorgestellt. „Es jammerte ihn“
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
( Lk 10,33)
er hatte also Mitleid
und er versorgte die Wunden des Verletzen. Der Samariter
bringt den Überfallenen sogar noch in ein Wirtshaus und bezahlt im Voraus für dessen Versorgung.
Die entscheidende Frage
Jesus knüpft an die Beispielerzählung eine Frage an: „Wer von diesen dreien, meinst du, ist der
Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war?“ ( Lk 10,36) Dabei ist auffällig, dass
Jesus die ursprüngliche Frage des Schriftgelehrten, wer denn sein Nächster sei, umkehrt und nach
dem Nächsten für einen Hilfsbedürftigen fragt. Ein kleiner Perspektivwechsel: Als Verletzter am
Wegesrand ist jeder der vorbeiläuft der Nächste. Das hat mehr mit mir selbst zu tun, als mit dem
Bedürftigen. Die Antwort des Schriftgelehrten ist ehrlich und vielleicht ist sogar ein wenig Reue hier
zu erkennen: „Der die Barmherzigkeit an ihm tat.“ ( Lk 10,37)
Der barmherzige Samariter handelt, weil ihn das Schicksal „berührt“. Allzu oft reagieren die Menschen nicht auf die Hilferufe von Bedürftigen, wir sind durch mediale und digitale Fluten abgestumpft. Der Mann aus Samaria ist ein Prototyp für einen christlich handelnden Menschen, von denen es auch heute zum Glück noch einige gibt.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
4
Christliches Handeln heute
„Wir haben die Vision von einer Gesellschaft der Solidarität, in der einer für den anderen mitsorgt, in der es soziale Gerechtigkeit gibt, der Kranke bis zum Lebensende
gepflegt wird.“ 38
(Robert Zollitsch)
4.1
Christliches Handeln in Unternehmen
Einfluss der Unternehmer
Es gibt verschiedene Beispiele von Unternehmern, die ihre Firmen nach christlichen Grundsätzen
leiten. Eine herausragende Persönlichkeit in diesem Bereich ist Horst Marquardt, Vorstandsvorsitzender des christlich-evangelikalen Nachrichtenmagazins „idea“ sowie des „Kongresses christlicher
Führungskräfte“, der gemeinsam mit dem Unternehmer Prof. Jörg Knoblauch für christliche Werte in
Unternehmen plädiert, was sich unter anderem auch im Leitbild des Kongresses niederschlägt: „Auf
der Grundlage von biblisch-christlichen Werten spricht er [,der Kongress,] Menschen an, die Verantwortung in unserer Gesellschaft übernehmen.“39
Unternehmer haben einen großen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass auch
in diesem Sektor christlicher Einfluss geübt wird. Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt,
dass kurzfristiger Profit und gierige Manager eine explosive Mischung sind – mit christlichem Handeln
hat das wenig zu tun. Christen sind in der Lage, wirtschaftliche Zusammenhänge in Führungspositionen aus anderer Sicht zu beurteilen: als Geschöpfe und Ebenbilder Gottes.40
Verantwortung tragen
Neben den sozialen Aspekten des christlichen Wirtschaftens sind auch ökologische Aspekte nicht zu
unterschätzen. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn […].
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und
machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem
Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ ( 1. Mose 1,27f.)
Hier wird die gesamte Dimension unseres Handelns deutlich: Alle Menschen sind Ebenbilder Gottes
und haben die Aufgabe für ihn als „Bodenpersonal“ zu arbeiten. Das Wort „herrschen“ wird in diesem Zusammenhang häufig falsch interpretiert. Es bedeutet nicht: Erniedrige den anderen, setze
deinen Willen durch und sei selbstverliebt – das genaue Gegenteil ist der Fall: Beschütze die Erde,
regiere sie und achte auf deinen Nächsten. Zwischen diesen beiden Auslegungen liegen Welten.
38
Zollitsch, R. (24. 12 2010). „Wir sind nicht verloren“ (M. Drobinski, Interviewer)
Kongress christlicher Führungskräfte (Zweckbetrieb des idea e.V.). Kongress christlicher Führungskräfte. Abgerufen am 09. 03 2011 von http://www.fuehrungskraeftekongress.de/profil/leitbild.html
40
Vgl. Friedrich, J. Mit Werten in Führung gehen. In Werte sind Zukunft, hg. Marquardt, H.; Knoblauch, J. Hännsler-Verlag (2005): S.9f.
39
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Auch für Unternehmer gilt, dass sie sich vor dem Weltgericht für ihr Verhalten vor Gott verantworten
müssen. Christliches Handeln ist immer ein Vorgang, bei dem die ethischen Vorstellungen, die in der
Bergpredigt, dem Dekalog und weiteren zentralen Bibelstellen genannt werden, berücksichtigt sein
sollten. „Ein Christ ist immer im Dienst“41, lautet das passende Motto. Es ist nicht möglich, wochentags Mitarbeiter zu schikanieren und auszubeuten, während man am Sonntag im Anzug in die Kirche
geht und dort moralisch den Zeigefinder erhebt und sich fromm verhält. Dieses Verhalten mag den
Mitmenschen vielleicht nicht auffallen, vor Gott lässt es sich jedoch nicht verbergen.
Geld und Reichtum
Gott und Geld – kann das gutgehen? Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass beides zusammen nicht
funktioniert. Grundsätzlich stellen das Streben nach Gewinn und der Besitz von Geld kein sündhaftes
Verhalten dar. Gott missfällt der unrechtmäßige Umgang mit Geld und dessen Überhöhung.
Wie ist meine geistige Haltung?
In der Bergpredigt stellt Jesus unsere grundlegende Geisteshaltung auf die Probe: „Denn wo dein
Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ ( Mt 6,21) Dieser Vers aus dem Matthäus-Evangelium war in
diesem Jahr auch Thema auf dem Evangelischen Kirchentag. Unsere geistige Haltung ist entscheidend. Bin ich demütig und Gott dankbar dafür, dass er mir ein Leben in Wohlstand geschenkt hat
oder gebe ich mich nie zufrieden und will immer mehr haben und werde dabei überheblich? Lege ich
mein Leben und Handeln in Gottes Hände und unterstelle alles ihm? Oder bin ich von materiellen
Werten abhängig? Die zentrale Botschaft lautet: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er
wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den anderen
verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ ( Mt 6,24)
Was mache ich mit dem Geld?
Sammle ich mir Schätze auf Erden ( Mt 6,19) oder bin ich auch bereit etwas von meinem Vermögen anderen abzugeben. Eine richtige Erfüllung in unseren beruflichen Aufgaben können wir Menschen nur erreichen, wenn wir akzeptieren, dass wir zwar „beauftragte und bevollmächtigte Geschäftsführer“42 Gottes sind. Der Inhaber der Firma „Welt“ ist jedoch Gott selbst. Hilfsorganisationen
und Stiftungen freuen sich darüber, wenn Unternehmer und Privatpersonen spenden und solidarisch
sind. Im sechsten Vers des neunten Abschnitts des zweiten Korintherbriefes heißt es: „[…] wer da sät
im Segen, der wird auch ernten im Segen. […], denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“
41
Vgl. Friedrich, J. Mit Werten in Führung gehen. In Werte sind Zukunft, hg. Marquardt, H.; Knoblauch, J. Hännsler-Verlag (2005): S.9f.
42
Parzany, U. Verantwortlich führen. In Werte sind Zukunft, hg. Marquardt, H.; Knoblauch, J. Hännsler-Verlag
(2005): S.31f.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Möglichkeiten christlichen Handelns in Unternehmen
Den Möglichkeiten, Gott die Ehre zu geben und somit christlich zu handeln, sind keine Grenzen gesetzt. Ein großer Fast-Food-Unternehmer in den USA lässt seine Lokale sonntags geschlossen, um das
Sabbatgebot einzuhalten.43 Prof. Jörg Knoblauch hat einige weitere Ideen in seinen Büchern aufgezählt44: „biblische Werte, die schriftlich festgelegt sind, bestimmen die Firma; […] ein Teil des Firmengewinns […] spenden; eine wöchentliche Andacht […] .“
Für Unternehmer ist es unerlässlich immer wieder in der Bibel zu lesen und sich auf Gott neu auszurichten. In der Hektik des Alltags neigen die Menschen dazu, Prinzipien zu vernachlässigen und geraten schnell unter Druck. Elementare Strategien in dieser und vielen weiteren Situationen sind Ehrlichkeit, das Einbeziehen von Gott in wichtige Entscheidungen und eine Wohlfühlatmosphäre für
Mitarbeiter und Führungskräfte. Dabei zählt die Putzfrau genauso viel wie der Top-Manager.
Manager Gottes
„Das hemmungslose Ausleben dieses Rechts des Stärkeren hat in den vergangenen Jahren zur öffentlichen Empörung und zu Anklagen gegenüber Managern, Unternehmungen und der globalisierten
Marktwirtschaft geführt.“45 Deshalb ist wichtig zu erkennen, welche konträren Ansichten zwischen
der Bibel und der Wirtschaft bestehen: Die Bibel geht von der Schöpfung aus. Folglich ist die Wirtschaft darin integriert. Das heißt, mit der Wirtschaft soll auch die Schöpfung Gottes bewahrt werden.
Wirtschaftliche Prozesse sollten ressourcenschonend ablaufen und das Verhalten den Mitarbeitern
oder Kunden gegenüber sollte „dem Nächsten dienen“, also gerecht und würdevoll sein. Der Schuhunternehmer Heinrich Deichmann sagt dazu: „Gewinnerzielung ist für uns kein Selbstzweck, sondern dient dazu, Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten und soziale Aufgaben wahrzunehmen.“46
Grundlegende Unterschiede zwischen christlichen und nichtgläubigen Unternehmern sind folgende:
„Die meisten legen Wert auf eine persönliche, familiäre Atmosphäre im Betrieb, versuchen Kündigungen zu vermeiden, auch älteren Arbeitnehmern eine Chance zu geben, Unternehmensziele langfristig zu definieren.“47
43
Knoblauch, J. Jesus auf der Chefetage. In Werte sind Zukunft, hg. Marquardt, H.; Knoblauch, J. HännslerVerlag (2005): S.17ff.
44
Ebd.
45
Giudici, T. Neue Manager braucht das Land. In Werte sind Zukunft, hg. Marquardt, H.; Knoblauch, J. Hännsler-Verlag (2005): S.17ff.
46
Fründt, S. DIE WELT. Abgerufen am 09. 03 2011 von http://www.welt.de/wirtschaft/article7043024/DieseUnternehmer-finden-Profite-nicht-gottlos.html
47
Wiebe, F. (21. 04 2011). „Ich bete auch für die Mitarbeiter.“ Handelsblatt. S.54f.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
4.2
Christliches Handeln in der Politik
Heiner Geißler hat sich mit der politischen Botschaft des Evangeliums auseinandergesetzt und
kommt dabei zu einem überzeugenden Ergebnis: „[…], nicht die Nation, nicht der Staat – der Mensch
mit seiner in Gott begründeten unantastbaren Würde wird zum Mittelpunkt des politischen Geschehens.“48 Er kritisiert das Verhalten der Regierenden und bemerkt, dass sich der Grad der Nächstenliebe nicht allein an Suppenküchen messen lässt, sondern im Alltag auch am sozialen Netz, der Arbeitslosigkeit und dem Umgang mit Organtransplantationen und Sterbenden sehen lässt.49
Geißler skizziert, dass die Bergpredigt auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordert – und
das vor nahezu zweitausend Jahren. Interessanterweise verdienen Frauen heute immer noch in den
allermeisten Fällen bedeutend weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen. Eine Ungerechtigkeit,
die christliches Handeln erfordert.
Ein Hauptkritikpunkt von Heiner Geißler bleibt die Sozialpolitik. Ist es gerecht, wenn das tägliche ProKopf-Einkommen eines Einwohners von Sierra Leone durchschnittlich 50 Cent beträgt, während ein
Luxemburger oder Amerikaner im Schnitt 43 Dollar verdient? 50 Natürlich nicht. Geißler greift dabei
sogar seine eigene Partei an: „Unternehmer, die Mitglieder in der CDU sind, haben die Verpflichtung,
nicht zu verhärten, nicht alles dem Gesetz des Marktes zu überlassen, sondern ein offenes Herz für
Menschen zu bewahren, die weniger tüchtig sind, weniger leisten können, die hilflos sind.“51
CDU – was bedeutet das „C“?
Aktuell tritt häufiger die provokante Frage auf, warum die Christlich-demokratische Union Deutschlands (CDU) überhaupt noch das „C“ im Parteinamen trägt. Die langjährige Befürwortung der Nukleartechnik, das harte Eingreifen der Polizei in Stuttgart am „schwarzen Donnerstag“ gegen Demonstranten oder Kürzungen im Sozialwesen sind nur wenige Argumente der Kritiker. In anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Präimplantationsdiagnostik (PID) tritt die CDU hingegen vorbildlich für
den Schutz des menschlichen Lebens ein. Heiner Geißler hält den christlichen Grundwert im Namen
der Partei für wichtig, ansonsten würde „man einen substanziellen Anspruch auf[geben]. Womöglich
strengen sich die Verantwortlichen und Mitglieder dieser Partei überhaupt nicht mehr an, moralischen oder ethischen Grundwerten in der Politik zu entsprechen.“52
48
Geißler, H. (2004) Was würde Jesus heute sagen. Berlin: Rowohlt, S.153f.
vgl. ebd. S.26f.
50
Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. Stuttgart: Ernst
Klett-Verlag. S.62f.
51
Geißler, H. (2004) Was würde Jesus heute sagen. Berlin: Rowohlt, S.77f
52
ebd. S. 110
49
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Johannes Rau: Christen sollen sich einmischen
Der frühere, inzwischen verstorbene, Bundespräsident Johannes Rau (SPD) hatte sein Bekehrungserlebnis an Pfingsten 1950. Damals war er 19 Jahre alt und auf einer Schülertagung hörte er den damaligen Bundesinnenminister Dr. Gustav Heinemann (CDU): „Für Christen ist der Verzicht auf politische
Verantwortung nicht erlaubt, ja er ist nicht möglich; denn der, der nicht handelt, lässt sich behandeln
und der, der nicht handelt, ist dem Mitmenschen kein Nächster.“53
Johannes Rau hat sich als Christ in der Politik bekannt. Die Auswirkungen dieser ethischen Wertvorstellung sind in seinem politischen Handeln erkennbar geworden.
„Auch im hohen politischen Amt blieb Johannes der Freund par excellence und brachte Freundlichkeit in eine bisweilen ziemlich kalte Welt. Er wollte nicht nur ‚versöhnen statt spalten‘, sondern tat
es auch. Das ist gelebte Theologie und versöhnendes Leben. Seine Rede zur Trauerfeier für die ermordeten Schüler und Lehrer in Erfurt 2002 empfand ich als Höhepunkt seines gelebten Glaubens. Er
schloss auch den unglücklichen Selbstmordmassenmörder mit ein.“54
4.3
Christliches Handeln in der Gesellschaft
Bernd Siggelkow: Not erkennen und handeln
In Berlin wurde 1995 die erste „Arche“ gegründet. Der Pastor Bernd Siggelkow, der im Hamburger
Stadtteil St. Pauli aufgewachsen ist, hatte in Berlin-Hellersdorf das Ziel, Kindern und Jugendlichen ein
Freizeitprogramm anzubieten und mit ihnen Gemeinschaft zu leben. Ihn prägte vor allem eine Erfahrung. Siggelkow trifft einige Jugendliche auf einem Spielplatz und spricht mit ihnen, was sie in ihrer
Freizeit machen: „Wir suchen uns ein paar Mädels, um ein bisschen zu poppen.“55 Siggelkow beschließt, die Situation der jungen Menschen zu ändern. Er gründet die Arche und eröffnet die erste
Kindertagesstätte. Er möchte Kindern und ihren Eltern Hilfe anbieten.
Warum handelt Siggelkow so? „[…], in jedem Kind steckt Potenzial, und das muss erkannt, geweckt
und gefördert werden. Bei vielen Kindern wird dieses Potenzial aber leider nicht geweckt, ja, nicht
einmal erkannt. […] Liebe und Beziehung sind die Schlüssel zum Herzen jedes Menschen.“56 Dabei
betont er immer wieder sein Christsein. Er handelt aus den schmerzhaften Erfahrungen, die er in
seiner eigenen Kindheit gemacht hat. „Papa Bernd“, wie ihn die ihm anvertrauten Kinder oft nennen,
setzt sich für die Kinder ein. Er hat den Anspruch, dass jedes Kind regelmäßig isst, soziale Kontakte
pflegt und (christliche) Freizeitangebote wahrnimmt. Mit mehreren Büchern ist er bundesweit ins
53
Schreiber, M. (2006). Wer hofft kann handeln. Holzgerlingen: Hännsler Verlag. S.77f.
Moltmann, J.; in: Schneider, N. (2005). „…weil ich gehalten werde“. Holzgerlingen: Hännsler Verlag, S.65
55
Siggelkow, B., Büscher, W., Mockler, M. (2010): Papa Bernd. Adeo: Asslar S.71
56
Ebd. S.79
54
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Zentrum der Öffentlichkeit gekommen. Viele Prominente, darunter auch die Frau des früheren Bundespräsidenten, Christina Rau, unterstützen die Arche finanziell und ideell. Mittlerweile gibt es fast
ein Dutzend Archen in ganz Deutschland und der Schweiz. In seinem Buch „Papa Bernd“ richtet
Bernd Siggelkow einen eindringlichen Appell an alle Christen: „Vielleicht machen wir mit unserer
Arbeit manchen Christen auch ein schlechtes Gewissen, weil sie sehen, was möglich ist […]. Ich glaube, auf sozialem Gebiet könnten und sollten die Christen in Deutschland deutlich mehr leisten, anstatt alles an die delegierte Nächstenliebe von Caritas und Diakonie […] abzugeben.“57
Diakonie – ein Vorbild?
Apropos Diakonie: Der barmherzige Samariter der Bibel hätte bei der Diakonie wohl kaum eine Anstellung bekommen: Er war kein hauptamtlich tätiger Mitarbeiter und wurde nicht bezahlt – in seine
Zuständigkeit fiel der Fall auch nicht.58
In einigen Einrichtungen der Diakonie sollen die Mitarbeiter gekündigt, neue Zeitarbeitsfirmen eröffnet und die Mitarbeiter dort zu erheblich niedrigeren Löhnen wieder eingestellt worden sein.59 Solche Vorwürfe, die auch beweist werden können, schaden dem Ruf der Evangelischen Kirchen in
Deutschland. Gerade die Kirche hat eine Vorbildfunktion, die sich nicht am Verhalten anderer Unternehmer orientieren darf. Integrität muss in der Kirche selbstverständlich sein.
Natürlich darf die Kompetenz der Diakonie nicht an diesem Streitpunkt festgemacht werden. Fakt ist
eben auch, dass die Diakonie exzellente Arbeit leistet. Die Diakonie kümmert sich um Sterbenskranke
und deren Angehörigen in Hospizen, leitet Bahnhofsmissionen und hört Bedürftigen am Telefon zu.
Tafelläden, Vesperküchen, häusliche Pflege und Jugendsozialarbeit sind weitere Schwerpunkte der
Diakonie, die auch heute noch flächendeckend in Deutschland durchgeführt werden. Der Diakonie
kommt eine immer wichtiger werdende Aufgabe zu – in Zeiten von Altersarmut und Menschen, deren Verwandte oft nur sehr weit entfernt wohnen.
Umgang mit der Schöpfung
Die globale Erderwärmung und Ausbeutung der Ressourcen unserer Welt ist zu einem großen Teil
von Menschen verursacht. Viele nationale Probleme lassen sich immer wieder vertagen und aufschieben. Beim Klimawandel ist die Staatengemeinschaft – die gesamte Welt – gefordert. „Kehret
um, und ihr werdet leben.“ ( Hes 18,32) Der Schöpfer hat die Erde geschaffen und uns überlassen.
57
Siggelkow, B., Büscher, W., Mockler, M. (2010): Papa Bernd. Adeo: Asslar S.156f.
Vgl. Rempe, A. (2010): Caritas und Diakonie – oder der Samariter. Abgerufen am 24. 04 2011 von
http://www.kirche-im-swr.de/mprint.php?id=9808
59
Evangelischer Pressedienst. Diakonie drückt Löhne durch Leiharbeit. Abgerufen am 14. 03 2011 von
http://www.evangelisch.de/themen/gesellschaft/stern-diakonie-dr%C3%BCckt-l%C3%B6hne-durchleiharbeit31335
58
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Wir haben die Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren und unsere Natur auch den nachfolgenden Generationen zu erhalten. „Der erste Schritt zur Umkehr muss deshalb sein, dass wir uns unser Versagen eingestehen und es nicht länger leugnen, schönreden oder die Probleme auf Nebenschauplätze
verschieben.“60 Alle Menschen sind verantwortlich für das Wohl der Tiere, Pflanzen und der Erde
insgesamt. Wir haben nur eine Erde – es ist unsere Pflicht, sie im Aufsehen auf Jesus Christus zu bewahren und ressourcenschonend zu handeln.
4.4
Interview mit Pfarrer John-Walter Siebert
Ev. Kirchengemeinde Oberstenfeld – Dekanat Marbach am Neckar- Pfarramt I
Herr Siebert, wie definieren Sie christliches Handeln?
Für mich ist es ein Handeln, das auf der Bibel gründet und als Vorbild das Wirken Jesu sieht. Gleichzeitig stehen beide Aspekte unter dem Gebot der Nächstenliebe ( 3. Mose 19, 18).
Welche biblischen Gründe gibt es für Christen den Nächsten zu lieben, ihm zu helfen, ihn zu unterstützen?
Auch hier möchte ich zunächst das Gebot der Nächstenliebe erwähnen, welches in beiden Testamenten vorkommt. Im Doppelgebot der Liebe ( Mt 22,37-40) wird dies besonders deutlich: Die Liebe
zu Gott ist gleichgestellt mit der Liebe zu unserem Nächsten und zu uns selbst. Des Weiteren ist es
für mich evident, dass Jesu Handeln immer Vorbild sein wird. Ein „neues Gebot“, welches Jesus uns
gegeben hat, dass wir uns untereinander lieben sollen ( Joh 13,34-35) drückt dies ebenfalls sehr
prägnant aus. Ferner sind die 7 Werke der Barmherzigkeit ( Mat 25,36-40) ein Ansporn, den
Nächsten zu lieben – immer im Bewusstsein, damit Jesus zu lieben. Darüber hinaus sind alle Menschen Gottes Geschöpfe. Daraus resultierend ist die Würde eines jeden Menschen, die es zu erhalten
und wahren gilt. Besonders auch bei älteren und behinderten Menschen, denen geholfen werden
muss. Auch ein Strafgefangener, der schwere Verbrechen begangen hat, besitzt eine Würde, die es
zu schützen gilt.
Sind das für Sie die wichtigsten Motive für christliches Handeln?
Du wartest auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ( Lk 10, 25-27)?
Ja, Sie haben Recht.
Mit diesem Gleichnis drückt Jesus besonders die Feindesliebe aus. Hilf dem Menschen der in Not
gerät! Die Fußwaschung im Johannes-Evangelium ( Joh 13, 1-20) gehört für mich in gleicher Weise
dazu.
Ist christliches Handeln in unserer globalisierten Welt überhaupt noch zeitgemäß? Warum?
Was meinst du mit „globalisierte Welt“?
60
Bertl, S. & Husmann, Dr. B. (2010). Christliche Ethik angesichts globaler Herausforderungen. Stuttgart: Ernst
Klett-Verlag. S.58f.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Ich denke an den technologischen Wandel, den internationalen Handel, das Streben nach Gewinnmaximierung und vor allem egoistische Verhaltensweisen.
Okay. Ich würde sagen: Es ist jetzt dran zu handeln. Nicht trotz der Globalisierung, sondern gerade
deswegen ist es wichtig, es zu tun. Zeitgemäß war es nie, es war nie selbstverständlich. Große diakonische Einrichtungen, wie die von Johann Hinrich Wichern oder Bodelschwingh waren früher eine
Ausnahme. Davor gab es das nur privat – oder man musste betteln gehen. Niemand hatte sich zum
Beispiel um Straßenkinder gekümmert. Friss oder stirb! Es gab noch nie eine christliche Zeit, vielleicht
ist es das aktuelle Jahrhundert. Flächendeckend gibt es Anspruch auf Sozialleistungen, wie etwa
Hartz IV. Es gibt einen gesetzlichen Anspruch darauf, untergebracht zu werden. Soweit wie heute
waren wir noch nie. Heute ist es nicht schlimmer, als früher. Ich denke da zum Beispiel an die Pflegeversicherung. In früheren Zeiten waren die Menschen mit ihren Krankheiten allein zu Hause und sind
gestorben. Jetzt kann ihnen geholfen werden, die medizinische Grundversorgung hat sich immens
verbessert.
Im vergangenen Jahr haben Bagatell-Kündigungen aufgrund von eingesteckten Pfandbons im Wert
von 1,30 € und verzehrte Maultaschen, die für den Müll bestimmt waren, für Aufsehen gesorgt. Können Sie diese Kündigungen nachvollziehen?
Nein, dieses Vorgehen kann ich absolut nicht nachvollziehen. Beide Fälle sind aber in ihrem Urteil zu
unterschieden. Die Frau, die die Pfandbons einsteckte, musste wieder eingestellt werden, beim
zweiten Fall wurde die zweite Frau mit einer Abfindung bedacht. Ich bin sicher, dass in beiden Fällen
die Unternehmen die Betroffenen einfach loswerden wollten. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer muss gestört gewesen sein. Mit qualifizierten Kräften im Pflegepersonal, die sehr
selten sind, müsste man eigentlich hoch zufrieden sein. Auch das Ignorieren der Dienstanweisung ist
hier kein Grund für eine Kündigung. Aus christlicher Sicht gibt es für jeden Menschen eine zweite
Chance. Das haben viele Menschen erlebt, die mit Jesus unterwegs waren. Petrus etwa, der sich von
Jesus lossagte, welcher im später wieder vergeben hatte ( Joh 21,15-25). Im Gleichnis vom
Schalksknecht ( Mt 18,21-35) erklärt Jesus, dass wir „siebzigmal siebenmal“ einem „Bruder“ vergeben sollen. Das gilt aktuell auch für Karl-Theodor zu Guttenberg. Er hat einen großen Fehler gemacht, aber auch ihm steht eine zweite Chance zu. Das ist übrigens auch ein interessantes Predigtthema für mich: Herr zu Guttenberg und die zweite Chance…
Zurück zum christlichen Handeln: Wie kann das jeder Einzelne im Alltag praktizieren?
Anderen vergeben, wenn sie uns darum bitten, ist eine einfache Übung für den Alltag. Natürlich erleiden Menschen Verletzungen durch das Verhalten anderer, aber die eigene Heilung kann nur durch
Vergebung geschehen. Das passiert in meinem eigenen Interesse, auch wenn der andere nicht um
Vergebung bittet. Besonders in Fällen von körperlichen und seelischen Misshandlungen ist dies sehr
schwer – aber die Probleme kann man sein Leben lang nicht mit sich herumtragen. Ein Großteil der
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Menschen vermeidet den Kontakt zu Menschen, mit denen es große Differenzen gegeben hat, dabei
ist das Gefühl der Vergebung regelrecht befreiend.
Außerdem kann christliches Handeln im Alltag durch freigiebiges und großzügiges Handeln gekennzeichnet sein. „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“, schreibt Paulus ( 2. Kor 9,7). Im Bewusstsein,
dass das „tägliche Brot“ für alle Menschen bestimmt ist, lässt sich großzügig handeln.
Des Weiteren liegen mir auch hier die 7 Werke der Barmherzigkeit, die Jesus in seiner Endzeitrede
erwähnt, am Herzen. Das, was ich tue, soll von Liebe bestimmt sein. Mein Handeln sollte von der
Motivation der Liebe abhängig sein. Die Würde des Nächsten, nicht des Übernächsten, gilt es zu wahren!
Ich würde es sogar noch weiter fassen: Der Schutz der Umwelt, der sorgsame Umgang mit Ressourcen zählt genauso zu christlichem Handeln. Das Wort „Werte“ muss in jeder dieser Diskussionen auftauchen. Deshalb: Christen sollten dafür eintreten, dass christliche Werte im täglichen Handeln umgesetzt werden – in der Lebensführung und in der Gesetzgebung. Ein verantwortliches Handeln ist
auch auf nachfolgende Generationen bezogen.
Wie sieht christliches Handeln in einer Kirchengemeinde –konkret am Beispiel Oberstenfeld – aus?
Hier sind zwei Bereiche zu trennen: den kirchlich organisierten und privaten Bereich. Organisiert gibt
es natürlich die Diakonie mit ihrer ambulanten Alten- und Krankenpflege und die Nachbarschaftshilfe, in der ja auch deine Mutter tätig ist. Der Krankenpflegeförderverein Oberstenfeld e.V. beschäftigt
einen Zivildienstleistenden, der zum Beispiel Einkäufe und Fahrten zu Ärzten übernimmt. Auch einen
Sozialfonds gibt es bei uns. Unbürokratische finanzielle Hilfe ist manchmal dringend nötig und da
kann dieser Fonds schnell helfen. Ferner gibt es das „Suppentöpfle“. Hier arbeiten ehrenamtlich einige ältere Damen jeden Monat in der Küche des Gemeindehauses und zaubern ein Mittagessen für
Einsame, Alte und Kranke.
Wie das Ganze im privaten Bereich aussehen kann, erlebt du ja gerade selbst61. Das ergibt sich individuell. Was in Gemeinden absolut gar nicht funktioniert: Hinter dem Rücken anderer werden diese
kritisiert. Das Tratschen auf der Straße kann ich nicht leiden. Der Betroffene hat keine Chance, Stellung zu nehmen. Außerdem sind viele angebotenen Gruppen und Kreise nicht offen für andere.
Welchen Nutzen, vielleicht sogar Vorteil, haben Menschen, die sich die Bergpredigt und das Handeln
Jesu zum Vorbild nehmen?
Sie werden selig, glückselig. „Wohl denen“, steht in den Seligpreisungen. Sie haben Gott auf ihrer
Seite. Also ganz einfach: Wer sich daran hält, hat Gott auf seiner Seite. Außerdem sind eine hohe
Anerkennung und ein hohes Ansehen innerhalb der Gemeinde oder sogar weltweit die Folge. Ich
denke dabei an Mutter Theresa oder Mahatma Gandhi. Wer nicht von Sorgen und Feindesliebe zer61
Anmerkung: Seit der Krebserkrankung meiner Mutter Ende Januar 2011 erlebe ich die Gemeinschaft und Unterstützung
meiner Mitchristen ganz besonders. Näheres hierzu im Kapitel „Eigene Erfahrungen“
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
fressen ist, wie die Bergpredigt schreibt, der darf sich freuen. Ein Wertesystem, einen Sinn für sein
eigenes Leben zu finden, ist für viele Menschen von zentraler Bedeutung. Andererseits kann man
auch ausgenutzt, mit Waffen angegriffen werden – kurzum: man wird verletzlich. Dennoch ist das
Handeln Jesu als Vorbild die richtige Entscheidung.
Herzlichen Dank für das Interview.
(durchgeführt am 12.03.2011)
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
5
Zusammenfassung
Die gute Nachricht zuerst: Christliches Handeln gibt es nicht nur in der Bibel vor über zweitausend
Jahren, sondern auch heute im Jahr 2011 noch! Auch wenn die Formulierung der Gebote heute sicherlich anders klingen würde, so ist der Inhalt immer noch hoch aktuell.
Die Welt am Abgrund
In der Bibel, vor allem im Alten Testament, gab es den sogenannten „Tun-Ergehens-Zusammenhang“.
Wer nach den Geboten handelte, konnte mit einem segensreichen und erfüllten Leben rechnen –
wer sich dem widersetzte musste mit Unheil und schrecklichen Plagen rechnen. Glücklicherweise ist
das heute nicht mehr so. Im Neuen Testament lehrte Jesus, dass Gott ein Gott der Liebe und der
Gnade ist. Unser tägliches Handeln hat Auswirkungen auf unsere Umwelt. Vor allem Kinder nehmen
sich ein Vorbild am Umfeld, besonders an ihren Eltern und Großeltern. Ihnen kommt eine für den
Fortbestand unserer Zivilisation eminent wichtige Aufgabe zu. Die Welt stand vor dem nuklearen
Overkill – der Kalte Krieg war kurz davor, ein heißer zu werden. Heute sind die Bedrohungen nicht
geringer, eher noch größer: biologische Kampfwaffen, internationaler Terrorismus und Atombomben
bedrohen unser Leben.
Bewahrung der Schöpfung
Wir sind es unseren Kindern schuldig, mit der Erde und den darauf befindlichen Ressourcen schonend umzugehen. Die Schöpfung kommt von Gott und es ist erstaunlich mit welcher Gleichgültigkeit
immer wieder versucht wird die Natur auszubeuten – aus reiner Profitgier. Christen sind dazu aufgerufen, Felsen in der Brandung zu sein und nicht mit dem Mainstream mitzuschwimmen.
Konflikte
Viele Menschen haben es verlernt, Konflikte verbal zu lösen. Die militärische oder wirtschaftliche
Macht muss zur Schau gestellt werden. Staatschefs haben es verlernt, miteinander zu kommunizieren und treffen – trotz Staatenbünden wie der EU oder der UN – immer wieder Einzelentscheidungen, deren Auswirkungen der gesamten Gemeinschaft schaden. Die Demonstration, wer am sprichwörtlich längeren Hebel sitzt ist zurzeit vor allem in Nordafrika zu sehen: Diktatoren versuchen ihre
jahrzehntelange Macht mit blutigen Mitteln zu erhalten und Aufständische zu unterdrücken. Dabei
geraten verfolgte Christen auf der gesamten Welt schnell in Vergessenheit. In Dutzenden arabischen
Ländern werden Christen verfolgt, schikaniert, gefoltert, an der Ausübung des Glaubens gehindert
oder sogar getötet.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Zeit sich einzumischen
Die Zeit ist gekommen, dass Christen sich einmischen in unserer Gesellschaft und nicht zuhause warten bis Jesus wiederkommt und das Himmelreich beginnt. Unsere Aufgabe ist es, ein Stück von Gottes Herrlichkeit bereits jetzt und hier zu zeigen. Christen sind keine hilflosen Kreaturen, die machtlos
zusehen sollen, wenn die Gesellschaft aus den Fugen gerät. In der Gemeinschaft mit Gott und Mitchristen können wir beten – für unsere Politiker und andere Führungskräfte. Damit haben wir schon
viel erreicht. Christen haben ihren Platz in der Politik, im Sport und auch in der Wissenschaft. Erfreulicherweise gibt es diese Menschen auch heute noch. Kürzlich hat zum Beispiel Günther Beckstein,
der frühere bayerische Ministerpräsident ein Buch zu den Zehn Geboten herausgegeben, zu denen er
sich eindeutig bekennt.
Christliches Handeln ist wieder hochaktuell geworden. Immer mehr Menschen leben am Existenzminimum und müssen von Tafelläden versorgt werden. Der soziale Reichtum eines Staates lässt sich an
der Zahl der Tafelläden festmachen: In Deutschland werden es immer mehr. Es ist ein Armutszeugnis
für ein Industrieland, wenn so viele Menschen keine oder sehr schlecht bezahlte Arbeit haben.
Selbstverständlich geht es den Menschen in Ländern der Dritten Welt noch schlechter, auch hier
braucht es visionäre Christen, die Schulen und Trinkwasseranlagen bauen und den Menschen von
Jesus erzählen – missionarisch, aber auf freiwilliger Basis.
Bei diesem Thema ist jeder einzelne Anhänger Jesu gefordert, aber selbstverständlich auch die kirchlichen Institutionen. Sie müssen sich mutig zu ihrer Meinung bei sozialen und ökologischen Missständen bekennen und ihre Stimme erheben! Margot Käßmann hat in ihrer Neujahrspredigt 2010 den
Satz „Nichts ist gut in Afghanistan!“ geprägt. Wir brauchen mehr von diesen unkonventionellen Menschen, die sich einmischen und kein Blatt vor den Mund nehmen. Das bedeutet natürlich nicht, dass
die Kirchen in Aktionismus verfallen sollen. Es ist vielmehr die Hoffnung, dass sich Amtsträger sorgfältig mit dem Tagesgeschehen befassen und nicht auf das Himmelreich hoffen und mit der Gegenwart
nichts zu tun haben.
Verantwortung tragen
Christen sollten Verantwortung für ihre Fehlentscheidungen übernehmen, siehe Margot Käßmann.
Sie hat erkannt, dass sie ihr Amt als Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) nicht ohne einen Ansehensverlust für das Amt - nicht für sich; ihr Ansehen hat seither eher
zugenommen - nach ihrer Alkoholfahrt hätte weiterführen können. Unsere Gesellschaft ist von
Rücksichtslosigkeit und dem Streben nach Perfektionismus geprägt. Jesus berichtet in der Bergpredigt davon, dass wir uns anders als die Pharisäer oder Zöllner verhalten sollen! Wahre Stärke ist das
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Eingestehen von Fehlern. Das christliche Handeln basiert auf der Idee, dass es kontinuierlich besser
funktioniert, je mehr Menschen es ausüben.
Christliche Prinzipien in Zukunft
Natürlich ist es ein hehres Ziel, christliche Prinzipien in unserer Welt zu verankern. Um keinen Preis
der Welt darf dies mit Gewalt oder missionarischem Fundamentalismus geschehen. Der christliche
Glaube ist ein freiwilliges Angebot, zu dem niemand gezwungen werden darf. Ansonsten würde sich
die christliche Religion genauso wie andere radikale und fundamentale Religionsgemeinschaften
verhalten.
In Zeiten von zunehmenden Kirchenaustritten wird in Zukunft möglicherweise der Begriff „christlich“
durch „human“ abgelöst. Humanes, menschliches Handeln kann jeder durchführen. Es bleibt zu bezweifeln, ob ein Nichtgläubiger damit einverstanden wäre, eine Wohltat als „christlich“ zu charakterisieren. Alle Gläubigen wissen jedoch: die christliche Ethik wird in vielen Feldern angewandt, ohne,
dass sie explizit genannt wird. Die Bibel fordert uns auf, auch heute noch auf die Einhaltung der Gebote zu achten. Es dient unserer Freiheit.
Die Katastrophen haben sich in den letzten zweitausend Jahren verändert – sie sind existenzbedrohender geworden. Wer die Einstellung „Nach mir die Sintflut besitzt!“, der wird sich für dieses Verhalten am Ende vor Gott verantworten müssen. Das ist gleichgeblieben. Schaffen wir also ein Stück
Himmel auf Erden und handeln wie der barmherzige Samariter, der Weingärtner oder Jesus selbst –
uns zur Freude und Gott zur Ehre!
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
6
Dokumentation
6.1
Eigene Erfahrungen
„Weil geistliche Liebe nicht begehrt, sondern dient, darum liebt sie den Feind wie
den Bruder. Sie entspringt ja weder am Bruder noch am Feind, sondern an Christus
und seinem Wort.“ 62
(Dietrich Bonhoeffer)
Als Christen kommt uns natürlich eine besondere Aufgabe zu, wenn wir nach dem Leben und Wirken
Jesu handeln wollen. Warum soll ich eigentlich anders handeln als andere? Unsere Aufgabe ist es
nicht, uns am Verhalten anderer Menschen zu orientieren oder unsere Haltung gar davon abhängig
zu machen. Letztlich muss jeder selbst vor Gott Rechenschaft für sein Verhalten ablegen (vgl.  Mt
12,36; 1. Kor 4,5; 2. Kor 5,10). Wir sind Gottes Stellvertreter, seine Ebenbilder auf Erden (vgl.  1.
Mose 1,27). Wäre es nicht angebracht, uns auch dementsprechend zu verhalten?
Außerdem bin ich davon überzeugt, dass man diese Einstellung nur leben kann, wenn man Gottes
Liebe kennt. Wer weiß, wie Gott liebt – bedingungslos nämlich – der l(i)ebt selbst viel hingebungsvoller, leidenschaftlicher und intensiver (vgl.  Röm 8,38-39). Das gilt sowohl für mein Selbstbewusstsein als auch für den Umgang mit Mitmenschen.
Christliches Handeln geht weiter als das Einhalten bestehender Normen und Ordnungen. Es impliziert
diese Regeln, setzt sie geradezu voraus. Ich kann keine konkreten Anweisungen verfassen, in denen
steht, was christliches Handeln ist. Die Texte der Bibel sollen Leitplanken sein, uns Hilfestellungen
geben. Was in der jeweiligen Situation richtig ist, lässt sich pauschal oft nicht beurteilen. Wir können
dann aber in der Bibel lesen und Gott im Gebet bitten, uns seinen Weg für uns zu zeigen.
In diesem Erfahrungsbericht wollte ich eigentlich über die Situationen des Alltags berichten, in denen
christlich gehandelt wurde. Das Thema hat für mich durch die Krebserkrankung meiner Mutter eine
ganz neue Dimension bekommen.
Direkt nachdem ich von der lebensverändernden Nachricht erfahren hatte, konnte ich zur 1. Vorsitzenden unseres Kirchengemeinderates – eine gute Freundin der Familie – gehen. In den Stunden des
Schocks, der Hilflosigkeit und Verwirrung war sie da und versorgte mich. Viel konnte man in der Situation nicht tun. Aber das Wichtigste war: Sie war da. Genauso wie Jesus im Not der Welt zu uns tritt
und spricht: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis,
sondern wird das Licht des Lebens haben.“ ( Joh 8,12)
62
Bonhoeffer, D. (2001). Gemeinsames Leben. 26. Auflage: Gütersloher Verlagshaus.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
In den ersten Tagen nach der Diagnose erreichte uns eine Welle der Hilfsbereitschaft: die Gebetskreise der Gemeinde beteten für uns, unser Pfarrer kam regelmäßig zu Besuch und jeden Tag (!) wurde
uns ein warmes Mittagessen gebracht. Es war christliches Handeln auf allen Ebenen: Wir wurden mit
Essen versorgt, viele hilfreiche Gespräche fanden statt und wir fühlten uns getragen von unserer
Kirchengemeinde.
Diese Zeit hinterlässt natürlich Spuren. Ich habe festgestellt, dass die Beziehungen zu den Menschen,
die uns während der Erkrankung meiner Mutter zur Seite gestanden sind, viel intensiver geworden
sind. Eine Gemeinschaft, die eine lebensbedrohliche Krankheit zum Anlass nimmt, zusammenzuwachsen und dies gemeinsam durchzustehen, wächst und viel Gutes, Neues kann entstehen und sich
entwickeln. Ich fand es wichtig, jemanden zum Zuhören zu haben. Die Tochter unseres Pfarrers, die
in meinem Alter ist und mit der ich in einen Hauskreis gehe, hat mich an einem Sonntag im Februar
einfach abgeholt, wir sind spazieren gegangen, haben Kaffee getrunken und es ging mir gleich viel
besser. Die Diagnose hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen und liebevoll hat sich ein
sanftes Netz darunter aufgebaut: ein Netz der Liebe, Zuneigung – voll an Verständnis und Interesse.
Ich glaube, ohne das Handeln meiner Mitchristen wären wir als Familie an dieser Krankheit zerbrochen. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich plötzlich viele Menschen intensiv um eine Familie
kümmern, für sie einstehen und beten. Ich betrachte es als Geschenk und Wunder Gottes. Christliches Handeln kann Leben verändern, es schenkt Hoffnung, wo niemand mehr zu glaubt. Es ist das
fantastische Gefühl zu wissen, dass Christen ein Stück von Gottes Herrlichkeit und Größe zeigen und
weitergeben können. Die Planung, wer wann für das Mittagessen zuständig ist, sich kümmert, besucht oder anruft – das war alles unter unseren Mitchristen abgesprochen. Es gab keine Organisation, die sich darum kümmerte.
Beeindruckend war für mich, dass auch unser Pfarrer sich viel Zeit nahm und jede Woche die Predigt
für meine Mutter per E-Mail schickte, damit sie etwas von ihm zu lesen hatte. Ich bin überzeugt, unsere Aufgabe ist es, so zu handeln, wie Jesus es uns in der Bergpredigt gelehrt hat. Natürlich sind wir
nicht perfekt und vollkommen. Zum Glück! Es ist viel wichtiger sich immer wieder neu auf Jesus auszurichten und uns für unsere Mitchristen und Mitmenschen einzusetzen. Ich habe das Geschenk der
Nächstenliebe ziemlich intensiv erfahren dürfen und bin sicher, dass ich diese Eindrücke nie vergessen werde. Es ist christliches Handeln – den Menschen zur Freude und Gott zur Ehre.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
6.2
Arbeitsbericht
Die Entscheidung, am Wettbewerb „Christentum und Kultur“ teilzunehmen, verdanke ich meinem
Religionslehrer, Herrn Oberstudienrat Roland Schmierer. Gleich zu Beginn des Schuljahres brachte er
die Flyer hierzu in unsere Klasse. Nach kurzer Bedenkzeit war für mich die Entscheidung gefallen.
Besonders reizvoll erschien mir die Möglichkeit, einerseits an einem selbstgewählten Thema über
einen längeren Zeitraum zu arbeiten und andererseits die Wettbewerbsarbeit auch als „Besondere
Lernleistung“ in das Abitur miteinfließen zu lassen.
Nach mehreren Gesprächen mit Herrn Schmierer hatte ich auch mein Thema gefunden. Mich interessierte das Spannungsfeld zwischen Ereignissen, von denen die Bibel berichtet, und unserem alltäglichen Umgang miteinander. Die endgültige Formulierung des Themas lautete: „Christliches Handeln
in der Bibel und heute – ein Vergleich“.
Bereits in den Herbstferien erstellte ich nach langem Nachdenken und einigen Gesprächen mit Bekannten und Freunden eine erste Gliederung. Bis zum Ende der Arbeit an dieser Dokumentation veränderte sich noch vieles, aber ein zielgerichtetes Planen unterstützte den Prozess natürlich. Bis zu
den Weihnachtsferien sammelte ich erste Informationen und versuchte, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Erste Ideen habe ich weiterentwickelt, verändert oder auch wieder verworfen.
Schnell stellte ich fest, dass eine Eingrenzung des Themas eminent wichtig ist. Das Ziel dieser Dokumentation ist ein beispielhafter Vergleich zwischen dem Handeln, das uns Jesus vorlebt, die Bibel
zeigt, und einer Analyse der gegenwärtigen Situation mit positiven und negativen Beispielen.
Insgesamt war der Arbeitsprozess eher von intervallartigem Arbeiten gekennzeichnet. Natürlich begleitete mich das Thema täglich, aber bei den vielen Verpflichtungen und schulischen Aufgaben blieb
außerhalb der Ferien kaum Zeit, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Als einen großen Vorteil
dieser Wettbewerbsarbeit sehe ich die flexiblen Arbeitszeiten. Im gleichwertig im Abitur bewerteten
Seminarkurs wird jede Woche zwei Schulstunden lang gearbeitet. Ich habe festgestellt, dass ich daheim am Schreibtisch einfach kreativer und produktiver bin.
Diese Flexibilität lernte ich vor allem ab Januar zu schätzen. Zu diesem Zeitpunkt erkrankte meine
Mutter an Krebs. Mir fehlten sowohl die Kraft als auch die Zeit mich in diesen Monaten für die Wettbewerbsarbeit zu engagieren. Vor den Osterferien wurde bekannt, dass meine Mutter nach insgesamt drei Operationen als geheilt gilt. Die psychische Belastung der letzten Monate konnte ich nur
langsam ablegen. Erste Kapitel hatte ich bereits geschrieben und so konnte die Erarbeitung fortgesetzt werden.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
Während dieser Zeit hat das Thema für mich eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Ich durfte
selbst miterleben, was es bedeutet, wenn christliches Handeln ganz real wird. Bis zu diesem Zeitpunkt waren es eben einige „trockene“, theoretische Punkte, die ich zwar teilweise selbst erlebt habe, aber einen tieferen Zugang und ein umfassendes Verständnis für diese Thematik konnte ich erst
in der Zeit der Erkrankung meiner Mutter entwickeln. Näheres hierzu im Kapitel Eigene Erfahrungen.
In verschiedenen christlichen Zeitschriften, aber auch überregionalen Zeitungen wie ZEIT und Süddeutsche Zeitung konnte ich viele hilfreiche Informationen für die Praxis des christlichen Handelns
heute finden. Die Recherche war kompliziert: Obwohl es zum Themenbereich sehr viele Quellen gibt,
behandelten die Fundstücke die Thematik in einem anderen Kontext. Deshalb bestand meine Aufgabe vor allem darin, die gefundenen Materialien in Zusammenhang zu meinem speziellen Themenkomplex zu setzen. Natürlich war dies eine sehr anstrengende Arbeitsphase, aber die exemplarische
Erarbeitung eines Themenbereiches, der explizit bisher eher selten aufgegriffen worden ist, lässt
auch mehr Freiraum für eigene Schwerpunkte.
Je länger ich an dieser Dokumentation gearbeitet habe, desto mehr habe ich den Eindruck gewonnen, dass meine Arbeit nur einem kleinen Puzzlestein auf einem großen Feld entspricht. Es gibt Dutzende Bibelstellen, die eine gewisse Ethik implizieren und in der Folge zum christlichen Handeln aufrufen. Ich habe mich vor allem auf zentrale Bibelstellen konzentriert, wie zum Beispiel die Zehn Gebote, die Bergpredigt, das Doppelgebot der Liebe, die Endzeitrede Jesu oder das Gleichnis vom
barmherzigen Samariter.
Kurz vor den Sommerferien konnte ich die Dokumentation abschließen. Viel Zeit habe ich für die
Dokumentation verwendet, weil das Überarbeiten der Texte viel Zeit erforderte. Rückblickend kann
ich feststellen, dass ich mit dem Thema und meinem Ergebnis zufrieden bin. Ich habe ein Thema gewählt, das den Bogen über mehr als 2000 Jahre spannt und dennoch – oder gerade deshalb aktuell
ist. Christlich handeln können wir täglich. Für mich hat diese Wettbewerbsarbeit einen langfristigen
Nutzen. Es geht hier um mehr als nur einen Wettbewerb oder eine „Besondere Lernleistung“. Ich
habe die elementaren Stellen der Bibel, die unser Zusammenleben regeln, von einer neuen Seite
kennengelernt. Mein Verständnis für die Bibel und die Handlungen Jesu hat zugenommen. Selbstverständlich maße ich mir nicht an, jetzt Experte für das Verhalten Jesu zu sein. Ich bin dankbar dafür,
einen neuen Eindruck von der Größe unseres dreieinigen Gottes entdeckt haben zu dürfen.
Eine Frage hat mich während der Bearbeitung des Themas durchweg beschäftigt: Würde es unserer
(weltlichen) Gesellschaft besser gehen, wenn die Bergpredigt und die Zehn Gebote als Maßstab für
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
das Handeln aller Menschen gelten würden? Inzwischen habe ich eine Antwort gefunden, wirklich
befriedigend ist sie allerdings nicht. Die Menschen haben es in der Gesamtheit noch nie probiert, sich
an Gottes Wort zu orientieren. In der Gemeinde, im kleineren Kreis funktioniert das Handeln nach
Gottes Maximen bestimmt, aber kann ein Staat dies für sich beanspruchen? Ich glaube es ist gewinnbringend, wenn sich ein Staat an christlichen Prinzipien orientiert, sie aber nicht ohne Diskussion
einfach übernimmt – ansonsten würde sich das Christentum angreifbar machen. Außerdem ist es für
mich sehr fragwürdig, ob sich Terroristen von Aussagen der Bergpredigt beeindrucken lassen. Der
Staat würde in eine Art Anarchie verfallen, wenn die Gerichte und Banken nach dem Motto „Bittet,
so wird euch gegeben...“ handeln würden. Dennoch haben wir als Bodenpersonal Gottes die Aufgabe, etwas von seiner Herrlichkeit und seiner Güte zu zeigen, die sich vom Verhalten anderer grundlegend unterscheidet.
Abschließend möchte ich allen Menschen danken, die mich während der Erarbeitung unterstützt
haben. Ein ganz besonderer Dank gilt meinem Religionslehrer, Herrn Roland Schmierer, und dem
Pfarrer der Kirchengemeinde Oberstenfeld, Herrn John Walter Siebert.
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Christliches Handeln in der Bibel und heute – ein Vergleich
7
Anhang
7.1
Schlusserklärung
Erklärung
Ich versichere hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig angefertigt und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Die den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen sind als solche gekennzeichnet.
Ort, Datum: ………………………………………………………………….
Unterschrift: ………………………………………………………………….
7.2
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 ............................................................................................................................................. 1
http://www.sorgenlos-leben.com/images/Haende.JPG
Abbildung 3: Der Dekalog ........................................................................................................................ 9
Abbildung 4: Der Aufbau der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium ................................................... 11
7.3
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