Skript zur Vorlesung Regelungs- und Systemtechnik 2

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Skript zur Vorlesung Regelungs- und Systemtechnik 2
Fachgebiet Systemanalyse
Skript zur Vorlesung
Regelungs- und Systemtechnik 2
im Wintersemester 2014/2015
für die Studiengänge MTR und BT
Prof. Dr.-Ing. habil. Ch. Ament
Stand 09/2014 (V36)
www.tu-ilmenau.de/systemanalyse
TECHNISCHE UNIVERSITÄT
ILMENAU
Vorlesung Regelungs- und Systemtechnik 2
Prof. Dr.-Ing. Ch. Ament
Seite 0-1
Gliederung und Literatur
Gliederung
Literatur ................................................................................................................ 2
1
2
3
4
5
6
7
Systemdarstellung im Zustandsraum ........................................................... 1-1
1.1
Allgemein nichtlineare Systeme .................................................................. 1-1
1.2
Lineare Systeme ....................................................................................... 1-4
1.3
Aufstellen der Zustandsgleichung ............................................................... 1-6
1.4
Lösung der linearen Zustandsdifferenzialgleichung ....................................... 1-9
1.5
Systemdarstellung im Bildbereich ............................................................. 1-10
1.6
Transformation ....................................................................................... 1-11
Analyse von Systemeigenschaften ............................................................... 2-1
2.1
Jordan-Normalform (JNF) .......................................................................... 2-1
2.2
Stabilität.................................................................................................. 2-2
2.3
Steuerbarkeit ........................................................................................... 2-3
2.4
Beobachtbarkeit ....................................................................................... 2-4
2.5
Erweiterung auf Systeme mit mehrfachen Eigenwerten................................. 2-5
Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe ...................................................... 3-1
3.1
Struktur der linearen Zustandsrückführung ................................................. 3-1
3.2
Entwurf einer Zustandsrückführung durch Eigenwertvorgabe ........................ 3-1
3.3
Entwurf in Regelungsnormalform (RNF) ...................................................... 3-3
Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände ............................................ 4-1
4.1
Idee und Struktur des Beobachters............................................................. 4-1
4.2
Entwurf durch Eigenwertvorgabe ................................................................ 4-2
4.3
Entwurf in Beobachtungsnormalform (BNF) ................................................. 4-4
4.4
Störbeobachter......................................................................................... 4-6
Erweiterungen der Regelstruktur ................................................................. 5-1
5.1
Vorgabe von Führungsgrößen: Vorfilter ....................................................... 5-1
5.2
Vorgabe von Führungsgrößen: Integrale Ausgangsrückführung ..................... 5-2
5.3
Kompensation von Störungen .................................................................... 5-5
Mehrgrößen-Regelung .................................................................................. 6-1
6.1
Vollständig modale Synthese ..................................................................... 6-1
6.2
Entwurf durch Ein-/Ausgangsentkopplung ................................................... 6-2
6.3
Vorfilter und Folgeregelung ........................................................................ 6-3
Zeitdiskrete Systeme .................................................................................... 7-1
7.1
Struktur des digitalen Regelkreises ............................................................. 7-1
7.2
Systemdarstellung .................................................................................... 7-2
7.3
Systemeigenschaften ................................................................................ 7-3
7.4
Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe ....................................................... 7-4
7.5
Reglerentwurf auf endliche Einstellzeit ........................................................ 7-4
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Gliederung und Literatur
Literatur
•
Föllinger, O:
Regelungstechnik – Einführung in die Methoden und ihre Anwendung, 11. Auflage
2013, VDE Verlag, 1994. € 49,90
•
Föllinger, O:
Laplace-, Fourier- und z-Transformation, 10. Auflage 2011, VDE-Verlag, 2003. €
29,95
•
Graichen, K:
Systemtheorie – Theorie linearer Regelsysteme, Skriptum, Universität Ulm
•
Lunze, J.:
Regelungstechnik 1 – Systemtheorietische Grundlagen, Analyse und Entwurf einschleifiger Regelungen, Springer, 9. Auflage, 2013, € 39,95
•
Lunze, J.:
Regelungstechnik 2 – Mehrgrößensystem, Digitale Regelung, Springer, 7. Auflage,
2013, € 49,95
•
Lunze, J.:
Automatisierungstechnik – Methoden für die Überwachung und Steuerung kontinuierlicher und ereignisdiskreter Systeme, Oldenbourg, 3. Auflage 2012. € 54,80
•
Unbehauen, H.:
Regelungstechnik I: Klassische Verfahren zur Analyse und Synthese linearer kontinuierlicher Regelsysteme, Fuzzy-Regelsysteme, Vieweg & Teubner, 15. Auflage,
2008. € 42,99
•
Unbehauen, H.:
Regelungstechnik II: Zustandsregelung, digitale und nichtlineare Regelsysteme,
Vieweg & Teubner, 9. Auflage, 2000. € 42,99
•
Unbehauen, H.:
Regelungstechnik: Aufgaben I, Vieweg, 1992. € 29,90
•
Günther. M.:
Kontinuierliche und zeitdiskrete Regelungen, Teubner, 1997.
•
Reinisch, K.:
Kybernetische Grundlagen und Beschreibung kontinuierlicher Systeme, Verlag
Technik, 1974.
•
Norman S. Nise:
Control Systems Engineering, Wiley Text Books; 4th edition, 2004, € 63,50
•
Benjamin Kuo:
Automatic Control Systems, Prentice Hall; 8. Aufl. 2003, € 59,90
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1
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Systemdarstellung im Zustandsraum
1.1 Allgemein nichtlineare Systeme
Der Zustand eines dynamischen Systems wird zum Zeitpunkt t durch eine Reihe von Zustandsgrößen (= Zuständen) x1(t), … xn(t) eindeutig beschrieben. Diese Zustandsgrößen
werden im Zustandsvektor x(t) zusammengefasst.
Das dynamische Verhalten des Systems wird durch die Zustandsdifferentialgleichung definiert: Sie beschreibt die zeitliche Änderung des Zustandsvektors x (t ) als Funktion des aktuellen Zustands x(t) sowie eines Eingangsvektors u(t). Es handelt sich um eine vektorielle
Differentialgleichung erster Ordnung.
Die (messbaren) Ausgangsgrößen werden im Ausgangsvektor y(t) zusammengefasst. Die
Ausgangsgleichung bestimmt y(t) auf Basis des aktuellen Zustands x(t) sowie ggf. des
Eingangsvektors u(t). Die Ausgangsgleichung ist eine algebraische Gleichung.
Systemdarstellung
Zustandsdifferenzialgleichung:
x (t ) = f (x(t ), u(t ))
Ausgangsgleichung:
y(t ) = g (x(t ), u(t ))
mit folgenden Größen:
Zustandsvektor
 x1 (t )


x 2 (t )

x(t ) =
  


 x n (t )
mit n: Anzahl der Zustände
Eingangsvektor
 u1(t) 


u(t ) =   
u m (t )
mit m: Anzahl der Eingänge
Ausgangsvektor
 y1(t) 


y(t ) =   
y p (t )


mit p: Anzahl der Ausgänge
Blockschaltbild:
u
x(0)
f(x,u)
.
x
1
x
g(x,u)
y
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Beispiel 1-1: Modell einer Räuber-Beute-Beziehung
Als sehr einfaches Modell eines ökologischen Systems soll eine Räuber-Beute-Beziehung
beschrieben werden. Mit x1(t) wird die Zahl der Hasen (Beutetiere) zum Zeitpunkt t bezeichnet, x2(t) entspricht der Zahl der Füchse (Räuber).
x1(t)
x2(t)
Die Anzahl der Geburten pro Zeit der Hasen ist proportional zum Bestand (Geburtenrate
a1). Ebenso ist die Zahl der natürlichen Tode proportional zum Bestand (natürliche Todesrate b1). Zusätzlich werden Hasen von den Füchsen getötet, diese Zahl ist proportional
zum Produkt der Bestände von Hasen bzw. Füchsen (Todesrate durch Räuber c1). Die Bilanzierung des Bestands der Hasen ergibt:
x 1 (t ) = (a1 − b1 ) ⋅ x1 (t ) − c1 ⋅ x1 (t ) ⋅ x 2 (t )
Die Zahl der Geburten pro Zeit der Füchse ist nahrungsabhängig: Diese Zahl ist proportional zum Produkt der bestände von Hasen bzw. Füchsen (nahrungsabhängige Geburtenrate
a2). Wie bei den Hasen ist auch die Zahl der natürlichen Tode proportional zum Bestand
(natürliche Todesrate b2). Die Bilanzierung des Bestands der Füchse ergibt:
x 2(t ) = a2 ⋅ x1(t ) ⋅ x2(t ) − b2 ⋅ x2(t )
Beide Gleichungen, die auch als Lotka-Volterra-Gleichungen bekannt sind, bilden gemeinsam die Zustands-Differenzialgleichung des Systems. Das System ist nichtlinear aufgrund
der multiplikativen Terme x1(t ) ⋅ x2(t ) .
Für eine numerische Simulation (z. B. mit Simulink) eignen sich folgende Werte:
Hasen
Füchse
a1 = 0.05
a2 = 0.0001
b1 = 0.02
b2 = 0.01
c1 = 0.0005
Mit den Anfangsbedingungen x1(0)=100 Hasen und x2(0)= 20, 60, 100 Füchse.
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Numerische Simulation
Ein im Allgemeinen nichtlineares dynamisches System ist durch die Zustandsdifferenzialgleichung
x (t ) = f (x(t ), u(t ))
und den Anfangswert x(0) = x 0 definiert.
Von diesem Anfangswert ausgehend soll ein numerisches Verfahren den Zustandspunkt für
nachfolgende diskrete Zeitpunkte t1, t2, t3, ... näherungsweise bestimmen.
~
Mit Hilfe eines Einschrittverfahrens kann eine Näherung x (t i ) des Zustandspunktes rekursiv bestimmt werden:
(
~
~
~
x (t i + 1 ) = x (t i ) + h ⋅ Φ x (t i ), u(t i ), h
)
mit Zeitschrittweite h zwischen den Zeitpunkten ti+1 und ti sowie der Verfahrensfunktion Φ .
Je nach der Ordnung p des gewählten Verfahrens bestimmt sich die Verfahrensfunktion in
folgender Weise:
p=1: Verfahren von Euler
Φ(x, u, h) = f (x, u )
p=2: Verfahren von Heun:
Φ (x, u, h) =
1
[f (x, u) + f (x + h ⋅ f (x, u), u)]
2
p=4: Verfahren von Runge-Kutta:
Φ (x, u, h) =
1
2
2
1
⋅ k1 + ⋅ k 2 + ⋅ k 3 + ⋅ k 4
6
6
6
6
mit
k 1 = f ( x, u)
k 2 = f (x +
1
⋅ h ⋅ k 1 , u)
2
k 3 = f (x +
1
⋅ h ⋅ k 2 , u)
2
k 4 = f (x + h ⋅ k 3 , u)
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
1.2 Lineare Systeme
Auch lineare Systeme werden durch die Zustandsdifferentialgleichung und die Ausgangsgleichung beschrieben. Der Zustandsvektor x(t) und der Eingangsvektor u(t) gehen jeweils
linear in die Gleichungen ein.
Systemdarstellung
Zustandsdifferenzialgleichung:
x (t ) = A x(t ) + B u(t )
Ausgangsgleichung:
y(t ) = C x(t ) + D u(t )
mit folgenden Größen:
Zustandsvektor
 x1 (t )


x 2 (t )

x(t ) =
  


 x n (t )
mit n: Anzahl der Zustände
Eingangsvektor
 u1(t) 


u(t ) =   
u m (t )
mit m: Anzahl der Eingänge
Ausgangsvektor
 y1(t) 


y(t ) =   
y p (t )


mit p: Anzahl der Ausgänge
Systemmatrix
 a11

a
A =  21
 

 an1
an2
c11

C = 
c p1

c12  c1n 



 ,
c p2  c pn 
Ausgangsmatrix
a12
a22

 a1n 

 a2n 
,

 

 ann 
Eingangsmatrix
b11

b
B =  21
 

bn1
 b1m 

 b2m 

 

 bnm 
d11  d1m 


Durchgangsmatrix D =  

 
d p1  d pm 


Blockschaltbild:
D
.
x
u
x(0)
1
x
B
y
C
A
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Beispiel 1-2: System aus 3 Tanks
Entsprechend nachstehendem Bild besteht das System aus 3 Tanks, die miteinander verkoppelt sind. Die Tanks 1 und 3 besitzen je einen Zulauf; ein Ablauf findet sich an Tank 3.
q1(t)
q2(t)
h2(t)
h1(t)
h3(t)
q12(t)
Tank 1
q23(t)
Tank 2
qab(t)
Tank 3
Es soll eine Zustandsraum-Darstellung des Systems ermittelt werden.
•
•
Ansatz für die physikalische Modellierung ist eine Volumenbilanz für jeden der 3
Tanks. Mit einer einheitlichen Querschnittsfläche a für alle Tanks gilt:
Tank 1:
d
1
h1 (t ) = (q1 (t ) − q12 (t ))
dt
a
Tank 2:
d
1
h2 (t ) = (q12 (t ) − q23 (t ))
dt
a
Tank 3:
d
1
h3 (t ) = (q2 (t ) + q23 (t ) − q ab (t ))
dt
a
Es wird angenommen, dass der Fluss zwischen den Tanks proportional zur Füllstandsdifferenz ist (Proportionalitätskonstante c):
q12 (t ) = c (h1 (t ) − h2 (t ))
q23 (t ) = c (h2 (t ) − h3 (t ))
qab(t ) = c h3(t )
•
•
Einsetzen in die Bilanzgleichungen ergibt:
Tank 1:
d
1
h1 (t ) = (q1 (t ) − c h1 (t ) + c h2 (t ))
a
dt
Tank 2:
d
1
h2 (t ) = (c h1 (t ) − 2c h2 (t ) + c h3 (t ))
a
dt
Tank 3:
d
1
h3 (t ) = (q2 (t ) + c h2 (t ) − 2c h3 (t ))
dt
a
Dies kann vektoriell geschrieben werden und entspricht der gesuchten Zustandsdifferenzialgleichung:
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
0 
 h1 (t ) − c / a + c / a
d 
 

c/a 
h2 (t ) = + c / a − 2c / a

dt
h3 (t )  0
c/a
− 2c / a

 


A
x (t )
0 
 h1 (t ) 1 / a

 

0 
⋅ h2 (t ) +  0
h3 (t )  0
1 / a


 

x(t )
B
q (t )
⋅ 1 
q2 (t )




u(t )
1.3 Aufstellen der Zustandsgleichung
Umwandlung eines durch das Blockschaltbild gegebenen Systems
in Zustandsraum-Darstellung
Idee: Jedes I-Glied (und jedes PT1-Glied) „speichert“ einen Zustand!
Vorgehensweise:
1. Eventuell vorhandene PT2-Glieder müssen zerlegt werden.
2. Alle Ausgänge von I- und PT1-Gliedern werden als Zustände eingeführt.
3. Man geht gegen die Signalflussrichtung durch das Blockschaltbild und liest die
Funktionszusammenhänge (in Abhängigkeit der bekannten Zustände xi(t) und
Eingangsgrößen ui(t)) ab.
4. Die Gleichungen in vektorieller Schreibweise
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
zusammenfassen.
Beispiel 1-3
Ein dynamisches System ist durch nachstehendes Blockschaltbild gegeben.
1
u
1
x1
x2
y
Es soll in eine Zustandsraum-Darstellung umgewandelt werden.
Umwandlung eines durch seine Differentialgleichung gegebenen Systems
in Zustandsraum-Darstellung
Ein System, das als Differentialgleichung gegeben ist, lässt sich am einfachsten in Regelungs- oder Beobachter-Normalform überführen, da die Koeffizienten der Differentialgleichung direkt abgelesen werden können (siehe Kapitel 3 und 4).
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Beispiel 1-4: Regelung einer Maschinenachse
Eine fremderregte Gleichstrommaschine bewegt über einen Spindelvortrieb den Schlitten
einer Maschinenachse an, siehe Bild:
Ra
La
Ia
ω, Ma M r Spindel
Ua
ea
Schlitten
J
φ
y
Elektrisches
Teilsystem
Mechanisches
Teilsystem
Es soll eine Regelung entwickelt werden, welche den Schlitten in eine gewünschte Position
fährt. Dazu muss zuerst das dynamische Modell des Systems aus den physikalischen Gesetzen gewonnen werden.
Modellbildung
•
Mittels der Kirchhoffschen Maschenregel lässt sich die Spannung Ua(t) im Ankerkreis
der Gleichstrommaschine als Funktion des Stroms Ia(t) bestimmen:
U a (t ) = Ra I a (t ) + La
dI a (t )
+ ea (t )
dt
Darin ist Ra = 20 Ω der Widerstand und La = 200 mH die Induktivität des Ankerkreises 1.
•
Dreht sich der Antrieb, wird die Spannung ea(t) induziert:
ea (t ) = c φ ω(t )
Für das Produkt aus Maschinenkonstante und Hauptfluss der Fremderregung gilt
c φ = 15 Nm/A = 15 Vs.
•
Bei der verlustfreien Maschine ist dies auch der Proportionalitätsfaktor zwischen Ankerstrom und mechanischem Antriebsmoment:
M a (t ) = c φ I a (t )
•
Dem Antriebsmoment steht ein Reibmoment gegenüber, das proportional zur Winkelgeschwindigkeit angenommen wird:
M r (t ) = K m ω(t )
Entsprechend der DC-Maschine IC 410 der Firma ABB (Nennwerte: UN = 400 V, IN = 3 A, PN = 1
kW) (gerundete Werte).
1
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Seite 1-8
1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Die Momentenbilanz ist
•
J
dω(t )
= M a (t ) − Mr (t )
dt
mit dem Trägheitsmoment J = 10 kg m2.
Mit der Steigung Ks = 0,005 m/rad der Spindel gilt schließlich für die Position des
Schlittens:
•
t
∫
y(t ) = K s ω(τ ) dτ
0
Blockschaltbild
Nachfolgendes Bild zeigt die Implementierung des Blockschaltbildes in Simulink.
Die Modellparameter werden wie folgt definiert:
Ra
La
cPhi
J
Km
Ks
=
=
=
=
=
=
20.0;
200.0e-3;
15.0;
10.0;
2.0;
0.005;
%
%
%
%
%
%
Ankerwiderstand in Ohm
Ankerinduktivität in Henry
(Maschinenkonstante * Hauptfluss) in Nm/A = s V
eff. Trägheitsmoment von Motor & Spindel in kg m^2
Reibkraftkoeffizient in Nm s
Steigung (einschl. Getriebeübersetzung) in m/rad
Wie lautet die Zustandsraum-Darstellung dieses Systems?
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1. Systemdarstellung im Zustandsraum
1.4 Lösung der linearen Zustandsdifferenzialgleichung
Ein lineares, zeitinvariantes dynamisches System
x (t ) = A x(t ) + B u(t )
mit dem Anfangswert x(0) = x 0 besitzt die Zustandstrajektorie x(t ) die Lösung:
x(t ) = e A t x 0 +
t
∫e
A (t − τ ) B u(τ ) dτ
0
Der Verlauf der Ausgangsgröße kann daraus mit der Ausgangsgleichung bestimmt werden:
y(t ) = C x(t ) + D u(t )
Transitionsmatrix
Darin wird der Term Φ(t ) = e
At
als Transitionsmatrix bezeichnet.
Zur Berechnung der Transitionsmatrix muss die Matrixexponentialfunktion ausgewertet
werden. Dies ist auf mehrere Weise möglich:
1. Durch Erweiterung die Reihenentwicklung der Exponentialfunktion auf Matrizen:
Φ(t ) = e
At
= I + At +
2
3
A t3
A t2
+
+
2!
3!
2. Durch die Lösung der Zustandsdifferentialgleichung im Bildbereich:
Φ(t ) = e
At
{
= L− 1 (s I − A)
−1
}
falls (s I − A) invertierbar ist
3. Durch Transformation auf Jordan-Normalform (s. Abschnitt 2.1): Es gilt:
0 
 s1 t





 0
sn t 
A
t

e
=e
=
e s1 t



0

0 



sn t 
e

4. Numerisch in Matlab mit der Funktion expm (nicht exp!)
Es gelten die folgenden Beziehungen:
d At
At
At
= Ae
=e
e
A
dt
Φ(0) = I
Φ(t ) Φ(−t ) = I und folglich: Φ(t ) = Φ
−1
(−t )
Φ(t1 ) Φ(t 2 ) = Φ(t1 + t 2 )
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Seite 1-10
1. Systemdarstellung im Zustandsraum
1.5 Systemdarstellung im Bildbereich
Für ein lineares, zeitinvariantes dynamisches System
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
lautet die entsprechende Übertragungsmatrix
G(s) = C (s I − A)
−1
B + D.
Sie verallgemeinert die von Eingrößensystemen her bekannte skalare Übertragungsfunktion G(s) für Mehrgrößensysteme. Die Übertragungsmatrix G(s) verknüpft den mdimensionalen Eingangsvektor U(s) mit dem p-dimensionalen Ausgangsvektor Y(s):
Y (s) = G(s) U(s)
mit
G11 (s)  G1m (s)


G(s) =  


.
G p1 (s)  G pm (s)


Das Element Gji(s) der Übertragungsmatrix G(s) ist eine Übertragungsfunktion, welche die
Wirkung des Eingangssignals Ui(s) auf den Ausgang Yj(s) beschreibt.
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1.6
Seite 1-11
1. Systemdarstellung im Zustandsraum
Transformation
Ein System in Zustandsraumdarstellung
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
kann durch die Ähnlichkeitstransformation des Zustandsvektors
x (t ) = T ⋅ x(t )
in ein System
x (t ) = A x (t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
umgewandelt werden. Dazu muss die Transformationsmatrix T invertierbar sein.
Beide Systeme sind äquivalent, falls gilt:
A =T AT
−1
−1
, B = T B, C = C T , D = D
(Dies kann gezeigt werden, in dem x(t ) = T
−1
⋅ x (t ) in der originalen Darstellung substitu-
iert wird.)
Folgende Eigenschaften bleiben bei der Transformation erhalten:
•
Ein-Ausgangsverhalten
Die Wirkung von u auf y hängt nicht von der speziellen Wahl des Zustandsvektors
ab.
•
Stabilität
Die Eigenwerte sind invariant gegenüber der Transformation: eig( A) = eig( A )
•
Steuerbarkeit
Es gilt für die Steuerbarkeitsmatrix: Q S = T ⋅ Q S
•
Beobachtbarkeit
Es gilt für die Beobachtbarkeitsmatrix: Q B = Q B ⋅ T
−1
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2. Analyse von Systemeigenschaften
Analyse von Systemeigenschaften
2.1 Jordan-Normalform (JNF)
Der Übersichtlichkeit wegen wird zunächst vorausgesetzt, dass die Systemmatrix A nur
einfache Eigenwerte besitzt. Die Erweiterung auf den Fall mehrfacher Eigenwerte wird in
Abschnitt 2.5 vorgestellt.
Die Systemmatrix A eines Systems in Jordan-Normalform (JNF) besitzt Diagonalstruktur:
0
s1
d



x(t ) = 
 ⋅ x(t ) + B ⋅ u(t ) ,
dt
 0
s n 


y(t ) = C x(t ) + D u(t )
A
Die Diagonalelemente si sind die Eigenwerte der Systemmatrix.
Transformation
Um ein System
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
(mit nur einfachen Eigenwerten von A) in JNF zu transformieren, gehen Sie wie folgt vor:
1. Zuerst werden alle Eigenwerte si der Systemmatrix A als Lösungen der Gleichung
A − s I = 0 bestimmt.
2. Zu jedem Eigenwert si wird der zugehörige Eigenvektor vi aus (A − s i I ) ⋅ v i = 0
bestimmt. Er enthält einen skalaren Freiheitsgrad.
3. Für die inverse Transformationsmatrix gilt: T
−1
= [v 1 v 2  v n ]
Blockschaltbild
aus Eingangsmatrix B
b1,1
1 x1
s-s1
c1,1
…
b1,2
aus Ausgangsmatrix C
n
Eigenwert 1
…
u1
m
aus Systemmatrix A
Eigenwert 2
b2,1
c1,2
…
…
b3,2
c1,3
c2,2
y1
y2
…
Eigenwert 3
1 x3
s-s3
p
…
…
b3,1
…
u2
b2,2
1 x2
s-s2
c2,1
c2,3
…
…
…
…
…
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Seite 2-2
2. Analyse von Systemeigenschaften
In JNF sind also die Zustände x1,…,xn voneinander entkoppelt. In dieser Form können Systemeigenschaften wie Stabilität (Abschnitt 2.2), Steuerbarkeit (Abschnitt 2.3) und Beobachtbarkeit (Abschnitt 2.4) besonders einfach analysiert werden.
Zusammenhang zur Übertragungsfunktion G(s)
Die Darstellung in JNF kann als eine Partialbruchzerlegung der zugehörigen Übertragungsfunktion interpretiert werden. Für ein System mit einem Eingang (m = 1), einem Ausgang
(p = 1) und mit nur einfachen Eigenwerten gilt:
G(s) = c1,1
1
1
b1,1 + c1,2
b2,1 + 
s − s1
s − s2
2.2 Stabilität
Stabilitätsdefinition
(asymptotisch)
stabil
Der Ausgang des nicht angeregten
Systems klingt nach einer beliebigen Anfangsauslenkung asymptotisch auf null ab:
Stabilitätsbedingung für ein System in Zustandsraumdarstellung
Falls alle Eigenwerte der Systemmatrix A in der linken komplexen Ebene liegen.
lim y(t ) = 0
t →∞
grenzstabil
Der Ausgang des nicht angeregten
Systems bleibt nach einer beliebigen Anfangsauslenkung für wachsende Zeiten t in endlichen Grenzen:
lim y(t ) ≤ C < ∞
Falls alle Eigenwerte der Systemmatrix A in der linken komplexen Ebene oder auf der imaginären Achse liegen, wobei die
Eigenwerte auf der imaginären
Achse alle einfach sind.
t →∞
instabil
Der Ausgang des nicht angeregten
Systems strebt nach einer beliebigen Anfangsauslenkung mit wachsender Zeit t gegen Unendlich:
lim y(t ) → ∞
t →∞
Falls mindestens ein Eigenwert
der Systemmatrix A in der rechten komplexen Ebene liegt oder
ein mehrfacher Eigenwert auf
der imaginären Achse vorhanden ist.
System in JNF
Die über die Stabilität entscheidenden Eigenwerte sind auf der Diagonalen der Systemmatrix A sofort ablesbar. Das Gesamtsystem ist genau dann stabil, wenn alle Eigenwerte in
der linken komplexen Ebene liegen.
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Seite 2-3
2. Analyse von Systemeigenschaften
2.3 Steuerbarkeit
Definition
Das System in der Zustandsraumdarstellung
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
heißt steuerbar, wenn sein Zustandspunkt x(t) durch geeignete Wahl des Eingangsvektors
u(t) in endlicher Zeit aus einem beliebigen Anfangszustand x0 in den Endzustand 0 bewegt
werden kann.
Anschauliche Interpretation
Ein steuerbares System ist so strukturiert, dass man durch die Eingangsgrößen u(t) auf
alle inneren Zustandsgrößen x(t) des Systems einwirken kann.
Sind im umgekehrten Fall Teile des Systems nicht durch Eingangsgrößen beeinflussbar,
dann sind diese Systemteile nicht steuerbar. Diese können dann auch nicht von außen dynamisch beeinflusst werden.
Daher ist die Steuerbarkeit eines Systems die Voraussetzung, um einen Zustandsregler
(siehe Kapitel 3) erfolgreich entwerfen zu können.
Kriterium nach Gilbert (für Systeme in JNF)
Die Steuerbarkeit lässt sich nur auf Basis der Eingangsmatrix B bestimmen. Jeder separate Eigenwert muss durch mindestens einen Eingang ansteuerbar sein. Das Kriterium nach
Gilbert lautet:
Das durch A , B bestimmte System in Jordan-Normalform mit einfachen Eigenwerten in A
ist genau dann steuerbar, wenn die Zeilenvektoren der Eingangsmatrix B alle vom Nullvektor verschieden sind.
In JNF lässt sich ablesen, welche Eigenwerte nicht steuerbar sind. Sind diese stabil, ist das
System zumindest stabilisierbar.
Kriterium nach Kalman (für Systeme in beliebiger Form)
Die Steuerbarkeit eines Systems wird durch die Matrizen A, B bestimmt.
Es wird die Steuerbarkeitsmatrix QS (mit n Zeilen und n ⋅ m Spalten) berechnet:
2
Q S = [B, A B, A B,  , A
n −1
B]
Das System ist genau dann steuerbar, wenn QS den Höchstrang n hat, also n linear unabhängige Spaltenvektoren besitzt.
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Seite 2-4
2. Analyse von Systemeigenschaften
Kriterium auf Basis der Gramschen Steuerbarkeitsmatrix (für Systeme in beliebiger Form)
Das System ist genau dann steuerbar, wenn die Gramsche Steuerbarkeitsmatrix
t
W S (t ) = ∫ e
Aτ
T
BB e
AT τ
dτ
0
für jede Zeitspanne t > 0 invertierbar ist.
Beispiel: Steuerbarkeit eines Systems
α
x1
s+2
u
y
1
s+β
x2
Für welche Werte α, β ist das folgende System steuerbar?
2.4 Beobachtbarkeit
Definition
Das System in der Zustandsraumdarstellung
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t )
heißt beobachtbar, wenn man bei bekanntem u(t) aus der Messung von y(t) über eine endliche Zeitspanne den Anfangszustand x0 eindeutig ermitteln kann, ganz gleich, wo dieser liegt.
Anschauliche Interpretation
Ein beobachtbares System ist so strukturiert, dass man durch die Messung der Ausgangsgrößen y(t) in ihrem zeitlichen Verlauf (bei bekannten Eingangsgrößen u(t)) auf alle inneren Zustandsgrößen x(t) des Systems schließen kann.
Haben Teile des Systems keinerlei Wirkung auf die Ausgangsgrößen, dann sind diese Systemteile nicht beobachtbar. Damit können die Zustände dieser Systemteile nicht von außen
geschätzt werden.
Daher ist die Beobachtbarkeit eines Systems die Voraussetzung, um einen Zustandsbeobachter (siehe Kapitel 4) erfolgreich entwerfen zu können.
Kriterium nach Gilbert (für Systeme in JNF)
Die Beobachtbarkeit lässt sich entsprechend nur auf Basis der Ausgangsmatrix C bestimmen: Jeder separate Eigenwert muss über mindestens einen Ausgang messbar sein. Das
Kriterium nach Gilbert lautet:
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2. Analyse von Systemeigenschaften
Das durch A , C bestimmte System in Jordan-Normalform mit einfachen Eigenwerten in A
ist genau dann beobachtbar, wenn die Spaltenvektoren der Ausgangsmatrix in JordanNormalform C alle vom Nullvektor verschieden sind.
JNF lässt sich ablesen, welche Eigenwerte nicht beobachtbar sind. Sind diese stabil, ist das
System zumindest ermittelbar (entdeckbar).
Kriterium nach Kalman (für Systeme in beliebiger Form)
Die Beobachtbarkeit eines Systems wird durch die Matrizen A, C bestimmt.
Es wird die Beobachtbarkeitsmatrix QB (mit n ⋅ p Zeilen und n Spalten) berechnet:
QB
 C 


 C A 
=  C A2 





C A n −1 


Das System ist genau dann beobachtbar, wenn QB den Höchstrang n hat, also n linear unabhängige Zeilenvektoren besitzt.
Kriterium auf Basis der Gramschen Beobachtbarkeitsmatrix (für Systeme in beliebiger Form)
Das System ist genau dann beobachtbar, wenn die Gramsche Beobachtbarkeitsmatrix
t
W B (t ) = ∫ e
A τ
T
CT C e
Aτ
dτ
0
für jede Zeitspanne t > 0 invertierbar ist.
2.5 Erweiterung auf Systeme mit mehrfachen Eigenwerten
Bisher wurde vorausgesetzt, dass jeder Eigenwert si nur einmal vorhanden ist. Damit war
seine algebraische Vielfachheit jeweils pi = 1. Nun wird der Fall mehrfacher Eigenwerte betrachtet.
•
•
Die algebraische Vielfachheit pi eines Eigenwertes si entspricht der Anzahl des Auftauchen des Eigenwertes.
Die geometrische Vielfachheit qi ist die Anzahl der linear unabhängigen Eigenvektoren.
Bsp: Reihen- bzw. Parallelschaltung von zwei gleichen Verzögerungsgliedern
Führt man jeweils die Zustände dem Blockschaltbild entsprechend ein, erhält man direkt
eine Zustandsraum-Darstellungen in Jordan-Normalform. Für die Reihenschaltung gilt
1
− 1
A=
;
 0 − 1
0
B =  ;
1
C = [1 0]
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Seite 2-6
2. Analyse von Systemeigenschaften
und für die Parallelschaltung gilt:
0
− 1
A=
;
0
−
1

1
B =  ;
1
C = [1 1]
Beide Systeme haben einen doppelten Eigenwert in s1 = –1, also ist die algebraische Vielfachheit in beiden Fällen p1=2.
Im Fall der Reihenschaltung ist in A die Nebendiagonale mit „1“ besetzt, damit besitzt A
die Gestalt eines Jordan-Blocks. Es gibt nur einen Eigenvektor
a
v 1,1 =  
0
(mit dem skalaren Freiheitsgrad a),
damit ist die geometrische Vielfachheit q1=1 geringer als die algebraische. Für die Differenz
zwischen der algebraischen und der geometrischen Vielfachheit kann eine Hauptvektorkette entwickelt werden. Hier ist die Differenz p1 – q1 = 1, so dass ein Hauptvektor aus
(A − s1 I ) ⋅ v 1,2
= v 1,1
zu
b 
v 1,2 =  
 a
(mit dem skalaren Freiheitsgrad b)
bestimmt wird.
Für die Steuerbarkeit muss sichergestellt sein, dass die letzte zu einem Jordan-Block gehörende Zeile in B von Null verschieden ist. Für die Beobachtbarkeit muss die erste zu einem Jordan-Block gehörende Zeile in C von Null verschieden sein. Im Beispiel steht jeweils eine „1“,
so dass beide Eigenschaften erfüllt sind!
Im Fall der Parallelschaltung besitzt A Diagonalgestalt. Bei der Bestimmung des zugehörigen Eigenvektors erhält man zwei Freiheitsgrade und man kann zwei linear unabhängige Eigenvektoren wählen, z.B.:
a
0
v1 =   ; v 2 =  
0
 
b 
Die geometrische Vielfachheit q1=2 entspricht der algebraischen.
Für die Steuerbarkeit muss jetzt gelten, dass alle zum Eigenwert s1 gehörenden Zeilen in B
linear unabhängig sein müssen. Analog müssen für die Beobachtbarkeit alle zum Eigenwert s1
gehörenden Spalten in C linear unabhängig sein. Das ist in beiden Fällen nicht erfüllt! Offenbar ist die Parallelschaltung von zwei identischen Teilsystemen nicht steuer- und beobachtbar.
Systemeigenschaften
Stabilität
Das Gesamtsystem ist genau dann stabil, wenn alle Jordanblöcke von stabil sind.
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Seite 2-7
2. Analyse von Systemeigenschaften
Steuerbarkeit (Kriterium nach Gilbert)
Jeder separate Jordanblock muss durch mindestens einen Eingang ansteuerbar sein. Bei
einem mehrfachen Eigenwerten si sei pi seine algebraische und qi seine geometrische Vielfachheit.
•
Falls pi > 1 aber qi = 1 gilt, besitzt A Blockdiagonalgestalt mit Jordan-Blöcken. Es
muss gelten: Nur die jeweils letzten zu einem Jordan-Block gehörenden Zeilen der
Eingangsmatrix B müssen vom Nullvektor verschieden sein.
•
Falls qi = pi gilt, besitzt A wie im Fall einfacher Eigenwerte Diagonalgestalt. Es muss
gelten: Alle zum Eigenwert si gehörenden Zeilen in B müssen linear unabhängig sein.
Beobachtbarkeit (Kriterium nach Gilbert)
Jeder separate Jordan-Block muss durch mindestens einen Ausgang messbar sein. Bei einem mehrfachen Eigenwerten si sei pi seine algebraische und qi seine geometrische Vielfachheit.
•
Falls pi > 1 aber qi = 1 gilt, besitzt A Blockdiagonalgestalt mit Jordan-Blöcken. Es
muss gelten: Nur die jeweils ersten zu einem Jordan-Block gehörenden Spalten der
Ausgangsmatrix C müssen vom Nullvektor verschieden sein.
•
Falls qi = pi gilt, besitzt A wie im Fall einfacher Eigenwerte Diagonalgestalt. Es muss
gelten: Alle zum Eigenwert si gehörenden Spalten in C müssen linear unabhängig sein.
Transformation
Um ein beliebiges System x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t ) in JordanNormalform zu transformieren, gehen Sie wie folgt vor:
1. Zuerst werden alle Eigenwerte si der Systemmatrix A mit ihren jeweiligen algebraischen Vielfachheiten pi als Lösungen der Gleichung A − s I = 0 bestimmt.
2. Zu jedem Eigenwert si wird der zugehörige Eigenvektor vi aus (A − s i I ) ⋅ v i = 0
bestimmt. Er enthält in der Regel einen skalaren Freiheitsgrad, dann ist die algebraische gleich der geometrischen Vielfachheit qi = pi. Treten α > 1 skalare Freiheitsgrade auf, ist die geometrische kleiner als die algebraische Vielfachheit:
qi = pi – α + 1
3. Zu jedem mehrfachen Eigenwert mit qi > 1 werden die Hauptvektoren berechnet,
die eine Basis des qi-dimensionalen Unteraums zu si bilden. Beginnend mit v i ,1 = v i
wird eine Hauptvektorkette aus (A − s i I ) ⋅ v i , j + 1 = v i , j für j = 1, …, qi–1 entwickelt.
4. Für die inverse Transformationsmatrix gilt:
T
−1
[
= v 1,1  v 1, q1
v 2,1  v 2, q2
]

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2. Analyse von Systemeigenschaften
Jordan-Normalform im Fall pi > 1, qi =1
Die Systemmatrix A eines Systems in Jordan-Normalform (JNF) besitzt Blockdiagonalstruktur:
0
J1
d


x(t ) = 
J2
 ⋅ x(t ) + B ⋅ u(t ) ,
dt
 0


y(t ) = C x(t ) + D u(t )
A
Zu jedem Eigenwert si der Systemmatrix A mit der geometrischen Vielfachheiten qi gehört
ein Jordan-Block Ji mit folgender Gestalt:
0
s i 1


si 

Ji = 

 1


s i 
0




q i Spalten



q i Zeilen


(Für einfache Eigenwerte qi = 1 entspricht der Jordanblock dem Eigenwert: Ji = si.)
Blockschaltbild
aus Eingangsmatrix B
b1,1
…
…
x.
c1,.
…
c1,.
c2,1
c2,q1-1
p
c2,q1
…
…
…
c2,.
c2,.
c2,.
…
…
…
c1,q1
c1,.
x.
1
s-s2
c1,q1-1
…
1
s-s2
…
1 x.
s-s2
…
b.,2
c1,1
xq1-1
q2
Jordan-Block 2
…
b.,1
aus Ausgangsmatrix C
xq1
1
s-s1
b.,2
…
…
…
b.,1
b.,2
…
b.,1
…
u2
bq1,2
1
s-s1
…
bq1,1
…
u1
m
bq1-1,2
q1 n
1 x1
s-s1
Jordan-Block 1
…
…
bq1-1,1
b1,2
aus Systemmatrix A
…
…
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y1
y2
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3
Seite 3-1
3. Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Damit der Regler die inneren Zustände der Strecke in gewünschter Weise beeinflussen
kann, muss die Steuerbarkeit des Systems vorausgesetzt werden, das System kann dann
auch instabil sein.
3.1 Struktur der linearen Zustandsrückführung
Es muss ein Ansatz für die Struktur des Reglers gewählt werden. Da im Zustandsvektor x
die gesamte aktuelle Information der Strecke zusammen gefasst ist, soll dieser dem Regler
für die Bestimmung der Stellgröße u zur Verfügung gestellt werden. Nahe liegend ist ein
linearer Ansatz, die Stellgröße als Linearkombination der Zustände zu bestimmen. Dies
wird als lineare Zustandsrückführung bezeichnet:
u(t ) = −K x(t )
Über die Matrix K ist eine Gewichtung möglich; sie wird Reglermatrix genannt. Das negative Vorzeichen wird als Konvention meist so gewählt, könnte aber ebenso gut in die Elemente von K gezogen werden. Damit ist die Struktur definiert (siehe auch Blockschaltbild),
es bleibt als nächste Aufgabe eine geeignete Reglermatrix K zu berechnen.
Blockschaltbild eines über eine lineare Zustandsrückführung geschlossenen Regelkreises:
D
.
x
u
K
x(0)
1
x
B
y
C
Regler
A
Strecke
3.2 Entwurf einer Zustandsrückführung durch Eigenwertvorgabe
Setzt man die lineare Zustandsrückführung u(t ) = −K x(t ) in die Darstellung der Strecke
mit
•
Zustandsdifferenzialgleichung
x (t ) = A x(t ) + B u(t )
•
Ausgangsgleichung
y(t ) = C x(t ) + D u(t )
ein, erhält man ein homogenes System (ohne äußeren Eingang), das durch die
•
Zustandsdifferenzialgleichung des geregelten Systems:
x (t ) = ( A − BK ) x(t )
•
Ausgangsgleichung des geregelten Systems:
y(t ) = (C − DK ) x(t )
beschrieben ist.
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Seite 3-2
3. Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Betrachtet man die Form der Zustandsdifferentialgleichung des geregelten Systems, fällt
auf, dass der Ausdruck
A R = ( A − BK )
die Rolle einer Systemmatrix übernimmt. Es ist die Systemmatrix des geregelten Systems,
die mit AR bezeichnet werden soll und von der noch unbekannten Reglermatrix K abhängt.
Die Eigenwerte der Systemmatrix bestimmen weitgehend die dynamischen Eigenschaften
eines Systems (wie z.B. seine Stabilität). Daraus entsteht die Idee der Eigenwertvorgabe:
Für das geregelte System werden die Eigenwerte (als Entwurfsparameter) vorgegeben und
dann die Reglermatrix K so bestimmt, dass AR diese gewünschten Eigenwerte besitzt!
Unter der gemachten Voraussetzung, dass die Strecke nur einen Eingang besitzt (m = 1)
ist die Reglermatrix K ein Zeilenvektor mit n Elementen. Für AR können n Eigenwerte vorgegeben werden. Unter der Voraussetzung, dass das System steuerbar ist, lassen sich n
Bedingungen auswerten, um die n Elemente in K eindeutig festzulegen.
Vorgehensweise zum Reglerentwurf (für Systeme mit einem Eingang m=1)
1. Prüfen: Ist die Strecke steuerbar?
2. Ansatz für die Systemmatrix des geregelten Systems:
A R = A − B ⋅ K mit zunächst unbekanntem K = [k1  k n ]
3. Berechnung des charakteristischen Polynoms des geregelten Systems aus
det(s I − A R ) = 0 mit unbekannten k i .
4. Vorgabe der Eigenwerte sR1, ... sRn des geregelten Systems
Daraus erhält man das gewünschte charakteristische Polynom:
(s − s R1 ) (s − s R2 )  (s − s Rn ) = 0
instabil
Durch die Eigenwertvorgabe leosz
gen Sie das dynamische Verhalillie
rt z zu langsam
us
ten des geregelten Systems fest,
tar
k
in diesem Schritt findet also der
zu schnell,
geeignet
d.h. Stellgrößen
eigentliche Entwurf statt. Entnicht realisierbar
sprechend nebenstehendem Bild
k
erhält man durch Ausschluss eitar
us
z
t
r
nen Sektor der komplexen Ebeillie
osz
ne, in dem die Eigenwerte liegen
sollten. Tipps:
• Bestimmen Sie anfangs die Eigenwerte des ungeregelten Systems aus A und
„verschieben“ diese nur so viel wie nötig.
• Jeder reeller Eigenwert entspricht z.B. einer negativen inversen Zeitkonstante sRi = –1/TRi. Die TRi quantifizieren also die Dynamik des geregelten Systems.
• Simulieren Sie das geregelte System, um Dynamik der Zustände x und
Stellgröße u zu prüfen.
5. Koeffizientenvergleich der charakteristischen Polynome aus Schritt 3. und 4. liefert
die gesuchten Koeffizienten k i .
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3. Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Beispiel 3-2: Entwurf einer linearen Zustandsrückführung für eine Maschinenachse
•
Modell der Strecke ist in Zustandsraum-Darstellung gegeben (Bsp. in Abschnitt 1.3)
•
Analyse der Eigenwerte der (ungeregelten) Strecke: in Matlab mit eig(A)
+j
-1,34
-98,86
-100
0
-1
1
-j
•
Entwurf einer linearen Zustandsrückführung durch Vorgabe von Eigenwerten, z.B.:
+j
0
-100
-2
-1
1
-j
•
Berechnung der Reglermatrix K: in Matlab mit K = acker(A,B,[-1 -2 -100])
3.3 Entwurf in Regelungsnormalform (RNF)
Bereits im Abschnitt 1.5 wurde klar, dass es mehrere gleichwertige Zustandsraumdarstellungen desselben Systems gibt. Eine solche spezielle Darstellung ist die Regelungsnormalform (RNF). Sie besitzt zwei Vorteile:
1. In den Matrizen A, B, C, D der Zustandsraum-Darstellung tauchen die Koeffizienten
der entsprechenden DGL oder Übertragungsfunktion direkt auf. Liegt das System
also als DGL oder Übertragungsfunktion vor, kann es schnell (und fehlerfrei) in eine
Zustandsraum-Darstellung überführt werden.
2. Für ein System in RNF kann der Regler K einfach und in geschlossener Form berechnet werden.
Systemdarstellung
Ein Eingrößensystem in RNF hat die folgende Gestalt:
1

0 
 0





 
d
x(t ) = 
⋅ x(t ) +
 0
0

1 
dt


− a0 − a1  − an − 1 



A
0
 
   ⋅ u(t )
0
 
1

B
y(t ) = [b0 − a0 bn b1 − a1bn  bn −1 − an −1bn ] ⋅ x(t ) + b
n ⋅ u(t )



D
C
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Seite 3-4
3. Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Ein Vorteil dieser Darstellung ist, dass die Koeffizienten direkt aus der Übertragungsfunktion
G(s) =
b0 + b1s +  + bns n
a0 + a1s +  + ans n
mit an = 1
oder auch der entsprechenden DGL
a n y (n) (t ) +  + a1 y (t ) + a0 y(t ) = b0 u(t ) + b1 u(t ) +  + bm u (m) (t ) mit an = 1
des Systems abgelesen werden können.
Blockschaltbild
Im nachstehendem Blockschaltbild der RNF ist auch die Wahl der Zustände mit eingezeichnet. Es kann z.B. genutzt werden, um eine Übertragungsfunktion zu realisieren.
Transformation
Ein beliebiges System x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t ) kann durch die Transformation x (t ) = T ⋅ x(t ) in Regelungsnormalform überführt werden.
 eT 
 T

e A 
−1
T

Dabei ist T =
und e ist die letzte Zeile der inversen Steuerbarkeitsmatrix Q S



 T n −1 
e A

mit Q S = [B, A B, A
2
B,  , A
n −1
B]
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3. Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Reglerentwurf
Für das auf RNF transformierte System kann die Reglermatrix einer linearen Zustandsrückführung u = −K ⋅ x direkt angegeben werden:
K = [p0 − a0
p1 − a1  pn−1 − an−1 ]
Darin sind p0, …, pn-1 die Koeffizienten des vorgegebenen charakteristischen Polynoms, das
durch die Vorgabe der Eigenwerte sR1,…, sRn für den geschlossenen Regelkreis bestimmt
ist:
(s − sR1) ⋅ (s − sR2 ) ⋅  ⋅ (s − sRn ) = s n + pn−1s n−1 +  + p1s + p0 = 0
Verallgemeinerung des Reglerentwurfs (für Systeme nicht in RNF)
Für Systeme, die in einer beliebigen Zustandsraum-Darstellung gegeben sind, ist
1. vorab die Transformation auf RNF erforderlich.
2. In RNF wird dann der Reglerentwurf für K wie zuvor beschrieben durchgeführt.
3. Um den Regler beim originalen System wieder einsetzen zu können, muss in der linearen Zustandsrückführung x (t ) = T ⋅ x(t ) substituiert werden:
u(t ) = −K ⋅ x (t ) = − K ⋅ (T x (t )) ⇒ K = K ⋅ T

=K
Setzt man die Berechnung von T ein (s. oben im Abschnitt „Transformation“) kann man
unter Anwendung des Theorems von Cayley-Hamilton die Gleichung nach Ackermann herleiten, die eine geschlossene Berechnung der Reglermatrix für Systeme in beliebiger Zustandsraum-Darstellung erlaubt:
K = eT  p I + p A1 + p A2 +  + p
A n−1 + A n 
1
n−1
2
 0

Darin ist eT die letzte Zeile der inversen Steuerbarkeitsmatrix und p0, …, pn-1 sind die Koeffizienten des vorgegebenen charakteristischen Polynoms.
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4
Seite 4-1
4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Um eine lineare Zustandsrückführung in Kapitel 3 zu realisieren, wurde vorausgesetzt,
dass der Zustandsvektor x zur Verfügung steht (siehe z.B. Abgriff von x im Blockschaltbild
auf Seite 3-1) – dies ist aber im Allgemeinen nicht der Fall!
Es muss also eine Einrichtung entworfen werden, die auf Basis der zugänglichen Größen
(das sind y und u) den Zustandsvektor x schätzt. Diese wird nachfolgend als Beobachter
bezeichnet werden.
Der Beobachter „rettet“ also das Konzept der linearen Zustandsrückführung für den häufigen Fall, dass nicht alle Zustände messbar sind.
Darüber hinaus kann er aber auch unabhängig von einer Zustandsrückführung zur Schätzung nicht direkt messbarer Zustände beispielsweise eines Sensorsystems eingesetzt werden.
4.1 Idee und Struktur des Beobachters
Zur Schätzung des tatsächlichen, aber unbekannten Zustands x(t) der realen Strecke wird
ˆ(t ) berechnet:
in einem parallelen Streckenmodell die Schätzung x
ˆ (t ) = A x
ˆ(t ) + B u(t )
x
ˆ(t ) korrigieren zu können, wird der reale Ausgang
Um Abweichungen zwischen x(t) und x
ˆ(t ) = C x
ˆ(t ) verglichen und deren Differenz mit H gewichtet
y(t) mit dem Modellausgang y
ˆ(t ) verwendet. Die Zustandsdifferentialgleichung des Beobachters lautet
zur Korrektur von x
mit diesem Ansatz:
ˆ (t ) = A x
ˆ(t ) + B u(t ) + H (y − C x
ˆ)
x
Darin ist H die Beobachtermatrix, deren Entwurf im nächsten Abschnitt diskutiert wird. Die
ˆ(t ) geschlossen werden:
lineare Zustandsrückführung kann jetzt auf Basis von x
ˆ(t )
u(t ) = −K x
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Die Gesamtstruktur zeigt folgendes Blockschaltbild:
4.2 Entwurf durch Eigenwertvorgabe
ˆ(t ) dem realen Zustand x(t) möglichst
Ziel des Entwurfs muss sein, dass die Schätzung x
entspricht. Ist z.B. der Anfangswert x(0) nicht bekannt, wird es nicht möglich, sofort eine
korrekte Schätzung zu finden. Eine schwächere Forderung ist, dass der Schätzfehler
ˆ(t )
∆x(t ) = x(t ) − x
wenigstens für t → ∞ gegen Null strebt.
ˆ (t ) die ZuSetzt man in die differenzierte Gleichung des Schätzfehlers ∆x (t ) = x (t ) − x
standsdifferentialgleichung von Strecke und Beobachter ein, erhält man folgende Differentialgleichung des Schätzfehlers:
∆x (t ) = (A − H C ) ∆x(t )
Darin besitzt der Ausdruck A B = ( A − H C ) die Funktion einer Systemmatrix. Es ist die Systemmatrix des Beobachters. Nun kann eine „alte“ Idee wieder genutzt werden: Durch Eigenwertvorgabe für AB wird die Dynamik des Beobachters vorgegeben. Daraus werden
dann die Koeffizienten der Beobachtermatrix H bestimmt.
Wir beschränken uns auf Systeme mit einem skalaren Ausgang bzw. einer Messgröße
(p = 1). Dann ist H ein Spaltenvektor mit n Einträgen, der aus n Eigenwertvorgaben exakt
bestimmt werden kann, falls das System beobachtbar ist.
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Seite 4-3
4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Vorgehensweise zum Beobachterentwurf
1. Prüfen: Ist die Strecke beobachtbar?
2. Ansatz für die Systemmatrix des Beobachters:
A B = A − H ⋅ C mit zunächst unbekanntem H = [h1  hn ]T
3. Berechnung des charakteristischen Polynoms des geregelten Systems aus
det(s I − A B ) = 0 mit unbekannten hi .
4. Vorgabe der Eigenwerte sB1, ... sBn des Beobachters
Daraus erhält man das gewünschte charakteristische Polynom:
(s − sB1 ) (s − sB2 )  (s − sBn ) = 0
Durch die Eigenwertvorgabe findet der eigentliche Entwurf statt. Wo sollten die Eigenwerte liegen?
Es ist i.d.R. sinnvoll, sie in der komplexen Ebene links von den Eigenwerten der
(evtl. geregelten) Strecke zu platzieren; somit ist die Dynamik des Beobachters
schneller als die der Strecke und die Schätzungen entsprechend schneller eingeschwungen. Gibt man andererseits Eigenwerte zu weit links vor, reagiert der Beobachter „nervös“ und verstärkt z.B. ein Rauschen im Messsignal stark. Je besser
also der Sensor ist, desto schneller können Sie auch den Beobachter auslegen.
zu schnell,
d.h. Beobachter Eigenwerte
reagiert „nervös“ Beobachter
instabil
Eigenwerte der
(geregelten)
Strecke
5. Koeffizientenvergleich der charakteristischen Polynome aus Schritt 3. und 4. liefert
die gesuchten Koeffizienten hi .
Dualität von Regler- und Beobachterentwurf
Regler- und Beobachterentwurf sind dual zueinander. Formal kann entsprechend ausgetauscht werden:
Regler
Beobachter
steuerbar
↔
beobachtbar
(A, B)
↔
(AT, CT)
K
↔
HT
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Separationstheorem
Die Eigenwerte des ohne Beobachter geschlossenen Regelkreises werden durch die Einführung des Beobachters nicht verschoben. Zu ihnen treten lediglich die Eigenwerte des Beobachters hinzu.
Ist die Strecke steuer- und beobachtbar, so kann man die Eigenwerte des ohne Beobachter
geschlossenen Regelkreises und die Eigenwerte des Beobachters unabhängig voneinander
beliebig vorgeben.
Beispiel: Entwurf eines Beobachters für eine Maschinenachse
•
Modell der Strecke ist in Zustandsraum-Darstellung gegeben (Bsp. in Abschnitt 1.3)
•
Eigenwerte des Beobachters werden links von denen der geregelten Strecke vorgegeben, z.B. in –110; –120; –130:
geregelte
Strecke
-100
-110
-120
-130
Beobachter
+j
-2 -1
-j
Nach dem Separationstheorem treten die Eigenwerte des Beobachters zu denen der
geregelten Strecke hinzu.
•
Berechnung der Beobachtermatrix H, z.B. in Matlab unter Nutzung des Dualitätsprinzips: H = (acker(A‘,C‘,[-110 -120 -130])‘
4.3 Entwurf in Beobachtungsnormalform (BNF)
Analog zur Regelungsnormalform gehen auch bei der Beobachtungsnormalform (BNF) die
Koeffizienten der Übertragungsfunktion bzw. der DGL direkt in die Matrizen der Zustandsraum-Darstellung ein.
Das zugehörige Blockschaltbild (S. 4-5) ist besonders übersichtlich und daher gut geeignet,
um ein System (z.B. analoge Schaltung) zur realisieren.
Die Darstellung in BNF ist dual zur RNF und eignet insbesondere für den Beobachterentwurf.
Systemdarstellung
Gegeben ist die Übertragungsfunktion
G(s) =
b0 + b1s +  + bns n
a0 + a1s +  + ans n
oder die entsprechende DGL eines Systems
an y (n) (t ) +  + a1 y (t ) + a0 y(t ) = b0 u(t ) + b1 u(t ) +  + bn −1 u(n −1) (t ) + bn u(n) (t )
jeweils mit der Normierung an = 1.
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Die DGL wird nach der höchsten Ableitung von y(t) aufgelöst und Zustandsvariablen x i (t )
in der folgenden Weise definiert:
y (n) (t ) = b0 u(t ) − a0 y(t ) + b1 u (t ) − a1 y (t ) +  + bn −1 u(n −1)(t ) − an −1 y (n −1)(t ) + bn u(n)(t )


:= x1(t )

 (t )
:= x
2 



:= xn(n)(t )
Aus der letzten Definition y (n)(t ) = x n(n)(t ) + bn u(n) ergibt sich zunächst die Ausgangsgleichung:
y(t ) = x n (t ) + bn u(t )
Für die Ableitungen der Zustandsgrößen lässt sich jeweils ablesen und für y(t) einsetzen:
x 1(t ) = b0 u(t ) − a0 y(t ) = b0 u(t ) − a0 x n (t ) − a0 bn u(t )
x 2 (t ) = b1 u(t ) − a1 y(t ) = b1 u(t ) − a1 x n (t ) − a1 bn u(t )
…
x n (t ) = bn −1 u(t ) − an −1 y(t ) = bn −1 u(t ) − an −1 x n (t ) − an −1 bn u(t )
In vektorieller Schreibweise:
0 0  0 − a0 


1 0  0 − a1 
x (t ) = 0 1  0 − a2  x (t ) +


 
   
0 0  1 − a 
−1 
n

A
y(t ) = [
0 

0
1] x (t ) + b
n u(t )


D
C
 b0 − a0 bn 


 b1 − a1 bn 
 b2 − a2 bn  u(t )





b

n − 1 − an − 1 bn 




B
sowie
Blockschaltbild
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Transformation
Ein beliebiges System x (t ) = A x(t ) + B u(t ) , y(t ) = C x(t ) + D u(t ) kann durch die Transformation x (t ) = T ⋅ x(t ) in Beobachtungsnormalform überführt werden.
[
Dabei ist T = e
Ae  A
n −1
e
]
−1
und e ist die letzte Spalte der inversen Beobachtbar-
−1
keitsmatrix Q B
mit Q B
 C 


 C A 
2
=  C A 





C A n −1 


Beobachterentwurf
Für das auf BNF transformierte System kann die Beobachtermatrix direkt angegeben werden:
 p0

p
H= 1


 pn−1
− a0
− a1






− an−1 
Darin sind p0, …, pn-1 die Koeffizienten des vorgegebenen charakteristischen Polynoms, das
durch die Vorgabe der Eigenwerte sB1,…, sBn für den Beobachter bestimmt ist:
(s − sB1) ⋅ (s − sB2 ) ⋅  ⋅ (s − sBn ) = s n + pn−1s n−1 +  + p1s + p0 = 0
Die Beobachtermatrix im originalen System erhält man erforderlichen Falls durch Rücktransformation:
H =T
−1
⋅H
4.4 Störbeobachter
Bisher hat der Beobachter sämtliche Zustände x der Strecke geschätzt. Ist es möglich,
dass der Beobachter zusätzlich externe Störungen, die auf die Strecke wirken, ebenfalls
schätzt?
Dazu muss bekannt sein, wie die externe Störung auf die Strecke einwirkt. Das Streckenmodell wird um diese Störgröße erweitert. Die Störgröße wird als zusätzliche Komponente
in den Zustandsvektor x aufgenommen. Ist das so erweiterte System beobachtbar, lässt
sich ein Beobachter entwerfen, der den erweiterten Zustandsvektor – also auch die hinzugenommene Störgröße – schätzt!
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Typische Einsatzfelder eines Störbeobachters sind:
•
Dynamische Sensorsysteme, in denen die Messgröße nicht direkt auslesbar ist. Die
Messgröße kann dann als externe Störung auf die Sensordynamik verstanden werden und so von einem Störbeobachter geschätzt werden.
•
Die geschätzte Störgröße kann für eine Störkompensation genutzt werden (siehe
Abschnitt 5.3).
Beispiel 4-5: Entwurf eines Störbeobachters für eine Maschinenachse
•
Das Modell der Strecke (Bsp. in Abschnitt 1.3) wird um die Wirkung der Störung z
erweitert, z.B. im Blockschaltbild:
•
Der Zustandsvektor wird um die Störung z erweitert
x z = I a ω y

z

T
und das entsprechend erweiterte Zustandsraum-Modell aufgestellt:
− Ra / La − cφ / La
 cφ / J
−K /J

M
Az = 
0
K
S

0
0

0 0 
1 / La 
0 1/ J
T
 0 

0 0 1 0
=
B


C
=
z
z 
0 0  ;
0


 0  ;


0 0 


Es dient als Parallel-Modell im Störbeobachter.
Für den Beobachterentwurf müssen vier Eigenwerte vorgegeben werden,
z.B. in –110; –120; –130; –140:
•
-110
-120
-130
-140
Störbeobachter
geregelte
Strecke
-100
•
+j
-2 -1
-j
Berechnung der Beobachtermatrix Herw, z.B. in Matlab unter Nutzung des Dualitätsprinzips: Hz = (acker(Az‘,Cz‘,[-110 -120 -130 -140])‘
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4. Beobachtung nicht direkt messbarer Zustände
Zusammenfassung: Regler- und Beobachterentwurf durch Eigenwertvorgabe
Regler
Dualität
Beobachter
In den Gleichungen kann formal ausgetauscht werden:
T
A↔ A ,
T
B ↔C ,
K ↔H
T
Vorauss.
Das System muss steuerbar sein.
Das System muss beobachtbar sein.
Entwurf
durch
Eigenwertvorgabe
Bestimmung der Reglermatrix K:
Bestimmung der Beobachtermatrix H:
Matlab
!
!
det(s I − A + B K ) =
det(s I − A + H C ) =
(s − s R1 ) ⋅ (s − s R2 )  (s − s Rn )
(s − s B1 ) ⋅ (s − s B2 )  (s − s Bn )
Entwurfsparameter sind die
Eigenwerte sR1,...,sRn :
Entwurfsparameter sind die
Eigenwerte sB1,...,sBn :
• sRi in der linken komplexen
Ebene (Stabilität)
• sRi nach links schieben: System
schneller
• sRi zu weit links:
Stellgrößen werden größer und
sind nicht mehr realisierbar
• sBi in der linken komplexen
Ebene (Stabilität)
• sBi links der Eigenwerte des geregelten Systems, damit der Beobachter
schneller ist als die Regelung
• sBi nicht zu weit links, sonst reagiert
Beobachter „nervös“ auf Störungen
K=place(A,B,[sR1
sR2
...]) H=(place(A’,C’,[sB1 sB2 ...]))’
oder
oder
H=(acker(A’,C’,[sB1 sB2 ...]))’
K=acker(A,B,[sR1 sR2 ...])
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5
Seite 5-1
5. Erweiterungen der Regelstruktur
Erweiterungen der Regelstruktur
5.1 Vorgabe von Führungsgrößen: Vorfilter
Mit der in Abschnitt 3.1 eingeführten linearen Zustandsrückführung lassen sich über die
Eigenwertvorgabe gewünschte dynamische Eigenschaften vorgeben. Wurde das System
stabil entworfen, regelt es also mögliche Anfangswertauslenkungen oder Störungen aus
und wird die Zustandstrajektorie x in den Ursprung 0 bringen. Es gibt aber keine Möglichkeit, eine explizite Führungsgröße vorzugeben.
Dazu muss der Ansatz der linearen Zustandsrückführung erweitert werden. Dem Gedanken
aus Abschnitt 3.1. folgend, bei dem die Stellgröße aus einer Linearkombination des Zustandes gebildet wurde, ergänzen wir eine Linearkombination der Führungsgröße w:
u(t ) = −K x(t ) + S w(t )
Die Gewichtung der Führungsgröße ist über die Vorfiltermatrix S möglich, die nun geeignet
zu berechnen ist. Das Blockschaltbild zeigt die entsprechende, erweiterte Struktur.
w
S
Vorfilter
K
u
.
x
x(0)
1
x
B
y
C
Regler
A
Strecke
Setzt man die Gleichung der erweiterten linearen Zustandsrückführung in die Zustandsgleichung der Strecke ein und fordert, dass im stationären Zustand ( x (t ) = 0 ) die Führungsgröße w gleich der Ausgangsgröße y sein soll, erhält man folgende Bedingung zur Berechnung des Vorfilters:
[
S = − C (A − B K )−1 B
]
−1
Für jeden Ausgang yi wird über wi eine entsprechende Vorgabe gemacht, d.h. dass w und y
die gleiche Dimension besitzen und S quadratisch ist. Für SISO-Systeme ist S ein skalarer
Verstärkungsfaktor (ein P-Glied).
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Seite 5-2
5. Erweiterungen der Regelstruktur
Es kann sinnvoll sein, für den Entwurf des Vorfilters eine spezielle Wahl für die Ausgangsmatrix C zu treffen, die von der üblichen Verwendung als Messmatrix abweicht. Besitzt ein
System beispielsweise zwei Zustände x = [x1
x2 ]T und möchte man für diese den ge-
meinsamen Mittelwert (über w1) sowie deren Abweichung zueinander (über w2) vorgeben,
lautet die zur Berechnung von S geeignete Ausgangsmatrix:
0,5 0,5
C =

 1 − 1
Es ist zu beachten, dass bei dieser Struktur der Regelung kein expliziter Soll-IstwertVergleich stattfindet. Die Stellgröße wird stattdessen aus der Superposition eines Feedback-Anteils (über K) und eines Feedforward-Anteils (über S) gebildet.
Der gezeigte Ansatz besitzt einen praktische Nachteil: Konstante Störungen oder Abweichungen bei der Modellierung der Strecke führen zu bleibenden Regelabweichungen. Ist
z.B. mit andauernden Störungen der Strecke zu rechnen, ist der nachfolgende dargestellte
Ansatz daher besser geeignet.
5.2 Vorgabe von Führungsgrößen: Integrale Ausgangsrückführung
Beim klassischen PI-Regler dient beispielsweise der I-Anteil dazu, eine Regelabweichung
langfristig auszuregeln. Diesem Gedanken folgend kann auch für ein System in Zustandsraum-Darstellung ein Soll-Istwert-Vergleich ergänzt werden, dessen Regelfehler auf einen
Integrator geführt wird:
•
Analog zum klassischen Regelkreis wird ein Soll-Istwert-Vergleich eingeführt:
e(t ) = w(t ) − y(t )
•
Die Regeldifferenz e(t) wird integriert. Der Ausgänge des Integrators werden als
neue Zustände xI(t) eingeführt, die den bisherigen Zustandsvektor x(t) erweitern:
t
x I (t ) =
∫
und
e(τ ) dτ
0
 x(t ) 
x erw (t ) = 

 x I (t )
Diese Reglerstruktur ist nachfolgend im Blockschaltbild dargestellt:
D
w
e
xI
.
x
u
[K KI]
x(0)
1
x
B
y
C
Regler
A
Strecke
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5. Erweiterungen der Regelstruktur
Im stationären Zustand müssen die Ausgänge des Integrators xI(t) konstant sein. Das ist
nur möglich, falls die Eingänge des Integrators e(t) Null sind – somit verschwindet die Regeldifferenz und die Regelung arbeitet stationär genau!
Reglerentwurf
Formal kann diese I-Erweiterung der Strecke zugeschlagen werden:
d  x(t )   A 0

 = 

dt  x I (t ) − C 0

Aerw
 x(t ) 
B 
0 

 +   u(t ) +   w(t )
x I (t )
0
− I 





Berw
x erw
Für die so erweiterte Strecke (Aerw, Berw) kann in bekannter Weise eine lineare Zustandsrückführung Kerw =[K KI] entworfen werden.
Beispiel 5-2: Entwurf einer Zustandsregelung mit integraler Ausgangsrückführung für eine Maschinenachse
•
Einführung einer I-Erweiterung nach Abschnitt 5.2: Dazu sind 4 Eigenwerte vorzugeben, z.B.
+j
0
-4
-3
-2
-1
1
-j
•
Weiterführend kann eine Trajektorienplanung eingeführt werden (vgl. RST 1, Kapitel 6) sowie
•
eine Vorsteuerung ergänzt werden (ebenfalls RST 1, Kapitel 6).
Anmerkung: Für den Entwurf ist GS(s) die Übertragungsfunktion der Strecke zwischen uV und y mit linearer Zustandsrückführung von x und xI = 0.
Das Gesamtsystem ist nachstehend im Simulink-Blockschaltbild dargestellt.
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5. Erweiterungen der Regelstruktur
Gesamtsystem als Blockschaltbild in Simulink:
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5. Erweiterungen der Regelstruktur
5.3 Kompensation von Störungen
Können Störungen auf die Strecke zwar nicht vermieden, aber doch messtechnisch erfasst
werden, so kann eine Störkompensation entworfen werden. Sie soll in Kenntnis der gemessenen Störung z eine zusätzliche Stellgröße uz bestimmen, welche die Störung möglichst
vollständig kompensiert. Für klassische Regelkreise wurde zu diesem Zweck bereits eine
Störgrößenaufschaltung (RST 1, Abschnitt 6.2) entworfen.
Das Modell der Strecke wird um die Wirkung der messbaren Störung z erweitert:
x (t ) = A x(t ) + B u(t ) + E z(t )
Eine im Sinne der kleinsten Fehlerquadrate optimale Störkompensation ist:
u z (t ) = −(BT B ) −1 BT E z(t )
Im nachstehenden Blockschaltbild ist eine lineare Zustandsrückführung um eine Störkompensation erweitert worden:
z
Störkompensation
-(BT B)-1 BT E
E
uZ
uR
K
.
x
u
x(0)
1
x
B
y
C
Regler
A
Strecke
Erweiterungen:
•
Falls die Störung z nicht direkt gemessen werden kann, so kann sie durch einen
Störbeobachter geschätzt werden (siehe Abschnitt 4.4). Die Störkompensation setzt
dann auf diese Schätzung der Störung auf:
u z (t ) = −(BT B ) −1 BT E zˆ(t )
Somit können also auch Störungen kompensiert werden, die nicht messbar, aber
beobachtbar sind.
•
Falls z keine zeitlich konstante Störung ist, sondern ihre zeitliche Änderung durch ein
Modell beschrieben werden kann, so kann ein Störmodell ergänzt werden (Details z.B.
in Föllinger: Regelungstechnik).
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6. Mehrgrößen-Regelung
Mehrgrößen-Regelung
Wenngleich die in Abschnitt 3.1 eingeführte Struktur der linearen Zustandsrückführung
mehrere Stellgrößen (m>1) mit einschloss, wurden der in den Abschnitten 3.2 und 3.3
vorgestellte Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe nur für Systeme mit einer Stellgröße
(m=1) angewandt.
Stehen mehrere Stelleingänge zur Verfügung (m>1) ist für eine Regelung prinzipiell günstig, da sich damit die Möglichkeiten, auf die Strecke einzuwirken, erhöhen. Allerdings muss
diese größere „Freiheit“ im Entwurf gestaltet werden!
Die Reglermatrix K hat die Dimension (m, n):
-u
x
K
n
m>1
Von den n ⋅ m Elementen in K können aber nur n durch die Eigenwertvorgabe festgelegt
werden. Durch die Bestimmung der n ⋅ (m − 1) weiteren Elemente in K können zusätzliche
Forderungen erfüllt werden, z.B.:
•
•
•
Bei der Vollständig Modalen Synthese (Abschnitt 6.1) werden diese Freiheitsgrade
durch wählbare Parametervektoren explizit beschrieben.
Der Entwurf auf Ein-/Ausgangsentkopplung (Abschnitt 6.2) hat zum Ziel, zu jedem
Ausgang gehörige Subsysteme zu bilden, die im geregelten System voneinander
dynamisch entkoppelt sind. Dies ist insbesondere für die Regelung mechanischer
Mehrgrößensysteme wie Roboter interessant.
Der Linear Quadratische Optimalregler (siehe „Regelungs- und Systemtechnik 3“)
minimiert eine Kostenfunktion. So können beispielsweise Regler entworfen werden,
die den Energieverbrauch minimieren.
6.1 Vollständig modale Synthese
Durch die Vollständige modale Synthese können die Koeffizienten der Reglermatrix K explizit berechnet werden:
[1
K = p , , p
n
] ⋅ [(A − sR1 I )−1 B p1,
,
(A − sRn I )−1
B p
]
−1
n
Darin sind sRi die frei vorzugebenden Eigenwerte des geregelten Systems und pi frei wählbare Parametervektoren, deren Wahl unabhängig von den Eigenwerten sRi des geregelten
Systems ist.
Über die Festlegung der Eigenwerte sind n Freiheitsgrade bestimmt. Die n Parametervektoren der Länge m besitzen jeweils einen frei wählbaren, skalaren Faktor und legen somit
insgesamt n ⋅ (m − 1) Freiheitsgrade fest. Somit sind alle n ⋅ m Elemente von K definiert.
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6. Mehrgrößen-Regelung
6.2 Entwurf durch Ein-/Ausgangsentkopplung
Als Beispiel für ein mechanisches Mehrgrößensystem
ist nebenstehend ein Roboter mit 3 Achsen dargestellt. Das ungeregelte System stellt vom Prinzip her
ein Mehrfachpendel dar, dessen Achsen verkoppelt
sind. Kinetische Energie kann z.B. von einem Segment an ein benachbartes übertragen werden. Die 3
Achsen sind im ungeregelten System also verkoppelt.
y1
y2
y3
Eine Regelung soll eine geeignete Dynamik für das
Gesamtsystem vorgeben. Werden die Achswinkel
des Roboters als Ausgänge der Strecke zusammengefasst y = [y1, y2, y3]T, so wäre es darüber hinaus wünschenswert, dass das dynamische Verhalten der 3 Achsen im geregelten
System voneinander entkoppelt ist. Das ist das Ziel der Reglerentwurfs durch Ein-/Ausgangsentkopplung.
Relativer Grad und Nulldynamik
Der relative Grad ri des Ausgangs yi(t) gibt an, wie oft diese Ausgangstrajektorie yi(t) zeitlich differenziert werden muss, bis sie eine Funktion eines Eingangs in u(t) ist.
Zur Bestimmung des relativen Grades differenziert man für alle Ausgangsgröße yi sukzessive:
T
falls nein: ri = 1, sonst weiter …
T
falls nein: ri = 2 , sonst weiter …
Ist c i B = 0 ?
Ist c i A B = 0 ?
T
2
T
ri −1
Ist c i A B = 0 ?
bis c i A
B≠0
falls nein: ri = 3 , sonst weiter …
erreicht ist.
T
Darin ist c i die Zeile i der Ausgangsmatrix C. Für den relativen Grad des Gesamtsystems
gilt:
r =
p
∑ ri
≤n
i =1
Im Fall r = n ist das System vollständig entkoppelbar, das heißt dass seine gesamte Dynamik durch die Vorgabe der Ein-/Ausgangsdynamik bestimmt werden kann. Im Fall r < n
besitzt das System eine interne Dynamik (oder Nulldynamik) mit der Ordnung n–r, die
unabhängig von der Ein-/Ausgangsdynamik ist. Damit ein Regler erfolgreich entworfen
werden kann, muss diese Nulldynamik stabil sein.
Es kann gezeigt werden, dass die Nullstellen der Übertragungsfunktion der Strecke den
Eigenwerten der Nulldynamik entsprechen. Es muss also vorausgesetzt werden, dass keine
Nullstelle der Strecke in der rechten komplexen Halbebene liegt (dass das zu regelnde System also minimalphasig ist), um einen Regler zur Ein-/Ausgangsentkopplung entwerfen zu
können.
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6. Mehrgrößen-Regelung
Reglerentwurf zur Ein-/Ausgangsentkopplung und Eigenwertvorgabe
Es soll eine lineare Zustandsrückführung in der bekannten Struktur
u(t ) = −K x (t )
entworfen werden, die folgende Ziele erreicht:
•
•
Die Subsysteme i=1,…,p, die den jeweiligen Ausgängen yi zugeordnet sind, sollen
dynamisch entkoppelt werden.
Die Ordnung dieser Subsysteme i=1,…,p entspricht dem jeweiligen relativen Grad
ri. Für jedes Subsystem sollen entsprechend ri Eigenwerte vorgegeben werden können.
Es wird nachfolgend vorausgesetzt, dass es ebenso viele Stellgrößen wie Ausgangsgrößen
gibt (m = p).
Zunächst wird die Kopplungsmatrix D* berechnet:
 c T A r1 −1 B 
 1

D* = 


c T A rm −1 B 
 p

Die Zeilen der Kopplungsmatrix wurden bereits bei der Bestimmung des relativen Grads
berechnet. Die Kopplungsmatrix D* gibt an, wie der Eingang u auf die jeweilige ri-te Ableitung des Ausgangs yi wirkt:
 y ( r1) 
 1 
   = D * u (t )
 y ( rm ) 
 p 
Für das Subsystem i werden die Eigenwerte s i ,1, s i ,2 , , s i ,ri vorgegeben. Die Koeffizienten
des jeweils zugehörigen charakteristischen Polynoms lauten:
(s − s i ,1 ) (s − s i ,2 )(s − s i , ri ) = q i 0 + q i 1s + q i 2 s 2 +  + q i , ri −1s ri −1 + s ri
Die Reglermatrix berechnet sich dann als:
 q10 c T + q11 c T A + q12 c T A 2 +  + c1T A r1 
1
1
1


−
K = (D * ) 1 ⋅ 


q c T + q c T A + q c T A 2 +  + c T A rm 
m1 m
m2 m
m
 m 0 p

6.3 Vorfilter und Folgeregelung
Der einfachste Weg eine Führungsgröße für die Regelung vorzugeben, ist die Erweiterung
auf ein Vorfilter (vgl. Abschnitt 5.1):
u(t ) = −K x(t ) + S w(t )
Um die Übertragungsfunktion
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Gi ( s ) =
Seite 6-4
6. Mehrgrößen-Regelung
pi 0
Yi (s )
=
2
Wi (s ) q i 0 + q i 1s + q i 2 s +  + q i , r −1s ri −1 + s ri
i
für das Subsystem i vorzugeben, wird die Vorfiltermatrix zu
S = (D * )
−1
0 
 p10



⋅

 0
pm 0 
gewählt. Stationäre Genauigkeit wird also gewährleistet, wenn pi0 = qi0 gewählt wird.
Es gibt Anwendungen, bei denen es nur darauf ankommt, dass der Zielzustand präzise
erreicht wird. In diesem Fall genügt die Berücksichtigung der Führungsgröße über das Vorfilter.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Roboter eine „Pick and Place“ Aufgabe lösen
muss. Der Roboter muss den Aufnahme- und Ablagepunkt genau erreichen, der Bahnverlauf dazwischen muss aber nicht präzise eingehalten werden. Wird ein Roboter hingegen
z.B. zum Kleben oder Schweißen eingesetzt, muss auch der Bahnverlauf präzise eingehalten werden. Dies ist Aufgabe einer Folgeregelung. In der bisherigen Regelungsstruktur mit
Vorfilter würde sich während der Bahnfahrt ein „Schleppfehler“ einstellen.
Für die Erweiterung auf eine Folgeregelung wird das dynamische Verhalten des Folgefehlers im Subsystem i betrachtet:
ei (t ) = y i (t ) + w i (t )
Die Dynamik des Folgefehlers im Subsystem i kann durch folgende Differentialgleichung
beschrieben werden:
pi 0 ei (t ) + pi 1 e i (t ) +  + pi , ri −1 ei( ri −1) (t ) + ei( ri ) (t ) = 0
Über die Koeffizienten pi,j kann eine gewünschte Fehlerdynamik eingestellt werden. Die
Regelungsstruktur, die diese Dynamik im geregelten System einstellt, lautet:
 p10 w 1(t ) + p11 w 1(t ) + p1, r −1 w ( r1 −1) (t ) +  + w ( r1) (t ) 
1
1
1

−1 
u(t ) = −K x(t ) + (D * ) ⋅ 


( rm −1)
( rm )
 p w (t ) + p w (t ) + p

+
+
(
)
(
)
w
t
w
t

m1 m
m, rm −1 p
m
 m0 p

Die Ableitungen der Führungsgröße müssen in der Regel nicht explizit differenziert werden,
da es sich nicht um ein gemessenes Signal handelt, sondern um eine Sollvorgabe, die z.B.
von einem Trajektoriengenerator definiert wird. Liefert dieser Trajektoriengenerator nicht
(t ), , können
nur die Vorgabe w(t), sondern zusätzlich die benötigten Ableitungen w (t ), w
diese direkt genutzt werden.
Häufig ist es nicht erforderlich, das Fehlerpolynom bis zur jeweiligen Ordnung ri zu verwenden, sondern man bricht bei niedrigerer Ordnung ab. Mit pi1 = qi1 kann sichergestellt
werden, dass einer Rampenfunktion ohne Schleppfehler gefolgt werden kann. Entsprechend wird mit pi2 = qi2 einer quadratischen Führungsfunktion exakt gefolgt, etc.
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Seite 6-5
6. Mehrgrößen-Regelung
Beispiel: Reglerentwurf für eine Durchlaufpresse
In einem Walzwerk wird das durchlaufende Arbeitsgut aufgrund unterschiedlicher Winkelgeschwindigkeiten zweier aufeinander folgender Walzen plastisch verformt.
Antrieb 1
Antrieb 2
Arbeitsgut
ω1, MA1
ω2, MA2
Es werden zwei identische Antriebe mit fremderregten Gleichstrommaschinen verwendet.
Das durch plastische Verformung entstehende Moment ML kann als proportional zur Differenz der Winkelgeschwindigkeiten ∆ω=ω2–ω1 > 0 angenommen werden. Es ergibt sich das
folgende Blockschaltbild:
uA1
eA1
_
cφ
1
RA
LA
1+
s
RA
iA1
cφ
MA1
M1
ML
uA2
_
1
RA
LA
1+
s
RA
eA2
iA2
cφ
MA2
_
M2
ω1 = y1
1
sJ
Km
1
sJ
∆ω
_
ω2 = y2
cφ
Parameter der Strecke:
RA = 0.5
Widerstand des Ankerkreises
LA = 1
Induktivität des Ankerkreises
c φ = 10
Produkt aus Maschinenkonstante und Hauptfluss
J=5
Trägheitsmoment des Antriebs
Km = 20
Proportionalitätskonstante zwischen Drehzahldifferenz und Lastmoment
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7
Seite 7-1
7. Zeitdiskrete Systeme
Zeitdiskrete Systeme
7.1 Struktur des digitalen Regelkreises
Nachfolgend ist die Struktur eines digitalen Regelkreises dargestellt. Der Regelalgorithmus
wird beispielsweise auf einem Digitalrechner ausgeführt. Da dies nur zyklisch geschehen
kann, steht die berechnete Regelgröße nur in diskreten Zeitschritten zur Verfügung, die mit
k nummeriert werden. Die Zeitspanne für einen Zyklus wird als Abtastzeit T bezeichnet. In
der Regel ist eine konstante Abtastzeit T anzustreben. Eine solche äquidistante Abtastung
wird im Folgenden vorausgesetzt, und es gilt t = k T.
ui
z.B. Digitalrechner
mit A/D-Karte
oder Mikrocontroller
ui
t
0
^
w(k)
Regleralgorithmus
T
2T 3T
^
u(k)
u(k)
D/A
^
y(k)
y(k)
A/D
yi
(T: Abtastzeit)
t
0
Halteglied
u(t)
T
2T 3T
(erweiterte)
Strecke
y(t)
Abtaster
yi
t
0
T
2T 3T
t
0
T
2T 3T
Die Umwandlung der digitalen in eine analoge Stellgröße sowie umgekehrt die Wandlung
einer analogen in eine digitale Messgröße kann beispielsweise mit Hilfe einer analogen EinAusgangskarte im Digitalrechner erfolgen. Formal wird dies jeweils in die Schritte der
Wandlung der Signalwerte (D/A- und A/D-Wandler) sowie in die zeitliche Wandlung (Halteglied und Abtaster) zerlegt.
Im Abschnitt 7.2 wird eine zeitdiskrete Zustandsraum-Beschreibung eingeführt, welche
sich auf die Signale u(k) und y(k) an den im Bild eingezeichneten Klemmen bezieht. Die
Dynamik von Halteglied und Abtastung wird dann der Strecke zugeschlagen.
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Seite 7-2
7. Zeitdiskrete Systeme
7.2 Systemdarstellung
Zustandsdifferenzengleichung:
x(k + 1) = A D x(k ) + B D u(k )
Ausgangsgleichung:
y(k ) = C x(k ) + D u(k )
Blockschaltbild
Der Verzögerungsoperator z–1 speichert und verzögert den Zustand x über eine Abtastperiode hinweg.
Umwandlung zeitkontinuierlicher in zeitdiskrete Systeme
Für die Umwandlung des kontinuierlichen Systems in das entsprechende zeitdiskrete System müssen die Matrizen A und B der zeitkontinuierlichen Zustandsdifferentialgleichung in
AD und BD der zeitdiskreten Zustandsdifferenzengleichung umgerechnet werden:
AD = e
AT,
T
BD =
∫e
A (T −τ )
B dτ = A − 1 ( A D − I ) B
0
Diese Umrechnung wird für eine spezielle Abtastzeit T durchgeführt. Es handelt sich bei der
Umwandlung nicht um eine Näherung; in den Abtastzeitpunkten ist das Verhalten des zeitkontinuierlichen und zeitdiskreten Systems identisch. Die Ausgangsgleichung mit den Matrizen C und D bleibt unverändert.
In Matlab stehen zur Umwandlung die Funktion c2d bzw. d2c zur Verfügung. Die Matrixexponentialfunktion lautet in Matlab expm!
Beispiel 6-1
1
0 − 1
x (t ) = 
 x(t ) +   u(t )
0
1 − 1
y(t ) = [0
1] x(t )
sowie des entsprechenden zeitdiskreten Systems mit T = 0,5
im Vergleich dargestellt.
1.4
Amplitude
Nebenstehend sind die Sprungantworten des kontinuierlichen
Systems
1
0.6
0.2
0
0
2
4
6
Time (sec)
8
10
12
In den Abtastzeitpunkten liefern beide Systeme exakt gleiche Werte.
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Seite 7-3
7. Zeitdiskrete Systeme
7.3 Systemeigenschaften
Stabilität
Definition – Das System x(k + 1) = A D x(k ) ist asymptotisch stabil, falls lim x(k ) = 0 für
k →∞
alle Anfangswerte x(0) gilt.
Bedingung – Das System x(k + 1) = A D x(k ) ist genau dann asymptotisch stabil, wenn alle
Eigenwerte des Systemmatrix A D im Inneren des Einheitskreises um den Ursprung liegen.
D. h. es gilt z i < 1 für alle Eigenwerte z1,...,zn von A D .
Steuerbarkeit
Definition – Das System x(k + 1) = A D x(k ) + B D u(k ) ist steuerbar, wenn es zu jedem
Paar x 1 , x 2 eine Steuerfolge u(0),..., u(N − 1) mit der Schrittzahl N gibt, so dass x 1 = x (0)
und x 2 = x(N ) gilt.
Bedingung – Das System x(k + 1) = A D x(k ) + B D u(k ) ist genau dann steuerbar, wenn
die Steuerbarkeitsmatrix
Q
SD
−1
= [BD , AD BD ,..., An
BD ]
D
den vollen Rang n hat.
Satz – Für die Schrittzahl N der Steuerfolge eines Systems der Ordnung n mit m Eingängen gilt
n
≤N≤n .
m
Beobachtbarkeit
Definition – Das System
obachtbar,
x(k + 1) = A D x(k ) + B D u(k ) , y(k ) = C x(k ) + D u(k ) ist be-
so dass aus der
Steuerfolge
u(0),..., u(N − 1)
und
der
Messwertfolge
y(0),..., y(N − 1) mit der Schrittzahl N der unbekannte Anfangszustand x(0) bestimmt werden kann.
Bedingung – Das System x(k + 1) = A D x(k ) + B D u(k ) , y(k ) = C x(k ) + D u(k ) ist genau dann
beobachtbar, wenn die Beobachtbarkeitsmatrix
Q BD
 C 


C AD 
=




n −1 
C A D 
den vollen Rang n hat.
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7. Zeitdiskrete Systeme
7.4 Reglerentwurf durch Eigenwertvorgabe
Für das zeitdiskrete System lässt sich der zum zeitkontinuierlichen System exakt gleiche
Ansatz einer linearen Zustandsrückführung wählen:
u(t ) = −K x(t )
Setzt man diesen in die Zustandsdifferenzengleichung der Strecke ein, erhält man:
x(k + 1) = ( A D − B D K ) x(k )


A DR
Die Matrix ADR hat darin die Funktion einer zeitdiskreten Systemmatrix des geregelten Systems. Der Idee für zeitkontinuierliche Systeme folgend, kann eine Eigenwertvorgabe für
ADR durchgeführt werden, um daraus K zu berechnen.
Achtung: Für ein stabiles zeitdiskretes System müssen die Eigenwerte innerhalb des Einheitskreises vorgegeben werden!
7.5 Reglerentwurf auf endliche Einstellzeit
Legt man alle Eigenwerte des geregelten Systems in den Ursprung 0, ist das System nach
minimaler Schrittzahl N mit
n
≤N≤n
m
eingeschwungen.
Dies ist ein prinzipieller Unterschied zum Entwurf im Zeitkontinuierlichen: Während der
Endwert wird dort erst für t → ∞ exakt erreicht wird, ist das zeitdiskrete System tatsächlich nach spätestens N Zeitschritten exakt eingeschwungen! Daher wird dieser Reglerentwurf als Entwurf auf endliche Einstellzeit (Dead Beat Controller) bezeichnet.
Praktisch können bei diesem Entwurf sehr große und dann nicht mehr realisierbare Stellgrößen entstehen: Bei diesem Entwurf ist der Endwert immer nach der Zeitspanne
t = N ⋅ T erreicht. Wählt man nun die Abtastzeit T sehr klein (was mit einem leistungsstarken Rechner möglich wird und zunächst als Vorteil erscheint) muss der Regler die zum
Erreichen des Endpunkts notwendige Energie in entsprechend kürzerer Zeit t aufbringen.
Das erhöht die Stellgrößen innerhalb dieses verkürzten Zeitintervalls entsprechend. Werden zu große Stellgrößen ausgegeben, kann die Situation verbessert werden, in dem die
Abtastzeit T vergrößert wird.
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