Schweiz - Ein Paradies für Sammler? - art value, Nr. 6, S. 64-70
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Schweiz - Ein Paradies für Sammler? - art value, Nr. 6, S. 64-70
positionen zum wert der kunst Ich-Strategien: Das Selbstporträt Schweiz – ein Paradies für Sammler? Kuno Fischer 1671 wurde die bürgerliche Kunstkammer der Familie Amerbach, die als Kernbestand eine Münzsammlung, Gemälde Holbeins und den Nachlass des Erasmus von Rotterdam umfasste – das so genannte Amerbach-Kabinett – als Sammlung in Basel zugänglich gemacht.1 In den folgenden 300 Jahren entwickelte sich in der Schweiz eine breite und intensive Sammeltätigkeit, geprägt von der Leidenschaft für künstlerischen Ausdruck und Engagement für die Kunst und Künstler. Vorangetrieben wurde diese Tätigkeit von außerordentlichen Persönlichkeiten, die oftmals den direkten Kontakt mit dem Künstler und dessen Werk suchten, sich exponierten, mit Kennerschaft und Ausdauer sammelten und meistens (früher oder später) die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich machten. Diesen Sammlerpersönlichkeiten und deren Engagement ist es in erster Linie zu verdanken, dass die Schweiz heute über so viele international beachtete Kunstsammlungen – seien sie privat oder öffentlich – verfügt. Erst in zweiter Linie stehen günstige Rahmenbedingungen wie beispielsweise der aktive, international ausgerichtete Kunstmarktplatz, die Vielzahl attraktiver Museen und Kunsthallen, eine in verschiedenen Bereichen relativ liberale Gesetzgebung, der überdurchschnittliche Wohlstand, der internationale Finanzplatz, die Vielsprachigkeit mit entsprechender kultureller Vernetzung, die politische Stabilität und Rechtssicherheit. In demokratischer Tradition haben sich einige Sammler klug und verantwortungsvoll für gute Rahmenbedingungen im Bewusstsein eingesetzt, dass diese wiederum der Kunst und Kunstvermittlung dienen beziehungsweise begünstigen, das Interesse und die Begeisterung anderer für die Kunst zu entflammen. Schweizer Sammlerpersönlichkeiten und Unternehmenssammlungen Ein Blick auf die Liste der bedeutendsten Schweizer Kunstsammler des 20. Jahrhunderts bestätigt, dass hinter der jeweiligen Kunstsammlung in den meisten Fällen eine herausragende Sammlerpersönlichkeit steht.2 Schweizer Sammler des 19. Jahrhunderts waren vor allem Kaufleute, Fabrikanten, Juristen oder Ärzte, also das wohlhabende und gebildete Bürgertum und nicht wie im übrigen Europa Adelshäuser mit höfischer Kunst, die über Generationen hinweg zusammengetragen wurde. Sie verfügten über breit angelegte kulturelle Kenntnisse und sammelten entsprechend über verschiedene Objektkategorien hinweg das, was sie als salonfähig erachteten. Der moderne Sammlertyp hingegen entwickelte sich parallel zum modernen Kunsthandel erst ab ca. 1910.3 Im Fokus der Sammler, vornehmlich jener aus Winterthur, standen damals vor allem die Werke der französischen Avantgarde, insbesondere der französischen Impressionisten. Es entstanden unter anderem die berühmten Kunstsammlungen beziehungsweise erste Werkgruppen von Arthur und Hedy Hahnloser, Richard Bühler, Sidney Brown, Georg und Oskar Reinhart, Josef Müller, Rudolf Staechelin, Jakob Briner, Emil Bührle, Oscar Miller, Karl und Jürg Im Obersteg, Othmar Huber, René und Madeleine Junod, Hermann Rupf, Raoul La Roche, Hélène de Mandrot, Arthur Stoll, Eduard Sturzenegger, Robert von Hirsch, Ernst Kofler-Truniger, Martin Bodmer und Baron Hans Heinrich Thyssen. Die neutrale Schweiz blieb – mitten in Europa und umzingelt von feindlichen Mächten – weitgehend vom Zweiten Weltkrieg verschont und diente mitunter art value 6 aufgrund ihrer relativen Sicherheit als politisches wie auch als steuerliches Zufluchtsland für Sammler aus ganz Europa, vornehmlich aus Deutschland. Die seitens der Galeristen, Kunsthändler und Auktionatoren gegenüber den Kunstsammlern gepflegte Diskretion und das Bankgeheimnis sicherten zusätzlich den unberechtigten Zugriff auf Vermögenswerte der Flüchtenden. Die Schweiz wurde zu einem der Zufluchtsorte bedeutender Kunstsammlungen, wobei nicht zuletzt dadurch auch die Kunstobjekte selbst vor Zerstörung geschützt wurden. Die Schweizer Museen zum Beispiel boten den Sammlern die Möglichkeit, mittels Freipass die Kunstobjekte als Leihgaben für das Museum in die Schweiz zu transferieren. Damit entfiel nicht nur der Einfuhrzoll, sondern auch die Auswandererabgaben und andere Abgaben. Ebenso sind Fälle bekannt, in denen Kantone auf über 90 Prozent der Vermögenssteuer verzichteten, um die Sammler auf der Flucht finanziell zu entlasten. Manchmal haben die Sammler ihre Sammlungen auch freihändig oder via Kunstauktion verkauft, wobei der auktionsweise Verkauf in der neutralen Schweiz – anders als in Deutschland – wohl die marktgerechtesten Preise erzielte. Nicht selten gewährte der Schweizer Auktionator den flüchtenden Verkäufern u. a. Auktionsvorschüsse sowie die unentgeltliche Lagerung der Objekte und verhandelte mit der Schweizerischen Verrechnungsstelle, damit der Verkaufserlös in freien Devisen ausbezahlt werden konnte und nicht über das Clearing ins nationalsozialistische Deutschland floss.4 Für die Zeit nach dem Krieg bis heute sind die folgenden Sammler zu nennen: Editha und Fritz Kamm, Georges Bloch, Angela Rosengart, Ernst Beyeler, Richard und Ulla Dreyfus-Best, Werner und Gabrielle Merzbacher, Esther Grether, Jean Bonna, Peter Herzog, Gerhard Saner, Theo Hotz, Christoph Blocher, Uli Sigg, Bruno Bischofberger, Jean Krugier, Alexander Schmidheiny, Friedrich Christian Flick, Peter Bosshard, Eberhard W. Kornfeld, Michael Ringier und Donald Hess. Der Fokus dieser Sammlungen liegt häufig auf der Nachkriegskunst und zeitgenössischen Kunst. Auch wenn eine private Sammlung später in den Bestand eines öffentlichen Museums übergeht, bleibt die Geschichte eines Objektes direkt verbunden mit dem Sammler und dem Umstand, wie und weshalb es in die Sammlung gelangt war. Aus Unternehmenssammlungen lässt sich ebenfalls in vielen Fällen herauslesen, wer bei der Auswahl der Werke federführend war. Als Seite 64 | 65 Hauptmotiv für Kulturaktivitäten geben die engagierten Unternehmen die gesellschaftliche Verantwortung an, wobei solche Aktivitäten indirekt in Form eines positiven Images und gesellschaftlichen Wohlwollens dem Unternehmen im Sinne eines Wettbewerbvorteils natürlich nutzen sollen. Auffällig ist, dass gemäß einer Umfrage in der Schweiz gegenüber Deutschland und Österreich dabei das Motiv der Liebhaberei signifikant wichtiger ist.5 Museen und Kunsthallen Die Schweiz nimmt im internationalen Vergleich den Spitzenplatz in Bezug auf die Museumsdichte ein, es existieren ca. 1.000 Museen in der Schweiz. Charakteristisch ist gerade gegenüber den Nachbarländern, dass die Schweiz kein eigentliches Zentrum aufweist, das einen beträchtlichen Teil der Museumsbesuche absorbiert. Die geografische Verteilung der Besucher zeigt vielmehr eine starke Zersplitterung, was unter anderem mit der föderalistischen Museumspolitik zu erklären ist. Die Schweizer Museen sind zudem führend in Bezug auf Besucherzahlen pro Kopf der Bevölkerung.6 Markant ist, dass die Kulturinteressierten in der Schweiz viermal öfter in Museen anzutreffen sind als beispielsweise die französischen Nachbarn.7 All dies dürfte mit ein Grund sein, weshalb in der Schweiz viele Leute sich mit der Kunst aktiv auseinandersetzen und anfangen, Kunst zu sammeln. Schweiz als internationaler Kunstmarktplatz Der Kunsthandelsplatz Schweiz rangierte gemessen am Umsatzvolumen jahrelang auf Platz fünf hinter den Kunstmarktnationen USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Dies hat sich in der jüngsten Vergangenheit geändert: aufstrebende Kunstnation ist vor allem China, das im Jahre 2006 die Schweiz vom vierten Rang verdrängt hat und einen Marktanteil von 5 Prozent am globalen Kunstmarkt hält. Aber auch Russland und Indien haben sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt.8 Diese starke internationale Position der Schweiz ist im Wesentlichen auf die zentrale geografische Lage, die Mehrsprachigkeit, die Neutralität und politische Stabilität des Landes, den ordnungspolitischen Rahmen, die Rechtssicherheit9 sowie das Engagement der Schweizer Galerien, Kunsthändler, Kunstauktionshäuser und Messeorganisatoren zurückzuführen. Besonders die Art Basel, die weltweit bedeutendste Kunstmesse für moderne und zeitgenössische Kunst, zieht jedes Jahr im Juni über 60.000 Kunstinteressierte nach Basel.10 Neben dieser kommerziellen Seite leisten die Marktteilnehmer wie auch die privaten Kunstsammler den wohl größten Beitrag zur Kulturförderung im Bereich der bildenden Kunst. Charakteristisch für diese Kulturförderung ist, dass sie privatwirtschaftlich/unternehmerisch, dezentral/nicht-monopolistisch, ohne Steuergelder und auf eigenes Risiko der Akteure erfolgt. Hinzu kommt die in der Schweiz sowohl im Finanzmarkt als auch im Kunstmarkt gepflegte Diskretion als Schutz der Privatsphäre des Kunden. Gerade Kunstsammlungen gehören zur Privatsphäre; sie spiegeln oftmals den Kunden mit seinen innersten Interessen und Wünschen, weshalb ein richtig verstandener Privatsphärenschutz nach wie vor Sinn macht und zu respektieren ist.11 Außerdem kommt hinzu, daß wirtschaftliche Interesse des professionellen Marktteilnehmers, die Namen und Sammelbereiche seiner Kunden nicht den Konkurrenten preiszugeben. Rechtliche Rahmenbedingungen National wie international werden die halbdirekte Demokratie, der Rechtsstaat wie auch die Grundrechte (insbesondere die Wirtschafts- und Eigentumsfreiheit)12 in der Schweiz als sehr gut ausgebaut und in die Praxis umgesetzt betrachtet. Dies wie auch die hohe politische Stabilität und hohe Rechtssicherheit13 war und ist für Kunstmarktteilnehmer und für Kunstsammler von großer Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Schweiz über vergleichsweise liberale Rahmenbedingungen verfügt. Einzelne Aspekte sollen hier kurz angesprochen werden. Fehlen des Folgerechts Beim Folgerecht gemäß Europäischer FolgerechtsRichtlinie geht es im Bereich der modernen und zeitgenössischen bildenden Kunst um den »Anspruch auf Beteiligung am Verkaufspreis aus jeder Weiterveräußerung nach der ersten Veräußerung durch den Urheber.«14 Dabei werden nur Weiterveräußerungen unter Beteiligung eines »Vertreters des Kunstmarktes« erfasst. Die Vergütung wird vom Veräußerer abgeführt. Ein allfälliger Mindererlös zulasten des Veräußerers ist bei der Berechnung irrelevant, da als Berechnungsgrundlage des Anspruchs ausschließlich der Verkaufspreis dient. Anspruchsberechtigt ist der Urheber selber, nach seinem Tod die Rechtsnachfolger beziehungsweise die Erben. Es geht beim Folgerecht immer nur um ein vermögenswertes Recht. Dieses Recht ist als ein unveräußerliches Recht, auf das der Urheber auch im Voraus nicht verzichten kann, ausgestaltet. Mit dieser Folgerechts-Regelung soll bezweckt werden, dass den Urhebern von Werken der bildenden Künste eine wirtschaftliche Beteiligung am Erfolg ihrer Werke garantiert ist. Studien zeigen deutlich, dass (a) das Folgerecht nicht den Interessen der bildenden Künstler dient und dass (b) das Folgerecht sehr ineffizient ist.15 Nach weit verbreiteter Ansicht verdienen am Folgerecht vor allem die Verwertungsorganisationen beziehungsweise deren Mitarbeiter.16 So erstaunt es nicht, dass – obwohl das Folgerecht den bildenden Künstlern nur (finanzielle) Vorteile zu bringen scheint – sich zahlreiche international bedeutende Künstler, wie beispielsweise Georg Baselitz, Jörg Immendorf, Gotthard Graubner, Markus Lüpertz und David Hockney im Rahmen der Harmonisierungsbestrebungen der EU ausdrücklich gegen die Einführung des Folgerechts geäußert haben.17 Ebenso wandten sich anlässlich der ersten Revision des Urheberrechtsgesetzes in der Schweiz namhafte Künstler wie Jean Tinguely, Bernhard Luginbühl oder Niki de SaintPhalle gegen das Folgerecht.18 Die Einführung des Folgerechts in der Schweiz scheiterte bereits im Jahre 1992, als eine Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes vorgenommen wurde. Nicht zuletzt aufgrund der klaren Statements der Künstler sowie den statistischen Grundlagen – insbesondere jener betreffend die Einführung des Folgerechts in Großbritannien19 – sprach sich die Schweiz im Jahr 2007 erneut gegen das Folgerecht aus und bleibt (u.a. mit den USA) ein »folgerechtsfreier« Raum. Geldwäschereigesetzgebung Die Kunstmarktteilnehmer und Kunstsammler unterstehen wie alle anderen Personen dem Art. 305bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB). Mit diesem Artikel werden Handlungen unter Strafe gestellt, die art value 6 geeignet sind, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, wenn der Akteur weiß oder annehmen muss, dass die Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren (Art. 305bis Abs. 1 StGB). Dies gilt auch für den Fall, wenn die Haupttat im Ausland begangen wird und diese auch am Begehungsort strafbar ist (Art. 305bis Abs. 3 StGB). Damit weist die Schweiz ein gutes Dispositiv gegen Geldwäscherei auf. Experten aus der Praxis bestätigen, dass keine Fälle von Geldwäscherei über den Kunstmarkt bekannt sind; dies nicht, weil das Abwehrdispositiv und deren Umsetzung ungenügend wären, sondern weil realistischerweise die Charakteristika des Kunstmarkts für solche Machenschaften nicht wirklich geeignet sind.20 Internationaler Kulturgütertransfer Die Schweiz hat die UNSECO-Konvention von 197021 ratifiziert und im Rahmen des Kulturgütertransfergesetzes22 ins Schweizerische Recht umgesetzt. Ausländische Ausfuhrrestriktionen werden damit nach Schweizer Recht respektiert, wenn »Kulturgut von wesentlicher Bedeutung für das jeweilige kulturelle Erbe« betroffen und dieses in einem entsprechenden bilateralen Staatsvertrag aufgeführt ist.23 Dies ermöglicht – wenn auch mit einigen Formalitäten belastet – einen sinnvollen internationalen Kulturaustausch und trägt dazu bei, dass die Schweiz ihre Weltoffenheit praktizieren kann.24 Zu protektionistischen, also missbräuchlichen, Ausfuhrbestimmungen anderer Staaten (die oftmals nicht kulturpolitisch motiviert sind) wird mit diesem nach amerikanischem Vorbild errichteten System jedoch klar entgegengetreten. Damit verfügt die Schweiz – auch was die Sorgfaltspflichten der Händler und Auktionatoren betrifft – über ein modernes Umsetzungsgesetz, das zwar bei den professionellen Kunstmarktteilnehmern zu administrativen Mehrbelastungen führt, jedoch den internationalen Forderungen nach einem »minimal standard« im Bereich des Kulturgüterschutzes mehr als gerecht wird. Abgaben und Steuern Die Steuersätze in der Schweiz sind im internationalen Vergleich niedrig. Das hat seine Ursache nicht zuletzt in der halbdirekten Demokratie und dem Föderalismus. Seite 66 | 67 Oftmals hat der Bürger und Steuerzahler das letzte Wort betreffend Steuerangelegenheiten und finanziellen Ausgaben; dies garantiert eine gemäßigte Besteuerung. Bei der Einfuhr von Kunstobjekten fallen keine Zollgebühren an, sondern lediglich die Mehrwertsteuer von derzeit 7,6 Prozent.25 Anders verhält es sich, wenn das Objekt direkt in ein Schweizerisches Zollfreilager importiert wird.26 Wie bei anderen Gütern profitiert der Importeur in diesem Fall davon, dass es – obwohl auf Schweizerischem Staatsgebiet in einem sicheren Zollfreilager – dort unversteuert aufbewahrt werden kann und erst bei der Überführung in den freien inländischen Verkehr, also beim zolltechnisch formellen Export aus dem Zollfreilager in die Schweiz, besteuert wird.27 Gleichermaßen verhält es sich, wenn ein Objekt aus dem freien inländischen Verkehr in ein Zollfreilager verbracht und dabei zollrechtlich zur Ausfuhr veranlagt wird.Verkäufe von Kunstobjekten im Zollfreilager selbst sind von der Mehrwertsteuer befreit. Das Zollfreilager wird von Sammlern und Händlern gerade für teure Objekte genutzt, bis deren endgültiger Bestimmungsort klar ist. Der Gewinn aus dem privaten Verkauf von Kunstobjekten ist grundsätzlich steuerfreier Kapitalgewinn.28 Privat ist meines Erachtens auch das »dynamische« Sammeln, das heißt das stete Optimieren der Sammlung mittels Verkäufen zur Kapitalbeschaffung für neue Ankäufe. Würde man anders entscheiden, so wird man der Tatsache, dass der Sammler über die Jahre seinen Qualitätssinn verbessert und allenfalls seinen Fokus ändert, nicht gerecht. Anders verhält es sich, wenn der Sammler in Tat und Wahrheit »Händler« ist, also Kunsthandel als selbständige Erwerbstätigkeit betreibt.29 Allerdings kann er in diesem Fall die Verluste aus dieser Tätigkeit steuerlich abziehen. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf die Mehrwertsteuer, die der selbständig erwerbstätig Kunsthändler mit mehr als 75.000 Schweizer Franken Umsatz dem Staat schuldet. Das Reinvermögen eines Kunstsammlers unterliegt der Vermögenssteuer. Soweit die Kunstobjekte jedoch dem »Hausrat« zuzurechnen sind, fällt diesbezüglich keine Vermögenssteuer an. Die Praxis unter den Kantonen in Bezug auf diese Frage ist sehr unterschiedlich. Kriterien sind unter anderem: die ursprüngliche Zweckbestimmung, die tatsächliche Nutzung, das Verhältnis zwischen dem Wert der Kunstgegenstände und dem Gesamtvermögen und die Versicherungsart.30 Die Erbschaftsteuer variiert sehr stark je nachdem, in welchem Kanton der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Einige Kantone erheben gar keine Erbschaftssteuer, andere erlassen die Erbschaftssteuer nur den direkten Nachkommen, während schließlich gewisse Kantone Erbschaftssteuern erheben, ungeachtet des Verwandtschaftsgrades.31 Freiwillige Zuwendungen an steuerbefreite juristische Personen in der Schweiz können in einem bestimmten Rahmen steuerlich vom Einkommen beziehungsweise Reingewinn abgezogen werden. Dies gilt sowohl für Geldzuwendungen als auch Naturalzuwendungen, also die Schenkung von Kunstobjekten zum Beispiel an eine steuerbefreite Stiftung Schweizerischen Rechts, die ein Museum betreibt. Die Höhe des Abzuges ist bei der direkten Bundessteuer limitiert auf 20 Prozent des Reineinkommens beziehungsweise Reingewinns.32 Stiftungsrecht Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen bestimmten Zweck. Das Schweizerische Recht bietet dabei einen großen Gestaltungsspielraum.33 Unter gewissen Voraussetzungen kann die Stiftung von der Steuer befreit werden. Auf Bundesebene ist dies möglich, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen: Öffentlichkeit beziehungsweise Gemeinnützigkeit, Ausschließlichkeit der Mittelverwendung und Unwiderruflichkeit der Zweckbindung.34 Die unzähligen Kunstsammlungen und Museen, die Galerien, Kunsthändler und Auktionatoren sowie die Art Basel bilden das so genannte »inspiring environment«, das weitere Kunstsammler anzieht. Dies, die zentrale geografische Lage, die hohe politische Stabilität und Rechtssicherheit sowie die für Kunstsammler relativ liberalen rechtlichen Rahmenbedingungen machen die Schweiz im internationalen Umfeld zu einem der attraktivsten Plätze für Kunstsammler. Diese Elemente entwickelten sich über viele Jahre, und es liegt in der Verantwortung der Bürger, Politiker, aktiven Kunstmarktteilnehmer und letztlich der Sammler, dass sie erhalten beziehungsweise verbessert werden. Weil die Situation für Kunstsammler in der Schweiz das Ergebnis einer Reihe von Vernunftentscheidungen über viele Jahre ist, kann von einem – gottgegebenen – »Paradies« nicht die Rede sein. Dr. Kuno Fischer, Rechtsanwalt, ist Miteigentümer, Geschäftsführer, Auktionator und Leiter der Abteilung moderne & zeitgenössische Kunst der Galerie Fischer Auktionen AG in Luzern. Er ist Präsident des Verbandes Schweizerischer Auktionatoren von Kunst- und Kulturgut, Vorstandsmitglied des Verbandes Schweizer Antiquare und Kunsthändler, Mitglied im Kunsthandelsverband der Schweiz sowie der Confédération Internationale des Négociants en Oeuvres d’Art (CINOA). Abstract: It is thanks to collectors’ personalities and their commitment to art that Switzerland is an international market place for art and the country with the highest concentration of museums. This strong international position can largely be traced back to the country’s regulatory-political structure, multilingual character, and its central geographic location, as well as its being an international center of finance. The author addresses the country’s legal structures and tax laws in particular. He explains in detail why there is good reason that the introduction of the »droit de suite« has repeatedly failed in Switzerland. art value 6 1 2 Juerg Albrecht, »Die Kunst zu sammeln«, Streiflichter und unmittelbar nach der Oktoberrevolution per Dekret untersagt. Schlagschatten, in: Schweizerisches Institut für Kunstwissen- Kunstsammler wurden nicht selten »bedroht von Übergriffen schaft (Hrsg.), Die Kunst zu sammeln, Schweizer Kunstsamm- durch die Miliz oder den Geheimdienst« (Waltraud Bayer, Ge- lungen seit 1848, Zürich 1998, S. 30 f. rettete Kultur. Private Kunstsammler in der Sowjetunion 19171991, Wien 2006, S. 15). Vgl. für einen Überblick Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (Hrsg.), Die Kunst zu sammeln, Zürich 1998. 3 13 1910-1938, in: ebd., S. 57. of international managers, Zürich 2009, S. 19. 14 6 Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhe- Raubgut, Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter bers des Originals eines Kunstwerkes (»Folgerechts-Richtlinie «), ABl. 2001 L 272/32. Heusser Hans-Jörg/Wittig Martin/Stahl Babara, in: Schweize- 15 te), Korreferat aus der Praxis, in: KUR Nr. 3/4, 2008, S. 69 f. (mit Strategy Consultant (Hrsg.), Kulturengagement von Unterneh- weiteren Hinweisen); Dieter Schmidtchen/Roland Kirstein, Die men - integrierter Teil der Strategie?, München 2004, S. 8 f., 24. EU-Richtlinie zum Folgerecht, Ein ökonomische Gesetzesfolgea- Kilian T. Elsasser, Vielfältige, gut besuchte Schweizer Museums- nalyse, 2001, abrufbar unter: www.uni-saarland.de/fak1/fr12/ landschaft, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 110 vom 14. Mai 2008, csle/publications/2001-05_folge.PDF; Antiques Trade Gazette S. 17 (mit Hinweis auf die vom Verband Museen der Schweiz vom 14. März 2008, abrufbar unter: www.antiquestradegazette. com/news/6591.aspx. Swissinfo vom 12. März 2004 mit Hinweis auf die Studie von 16 für bildende Künstler«; vgl. auch Alexander Jolles, Der Kunst- und Soziologie der Universität Lausanne, abrufbar unter: markt im Wettbewerb mit der EU, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. zer_Museen_grosses_Lob.html?cid=3812802. 9 Vgl. Arnulf Rainer, »Allgemeine Stellungnahme zum Folgerecht Arlette Mottaz Baran, Leiterin des Instituts für Anthropologie 191 vom 19./20. August 2006, S. 17. www.swissinfo.ch/ger/kultur/index/Publikum_zollt_Schwei8 Vgl. dazu: Kuno Fischer, Schweiz ohne Folgerecht (droit de sui- risches Institut für Kunstwissenschaft/Roland Berger erhobene Statistik). 7 Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Esther Tisa Francini, Anja Heuss; Georg Kreis: Fluchtgut – Weltkrieg, Bd. 1, Zürich 2001, S. 25, 59, 156 f, 165-167 5 Vgl. Markus T. Schweizer/Dominik Nuergy, in: Ernst & Young Ltd. (Hrsg.), Switzerland 2009, Switzerland and Europe in the eyes Werner J. Schweiger, »Das Kunstinteresse zu heben und auf bessere Wege zu leiten«, Vom modernen Kunsthandel in Zürich 4 Seite 68 | 69 17 In der Erklärung »Künstler gegen Folgerecht« haben die fol- The European Fine Art Foundation (Hrsg.), The International genden Künstler ausdrücklich ihre Ablehnung des Folgerechts Art Market, Helvoirt 2008, S. 15, 50. kundgetan: Eduard Angeli, Christian Ludwig Attersee, Franz Sébastien Guex, Le marché Suisse de l’art: un survol chiffré, in: Blaas, Hans Bischoffshausen/Nachlass, Eva Bodnar, Erwin Bo- Traverse: Zeitschrift für Geschichte, Bd. 1, 2002, S. 45. hatsch, Arik Brauer, Günter Brus, Gunter Damisch, Georg Eis- 10 Vgl. Pressemitteilung der Art Basel vom Juni 2009. ler/Nachlass, Adolf Frohner, Julie Hayward, Herbert Hintereg- 11 Anders als das Schweizer Bankgeheimnis (vgl. Art. 47 Bun- ger, Hans Hollein, Alfred Hrdlicka, Friedensreich Hundertwasser, desgesetz über die Banken und Sparkassen [Bankengesetz, Gudrun Kampl, Franco Kappl, Herwid Kempinger, Peter Kogler, BankenG], SR 952.0) basiert die Diskretion im Kunstmarkt Hans Kupelwieser, Elke Krystufek, Maria Lassnig, Markus Munte- nicht auf einer spezifischen gesetzlichen Grundlage. Grundlage an, Ines Lombardi, Jürgen Messensee, Rudi Molacek, Nicolaus ist vielmehr das Persönlichkeitsrecht des Kunden sowie eine Moser, Walter Oberholzer, Gustav Peichl, Walter Pichler, Markus allfällige Diskretionspflicht, die sich aus der vertraglichen Bin- Prachensky, Arnulf Rainer, Thomas Reinhold, Franz Ringel, Ger- dung zwischen dem professionellen Marktteilnehmer und dem wald Rockenschaub, Franz Rosei, Adi Rosenblum, Hubert Scheibl, Kunden herleitet. Generell gilt überdies das Bundesgesetz über Alfons Schilling, Eva Schlegel, Rudolf Schönwald, Peter Sengl, den Datenschutz (DSG) vom 19. Juni 1992 (SR 235.1). Dieses Michaela Spiegel, Rudi Stanzel, Hans Staudacher, Johann Julian Datenschutzgesetz ist hingegen nicht anwendbar auf hängige Taupe, Peter Weibel, Rainer Wölzl, Johannes Zechner, Robert Zivilprozesse, Strafverfahren, Verfahren der internationalen Zeppel-Sperl, Heimo Zoberling, Karel Appel, Georg Baselitz, Rechtshilfe sowie staats- und verwaltungsrechtliche Verfahren Jan Dibbets, Gotthard Graubner, Jörg Immendorff, Per Kirkeby, mit Ausnahme erstinstanzlicher Verwaltungsverfahren (Art. 2 Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Madeleine Strobel, Jos van Abs. 2 lit. C DSG). Vreeswijk, Craigie Aitchison, Susannah Fiennes, Anthony Green Als Basis sind diese Grundrechte von wesentlicher Bedeutung RA, Phillip King, Emma Sergeant, William Tillyer, Marc Vaux, Glynn für den Kunstsammler. In der Sowjetunion beispielsweise wurde Williams, Anthony Caro, Paola Piva, Martin Praska, Sebastian der private Kunstbesitz wie auch der Handel mit Kunstobjekten Weissenbacher, David Hockney. 12 Seite 70 | 71 18 art value 6 Dem Schweizerischen Kunsthandelsverband liegen von den und die gegenseitige Achtung und das Verständnis unter folgenden Künstlern Erklärungen betreffend Ablehnung des den Nationen fördert (Einleitende Erwägungen, UNESCO- Folgerechts vor: Georg Baselitz, Jean Tinguely, Bernhard Luginbühl, Guliano Pedretti, Hansjürg Brunner, Samuel Buri, Peter 19 20 Konvention 1970). 25 Stein, Jean-Pierre Stauffer, Jeanne Chinet, Pascal Besson, Vergleich niedrig; dies selbst auf dem Hintergrund der Tatsa- Germaine Hermenjat, Gérald Goy, Charles Monnier, Manuel Mül- che, dass viele EU-Staaten spezielle MwSt.-Sätze für Kunst ler, Guy-François Taverney, Franca Varlin Guggenheim, Georg vorsehen. Importiert der Künstler seine Objekte selber, so ist Peter Luck, Josef Ebnöther, Carl Liner, Hans Weidmann, Lenz keine Import-MwSt. geschuldet. Die Situation in der EU be- Klotz, YOKI, Serge Brignoni, Sam Francis, Per Kirkeby. Markus treffend administrative Abwicklung der VAT kann wie folgt be- Lüpertz, A. R. Penck. schrieben werden: »(…) What set out to be a free trade area Vgl. Antiques Trade Gazette vom 14. März 2008, abrufbar un- for some of the most prosperous nations in the world is seen ter: www.antiquestradegazette.com/news/6591.aspx. by many art and antique dealers as a blinkered and restrictive Das Umsatzvolumen und die Transaktionshäufigkeit (Liqui- bureaucracy which, through complicated procedures and dität) des Kunstmarktes sind zu gering. Die Transparenz im confusing tax rules, makes the successful completion of sales Kunstauktionswesen ist zu hoch. Es bestehen für Kunst in fast a nighmare (The European Fine Art Foundation [Hrsg.], VAT and allen Staaten spezielle Zollbestimmungen: das Kunstwerk wird registriert ebenso wie die Angaben zum Versender und Emp- the European Art Market, A Study, Helvoirt 2003, S. 9). 26 fänger. Die Händler sind gemäss KGTG und MWSTG verpflich- wird, wenn es sich um bereits ausgeführt Objekte handelt. 30-jähriger Aufbewahrungspflicht der entsprechenden Unter- 27 Art. 72 ff. MWSTG. lagen). »…bzw. 30-jähriger Aufbewahrungspflicht der entspre- 28 Alexander Jolles/Madeleine Simonek/Patrick Waldburger, chenden Unterlagen). Die korrekte Abrechnung der MwSt. wird Kunst und Steuern, in: Axa Art Versicherungen AG (Hrsg.), durch staatliche Revisoren geprüft; diese melden Hinweise auf Geldwäscherei an die zuständige Strafverfolgungsbehörde. Kunst & Recht, Zürich/Basel 2007, S. 80. 29 durch Einsatz von Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Kunsthandel.« Die Kunst selber muss fachgerecht transpor- Organisation, auf eigenes Risiko, anhaltend, planmäßig und tiert, gelagert und versichert werden. All diese und weitere nach außen sichtbar zum Zweck der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (ebd.). Übereinkommen über die Massnahmen zum Verbot und zur 30 Ebd. S. 77. Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereig- 31 Vgl. Paolo Bernasconi/Alexander Jolles, Switzerland, in: The Art nung von Kulturgut vom 14. November 1970. Übersetzung des französischen Originaltextes (SR 0.444.1). Diese Konvention Newspaper, Nr. 172 vom September 2006, S. 18. 32 wurde vom Schweizerischen Bundesrat am 3. Oktober 2003 ratifiziert. Vgl. Art. 80 ff. ZGB; vgl. Andreas Müller/Franz-Josef Sladeczek, Bundesgesetz über den Internationalen Kulturgütertransfer Die Kunstsammlung in der Nachlassplanung – eine Heraus- (Kulturgütertransfergesetz, KGTG) vom 20. Juni 2003 (SR forderung an den Treuhänder, in: TREX Der Treuhandexperte, Art. 9 i.V.m. Art. 7 KGTG. Die Lektüre der bereits in Kraft getretenen bilateralen Staatsverträge zeigt allerdings deutlich, dass der Begriff »Kulturgut von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe« seitens der Schweizer Behörden viel zu weit und damit gegen die Vorgaben im Kulturgütertransfergesetz ausgelegt wurde. 24 Art. 33a Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), SR. 642.11. 33 444.1). 23 »Eine selbständige Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn jemand Die Kunst selber muss fachgerecht… gegen Geldwäscherei im Gründe sprechen gegen Geldwäscherei im Kunsthandel. 22 Art. 19 Abs. 2 Ziff. 3 MWSTG. Die Ausnahme besteht auch, wenn ein Objekt aus dem Inland im Zollfreilager eingelagert tet, den Verkäufer und den Käufer zu registrieren (mit 10- bzw. 21 Die Höhe der Schweizerischen MwSt. ist im internationalen Anerkannt ist insbesondere, dass der Austausch von Kulturgut unter den Nationen zu wissenschaftlichen, kulturellen und erzieherischen Zwecken die Kenntnisse über die Zivilisation des Menschen vertieft, das kulturelle Leben aller Völker bereichert 2/2005, S. 107. 34 Art. 39 lit. g Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG), SR. 642.11