Mitgliederinformation zur Keimbelastung von Biofleisch 120229

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Mitgliederinformation zur Keimbelastung von Biofleisch 120229
Antibiotika-resistente Keime in Bio-Fleisch
Hintergrund-Information
Nach den Beprobungen von konventionellem Fleisch auf Antibiotika-resistente Keime sowohl durch den Bund
für Umwelt und Naturschutz (BUND) als auch durch Stern-TV Anfang des Jahres, hat nun Stern-TV auch 38
Proben Bio-Fleisch auf die Belastung mit Antibiotika-resistenten Keimen untersucht. Das Fleisch wurde in verschiedenen Endverkaufsstellen – Supermarkt, Biomarkt, Bioladen etc. – gekauft. Auf 19 der 38 Proben wurden
ESBL-Keime gefunden.
Was sind ESBL-Keime?
ESBL-Keime sind verschiedene Entero-Bakterien mit besonderen Resistenzeigenschaften. Entero-Bakterien
stammen sowohl aus dem Verdauungssystem von Menschen als auch von Tieren. Sie kommen natürlicherweise
in der gesamten Umwelt und damit auch auf Nahrungsmitteln vor. Auch Fleisch, das hygienisch einwandfrei ist,
kann nicht keimfrei sein. Das ist der Grund, weshalb man Fleisch kühlen muss, um es vor Verderb zu schützen.
Das Besondere an ESBL-Keimen (Extended-spectrum Beta-Laktamase) ist, dass diese Entero-Bakterien gegen
Antibiotika resistent geworden sind. Damit können Infektionen (z.B. über offene Wunden) mit den entsprechenden Medikamenten nicht mehr behandelt werden. So können ESBL-Keime bei Menschen, deren Immunsystem
geschwächt ist, zu gefährlichen Krankheiten führen, vor allem, wenn die Antibiotika-Resistenz dieser Keime
nicht sofort erkannt wird.
Massiver Antibiotika-Einsatz in der industriellen Tierhaltung
Da sich ESBL-Keime ausbreiten und sie wie alle Entero-Bakterien überall vorkommen können, ist die entscheidende Frage, wie ihre Antibiotikaresistenz entsteht. Die Haupt-Ursache dafür liegt in der übermäßigen und ungezielten Verwendung von Antibiotika bei Menschen und in der Tierhaltung.
In der intensiven Tierhaltung werden große Mengen Antibiotika eingesetzt. Gründe dafür liegen im System der
industriellen Tierhaltung: Hoher Tierbesatz, chronischer Stress, mangelnde Frischluft, Hitze und Hygieneprobleme überfordern die Tiere permanent und erhöhen deren Krankheitsanfälligkeit. In der konventionellen Tierhaltung in Deutschland liegt die durchschnittliche Zahl der Antibiotikabehandlungen pro Tier bei 5,9 (Schweine), 2,5
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(Milchrinder) bzw. 2,3 (Mastkälber und Masthühnchen).
Das Risiko, dass normale Entero-Bakterien zu ESBL-Trägern werden, steigt mit jedem Antibiotikaeinsatz. Dies
trifft insbesondere auf die Behandlung ganzer Bestände zu, bei der zwangsläufig auch die Tiere behandelt werden, die gar nicht erkrankt sind. Außerdem entstehen bei der Bestandsbehandlung Antibiotikastäube, die in
niedriger Dosierung im gesamten Stallbereich auf die Keime der Umwelt wirken und dort die Resistenzbildung
fördern.
Antibiotika-Einsatz ist im Ökologischen Landbau die Ausnahme.
Oberstes Ziel der Öko-Tierhaltung ist die Gesunderhaltung der Tiere durch angepasste Zucht, artgerechte Haltungsbedingungen, Fütterung und Betreuung. Erkrankungen und damit die medikamentöse Behandlungen von
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Birkel, K.: BUND Hintergrundinformationen zu Antibiotikaeinsatz und Resistenzbildung in der Intensivtierhaltung, 2012.
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/landwirtschaft/20120108_landwirtschaft_antibiotika_intensivhaltung_hint
ergrund.pdf
Tieren soll die Ausnahme sein. Artgerechte Tierhaltungsbedingungen wie genügend Platz, Grünauslauf, tiergerechte Fütterung, Beschäftigungsmöglichkeiten und längere Mastzeiten wirken den Ursachen von Erkrankungen
entgegen. Erkranken Öko-Tiere trotz dieser Haltungsbedingungen und aller Vorsorge, müssen Bio-Landwirte
zunächst auf natürliche Heilmethoden – z.B. pflanzliche oder homöopathische Medikamente oder Akupunktur –
zurückgreifen. Nur wenn die Wirksamkeit alternativer Heilverfahren nicht ausreicht, sind Antibiotikagaben auch
in der Öko-Tierhaltung erlaubt. Bei Tierarten, die weniger als ein Jahr alt werden (z.B. Mastgeflügel, Mastschweine), ist nur eine einmalige Antibiotikagabe erlaubt. Bei den anderen Tieren sind maximal drei AntibiotikaBehandlungen pro Jahr erlaubt. Kommt es zu einer weiteren Erkrankung, die den Einsatz mit einem allopathischen Medikament (z.B. Antibiotikum) erforderlich macht, dürfen die tierischen Produkte nicht als Bio-Produkte
vermarktet werden.
Wie kommen die Keime auf Bio-Fleisch?
Dass die Bio-Tierhaltung die Entstehung von antibiotikaresistenten Keimen nicht begünstigt, haben mehrere
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Studien gezeigt , wonach solche Keime in Bio-Ställen deutlich seltener vorkommen. Da es sich bei ESBLKeimen aber um Erreger handelt, die in der gesamten Umwelt vorkommen, ist es trotzdem unvermeidbar, dass
sie auch auf Bio-Produkten nachgewiesen werden können.
Dazu trägt auch bei, dass Ökologischer Landbau und Bio-Tierhaltung nicht vollständig von der konventionellen
Land- und Lebensmittelwirtschaft getrennt stattfinden können. Entlang der gesamten Produktionskette existieren
vielfältige Eintragswege für Keime: durch Abdrift gelangen Keime von mit Gülle gedüngten Nachbarfeldern auf
die Weiden oder durch die Lüftungsanlagen in den Stall. Auch die Schlachtung, bei der konventionelle und ÖkoTiere zum Teil durch dieselben Anlagen gehen, kommt für eine mögliche Keimübertragung in Frage. Ebenso
beim Transport oder Verkauf in denselben Transportfahrzeugen oder Verkaufsstätten können Keime auf BioFleisch gelangen.
Um solche Eintrittspforten zu verringern, sind noch viele Forschungsanstrengungen erforderlich. Gemeinsam mit
dem BUND und Neuland beteiligt sich der BÖLW daher an einem Projekt des Robert-Koch-Instituts, das zum
Ziel hat, mehr Klarheit über diese Zusammenhänge zu erlangen.
Es geht aber nicht nur um Keime.
Die Frage, wie die Entstehung Antibiotika-resistenter Keime verhindert werden kann, ist von großer Bedeutung.
Sie steht aber im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von gravierenden Problemen der industriellen Tierhaltung: zu wenig Platz für die Tiere, Ausschluss von natürlicher Witterung und Tageslicht, Verhältnisse, die das
Ausleben der artgemäßen Bedürfnisse unmöglich machen sind dafür ebenso Stichworte wie die im Verhältnis
zur landwirtschaftlichen Fläche viel zu hohen Tierbesatz-Dichten in vielen Gegenden, die Belastung der Gewässer mit überschüssigen Nährstoffen und die massiven Futterimporte aus Südamerika.
Auch in der Ökologischen Tierhaltung gilt es noch Probleme zu lösen, für die noch viel Arbeit in Tierzucht, Management auf den Betrieben und Forschung erforderlich ist. Sie entwickelt aber seit vielen Jahrzehnten den
Weg, der aus der nicht mehr haltbaren Situation von industrieller Tierhaltung zu wirklicher Nachhaltigkeit und
Tiergerechtigkeit führt.
Was müssen Verbraucher beachten?
Der Verbraucher sollte bei Verarbeitung und Zubereitung von Fleisch generell unbedingt immer die üblichen
Hygienemaßnahmen beachten:
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Z.B. Heine, U., et al. (2011): Vergleichende Querschnittsuntersuchungen zum Vorkommen von MRSA (Methicillinresistente Staphylococcus aureus) in ökologisch wirtschaftenden und konventionell wirtschaftenden Schweinebetrieben in
Deutschland. http://orgprints.org/17575/
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1.
Vor dem Zubereiten die Hände waschen und das rohe Fleisch mit kaltem Wasser abwaschen und abtupfen. Beim Kleinschneiden darauf achten, dass keine weiteren Lebensmittel in der Küche mit dem Fleisch in
Verbindung kommen. Messer, Schneidebrett, Unterlagen, Waschbecken erst gut abwaschen bevor sie mit anderen Lebensmitteln in Berührung gelangen. Wer Wunden an den Händen hat, kann mit Latexhandschuhen bei
der Zubereitung auf Nummer sicher gehen.
2.
Das Fleisch gut durchbraten, dadurch werden die Keime abgetötet.
3.
Küchenutensilien nach Verwendung stets säubern und sich selbst die Hände nach der Zubereitung
gründlich waschen.
Stand: 29.02.2012
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Tel. 030.28482300 Fax 030.28482309 [email protected] www.boelw.de
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