Untitled - Stephan Guber

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Untitled - Stephan Guber
Stephan Guber
Skulpturen
Installationen
Erfahrungsräume
2000 bis 2010
Texte
Anette Naumann
Einzelfiguren
o.T. (Kopf/Torso)
Kirsche geschliffen
Höhe 45 cm (2009)
Massive, überlebensgroße Holzstämme, noch von
Rinde bedeckt, werden an einem Platz zwischen zwei
Stadtteilen aufgestellt und binnen acht Wochen in
eine Skulpturengruppe verwandelt. Dem Prozess des
langsamen Freilegens der Formen können die Bewohner der Stadt Eschborn zusehen, bemerken, wann sich
Gubers zumeist lebens- und überlebensgroße Holzskulpturen sind gekennzeichnet durch eine starke
Ernsthaftigkeit, die sich vor allem durch Haltung und
Mimik ausdrückt. Besonderes Augenmerk verlangt
stets das Haupt, das durch Größe, Ausarbeitung und
teils haubenartige Aufsätze betont ist. Die Gestalten
aus dem Unbestimmten des Materials die besondere
Gestalt der menschlichen Figur herausschält. Für den
Bildhauer Stephan Guber, der dem Eichenholz mit
einer Kettensäge und großer Sicherheit zu Leibe rückt,
wird dieser Moment jedesmal zu einem Erlebnis, wo
sich die spezifische Eigenart der Figur, an der er
arbeitet, zu erkennen gibt. »Annähern«, der Titel
dieses Kataloges, beinhaltet für ihn verschiedene
Bewegungsrichtungen – die Hinwendung des Künstlers zu seinem sich zeigenden Werk sowie das innere
und äußere Näherkommen der Betrachtenden an
die vollendeten Skulpturen. Vor allem aber ist es die
Annäherung an das Thema, das sowohl der Gestaltende als auch der Schauende bewegt: der Mensch, in
seiner Leiblichkeit und seiner Bestimmung. Nachdem
das menschliche Antlitz zunächst in seiner Malerei
auftauchte und Stephan Guber später Köpfe, Büsten
und Ganzfiguren auch in Wachs und Holz schuf, wurde die Beschäftigung mit der Genese des Menschen
immer zentraler in seiner bildhauerischen Arbeit. Die
Anfänge des Menschenseins, die Geschlechterteilung
und die Bildung des menschlichen Bewusstseins sind
Fragen, die er in seinem Schaffen umkreist. Während
des letzten Jahrzehnts kann man einen Entwicklungsweg nachzeichnen, der ihn von der Einzelfigur zur
Gestaltung von Paaren hin zu Gruppen von Menschenfiguren und letztlich zu den Beziehungsräumen
zwischen individuellen Charakteren geführt hat,
wovon in der Folge die Rede sein wird.
sind nicht in Handlung oder mit expressiver Gestik
gezeigt – ihre Tätigkeit ist im Wesentlichen das Stehen, das Dastehen. Mit ihren eng am Körper anliegenden Gliedmaßen und dem in die Ferne oder ins Innere
schauenden Blick sind sie ein Inbegriff von Sammlung
und ihre Präsenz wirkt sehr stark. 1
1
»Einmal kam ich bedrückt und mit Kummer zu
Besuch ins Atelier. Der Künstler hatte noch einmal
den Raum verlassen, so dass ich einen Moment allein
war. Und da standen sie nun, die Figuren, rohe und
polierte, helle und schwarzgebrannte. Sie schauten
mich nicht an, sondern waren einfach anwesend. Aber
mehr als nur anwesend. Wie anteilnehmend. Eine
hohe Emotionalität erfüllte den Raum, dicht und singend. Ich spürte: Diese Figuren wussten von menschlichem Leid, sie verstanden, aber gleichzeitig standen
sie auch und würden weiter stehen. Sie waren durch
etwas hindurchgegangen. Nicht mehr selbst Ausdruck
heftigster Innerlichkeit wie die Skulpturen des Expressionismus, nicht Schmerz gewordene Plastik wie bei
Kollwitz oder gegossene Emotion wie bei Barlach, sie
standen darüber. Darüber, und doch nicht jenseits wie
die abgeklärten Figuren auf den Säulenportalen gotischer Dome, sondern in tröstlich-wissendem Mitgefühl.« Jens Heisterkamp in einem Brief vom 18.11.2010
an Stephan Guber.
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Einzelfiguren
gegenüber
o.T., Eiche gebrannt,
Höhe 65 cm (2009)
»Der Alchimist«, Pappel,
Höhe 187 cm (2005)
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Einzelfiguren
»Die Schwester«, Kirsche,
Höhe 189 cm (2008)
»Erstling«, Eiche,
Höhe 40 cm (2000-2008)
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Zweierfiguren
»Das Geheimnis«, Lärche, ortsbezogene Installation
auf dem Kunst- und Literaturpfad Loreley,
Höhe 230 cm (Sommer 2010)
So wertvoll der einzelne Mensch auch ist, er verlangt
nach einem Gegenüber – diese Grundbedingung des
Daseins, die in der Schöpfungsgeschichte durch die
Erschaffung Evas aus der Rippe des Adam verbildlicht
wird, hat Stephan Guber auch in seiner Arbeit als
Notwendigkeit erlebt. In dem Herauslösungsprozess
des Bildhauens entstehen Figuren, die sich, noch demselben Holz entstammend, in zwei Teile aufgliedern
– ein Antlitz erblickt ein zweites und ein von Aktivität
erfüllter Zwischenraum entsteht. In »Ich mit mir«
ist besonders eindrucksvoll zu sehen, wie sich eine
weibliche Figur aus einer anderen, eher männlichen
herausentwickelt: Im Rumpfbereich noch miteinander
verbunden, lösen sich Schultern und Köpfe in zwei
einander zugeneigte Elemente. Das Werk legt nahe,
sich mit der mythischen Zweigeschlechtlichkeit des
ursprünglichen Menschen (oder der zunächst
androgyn angelegten embryonalen Entwicklung des
Kindes) zu beschäftigen; zum anderen ist es ein Sinnbild für die Begegnung des Menschen mit sich selbst,
wie er sich fragend seinem Ebenbild zuwendet und
seiner selbst gewahr wird.
Detail aus »Das Geheimnis«,
Lärche, Höhe 230 cm
Dieser Moment des einander Anblickens, der den
Beziehungsraum zwischen zwei Menschen eröffnet,
ist immer mehr in den Focus von Stephan Gubers
Arbeiten gerückt. »Das Geheimnis«, die Installation
auf der Loreley, welche zusammen mit den in ihrem
Umkreis aufgestellten Klangelementen von
Saskia Kaiser den Nassauer Kulturpreis 2010 gewann,
ist dafür ein bezeichnendes Beispiel. Die beiden überlebensgroßen, unterschiedlich geschwärzten Männerfiguren stehen einander in einem genau überlegten
Abstand gegenüber, und der gefühlte Bannkreis, den
sie um sich herum verbreiten, wird durch zwei im
Boden verankerte Stahlplatten markiert. Im Annähern
an das Spannungsfeld, das zwischen ihnen aufgebaut
wird, im Durchschreiten dieser unsichtbaren Schranke
und im sich davon Entfernen werden zeitliche Grunderfahrungen des Vorher, des Jetzt und des Nachher
erlebbar. Auch die Art ihres stummen Austausches
gilt es zu entschlüsseln – sind es Figuren, die für sich
selbst stehen oder sind es Repräsentanten verschiedener Gruppierungen? Um ein Duell wird es wohl
nicht gehen, wohl aber um eine Art Kräftemessen.
Die Haltung ihrer vor dem Körper hängenden Arme
hat etwas Pazifistisches an sich, dennoch wird in
dieser Gegenüberstellung ein potenzieller Konflikt
anschaulich. Solcherart Ambivalenzen sind der
Freiraum in Gubers Gestaltungen, die die Betrachtenden dazu auffordern, sich aktiv mit den Werken
auseinanderzusetzen.
Andere Skulpturen wie »Leaving Paradise« lassen zwei
verbundene Figuren als Paar auftreten, deren Zweiheit
noch nicht in invididuelle Handlungsfreiheit mündet.
Was ihnen geschieht, widerfährt ihnen zusammen.
Erst die Beiordnung der Schlange, die zu Füßen der
einen und am Kopf der anderen Figur mit beiden
verbunden ist, setzt den Prozess der Veränderung in
Gang – im Bereich der willensmäßigen Tat und des
Denkens. Vom Haupt her führt sie sie hinaus aus dem
Bereich der Einheit, wohin sie zurückblicken. Gleichzeitig schauen sie einander an, wie um zu verstehen,
was vorgegangen ist.
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Zweierfiguren
dazwischen
»Ich mit mir«, Apfelbaum,
Höhe 178 cm (2008)
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Zweierfiguren
»Leaving paradise«,
Kiefer gebrannt,
Höhe 168 cm (2009),
Standort: Kemijärvi, Finnland
o.T., Pappel,
Höhe 190 cm (2008)
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Teile eines Ganzen
»Solve et coagula«, Eiche
Standort: Skulpturenpark Bad Salzhausen
Höhe 560 cm (2007)
im Verhältnis des goldenen Schnitts aufragen. Die
Anzahl zwölf entspricht den grundlegenden Lebensrhythmen und Strukturierungen des Weltkreises, den
zwei mal zwölf Stunden des Tages, der Monate, der
Tierkreiszeichen u.v.m. Die Idee der ursprünglichen
All-Einheit von Makro- und Mikrokosmos, die im Bild
des Holzes in Einzelteile aufgespalten und wieder
bewusst zusammengefügt wird, kommt hier zur
Anschauung. »Löse und verbinde« ist sowohl eine
dem Arbeitsprozess nachempfundene Benennung,
als auch ein Hinweis auf den Salz- und Sole-Ort
Bad Salzhausen, an dem die Arbeit entstanden ist.
In dem Durchschreiten der hohen Zacken, die sich am
oberen Ende durch ihre Abschrägung zur Mitte hin
kelchartig öffnen, werden die maßgeblichen Koordinaten Himmel und Erde, drinnen und draußen zu
erlebten Grundbedingungen des menschlichen Lebens.
Diese Aufgliederung in Teile, die verschiedene Aspekte
eines Ganzen bedeuten, findet sich auf andere Weise
in Installationen Stephan Gubers wieder, deren Elemente stärker mit Gegensätzen arbeiten.
Unter den Figurenensembles, die Stephan Guber
geschaffen hat, gibt es eine Sonderform von Skulpturengruppen, die weniger mehrdeutigen Ausdruckscharakter haben, da sie alle aus einem Stamm
geschnitten sind und schon deswegen größere
Ähnlichkeit miteinander besitzen. Beispiele dafür sind
»Die Schwestern«, die aus zehn Baumteilen herausgearbeit worden sind, sowie »fenestris aeternitatis«,
gebrannte, 3 Meter hohe Figuren, deren Gliedmaßen
in ihrer Vertikalität fast verschwinden. Sie wirken wie
Mitglieder eines Clans, deren gemeinsames Auftreten
keinen Widerspruch einzelner duldet. Die Betrachtenden finden sich mitten unter ihnen, können sich ihnen
zugehörig empfinden oder auch nicht – in jedem Fall
bilden sie geschlossene Zirkel, die durch Größe und
Anzahl Macht erhalten und Fragen nach kollektiven
Gesellschaften aufwerfen.
Die 2007 entstandene, nicht-figürliche Skulpturengruppe »solve et coagula« (löse und verbinde) öffnet
hingegen andere Bedeutungsfelder. Hier handelt es
sich um 12 aus einem Stamm geschnittene Keile,
die mit ihren fünfeinhalb Metern steil aus dem
Boden ragen und beim Näherkommen den Eindruck
erwecken, als würden sie noch wachsen, da ihre oberen Enden außerhalb des Blickfelds geraten. Sie bilden
eine himmelsbezogene Raumsäule, deren innerer
Raum das uralte Symbol des Kreises beschreibt – ein
sakral anmutendes Zentrum ähnlich den Steinkreisen
der Druidenkultur. In der Mitte liegt nun kein
»Opferstein«, aber ein mit leichter Wölbung nach
oben versehener Basaltstein, der dem darauf Stehenden das Gleichgewichtsuchen abverlangt. Der Durchmesser des Kreises entspricht einer durchschnittlichen menschlichen Körperhöhe, zu der die Stelen
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Teile eines Ganzen
inmitten
Ein weiterer Kreis schließt sich
damit: Als Eingang zum Skulpturenpark der Skulpturenachse
Eschborn nimmt der Figurenkreis
die Kreise vergangener Zeiten
wieder auf: Nimmt Bezug zu
den Steinkreisen rund um den
Altkönig. Zu den keltischen Gräberfeldern in der Umgebung und
schlägt Brücken bis hin zu
»Die Schwestern« (3 von 10),
Eiche, patiniert,
Höhe 210 cm (2007)
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Teile eines Ganzen
»Fenestris aeternitatis«,
Fichte gebrannt,
Höhe 300 cm (2006)
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Teil eines Ganzen
Skulpturengruppen
»For those who like to see«, vielteilige Skulptureninstallation / Performance / Musik im alten
Druckwasserwerk in Frankfurt a.M. (Sept. 2007)
und Weiblichem. Die vereinigende Überbrückung
dieser Polaritäten, so erkennt man in der Anschauung,
leisten wir selbst.
In welcher Weise Gegenläufiges zusammengehört,
hat beispielsweise die temporäre Installation im
ehemaligen Druckwasserwerk in Frankfurt a.M.
gezeigt, bei der sich Stephan Guber mit der
Schauspielerin Andrea Wolf und dem Gitarristen
Olaf Thurau zusammentat. Innerhalb der Ausstellung
fand eine Performance mit Texten von Peter Handke
zum Thema Dauer und experimenteller, improvisierter
Musik statt. Die Rauminstallation stellt eine helle
Gruppe von gewandeten, haubenbesetzten
Frauengestalten einer Gruppierung feuergeschwärzter
unbekleideter Männerfiguren gegenüber. In einer dazu
kreuzförmigen Anordnung ist eine Einzelfigur gegenüber einer kleinen Königskopfbüste positioniert, die
am Ende des Raumes auf einer altarähnlichen Kiste
steht. Ein auf den Boden gesetzter, halsloser Frauenkopf mit Hörnern bildet dazu eine weitere Blickachse,
die in scharfem Kontrast zu den emporstrebenden
schwarzen Gestalten steht. Die Höhe wird noch unterstrichen durch den an Ketten hängenden Kranhaken,
an dem zu einem bestimmten Moment die Schauspielerin sich durch den Raum schwingt, hin und her
zwischen den sich scheinbar aufeinander zu bewegenden Skulpturengruppen. Die den Eintretenden den
Rücken zuwendende Einzelfigur nimmt die Funktion
eines Repoussoirs wahr – einer Figur im Vordergrund eines Bildes, die in das dargestellte Geschehen
einführt und den Tiefenraum umso deutlicher werden
lässt. Als Stellvertreterin der Menschen, die der
Installation nähertreten, schaut sie (mit geschlossenen Augen) auf die Gegensätze von Hell und Dunkel,
Verhüllung und Entblößung, Individuum und
Gemeinschaft, Erhöhung und Erniedrigung,
Mondhaftem und Sonnenhaftem, Männlichem
Wie sich der Mensch von einem mehr träumenden
zu einem mehr intellektuellen Bewusstsein entwickelt hat, zeichnet Stephan Guber in seinem beeindruckenden Werkzyklus »Das Paradies« nach. In diesen
vierundvierzig Skulpturen, die um die Festspielburg
Bad Vilbel herum nun dauerhaft installiert sind,
entfaltet der Künstler einen Kosmos von Figuren, die
von bildhaften Imaginationen und traumwandlerischer
Sicherheit sowie scharfkantigem Denken und leidvoller Selbsterkenntnis erzählen. Maßgeblicher Ausdrucksträger ist jeweils das Haupt, das unterschiedlich
charakterisiert ist: manche tragen Tiere auf dem Kopf
wie die Götterfiguren früher Hochkulturen, andere
Kappen, Hauben und Kronen, die an verschiedene
Ämter und Funktionen in der menschlichen Gesellschaft denken lassen.
Sind in der Anfangszeit eher Einzelfiguren und
Gruppen gleichartiger Geschöpfe entstanden, legt
Stephan Guber seit längerer Zeit vermehrtes Augenmerk auf den Raum, der zwischen den Figuren
entsteht. Ihn interessiert das Interaktionsfeld
zwischen individualisierten Gestalten, die in einem
bestimmten Verhältnis zueinander stehen, und die
Betrachtenden dazu auffordert, Teil der Aufstellung
zu werden und zu erspüren, um was für eine
Konstellation es sich handelt.
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Skulpturengruppen
eingebunden
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Skulpturengruppen
»Das Paradies«, Eiche, 44-teilig,
Höhen 170-230 cm, Standort
(jeweils während der Festspielzeit
von Mai bis Okt.): Wasserburg
Bad Vilbel (seit 2007)
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Skulpturengruppen
»Auszug aus dem Paradies«,
Eiche, 4-teilig,
Höhe bis 265 cm (2008)
Unterschiedliche Wachheitszustände scheinen den Skulpturen
dieser Gruppe eigen zu sein:
vom bewusstlosen Ruhen über das
Träumen und das
langsame Orientieren hin zum
unterscheidenden Bewusstsein in
der aufrechten Haltung.
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Skulpturengruppen
Skulpturengruppen
»Nur für Dich«, Eiche, 5-teilig,
Höhe bis 220 cm,
Standort: Skulpturenpark
Bad Salzhausen (2009)
Hier klingt das Thema der
2010 entstehenden Eschborner
Skulpturengruppe erstmalig an:
das Rätsel aufgebende Verhältnis
zwischen einem Kreis von
Figuren zueinander sowie
gegenüber einem andersartigen,
Erwartungen weckenden Objekt.
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Skulpturengruppen
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Skulpturengruppe: Das Versprechen
»Das Versprechen«, Eiche, 8-teilig, vor Ort erstellt
Steinbacher Straße / Skulpturenpark als Teil der
Skulpturenachse Eschborn, Höhe bis 240 cm
deutigen Aspekten einer Skulptur, die nicht konkrete
Einzelheiten abbildet, sondern in ihrer Vielschichtigkeit einen umfassenderen Sinngehalt erschließt.
Um was für eine Zusammenkunft es sich bei den
sieben um eine Eiform gruppierten Gestalten wohl
handelt – das mögen sich die Bewohner von Eschborn
gefragt haben, als sie den Entstehungsprozess vor Ort
mitverfolgten, dem Künstler bei der Arbeit zuschauten
und sich zu gemeinsamen Gesprächen inmitten des
Figurenrunds trafen. »Das Versprechen« ist ein weiterer Meilenstein, den die Stadt Eschborn ihrem Anfang
der 90er Jahre begonnenen Projekt, eine Skulpturenachse innerhalb der Stadt zu schaffen, hinzugefügt
hat. Als mittlerweile zehntes Kunstwerk für die »Stadt
der Skulpturen« residiert Stephan Gubers Auftragsarbeit auf dem Platz, der Eschborn mit Niederhöchstadt verbindet. Dabei bestand das Konzept, einen
kommunikationsträchtigen Ort zu wählen, an dem
der Künstler arbeiten und die Bewohner an der bildhauerischen Entwicklung teilnehmen lassen konnte.
Gelegenheiten gab und gibt es also genug, um anhand
der Figuren in einen Gedankenaustausch zu kommen
und das kommunale Leben zu bereichern: durch die
sich entspinnenden Diskussionen darüber, was für eine
Art Menschen dargestellt ist und in welcher Relation
sie zueinander stehen. Es haben sich schon Gruppen
von Schulkindern auf die verschiedenen Standpunkte
der Einzelfiguren verteilt, um deren Eigenheit nachzuvollziehen und diesen Beziehungsraum, der zwischen
ihnen entsteht, zu erleben. Ob »Das Versprechen« nun
eine Versammlung von lauter Männern sei oder eine
Gruppe verschleierter Frauen, ob die Kopfbedeckungen
Trachtenhauben einer bestimmten Epoche zeigen oder
es sich um ein politisches Treffen von Amtsträgern
handelt – dem Wunsch nach Festlegung auf der Seite
der Betrachtenden stellt Stephan Guber eine bewusste
Offenheit gegenüber. Offenheit bezüglich den viel-
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Die ernsten und würdevollen Figuren stehen mit
zurückgeneigten Oberkörpern in einer Haltung des
Wartens da, nur teilweise dem Objekt allgemeinen
Interesses in der Mitte zugewendet. Betrachten sie
es überhaupt oder geht deren Blick darüber hinweg?
Unser Blick zielt unwillkürlich auf das Zentrum der
Figurengruppe und schafft eine diagonale Blickachse, bildet den Bezug zum Boden und eröffnet die
Möglichkeit der Identifikation; ohne dieses Element
würden die überlebensgroßen Körper eine Spezies
für sich bilden. Welchen Charakter hat ihr Warten
– freudige Erwartung scheint es weniger zu sein als
vielmehr ein verstohlenes bis misstrauisches Beäugen. Was wird aus dem übergroßen Ei – ist es taub
oder birgt es neues Leben? Es ist unklar, ob es sich so
entwickeln wird wie erwartet. Wer von ihnen hat das
Ganze überhaupt initiiert? Fragen nach dem Ursprung
in der Vergangenheit, nach dem jetzigen Augenblick
und der zukunftsorientierten Hoffnung tauchen auf
und Geschichten entzünden sich ganz unwillkürlich an
den Eindrücken.
Diesen offenen Erlebnisraum zu schaffen ist ein Anliegen des Künstlers, der die Aktivität der Betrachtenden
hoch schätzt. In der Annäherung an die menschliche
Gestalt, die Stephan Guber in seinem bildhauerischen
Werk realisiert, gelingt dem Betrachter eine Wahrnehmung des Menschen in seinem geschichtlichen
Gewordensein, seinen sozialen Beziehungen und
seinen bewusstseinsmäßigen Dimensionen – und
erfährt dadurch das Wesentliche seiner selbst.
Skulpturengruppen: Das Versprechen
das Versprechen
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
Im Verlauf seiner bildhauerischen Arbeit ist Stephan Guber
zunächst von unbekleideten
Menschenfiguren ausgegangen.
Allmählich treten durch bloße
Schnitte im hölzernen Corpus
Andeutungen von Verhüllungen
auf, bis schließlich in
»Das Versprechen« durch die
gekerbte Stofflichkeit auch die
Frage nach der Viel-Schichtigkeit
der menschlichen Natur
im übertragenen Sinne
aufgeworfen wird.
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
Entstehung der Gruppe
»Das Versprechen« vor Ort
in ca. acht Wochen
Positionierung der Eichenstämme,
Durchmesser bis zu 1 m,
Gewicht ca. 2 t pro Stück
Abendliche Kunstgespräche
(24.8. + 10.9. + 23.9.2010)
Eröffnung 8.10.2010
mit Performance:
Ausdruckstanz Andrea Du Bois,
Musik Andreas Müller
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Skulpturengruppen: Das Versprechen
Vita
1965 geboren in Bad Nauheim, wohnt in Nidda
1987 – 1989 Studium an der FH Wiesbaden
Seit 1987 Studienreisen durch Skandinavien,
Färoer, Island, Grönland
1998 – 2004 4 x Künstlersymposium Herrnhaag
2006 - 2010 3 x Künstlersymposium Laubach
2 x Int. Bildhauersymposium Davos, Schweiz
2007 + 2009 Bildhauersymposium Bad Salzhausen
2009 Arbeitsreise durch Skandinavien
International Woodsculpting Symposium
in Kemijärvi, Finnland
2010 Arbeitsreise Ungarn / Schweiz
Einzelausstellungen (Auswahl)
1990
Galerie »Weisse Stadt«, Köln
1991
Deutsche Terminbörse, Frankfurt a.M.
1992
Foyer-Galerie, Staatstheater Darmstadt
1993
Galerie Inny Slask, Tarnowskie Göry, Polen
1995
Museum Lorch am Rhein
Klostergalerie Rambin, Rügen
1996
»DOMUS DEI«, Quedlinburg
1998
»Sal terrae«, Bad Nauheim
2001
SEB-Bank, Hanau
2003
»Sonnensaiten«, Niddatal
2004
»König / -innen-«, Schloss
Freudenberg, Wiesbaden
2005
»stella maris«, Kunstverein Friedberg
2009
Rathaus Eschborn
2010
Rathaus Friedrichsdorf
Gemeinschaftsausstellungen (Auswahl)
1992
Kalvaria Galerie, Szeged, Ungarn
1993
Kunsthalle Darmstadt
»Tierstücke«, Kunsthaus Wiesbaden
Junge Deutsche Künstler, Plock, Polen
1999
Grafik der Gegenwart, Rheinisches
Landesmuseum Bonn
2006
»Plastische Perspektiven«, Bad Salzhausen
2009
Roermond Galerie DZD ART, Niederlande
Literatur
1992
Katalog Galerie »Weisse Stadt«
1994
»Erde Zeichen Erde« Int. Ges. d. Bildenden
Künste / BRD
1996
Katalog »Erdungen«; Wisperverlag
1997
Katalog »Dichtugen«
1998
Katalog »Sal terrae / Salz der Erde«
1999
Katalog »Ikarus«
2000
Katalog »Ecce homo«
2003
Katalog »Sonnensaiten«
2004
Katalog »König/-innen-«
2005
Katalog »stella maris«
2007
Katalog »drinnen wie draußen,
draußen wie drinnen« Katalog
1. Künstlersymposium Bad Salzhausen
2008
Katalog »das Paradies«
2009
Katalog 2. Künstlersymposium
Bad Salzhausen
Arbeiten im öffentlichen Raum (Auswahl)
Kreishaus Friedberg
OVAG – Friedberg
Stadt Bad Nauheim
Schloß Freudenberg Wiesbaden
Gemeindezentrum Niddatal
Skulpturenpark Bad Salzhausen
Davos / Schweiz
Skulpturenpark Bad Vilbel (ab 2008)
Skulpturenpark Eschborn (ab 2010)
Kemijärvi, Finnland
Vertreten mit vielen Arbeiten
in privaten Sammlungen
Preise / Auszeichnungen
2007
Nassauer Kulturpreis - Malerei
2010
1. Preis Skulpturenpark Mörfelden / Walldorf
Nassauer Kulturpreis - Kunst im freien Raum
Impressum
Herausgeber
Magistrat der Stadt Eschborn
Rathausplatz 36
65760 Eschborn
www.eschborn.de
Konzeption
Johanna Kiesel
Dipl. Kulturwissenschaftlerin
Kulturreferentin
Texte
Dr. Anette Naumann
Kunsthistorikerin
Gestaltung
Ottmar Schnee
Dipl. Designer AGD
Visuelle Kommunikation
Fotos
Edgar Defayay
Horst Eller
Stephan Guber
Johanna Kiesel
Ottmar Schnee
Eugen Sommer
Bjanka Tivanovac
Robert Wohlgemuth
Herstellung
GrafikAtelierDeutscher
GAD Offenbach
© 2011 Magistrat der Stadt Eschborn
Printed in Germany
ISBN 978-3-00-033760-4
www.stephan-guber.de