Ein neues kommunales Haushaltsrecht - Städtetag Rheinland

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Ein neues kommunales Haushaltsrecht - Städtetag Rheinland
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Ein neues kommunales Haushaltsrecht – wichtige Fragen
für die Ratsarbeit
Gunnar Schwarting
Städtetag Rheinland-Pfalz
Im Herbst 2003 verabschiedete die Innenministerkonferenz die Eckpunkte
für ein neues kommunales Haushaltsrecht, das Zug um Zug in allen Bundesländern eingeführt werden soll. Das erste Land, das sein Haushaltsrecht umstellt, ist Nordrhein-Westfalen, dort beginnt „die neue Zeit“ bereits am 1.1.2005. Einige andere Länder haben ebenfalls Umstellungstermine genannt, so das Land Hessen ab 2008 oder Rheinland-Pfalz ab 2007.
Die Innenminister haben sich allerdings nicht auf ein für alle einheitliches
Recht verständigen können. Zum einen können die Länder es ihren Kommunen freistellen, ob sie auf ein an die kaufmännische Buchführung angelehntes System oder auf eine allerdings gegenüber heute erheblich erweiterte Kameralistik umstellen. Zum anderen gibt es innerhalb beider Systeme nicht unbeträchtliche Spielräume für landesrechtliche Besonderheiten.
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden konsequent auf das der
kaufmännischen Buchführung sehr ähnliche Konzept, die sog. Kommunale
Doppik, umsteigen, Hessen belässt den Kommunen hingegen voraussichtlich ein Wahlrecht. Experten gehen allerdings davon aus, dass sich auf
Dauer die Doppik durchsetzen wird. Dies entspräche im Übrigen auch dem
inzwischen in anderen europäischen Ländern erreichten Standard. Deshalb
wird im Folgenden auch nur die Kommunale Doppik vorgestellt.
I. Steuerungsrelevante Aspekte im neuen Haushaltsrecht
Handelt es sich nur um einen neuen Rechnungsstil?
Das neue Haushaltsrecht ist mehr als nur ein neuer Rechnungsstil. Es versucht, wichtige Erkenntnisse aus dem sog. Neuen Steuerungsmodell, das
die Kommunale Gemeinschaftsstelle in Köln (KGSt) zu Beginn der 90er
Jahre entwickelte, zu übernehmen. Dazu gehören
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eine konsequente Produktorientierung,
die Steuerung mit Zielen,
eine umfassende Darstellung des Ressourcenverbrauchs,
die Ablösung der Detailgenauigkeit durch eine zwar zusammengefasste, aber transparentere Darstellung von Finanzvorgängen in der
Kommune,
die Berücksichtigung von Zukunftslasten, zu denen sich die Kommune verpflichtet hat,
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Der Haushalt als das nach wie vor wichtigste Instrument der Steuerung
finanzwirksamer Vorgänge in einer Kommune ist dafür der geeignete Ansatzpunkt. Die Umstellung des Haushaltsrechts berührt daher nicht nur
wenige Finanzfachleute in Rat und Verwaltung, sondern die gesamte
Kommunalpolitik und die gesamte Verwaltung. Deshalb ist es auch notwendig, sich frühzeitig mit den Veränderungen auseinander zu setzen.
Was bedeutet Produktorientierung konkret?
Der heutige Haushaltsplan ist nach Unterabschnitten gegliedert, die einzelne Verwaltungseinheiten (Hauptamt), reine Zahlungsvorgänge (Sozialhilfe, differenziert nach Leistungsarten) und Aufgabenfelder (Grünanlagen)
beschreiben. Im Haushalt ist lediglich erfasst, welche Einnahmen und
Ausgaben dem jeweiligen Unterabschnitt zugeordnet werden können. Aussagen dazu, was mit dem Geld eigentlich gemacht wird, fehlen in aller Regel.
Mit dem neuen Haushaltsrecht werden die kommunalen Produkte zum
Gliederungskriterium gemacht. Sie sind das Ergebnis der kommunalen Tätigkeit und sind auf Dauer angelegt. Da es aber auch zeitlich begrenzte
Vorhaben (z.B. ein Stadtjubiläum oder ein arbeitsmarktpolitisches Projekt)
gibt, kommen ergänzend Projekte hinzu:
Ein Produkt ist eine Leistung oder eine Gruppe von Leistungen in bestimmter Menge und Qualität, von der Kommune oder in ihrem Auftrag
erstellt, die von Nutzern innerhalb wie außerhalb des jeweiligen Fachbereiches regelmäßig in Anspruch genommen werden. Projekte hingegen
sind entsprechende Leistungen, die einmalig oder unregelmäßig den genannten Adressaten zur Verfügung gestellt werden.
Einige Produkte werden heutigen Bezeichnungen (Tagesbetreuung für
Kinder) im Haushalt ähneln, andere, die bisher im Haushalt nicht benannt
sind (insb. aus der Tätigkeit der zentralen Ämter), werden hinzutreten.
Wer bestimmt die kommunalen Produkte?
Eine ähnlich straffe Vorgabe wie beim heutigen Haushalt, dessen Struktur
sehr detailliert geregelt ist, wird es im neuen Haushaltsrecht nicht geben.
Der Gesetzgeber wird nur größere Produktbereiche oder –gruppen festlegen. Unterhalb dieser Ebene ist es der Kommune freigestellt, ihre jeweiligen Produkte zu benennen und zu spezifizieren. Insoweit kann jede Kommune ihren eigenen Produktplan erstellen; allerdings empfiehlt es sich,
schon aus Gründen der Vergleichbarkeit, ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Kommunen zumindest gleicher Funktion und Größe
herzustellen. Deshalb wird z.B. in Rheinland-Pfalz im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der Kommunalen Spitzenverbände und des Innenmi-
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nisteriums eine Empfehlung für einen Produktplan erarbeitet – der allerdings unterhalb der Ebene der Produktgruppen nicht verbindlich sein wird.
Für den Rat bedeutet dies eine Umstellung insoweit als Sachverhalte
nunmehr an anderer Stelle im Haushalt erfasst sind. So wird z.B. die
Volkshochschule, die bisher im UA 350 enthalten war, künftig in der Produktgruppe 271 zu finden sein. Für die ersten Beratungen des neuen
Haushalts wäre daher ein „Umsteigeschlüssel“ sehr hilfreich.
Wo erfahre ich etwas über Produkte?
Damit nicht nur wenige Fachleute sondern jeder erfährt, was die Kommune sich unter einem spezifischen Produkt vorstellt, ist im Haushalt zu jedem Produkt eine Produktbeschreibung zu formulieren. Zugleich sollen
den Produkten Ziele zugeordnet werden, damit für jeden erkennbar wird,
was die Kommune mit dem spezifischen Produkt bezweckt und welchen
Qualitätszustand sie erreichen möchte. Dies ist in der Tat völlig neu, denn
damit werden im Haushalt nicht nur Finanzdaten sondern auch die mit den
Finanzmitteln angestrebten Leistungen dargestellt.
Das ermöglicht nicht nur eine fundiertere Beratung eines Haushalts, da
dann nicht mehr einzelne Haushaltsstellen sondern die Leistungen der
Kommune in den Mittelpunkt gerückt werden können; die Darstellung erlaubt auch eine bessere Abwägung zwischen verschiedenen Aufgabenbereichen innerhalb der Kommune, da es nicht mehr allein auf einen Vergleich von Ausgaben ankommt. Allerdings bedarf es weiterhin der politischen Entscheidung, wo z.B. bei unausgeglichenem Haushalt gespart werden soll.
Wer macht die Produktbeschreibungen, wer setzt die Ziele?
Üblicherweise werden die Produktbeschreibungen von der Verwaltung erstellt, da sie über die Informationen zu gesetzlichen Grundlagen, aber
auch zu den spezifischen Arbeitsabläufen verfügt. Ziele zu setzen hingegen ist ein in hohem Maße politischer Vorgang. Zwar gibt es einige Ziele,
die extern, z.B. durch ein Gesetz, vorgegeben sind; dazu gehört z.B. der
Versorgungsgrad mit Kindergartenplätzen. Andere Ziele jedoch, wie die
durchschnittlichen Wartezeiten im Meldeamt oder die Qualität von Reinigungsleistungen kann die Kommune selbst formulieren.
Die KGSt hat dies „Steuern mit Zielen“ genannt; Ziele umschreiben die
angestrebte Menge und Qualität kommunaler Produkte. Es ist Aufgabe der
Verwaltung, sie mit dem geringsten Ressourceneinsatz zu erreichen. Allerdings dürfen Ziele nicht so formuliert werden, dass sie mit vernünftigem
Aufwand niemals erreicht werden können. Eine durchschnittliche Wartezeit
im Meldeamt von 1 Minute würde den Einsatz von so viel Personal erfordern, dass der Aufwand nicht mehr zu vertreten wäre.
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Indem aber Ziele und die dafür erforderlichen Ressourcen im Zusammenhang mit dem Haushalt erörtert werden, kann weitaus besser als bisher
über den Einsatz der (immer) knappen Finanzmittel entschieden werden.
Allerdings haben weder die Verwaltungen noch die Räte bisher eine „Steuerung mit Zielen“ gelernt!
Wie erfahre ich etwas über die Zielerreichung?
Das Setzen von Zielen macht nur Sinn, wenn regelmäßig geprüft wird, ob
die Kommune ihre Ziele auch erreicht. Deshalb sieht das neue Haushaltsrecht eine regelmäßige Berichterstattung, auch während des Haushaltsjahres vor. In diese Berichte gehören Angaben zur Finanzentwicklung und
zur Entwicklung der kommunalen Leistungen. Dabei sind dann auch Zielabweichungen darzustellen und – so darf man sicher ergänzen – zu erläutern.
In dem Zusammenhang verlangt das neue Haushaltsrecht auch die Aufnahme geeigneter Kennzahlen zu den jeweiligen Produkten in den Haushalt. Nähere Vorschriften gibt es hierzu nicht; Kennzahlen müssen von
den Kommunen selbst erarbeitet werden. Dabei können sie z.T. auf bereits vorhandene Kennzahlen (wie sie z.B. in sog. Vergleichsringen der
KGSt, der Bertelsmann-Stiftung oder der DHV Speyer entwickelt wurden)
zurückgreifen. Der Vergleich mit anderen Kommunen, das sog. „benchmarking“, wird dabei von besonderem Interesse sein. Vor diesem Hintergrund ist es aber wichtig, dass die Produkte in den betrachteten Kommunen auch wirklich vergleichbar sind.
Welchen Stellenwert hat dabei die Kosten- und Leistungsrechnung?
Viele Kommunen haben bereits heute innerhalb der Verwaltung ein System der Kostenrechnung, das über die sog. kostenrechnenden Einrichtungen (das sind die typischen Gebührenhaushalte) hinausgeht. Allerdings ist
es bisher erst selten auf die gesamte Verwaltung ausgeweitet worden. Das
neue Haushaltsrecht wird im Prinzip eine flächendeckende Kosten- und
Leistungsrechnung verlangen, die Ausgestaltung jedoch der einzelnen
Kommune überlassen.
Die Bedeutung einer solchen Rechnung liegt darin, dass damit sehr transparent wird, was einzelne kommunale Produkte tatsächlich kosten; denn
in die Rechnung gehen alle betriebswirtschaftlichen Kosten, insb. also
auch die Abschreibungen ein. Das soll zu einem behutsameren Umgang
mit den knappen Ressourcen führen. Allerdings muss das nicht heißen,
dass das Produkt mit den höchsten Kosten automatisch als erstes reduziert wird. Denn gleichzeitig muss die Leistungsseite betrachtet werden;
ein „kostspieliges“ Produkt kann gleichwohl von so hoher Bedeutung für
die Kommune sein, dass es auch weiterhin beibehalten wird.
Welche „Fallstricke“ gibt es bei der Kosten- und Leistungsrechnung?
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Zunächst muss dafür Sorge getragen werden, dass die Kosten- und Leistungsrechnung selbst nicht zu aufwendig wird. Das bedeutet, dass einfache und ggf. vergröbernde Systeme akzeptiert werden sollten, wenn ansonsten ein zu hoher Aufwand entstünde. Das ist auch deswegen zu tolerieren, weil - anders als bei der Kostenrechnung in Gebührenhaushalten –
eine gerichtliche Nachprüfung nicht erfolgt.
Schwieriger ist das Problem der Zurechnung von Gemeinkosten, d.h. jenen Kosten, die einem Produkt nicht unmittelbar zugeordnet werden können. Dazu zählen vor allem die Kosten der sog. Steuerung, das sind z.B.
die Verwaltungsführung und die zugehörigen Verwaltungseinheiten. Auf
deren Kosten haben diejenigen, die für ein Produkt verantwortlich zeichnen, keinen Einfluss. Würde z.B. der Stadtvorstand personell erweitert,
würden die Kosten aller Produkte steigen, ohne dass sich bei den Produkten selbst oder den dafür maßgeblichen Arbeitsprozessen etwas geändert
hätte.
Das ist natürlich dann von Bedeutung, wenn die Ergebnisse der Kostenund Leistungsrechnung zum Vergleich mit anderen Kommunen oder privaten Dritten herangezogen werden sollen. Es ist daher wichtig die zugrunde
liegenden Berechnungsprinzipien zu kennen, um nicht zu falschen finanzwirtschaftlichen Schlussfolgerungen zu kommen. Diese Prinzipien müssen
für die Verwaltung auch verlässlich sein; Änderungen dürften daher nur in
größeren Zeitabständen erfolgen.
II. Ergebnisrechnung und Bilanz
Was unterscheidet die Doppik von der Kameralistik?
Die Kameralistik, nach deren Prinzipien der Haushalt bisher geführt wurde,
beruht auf Zahlungsvorgängen; sie wird sozusagen von den Ein- und Ausgängen bei der Kasse geprägt. Das der kommunalen Doppik zugrunde liegende System der kaufmännischen Buchführung dagegen ordnet alle Finanzvorgänge der jeweils davon berührten Rechnungsperiode zu. Am
deutlichsten wird dies bei Investitionen: Sie sind in der Kameralistik in gesamter Höhe als Auszahlung zu buchen; sie gehören deshalb in den Vermögenshaushalt. In der Doppik hingegen werden die Aufwendungen für
eine Investition über die gesamte Nutzungsdauer im Wege der Abschreibungen verteilt. Sie gehören deshalb zum laufenden Aufwand.
Was kommt an Stelle von Verwaltungs- und Vermögenshaushalt?
Die bisherige Untergliederung in einen Verwaltungs- und Vermögenshaushalt wird entfallen. Stattdessen werden alle laufenden Vorgänge im sog.
Ergebnishaushalt abgebildet. Viele Positionen entsprechen – von geringfügigen Abweichungen in der zeitlichen Zuordnung abgesehen – dem bishe-
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rigen Verwaltungshaushalt. Neu sind allerdings die Abschreibungen, die
bisher nur im Ausnahmefall Berücksichtigung fanden. Demgegenüber gibt
es die bisherige Zuführung an den Vermögenshaushalt nicht mehr.
Als zweite Säule tritt die Vermögensrechnung hinzu, die auch als kommunale Bilanz bezeichnet werden kann. Anders als im kaufmännischen Rechnungswesen gibt es noch eine dritte Säule, die Finanzrechnung, die (sehr
vereinfachend gesprochen als Zusammenfassung des alten Verwaltungsund Vermögenshaushalts) alle Zahlungsvorgänge – evtl. (dies hängt von
der konkreten Ausgestaltung des Rechts ab) aber auch nur die Investitionen – abbildet.
Wie sieht denn das neue System aus?
Das Schaubild zeigt vereinfacht die Zusammenhänge zwischen den drei
Komponenten des Haushalts. Die Finanzrechnung gibt Auskunft über den
Stand der liquiden Mittel oder umgekehrt der kurzfristigen Finanzierungsnotwendigkeiten (das wäre im Grunde der bisherige Kassenkredit, der
damit erstmals im Haushalt ausgewiesen würde). Die Ergebnisrechnung
zeigt, ob im Rahmen der laufenden Tätigkeit Überschüsse – sie erhöhen
das Eigenkapital – oder Defizite – sie vermindern dementsprechend das
Eigenkapital – gemacht werden. Die Vermögensrechnung (Bilanz) wird zudem durch Zu- und Abgänge von Vermögensgegenständen beeinflusst.
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Ist die kommunale Bilanz ein Vermögenshaushalt in neuer Form?
Die kommunale Vermögensrechnung (Bilanz) kann mit dem bisherigen
Vermögenshaushalt nicht verglichen werden. Sie enthält jeweils zum
31.12. den Bestand des kommunalen Vermögens auf der Aktivseite und
die Finanzierung des Vermögens durch Eigen- und Fremdkapital auf der
Passivseite. Diese Darstellung gab es bisher für die Kommunen, im Übrigen auch für Bund und Länder in dieser Form nicht.
Neu ist zum einen die Darstellung des vollständigen Vermögens der Kommune; dies galt im bisherigen Haushaltsrecht in erster Linie nur für das
sog. Finanzvermögen (insb. Beteiligungen). Zum anderen sind auf der
Passivseite alle Verbindlichkeiten abgebildet. Das sind zum einen die noch
bestehenden Schulden aus der Aufnahme von Krediten, zum anderen –
das ist neu – Rückstellungen für Verpflichtungen der Zukunft. Am bedeutsamsten dürften dabei die Pensionsrückstellungen sein.
Demgegenüber wurden im derzeit geltenden Vermögenshaushalt nur –
übrigens auch nicht alle – Vermögenszugänge (Investitionen) und bestimmte Vermögensabgänge (Verkäufe) abgebildet.
Wenn der Vermögenshaushalt entfällt – wo finde ich dann die Investitionen?
Das war in der Tat ein schwieriges Problem bei der Konzipierung des neuen Haushaltsrechts; denn Investitionsvorhaben sind das Kernstück vieler
Haushaltberatungen in den Kommunen. Um einen komprimierten Überblick über die Investitionen zu erhalten, wurde als dritte Säule die Finanzrechnung in das neue Haushaltsrecht eingeführt. Sie enthält vor allem die
Zahlungen (insoweit wieder an die Kameralistik angelehnt) für Investitionen.
Zugleich sind in der Finanzrechnung die Kreditaufnahme und die jeweilige
Tilgung zu erkennen. Mit der Finanzrechnung wird insoweit eine gewisse
Verbindung zum bisherigen Vermögenshaushalt hergestellt. Für die Haushaltsberatungen werden sich daher zwei unterschiedliche Teilbereiche –
den Ergebnisteil für die laufenden Aufwendungen und Erträge, sowie den
Finanzteil für die Investitionstätigkeit und ihre Finanzierung – heranzuziehen sein.
Woher kommen die Vermögenswerte für die Bilanz?
Leider hat es in der Vergangenheit keine konsequente Anlagenbuchführung mit einer Bewertung kommunaler Vermögensgegenstände gegeben.
Dieses Versäumnis muss jetzt nachgeholt werden; damit wird im Grunde
der Bürgerschaft Rechenschaft darüber abgelegt, welche Vermögenswerte
mit ihrem Geld im Zeitablauf geschaffen wurden. Das ist kein unbeträcht-
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licher Aufwand, zumal für kommunales Vermögen aus weit zurückliegenden Jahren Aufzeichnungen über Kaufwerte o.ä. oft nicht mehr vorliegen.
Vereinzelt gibt es Überlegungen, den Aufwand dadurch zu minimieren,
dass einfach Durchschnittswerte für alle Kommunen genommen werden.
Das würde aber z.B. – da die Vermögensgrößen Ausgangsbasis für die Abschreibungen sind – die Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung
und damit auch jeden Vergleich verfälschen. Daher wird in Rheinland-Pfalz
der Weg beschritten, eine einigermaßen aussagefähige Vermögenserfassung und –bewertung zu gewährleisten; um den Kommunen jedoch dies
zu erleichtern, werden in dem schon erwähnten Gemeinschaftsprojekt
Empfehlungen und Handreichungen erarbeitet. Dadurch soll auch vermieden werden, dass jede Kommune nach völlig anderen Prinzipien bewertet.
Was ist eine Konzernbilanz?
Viele Städte haben in der Vergangenheit Tätigkeiten in Eigenbetriebe oder
privatrechtliche Unternehmen ausgelagert. Je nach Stadt können der Bilanzwert dieser Organisationen oder ihr Umsatz die vergleichbaren Größen
im Kernhaushalt sogar übersteigen. Zwar werden die Wirtschaftspläne von
Einrichtungen und Beteiligungen dem jeweiligen Haushaltsplan beigefügt;
diese Darstellung ist aber recht unübersichtlich. Mit dem Beteiligungsbericht soll die Transparenz zwar erhöht, aber eine Gesamtübersicht vermag
erst eine konsolidierte Bilanz („Konzernbilanz“ oder „Gesamtabschluss“)
zu liefern.
Allerdings gibt es noch eine Reihe offener Fragen, welche Einrichtungen
und Beteiligungen einbezogen und wie die Einzeldaten zusammengeführt
werden sollen. Deshalb hat z.B. Nordrhein-Westfalen die Frist für die Vorlage einer „Konzernbilanz“ auch auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Es ist nicht auszuschließen, dass Rheinland-Pfalz ähnlich verfahren wird.
Was bedeutet denn ein hohes Vermögen in der Bilanz?
Zunächst wird damit dokumentiert, dass die Kommune in der Vergangenheit umfassend Infrastruktur geschaffen und/oder Flächenvorsorge betrieben hat. Soweit es sich um Gebäude und Anlagen handelt, bedeutet ein
hoher Vermögenswert natürlich auch höhere Abschreibungen und damit
einen höheren Aufwand in der Ergebnisrechnung. Das unterstreicht, dass
die Vermögenswerte in der Eröffnungsbilanz nicht beliebig sind, sondern
einer eingehenden Diskussion – auch im Rat – bedürfen.
Nicht ableiten darf man aus den Vermögenswerten Hinweise zur finanziellen Situation der Kommune. Ein hohes Vermögen ist nicht gleichbedeutend mit kommunalem „Reichtum“. Das Vermögen ist auch keine QuasiSicherheit für aufgenommene Kredite; das gilt vor allem für solche Vermögensgegenstände, die für einen öffentlichen Zweck wie eine Schule oder eine Straße genutzt werden. Deshalb kann Vermögen auch nicht ohne
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weiteres zur Abdeckung von Defiziten in der Ergebnisrechnung (dies entspräche der heutigen Rückzuführung vom Vermögens- an den Verwaltungshaushalt) genutzt werden.
III. Der Haushaltsausgleich
Wie verändert sich der Haushaltsausgleich?
Im geltenden Haushaltsrecht ist der Haushalt dann ausgeglichen, wenn
die Einnahmen des Verwaltungshaushalts ausreichen, um alle Ausgaben
des Verwaltungshaushalts zu decken und außerdem einen Betrag dem
Vermögenshaushalt zuzuführen, der mindestens der planmäßigen Tilgung
entspricht (Pflichtzuführung). Dies ist auch Gegenstand der Prüfung des
Haushalts durch die Aufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren.
Künftig wird der Ergebnishaushalt zur zentralen Größe für die Bestimmung
des Haushaltsausgleichs. Die genauen Bestimmungen liegen allerdings
noch nicht vor. Doch als Grundsatz wird wohl gelten, dass die ordentlichen
(laufenden) Erträge so hoch sein müssen, dass alle ordentlichen (laufenden) Aufwendungen gedeckt sind. Zu den ordentlichen Aufwendungen gehören dabei nunmehr die Abschreibungen.
Wird der Haushaltsausgleich künftig leichter oder schwerer?
Das lässt sich nicht eindeutig beantworten; sehr vereinfachend gesprochen kommt es zunächst auf das Verhältnis der künftigen Abschreibungen
zur heutigen Tilgung an. Sind die notwendigen Abschreibungen höher als
die Tilgung, ist der Haushaltsausgleich schwerer und umgekehrt. Welcher
Sachverhalt zutrifft, hängt u.a. von folgenden Faktoren ab:
Bei der typischen Kommunalfinanzierung steigen die Tilgungsbeträge von
Jahr zu Jahr; die Höhe der Tilgung richtet sich insoweit nach dem „Alter“
der noch ausstehenden Kredite. Die Höhe der Abschreibung wird in hohem
Maße von der Struktur des kommunalen Vermögens beeinflusst. Besteht
dieses vor allem aus unbebauten Grundstücken, fallen nur geringe Abschreibungen an und umgekehrt.
Offen ist noch, welche Ausnahmemöglichkeiten bestehen, um den Haushalt ausgleichen zu können. Derzeit ist dies unter Inanspruchnahme von
Rücklagen oder durch den Verkauf von Vermögen möglich. Es ist zwar
nicht unwahrscheinlich, dass das auch in Zukunft gelten wird; definitive
Aussagen sind jedoch noch nicht möglich.
Der Sonderfall Umstellung
Über die Auswirkungen in jeder Kommune kann also erst nach Vorliegen
einer Modellrechnung etwas ausgesagt werden. Allerdings ist auf die besonderen Probleme im Jahr der Umstellung auf das neue Haushaltsrecht
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hinzuweisen. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Kommunen erstmals Rückstellungen bilden, für die keine Mittel vorhanden sind. Die Rückstellungen
zählen zu den Verbindlichkeiten; je höher die Rückstellungen dotiert werden müssen, umso geringer wird bei sonst gleichen Bedingungen das Eigenkapital. Auch dieser Zusammenhang zeigt die Bedeutung des Eigenkapitals in der Eröffnungsbilanz.
Die Höhe der Pensionsrückstellungen kann die Kommune selbst nur mit
hohem Aufwand ermitteln. Für die große Mehrzahl der Kommunen wird
diese Aufgabe voraussichtlich von den Pensionskassen übernommen. Alle
übrigen Rückstellungen (z.B. für anhängige Rechtsstreitigkeiten oder für
offene Steuerverpflichtungen) wird die Kommune nach bestem Gewissen
zu bemessen haben.
IV. Vorbereitung
Können wir denn heute schon mit der Umstellung beginnen?
Das neue Haushaltsrecht ist noch nicht in Kraft, ja viele Regelungen müssen erst noch erarbeitet werden. Es wäre jedoch verfehlt, deshalb zuzuwarten und den Umstellungsprozess erst nach Verkündung der wichtigsten
Regelungen zu beginnen. In Nordrhein-Westfalen ist das neue Recht erst
im November verabschiedet worden; trotzdem haben einige Kommunen
ihren Haushalt zum 1.1.2005 umgestellt. Ganz so knapp ist es in Rheinland-Pfalz zwar nicht; gleichwohl sollten die Kommunen schon jetzt mit
den Vorarbeiten beginnen, um eine fristgerechte Einführung ab 2007 gewährleisten zu können. Das erfordert einen nicht unerheblichen Einsatz
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, den sie neben ihren täglichen Arbeiten erbringen.
Zu den wichtigen Vorarbeiten gehören auf jeden Fall die Bildung von Produktstrukturen und die Formulierung von Empfehlungen an den Rat für
produktbezogene Ziele. Dies ist übrigens eine wichtige Aufgabe der jeweiligen Fachverwaltungen. Gleiches gilt für die Entwicklung aussagefähiger
Kennzahlen. Schließlich müssen auch die verwaltungsinternen Organisationsabläufe, z.B. im Hinblick auf die Buchhaltung betrachtet werden.
Der häufigste Hinweis auf eine frühzeitige Vorbereitung betrifft derzeit die
Erfassung und – unter Nutzung eines Bewertungsleitfadens des Gemeinschaftsprojekts – Bewertung des kommunalen Vermögens. Das ist sicher
nicht falsch, sollte aber die eben genannten grundlegenden Überlegungen
nicht in den Hintergrund drängen. Die Vermögensbewertung ist zweifellos
eine der wichtigsten Vorprägungen für die Haushaltswirtschaft der Zukunft
– doch sollte vermieden werden, von Anfang zielorientiert zu bewerten.
Zweckdienlich dürfte eine zunächst objektive Bewertung sein; erst danach
sind Bewertungsspielräume auszuloten. Bevor die Vermögenswerte allerdings in eine Eröffnungsbilanz eingestellt werden, sollten sie auch mit dem
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Rat hinsichtlich der Konsequenzen für die Finanzwirtschaft der Kommune
erörtert werden.
Kann die Verwaltung die Umstellung denn allein schaffen?
Mit dem Gemeinschaftsprojekt sollen solche Hilfestellungen gegeben werden, die es den Kommunen ermöglichen, den Übergang in ein neues
Rechnungswesen aus eigener Kraft zu schaffen. Externe Beratung sollte –
abgesehen von Fragen, die die Kommune nicht selbst beantworten kann
(Pensionsrückstellungen) – nicht erforderlich sein. Es bleibt den Kommunen natürlich unbenommen, zu spezifischen Themen, aber auch für ergänzende Aspekte (z.B. Präzisierung von Gebäude- oder Straßenzustand) sich
externen Sachverstandes zu bedienen. Das sollte dann allerdings nicht als
Umstellungsaufwand der Doppik zugerechnet werden.
Gerade deshalb ist es wichtig, die Verwaltung für das Arbeiten mit dem
neuen Haushaltsrecht zu qualifizieren. Insoweit wird es in den nächsten
beiden Jahren notwendig sein, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu schulen. Dabei darf sich die Schulung nicht auf wenige Finanzfachleute beschränken; im Grundsatz müssen im Rathaus alle, die
auch bisher in irgendeiner Weise mit dem Haushalt in Berührung kamen,
zumindest die Grundprinzipien des neuen Rechts kennen.
Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Ratsmitglieder!
Gibt es Probleme beim Übergang von alter zu neuer Darstellung?
Bei der Umstellung des Haushaltsrechts 1974/75 wurden die Werte der
beiden vorangegangenen Jahre „zurückgerechnet“, so dass der erste neue
Haushalt alle Ausweisungen in neuer Form enthielt. Das war damals weniger problematisch, da insb. das Buchungsprinzip – die Kameralistik - unverändert blieb. Das ist diesmal anders; es würde einen hohen Aufwand
bedeuten, rückwirkend kameralistische Haushalte in doppischer Form darzustellen. Deshalb sollte auf diese Forderung verzichtet, auch wenn die
Haushaltsberatungen dadurch in gewisser Weise beschränkt werden.
Geduld sollte auch bei anderen Anforderungen aufgebracht werden. So
werden Produktbeschreibungen oder Ziele zu Beginn vielleicht noch nicht
„perfekt“ sein; Kennzahlen müssen auf ihre Tauglichkeit getestet werden.
Denn schließlich müssen alle lernen, mit einem ganz neu modellierten Instrument umzugehen!
Vielen Dank

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