Sehnsucht und Standing Ovations

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Sehnsucht und Standing Ovations
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KULTUR
Montag, 19. März 2007
Sehnsucht und Standing Ovations
Begeistertes Publikum bei „Serenata D’Amore“ mit Björn Casapietra in der Fuldaer Orangerie
Von Helmut Maaß
FULDA Schon seit Dezember
2006 ist der Sänger Björn Casapietra auf seiner Tournee
„Serenata d’Amore“ kreuz
und quer durch etwa 45 deutsche Städte unterwegs. Für
seine „Lieder der Sehnsucht“
wählte er dabei meist bedeutende Kirchen als Aufführungsorte. In Fulda gab der
Tenor am Samstag ein begeistert aufgenommenes Konzert
im großen Saal der Orangerie.
Casapietra und seine Gesangspartnerin Olivia Safe aus
England erhielten immer wieder Zwischenapplaus. Zum
Schluss des zweistündigen
Konzerts spendete das begeisterte Publikum sogar Standing
Ovations. Auch Andreas Vermesy, der für eine wohl abgestimmte Klavierbegleitung auf
einem betagten Fuldaer Instrument sorgte, wurde mit
kräftigem Beifall bedacht.
Dem Klavier, „auf dem
wohl schon etliche Fuldaer
Musiklehrer Unterricht gegeben haben“, galten denn
auch die ersten humoristischen Anmerkungen des Sängers, der sich immer wieder
mit Witz und Ironie an das
Publikum wandte.
Casapietra tanzte mit einer
hexenschussgeplagten Zuhörerin im Saal oder regte, im
Publikum stehend, die Zuhörer zum Mitsingen an. Mit
südländischem Temperament
– der Sänger hatte eine italienische Mutter – und ausdrucksstarker Stimme, viel
Humor und intensiver Gestik
brachte er Abwechslung in
sein Konzert.
Da sich der Tenor eine Karriere jenseits aller Genre-Konventionen von Klassik und
Schlager, Schauspiel, Entertainment und Moderation
aufgebaut hat, lässt sich seine
Vortragsweise auch in keine
Schublade einordnen.
Seine „Lieder der Sehnsucht“ ließen Meisterwerke
der italienischen Oper, Arien
und Duette erklingen und
entstammten
gelegentlich
auch seinem letzten Album
Trio mit Humor und Können: Pianist Andreas Vermesy, Björn Casapietra und Olivia Safe (von links).
„Meines Herzens Wahrheit“.
Immer wieder ging es darin
um Sehnsucht oder um Enttäuschung in der Liebe. Als
zusätzliche Beigabe ließ Casapietra spanische Zarzuelas erklingen.
Phonetische
Prägekraft
Von Puccini über Cole Porter
bis zur West Side Story wurden große Komponisten oder
Einzelwerke mit Weltruf in
Erinnerung gebracht. Rossinis
„La Danza“ erklang ebenso
wie die „Musica Proibita“.
Casapietra sang seine Solopartien mit rasch wechselnder
Ausdrucksform, mit deutlicher phonetischer Prägekraft
und mit einer bemerkenswerten Atemtechnik. Der Beglei-
Streit um Neubau auf Berliner Museumsinsel
lozza. Die im Grundgesetz
ebenfalls vorgesehene Volksinitiative sei ein wesentlich
einfacherer Weg, ein politisches Zeichen zu setzen.
Die Initiative muss bis zum
1. September 20 000 Unterschriften sammeln. Darin
wird der Senat aufgefordert,
die Unversehrtheit der Museumsinsel zu wahren. Unterstützter sind unter anderem
TV-Moderator Günther Jauch
und die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals, Lea Rosh.
Der Präsident der Stiftung
Preußischer
Kulturbesitz,
Klaus-Dieter Lehmann, hatte
den Protest „absurd und fahrlässig“ genannt. Bei vier Millionen Besuchern im Jahr
brauche die Museumsinsel ein
funktionsfähiges
Eingangsund Servicegebäude.
Ernst Haefliger ist tot
Erster lyrischer Tenor an Deutscher Oper Berlin
DAVOS (AP) Der Schweizer
Tenor Ernst Haefliger ist im
Alter von 87 Jahren gestorben. Er erlag in Davos einem
akuten Herzversagen.
Haefliger wurde am 6. Juli
1919 geboren und war einer
der bekanntesten Oratorienund Liedsänger des 20. Jahrhunderts. Seine Interpretatio-
BENSHEIM (dpa) Die Schauspielerin Nina Hoss („Die weiße Massai“) ist in Bensheim
mit dem Eysoldt-Ring 2006
ausgezeichnet worden. Die
31-Jährige ist damit die zehnte Frau und jüngste Trägerin
des mit 10 000 Euro dotierten
Theaterpreises, teilte die Akademie
der
Darstellenden
Künste mit. Die dreiköpfige
Jury hatte Hoss einstimmig
für ihre Rolle als „Medea“ in
dem Stück von Euripides gewählt. Seit 1986 würdigt
Bensheim mit dem EysoldtRing besondere schauspielerische Leistungen im Theater.
Delp hinterließ
Abschiedsbrief
Volksbegehren bleibt
zunächst wirkungslos
BERLIN (dpa) Ein Volksbegehren gegen einen Neubau auf
der Berliner Museumsinsel
kann nach Auffassung des
Staatsrechtlers Christian Pestalozza das Projekt nicht stoppen. Der Aufruf der Initiative
„Rettet die Museumsinsel!“
gegen die vom Architekten
David Chipperfield geplante
James-Simon-Galerie sei eine
Aufforderung an den Senat,
die zunächst ohne Folgen
bleiben werde.
Ein erfolgreiches Volksbegehren, für das mindestens
sieben Prozent der 2,3 Millionen Berliner Wahlberechtigten stimmen müssten, könne
nur bedeuten, „dass der Senat
in den Gremien auf eine Entscheidung hinwirkt, sie aber
nicht mit eigener Kraft durchsetzen kann“, erklärte Pesta-
Eysoldt-Ring geht
an Nina Hoss
nen des Evangelisten in den
Bach-Passionen, besonders in
den
Aufführungen
des
Münchner Bachchors unter
Karl Richter, gelten als exemplarisch. Von 1952 bis 1972
war der für sein silbriges Timbre gelobte Haefliger als erster
lyrischer Tenor an der Deutschen Oper Berlin tätig.
tung durch die Britin Olivia
Safe wusste er sich geschickt
anzupassen.
Die Sopranistin entwickelte
beim Sologesang oder in Duetten eine beachtliche Leistung mit heller, klarer und
durchdringender
Stimme.
Wiederholt gab es bei den
Duetten mit Casapietra auf
der Bühne auch Überraschungseffekte in Gestik und
Mimik. Gemeinsam kletterte
das Sängerpaar hinunter in
den Saal, um hier zu singen
und das Publikum anzufeuern.
Wie selten zuvor bei Konzerten in der Orangerie kam
es zu einer starken Resonanz
und zu einem intensiven Zusammenwirken mit den Zuhörern.
Björn
Casapietra
empfahl sich dabei schon
jetzt für ein weiteres Konzert
in Fulda.
AM RANDE
„Lieder der Sehnsucht“ heißt
die Tour von Björn Casapietra
und Olivia Safe. Sehnsucht
hatte das Duo am Samstagabend in der Orangerie vor
allem nach einem Flügel. Der
stand zwar im Foyer, hatte
aber zwei Saiten zu wenig.
Deshalb musste es ein zerschrammtes Übungsklavier
tun, auf dem sonst Schüler
der Musikschule Mollenhauer
versuchen, Tasten und Töne
zu treffen. Eigentlich sollten
ein Bier und ein Aschenbecher
als Deko dienen. Doch die
Idee wurde verworfen, weil sie
nicht wirklich mit dem KlassikProgramm harmonierte. Blumen aus der Hotellobby schienen da die bessere Wahl zu
Foto: Ralph Leupolt
sein. Pianist Andreas Vermesy
hatte überhaupt keine Wahl.
„Ich habe gekämpft, das Beste rauszuholen“, sagte er
nach dem Auftritt. Casapietra
und Safe nahmen die Panne
mit Humor, stand doch beim
Konzert in Essen auf der Bühne eine Gefriertruhe, deren
Kühlaggregat andauernd ansprang und Brummgeräusche
im Background erzeugte. Da
wird das Klavier in Fulda vermutlich als das kleinere Übel
in Erinnerung bleiben. Nächstes Jahr will der Halbitaliener
trotzdem wieder in die Barockstadt kommen. Egal ob dann
ein Steinway-Flügel oder ein
nussbaumfarbenes Musikschulrelikt auf der Bühne
steht – eines ist sicher: Die
Zuschauer werden wieder
stehend applaudieren. / mch
Tosender Beifall für Musical-Stars im Wartenberg-Oval
WARTENBERG Voll auf ihre
Kosten kamen die zahlreichen
Musical-Fans im WartenbergOval, die am Samstagabend
mit wunderschönen Stimmen und einer bunten Mischung bekannter Songs verzaubert wurden. Interpreten waren die vier MusicalStars Valerie Scott, bekannt
vom Broadway und durch
ihr derzeitiges
Gastspiel in
„Jesus
Christ
Superstar“
in
Essen,
die Deutsche Barbara Köhler, ein Begriff aus „Les Miserables“ und „Tanz der
Vampire“, der aus Holland stammende Paul
Kribbe, der die Hauptrolle in „Starlight Express“ singt, und Andreas Bieber, der
Joseph aus
dem gleichnamigen
Musical,
der auch
durchs Programm führte.
Bewusst hatte man auf eine
Dekoration der Bühne verzichtet. Die ausgefeilte Choreografie, das tänzerische und
schauspielerische Talent der
Sänger sowie die großartigen
Lichteffekte waren auch spektakulär genug.
Kulturgüter sind
zurück in Kabul
KABUL (AP) Über 1400 vorübergehend in der Schweiz aufbewahrte afghanische Kulturgüter sind in Kabul wieder
dem dortigen Nationalmuseum übergeben worden. Die
bis zu 3500 Jahre alten Gegenstände befanden sich seit
1999 im Afghanistan-Museum Bubendorf (Baselland),
um sie vor Zerstörung durch
die Taliban zu schützen. Von
der Unesco war das Museum
als Pilotprojekt zum Schutz
von Kulturgütern aus Krisengebieten anerkannt worden.
Internationales
Ensemble gewinnt
Zauberhafte Stimmen
Von Herbert Jehn
LOS ANGELES (dpa) Sänger
Brad Delp von der US-Rockband Boston, der letzte Woche tot in seinem Haus gefunden wurde, hat Selbstmord
begangen. Der 55-Jährige hinterließ einen Abschiedsbrief,
in dem er sich als „einsame
Seele“ bezeichnet und erklärt,
dass er seine Sehnsucht zu leben verloren habe. Delp war
laut Polizei tot auf dem Boden seines Badezimmers entdeckt worden, in dem er zwei
brennende Kohlegrills aufgestellt hatte. Die Obduktion ergab, dass er durch eine Kohlenmonoxidvergiftung starb.
Schwungvoll eröffnet wurde der Abend mit Melodien
aus dem Musical „Chicago“.
Von Beginn an präsentierten
sich die Interpreten hochmotiviert
und
suchten
Stimmgewaltig: Sängerin Valerie Scott. Foto: Ralph Leupolt
den Kontakt zum Publikum.
Der Funke sprang auch sofort
über, und die Zuhörer gingen
begeistert mit.
Gefühlvoll Valerie Scott mit
„I Don’t Know How To Love“
aus „Jesus Christ Superstar“,
begeisternd mit dem Titelsong aus „Cabaret“ oder ausdrucksstark mit „I Am, What I
Am“ aus „Ein Käfig voller
Narren“. Barbara Köhler brillierte mit dem innigen „Nur
für mich“ aus „Les Miserables“ und dem „Nonnenlied“
aus „Nonsens“. Überzeugen
konnten auch Paul Kribbe mit
dem Titelsong aus „Starlight
Express“ und Andreas Bieber
mit „Ich bin Musik“ aus „Mozart“ oder der rockigen Filmmelodie zu „Pretty Woman“.
Bewegend
interpretierten
Köhler und Kribbe das Liebesduett aus „Miss Saigon“ und
den Titelsong aus „Phantom
der Oper“, sehr schön auch
ein 80er-Jahre-Filmhit aus
„Ein Offizier und Gentleman“
(Scott, Bieber) und mitreißend „Die Schatten werden
länger“ aus „Elisabeth“ (Kribbe, Bieber).
Wenn alle vier gemeinsam
sangen, gab es Begeisterungsstürme im Saal, so wie bei einem bunten Abba-Medley
oder dem Gloria-Estefan-Hit
„Rhythm Is Gonna Get You“.
Das Publikum dankte mit tosendem Beifall, und die
Künstler verabschiedeten sich
mit Zugaben aus „Hair“, „Tabaluga und Lilly“ und dem
flotten „Under The Sea“.
MAGDEBURG (epd). Zum Abschluss des vierten TelemannWettbewerbs hat eine Jury in
Magdeburg über die Vergabe
der Auszeichnungen entschieden. Der mit 5000 Euro dotierte erste Preis ging an das
Ensemble „Meridiana“ mit
Musikern aus fünf verschiedenen Ländern. Sie erhalten zudem den erstmals ausgelobten
Publikumspreis. Den zweiten
Preis (3500 Euro) erhält das
Quartett „Wooden Voices“
mit Künstlern aus Deutschland, Ungarn und Russland.
Jawlensky-Preis
für Rebecca Horn
WIESBADEN (dpa) Rebecca
Horn hat den Alexej-von-Jawlensky-Preis der Stadt Wiesbaden erhalten. Die Jury würdigte damit das Lebenswerk
der aus dem Odenwald stammenden Künstlerin, da es
„vielseitig, fantasievoll und
poetisch“ sei, wie Wiesbadens
Oberbürgermeister
Hildebrand Diehl (CDU) sagte. Zudem hätten ihre Arbeiten auf
die internationale Kunstszene
großen Einfluss genommen.
Münze bringt
über 100 000 Euro
OSNABRÜCK (dpa) Eine römische Münze, die den Mord
an Julius Caesar rechtfertigt,
ist in Osnabrück für mehr als
100 000 Euro versteigert worden. Das Geldstück aus dem
Jahr 42 vor Christus war laut
Auktionator Fritz Rudolf Künker von Caesar-Mörder Brutus
geprägt worden.