Kürbis süß-sauer

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Kürbis süß-sauer
Kürbis süß-sauer
istockphoto/thinkstock
Das Kürbis-, Hexen- und Gespensterfest Halloween ist in den letzten Jahren immer
beliebter geworden. Aber nicht bei allen. Was sich hinter diesem Fest verbirgt und
wie man den 31. Oktober alternativ gestalten kann, erklärt Stefanie Böhmann.
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s ist kaum mehr aus unseren Kaufhäusern wegzudenken: Halloween –
ein zweites Faschingsfest, an dem
gruselige Kostüme, Süßigkeiten und
Partyzubehör verkauft werden. Die Wirtschaft freut sich und mit ihr all die Kinder, die als verkleidete Skelette, Hexen
oder Geister durch die Straßen ziehen
und um Süßes an den Türen betteln.
Bekommen sie nicht, was sie wollen,
werden rohe Eier an Türen und Fenster
geschmissen, Lacke zerkratzt, Gummibärchen an Fenster geklebt … Es wird
das umgesetzt, was in dem Spruch angedroht wird:
Leute nehmt euch bloß in Acht,
die Halloweengeister sind erwacht,
wollt ihr keine Qualen erleben,
müsst ihr uns was Süßes geben.
Es gibt viele Kinder und Erwachsene,
die sich an diesem Tag fürchten oder
ihre Türen verschlossen halten, weil sie
Angst vor den umherziehenden Gruppen
haben. Andere haben viel Spaß beim
Verkleiden, am Party-Feiern und natürlich beim Naschen all der leckeren Süßigkeiten, die man an den Türen ergattert.
Woher kommt Halloween?
Die exakte Herkunft von Halloween
steht nicht fest. Auf der einen Seite ist
es eigentlich ein christliches Fest. Es
heißt richtig: „Allhallow’s Eve“. Das ist
die Bezeichnung für den Vorabend zu
Allerheiligen. An diesem Tag gedenken
vor allem die Katholiken der verstorbenen Heiligen. Da aber Halloween auch
seinen Ursprung bei den Kelten haben
soll, wurde das Allerheiligenfest vermutlich mit dem Glauben der Kelten an den
Totengott „Samhain“ vermischt. Das Jahr
ging bei den Kelten schon am 31. Oktober zu Ende. Die Menschen glaubten,
dass in dieser Nacht die Tore der Totenwelt offen stehen würden, die Geister
der Verstorbenen ihr Unwesen treiben
und sich an den Lebenden rächen würden. Damit die Geister an ihrem Haus
vorbeizogen, stellten die Leute ausgehöhlte Kürbisse mit gruseligen Fratzen
in die Fenster oder legten Leckereien
auf die Fensterbank, um die Geister zu
besänftigen. Den keltischen Ursprung
stellt allerdings der Volkskundler Helge
Gerndt, Professor an der Universität
München, in Frage. Er meint, dass das
moderne Halloween überhaupt nichts
mit keltischen Bräuchen zu tun hat.
Die Iren haben sich an „Allhallow’s Eve“
die Legende von einem Trunkenbold namens Jack O’Lantern erzählt. Von dieser
Legende gibt es die unterschiedlichsten
Varianten. Es heißt, dass Jack nach seinem Tod durch eine List der Hölle entkommen war und um Einlass im Himmel
bat. Dieser wurde ihm wegen seiner
Trunksucht verwehrt und so geistert er bis
zum Jüngsten Gericht mit einer ausgehöhlten Rübe als Laterne ständig zwischen Himmel und Hölle hin und her.
Eine andere irische Sage erzählt, dass Jack
den Teufel eingefangen hatte und dieser
ihn nur freigeben wollte, wenn der Teufel
ihm verspräche, ihn in Ruhe zu lassen.
Nach Jacks Tod verwehrte der Teufel ihm
wegen seiner Taten den Einlass in die
Hölle und schenkte ihm aus Erbarmen
eine Rübe mit einer glühenden Kohle.
Diese Geschichten nahmen irische Auswanderer im 19. Jahrhundert mit nach
Amerika. Dort standen mehr Kürbisse als
Rüben zur Verfügung, die als Laterne ausgehöhlt wurden. Weil die Geschichte von
Jack O’Lantern so gruselig ist, wurde sie
mit Fratzen untermalt. In Amerika wurde
dieses Kürbis- und Maskenfest der Einwanderer auch von anderen Einwandererkindern gerne übernommen und so breitete es sich schnell als eine Art Volksfest
über das ganze Land aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Brauch auch nach
Europa, wo er sich immer stärker ausbreitete und kommerzialisiert wurde. Volkskundler beobachten gebannt, wie schnell
sich ein neuer Brauch in unserer Gesellschaft etabliert.
Vergessen wird aber im Halloween-Getümmel, dass am 31. Oktober eigentlich
Reformationstag gefeiert wird. Die Hintergründe des Reformationstages haben
die deutsche Geschichte weit mehr beeinflusst.
…
Medientipps
Harry Voß: Der Schlunz –
Süßer Schrecken, saurer Schrecken
(SCM ERF-Verlag)
Ein Hörspiel für Kinder und Jugendliche, das die Ursprünge von Halloween erklärt, nachfragt und mit
Schlunz Akzente gegen Gruselmonster und verstaubte kirchliche Traditionen setzt. Schlunz, der bei der Familie von Nele und Lukas Unterschlupf
gefunden hat, nachdem er sein Gedächtnis verloren hat, hinterfragt Traditionen und lernt bei seiner neuen
Familie den christlichen Glauben kennen. In diesem Hörspiel wundert er
sich über die Halloween-Traditionen,
lernt etwas über die Reformation und
Luther und zieht seine eigenen Konsequenzen: „Wir haben aus dem Halloween-Fest ein Hell-und-wie-Fest gemacht. Und wenn alle Kinder dieser
Welt mitmachen, dann sieht es hier
bald ganz anders aus. Ende der
Durchsage.“
Thomas Kretzschmar:
Kürbis, Geister, Süßigkeiten.
Alternativen zu Halloween
(Born-Verlag)
In diesem Buch werden kurz die Hintergründe von Halloween erwähnt,
aber in erster Linie Alternativen in
Form von anderen Partys vorgestellt.
Man findet Entwürfe für ein anderes
Halloween, für eine Martin-LutherGruppenstunde oder für einen Angstund-Bange-Abend. Vorlagen für Einladungen und eine Bastelanleitung
sind in das handliche Buch integriert.
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wirALLE
Leser-Diskussion
Und was machen Sie an Halloween?
Erlauben Sie Ihren Kids, zu einer
Halloween-Party zu gehen? Ziehen
Ihre Kinder zum Bonbonsammeln herum oder gestalten Sie den Tag bewusst anders? Wenn ja, wie? Geben
Sie auf www.family.de oder www.
family.ch den Webcode e06has ein.
So gelangen Sie direkt zu unserem
Halloween-Artikel. Dort können Sie
einen Kommentar schreiben und sich
mit anderen Lesern und Leserinnen
austauschen.
Familie Herrmanns zieht an Halloween
mit Lutherbonbons durch die Straßen.
Internet
• www.lutherbonbon.de: Hier findet
man ein Quiz, Puzzle, Informationen
über Luther, und vor allem kann man
hier Lutherbonbons und -kekse sowie
diverse andere Artikel bestellen.
www.komm-webshop.de: Auch hier
können Sie die unterschiedlichsten
Artikel zu Luther sowie die Bonbons
und Kekse bestellen.
www.ekd.de/reformationstag/links.
html: Informationen der EKD zum
Reformationstag
www.joemax.de: Kindercomic zu
Halloween. Kann heruntergeladen
werden und klingelnden Kindern unter dem Motto: Nicht „Süßes statt Saures“, sondern „Süßes und Frommes“
mitgegeben werden.
www.erf.de: Wenn man unter Suche
„Halloween“ eingibt, kann man sich
einige gute Radiosendungen zu diesem Thema anhören.
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… Was steckt hinter der
Reformation?
Der Begriff kommt aus dem Lateinischen: „reformatio“ steht für Erneuerung, Wiederherstellung. Luther hat 1517
in Deutschland eine Erneuerungsbewegung in der Kirche in Gang gebracht und
damit den Anstoß für die Abspaltung der
reformierten Kirche von der katholischen
Kirche gegeben. Luther soll am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirchentür zu Wittenberg angeschlagen
haben, in denen er unter anderem gegen
den Kauf von Ablassbriefen und den
Kauf von kirchlichen Ämtern plädiert hat.
Die Leute in Wittenberg kamen kaum
mehr zur Beichte in die katholische Kirche, sondern pilgerten in die nahegelegenen Städte Jüterbog und Zerbst, um sich
dort Ablassbriefe zu kaufen, durch die
ihnen die Sünden erlassen werden sollten. Die Thesen und die damit verbundene Kritik Luthers an den herrschenden
Zuständen, verbreiteten sich schnell in
ganz Deutschland. Luther predigte über
die Freiheit jedes Christen, der allein
durch den Glauben an Jesus und durch
Jesu Liebe Vergebung erlangen kann.
Was und wie feiern?
Wer gerne mit seinen Freunden verkleidet durch die Straßen zieht und nach
Süßem verlangt, kann das sicherlich tun.
Es ist nur wichtig, sich der Hintergründe bewusst zu sein und jegliches Erschrecken oder Schaden zu vermeiden.
Wer gern durch die Straßen zieht, kann
dabei aber auch die Reformation feiern.
Pfarrer Erik Herrmanns aus Mindelheim macht dies jedes Jahr mit seiner
Familie. Sie verkleiden sich als Martin
Luther und Katharina von Bora (Luthers
Frau) und ziehen mit Lutherbonbons
zum Verschenken von Tür zu Tür. Denn
so wie Jesus uns mit seiner Liebe beschenkt, so wollen auch sie Liebe weitergeben. Sie haben Kärtchen dabei, auf
denen die Lutherrose zu sehen ist und
eine Einladung zu einem Familiengottesdienst für den nächsten Sonntag. Sie
singen das Lied: „Gott hat etwas übrig
für dich“ und weisen die Leute auf die
Reformation hin.
Eine andere Alternative zu Halloween hat
das Evangelische Jugendwerk in Württemberg initiiert: die ChurchNight. Alle
Jugendlichen sind zu einem Gottesdienst
eingeladen, bei dem der Geburtstag der
Kirche fröhlich und ausgelassen gefeiert
wird. Das Ziel dieses Gottesdienstes ist es,
Reformen anzustoßen, Identität zu stärken, Neugierde zu wecken, das Image der
evangelischen Kirche und seiner Jugendarbeit zu verbessern und Netzwerke auszubauen. Bis 2012 soll jede zehnte Gemeinde in Deutschland am Reformationstag eine ChurchNight feiern. Pastor
Thomas Krenz hat mit seiner Gemeinde
in Höllstein ebenfalls die ChurchNight
gefeiert. Er bringt den Zielgedanken dieses Festes in einem Interview mit der Badischen Zeitung auf den Punkt: „Damals
ging es um das Ablasswesen, das ist vielleicht nicht mehr so ganz aktuell. Aber
auch heute denken Menschen, sich durch
Leistungen den Himmel verdienen zu
können oder Gott näher zu kommen.
Aber dass das allein durch die Gnade Jesu
geschieht, das ist das Evangelium, das ist
die frohe Botschaft. Und das wollen wir
in der ChurchNight herausstellen.“ Anregungen, Ideen, Logo, Einladungen finden
Sie unter www.churchnight.de. In diesem
Jahr lautet das vielversprechende Motto:
„Die Entdeckung deines Lebens. ChurchNight Entdecker Fieber 2010“.
Auch Fackelläufe, Lesenächte, ein Thesenlauf oder Kinoabende, an denen der
Lutherfilm gezeigt und diskutiert wird,
können als ein tolles Alternativprogramm
angeboten werden.
Gerade weil es Halloween gibt, können
Christen Akzente setzen und dieses
Gruselfest mit ihren Kindern zusammen nutzen, um es in ein Lichterfest
umzuwandeln und anderen Menschen
eine Freude zu machen.
Stefanie Böhmann ist
Grundschullehrerin und lebt
mit ihrem Mann und ihren
drei Kindern in Hamburg.