brennpunkt 3/2013
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brennpunkt 3/2013 4,00 Euro 29. Jahrgang Magazin für Fotografie Juli bis September 2013 Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene Portfolio Nadine Dinter FÜR ORIGINALE „Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de 2 brennpunkt 3/2013 P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T . Impressum: brennpunkt Magazin für Fotografie Erscheint vierteljährlich, erhältlich in Fotogalerien, Geschäften, Buchhandlungen und über Abonnement. Jahresabo 13,50 Euro Einzelpreis 4,00 Euro Konten: Postbank Berlin Konto-Nr. 3751 06-104 BLZ 100 100 10 Redaktionsschluss: jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat Herausgeber: edition buehrer c/o Dietmar Bührer Odenwaldstraße 26 12161 Berlin Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27 e-Mail: [email protected] Internet: www.edition-dibue.de Copyright bei Edition Druck: schöne drucksachen Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin Redaktion: Dietmar Bührer V.i.S.d.P. Michael Gebur Klaus Rabien Manfred Kriegelstein Udo Rzadkowski Hinweis: Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotografien wird keine Haftung übernommen. Andy Warhol & Weegee, o.J. © Weegee/ Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 Galerien Ute Behrend »Conifer Club / Second Glance« ................................................... CAMERA WORK rocks ...................................................................................... Lutz Matschke »Schaufenster Berlin« ................................................................. AnnA J. Franken »Versunken« ............................................................................. Janos Frecot »Die Jahre mit der Kamera« ........................................................... Arnd Weider »Foucault´sche Interieurs« ............................................................. Marek Požniak »Berlin-London-New York« ....................................................... Christian Reister »BERLIN TRILOGIE« ................................................................ 125 Jahre NATIONAL GEOGRAPHIC ................................................................ Kristin Maria Hachenberg »WASSER - SPIEGEL« ................................................. Lutz Müller-Bohlen »Faces of Rock« ................................................................... Frank Machalowski / Thomas Graichen »laut & leise« ......................................... Schidlowski, Sperling, Sundheim, Tschirner, Warmuth ........................................ Efraim Habermann »Berlin und auch Wilmersdorf« ............................................. Shooting Kitty – neun Fotografen, ein Model ...................................................... Ingo Porschien »Someone’s going to win the Lottery. Just not you.« .................. Calin Kruse »Raunen« ........................................................................................ Klassenausstellung »9Blickwinkel« ...................................................................... Harakiri / alles wird gut ...................................................................................... Dietmar Bührer »Grauzone Knast« ..................................................................... Bastienne Schmidt »Rituale« ............................................................................... Sameer Makarius »Buenos Aires in the Sixties« ................................................... The Flood Wall II – Projektion und Ausstellung um das Fotobuch ....................... Karin Idelson & Anke Schüttler »Privado« / »Book of Life« .................................. 5 6 8 9 10 12 14 16 19 20 21 22 23 24 26 28 29 30 32 33 34 36 37 38 Galeriebesprechungen Mixed Pixels (Klaus Rabien) ............................................................................... 39 Ausstellungen in Berlin ............................................................................................ 43 Ausstellungen Justine Wodtke »Jenseits der Schärfe« ................................................................. Ursula Kelm »weit draußen und tief drinnen« ...................................................... Weege »The Famous« ........................................................................................ Ono Ludwig »Ikonen und Helden Werkschau« .................................................. about – 16 fotografische Positionen..................................................................... 44 45 46 48 50 Portfolio Nadine Dinter ..................................................................................................... 52 Fotoszene UPON PAPER ..................................................................................................... Pepper & Winfried Bullinger ............................................................................... Efraim Haberman »zum 80.« ............................................................................... brennpunkt AWARD 2013 .................................................................................. Michael Gebur, Ulrich Meyer »Leben am Mekong« ............................................ Dietrich Oltmanns »Arche bauen ...« .................................................................. Edition Carpentier ............................................................................................... Kann man einem Bild trauen? (Manfred Kriegelstein) .......................................... 42 62 64 66 67 67 67 68 Buchbesprechungen Harald Hauswald »Ferner Osten« ...................................................................... Der große Fotokurs ............................................................................................ Fotografie als Meditation ................................................................................... Naturfotografie – die große Fotoschule ............................................................... 58 69 69 69 Vorschau 4-2013 ..................................................................................................... 70 brennpunkt 3/2013 3 Galerien Ute Behrend »Conifer Club / Second Glance« Ute Behrend arbeitet mit Bildpaaren, die sich wie in ihren in der Alfred Ehrhardt Stiftung gezeigten Serien »Second Glance« und »Conifer Club« zu Bilderzählungen zusammenfügen. Ihre Zusammenstellungen schaffen Assoziationsräume, die über das Einzelbild hinaus weisen. Dabei berücksichtigt die Künstlerin, dass das visuelle Assoziationsvermögen dem Sprachsystem voraus geht. Anders als die Sprache oder die Schrift greift die Fotografie als sehr direktes Mitteilungsmedium offensiv in die Vorstellungswelt ein. Die poetische Kraft ihrer Bilder beruht darauf, dass sie Gefühle von Berührtsein oder Unbehagen auslösen, die sich nicht erklären lassen. Für Ute Behrend sind »Intuition und die Suche nach Klarheit« die wichtigsten Parameter ihres künstlerischen Schaffens. Ute Behrend, 2011, 47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend, (Original in Farbe) In der eigens für die Alfred Ehrhardt Stiftung konzipierten Serie »Conifer Club« untersucht die Künstlerin ein gesellschaftliches Phänomen und seine Institutionalisierung: dass Koniferen als Platzhalter und Projektionsflächen für Ute Behrend, 2011, 47,7 x 60 cm, Fine Art private oder öffentliche Inszenierun- Print, © Ute Behrend, gen ihrer Freiheit beraubt und »verschö- (Original in Farbe) nert« werden. Die gestutzten Bäume und Hecken bezeugen auch »das vor- misstrauisch beäugt, zur Rede gestellt, programmierte Scheitern der rührenden ihre Autonummer wurde notiert, sie Bemühung, dem eigenen Dasein viel- wurde beschimpft und zu guter Letzt leicht doch so etwas wie Größe zu ver- - Ironie der Sache - hat man sie auch leihen« (Ute Behrend). Koniferen sind fotografiert. »Bleibt die Frage nach oft in bestimmten Dörfern und Stadt- der Pflanze: Mögen unsere schönen vierteln anzutreffen, wo sie von einem Brüder und Schwestern dies, was man erkennbaren Willen zur Gestaltung mit ihnen tut? Schwer zu sagen, aber zeugen. Die Sehnsucht des Hausbesit- eines ist sicher, sie wehren sich gegen zers nach einer leicht zu reinigenden die Form. Sie sind nur an Licht interesAußenanlage führt manchmal zu Tris- siert und dahin geht ihr tägliches Stretesse. Koniferen erscheinen als idea- ben. Zur wahren Größe eben«. les Mittel, dem abzuhelfen. Außerdem Ute Behrend bieten sie Sichtschutz, garantieren Privatheit und kommen dem Bedürfnis nach Sicherheit entgegen. Für die Foto- Eröffnung: grafin war es daher nicht immer einfach, Freitag, 5. Juli 2013 um 19 Uhr diese Serie zu fotografieren. Sie wurde in Anwesenheit der Künstlerin Ute Behrend, 2012, 47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend, (Original in Farbe) 6. Juli bis 22. September 2013 Alfred Ehrhardt Stiftung Auguststraße 75 10117 Berlin-Mitte Di – So 11 – 18 Uhr Do 11 – 21 Uhr www.alfred-ehrhardt-stiftung.de brennpunkt 3/2013 5 Galerien CAMERA WORK rocks Die eigenkuratierte Ausstellung zeigt mit über 100 Photoarbeiten der bekanntesten Künstler der Welt eine Auswahl an herausragenden Porträts der einflussreichsten Musiker der vergangenen Jahrzehnte. Zwischen Selbstverwirklichung und Selbstinszenierung Bedeutsame Porträtphotographien können ein Leben erzählen, das Persönlichkeitsbild und die Reputation in der Öffentlichkeit prägen, ein Image kreieren oder manifestieren und sich letztlich im kollektiven Bewusstsein verankern. Ein visuelles Bild korreliert mit dem Denkbild des Rezipienten und vervollständigt den Blick auf und die Meinung über die Persönlichkeit. Die Darstellung eines Musikers in der Photographie ist differenziert zu betrachten: Paparazzi-Aufnahmen, Dokumentar- oder On- Stage-Photographien besitzen sowohl einen individuellen ästhetischen als auch inhaltlichen Charakter und dienen jeweils anderen Verwendungszwecken. Alleinig der Photokunst bleibt es aber vorbehalten, eine Symbiose zwischen dem Photographen und dem Porträtierten entstehen zu lassen und das Bestreben beider nach künstlerischer Selbstverwirklichung umzusetzen. Nur dieses gemeinsame »Spiel« der Protagonisten lässt künstlerische Arbeiten entstehen, die sich durch eine herausragende Bildsprache, eine besondere Ausdruckskraft und Wirkung sowie einen teilweise inszenierenden, narrativen und stets faszinierenden Inhalt auszeichnen – und »CAMERA WORK rocks« gibt Einblick in diese Sphäre. Photographen wie Richard Avedon, Anton Corbijn, Annie Leibovitz, Gered Mankowitz oder Albert Watson haben viele der berühmtesten Musiker und Bands aus der Geschichte des Rock und Pop zu Symbolen eines Lifestyles geformt und mit ihnen gemeinsam einen bedeutenden Teil zur Prägung der Photokunst beigetragen. Queens, Bad Boys und Chamäleons Dementsprechend nicht als Chronik der Musikgeschichte, sondern als exklusive Auswahl herausragender Porträts der Photokunst aus über fünf Jahr6 brennpunkt 3/2013 © Ellen von Unwerth, Rihanna, 2009 zehnten zeigt »CAMERA WORK rocks« Künstlers Ralph Mecke. Auch Meister insgesamt über 100 Arbeiten mit mehr der Selbstinszenierung und Enfant Terals 30 Musikern und Bands, photogra- ribles wie die Rolling Stones – photographiert von über 20 der berühmtesten phiert von Sante D’Orazio, Peter LindPhotokünstler. Unter den ausgestellten bergh oder Terry O’Neill – und Iggy Pop Arbeiten befinden sich u.a. die legen- sind Teil der Ausstellung, die auch zahldäre Beatles-Serie von Richard Avedon, reiche weltbekannte Photographien von berühmte Porträts von Johnny Cash oder David Bowie präsentiert. Brian Duffys Tom Waits von Anton Corbijn, eines großformatiges Porträt von Bowie, welder bekanntesten Jimi-Hendrix-Port- ches 1973 für sein Album »Aladdin räts aller Zeiten von Gered Mankowitz Sane« gemacht wurde oder Albert Watoder eine moderne Photomontage im sons surreal anmutendes Bild des SänPanoramaformat von Kanye West des gers offenbaren die Wandelbarkeit und Galerien © Anton Corbijn, Patti Shmith © Olaf Heine, Snoop Dog, Los Angeles, 2004 Kander, Astrid Kirchherr, Steven Klein, Robert Lebeck, Annie Leibovitz, Peter Lindbergh, Gered Mankowitz, Elaine Mayes, Ralph Mecke, Romney Müller© Herb Ritts, Elton John, WITH TOP HAT, Los Angeles, 1989 Westernhagen, Eugenio Recuenco, Terry O’Neill, Bettina Rheims, Herb das verinnerlichte Kunstverständnis des pittoresker Ganzkörperakt der Sängerin Ritts, Paolo Roversi, Jerry Schatzberg, »Chamäleon des Pop«. Zwischen fan- Rihanna von Russell James reihen sich Martin Schoeller, Ellen von Unwerth, tasievoller Eigendarstellung und selbst in bedächtige, melancholische und fein- Albert Watson, u.a. kreierter Kunstfigur bewegen sich nicht fühlige Darstellungen ein. Der Rapper nur die Porträts von David Bowie. Auch Snoop Dogg in kriegerischer Pose, phoLady Gaga oder Boy George entfalten tographiert von Olaf Heine, oder eine vollends ihr Dasein als extravagante Darstellung von Sting mit der bekannt Schöpfungen in den Werken Ellen sinnlichen Bildästhetik von Paolo bis 17. August 2013 von Unwerth oder Michel Comte und Roversi offenbaren ruhige Stimmunerhalten ihre gerahmte Würdigung bei gen und zeigen eine weitere Facette Galerie Camera Work »CAMERA WORK rocks«. der emotionalisierten Inszenierung von Kantstraße 149 Dabei ist es nicht immer der exzent- Musikern in der Photokunst. 10623 Berlin-Charlottenburg rische Wahnsinn und stereotypisierte »Sex, Drugs and Rock’n’Roll«-Lebens- Künstler in der Ausstellung Di – Sa 11– 18 Uhr stil, der von Musikern nach außen Richard Avedon, Harry Benson, Michel getragen werden muss. Ein provoka- Comte, Anton Corbijn, Michelangelo Homepage: tives Madonna-Porträt von Herb Ritts, Di Battista, Sante D’Orazio, Brian www.camerawork.de ein laszives Gruppenporträt der Pussy- Duffy, Bob Gruen, Olaf Heine, Domi- Facebook: cat Dolls von Martin Schoeller oder ein nique Issermann, Russell James, Nadav www.facebook.com/cameraworkberlin brennpunkt 3/2013 7 Galerien Lutz Matschke »Schaufenster Berlin« Was ist wirklich? Was spiegelt wen? Angezogene Puppen hinter Glas. Lutz Matschke fotografierte in Berlin die Resultate einer Textilindustrie, der Modebranche, inszeniert in Schaufenstern. Das Zur-Schau-Gestellte sucht stetig unseren Blick. Wir stehen an der Seite des Fotografen und blicken von Außen. Wir behaupteten, wir wären achtlos an den Schaufenstern vorüber gegangen und ahnen doch, dass das nur die halben Wahrheit ist. Diese Fenster sind Teil einer Stadtkultur. Sie üben ihren Einfluss aus, haben Showcharakter, sind gegebenenfalls Event. Hier wird nicht aufgeklärt; hier wird geprägt. Das Geschäft ist dabei längst gemacht. Was wird dabei wem versprochen oder gehen wir mit dieser Frage bereits allem auf den Leim? Nicht zu übersehen: Individualisierungsverpflichtung als Chimäre eines Konsumversprechens. Die Folie: ein temporäres Ideal. Subjektivität, die ihre Zeit hat und auf der Haut getragen wird. Massenkonsum als Lieferant der Selbstinszenierung. Werbung als Verheißung, dass dies auf diesem Wege möglich sei (als schlössen sich Masse, Konsum und Subjekt nicht aus). Und schließlich: nicht selber sehen aber gesehen werden. Fassaden scheinbarer Bewegung. Moralischer Verschleiß. So viel Haut – und dennoch entsteht keine Erotik, nichts Amouröses. Es sind Oberflächen und diese werden zu Markte getragen; sie sind glatt, steril, aseptisch. Hinter den Scheiben Atmosphären von lauwarm bis kalt. Die Fantasie der Hersteller trifft auf die Fantasie der Werbegestalter, die nicht zwangsläufig eine freiwillige sein muss. Es wird nicht denunziert. Die Abhängigkeiten sind zu klar. Meinung ist nicht gefragt. Spannend wäre es allerdings. Alle funktionieren – und das sieht man - bis zum nächsten Mal. Die Fotografien deuten an, dass diese Räume ein Gegenüber haben; es muss irgendwo eine Gesellschaft geben. Bestenfalls ist sie es, die diesen Stillstand aufhebt und die dem Schein ein Ende macht. Uwe Warnke, Mai 2013 8 brennpunkt 3/2013 © Lutz Matschke, »CHANEL Berlin«, June 2011, LM 0128, (Original in Farbe) bis 18. Juli 2013 unterwegs Antiquariat & Galerie Torstraße 93 10119 Berlin-Mitte © Lutz Matschke, »STOFFHAUS Berlin«, Friedrichshain, March 2011, LM 0126, (Original in Farbe) Di – Fr Sa 15 – 19 Uhr 12 – 15 Uhr Galerien AnnA J. Franken »Versunken« AnnA J. Franken begann während ihres Stipendiums vom Fonds voor Podiumkunsten für Tangogesang in Buenos Aires (2011-2012) die Arbeit ihrer Musikerkollegen fotografisch zu dokumentieren. Ihr Fokus lag hierbei auf dem Einfangen der faszinierenden Atmosphäre von Konzerten: geprägt von den schummrig bis grellen Lichtverhältnissen der Theater, Bars, Spelunken und Wohnzimmer der Tangueros, dem Lebensgefühl der Menschen die den Tango erleben und dieses durch individuelle Mimiken und Gesten ausdrücken. © AnnA J. Franken © AnnA J. Franken, (Original in Farbe) © AnnA J. Franken Gesichter waren und sind der Schwerpunkt ihres fotografischen Tuns. Die Sängerin sucht das Gespräch mit der Person die sie portraitiert, sei es der Violaspieler im Café bei Probenpausen, die Journalistikstudentin inmitten ihrer viel zu kleinen Einzimmerwohung oder das Liebespaar das den Moment ihrer ersten Begegnung Revue passieren lässt. Es entstehen intieme Momentaufnahmen von Menschen die Geschichten aus ihrem Leben erzählen. bis 6. September 2013 Caritas Galerie Berlin Residenzstraße 90 13409 Berlin-Wedding © AnnA J. Franken, (Original in Farbe) Mo – Do 8 – 17 Uhr Fr 8 – 15 Uhr und nach Vereinbarung Telefon 030 666 331 044 www.caritas-spenden-berlin.de www.facebook.com/caritas. brennpunkt 3/2013 9 Galerien Janos Frecot »Die Jahre mit der Kamera« Manche Wunden des Krieges in Berlin waren bereits geheilt, als Janos Frecot zwischen 1964 und 1966 mit seiner Kamera durch die Stadt flanierte, ganz im Geiste Franz Hessels. Er interessierte sich für die steinernen Brachen, für die Denkmäler auf der leeren Bühne, die der Bombenkrieg und die Trümmerbeseitigung geschaffen hatten. In dieser Zeit entwickelte Frecot einen genauen und sachlichen Blick für die Berliner Architektur und stadtplanerische Details. So entstand in kürzester Zeit ein autonomes, konzeptionelles Werk einer provisorischen Stadtlandschaft fast ohne Menschen. Dabei konzentrierte er sich auf einen Teil Berlins rund um die südliche Friedrichstadt sowie auf Hausfassaden und Brandwände, die er mit all ihren Zeitspuren und großflächigen Schattenwürfen in unvergleichlichen Grauwertabstufungen wiedergab. Eine genaue Lokalisierung der Aufnahmestandpunkte ist für den heutigen Bildbetrachter schwer, mitunter unmöglich, zumal alle Bilder der Serie pauschal den schlichten Titel »Berlin 1965/66« tragen. Janos Frecot wurde im Nachkriegsberlin geprägt, nicht nur visuell. Dem jungen Mann, geboren 1937 in Freidorf, einem Stadtteil des westrumänischen Timisoara, und aufgewachsen in Erkner bei Berlin, wurde die Handhabung einer Kamera von seinem Vater vermittelt. Doch bis zu den ersten relevanten Aufnahmen war es noch ein weiter Weg. 1957, kurz nach dem Abitur, kaufte er sich eine gebrauchte Balgenkamera und richtete sich bald danach eine eigene Dunkelkammer ein. Doch erst die Aufnahmen des Bildhauersymposiums im österreichischen St. Margarethen von 1964 bewertet er selbst als erste inhaltlich und künstlerisch akzeptierte Sequenz im eigenen Werk. Sie stehen formal den etwa gleichzeitig entstandenen Stadtaufnahmen in Berlin nahe. Eine Auswahl von 20 Berlin-Motiven publizierte er bereits 1965 unter dem schlich10 brennpunkt 3/2013 © Janos Frecot, Berlin 1965/66 ten Titel »Mauern« in kleiner Auflage im Berliner Madgalinski Verlag. Janos Frecot war in den wenigen Jahren als Fotograf nicht am schnellen, politischen Tagesgeschehen interessiert, sondern an den langsamen, schleichenden Veränderungen im Gefüge der Stadt. So fokussierte er seinen Blick auf die häufig ruinöse Gründerzeitarchitektur, gleichsam auf das Skelett der kriegsversehrten Stadt. Wir entdecken nur marginale Hinweise auf das sich langsam normalisierende Leben in dieser aufgeräumten Trümmerwelt, etwa auf den Zirkus Sarrasani, eine Tankstelle oder das winzige Schild eines Fotoateliers, das als einziges inmitten von Kriegsruinen zahlende Kunden anlocken sollte. Mauern und die Lücken zwischen den Ruinen mit all ihren Zeitspuren blieben bei Frecot in den meisten Fällen Hauptmotive: So wird auch die Leere zum Motiv, vielleicht zum Symbol für die Hoffnung auf den visionären Architekturentwurf. Frecot nimmt mit seiner Fotografie keine Wertung vor, sondern zeigt schlicht den Ist-Zustand – und legt mit seinen Bildern der stummen, steinernen Zeugen den Finger in die noch offene Wunde der schwierigen, lange währenden Kriegsbewältigung. Viele der Aufnahmen zeigen fleckige Oberflächen der Brandwände, die auch Zeitzeichen und Zeitschichten sind, wei- Galerien © Janos Frecot, Berlin 1965/66 © Janos Frecot, Berlin 1965/66 terhin Risse, an manchen Stellen abgeplatzter Putz, wodurch das Ziegelmauerwerk sichtbar wird, oder verwitterte Werbeschriften, mit denen für Waschmittel, Leihhäuser und Beerdigungsinstitute geworben wird. An manche Hauswände haben Kinder mit Kreide ein Fußballtor aufgezeichnet; die freie Fläche zwischen den Häusern wird zu einem Rückzugsort kindlichen Spiels, es kommt zu einer Rückeroberung und Umwidmung städtischen Raumes. Stets ist es ein Spiel mit Oberflächen, mit hermetischen und blickdichten Wänden und architektonischen Außenhäuten, die keinen Blick auf das Dahinterliegende zulässt. Manche urbane Freifläche verwandelt sich trotz ihrer Weite in eine klaustrophobische Enge. Verblüffend bleibt, dass die Berliner Mauer, die für nahezu alle damals nach West-Berlin reisenden Fotografen zu einem wichtigen Bildmotiv wurde, bei Frecot überhaupt keine Rolle spielte, ebenso wenig die Architektur der Grenzanlagen mit Stacheldraht und Wachtürmen. Dabei war Frecot immer wieder auch in der Nähe der Mauer unterwegs; er unterschied nicht zwischen Hauptwegen und Nebenwegen auf seinen Streifzügen über die Insel West-Berlin. Ihm ging es nicht um eine lückenlose und beispielhafte Charakterisierung seines Hauptaufnahmeortes, vielmehr um eine teilweise kaum zu lokalisierende, aber typische Architektur der Stadt. Auf diese Weise verschob er traditionelle Charakteristika der Stadtfotografie. Seine fotografische Position bleibt ungewöhnlich und solitär. Die legendäre Aufnahme des einflussreichen Grenzgängers Arno Fischer, der »Riss in der Mauer« eines Wohnhauses in BerlinWedding von 1953, steht am Anfang dieses grundsätzlichen wie sinnbildhaften Mauer-Themas – und wird 1965 von Frecot mit ähnlicher Radikalität einer Detailansicht unbewusst paraphrasiert. Das was wir auf seinen Bildern nicht sehen (können), ist die Begeisterung für das Werk einiger Kollegen, stattdessen äußerte er seine Zuneigung in Gesprächen mit Studenten oder in Form von Essays: Die Freude etwa mit Blick auf manche Aufnahmen von Herbert Tobias, mit denen dieser eine zugleich freudige und melancholische Stimmung einfing, die wohl nur derjenige verstehen und erspüren konnte, der damals in ähnlichen Verhältnissen in Berlin lebte und auf diese Stadt schaute. Wer Frecot bei seinen Vorträgen oder Seminaren erlebte, kam in den Genuss eines tiefen Verständnisses und einer grundlegenden Kenntnis um das Medium Fotografie – jenseits kunsthistorischer oder bildwissenschaftlicher Terminologie. Nach den Stationen Werkbund-Archiv und Akademie der Künste folgte 1978 eine Position, die indirekt auch die Beschäftigung mit der eigenen Fotografie weiterführte, die er zwölf Jahre zuvor aufgegeben hatte: Für die Berlinische Galerie, das Landesmuseum für Bildende Kunst, baute er unter den Direktoren Eberhard Roters und Jörn Merkert eine fotografische Sammlung auf, die nicht nur in Berlin ihresgleichen suchte und die er bis zur Pensionierung im Jahr 2002 leitete. Die immer weiter wachsende Sammlung wurde in zahlreichen thematischen oder monografischen Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau, dem früheren Kunstgewerbemuseum, gezeigt – und zwar zu einem Zeitpunkt, als es für die Fotografie in Berlin kaum andere Ausstellungsorte gab. So entstand ein bedeutendes Lebenswerk, aktiv und vermittelnd, von dem ein wichtiges Kapitel, eine in nur drei Jahren entstandene subjektive Zeitgeschichte Berlins in Bildern, nun endlich wiederzuentdecken ist. Matthias Harder Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch im Nicolai-Verlag: Janos Frecot Die Jahre mit der Kamera Fotografien aus Berlin 1964–1966 ca. 120 Seiten, ca. 75 Abbildungen im Duotone, ca. Euro 39,95 25. August bis 29. September 2013 Kommunale Galerie Hohenzollerndamm 176 10713 Berlin-Wilmersdorf Di – Fr Mi So 10 – 17 Uhr 10 – 19 Uhr 11 – 17 Uhr brennpunkt 3/2013 11 Galerien Arnd Weider »Foucault’sche Interieurs« Die Räume, die Arnd Weider in Berlin und anderswo in Szene setzt, haben es (im wahrsten Sinne des Wortes) in sich: Denn sie tragen etwas in sich oder auf den sie begrenzenden Wänden, etwas Auratisches, Metaphysisches. Weider ist mit seiner Architekturphotographie auf der Suche nach dem Foucault’schen Begriff der Heterotypien. Dies sind, so der französische Philosoph Michel Foucault, wirksame Orte, in die die Gesellschaft hineingezeichnet ist – es seien tatsächlich realisierte Utopien. Und Weider wird auf dieser Suche immer wieder fündig. Der Flughafen Tempelhof entspricht beispielsweise diesem Schema. Ausgestattet mit dem »Tempelhof-Schöneberger Fotostipendium« fotografierte er dort vor zwei Jahren ausgiebig – und nennt die Bildserie »Das Provisorium«. Vieles in der Berliner Architektur (aber nicht nur hier) gleicht einem Provisorium. »Zwischennutzung« ist nicht nur zu einem geläufigen, ja inflationären Begriff geworden, faktisch ist sie eine aus der Not geborene Tugend. Und Flughäfen sind genuin transitorische Orte, Schleusen zwischen den kaum fassbaren Zeitstufen Nicht-Mehr und Noch-Nicht. Der Tempelhofer Flughafen hat bekanntlich eine wechselvolle Geschichte: Er war nach seiner Eröffnung 1923 einer der ersten großen Flughäfen in Europa, steht aber auch für die verbrecherische Ideologie der Nationalsozialisten sowie später, zu Zeiten der so genannten Luftbrücke, für die Hoffnung einer ganzen Stadt. In mehreren Bauabschnitten, zuletzt während des NS-Regimes, entstand eines der größten Gebäude der Welt. Der zivile Luftverkehr lief dort (auf recht niedrigem Niveau) immer weiter und wurde erst vor fünf Jahren eingestellt. Inzwischen gastiert dort in einigen Gebäudeteilen mal eine Modemesse, mal eine Kunstmesse. Es gibt viele Vorschläge für eine zukünftige Nutzung 12 brennpunkt 3/2013 © Arnd Weider, Flughafen Tempelhof, Eingangsbereich, aus der Serie: Das Provisorium, Berlin 2011, (O.i.F. ) (oder Zwischennutzung), vielleicht wird auch das Alliiertenmuseum dort eines Tages untergebracht. Arnd Weider sucht in den Gebäuden und Räumen des ehemaligen Flughafens nach Zeitspuren, die die unterschiedlichen politischen Systeme, die unterschiedlichen Gebäudefunktionen und die vielen Menschen dort hinterlassen haben. Im Idealfall existiert im finalen Bild nicht nur das Provisorische oder Zeitspezifische sondern auch ein Nebeneinander der Zeiten. Zeitspuren und Zeitschichten existieren fast überall, in Kirchen und Bürgerhäusern, in Sportstadien oder Arbeitsämtern. Doch Arnd Weider spürt mit seinem Werk besondere Orte auf, in denen eine besondere atmosphärische Stimmung herrscht, die er kongenial ins Bild übersetzt. Möglicherweise würden wir diese Stimmung, die wir in der Aufnahme spüren können, im realen Raum nicht empfinden. In diesem Fall wäre Weiders photographischer Blick mehr als eine Übersetzung, vielmehr eine Stilisierung oder Inszenierung. Galerien Mal besticht in seinen Aufnahmen die kühle Funktionalität in Axel Schultes Krematorium, mal die klinische Reinheit im Krankenhaus Moabit – Räume mit zartem Lichteinfall oder überstrahlten Fenstern. Dann wiederum begegnet uns das noch heute erhaltene propagandistische Menschenbild in Form eines Flachreliefs im Berliner Olympiapark und schließlich immer wieder auch pure, schlichte Räume, nach mehreren Renovierungsschritten zeitlos, ohne Verortung. Der leere, schmucklose Raum ist dann nurmehr bloße Hülle. sis-Bildserie thematisiert er Wahrnehmung, eine Verbindung sinnlichen und kognitiven Erfassens. Vor seiner Photographieausbildung unter anderem an der Ostkreuzschule studierte er unter anderem Philosophie – und inzwischen verbindet er konsequent und intelligent diese unterschiedlichen Interessensgebiete. Dem eigentlichen photographischen Werk vorgeschaltet ist die Suche nach einem geeigneten Ort sowie die Recherche und Analyse dieses Ortes als Untersuchungsgegenstand. Die jüngste Bildserie entstand in Prora unter dem Titel »Schichtungen« – noch ein Relikt aus der NS-Zeit mit ihrer damaligen architektonischen Großmannssucht. Heute gleicht dieses völlig überdimensionierte Ferienlager an der Ostsee, dessen Bau zu Kriegsbeginn gestoppt und dennoch später unterschiedlich genutzt wurde, einer Märchenlandschaft, wie Weider es nennt. Es sind Häuser, die langsam zerfallen, eingebettet in einen geradezu mystischen Wald. So entsteht in seinen Aufnahmen eine unentwirrbare Melange aus Vergangenheit und Gegenwart, aus Wirklichkeit und Illusion, kurzum: die Verdichtung deutscher Geschichte und der unterschiedlichen Ideologien der vergangenen acht Jahrzehnte. Der Flughafen Tempelhof wird von Weider hingegen in überraschenden, unterschiedlichen Blickwinkeln porträtiert: Dem Photo der Glasfassade im Eingangsbereich sieht man keineswegs die enorme Größe der dahinter liegen- © Arnd Weider, Flughafenhotel, aus der Serie: den repräsentativen Halle an und in den Das Provisorium, Berlin 2011, (O.i.F.) technischen Räumen des Flugzeugbaus entdeckt man an den Wänden zahlrei- Der Photograph arbeitet in Serien, und che Schleifspuren oder Staubablagerun- er arbeitet mit seinen Mittel- und Großgen. Dieses flächige Bild besteht eigent- formatkameras formal und inhaltlich auf lich nur aus der rückliegenden Wand, sehr hohem Niveau. Es sind auch sozieinem Stück Boden und Decke; eine ologische Studien, kritische Bestandsraumkonstituierende Ecke existiert hier aufnahmen, die wie jede Photogranicht. Die Funktionalität des Stahlträ- phie zugegebenermaßen subjektiv bleigers, jenseits seiner statischen Bedeu- ben. Weider untersucht unsere Lebenstung, erschließt sich uns nicht mehr, und räume inklusive ihrer Effizienzkriterien, das angeschnittene Verkehrsschild am dies wird besonders deutlich in der rechten Bildrand lässt den Ort weder Sequenz mit dem Titel »Aisthesis«, enteindeutig als Außen- oder Innenraum standen über einen Zeitraum von sechs Arnd Weider ist natürlich nicht der erste erscheinen. Weider zwingt uns grund- Jahren, zwischen 2005 und 2011. Er Photograph, der sich selbst, ohne Aufsätzlich zum genauen Hinschauen und zeigt dort Außenräume und Naturele- trag, solche gesellschaftlich relevanten Nachdenken. mente, etwa blickdichte Hausfassaden Themen setzt, aber er formuliert es mit und einzeln stehende Bäume. Auch hier seiner Kamera autonom, ungewöhnlich Die völlige Aufhebung früherer Funktio- fehlt der Mensch, der die Architektur und überzeugend. nen fällt schließlich auch beim Bild des gebaut und die Natur domestiziert hat: Matthias Harder ehemaligen Flughafenhotels ins Auge: Es sind Abwesenheitsnotizen, gemeinWeider wählt ein einfaches Zimmer und hin Stellvertreter. blickt dort in eine Raumecke mit halb- Mitunter überrascht, ja verstört die radizugezogenem Fenster. So entsteht auch kale Leere und Stille der menschenleehier unweigerlich ein Dualismus zwi- ren Räume. Photographieren ist für ihn schen Innen und Außen, selbst wenn ein kontemplativer Moment, ein Verdie freiliegende Fensterhälfte hell über- schmelzen äußerer und innerer Wahrstrahlt und insofern blind bleibt. Die frü- nehmung; insofern spiegeln seine Aufheren Nutzer des Hotelzimmers sind nahmen auch eine innere Weltsicht kaum mehr zu imaginieren. Alle diese wieder – und entsprechen vielleicht Orte sind aufgegeben, verblasst, verges- einer Art Selbstportrait. bis 26. Juli 2013 sen und haben höchstens in einer radikalen Umnutzung eine Zukunft. Durch Mit bewusst gewählten Kameraperspek- Rathaus Tempelhof das Bild wird der Ort dem Vergessen tiven und im Wechselspiel zwischen Tempelhofer Damm 165 entrissen, jedoch nur exemplarisch und Dokumentation und Inszenierung kre- 12099 Berlin-Tempelhof nur für einen kurzen Moment. iert Weider diese Räume erst für unsere Rezeption. Insbesondere mit der Aisthe- Mo – Fr 9 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 13 Galerien Marek Požniak »Berlin – London – New York« Photographien von 1985 bis 2010 Lichtstrahlen fallen durch ein Loch in einen dunklen Kasten und erzeugen auf der gegenüber liegenden Fläche ein Abbild der Außenwelt. Das Prinzip der »Camera obscura« war lange bekannt, bevor es den Pionieren der Photographie gelang, diese Zeichnungen des Lichts auf Bildträgern zu fixieren. Joseph Nicéphore Niépce hielt 1826 den Blick aus seinem Arbeitszimmer in Le Gras auf die umliegenden Gebäude und die Landschaft fest. Das früheste erhaltene Papiernegativ aus dem Jahre 1835 von Sir William Henry Fox Talbot zeigt ein Erkerfenster in Lacock Abbey, und Louis Jacques Mandé Daguerre gelang schließlich 1838 eine detailreiche Photographie vom Boulevard du Temple in Paris. Aufgrund der langen Belichtungszeit werden die bewegten Fußgänger und Pferdekutschen in Daguerres Aufnahme unsichtbar, nur zwei Personen sind dank ihrer ruhigen Körperhaltung sichtbar geblieben: ein Schuhputzer und sein Kunde. Marek Požniaks Photographien erinnern an diese Magie der Anfänge. Wo Dauerhaftigkeit und flüchtiger Moment zusammenkommen, Formen sich hier verdichten und dort © Marek Požniak, Berlin-Schöneberg im Licht vergehen, entstehen Kompositionen von faszinierender Schönheit. Berlin, London, New York: Tausendfach Požniak verführt uns zum Sehen. Er sind uns die Ansichten dieser Metropozeigt was wir zu kennen glauben, Men- len vertraut, in denen das Leben verschen mit Rucksäcken und Sonnenbril- meintlich nie stillsteht. Požniak durchlen, die flanieren, zur Arbeit gehen, tele- wandert sie mit dem Blick eines guten fonieren oder in den Straßencafés sitzen. Freundes, der ihre maskierten und Zugleich erscheinen die Protagonisten unmaskierten Gesichter kennt – und seiner Bilder herausgelöst aus dem Fluss beide Seiten liebt. Er folgt den alltäglider Zeit; der Musikant auf der Brücke, chen Wegen der Menschen, den belebdie Wartenden an den Bahnsteigen ten Straßen, dem Verlauf der Stadtbahebenso wie die Skulptur im Park, das nen, Brücken und Tunnels, den gläabgestellte Fahrrad, die Zuckerdose auf sernen Gewölben der Bahnhofshallen dem Tisch – Spuren menschlicher Prä- und Shopping Malls. Leise Melanchosenz, die in Požniaks Aufnahmen wie lie schwingt mit, wenn er unscheinin unserem Gedächtnis Abdrücke hin- bare und doch eigenwillige Orte aufterlassen. spürt, den verlassenen Vergnügungs14 brennpunkt 3/2013 park, den versteckten Winkel zwischen Graffiti und Ziegelmauern. Der Photograph nimmt sich Zeit, um die Motive in seinem Inneren sichtbar werden zu lassen, bevor er die Kamera einsetzt. Dem Aspekt des Offensichtlichen, des schnellen Zugriffs setzt er ein Moment der Verzögerung entgegen, den subtilen Einsatz der künstlerischen Mittel, der auch den kleinen und beiläufigen Dingen Bedeutung zugesteht. Unter dem Deckmantel des Vertrauten führen Marek Požniaks Bilder ein zauberisches Eigenleben. Galerien © Marek Požniak, The Museum of Modern Art, New York Er arbeitet mit Unschärfen und Spiegelungen, mit den Wirkungen des Lichts, das Strukturen schafft und Räume öffnet, das einerseits präzisiert und beleuchtet, andererseits verbirgt und verwischt. Mit Bedacht wählt er Standort und Ausrichtung seiner Kamera, bestimmt die Komposition durch räumliche Tiefenwirkung, perspektivische Linienführung oder angeschnittene Gegenstände. Andere Motive sind in verschiedenen Bildebenen gestaffelt, geometrisch flächenhaft gestaltet oder ziehen an uns vorüber, während wir aus dem Fenster eines fahrenden Zuges schauen. Die Wirklichkeit ist auch eine Frage der persönlichen Wahrnehmung, und Požniaks Photographien machen dies deutlich. Wenn die im Schaufenster eines Ladens ausgestellten Schuhe scheinbar zu laufen beginnen, wenn die Stammkneipe zu einem geheimnisvollen Ort wird, dann spiegelt sich in diesen Bildern das Staunen über eine Welt, die es neu zu entdecken gilt, eine Welt voller Codes, an denen wir uns orientieren, ohne uns dessen bewusst zu sein. Požniak macht diese Regeln sichtbar, indem er sie bricht. In ungewohnter Untersicht richtet er im New Yorker Museum of Modern Art sein KameraAuge auf Andy Warhols weltberühmte Pop Art Sequenz der Campbell-Suppendosen. Schon der Verlust der bekannten plakativen Farbigkeit bewirkt Erstaunliches, unsere Seh-Erwartungen werden © Marek Požniak, Berlin-Kurfürstendamm © Marek Požniak, Flatiron Building © Marek Požniak, London ebenso außer Kraft gesetzt wie die von Zur Ausstellung erscheint ein Warhol intendierte Gleichförmigkeit. Katalog: Die einfache photographische Technik, die Ungleichmäßigkeit des Lichts Marek Požniak und die Schatten der vorübergehen- »Berlin - London - New York« den Museumsbesucher verleihen dem Photographien von 1985 - 2010 Kunstwerk, dem wir bereits einen festen Hrsg. Johanna Breede Platz zugewiesen haben, ein neues PHOTOKUNST Dasein in der Zeit. mit Textbeiträgen von Enno Kaufhold Požniak nutzt abstrahierende und ver- und Susanne Schmid einfachende wie verfremdende und Berlin 2013 irritierende Elemente, um sowohl die Realität, als auch deren Transformation ins Bild zu setzen. All dies geschieht in unmittelbarer Nähe zum Betrachter, alles steht zu ihm in Beziehung, denn bis 11. August 2013 letztlich ist es unsere Vorstellungskraft, die hier auf besondere Weise aktiviert Johanna Breede wird. Indem er auf photographische PHOTOKUNST Urformen zurückgreift, berührt Marek Fasanenstraße 69 Požniak verborgene Erinnerungsbilder, 10719 Berlin-Charlottenburg angedeutete Erzählungen, die zur individuellen Fortsetzung freigegeben sind. Di – Fr 11 – 18 Uhr Susanne Schmid Sa 11 – 16 Uhr brennpunkt 3/2013 15 Galerien Christian Reister »BERLIN TRILOGIE« Berlin kann ganz still sein. Auch wenn alle so tun, als befinde sich die Stadt in einem ewigen Bedeutungsrausch aus Kreativität, Party und Umsturz, finden sich doch immer genug Nischen, in denen eigentlich gar nichts wichtiges passiert. In diesen Ecken stöbert Christian Reister die ganz normalen Menschen auf: Alte und Junge, Tagträumer und Nachtschwärmer, graue Mäuschen und affektierte Selbstdarsteller. Sie bewegen sich am Rande des Geschehens, tun oft nichts und verfangen sich doch immer wieder in Situationen von wunderbar abseitiger Skurrilität. So werden sie auf Reisters Fotos festgehalten, die unter ihrer oft humorvollen Oberfläche immer auch ein wenig Melancholie in sich tragen und einen besonderen, subjektiven Blick auf das Leben im heutigen Berlin werfen. Die Ausstellung »Berlin Trilogie« in der traditionsreichen Photogalerie im Café Aroma vereint Fotografien der Arbeiten ALEX (Berlin, Alexanderplatz 2008-2010), NACHT (seit 2001, work in progress) und Straßenfotografie aus den letzten acht Jahren. © Christian Reister, Berlin 2010, (Original in Farbe) analoge Gegenbewegung drei Dinge in mein Leben geschlichen: die Lust an langen Spaziergängen, vor allem auch nachts, häufiger eine Reise in irgendeine Stadt und die Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel. Alles drei passt ja wunderbar zusammen. Mit der Zeit habe ich begonnen, mich ernsthafter mit Fotografie zu beschäftigen. Aus der spaßigen Freizeitbeschäftigung wurde Passion und da ich diese schon immer hauptsächlich auf der Straße betrieben habe, haben mich dann auch bald die Meister dieses Genres am meisten beeindruckt: Frank, Winogrand, Klein, Erwitt... all diese New Yorker Fotografen. Aber auch Martin Parr war für mich damals eine ganz große Entdeckung. lichen Leben einen gewisse Urkraft der Fotografie liegt, die mir so unendlich mehr gibt und über unsere Gesellschaft verrät, als die aufwändigsten Inszenierungen. Einfach weil nichts planbar ist und ich am Ende des Tages – wenn es gut läuft – ein Bild mit nach Hause nehme, das mir die Welt ein bisschen anders zeigt, als ich sie bisher gesehen habe. Pepper: Du hast in London und New York Einheimische fotografiert, aber eher im klassischen Portraitbereich, in Berlin hast Du Dich intensiv mit dem Das Interview ist in seiner ursprüngliTreiben der Menschen auf dem Alexanchen und ungekürzten Fassung im Mai derplatz beschäftigt. Sind es bestimmte 2013 auf http://blog.pepperproject.de Städte und dort bestimmte Orte, die erschienen. Dich vor allem anziehen, oder hast Du Deine Kamera grundsätzlich bei Dir Bis ich mich selbst an Menschen ran- und benutzt sie auch tagtäglich; ist es getraut habe, hat es einige Zeit gedau- also eher ein Zufall, dass durch Deine Christian Reister im Gespräch mit ert und letztlich habe ich mir das auch aktuellen Publikationen und AusstelPepper. alles nicht überlegt sondern habe in lungen der Eindruck einer sehr gezielerster Linie immer einfach gemacht. ten Location-Suche entsteht? Irgendwann wurde der Begriff »Street Pepper: Du hast Dich in Deiner Arbeit Photography« dann wieder populär und Christian Reister: Nun, es ist schon so, als Fotograf vor allem auf die Street ich dachte, super, da kannste dich ein- dass ich die Kamera immer dabei habe Photography konzentriert. Wie hat sich reihen, da haste nen Label, das passt und laufend am »einsammeln« bin. Eine das entwickelt? schon irgendwie, Erklärung ende. Auch gezielte Locationsuche gibt es daher wenn ich mich im Detail wenig für die eher nicht. Die Projekte entstehen da, Christian Reister: Ich kam zur Fotogra- Definition oder Abgrenzung zu ande- wo ich eben bin. Meistens ist das Berlin. fie in einer Zeit in der ich sehr stark in ren Genres interessiere und ich vieles, New York und London sind Städte, die meinen Brotjob als Webdesigner einge- was unter »Street Photography« läuft, mir von mehreren Aufenthalten und bunden war. Ende der Neunziger war gähnend langweilig finde, glaube ich wahrscheinlich auch von der Mentaliich Ende zwanzig und saß quasi Tag und doch, dass in den ungestellten, spon- tät her recht vertraut sind. Die GrundNacht am Computer. Da haben sich als tan erfassten Momenten aus dem öffent- lagen für die angesprochenen Arbeiten 16 brennpunkt 3/2013 Galerien Christian Reister: Beides. Pepper: Gibt es Situationen, Motive, in bzw. bei denen Du eine Technik bevorzugst? Was sind die jeweiligen Vorteile der einen Technik gegenüber der anderen, wenn man Street Photography betreibt? © Christian Reister, Berlin 2012 sind alle mehr oder weniger spontan auf ob Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt der Straße entstanden. Wobei die Stra- macht kaum Unterschied... Kurz: das ist ßenportraitserien jeweils in drei Tagen dort alles irgendwie so uncharmant mit fertig waren, ALEX hat mich dann zwei all seiner Antiästhetik, dass es bei mir Jahre beschäftigt. ein gewisses »jetzt erst recht« hervorruft. Wer sind die Menschen da? Was Pepper: Was hat Dich am Alexander- machen die da? Und siehe da – ich habe platz gereizt? mich dann auch immer mal wieder dabei ertappt, wie ich dort fröhlich zur Christian Reister: Seit ich 1997 nach Bulette mein Bier getrunken habe und Berlin gekommen bin, bin ich meist durchaus auch mal zu dem ein oder mehrmals die Woche am Alex, meist anderen Schlager mitgesummt habe, einfach nur um von der einen Bahn der dort über die Betonplatten weht. Na in die andere umzusteigen, kurz eine also, geht doch. Erledigung zu machen oder sonst wie durchzuhuschen. So wie es alle ande- Pepper: Mir gefällt Dein Buch mit den ren in aller Regel auch machen. Bemer- Alex-Fotos ziemlich gut. Mit was für kenswert an diesem Platz ist ja, dass er einer Kamera hast Du hier gearbeitet? allgemein als ziemlich hässlich und unwirtlich wahrgenommen wird. Städ- Christian Reister: Mit einer recht unspektebauliche Maßnahmen haben zumeist takulären Kompaktknipse. Neu für mich zur Folge, dass er danach noch unschö- war damals die 24 mm Brennweite und ner, grauer und grauseliger daherkommt die Bildproportion 16:9. Beides benutze als vorher. Das sind so Phänomene, die ich sonst nicht und hat der Arbeit einen mich staunen lassen. Wie kann das besonderen Stempel aufgedrückt. denn eigentlich sein, dass in der Mitte von Berlin-Mitte, die gerne für das tren- Pepper: Was benutzt Du denn sonst? digste und yuppihafteste gehalten wird, Also, was für Kameras. was die Haupststadt zu bieten hat, der größte und bekannteste Platz derart une- Christian Reister: Kommt aufs Projekt legant daherkommt? Mit allerhand Festi- an. Meist Kameras, die in die Jackentavitäten wird immer mal wieder versucht, sche passen. 35 mm, nichts ungewöhnein wenig Gemütlichkeit auf den Platz liches. zu zaubern. Dann werden die immergleichen Buden notdürftig dem jeweili- Pepper: Analog, digital, oder beides? gen Anlass entsprechend umdekoriert – Christian Reister: Farbarbeiten digital, die neue Serie NACHT allerdings war von vornherein als schwarz/weiss und grobkörnig angedacht, da arbeite ich dann lieber mit Film als Digitalbilder umzuwandeln. Obwohl das natürlich auch ein völlig legitimes Mittel ist, ich bin da kein Dogmatiker. An der Arbeit mit Film schätze ich u. a. auch, dass man das Ergebnis nicht immer gleich sieht und ich lasse die Filme gerne lange liegen, bevor sie entwickelt werden. Das entschleunigt die Arbeitsweise und trennt die Bilder besser vom persönlich Erlebten zum Zeitpunkt der Aufnahme. Pepper: Was heißt, lange liegen lassen? Gleich mehrere Monate oder einfach nur ein paar Tage? Christian Reister: Ruhig ein paar Monate. Pepper: Wieso denkst Du, dass der noch vorhandene Eindruck des gerade erst Erlebten Dich in einer objektiven Beurteilung der gemachten Aufnahmen beeinflussen könnte? Als Seherfahrener Mensch kannst Du doch die Spreu vom Weizen trennen. Christian Reister: Naja, kühne Behauptung. Ich kenne keinen Fotografen, der bei der Beurteilung der eigenen Arbeit nicht seine Schwierigkeiten hat, das Bild von der erlebten Realität zu trennen. Das ganze Drumrum, die Geräusche, die Gerüche, die Atmosphäre eines Ortes, die eigene Verfassung etc. schwingen ja aus der Erinnerung mit, wenn ich mein eigenes Bild betrachte. Das Bild selbst klingt und riecht aber nicht. Hat noch nicht mal eine dritte Dimension. Das ist einfach nur ein flaches Oberflächenabbild, bei dem es ja auf ganz andere Kriterien ankommt als im »richtigen« Leben. Um das klarer sehen zu können, hilft es mir, die Bilder zeitlich getrennt vom Geschehen zu betrachten. Das habe ich brennpunkt 3/2013 17 Galerien ja aber nicht erfunden, Henry Wessel z.b. ist ein bekannter Vertreter dieser Methode. Pepper: In dem bisher Gesagten beziehst Du Dich ausschließlich auf Amerikaner, die in der Street Photography aktiv waren oder es im hohen Alter eventuell noch sind. William Klein allerdings lebt und arbeitet in Paris. Was aber ist mit deutschen Fotografen? Da gibt es niemanden, der Dich interessiert? Hier gab und gibt es doch auch Straßenfotografen - klingt merkwürdig auf Deutsch, ich weiß - die einiges geleistet haben. Ist es, weil die deutschen Fotografen eher mit einem dokumentarischen Ansatz an die Sache ran gegangen sind, und nicht mit diesem experimentellen Ansatz, wie er bei- © Christian Reister, Berlin-Mitte, 2011 spielsweise von Winogrand und Klein gepflegt wurde? Bereich Street Photography, um wieder auf unser eigentliches Thema zurückChristian Reister: Ja – das mit dem zukommen? Gibt es hier andere Inte»eher dokumentarischen Ansatz« trifft ressen seitens der Kritik, der Galerien, es sicherlich. Trotzdem gibt es natür- der Medien etc. Was für Erfahrungen lich auch hier viel zu entdecken. Fried- hast Du hier? rich Seidenstücker mag ich für seinen liebevollen Humor, Harald Hauswand Christian Reister: Sicher - die Fotografie schätze ich wegen seiner authentischen und vor allem die Straßenfotografie hat Geradlinigkeit und Gundula Schulzes in Amerika seit je her einen ganz andefrühe Arbeiten – Berlin in einer Hunde- ren Stellenwert. Die gehört da einfach nacht – sind großartig. Letztere würde zur Kultur und war ja auch schon viel man gemeinhin aber nicht als Straßenfo- früher eine anerkannte Kunstform. tografin bezeichnen. Vielleicht sind die Ich beklage das aber nicht. Es gibt in Deutschen einfach auf anderen Berei- Deutschland, besonders in Berlin, genug chen erfolgreicher. Becher, Gursky etc. Raum, das auszuleben, sowohl was das - das ist ja eine völlig andere Welt. Und Fotografieren angeht als auch die Aussehr deutsch. stellungsmöglichkeiten. Im ersten Halbjahr 2013 habe/hatte ich Ausstellungen Pepper: Meinst Du, die Deutschen sind in Kneipen, Off-Galerien, einem Hotel, eher für die Verwaltung und geordnete einem italienischen Restaurant und – in Archivierung von Motiven gut? Die Wien – in einen »Schauraum für Mode Bechers mit ihren Wassertürmen, Can- und Fotografie«. Das sind alles keine dida Höfer, die die Pariser Oper oder subventionierten Kunstadressen und Bibliotheken dokumentiert, usw.? das ist doch großartig! In gewisser Weise hängen die Bilder dort wo sie herkomChristian Reister: Deine Formulierung men. Ich würde mich nicht gegen eine ist lustig. Da grinse ich mir eins und Ausstellung in einem Museum wehren, lasse das gerne so stehen. aber notwendig ist das nicht. Neue Wege der Zurschaustellung der eigePepper: Wenn die deutsche Fotogra- nen Arbeit bietet das Internet und es ist fie in Deinen Augen ihre ganz spezi- immer einfacher, selbst Künstlerbücher ellen Eigenarten hat, wie sieht es dann zu produzieren und auch ein Publikum mit der Rezeption von Fotografie in dafür zu finden. Deutschland aus. Ist diese nach Deinen Erfahrungen auch anders als beispiels- Pepper: Wie benutzt Du das Internet weise in den USA, also vor allem im um Deine Arbeit zu verbreiten? 18 brennpunkt 3/2013 Christian Reister: Ich habe eine Website mit den wichtigsten Arbeiten darauf (reister-images.de) und betreibe ich einen Blog (blog61.com), auf dem ich hin und wieder Fotos poste, ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudere und auf Fotografen, Veröffentlichungen oder Ausstellunge hinweise, die ich gerade bemerkenswert finde. Nach langer Verweigerungshaltung nutze ich mittlerweile auch Facebook. Und: Ich vertreibe meine Bücher über meine Website. Ohne Verlag, ohne Dealer, alles direkt vom Erzeuger. Dafür gibt es ein weltweit überschaubares aber sehr interessiertes Publikum. bis 6. Oktober 2013 Café Aroma Photogalerie Hochkirchstraße 8 10829 Berlin-Schöneberg Mo – Fr 18 – 24 Uhr Sa + So 14 – 24 Uhr und nach Vereinbarung Galerien 125 Jahre NATIONAL GEOGRAPHIC Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus und National Geographic Deutschland präsentieren im Berliner Willy-BrandtHaus eine Auswahl der faszinierendsten Fotografien aus der 125-jährigen Geschichte des legendären Magazins mit dem gelben Rahmen: 55 außergewöhnliche Bilder, die Expeditionen und Reportagen des Magazins der National Geographic Society von der Gründung im Jahr 1888 bis heute widerspiegeln. © Dieter Schonlau, Wurzel eines Urwaldbaums, Borneo, 2011, Original in Farbe © Steve McCurry, Afghanisches Mädchen in einem pakistanischen Flüchtlingslager, 1984, Original in Farbe © George Steinmetz, Karawane in der Wüste, Niger, 1999, Original in Farbe Zu sehen ist unter anderem das wohl National Geographic Deutschland ist bekannteste National Geographic - das Magazin der National Geographic Titelmotiv: das berührende Porträt Society, einer der größten gemeinnützieines afghanischen Flüchtlingsmäd- gen Wissenschaftsorganisationen weltchens, fotografiert von Steve McCurry. weit. Die US-amerikanische GesellNational Geographic-Fotograf Carsten schaft, die 2013 ihr 125-jähriges BestePeter entführt die Betrachter in bizarre hen feiert, hat seit ihrer Gründung mehr mexikanische Kristallhöhlen, mit Emory als 10.000 Forschungsprojekte geförKristof geht es zum Wrack der Titanic. dert. Unter dem Motto »Inspiring people Außerdem umfasst die Jubiläumsaus- to care about the planet« berichtet das stellung Bilder von Jodi Cobb, David Magazin mit dem gelben Rahmen funDoubilet, Annie Griffiths, Paul Nicklen, diert, authentisch und unterhaltsam Joanna Pinneo, Norbert Rosing, Chris über Naturwissenschaften und AstronoJohns und vielen weiteren Fotografen. mie, Geschichte und Archäologie, ferne Länder, Klimawandel und Nachhaltig- keit. Das Magazin erscheint seit 1999 auch in Deutschland. Eröffnung: 11. Juli 2013, um 19:30 Uhr 12. Juli bis 14. August 2013 Freundeskreis Willy-Brandt-Haus Willy-Brandt-Haus Stresemannstraße 28 10963 Berlin-Kreuzberg Di – So 12 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 19 Galerien Kristin Maria Hachenberg »WASSER - SPIEGEL« Fotografische Impressionen aus Berlin, Potsdam, Mali, Taiwan und Venedig Durch wechselnde Lichtintensität, Wind oder Fließbewegung wird die Wasseroberfläche zur Projektionsebene für ungewöhnliche Bildschöpfungen. Neue flüchtige sich ständig verändernde Reflexionen entstehen, die durch ihre grafische Wirkung oder die unerwartete Farbigkeit faszinieren. Sie existieren jedoch nur für einen kurzen Moment und schaffen einmalige verfremdete Abbilder der Realität. © Kristin Maria Hachenberg, »Aufstrebend«, Taschkent 2012, Original in Farbe) © Kristin Maria Hachenberg, »Sich auflösend V«, Venedig 2011, Original in Farbe) Geboren und aufgewachsen in Berlin. Architekturstudium TU Berlin, Freiberufliche Tätigkeit im Bereich Städtebau / Architektur in Berlin, Essen, Hannover und Stuttgart, Fotografie, Freihandzeichnen sowie Verfassen von Prosa als berufsbegleitende künstlerische Tätigkeiten,seit 1990 Vertiefung der künstlerischen Fotografie, Mitglied im Stuttgarter Künstlerbund e.V., im Württembergischen Kunstverein, im Deutschen Verband für Fotografie (DVF) und der Gesellschaft für Fotografie (GfF). 20 brennpunkt 3/2013 Lebt in Berlin und Stuttgart, seit 2007 zahlreiche Fotografieausstellungen (Einzel- und Gruppenausstellungen in Berlin, Plochingen, Solingen, Stuttgart, Tübingen, Zürich) bis 31. August 2013 Galerie Altes Rathaus Steglitz Schlossstraße 37 2. OG 10165 Berlin-Steglitz Mo – Fr © Kristin Maria Hachenberg, »Nur ein Moment I«, Berlin 2008, Original in Farbe) 8 – 18 Uhr www.fotokunst-kristinhachenberg.de Galerien Lutz Müller-Bohlen » Faces of Rock« Lutz Müller-Bohlen genannt Gramm, geboren am 21.1.1962 in Flensburg mit dänisch/polnisch/deutschen Wurzeln lebt seit 10 Jahren in Berlin, Prenzlauer Berg. Das Abseitige, Ungewöhnliche, aus dem Strom des alltäglichen Herausstechende ist es, was sowohl den Künstler als auch den sozial engagierten Menschen Müller-Bohlen interessiert, reizt, herausfordert. Schnell und handwerklich sicher arbeitet der gelernte Fotograf. Hier wirken sich auch 20 jährige leitende Tätigkeiten im psychiatrischen Bereich (»wir heilen eigentlich durch Liebe«) und als langjähriger sozialmedizinischer Sachverständiger unmittelbar aus: der intensive Umgang mit Menschen, die Beobachtung von Gefühlen, Gesten, Betonungen, Nuancen und seine unverrückbare Überzeugung, dass jedem Menschen eine einzigartige Schönheit zu eigen ist.. © Lutz Müller-Bohlen, Les Holroyd - Barclay James Harvest, (O. i. F.) Die Fähigkeit zum würdevollen Raumlassen, trotz intensivster Nähe, ist das unverwechselbare Markenzeichen seiner Portraits: alle Details der Gesichtslandschaften – Hautporen, Falten, Tränensäcke – sind messerscharf gezeichnet und überdeutlich zu erkennen. Und fügen sich doch zu einem ausdrucksstar- © Lutz Müller-Bohlen, Nigel Kennedy, (Original in Farbe) ken menschlichen Antlitz von Schönheit zusammen. Und so ergänzen sich deutige Positionierung gegen Ausgren- Vernissage in idealer Weise die menschlichen, die zung, Unterdrückung und Ausbeutung 5. September 2013, 19 Uhr künstlerischen, sowie die handwerk- des Individuums. Große Anerkennung lichen Qualitäten Müller-Bohlens Er finden seine Arbeiten zum Thema Antifindet das Besondere und hat die Fähig- faschismus und seine seit inzwischen keit, den Betrachter in seine Sicht auf 7 Jahren laufende fotografische DokuMenschen einzufangen. mentation von Konzenterationslagern Kai Müller 6. September bis 4. Oktober 2013 Lutz Müller-Bohlen erstellt seine Künstler-Portraits und Bühnenfotos für Fotogalerie Friedrichshain online-portale, Radio- und FernsehsenHelsingforser Platz 1 der, sowie die Deutsche Presseagentur, 10243 Berlin-Friedrichshain die seine Arbeiten weltweit vermarktet. Der zweite Schwerpunkt seiner künstDi, Mi, Fr, Sa 14 – 18 Uhr lerischen Tätigkeit ist die klare, einDo 10 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 21 Galerien Frank Machalowski Thomas Graichen »laut & leise – zwei Sichten auf Berlin« Die Stadt schläft nicht. Sie schweigt nicht. Sie gibt sich stets lärmend, lebhaft und ruhelos. Sie wird beherrscht von der Geräuschkulisse des urbanen Lebens, von Stimmen, Schritten und Motoren. Doch gibt es in der Stadt auch verschwiegene Winkel, versteckte Oasen der Stille, Orte, die sich dem hektischen Treiben entziehen, Orte, an denen die Stadt schlummert und ruht. © Thomas Graichen © Frank Machalowski © Frank Machalowski © Thomas Graichen Diesen Blickwinkeln folgend präsentieren Frank Machalowski und Thomas Graichen unter dem Titel »Laut & Leise« ihre zwei Sichten auf Berlin. Die Fotografien Frank Machalowskis konzentrieren sich auf das laute Berlin, auf Orte und Plätze mit regem Geschehen. Nicht selten sind seine Motive über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und als touristische Attraktionen das Ziel zahlloser Besucher. Die Menschen werden in seinen Bildern jedoch zu bloßen Schatten. Sie überlagern und vervielfachen sich zu einem stetigen Strom, zu einer fließenden Spur in der Zeit. Was bleibt sind die Bauwerke. Sie bilden die Konstanten. Die Gebäude, Gebilde und Skulpturen sind aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen, ebenso wie die unterschiedlichen Besucher sie betrachten, deren Blicken Frank Machalowski fotografisch folgt. Die Multiplikation und Intensivierung der Positionen und Blickfelder scheint die Bauwerke zu verzerren und auf ihren Kern zu reduzieren. Sie vibrieren regelrecht unter dem Versuch, die Zeit selbst in den Bildern einzufangen. dieser stillen abgelegenen Orte wurde von Menschenhand geformt, bearbeitet, betoniert, bebaut, beschnitten, umzäunt, beschriftet, begrenzt, in sein Regelwerk gezwungen und schließlich sich selbst und der Zeit überlassen. Das vermeintliche Schweigen des Raumes und der Objekte birgt somit seine ganz eigenen Geheimnisse. Es wirft unausgesprochene Fragen auf – nach den menschlichen Abdrücken, nach ihren Spuren vielleicht und nach den Geschichten, die diese Orte erzählen wollen. Diese Fragen, Geheimnisse und Geschichten sind die Fährten, denen Thomas Graichens Bilder folgen und den Betrachter mitnehmen auf eine Reise zur stillen Seite der Stadt. © Thomas Graichen 10. August bis 1. September 2013 Die Fotografien Thomas Graichens hingegen beleuchten die leisen Seiten der Stadt. Es sind versteckte und unbekannte Orte, manchmal nicht weit vom pulsierenden Leben der Stadt entfernt, manchmal nur über lange und labyrinthi- Vernissage: sche Spaziergänge zu erreichen. Jeder 9. August 2013, 19 Uhr 22 brennpunkt 3/2013 aff Galerie Kochhannstraße 14 10249 Berlin-Friedrichshain Sa + So 14 – 17 Uhr www.aff-galerie.de Galerien Arno Schidlowski Kim Sperling Jens Sundheim Kathrin Tschirner Marco Warmuth Masterklasse Ute Mahler und Vincent Kohlbecher © Jens Sundheim, (Original in Farbe) Im September 2013 zeigt die aff-Galerie Arbeiten der ersten Masterklasse von Ute Mahler und Vincent Kohlbecher an der HAW Hamburg. Die Ausstellung vereint die unterschiedlichen Positionen von fünf Fotografen, alle mit differenzierter Herangehensweise und Bildsprache aber dem Drang und Bestreben, selbst frühere Arbeiten in Frage zu stellen und dem kuratorischen Blick der Ostkreuz-Fotografin Ute Mahler und der Erfahrung des früheren STERN- Fotografen Vincent Kohlbecher auszusetzen. Die Ergebnisse dieser mehr als zweijährigen Zusammenarbeit spiegeln die Vielfalt, Standpunkte und Sichtweisen der Teilnehmer wider. So reicht das Spektrum der ausgestellten Themen von naturphilosophischer Tierfotografie über die Entwicklung städtischer Räume bis hin zu fantastischen Modewelten. © Jens Sundheim (Original in Farbe) © Kathrin Tschirner, (Original in Farbe) © Arno Schidlowski, (Original in Farbe) © Kathrin Tschirner (Original in Farbe) Vernissage: 14. September 2013, 19 Uhr © Marco Warmuth (Original in Farbe) © Marco Warmuth (Original in Farbe) 15. September bis 6. Oktober 2013 Dieses spannende Zusammenspiel führt kuratierte Ausstellung ein eindrucksvoldem Betrachter sowohl die Möglichkei- les Beispiel selbstbewusster und krea- aff Galerie ten moderner Ablichtung als auch tra- tiver deutscher Nachwuchsfotografie Kochhannstraße 14 10249 Berlin-Friedrichshain ditionell analogen Ausdrucks vor Augen, dar. lässt ihm Raum für Interpretationen und Sa + So 14 – 17 Uhr überrascht mit neuen künstlerischen www.aff-galerie.de Ansätzen. So stellt die von Ute Mahler brennpunkt 3/2013 23 Galerien Efraim Habermann jamin, Rilke, Stefan George, Heinrich Mann, Walter Leistikow oder Max Pechstein; der Anteil der jüdischen Bewohner war bis 1933 relativ hoch. «Berlin und auch Wilmersdorf« In dem Film »Hitchcock« von 2012, in dem es um die Entstehung des Psychothrillers »Psycho« geht, sagt Alfred Hitchcock alias Sir Anthony Hopkins über sich selbst: »Ich bin nur der Mann in der Ecke mit der Kamera, der zusieht«. Der Mann, den ich Ihnen heute vorstellen will, ist kein Regisseur, sondern ein Fotograf, der seit fast einem halben Jahrhundert mit der Fotokamera zusieht: einem Berlin, wie es keiner kennt, Venedig, wenn die Gondeln Trauer tragen, oder Jerusalem, wenn die Sonne ihre gleißenden Strahlen auf die HolocaustGedenkstätte Yad Vashem wirft. Am 19. Juni 1933 in Berlin geboren, floh Efraim Habermann wegen seiner jüdischen Abstammung 1939 mit seinen Eltern über Triest nach Palästina und lebte dann in Jerusalem. 1957 kehrte er an die Spree zurück, seit ca. 1970 wohnt er im Ortsteil Wilmersdorf, der zu seiner zweiten Heimat wurde. Zunächst war er bei Berliner Senatsbehörden als graphisch-technischer Zeichner tätig und fand dann den Weg zur Fotografie, für die er sich schon immer interessiert hat: Ende der sechziger Jahre war er einer der Ersten im Westen der Spree-Metropole, der Kunstfotografien an Tageszeitungen verkaufte. Seine Arbeiten erschienen in Tageszeitungen, Fachzeitschriften und Büchern, einige befinden sich in privatem wie öffentlichem Besitz. Auch Ausstellungen haben sein Schaffen gewürdigt, so 1975 im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße, 1976 in Paris im Maison de la France, 1983 in der Berliner Neuen Nationalgalerie oder 2011/2012 hier in der Kommunalen Galerie. © Efraim Habermann, » Fahrrad vor der Neuen Nationalgalerie«, Berlin (Anm. der Redaktion: Mit diesem Fahrrad unternahm der Fotograf seine Fototouren durch Berlin) um den Bezirk zu fotografieren. Doch heraus kamen keine touristenfreundlichen oder dokumentarisch exakten Fotos von markanten Orten und Architekturen, keine um Glamour und Effekt bemühten Bilder von einer Stadt, die mit etwa zwei Millionen Einwohnern bis 1989 eine Insel für politische Utopisten, Wehrdienstverweigerer, Glücksritter, gesellschaftliche Losers und Outsiders inmitten eines feindlich gesonnen Landes war, das aber die gleiche Sprache sprach. Den Fall der Mauer hielt damals noch kaum einer für möglich. Habermann fotografierte 1982 Wilmersdorf als eine Art von überzeitlichem Berlin, das er, der gebürtige Berliner und Heimkehrer, aus einer ihm eigentümlichen Distanz beobachtete: einer Distanz, die weder verurteilt noch glorifiziert, sondern Vorgefundenes nochmals neu entdeckt. Es ist ein Berlin, das aber auch nur hier, in Berlin, stattfinden kann. So gibt es auf seinen Bildern die berlintypischen maroden Mauern, auf denen er in einer leeren Kartusche neben den Graffitis ironisch seine Signatur setzt, oder die er zur Sehdiagonalen einer Aufnahme macht, die in einem der damals für Wilmersdorf noch charakteristischen Hinterhöfe mit Kleingewerbe mündet – heute sind sie weitgehend wegsaniert. Es gibt bei Habermann die prunkvollen Architekturen des Viertels wie den neobarocken Palast der Universität der Künste, dessen einstiger Glanz mittels der Kamera durch LichtSchatten-Wirkungen zum Mythos wird. Oder es gibt die verwunschenen Winkel, wie die unter Schnee begrabene Figur des Hasen für die Hasensprungbrücke zwischen Diana- und Königssee in Grunewald, oder den noch nicht von Hunden und ihren Herren irritierten Grunewaldsee, den Habermann in einem traumvollen Schwarz-Weiß versinken ließ. Stets treten seine Fotografien leise auf, auch, wenn der Mensch, meist als Einzelperson, innerhalb der Historie der Stadt ins Blickfeld gerät: die junge Frau, die auf den nackten Bänken eines Gartenlokals, womöglich ein Vorgänger des heutigen Parkcafés am Fehrbelliner Platz, die Sonnenstrahlen genießt, stört nicht die Idylle, die Licht und Schatten auf das Holz zaubern. Habermann suchte nicht nach Motiven, er fand sie - auf den Straßen von Wilmersdorf, das damals knapp 140.000 Einwohner hatte und 2001 mit den Ortsteilen Halensee, Schmargendorf und Grunewald zum Bezirk CharlottenburgWilmersdorf fusionierte. Ursprünglich eine Ansiedlung von Bauern und Fischern durch die Markgrafen von Bran- Eine Habermannsche Spezialität sind denburg, entwickelte sich das Dorf Ende die Brechungen des Motivs in Fensdes 19. Jahrhunderts im wirtschaftlichen tern und Verglasungen, war doch sein Boom der Gründerzeit zum Wohnort erstes wichtiges Foto 1968 die Spiegeund zur Sommerfrische für betuchte lung der Matthäuskirche in den ScheiDie knapp 50 Fotografien, die Sie Berliner und Stadtflüchtlinge und erhielt ben der Neuen Nationalgalerie Berlin. heute erleben, waren bis jetzt noch 1906 das Stadtrecht. 1920 nach Groß- Vor dem Museum stand sein Fahrrad, nicht öffentlich zu sehen. Sie entstan- Berlin eingemeindet, lebten in Wilmers- mit dem er seine Streifzüge durch die den 1982, als das Kunstamt Wilmers- dorf auch viele Intellektuelle und Künst- Stadt unternahm. dorf Efraim Habermann los schickte, ler wie Harry Graf Kessler, Walter Ben24 brennpunkt 3/2013 Galerien auslage im Dämmerlicht reduziert, aber immer noch David genug, verweist nur durch die hingekritzelte Telefonnummer auf eine Adresse, über die vielleicht Auskunft zu erlangen ist über den Herrn im Adamskostüm. © Efraim Habermann © Efraim Habermann Kaum lassen sich Vorbilder aus der Fotografiegeschichte ausmachen. Eher entdeckt Efraim Habermann Analogien zu bereits bekannten Motiven: so erinnert die im spitzen Winkel aufgenomme Ansicht des Gebäudes an der U-Bahnstation Spichernstraße, in den 1970ern errichtet, damals Sitz der Wohnungsbaukreditanstalt, heute der Investitionsbank Berlin, an New York, nämlich an das Flat Iron Building. Wie Sie sehen, kann, wenn wir mit Efraim Habermanns Augen denken, Manhatten auch an der Spree liegen. Lassen wir außer Acht, dass heute der Tiergarten bei den Skycrapers des Potsdamer Platzes auch Ähnlichkeit zum Central Park in Manhattan aufweist, aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, nur mit dem historischen Unterschied, dass der Tiergarten älter ist als der New Yorker Rasen. Fazit: der Mann mit der Kamera, der zusieht und am liebsten sich selbst fotografieren würde, hat keine Vorbilder, nur eines vielleicht, wie er zugibt: Paul Cézanne, für ihn der »Verdi der Malerei«. Begonnen hat Habermann seine fotografische Karriere mit einer Kodak Retina Reflex, seit 1978 benützt er bevorzugt die Leica Spiegelreflexkamera, doch ist das Modell für ihn nicht so wichtig: »es ist ja auch egal, ob ein Schriftsteller mit der Feder oder der Schreibmaschine schreibt«, sagt er. Zu seinen Motiven zählen neben seinen Lieblingsstädten Venedig und Berlin auch Frauen, die, um seinen Ansprüchen an die Frau als Frau zu genügen, alle Efraim Habermann heißen müssten. Feind der Raffinessen und Rapiditäten der heutigen digitalisierten Bilderwelt, fotografiert Habermann ausschließlich in Schwarz-Weiß und entwickelte bis vor Kurzem seine Aufnahmen noch selbst, jetzt überlässt er es einem Fachlabor. Dafür hat er seit einigen Jahren begonnen zu malen - kleinformatige Aquarelle, die mit den konstruktivistisch-suprematistischen Bildwirklichkeiten eines Piet Mondrian oder Kasimir Malewitsch ein ironischbuntes Spiel treiben. Sie sind derzeit in der Galerie Carlos Hulsch zu sehen. Habermann ist einer jener Stadtflaneure der Wirklichkeit, die schon im Aussterben begriffen sind. Korrekt gekleidet mit Anzug und Krawatte, das Kavalierstuch von passender Farbe in der Brusttasche und die Hornbrille als Markenzeichen, tritt der avancierte Tee- und Kaffeetrinkerr gegen eine gewisse Unkultur von Heute an, die sich dem City-Cycling und dem Coffee-to-Go verschrieben hat und nicht daran denkt, für den Abend noch einmal das T-Shirt oder Hemd zu wechseln. Auch plädiert der passionierter Raucher für separierte SmokingAreas in seinen Stammlokalen, in denen der Fotograf, der ursprünglich einmal Maler oder Opernsänger werden wollte, auch gerne Verdi-Arien singt - oft zum Ergötzen der Gäste. Hoch versiert in der jüdischen Geschichte, ist Efraim Habermann auch zu Gesprächen über die Frauenquote, die Ähnlichkeit zwischen Jazz und Renaissance-Musik, den Preisboom auf dem Kunstmarkt oder Fußball bereit und wettert als bekennender Cineast über das Fernsehprogramm, das er gerne eintauscht gegen DVDs aus der Traumfabrik Hollywood. Sein nächstes Ziel? Die in Berlin lebende Literaturnobelpreisträgerin Hertha Müller im close-up. Zum 80. Geburtstag: nochmals: alles Gute! - Und Ihnen viel Vergnügen mit einem Wilmersdorf, wie es keiner kennt. Dr. Angelika Leitzke, Berlin, Juli 2013 Fotografie ist für Habermann nicht reine Ablichtung des Gesehenen, sondern wird zur Frage nach Realität und Abbild, letztendlich nach dem, was hinter den Dingen steckt, die für uns scheinbar die Wirklichkeit bedeuten. Seine Aufnahmen entschleunigen eine immer schneller werdenden Welt, gefrieren sie ein zum Moment eines Stilllebens, das - auch im Sinne der alten »Vanitas« - an die Vergänglichkeit allen irdischen Seins erinnert. So spontan die Aufnahmen wirken, so sind sie doch entstanden durch bewusstes Kalkül hinsichtlich Komposition, Ausschnitt und Lichtwir- siehe auch Seite 64 / 65 kung, die im Prozess der Filmentwick- Galerie Carlos Hulsch lung nochmals gefiltert wurden. Indirekt 80 Jahre Erfraim Habermann lehrt Habermann den Betrachter dabei ein neues Sehen, gerne auch ironisch: was schon allzu bekannt erscheint, wird durch seine Linse verfremdet, um so 7. Juli bis 29. September 2013 auch die Historie des Ortes nochmals unter die Lupe zu nehmen und - bloß Kommunale Galerie zustellen. Oft muss man genau hinse- Hohenzollerndamm 176 hen, um das Motiv zu dechiffrieren – 10713 Berlin-Wilmersdorf was manchmal spannend wird: Michelangelos muskelstrotzender »David«, Di – Fr 10 – 17 Uhr zwar zur Statuette einer Schaufenster- Mi 10 – 19 Uhr brennpunkt 3/2013 25 Galerien Shooting Kitty – neun Fotografen, ein Model Der Sommer ist immer gut für Experimente. So hält es auch die Carpentier Galerie in Berlin, die im August neun Fotografen und Fotografinnen bzw. Künstler eingeladen hat, gemeinsam eine Ausstellung zu bestreiten mit Fotos, die sie von dem Berliner Model Kitty Wild gemacht haben. Es ist ja kein neues Phänomen, dass sich mehrere Kreative unabhängig voneinander dazu entscheiden, mit ein und demselben Model zusammenzuarbeiten. Man denke da nur an Kiki aus Paris, die vor allem in den 1920er und 1930er Jahren viele Künstlerfreundschaften pflegte, einigen Künstlern Muse und Geliebte war und sich unter anderem von Man Ray, Berenice Abbott, André Kertesz und Jean Cocteau fotografieren ließ. In heutiger Zeit könnte man Kate Moss als Beispiel anführen, die freilich berufsbedingt vor vielen Kameralinsen stand, aber einigen Fotografen wohl ebenfalls Muse war. Kitty Wild ist nun kein Weltstar wie die Moss und auch noch nicht Kunstgeschichte wie Kiki, aber sie lebt in Berlin, das nach wie vor Kreativhauptstadt Deutschlands ist und in dem Menschen, die künstlerisch arbeiten, die experimentieren und sich ausleben wollen ein fruchtbares Gelände finden. Unter anderem als Burlesquetänzerin tätig ist Kitty in den vergangenen Jahren zahlreichen Fotografen und Künstlern begegnet, von denen einige darum baten, sie fotografieren zu dürfen. So wurde sie auch Model und hat inzwischen etliche Fotoshootings absolviert. Eine Auswahl der Fotografen, die in den vergangenen zwei Jahren mit ihre gearbeitet haben, stellt die Carpentier Galerie jetzt aus und präsentiert so ein Spektrum von Bildern das von Glamour über Portrait und Akt bis hin zu frei inszenierten Themen reicht. Insgesamt neun Fotografen und Fotografinnen sind so in dieser aufregenden Sommerausstellung zu sehen. In alphabetischer Reihenfolge 26 brennpunkt 3/2013 © Jan Sobottka, (Original in Farbe) © Philipp Hille, (Original in Farbe) sind dies: Julija Goyd, Philipp Hille, Fay sche Portraits spezialisierte Neuling in Nolan, pepper, Wolfgang Petrick, Rio der Szene pepper, der bevorzugt einSchmidt, Jan Sobottka, Benita Sucho- fache analoge und digitale Kameras drev und Ivan Toskanelli. für seine Arbeit verwendet. Der Maler, Zwei von ihnen hatten gerade erst Einzel- Zeichner und Bildhauer Wolfgang ausstellungen in der Carpentier Galerie Petrick ist der wohl ungewöhnlichste gehabt; so Jan Sobottka, der vor allem Teilnehmer dieser Ausstellung, denn als Chronist der Berliner Kunstszene seine Aufnahmen von Kitty und andebekannt geworden ist und seit nunmehr ren Models dienten ihm zunächst ledigacht Jahren auf seiner Homepage caton- lich als Material für seine Arbeit. Seit bed.de Aufnahmen von Künstlern, Aus- einiger Zeit werden diese wild inszestellungen und anderen Veranstaltun- nierten Fotografien allerdings auch als gen publiziert, als auch der auf eroti- eigenständige Werke in Ausstellungen Galerien © Pepper, (Original in Farbe) Suchodrev, die in letzter Zeit vor allem mit ihrer Bildserie Woman in Heat, Portraits und Akte von Frauen über 40, in Ausstellungen und Medien präsent war, sowie die ehemalige Finanzmanagerin und jetzt erfolgreiche Fotografin und Filmemacherin Julija Goyd runden mit ihren Studio- beziehungsweise Außenaufnahmen von Kitty diese Ausstellung in perfekter Weise ab. Es macht Spaß zu sehen, wie unterschiedlich neun Menschen ein und dasselbe Model sehen und ins Bild setzen. Shooting Kitty ist ein Must-See für jeden Fotoenthusiasten im August. © Wolfgang Petrick, (Original in Farbe) Schau und stehen kurz vor der Beendigung ihrer Ausbildung zum Fotografen am Berliner Lette Verein. Beide haben bereits mit eindrücklichen Werkzyklen berechtigte Aufmerksamkeit auf sich gelenkt und entwickelten zusammen mit Kitty Wild extra für die Ausstellung extra neue Portraitideen. Philipp Hille aus Dresden hingegen ist bereits seit langer Zeit mit Kitty Wild befreun© Julija Goyd, (Original in Farbe) det und begleitet diese Freundschaft seit jeher auch mit der Kamera. und Publikationen gewürdigt und neu- Der in Toyko lebende Werbe- und erdings von dem Kurator und Sammler Modefotograf Ivan Toskanelli, der Rik Reinking promoted. bereits mehrfach mit Kitty zusammenFay Nolan und Rio Schmidt gehö- gearbeitet hat, deckt den Glamourberen zu den jüngeren Teilnehmern der reich in dieser Ausstellung ab. Benita Vernissage: 9. August 2013, ab 19 Uhr traditionelles Sommerfest 10. August bis 31. August 2013 Carpentier Galerie Meinekestraße 13 10719 Berlin-Wilmersdorf Do – Fr 14 – 18 Uhr und nach Vereinbarung www.carpentier-galerie.de brennpunkt 3/2013 27 Galerien Ingo Porschien »Someone’s going to win the Lottery. Just not you.« Die Fenster sehen aus wie Türen, wie die Austritte aus Waben, und der Platz davor mit den ansteigenden Treppen und den wie Schneckenmuster eingerollten Enden der Handläufe an den Geländern wirkt wie leer gefegt. Zwei altertümliche Laternen ragen auf, zwei fünfstöckige Häuser stehen im rechten Winkel vor der großen, nach oben auslaufenden Fassade und gleichen zwei seitlich aufgestellten Schuhkartons. »City Hall« heißt das Bild, eine Schwarz-WeißFotografie als Barytabzug im Format 50 x 60 cm, die aus der Serie »New York City 1999« stammt. Die Aufnahme ist menschenleer, doch das Plakat, das die Wand einer der beiden Hauskästen bespannt, spricht alle an: »Someone‘s going to win the Lottery. Just not you.« Seitdem er während eines mehrmonatigen Aufenthalts in New York City dieses Motiv entdeckte, zieht es sich wie ein Motto durch das fotografische Werk des Schriftstellers und Fotografen Ingo Porschien, so dass auch die Ausstellung in der Galerie Carpentier konsequenterweise diesen und keinen anderen Titel trägt, obschon neben der beschriebenen Aufnahme keine weiteren Bilder aus der New Yorker Serie gezeigt werden. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf neueren Aufnahmen aus Berlin, wo der Autor seit drei Jahren überwiegend lebt, ergänzt um eine kleine Auswahl aus dem Südwesten der USA. Ingo Porschien arbeitet analog und schwarz-weiß. Bei seinen Arbeiten handelt es sich um klassische streetphotography, dem Dokumentarischen verpflichtet, auch wenn er nach dem Besonderen sucht, das die Fotografie aus der Bilderflut und dem Zeitfluss heraushebt. Im Motiv, im Ausschnitt und in der Perspektive fokussiert sich das Uferlose. ‚Epiphanie‘ habe Joyce eine solche Verdichtung des Alltäglichen genannt, meint der Autor, und so treffen sich Literatur und Fotografie dann doch, die er ansonsten 28 brennpunkt 3/2013 © Ingo Porschien, »City Hall«, New York City, 1999 © Ingo Porschien, »Die Tram«, Berlin, 2012 scharf voneinander getrennt betrachtet Zur Ausstellung erscheint ein Katalog als wissen möchte. Teilweise ist der foto- Band Nr. 9 in der ‚Edition Carpentier‘. grafische Blick ironisch, teilweise fragend, doch immer deckt er etwas auf. Der Lebensraum bestimmt die Suche der Abgebildeten und oft scheinen sie Eröffnung: etwas zu erwarten oder etwas verloren Freitag, 6. September 2013, 19 Uhr zu haben. Während der Ausstellung wird Ingo Porschien an zwei Tagen aus seinem jüngs- 7. September bis 12. Oktober 2013 ten Roman »Judith« lesen. Dies erklärt die kleine Auswahl an Bildern aus USA Carpentier Galerie Südwest. Die Auszüge, die Porschien Meinekestraße 13 für diese Lesungen ausgewählt hat, sind 10719 Berlin-Wilmersdorf dort angesiedelt. Die Lesungen finden statt am: Do – Fr 14 – 18 Uhr 15. und 29. Septrember 2013 jeweils und nach Vereinbarung ab 16 Uhr. www.carpentier-galerie.de Galerien Calin Kruse »Raunen« Calin Kruse ist in der Fotografie- und Kunstszene der vergangenen Jahre vor allem durch sein bemerkenswertes Magazin »dienacht« in Erscheinung getreten. Mit außerordentlichem verlegerischen Mut hat er darüber hinaus in dem gleichnamigen Verlag zahlreiche weitere Publikationen, vor allem mit zeitgenössischer Fotografie herausgegeben. Kleine anspruchsvolle Auflagen, bei denen er oft auch das Layout und den kuratorischen Prozess verantwortete. Das Gespür für das Medium Fotografie findet gewiss auch in den eigenen fotografischen Arbeiten Impulse, mit denen Kruse zunehmend die Öffentlichkeit findet. Wir zeigen in unserer Galerie unter dem Titel »Raunen« Fotografien von Calin Kruse, die wie die Ränder eines Tagebuches von Begegnungen mit jungen Frauen erzählen. Es sind Frauen, die sich dem Fotografen auf teils intime Weise in Porträts und Aktportraits offenbaren, an Orten, die in ihrer vermeintlichen Unwirtlichkeit einen weiteren Kontext von Vertrautheit und Hingabe erzeugen. Kruse fotografiert oft aus kurzer Distanz, als trüge er die Kamera fortwährend am Kopf. Die abgebildeten Frauen spielen mit der Nähe in subtilen Provokationen. Ein Geschmack von ewiger Jugend und Abschied klebt an den Sujets. Doch alles ist unaufgeregt. Kruse, ein ernster Flaneur, bleibt durch die passiv wirkende Kommunikation mit den Models sichtbar ohne etwas zu inszenieren. Es ist eine Bildsprache, die ein wenig an die Arbeiten von Nobuyoshi Araki erinnert: intime Nähe auf der einen Seite, fortwährende innere Distanz auf der anderen. Die ausgestellten Fotografien könnten durchaus als Solitäre stehen. Sie sind gleichwohl durch die Aura der analogen Farbigkeit und durch die Wiederkehr der Sujets atmosphärisch miteinander verwoben. © Calin Kruse 19. Juli bis 5. September 2013 Galerie »Alles Mögliche« Odenwaldstraße 21 12161 Berlin-Friedenau Vernissage: 19. Juli 2013, ab 19 Uhr täglich außer Mittwoch und Donnerstag und nach Vereinbarung: 0173 342 80 83 www.alles-moegliche.de www.cargocollective.com/calin brennpunkt 3/2013 29 Galerien Klassenausstellung »9Blickwinkel« Abschlussarbeiten der imagofotoklasse 32, unter der Leitung von Oliver S.Scholten Diese Jahresabschlussausstellung der nun bereits sage und schreibe zweiunddreissigsten Fotografieklasse insgesamt, der nunmehr zehnten unter meiner Leitung bei imago Fotokunst, zeigt wieder einmal, wie breit gefächert das Medium Fotografie sich darstellen kann. Natürlich ist dabei noch lange nicht Alles ausgereizt.Wichtig dabei ist mir jedoch zu vermitteln, dass anspruchsvolle Fotografie eben nicht das schnelle Handeln und das abgleichen mit vorgefertigten allgemeinen Bildvorstellungen ist, angelehnt an lediglich immer perfektioniertere Technik. Manchmal sogar das Gegenteil. Aktuell scheint sich häufiger eine Sehnsucht nach der einfachen Handlung jenseits von immer weiterentwickelteren Photoshopmutationen zu formulieren. Die Technik ist nie mehr als Mittel zum Zweck und das Medium eben nur das Medium, um einen Inhalt oder einer ästhetische Position zu vertreten. Niemals Selbstzweck. Das unterscheidet das aussagekräftige Bild von reiner Dekoration oder vom Klischee. Inwieweit die Teilnehmer sich dem annähern konnten, soll dem geneigten Betrachter wie immer zur Diskussion verführen. Was oft unterschätzt wird, auch beim Betrachten von Fotografie, ist ein Faktor, der durch nichts zu ersetzen ist, weder durch Informationsüberlastung, noch durch beschleunigende Technik: Zeit. Denn sich Zeit nehmen beim Fotografieren ebenso, wie beim Betrachten heißt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen. Und das ist immer auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Manchmal gelingt dies. Oliver S. Scholten © Myrja Thal, (Original in Farbe) © Thorsten Behrend © Nadja Siegl, (Original in Farbe) 30 brennpunkt 3/2013 © Maren Glockner, (Original in Farbe) Galerien © Anna Schatt © Detlef Eckardt, (Original in Farbe) © Anke Wilde © Anke Wilde, (Original in Farbe) © Nicolas Balcazar 17. August bis 14. September 2013 imago fotokunst Linienstraße 145 10115 Berlin-Mitte © Aline Vater Vernissage: 16. August 2013, ab 19 Uhr Di – Fr Sa 12 – 19 Uhr 14 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 31 Galerien Harakiri / alles wird gut. Aktueller Anlass zum Titel ist die Vertreibung aus dem erst vor zwei Jahren im Wedding mit großem Aufwand ausgebauten Werkatelier von position.fotografie. Nun schlägt Ausbauwahn und Gentrifizierung auch hier zu und zeigt das neu geschminkte, doch unschöne Gesicht dieser Stadt, die Künstlern nur noch wenig Platz zu beständiger Arbeit lässt, entgegen aller offizieller Verbalisierungen. Temporär scheint das neue Zauberwort leerer Versprechen zu sein. © O.S.Scholten, »Harakiri«, (Original in Farbe) © O.S.Scholten, »O Credit«, (Original in Farbe) Dementgegen steht die Prasxis Stolze & Schönberg mit Ihrem Anliegen, der Kunst über längere Zeit einen präsentablen anderen Ort zu bieten und zeigt mit Harakiri/Alles wird gut in einer eigens für diesen Ort zusammengestellten vorläufigen Dauerausstellung einen streiflichtartigen Überblick über das vielfältige fotografische Schaffen O.S.Scholtens der letzten zehn Jahre. Kritik an inneren und äusseren Zuständen ist bei O.S.Scholten wie immer Programm. Humor inclusive. Lee Revos 32 brennpunkt 3/2013 © O.S.Scholten, »EGO Blumen an mich selbst (bye, bye)«, (Original in Farbe) Vernissage: 13. Juni 2013, 19 Uhr 14. Juni 2013 bis 30. Juni 2014 Praxis Schönberg & Stolze im Forum Köpenick Bahnhofstraße 33 12555 Berlin-Köpenick Mo – Fr 7 – 20 Uhr Sa 9 – 16 Uhr Galerien Dietmar Bührer »Grauzone Knast« Ein Fotograf – ein Ort in Berlin! So lautet das Konzept des Berliner Salons für Fotokunst. Hier werden Arbeiten von Fotografen gezeigt, die weit über konventionelle Dokumentarfotografie hinausgehen, sonder den Betrachtern vielmehr subjektive Perspektiven aufzeigen und neue Blickwinkel eröffnen. © Dietmar Bührer © Dietmar Bührer Dietmar Bührer arbeitete als Werkmeister in der Druckerei/Setzerei der JVA BerlinTegel. Mit diesen Bildern beschreibt er auf eindringliche, intensive Weise den Ort: Gefängnis. Die Schwarzweißfotos des Autors sind von einer kühlen Schönheit, die lange nachwirkt. Sie zeigen Gefängnisflure, gänge, -treppen, Zellentüren, Mauern mit Schriftzeichen versehene Wände, Fassaden des Gefängnisses, Ausblicke aus Fenstern, hin und wieder einen Baum. Und Menschen in ihrer nichtalltäglichen Umgebung. Nüchtern, schnörkellos sind die Fotos, die die Stille einer Justizanstalt vermitteln. Alle Bilder entstanden zwischen 19901992 in der Justizanstalt Berlin-Tegel Dr. Elvira Schönow Vernissage: 6. September 2013 19 Uhr © Dietmar Bührer 11. September bis 24. Oktober 2013 Berliner Salon für Fotokunst Kulturhaus Schöneberg Kyffhäuserstraße 23 10781 Berlin-Schöneberg © Dietmar Bührer Mi 14 – 19 Uhr Do 12 – 17 Uhr und nach Vereinbarung Telefon 0179 591 351 6 brennpunkt 3/2013 33 Galerien Bastienne Schmidt »Rituale« 1961 geboren in München als Tochter eines Archäologen. 1969-79 lebt mit ihrer Familie in Athen, Griechenland, besucht dort die Schule 1980 Studium der Ethnologie an der Ludwig Maximilian Universität, München; Arbeit an der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. © Bastienne Schmidt, Florida, 1993 © Bastienne Schmidt, Cleveland, Ohio © Bastienne Schmidt, Guatemala, 1991 © Bastienne Schmidt, New York City, 1987 1983 Studium der Malerei und der Fotografie an der Accademia di Belle Arti in Perugia, Italien. 1987 Bachelor of Fine Arts Degree; Umzug nach New York City, arbeitet am International Center of Photography und für den Fotografen Ralph Gibson. 1989-95 Reisen nach Guatemala, Mexiko, Kolumbien, Bolivien, Peru, Brasilien, Kuba, beginnt ihre Arbeit am Buchprojekt »Vivir la Muerte« (Stemmle Verlag, Zürich), regelmäßige Beiträge 2004 ihr drittes Buch – »Schattenfür Magazine, z.B. Frankfurter Allge- Heimat / Shadow Home« Jovis Verlag, meine Zeitung, New York Times, The Berlin erhält div. Preise, u.a.: den DeutNew Yorker, New York Magazine. schen Fotobuch Preis, div. Ausstellun1992-97 USA-Reisen; Arbeit an ihrem gen. Int. Fotoforum Frankfurt, DeutProjekt: »American Dreams«. sches Haus, New York und University 1998 Grant der George Soros Founda- of Austin, Texas. tion für »American Dreams«, Stemmle Verlag, Zürich. 34 brennpunkt 3/2013 © Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991 Galerien © Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991 2011 Das Buch »Home Stills« erscheint Bastienne Schmidts fotografische Arbeiim Jovis Verlag, Berlin. ten wurden in über 60 Ausstellungen Ihr neuestes Buch- und Ausstellungs- präsentiert, wie z.B. 2010 im Houston bis 10. August 2013 projekt trägt den Titel »Topography of Center of Photography und 2012 im Quiet« (Die Topography der Stille). Es Manege Museum in St. Petersburg. Galerie argus fotokunst ist ein vielschichtiges Projekt mit Mit- Ihre Fotografien sind in zahlreichen Marienstraße 26 teln der Fotografie und Malerei. internationalen Sammlungen vertreten 10117 Berlin-Mitte Bastienne Schmidt lebt und arbeitet in Bridgehampton, New York. Mi – Sa 14 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 35 Galerien Sameer Makarius »Buenos Aires in the Sixties« Bildender Künstler und einer der bekanntesten Fotografen Argentiniens, wurde 1924 als Sohn eines ägyptischen Vaters und einer deutschen Mutter in Kairo geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Ägypten, Deutschland (Berlin) und Ungarn. Dort studierte er Malerei und Bildhauerei. Als abstrakter Maler der geometrischkonstruktivistischen Schule engagierte er sich in der Budapester Kunstszene und stellte als Gründungsmitglied der ungarischen Gruppe konkreter Kunst 1944 seine Bilder in der ersten Ausstellung nicht-figurativer Kunst in Budapest aus. Er lebte in der Schweiz und in Paris. Als Dreißigjähriger wanderte er 1953 nach Buenos Aires aus und wurde dort Teil der abstrakt-avantgardistischen Kunstbewegung der fünfziger Jahre. 1956 gründete er die Gruppe AFNA Artistas No Figurativas Argentinos und die Gruppe der zeitgenössischen Fotografen (Grupo de fotógrafos contemporáneos). Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag seit Beginn der 50er Jahre auf dem Gebiet der Fotografie. In zahlreichen Artikeln und Essays beleuchtete er die vielfältigen Aspekte der Fotografie und recherchierte ihre Geschichte. Sein herausragendes Werk »La fotografia en la Argentina, 1840 - 81« gilt als Pionier-Arbeit. Besonders bekannt sind seine Fotobücher über Buenos Aires, die Stadt und ihre Menschen: Buenos Aires y su gente, 1960, und Buenos Aires mi ciudad, 1961. Seine Fotografien - insbesondere seine herausragenden Portraits und seriellen Arbeiten über Buenos Aires - wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, in Buenos Aires, Zürich, New York, Budapest, Madrid u.a. (Academia Nacional de Bellas Artes, Mueseo Arte Moderno, Museo de Bellas Artes, Museo de Arte Decorativo, Kunsthaus Zürich, Foto Forum, New York) Sameer Makarius starb 2009 in Buenos Aires. 36 brennpunkt 3/2013 © Sameer Makarius © Sameer Makarius © Sameer Makarius © Sameer Makarius Vernissage 6. September 2013, 19 – 21 Uhr © Sameer Makarius 7. September bis 26. Oktober 2013 Galerie argus fotokunst Marienstraße 26 10117 Berlin-Mitte Mi – Sa 14 – 18 Uhr Galerien The Flood Wall II Projektion und Ausstellung um das Fotobuch Die im letzten Jahr bei exp12 – Raum für Fotografie - erfolgreich gestartete SlideShow-Reihe »The Flood Wall« wurde auch in diesem Jahr mit einer Projektion am 21. Juni fortgesetzt, verbunden mit einer Ausstellung. Neben den Bildern liegt der Schwerpunkt diesmal auf der Präsentation von Künstlerbüchern und anderen Veröffentlichungen der zahlreichen internationalen Gäste und der exp12-Fotografen. © Anais Boudot © Anni Leppälä, (Original in Farbe) Nüchtern und ungewöhnlich sind die Orte und Themen auf den ersten Blick, mit denen sich die Künstler auseinandergesetzt haben: bei Grégoire Eloy ist es ein Labor für Astrophysik; bei Marina Gadonneix und Sarah Pickering sind es Übungsräume der Feuerwehr, bei Alexandre Maubert ein ehemaliges Gefangenenlager. Dorothee Baumann widmet sich der Gehirnforschung, Alexander Gehring nimmt sich ein Fotolabor vor und Hélène Schmitz einen Ort, wo Schmetterlinge gezüchtet werden. Mit ihrer minimalistischen Herangehensweise gelingt es diesen Fotografen pure Abbildungen der Wirklichkeit in Poesie zu verwandeln. Um die persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Frau geht es sowohl bei Anni Leppalä und ihren märchenhaft farbigen Bildern als auch bei Virginie Otth, die mit Bildern ein Tagebuch zusammenstellt. Die Schwarzweiß-Serie »Exuvies« von Anais Boudot ist eine Metapher auf den Prozess der Häutung. Cristina Nunez vereint Selbstporträts aus verschiedenen Phasen ihres Lebens. Bei Zhe Chen sind die Spuren auf der Haut, seien es Pickel oder Wunden, ein Spiegel der Seele. Die Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung bildet einen weiteren Themenkomplex. Isabelle Pateer befasst sich metaphorisch mit den Konsequenzen industrieller Expansion am Beispiel junger Menschen. Sasha Rudensky zeigt © André Cepeda © Pierre Liebaert, (O. i. F.) eine ernüchternde Reportage aus dem heutigen Russland. Pierre Libaert erzählt von der engen Beziehung eines Sohnes zu seinen Eltern in einem Landhaus. Martina Hoogland Iwanow besticht durch ihre dunklen poetischen Aufnahmen. Bei André Cepeda findet sich Nacktheit neben grauen Detailansichten von Objekten und urbanen Orten. Die Auswahl erfolgte unter der Prämisse, neue Arbeiten von anerkannten Künstlern neben Newcomern unterschiedlicher kultureller Herkunft und mit unterschiedlichen fotografischen Herangehensweisen zu präsentieren. So ist auch der eher dokumentarische Ansatz vertreten wie bei den Bergen von Richard Petit, der Kirche von Anne Guillin und den Orten von Anna Leader. Mit der Ästhetik der Farbe befassen sich Dominique Dubois und Arno Schidlowski. Emil Salto erschafft abstrakte und geometrische Bilder. Nelli Palömaki zeigt in ihrem kürzlich bei Hatje Cantz erschienenen Buch »Breathing the same air« stille Schwarzweiß-Porträts. Zu sehen sind auch neue Arbeiten der Mitglieder des exp12-Kollektivs, nämlich von Isabel Kiesewetter, Dagmar Kolatschny, Claire Laude, Anna Meschiari, George Papacharalambus, Ulrike Schmitz und Nicole Woischwill. bis 28. Juli 2013 exp 12 / exposure twelve Greifswalder Straße 217 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Sa 16 – 20 Uhr So 14 – 18 Uhr www.exp12.com brennpunkt 3/2013 37 Galerien Karin Idelson & Anke Schüttler »Privado« / »Book of Life« »Book of Life« und »Privado« sind die im Dialog entstandenen Arbeiten von Anke Schüttler in Berlin und Karin Idelson in Buenos Aires. Im Laufe des Jahres 2011 haben die Künstlerinnen gemeinsam und durch die räumliche Distanz doch jede für sich ihr Projekt entwickelt. Sie haben dabei Bilder und Ideen ausgetauscht und jeweils in Bezugnahme auf ihre Heimatstädte erarbeitet. Die Fotografien sind speziell für dieses gemeinsame Ausstellungsprojekt entstanden und wurden erstmals im Dezember 2011 in der Galerie La Ira de Dios in Buenos Aires gezeigt. Die argentinische Fotografin und Videokünstlerin Karin Idelson erkundete in Buenos Aires die intime Seite des öffentlichen und urbanen Raumes der Cybercafés. Erklärende Panoramaansichten bewusst vermeidend tauchte sie in die © Karin Idelson, (Original in Farbe) Details ein, folgte dem schummrigen Licht der Bildschirme, beschäftigte sich mit der Farbe der Wände und dem Blickfeld der Webcam. Ihre abstrahierenden, atmosphärisch dichten Bilder erzählen vom privaten Erleben im öffentlichen Raum und von dem, was von flüchtigen Begegnungen übrig bleibt. Die Berliner Fotografin Anke Schüttler ließ sich auf der Suche nach ihrer eigenen Erzählung über Berlin mit dem Ausgangspunkt der Kartografie von visuellen Codes leiten. Sie beschäftigte sich mit einer Sprache bestehend aus Buchstaben, Ziffern und Symbolen. Mit der Kamera die eigene Stadt kartierend trug sie die einzelnen © Anke Schüttler, (Original in Farbe) Seiten zu einem ungewöhnlichen Lexikon zusammen, das dem Unverständlichen eine Stimme gibt. In der Ausstellung »Privado« / »Book of Vernissage: Life« verbinden sich diese persönlichen 10. August 2013, 19 Uhr Bereiche. Beide Künstlerinnen haben sich dabei bewusst für die analoge Technik entschieden, gewissermaßen um den Akt des Fotografierens zu zelebrieren und der Flüchtigkeit der digitalen Welt ent- www.ankeschuettler.com gegenzuwirken. www.karinidelson.com 38 brennpunkt 3/2013 © Anke Schüttler, (Original in Farbe) 11. August bis 7. September 2013 exp 12 / exposure twelve Greifswalder Straße 217 10405 Berlin-Prenzlauer Berg Sa 16 – 20 Uhr So 14 – 18 Uhr www.exp12.com Galeriebericht Mixed Pixels Gemeinhin vergeht in Berlin kaum ein Quartal ohne die Präsentation eines bedeutenden fotografischen Lebenswerks. Diesmal waren Gruppenevents angesagt, jeweils unter einem Motto, und auch die Solisten widmeten sich begrenzten Themen. Im Vergleich mit Mauerzeiten genießen wir jetzt eine schillernde Vielfalt, einmal durch das deutsch-deutsche Zusammenwachsen, zum anderen durch den globalen Austausch. Die »zerstörte Vielfalt« durch die Nazis nach 1933 ist gerade Gegenstand des Themenjahres 2013. Mir scheint, dass wir auf gutem Wege sind sie wieder herzustellen. Die inflationäre Verbreitung der digitalen Fotografie trägt sicher dazu bei, allerdings oft auf einem Niveau, das vielen Galeristen und Kuratoren Sorge macht. So Norbert Bunge von der galerie argus fotokunst: »Die jungen Leute wissen ja gar nicht mehr, was ein gutes Foto ist«. Einer, der es wusste und dieses Wissen als Lehrer und Mentor mit großer Achtsamkeit weitergab, war Arno Fischer. Sein legendäres Urteil »Siehste, jeht doch« war Anerkennung und Ansporn für seine Schüler, die in ihm auch einen großen Menschen verehrten. Er starb am 13. 9. 20011. Sein Name taucht immer wieder auf in den Lebensläufen aus Ost und West. Der eigene führte ihn in den Fünfzigern aus Westberlin in die DDR. Er wurde der vielleicht bedeutendste Fotograf der DDR. Thomas Honickel sagt im Katalog zur Kölner Ausstellung von 2004 »Utopie und Wirklichkeit«: »Für Fotografen war die DDR ein verstecktes Paradies, wäre alles so reich und vielfältig gewesen wie ihre fotografische Kultur, wäre sie nicht untergegangen«. Zweiunddreißig Meisterschüler seines letzten Jahrgangs an der Ostkreuzschule haben sich zusammen getan, und Fischers langjähriger Kurator Matthias Flügge hat ihre Ausstellung und den schönen Katalog betreut. Flügge schreibt darin: »Wenn nun der letzte Jahrgang seiner Meisterschüler eine gemeinsame Ausstellung eröffnet, so ist das zuerst eine Hommage an Arno Fischer. Es ist zugleich aber auch ein Nachweis dafür, wie viele originäre Begabungen sich um ihn versammelt haben, die mittlerweile selbst unser Bildgedächtnis und die Diskurse um die Fotografie bereichern«. Für diese Begabungen ist der Respekt für das Medium Fotografie mit seiner 174-jährigen Geschichte und seiner künstlerischen und gesellschaftlichen Relevanz selbstverständlich. Das unterscheidet sie wohltuend von der verbreiteten Verflachung und Beliebigkeit, die wir tagtäglich ertragen müssen, von der digitalen »Verwurstung« ganz zu schweigen. Arno Fischer hatte dafür einen schlichten Ausdruck: »Ich sticke nicht«. Pauschal abgelehnt hat er die digitale Fotografie keineswegs, hat sie auch gelehrt. © Birgit Krause © Eva Brunner Bei dem hohen fotografischen Niveau der Ausstellung will ich nur einige Autoren nennen, deren Botschaft mich besonders berührt hat. Es sind die, die mir vom Menschen erzählen, seinen Spuren, Erinnerungen und Sehnsüchten. So der Schweizer Mischa Christen mit der mutigen Geschichte vom Alleinsein, Eva Brunner mit Erinnerungsräumen, in denen wir unsere eigene Story in und hinter den Bildern finden können, Uta Protzmann mit einem zarten Gespinst von Nostalgie, Birgit Krause, deren »unbewusste Wirklichkeiten« in ihrem Heute nach der Jugend suchen, und sehr viel konkreter Eric Schütt, der in unseren Landen die letzten »Frauen in Tracht« © Janine Fritsch besucht hat mit Tonband und Kamera. Anna Thiele beobachtet die Menschen in den übermächtigen Architekturen des Regierungsviertels. In unserem Portfolio im Heft 4 – 2012 haben wir ihre Farbbilder mit dem Titel »Verdichtung/Verortung« in schwarzweiß vorgestellt. Im Mai gehörte Anna Thiele zu den achtundzwanzig Siegern des »Architekturbild 2013« in Frankfurt/Main. Auch Joern Dudek ist durch Arno Fischers Schule gegangen und zeigte im AXEL- Hotel seine großen SW-Prints vom Neuen Berlin, edel auf Baryt. brennpunkt 3/2013 39 Galeriebericht An einem märchenhaften Lehrgangsthema haben sich fünf Frauen und ein Mann an der Neuen Schule für Fotografie versucht: »Rotkäppchen«. In den »grimmigen« Hausmärchen steckt ja viel Zündstoff, Gewalt, Angst, der Kampf von Gut und Böse. Die Eleven lüpften das rote Käppchen in ihren Beiträgen nur zaghaft. Meike Sieverking und Janine Fritsch fanden am ehesten den Zugang. Um bei den Schulen zu bleiben: imago fotokunst (www.imago-fotokunst.de) hat sich seit vielen Jahren bestens eingeführt, mit Dozenten wie Ulla Kelm,, Torsten Andreas Hoffmann, Enno Kaufhold und vielen anderen. Dass sie keine Schlagzeilen macht, hat, so scheint mir, einen sympathischen Grund: Den Leitern Manuela Schäwe und Mathias Richter ist die Fotografie eine Herzensangelegenheit. Der wirtschaftliche Erfolg zählt erst in zweiter Linie. Im Mai hingen im alten Kellergewölbe der Galerie die musikalischen Straßenszenen von Matthias Klages (Jahrgang 59), analog fotografiert und aufs Feinste handvergrößert. © Matthias Klages Auch Oliver S. Scholten lehrt noch klassische Labortechnik und unterhält ein Werkatelier (www.position-fotografie. de). Er ist sehr vielseitig und hat Marotten, die einem Künstler wohl anstehen. Eine davon ist eine ganz gegenständli40 brennpunkt 3/2013 che Versuchsanordnung, kürzlich in der Gruppenausstellung EGO in der Fotogalerie am Friedrichshain zu bewundern. Da verkabelt er leibhaftig seinen Schädel mit einer monströsen Plattenkamera. Das ist Philosophie zum Anfassen, ebenso anschaulich wie humorvoll. Mit von der lustigen Partie: Katja Schrader, deren schrille Selbstdarstellungen auf ihre Tätigkeit am Theater und im Journalismus verweisen. Fotografisch ist das alles eine Augenweide. Noch ein paar Perlen säumten meinen Weg durch die Galerien, so die Porträts aus der Berliner Kunstszene von Jan Sobottka bei Manfred Carpentier. Mehr im letzten »brennpunkt« und unter www.catonbed.de. Nicht weit davon, in der Fasanenstraße, Johanna Breedes »Frauen«, eine wunderbare Auswahl der bekanntesten Fotografen aus den letzten 50 Jahren. Herbert Lists schöne Studie von Anna Magnani zierte unsere letzte Ausgabe. Bei Pavlov’s Dog waren die Wände vollgehängt mit 50 x Berlin von 50 Fotokünstlern, allzu viel Vielfalt auf engstem Raum. Das Auge kommt nicht zur Ruhe. Klar gegliedert hat Christian Reister seine Berlin-Trilogie für das Café Aroma. Ein bunter Fries mit quicklebendigen Streiflichtern vom Alex führt wie ein Film um den ersten Raum, im zweiten sind es gerahmte Stadtlandschaften, alle mit einem gewissen Pfiff, und im dritten frönt Reister seinem schwarzweißen Faible für das Berliner Nachtleben, das er uns schon im Kabinett des Hotels Bogotá näher gebracht hat. Hier waren im Saal die nicht eben aufregenden Werke von Bernadette Ypso und Charlotte K zu sehen, die mit ihrer Anonymität kokettieren, obwohl Joachim Rissmanns Photoplatz bisher von der Aura der großen Namen gelebt hat. Leider wurde ihm zum 30. März 2014 gekündigt, und die wechselvolle Kulturgeschichte des Hauses seit Yva und ihrem Schüler Helmut Newton wird damit wohl in Vergessenheit geraten. Da wird auch das Engagement von Harald Martenstein im Tagesspiegel nicht helfen. Rissmann kann es kaum trösten, dass demnächst c/o Berlin im alten Amerikahaus am Zoo die City West aufwerten wird. Da ist er wieder, der lange Schatten der Berliner Mauer. Die Galerie Camera Work versucht ein Spagat. Ihre glamourösen Stars amerikanischer Prägung vor und hinter der Kamera sind in der Kantstraße genau richtig, immer spektakulär und selten unter 10.000.- zu haben. Bei Michel Comtes Meisterstücken steigert sich das für die splitternackte Carla Bruni von 1993 auf 36.000.- Euro. Besser gefällt mir das Konterfei von Geraldine Chaplin, die in Clownspose ihren Papa Charlie herrlich treffend karikiert und ihm dabei so verblüffend ähnlich © Michael Comte sieht, dass man an einen fröhlichen Spuk aus dem Jenseits denkt. Bewegend ein intimes Porträt der Louise Bourgois aus New York 1996, deren kluge klare Augen in einem Meer von Falten das ganze Jahrhundert spiegeln. In der Dependance Ost, CWC in der Auguststraße, triumphiert mit Jean Baptiste Huynh die reine Form. Fast alle Motive sind exakt mittig ausgerichtet im Quadrat, die betenden Hände, ein Messer, eine Lotusknospe, eine Kerzenflamme, exotische Porträts. Cool. Nein, das ist eiskalte Ästhetik. Man muss das mögen. Muss man? Die Alfred Ehrhardt Stiftung, schräg gegenüber von CWC, hat es auch mit der Ästhetik, aber im Geiste ihres Namenspatrons mit der biologischen. Hier fragt Frank Darius mit der Serie »Low« verwegen: »Was ist Natur wirklich?« und reduziert sie auf haarfeine schwarze Linien auf großer weißer Fläche. Galeriebericht © Frank Darius © Lutz Dille Der Philosoph Andreas Weber sieht darin ihre poetische Dimension. Auf die verstanden sich die Romantiker besser. Bei Darius denkt man eher aktuell, an ihr Verschwinden. Am selben Ort als starker Kontrast die bunten Wasserlandschaften »nach der Natur« von Hanns Zischler, aus der Rigby-pin-hole 4 x 5 inch, einer Lochkamera also, mit Blende 164. Dieses Eichenholzmöbel liefert recht malerische Bilder, mit dem typischen Lichtabfall zu den Rändern. Ein Loch kann man nicht korrigieren, das Ergebnis aber mit einem lyrischen Titel verklären wie »Rauchquast über Schreberland«. Zischler ist als preisgekrönter Publizist und Schauspieler bekannt. Wir verdanken ihm den brillant boshaften Text »Berlin ist zu groß für Berlin« über das Werden der Hauptstadt aus Sumpf und Sand (bei Galiani). Der Pole Marek Pozniak hat immerhin eine einfache Linse in seiner Black Box von 1887. Schon kurios, was die digitale Perfektion an Gegenstrom erzeugt. Bei ihm steht ein künstlerisches Konzept dahinter, das den Ablauf von Zeit auf mehreren Ebenen sichtbar und begreifbar macht. Enno Kaufhold und Susanne Schmid haben das im Katalog klug analysiert. Schmids Text ist auch in unserem letzten Heft abgedruckt, zu einigen Bildern. Die bei Johanna Breede bis 24. August ausgestellten Originale sind zum Teil Unikate, weil die zugehörigen Negative vernichtet wurden. Ein echter Kunst-Griff zur Wertsteigerung, neben der aufwendigen Lith-Entwicklung und Tonung der speziellen Papiere. Dabei arbeitet Pozniak im »richtigen Leben« durchaus digital. Die Liebe zur analogen Technik ist auch für Norbert Bunge Programm. Für seine Galerie argus fotokunst hat er lauter Kostbarkeiten zur »Faszination Paris« zusammengetragen. Mit dabei Sibylle Bergemann, René Burri, Bunge selbst, Paul Almasy und George Friedmann, der uns zuvor daselbst mit seinen »Novelas Argentinas« amüsiert hat. Mit »Paris« feiert Bunge seine hundertste Ausstellung seit 1996. Ein Foto muss für den erfahrenen Dokumentarfilmer eine Geschichte erzählen, und zwar möglichst als Handvergrößerung auf Barytpapier. Besonders liegt ihm die ostdeutsche Fotografie am Herzen, auch die Wiederentdeckung fast vergessener Autoren des 20. Jahrhunderts. Einer, der sich seine Landschaften selbst erfindet, ist Thomas Wrede. Die großen Tableaus in der Galerie Wagner + Partner nennt er »Katastrophe und Idylle«, nicht zu verwechseln mit »Idylle und Desaster« des unsäglichen Bogomir Ecker im letzten Monat der Fotografie. Wrede versetzt schon länger typische Merkmale unserer modernen Zivilisation in urtümliche Gegenden für seine »Real Landscapes«, mit verblüffender Wirkung. Diesmal stellt er die Verwüstungen von Fukushima und New Orleans modellhaft nach und lässt die Bauruinen an der Costa im Meer versinken. Die Preisliste weist für so ein grandioses »Lambdaprint Diasec« in 140 x 200 cm 12.600.- Euro aus, bei einer Auflage von 5 Stück. Mit Arnd Weider kehren wir zur relativen Wahrheit in der Fotografie zurück. Er gibt uns eher mit der Wahl seiner Räume Rätsel auf. Am Rathaus Tempelhof sind seine »Heterotopien« noch bis 27. Juli zu sehen. Weider meint damit – in Anlehnung an den Philosophen Michel Foucault – »andere« Orte, die in besonderer Weise für Situationen stehen, die wir im Alltag verdrängen oder nicht auf unsere Person beziehen. Er findet sie in Kliniken, Anstalten, Gefängnissen und im Krematorium, Lokalitäten, deren Betreten an bestimmte Rituale gebunden ist, und schöpft nach eigener Aussage aus »erlebtem Umgang mit Krankheit und Tod«. Groß-und Mittelformat unterstützen mit ihrem Detailreichtum die eindringliche Aufforderung des Autors, die innere Abwehr zu überwinden und sich seinem Thema zu öffnen. 2010 war er Preisträger am Haus am Kleistpark und erhielt ein Arbeitsstipendium. Sein Rüstzeug holte er sich bei Arno Fischer an der fas und an der Ostkreuzschule. Die engagierteste Arbeit des Quartals fand ich in der kleinen aff-Galerie in Friedrichshain: Helena Schätzles »9645 Kilometer Erinnerung«. Für die junge Autorin (Jahrgang 83) waren es vier Jahre anstrengender Reisen und intensiver Beschäftigung mit der selbstgestellten Aufgabe, der Suche nach den Spuren des schrecklichen 2. Weltkriegs in Osteuropa, in den Fußtapfen des Großvaters, der als deutscher Soldat in neun Ländern gekämpft hat. Fast erdrückt wurde sie von Hunger, Leid und Tod in den Erinnerungen der Menschen, die sie aufsuchte. Ihre sensiblen Porträts erzählen davon, aber auch von Momenten großer Vertrautheit und Dankbarkeit für die Anteilnahme. Die Landschaftsbilder von heute, karg, winterlich, manchmal noch mit den Wunden des Krieges, verstärken die mahnende Wirkung dieser ergreifenden Reportage. Zum Schluss aber zwei heitere Tipps für den Rest des Sommers: Bis 20. Juli bei Petra Rietz am Koppenplatz die reizvollen »Kleider aus Licht«, die Heinrich Heidersberger in den 40-er Jahren auf bloße Körper zauberte (siehe brennpunkt 2/13), und die vielen meist malerisch oder neckisch inszenierten Nackedeis beiderlei Geschlechts von der vorletzten Jahrhundertwende, unter dem dummen Titel »Die nackte Wahrheit und anderes«, bis 25. August im alten Kaisersaal des Museums für Fotografie, über Helmut Newtons auch nicht gerade prüder Bilderwelt. Klaus Rabien brennpunkt 3/2013 41 Fotoszene UPON PAPER magazine #03 LOVERS Als definiertes »objet de désir« ist das UPON PAPER magazine prädestiniert dafür, diese Leidenschaft in seiner dritten Ausgabe wörtlich zu nehmen und das Thema Lovers bildmächtig umzusetzen. So zeigt UPON PAPER #03 ein herausragendes Line-up an internationalen Kontributoren wie James Franco, Jeff Burton, Larry Clark, James Gallagher, René Groebli, Rosa Loy und Hans Peter Adamski. Viele der gezeigten Arbeiten sind speziell für UPON PAPER #03 entstanden. Sie erzählen von den unterschiedlichsten Formen menschlicher Zuneigung, emotionaler Bindung und Zweisamkeit. Auch das Lieben und geliebt werden, die Amour Fou, Selbstliebe (bis hin zum Narzissmus), First Love, die Liebe zur Kunst und zur Architektur sowie die Abwesenheit und das Enden von Liebe sind Themen, die die neueste Ausgabe des UPON PAPER magazine behandelt und damit berührt, erinnert und mitfühlt. Es geht um Ver- und Geliebte wie z.B. in Groeblis Serie Das Auge der Liebe, welche er in den 1950er Jahren während der Hochzeitsreise mit seiner Frau inszenierte oder Kate Bellms Zyklus Lover, der ihren Freund Edgar Lopez auf den verschiedensten Stationen einer gemeinsamen Weltreise zeigt. Des Weiteren öffnete der Berliner Künstler Hans Peter Adamski sein Archiv erotischer Papierarbeiten, die von historischen asiatischen Zeichnungen inspiriert wurden, und teilt diese intimen Einblicke mit dem Leser. Und auch mit den Malereipositionen Rosa Loy und James Franco überzeugt die neue Ausgabe des Magazins: Während Loy mit ihren Werken an die pure Weiblichkeit, Fürsorge und Poesie appelliert, zelebriert das Multitalent Franco die eigene Persönlichkeit mit selbstreflektorischen und oftmals selbstironischen Zitaten. Neben etablierten Künstlerpositionen sind auch junge Talente wie die erst 19jährige New Yorker Fotografie-Studentin Jordan Tiberio und die Wahlberlinerin Kandis Williams wichtiger Bestandteil 42 brennpunkt 3/2013 die bereits im Heft vertretenen Künstler hinaus präsentiert LOVERS weitere Kreative und ihre Positionen zu diesem Thema. Bis zum 27. Juli werden Arbeiten von Hans Peter Adamski, Kate Bellm & Edgar Lopez, Larry Clark, James Franco, James Gallagher, Bill Henson, Claire Kurylwoski, Matt Lambert, Philip Loersch, Jordan Tiberio, Camille Vivier, Gavin Watson und Kandis Williams gezeigt. René Groebli, Untitled, 1953, © René Groebli, courtesy PINTER & MILCH, Galerie für Fotografie des Portfolios von UPON PAPER #03. »Once upon a Trip«: UPON PAPER präsentiert erstmalig eine Kollektion von 8 Fotografien und Malereien des künstlerischen Zusammenwirkens von Maler und Filmemacher Julian Schnabel und May Andersen, Model und Fotografin. Speziell für die dritte Ausgabe von UPON PAPER magazine haben sie jeweils 4 ihrer Arbeiten, die auf einem gemeinsamen Ausflug nach Ocracoke in North Carolina, USA, entstanden sind, zusammengestellt und editiert - als ein Manifest der Liebe für: »LOVERS«! Upon Paper steht im Allgemeinen für das Zelebrieren von Farbe, Form und Text. In der dritten Ausgabe des Upon Paper magazines gewährt die sogenannte Dunkelkammer Einblick in die dunklen Seiten des Themas Liebe: abgesetzt auf schwarzem Hintergrund stehen erotische Zeichnungen von Francisco de Goya Seite an Seite mit der Fotografie eines zärtlichen Moments zwischen John Lennon und Yoko Ono, während eine klassische Aktfotografie von Frank Eugene durch die Szenerie eines Sexkinos kontrastiert wird. Die Dunkelkammer befindet sich, einem Kleinod gleichend, in der Mitte/im Inneren des Heftes und hebt sich nicht nur durch ihr spezielles, besonders haptisches Papier vom restlichen Heft ab. DAS UPON PAPER PROJECT UPON PAPER besteht aus drei sich ergänzenden Bereichen: Das großformatige UPON PAPER magazine (490 x 690 mm) ist zweisprachig Deutsch/ Englisch und widmet sich in jeder Ausgabe einem Leitthema. Das international mehrfach ausgezeichnete Design und die aufwändige Produktion machen das Magazin von Chefredakteur Holger Homann, Creative Director Helder Suffenplan und Editorial Director Paul Hetherington zu einem Sammler-Objekt mit starker physischer Präsenz. Der UPON PAPER space in Berlin-Mitte inszeniert Ausstellungen im Raum und die thematisch korrelierende Websitewww.uponpaper.com begleitet die Ausstellungen und Magazine im Netz. UPON PAPER ist eine Initiative von Hahnemühle FineArt. Ausgangspunkt ist die Leidenschaft für Papier als ein die Zeiten überdauerndes Medium, um Ideen, Träume und Visionen fest zu halten und Diskussionen anzustoßen: Die 1584 gegründete Hahnemühle FineArt ist ein weltweit führender Anbieter hochwertiger Papiere für Künstler, Fotografen und das grafische Gewerbe, sowohl für traditionelle Kunsttechniken wie Aquarell oder Zeichnung (Traditional FineArt) als auch für digitale Verarbeitung von Fotografie (Digital FineArt). Hahnemühle hat über die Jahrhunderte eine ausgeprägte Firmenkultur von Qualität und Innovation entwickelt und bedient aus der kleinen Stadt Dassel in Niedersachsen heraus mit seinen 150 Mitarbeitern Künstler und Kreative auf fünf Kontinenten. bis 27. Juli 2013 GRUPPENAUSSTELLUNG LOVERS UPON PAPER space Die Ausstellung begreift sich als Über- Max-Beer-Straße 25 führung des Leitthemas LOVERS in 10119 Berlin-Mitte den dreidimensionalen Raum. Über Di – Fr 12– 18 Uhr, Sa 12–16 Uhr Ausstellungen Museum für Fotografie Podbielski Contemporary 27. Sept. 2013 bis 5. Januar 2014 Wagner + Partner 14. September bis 9. November 2013 Thomas Jorion bis 27. Juli 2013 Natascha Stellmach »I dont´t have a Gun« Koppenplatz 5 10115 Berlin-Mitte Di–Sa 12–18 Uhr Strausberger Platz 8 10243 Berlin-Friedrichshain Di–Sa 13–18 Uhr Instituto Cervantes CWC Gallery bis 6. September 2013 Leopoldo Pomés Carlos Sauro »Porträts« bis 24. August 2013 »Selection« Nick Brandt, Jean-Baptiste Huynh, Helmut Newton, Herb Ritts, Yoram Roth, Linienstraße 139/140 10115 Berlin-Mitte Di–So 14–19 Uhr Rosenstraße 18-19 10178 Berlin-Mitte Mo–Do 9–13 Uhr, 14–18 Uhr Fr 9–13 Uhr Camera Work CWC Gallery Auguststraße 11-13 10117 Berlin-Mitte Di–Sa 11–19 Uhr Haus am Kleistpark KICKEN Berlin Swedish Photography bis 11. August 2013 Torsten Warmuth »Die Rückeroberung der Freiheit« bis 31. August 2013 Martin Kippenberger bis 20. Juli 2013 DIFFERENT DISTANCES Denise Grünstein, Julia Hetta, Martina Hoogland Ivanov, Julia Peirone, Elizabeth Toll Brasiliens Moderne 1945-1961 Thomaz Farkas, Hans Gunter Fleig, Marcel Gautherot, Jose Medeiros Jebensstraße 2 10623 Berlin-Charlottenburg Di–So 10–18 Uhr Do 10–22 Uhr ifa-Galerie 27. September bis 22. Dezember 2013 Kulturtranfers #7: The Space between us Fotografie Afrika Grunewaldstraße 6-7 10823 Berlin-Schöneberg Di–So 10–19 Uhr Berlinische Galerie bis 30. September 2013 Tobias Zielony »Fotografien 2008–2012« Alte Jakobstraße 124-129 10969 Berlin-Kreuzberg Mi–Mo 10–18 Uhr Galerie Jette Rudolph 25. Oktober bis 30. November 2013 Samuel Henne Strausberger Platz 4 10243 Berlin-Friedrichshain Di–Sa 12–18 Uhr Linienstraße 161a 10115 Berlin-Mitte Di–Sa 14–18 Uhr Deutsches Historisches Museum 13. Dezember 2013 bis 4. Mai 2014 Farbe für die Republik Fotoreportagen aus dem Alltagsleben der DDR Ausstellungshalle I. M. Pei Hinter dem Zeughaus Unter den Linden 2 10117 Berlin-Mitte täglich 10–18 Uhr 7. September bis 19. Oktober 2013 Inka Lindergard & Niclas Holmström »Becoming Wilderneso« Karl-Marx-Allee 62 10243 Berlin-Friedrichshain Mi–Sa 12–18 Uhr Helmut Newton Stiftung bis 19. Oktober 2013 Helmut Newton »World without Men / Archives de Nuit« François-Marie Banier »Porträts« Jebensstraße 2 10623 Berlin-Charlottenburg Di–So 10–18 Uhr Do 10–20 Uhr brennpunkt 3/2013 43 Ausstellungen Justine Wodtke »Jenseits der Schärfe« Fotografische Impressionen Irritation wird das Erste sein, das Sie empfinden. Aber dann gewöhnt sich das Auge an das Gebotene, die Befremdlichkeit verschwindet und Sie beginnen, das Gesehene zu interpretieren, mit Ihrer Phantasie zu füllen, zu gestalten und schließlich in das Bild einzutauchen, Ihren Gefühlen Raum zu geben und die gegenständliche Welt für einen Augenblick zu verlassen, vielleicht sogar zu träumen. © Justine Wodtke, (Original in Farbe) Und genau das ist die Intention der Fotografin Justine Wodtke: Abbildungs-, Betrachtungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten infrage zu stellen. »Fotografieren bedeutet für mich seit meiner Kindheit, die Welt so abzubilden wie ich sie wahrnehme, empfinde und erlebe«. In den fotografischen Impressionen »Jenseits der Schärfe« werden Formen vereinfacht, teilweise aufgebrochen, aufgelöst, Farbnuancen verschwinden zugunsten intensiverer Farbgebung einzelner Objekte. Hierdurch entstehen Überzeichnungen bzw. Hervorhebungen wichtiger Bildelemente und somit auch gleichzeitig Reduzierungen auf Wesentliches. Unwesentliches wird vernachlässigt bzw. gar nicht mehr abgebildet. Die vermeintlich objektive Betrachtungsweise wird zugunsten einer bewußt subjektiven und somit emotionaleren Wahrnehmung ersetzt, da das fotografierte Objekt erst seitens der Betrachtenden anhand der reduzierten und somit verfälschten Bildinformationen wieder entstehen muß. Dieser Prozeß ist eine aktive Interaktion zwischen dem Interpreten und der Fotografie. Diese intensive Auseinandersetzung mit minimalistischen, teils uneindeutigen Bildelementen, die erst durch die Phantasie und Kreativität der betrachtenden Person zu einem ganz eige44 brennpunkt 3/2013 © Justine Wodtke, (Original in Farbe) © Justine Wodtke, (Original in Farbe) Justine Wodtke »Zwar schon im Ruhestand, aber alles andere als ruhig. Immer noch hibbelig, immer noch neugierig auf das Leben und die Welt«. Fotografin aus Leidenschaft, Autodida© Justine Wodtke, (Original in Farbe) ktin, Absolventin der Fotoklasse 23 von nen, privaten Bild zusammengefügt Ursula Kelm bei imago-fotokunst Berlin. werden - ist nichts anderes wie das, Unternehmensberaterin, IT-Systementwas wir tagtäglich aufgrund minima- wicklerin listischer Informationen machen: Wir schaffen uns jeweils unsere eigene Vernissage: Realität, unseren ureigenen Blick auf 2. Juli 2013, 17 Uhr die Welt. Faszinierend bei dieser Form der Rezeption ist, daß bei jedem erneuten 2. Juli bis 31. Juli 2013 Betrachten des Dargestellten immer wieder neue Bilder entstehen können Rathaus Würzburg und sich somit auch ein wesentlich Rückermainstraße 2 intensiverer Kontakt zum Bild auf- 97070 Würzburg baut. täglich von Montag bis Freitag www.justine-wodtke.com [email protected] Ausstellungen Ursula Kelm »weit draußen und tief drinnen« Bilder der Nacht Dunkelheit oder Mangel an (natürlichem) Licht hat Künstler stets fasziniert. Die Nacht ist ein Zustand, aber gewissermaßen auch eine Haltung, sie ist Mythos und Sehnsucht, Einschränkung und Option, Stille und Rausch. Sie ist dort - weit draußen - und hier - tief drinnen, u.a. aus »Apollo Theatre«, Harlem 2013. © Ursula Kelm, Original in Farbe © Ursula Kelm, Original in Farbe © Ursula Kelm, Original in Farbe Teilnehmer: Claire Hooper, London (Video), Esther Horn, Berlin (site specific painting), Gabriele Horndasch, Düsseldorf (Video), Ursula Kelm, Berlin (Fotografie), Johannes Kersting, Nürnberg (Fotografie), Mathias Otto, Nürnberg (Malerei), Gerhard Rießbeck, Bad Windsheim (Malerei), Yukara Shimizu, München (Fotografie) © Ursula Kelm, Original in Farbe 15. September bis 27. Oktober 2013 kunst galerie fürth Königsplatz 1 90762 Fürth Es erscheint ein Katalog von Ursula Kelm. © Ursula Kelm, Original in Farbe Mi – Sa So 13 – 18 Uhr 11 – 17 Uhr brennpunkt 3/2013 45 Ausstellungen Weegee »The Famous« Fotografie Arthur Fellig (1899-1968), der sich selbstbewusst Weegee – The Famous nannte, gehört zu den ungewöhnlichen Positionen der amerikanischen Fotografie der 1930er, 40er und 50er Jahre. Er wurde berühmt durch seine nächtlichen Fotos zu Brandkatastrophen, Unfällen und Morden sowie seinen Beobachtungen von Obdachlosen und Outlaws. Eine harte Lichtführung mit erschreckender Unmittelbarkeit und drastischem Realismus zeichnet die Bilder aus. »The Critic« (1943) zählt zu den meist publizierten Fotografien und stellt in überzeichneter Weise eines seiner zentralen Themen - die Klassenunterschiede zwischen der New Yorker High Society und der Arbeiterbevölkerung dar. Ironischerweise wird das Bild im Zweiten Weltkrieg auch von den Nazis zu Propagandazwecken genutzt. Zehn Jahre arbeitet Weegee in den Manhattan Headquarters und macht nach eigenen Angaben über 5.000 Fotografien von den Randgruppen der Gesellschaft. Diese Arbeit lässt ihn zu einem der berühmtesten Bildchronisten dieser - noch schwarz-weißen - brutalen Epoche werden. 1945 erscheint sein erstes Buch Naked City, das ihm auch internationalen Ruhm einbringt und das zwei Jahre später in Hollywood verfilmt wird. Straßenhändler, o.J. © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 In über 100 Fotografien stellt die Ausstellung diesen für viele nachfolgende Den Namen Weegee verdankt er laut Fotografen sowie Regisseure und Filmer eigener Aussage dem Gerücht, er habe vorbildhaften und prägenden Realisten telepathische Fähigkeiten. Denn ausge- vor. Die Oberhausener Schau vereint stattet mit dem Polizeifunk ist er meist neben den Bildern zu Tatorten und der erste am Unfallort und so sind seine Tätern auch solche zu Celebrities und Fotos schon in der Zeitung, da ist die Stars wie Jackie Kennedy oder Salvador Nachricht ansonsten noch niemandem Dali. bekannt. So gab man ihm den Spitznamen nach einer damals sehr populären spiritistischen Alphabettafel, dem Die Ausstellung entsteht in Koope»Ouija«-Board. Er selbst überlegte ration mit dem Institut für Kulturaushierzu die »englische« Schreibweise tausch Tübingen. Sie wird gefördert Weegee und bemerkte selbstbewusst: durch die Peter und Irene Ludwig Stif»Ein besserer Name oder ein besserer tung, die Stadtsparkasse Oberhausen Photograph ist mir nie begegnet«. und WDR3. 46 brennpunkt 3/2013 Ostersonntag in Harlem, 1940 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 Ausstellungen Santana in G-Strings, 1950 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 Charles Sodokoff und Arthur Webber, 1942 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 bis 8. September 2013 Ludwiggalerie - Schloss Oberhausen Konrad-Adenauer-Allee 46 46042 Oberhaus Kritik, 1943 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2013 Di – So 11 – 18 Uhr brennpunkt 3/2013 47 Ausstellungen Ono Ludwig »Ikonen und Helden Werkschau 15 Jahre analoge Portraitfotografie« Die Lebensfreude steckt an, die Situationen sind energetisch aufgeladen. Der Selbstdarstellung folgt der Fotograf mit dem Objektiv und erhöht sie mit den Mitteln der Fotografie auf sehr subtile Weise. Im realistischen Ausdruck erinnern die Fotografien an einen Meister des italienischen Frühbarocks: Caravaggio hätte seine helle Freude daran gehabt. Franz Werner, Berlin 2010 »The Divinity« »Heroes« Bei der analogen Fotoserie »Divinity« Angesichts der inflationären Suche in frönt der Berliner Kunstfotograf Ono den Massenmedien nach Superlativen, Ludwig dem Terrain der inszenierten egal ob Stars und Sternchen, Nannys Fotografie und antichambriert damit alle und Dschungelkönige und der einheranderen Serien aus den letzten Jahren. gehenden Armada von allzu selbstsiInteressanter Weise handelt es sich bei cheren und peinlichen Dilletanten, die den Modellen ausnahmslos um Freun- die Warholsche Halbwertszeit von fünf © Ono Ludwig, Joe, (Original in Farbe) dinnen und Freunde oder Bekannte aus Minuten meist über Gebühr überschreidem persönlichen Umfeld des Künstlers. ten, ist es eine reine Wohltat, wenn der Es geht ihm dabei weniger um die Men- Berliner Fotograf Ono Ludwig einen schen, die aufgrund ihres Bekanntheits- ganz anderen Weg geht. Er widersetzt grades bereits in irgendeiner Form pro- sich den Gesetzen des durchschaubaminent sind, genau die interessieren ihn ren Marktes, indem der Marktwert eines hier weniger. Vielmehr versetzt er wie Fotografen mit der Anzahl der Celebzufällig die Personen in eine Euphorie rity-Portraits und der Veröffentlichunund bringt sie dazu aus sich heraus- gen steigt. zugehen, ohne grotesk und albern zu wirken. Die Authentizität der Abgebil- Seine Helden und Heldinnen sind von deten bleibt erhalten – gerade wegen einem ganz anderen Kaliber, vielleicht ihres Ausdrucks, der sich speist aus einer nicht konsumierbar für die Masse, aber inneren Spannung oder Zerrissenheit dafür mit umso größerer sozialer Komoder einem unbequemen Lebensent- petenz. Alle haben eine Geschichte zu wurf entspringt. erzählen, hinter allen stecken persön- © Ono Ludwig, Nadja, (Original in Farbe) liche Geschichten, alle hat er – auch um eine Objektivität zu erhalten – mit »Attitude« dem gleichen handwerklichen Können inszeniert, ohne die subjektive Wirkung Ich definiere, das Portrait über die Einder Portraits abzuschwächen. bettung des Individuums in bestimmte Kontexte: räumliche und zeitliche, hisGlamour, Protz und aufgemotzte torische oder politische, mediale oder Gefühlsduselei sucht man bei seinen wirtschaftliche. Das Portrait ist ein Spieanalogen Bildern vergebens und wer gel: von individuellen Wünschen bist zu sich darauf einlassen kann, für deren gesellschaftlichen Visionen zeigt es uns, oder dessen Augen werden diese stillen was wir waren, wer wir sind und wie fast impressionistischen Bildwerke eine wir werden können. Ich habe bewußt Wohltat in ihrer Poesie und Ernsthaftig- diese Männner in Dreiviertelprofil fotokeit sein. Vielleicht sogar den reizüber- grafiert. fluteten Blick schärfen für noch weitere Heldinnen und Helden – es gibt sie tat- Immigranten, politisch Verfolgte, anders sächlich! Da muss man oft nicht lange Denkende, jegliche Gesellschaftssuchen. schichten. Das Leben hat mehrere Franz Werner, Berlin 2008 Abschnitte, wir verwandeln uns immer wieder aufs Neue. Haltung zum Leben, © Ono Ludwig, Chloé, (Original in Farbe) Haltung zur Freiheit, Haltung in Rand48 brennpunkt 3/2013 Ausstellungen Der Mensch und sein Streben nach Ewigkeit. Wie das Streben nach Ewigkeit sich in den Religionen und in der Kunst ausdrückt wird in meiner Kunst visuell angedeuetet. Eine Annäherung in analogen schwarz/weiß Fotografien sollen meine Heiligen Ikonen visuell neu Interpretiert werden. Durch meine eigene Bildprache werden meine Heiligen in den Mittelpunkt gehoben. © Ono Ludwig, Claudia gruppen. Wie sieht die nächste Generation aus die sich zur Politik und der Gesellschaft stellt. Gibt es eine Freiheit zu denken, sagen und zutun was man will? Kann man dies schon an der Kleidung erkennen oder an den Gesichtszügen junger Männer? Was sagen Portraits von jungen Männern aus? Mit der Kamera kommentiere ich und fordere heraus, Männlichkeit als eine Form der Identität. Die kulturelle Sehnsüchte und Gegebenheiten spiegeln: Fragen nach Identität, nach Lebensweisen oder - Möglichkeiten oder nach dem Wunsch einer besseren Welt. One Ludwig, Berlin 2008 »Ikonen im leeren Raum« Thema meiner analogen fotografischen Arbeit ist die Auseinandersetzung mit den Menschen als »Ikonen im leeren Raum«. Ikonen sollen inspirieren. Ikonen sind anbetungswürdig. Zu Ikonen schaut man hoch. Mein kreatives Input entwickelte sich aus der Portraitierung. Die Pose, als Stellung des Körpers zum Raum und zum Gegenüber, ist ein elementares Instrument der Selbstdarstellung. Unter diesem Titel verstehe ich die Reduzierung auf das Wesentliche. Ich verfolge die unterschiedlichsten Ausprägungen dieser universalen Figuen und spüre diese in allen Weltkulturen und Epochen nach. Meine Protagonisten, gehören allesamt zu diesen Grenzgängern, leben in einer besonderen Sphäre und bringen Menschliches mit Übermenschlichem in Verbindung. Während die absolute Notwendigkeit des Andersseins für das Funktionieren © Ono Ludwig, Der blinde Indianer menschlichen Lebens in der alltäglichen Betrachtung häufig aus dem Blicksind keine prominenten Persönlichkei- feld gerät, rücken meine Fotografien die ten, und sie haben auch im Leben nicht Randfiguren ins Licht und unterstreicht immer den Status des Besonderen. Es die vitale Bedeutung ihrer Aufgabe. sind Menschen, die ich auf der Straße Ono Ludwig, Berlin 2011 treffe und die mich magisch anziehen. Hinter der sichtbaren Fassade steckt mehr als nur ein fremdes unbekanntes Individuum. Die Pose, so egozentrisch sie auch manchmal erscheinen mag, ist dabei immer angewiesen auf den Blick, Vernissage: von mir als Fotograf oder dem Betrachter. Sonntag, 7. Juli 2013, 16 Uhr Die Pose kann sowohl Schutzschild als auch Offenbarung von Wunsch, Traum und Wirklichkeit sein. Ohne die Spiegelung im Auge des Anderen und die damit einhergehende gesteigerte narzisstische Selbstwahrnehmung, bleibt Die Friedrich-Hundt-Gesellschaft e.V. die Pose bedeutungslos für das Modell. präsentiert in einer Einzelausstellung, Ono Ludwig, Berlin 2005 angelegt als Werkschau der vergangenen 15 Jahre, Portraits verschiedener Serien. »Die Auserwählten« Der Darstellung von Heiligen/Helden in der Kunst und im Kultbild gehe ich mit meiner analogen Kamera nach. Über die ursprünglichen Namenspatronen oder deren Geschichten und Legenden weiß man oft wenig. Auch die DarstelMeine Protagonisten sind das Wich- lung vieler dieser Heiligen in der Kunst tigste. Ich erzeuge eine fokussierte Kon- bleiben oft rätselhaft für den Betrachzentration auf sie selbst als Personen. ter. Sie haben einerseits eine stark ästhetische Komponente und sind andererseits Normalen Sterblichen bleibt die Gedaneine persönliche Kommunikationsform. ken- und Gefühlswelt seliger und heiDie Protagonisten sind keine Stars, sie liger Menschen mitunter verschlossen. bis 8. September 2013 Stadtmuseum Münster Salzstraße 28 48143 Münster (Westfalen) Di – Fr Sa + So 10 –18 Uhr 11 – 18 Uhr Website: http://www.ono-ludwig.de brennpunkt 3/2013 49 Ausstellungen about - 16 fotografische Positionen Am 31. Oktober 2010 starb der Fotograf und Hochschullehrer Prof. Heinrich Riebesehl. Auf der Trauerfeier begegneten sich viele seiner Studentinnen und Studenten. Manche sahen sich zum ersten Mal, andere erinnerten sich gemeinsamer Projekte; alle teilen die Freude daran, Heinrich Riebesehl als Vorbild und unbestechlichen Begleiter der eigenen Entwicklung erlebt zu haben. Ein Lehrer, der seinen künstlerischen Prozess offen zeigte- seine Position war klar und eindeutig, aber nie dogmatisch. Qualität konnte ihn immer begeistern. © Godehard Erichlandwehr, (O.i.F.) © Gunnar Bernskötter, (O.i.F.) © Aenne Langhorst, (Original in Farbe) © Dido Baxevanidis, (Original in Farbe) © Kurt Schapper © Matthias Koch, (Original in Farbe) Mit großem Respekt vor diesem Menschen und seinem Werk zeigen 16 Riebesehl- Schülerinnen und -Schüler eine Übersicht, einen farbenreichen Großakkord fotografischer Sichtweisen. 16 Fotokünstlerinnen und -künstler bezeugen mit eigenwilliger Fotografie die Qualität der 24 jährigen Lehrtätigkeit eines der großen deutschen Fotografen unserer Zeit und präsentieren einen Ausschnitt aus ihrem Schaffen: Die städtische Galerie KUBUS zeigt Fotoarbeiten von Aenne Langhorst, Antonia Jacobsen, Anja Teske, Christoph Bartolosch, Dido Baxevanidis, Godehard Erichlandwehr, Gunnar Bernskötter, Kai Wetzel, Kurt Schapper, Kwanho Yuh, Ludger Paffrath, Michael Plümer, Matthias Koch, Mathias Philipp, Petra Kaltenmorgen und Raimund Zakowski. © Kai Wetzel, (Original in Farbe) 50 brennpunkt 3/2013 Ausstellungen © Michael Plümer, (Original in Farbe) © Anja Teske, (Original in Farbe) © Ludger Paffrath, (Original in Farbe) © Raimund Zakowski, (Original in Farbe) © Christoph Bartolosch, (Original in Farbe) © Kwanho Yuh © Petra Kaltenmorgen, (Original in Farbe) 7. September bis 6. Oktober 2013 Galerie KUBUS Theodor-Lessing-Platz 2 30001 Hannover © Antonia Jacobsen, (Original in Farbe) Vernissage: 7. September 2013, 11 Uhr Di – Fr Sa, So, feiertags 11 – 18 Uhr 11 – 16 Uhr brennpunkt 3/2013 51 Portfolio Nadine Dinter Nadine Dinter Ihre erste Kamera bekam die in Berlin lebende Fotografin Nadine Dinter (*1975) von ihrem Großvater geschenkt. Inspiriert durch Isolde Ohlbaum, folgen Reisen durch Europas Metropolen. Es sind insbesondere die Skulpturen der dortigen Friedhöfe, die ihr fotografisches Interesse wecken. Mit der Zeit entwickelt Nadine Dinter eine ganz spezielle Art, den in Wahrheit unbeweglichen Statuen eine verstörende, teilweise erschreckende Lebendigkeit zu verleihen. Spuren der Zeit wie verwitterte Stellen oder Rost wirken dabei auf den Betrachter wie Tränen oder Verletzungen, während die aufgenommenen Körper durch ungewöhnliche Perspektiven und Bildkompositionen aus dem Stein herauszutreten scheinen. Beinahe schwebend und ohne Bindung zur Umgebung erlangen sie ein Eigenleben. »Pere Lachaise«, Paris, 2012, © nadine dinter - photography »Douglas Gordon«, Schottischer Multi-Media Künstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography Parallel zur Skulptur-Fotografie spezialisierte sich Nadine Dinter auf das Portraitieren von internationalen Künstlern, wie beispielsweise Douglas Gordon, Damián Ortega und Mathilde ter Heijne. Eine Verbindung beider fotografischer Genres, Skulptur- und Portraitfotografie, gelang ihr 2012 während der Zusammenarbeit mit dem bekannten amerikanischen Modell Benjamin Godfre. Die entstandenen Aufnahmen sind eine Hommage und zugleich Neuinterpretation von Warhols »Torso Series« aus den 1970er- Jahren. 52 brennpunkt 3/2013 Weitere Informationen unter: www.nadine-dinter.de Portfolio Nadine Dinter »Ives Maes«, Belgischer Konzeptkünstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography brennpunkt 3/2013 53 Portfolio Nadine Dinter »Benjamin Godfre«, Amerikanisches Modell und Performance Artist, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography »Audubon Park«, New Orleans, 2002, © nadine dinter - photography 54 brennpunkt 3/2013 Portfolio Nadine Dinter »Marco Nizzoli«, Italienischer Illustrator und Comiczeichner, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography brennpunkt 3/2013 55 Portfolio Nadine Dinter Stoned Immaculate »I‘ll tell you this... No eternal reward will forgive us now For wasting the dawn. Back in those days everything was simpler and more confused One summer night, going to the pier I ran into two young girls The blonde one was called Freedom The dark one, Enterprise We talked and they told me this story Now listen to this... I’ll tell you about Texas radio and the big beat Soft driven, slow and mad Like some new language Reaching your head with the cold, sudden fury of a divine messenger Let me tell you about heartache and the loss of god Wandering, wandering in hopeless night Out here in the perimeter there are no stars Out here we IS stoned Immaculate.« the doors Homage to Warhol´s »torso series«, featuring Benjamin Godfre, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography 56 brennpunkt 3/2013 Portfolio Nadine Dinter »Alte Nationalgalerie«, Berlin, 2005, © nadine dinter - photography »Pere Lachaise«, Paris, 2012, © nadine dinter - photography brennpunkt 3/2013 57 Buchbesprechung Harald Hauswald Harald Hauswald »Ferner Osten« Die letzten Jahre der DDR Fotografien 1986-1990 Herausgegeben von Mathias Bertram Mit einem Vorwort von Christoph Dieckmann 176 Seiten mit 155 Farbfotografien 24 x 27 cm, Festeinband, Schutzumschlag, Fadenheftung ISBN 978-3-942473-50-7 29,90 Euro (D), 30,90 Euro (A), 39,90 sFr Lehmstedt Verlag, Hainstraße 1 Barthels Hof, 04109 Leipzig Fon: 0341-4927366 Mail: [email protected] © Harald Hauswald, Kastanienallee, Berlin-Prenzlauer Berg (Original in Farbe) Buchcover, Friedrichstraße, Berlin-Mitte Hauswalds Bilder hüten unsere Welt von gestern. Das freie, ungelogene Erinnern sei unsere eigene Kunst.« (Aus dem Vorwort von Christoph Dieckmann) © Harald Hauswald, Die Sängerin und Bassistin Tatjana Besson der Punkband »Die Firma« bei einem Auftritt auf dem Gelände »Am Zirkus«, Berlin-Mitte (Original in Farbe) »Es gilt hinzusehen, wenn man das erste Erstaunen über die bunte Welt des Sozialismus, die wir als Grau in Grau abgeWie nahezu alle ostdeutschen Fotorea- speichert hatten, hinter sich hat«. des auch an der Farbigkeit der Fotos listen verdankt auch Harald Hauswald (Andreas Platthaus, Frankfurter Allge- liegen, dass die versunkene Welt dieses seinen Ruf ungeschönten und eindring- meine Zeitung, 30. März 2013) Gemeinwesens hier überaus lebendig lichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Um wirkt«. so mehr erstaunt, daß er – bedingt durch »Jetzt kann das Land noch einmal in (Irmtraut Gutschke, Neues Deutschland, seine »illegale« Arbeit für westliche Farbe begutachtet werden. Farbecht. 14. März 2013) Medien – schon in den letzten Jahren Ein Glücksfall. Die Fotos sind eine Wieder DDR mehrere tausend Farbaufnah- derentdeckung. Die Wiederentdeckung »Hauswald, der landauf, landab fahmen machte. Wie die von Mathias Bert- auch einer Zeit, die anders tickte - auch rende Reporter, ein Jack Kerouac der ram ausgewählten Fotografien erkennen wenn sie schon längst aus den Fugen Ost-Fotografie. Motto: »On the Road«. lassen, erweist er sich dabei nicht nur war. Manche Fotos wirken wie Gemälde, Er zeigt, was ihm auffällt: Poesie und einmal mehr als genauer, oft sarkasti- durchkomponiert wie ein echter Lieber- Gegen-Politik. Unverstellte Wirklichkeischer Chronist des Alltags, sondern auch mann, ein Spiel mit Nuancen, wie es ten. Im Nachhinein malerisch schön«. als ein bislang kaum wahrgenomme- heute gar nicht mehr möglich wäre, weil (Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung, ner Meister der Farbkomposition. Die schrille Werbung auch noch in den letz- 9. März 2013) stimmungsvollen Bilder vergegenwärti- ten Winkel vordringt«. gen die »Welt von gestern« stärker und (Ralf Julke, Leipziger Internetzeitung, Der Fotograf und Autor: intensiver als die vertrauten Aufnahmen 1. März 2013) Harald Hauswald (geboren 1954) kam in Schwarz und Weiß, lassen sie aber nach der Ausbildung zum Fotografen gerade dadurch auch fremder und ferner »Eindrucksvolle Bilder in einer Qualität, 1977 nach Berlin. Er arbeitete in verdenn je erscheinen. als sei es erst gestern gewesen. Fotos, die schiedenen Jobs und ab 1983 als Fotoden Betrachter auf eine spannende Zeit- graf für die evangelische Stephanus-Stif»Wo Anspruch und Wirklichkeit des SED- reise mitnehmen«. tung. Seine Aufnahmen vom DDR-Alltag Staats bildkräftig zusammenstießen, fing (SuperIllu, 21. März 2013) entstanden alle im Eigenauftrag bzw. ab Hauswald diese Kollisionen ein, mit sar1986 auch für westliche Medien. kastischer Sensibilität. Er blickte in die »Der Titel des Bildbandes ist gut gewählt. 1989 gehörte er zu den Gründern der Risse und Klüfte der Gesellschaft. Oft Denn dieses Land DDR ist inzwischen Agentur Ostkreuz. zeigte er Schattengeschöpfe des Lebens, tatsächlich fern, besetzt mit den ver- 1997 erhielt er das Bundesverdienstdoch er schoß die Menschen nicht ab. schiedensten Erinnerungen und Erzäh- kreuz. Seinen Spott reservierte er für die Narr- lungen, die Menschen mitunter weniheit und den Pomp der Macht. Harald ger verbinden als trennen. Es mag in www.harald-hauswald.de 58 brennpunkt 3/2013 Buchbesprechung © Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe) © Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe) brennpunkt 3/2013 59 Buchbesprechung Harald Hauswald © Harald Hauswald, Warteschlangen von beiden Seiten vor der Fleischerei Dufft in der Oderberger Straße, Berlin-Prenzlauer Berg (O.i.F.) © Harald Hauswald, Landstraße in Brandenburg, (Original in Farbe) 60 brennpunkt 3/2013 Buchbesprechung © Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe) © Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe) brennpunkt 3/2013 61 Fotoszene » Afrikanische Portraits«. Ein Gespräch mit dem Fotografen Winfried Bullinger über seine Arbeit. Spuren kulturelle Verknüpfungen offen Pepper: Wie offen sind die Menschen legt. Das ist in der Tat ein ethnologischer in den Regionen, die du bereist deinem Aspekt. Das Bild einer Nuer Frau aus Ansinnen gegenüber sie zu portraitiedem Süden beispielsweise verrät die ren? Verbindung zum arabischen Nordsudan, aus dem ihr Kleid stammt. Zugleich Winfried Bullinger: Fast immer besteht müssen die Bilder eine abstrakte Qua- die Bereitschaft, meiner Einladung zu lität aufweisen – sie müssen losgelöst einer Portraitsitzung zu folgen. Der Aufvon ihrem Kontext als Werk “funktio- nahmeprozess mit der Großformatkanieren”. mera hat etwas rituelles, wofür die Portraitierten empfindlich sind. Sie behalten Pepper: Hattest du bei den portraitier- die Kontrolle über ihr Selbstbild. Schwieten Personen durch Vorgespräche auch rig war es für mich, in Ruanda und OstZugang zu deren privatem Schicksal, so kongo Portraitaufnahmen zu machen. Pepper: Zum Jahreswechsel warst Du dass die Fotos nicht nur geografische Die Menschen dort waren gegenüber zum wiederholten Mal in Äthiopien um und historische Korrelationen aufzei- Portrait-Fotografie skeptisch. dort beheimatete Volksgruppen auf- gen, sondern ganz explizit auch Auszusuchen und die Menschen und ihr druck individueller Lebensumstände Pepper: Ach, warum das? Angst vor Leben fotografisch zu dokumentieren. sind ? Okkultismus? Was interessiert Dich an Äthiopien? Winfried Bullinger: Die Skepsis hängt Winfried Bullinger: Äthiopien beherdort mit dem Völkermord in Ruanda bergt völlig unterschiedliche Kulturim Jahr 1994 und den nachfolgenden räume. Mich interessieren dabei für Konflikten zusammen. Die Bevölkerung meine Arbeit gerade die Grenzgebiete. scheut jede Form der Registrierung. Ich Das Wüstenvolk der Afar im Nordosten habe das respektiert. an der Grenze zu Eritrea oder die Völker im Westen an der Grenze zu Sudan und Pepper: Kannst du mir erzählen, wie Südsudan. Die Menschen leben dort in dein Interesse daran in Afrika zu fotoautonomen Gesellschaften, die sich grafieren entstanden ist? Du hast Ende jetzt teils im Umbruch befinden. Sieben der 1980er Jahre in Kapstadt studiert. Aufenthalte dort und im Sudan haben Ist das der Beginn deiner Leidenschaft es mir ermöglicht, meine Portraits zu für diesen Kontinent? konzentrieren und eine Entwicklung zu verfolgen. Winfried Bullinger: Das Interesse reicht lange zurück. Mich hat zunächst die Pepper: Welche Entwicklung hast Du Radikalität afrikanischer Skulpturen beobachten können? berührt. Hinzu kamen Filme und Foto»Nuer«, 2011 grafien, die ich in den achtziger Jahren Winfried Bullinger: Das Interesse verlagesehen habe. 1987 habe ich dann ein gert sich hin zu einem Kernbereich, auf Winfried Bullinger: Es bleibt das Bild Jahr lang Kunst an der UCT in Kapstadt den sich die photographische Arbeit selbst, das über den Lebensweg der studiert. In der Malereiklasse waren dann konzentriert. Nach den vielen Auf- portraitierten Person etwas aussagt. Ich Schwarze und Weiße zusammen. Die enthalten lenkt mich wenig ab. Ich kon- konzentriere mich auf das Bild. Mein Apartheid in Südafrika ging ihrem Ende zentriere mich auf die Person – ich por- Gegenüber gibt mir für die Begegnung zu. Es war eine Zeit des Umbruchs und traitiere sie wie ich dich portraitieren ein bestimmtes Maß an Zeit. Die Auf- die Reisen in die Nachbarländer Südafwürde. Alles »exotische« geht verloren. nahme mit der Großformatkamera unter rikas haben damals meinen Plan wachDie Bildfolgen werden so stringent. Feldbedingen braucht meine ganze Auf- sen lassen, künftig an einer Aggregamerksamkeit. Manchmal folgt dem Por- tion von Bildnissen zu arbeiten. Ich Pepper: Damit unterscheidest du dich trait ein Gespräch, übersetzt durch den fühle mich mit dem afrikanischen Konauch wohltuend von Fotografen die lokalen Guide, manchmal zieht die tinent und den Menschen dort verbuneben nur wegen der Exotik afrikanische Person beschäftigt weiter. Immer recher- den – ich denke, das ist eine wichtige Volksgruppen aufsuchen. Deine Arbeit chiere ich für ein anstehendes Projekt Voraussetzung für meine bildnerische hat, so wie du sie machst, eine ethnolo- die Lebensbedingungen und politi- Arbeit. gische Komponente. Das gefällt mir. schen Zusammenhänge. Vor Ort ergeben sich Gespräche meist zwischen- Pepper: Was veranlasst dich in digitaWinfried Bullinger: Im Mittelpunkt durch. Ich fertige aber über die portrai- len Zeiten analog und in schwarz/weiß steht ein reichhaltiges Portrait, das über tierte Person keinen Text an. zu arbeiten? 62 brennpunkt 3/2013 Fotoszene film benutzt. Allerdings verwende ich in dem ich bei den endgültigen, analoden letzten Jahren vorwiegend Schwarz/ gen Prints zusammenarbeite, herstellt. Weiß-Planfilm. Die Filmwahl folgt dem Alles muss stimmen. Bei einem analobildnerischen Plan. Es gibt aber keiner- gen Print dieser Größe lässt sich nichts lei dogmatische Festlegung. verbergen – schummeln ist ausgeschlossen. Vom Projekt bis zum ersten großen Pepper: Welche Kamera bzw. welche Print vergehen ein bis zwei Jahre. Kameras benutzt du? Pepper: Du legst dich auf eine ja recht Winfried Bullinger: Ich benutze eine große Printgröße fest. Die Wirkung ist Linhof Technika Master 2000, zwei Has- bei dem beinahe lebensgroßen Format selblads (503 und 501), eine Leica MP natürlich phantastisch. Aber der Kunund eine Nikon F3, letztere seit 1989. denkreis für deine Arbeit ist dadurch auch begrenzt. Deine Fotografien in Pepper: Für die Portraits über die wir unterschiedlichen Größen herzusteleingangs sprachen nimmst du die len widerstrebt dir aus künstlerischen Linhof, oder? Gesichtspunkten? »Nomade mit Gewehr«, 2009 Winfried Bullinger: Ja, die Portraitserie Winfried Bullinger: Am Ende der Kette entsteht mit der Linhof-Kamera. steht der analog vom 4 mal 5 inch Negativ gefertigte Print mit der Größe 180 Pepper: Hast du Unterstützung von cm mal 145 cm auf Barytpapier, dessen Assistenten, wenn du deine Reisen Qualität ich liebe. Ich halte die Entschei- unternimmst? dung, die Bildnisse schwarz/weiß aufzunehmen, nicht für anachronistisch. Winfried Bullinger: Die Fotoprojekte Es ist eine Form, die Bilder zu gestalten. führe ich wie eine kleine FilmprodukIch benutze bei meiner Produktion übri- tion durch. Es gibt stets einen Guide, gens stets moderne Technik. der die Expedition leitet und Englisch spricht. Es gibt dann immer einen lokaPepper: Fotografen wie Sebastiao Sal- len Guide, der sich mit den Personen, gado oder James Nachtwey bevorzu- die ich portraitieren möchte, verständigen ebenfalls den analogen Schwarz/ gen kann. Es gibt einen Koch und teilWeiß-Film. Zumindest Salgado bedau- weise einen oder mehrere Begleiter, die ert allerdings, dass sich das analoge für die Sicherheit sorgen. Hilfe brauFilmmaterial verändert, schlechter che ich für das Licht: ich benutze einen wird. Ich meine mich zu erinnern, dass großen weißen Reflektor, um Schatten er den geringeren Silberanteil genannt milde aufzuhellen. Ich vermeide Blitzhat, wodurch er nicht mehr die von ihm licht, das die Figur herauslöst. gewünschten Grauabstufungen erzielt. Was für Erfahrungen hast du mit dem Pepper: Wie viele gültige Fotos hast du von dir verwendeten Filmmaterial? von deiner letzten Reise mitgebracht, also Fotos, von denen du Prints machen Winfried Bullinger: Ich benutze Fuji wirst? Acros 100 Film, der bisher in unveränderter Form hergestellt wird. Der 4 mal Winfried Bullinger: Die Zahl ist noch 5 inch Film ist aber in Europa nicht zu offen. Der Projektaufenthalt endete haben. Ich decke mich deshalb in New am 9. Januar, so dass sich die Auswahl York damit ein. Klassische Schwarz/ immer noch weiter verdichtet. Rund 15 Weiß-Filme wie der Kodak TriX sind Portraits sind jetzt in der näheren Ausaber am verschwinden. wahl. Die Planfilmnegative werden für die Auswahl und Archivierung digitaPepper: Könntest du dir vorstellen in lisiert und anschließend auf etwa A4Farbe zu fotografieren? Größe gedruckt. Weiter projiziere ich die Bilder mit einem Beamer in der späWinfried Bullinger: Ja, andere Bildfol- teren Originalgröße. Der letzte Schritt gen nehme ich in Farbe auf. In den neun- sind dann Probestreifen quer durch das ziger Jahren habe ich überwiegend Farb- gesamte Bild, die Jochen Rohner, mit Winfried Bullinger: Die Größe der Bilder ist wichtig und Teil des Konzepts. Der Betrachter kann das Portrait als Ganzes nahezu lebensgroß erfassen. Es gibt aber auch die Nahsicht: Strukturen, Materialien, Narben von Wunden oder Skarifaktionen – das sind erhabene Narbentätowierungen die durch Ritzen und anschließendes, bewusstes Verschmutzen der Wunden entstehen – werden sichtbar und lassen sich erfahren. Pepper: Du verwendest Metallrahmen, damit die Wirkung der Bilder sich bestmöglich entfaltet. Winfried Bullinger: Ja, der Rahmen ist für die Portraitbilder festgelegt. Ich benutze einen an den Ecken geschweißten Aluminiumrahmen. Das Bild als dreidimensionales Objekt wird auch durch den Rahmen geprägt. Pepper: Du hast deine Arbeiten zuletzt in einer Einzelausstellung in der Schweiz gezeigt. Wo werden sie als nächstes zu sehen sein? Winfried Bullinger: Von mir waren gerade drei Portraitbilder in einer von Christoph Tannert im Berliner Künstlerhaus Bethanien kuratierten Gruppenausstellung zu sehen. Und dann wird es in diesem Jahr eine Ausstellung in der Galerie von Sassa Trülzsch geben. © Pepper Weitere Informationen: www.winfried-bullinger.com http://blog.pepperproject.de/?p=190 brennpunkt 3/2013 63 Fotoszene Efraim Habermann »zum 80.« Schwarzweiß-Fotografien & Aquarelle Nicht immer hat eine Galerie das Glück, einen Künstler doppelt auszustellen: als Maler und als Fotografen. Charles Baudelaire war vor gut 150 Jahren der Ansicht, dass die Fotografie zu Unrecht als Kunst eingeschätzt wird. Für den französischen Kritikerpapst bedrohte sie die Malerei, zumal ein technisches Gerät wie die Kamera die Fantasie verhindere. Fanatsie war für ihn aber die Voraussetzung für echte Kunst. Hier sehen Sie heute Abend anhand von knapp 25 Fotografien und mehreren Aquarellserien von Efraim Habermann, dass Malerei und Fotografie einander nicht ausschließen, vielmehr Baudelaires These aushebeln, dass die Fotografie die Zuflucht der verkrachten bzw. schlechten Maler sei. Immerhin darf Efraim Habermann in seinem 80. Lebensjahr auf eine fotografische Karriere von fast einem halben Jahrhundert zurückblicken, auch wenn er ursprünglich lieber Maler oder Sänger geworden wäre. Seine Biografie hatte aber anderes mit ihm vor. Am 19. Juni 1933 in Berlin geboren, floh er wegen seiner jüdischen Abstammung 1939 mit seinen Eltern über Triest nach Palästina und lebte dann in Jerusalem. 1957 kehrte er an die Spree zurück; in West-Berlin war er zunächst bei Senatsbehörden als graphisch-technischer Zeichner tätig und fand dann den Weg zur Fotografie, für die er sich schon immer interessiert hat: Ende der sechziger Jahre war er einer der Ersten in West-Berlin, der Kunstfotografien an Tageszeitungen verkaufte. Seine Arbeiten erschienen in Tageszeitungen, Fachzeitschriften und Büchern, einige befinden sich in privatem wie öffentlichem Besitz. Auch Ausstellungen haben sein Schaffen gewürdigt, so 1975 im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße in Berlin, 1976 in Paris im Maison de la France oder 1983 in der Berliner 64 brennpunkt 3/2013 © Efraim Habermann Neuen Nationalgalerie, in den letzten lingssentenzen Bescheid: »Der Vorzug Jahren in den Galerien Raab, Carpen- des Fotografen ist es, von einem Negatier und Carlos Hulsch. Ab Juli sind seine tiv ein positives Bild zu machen«. Fotografien von Berlin-Wilmersdorf in der Kommunalen Galerie am Fehrbel- In Venedig schuf Habermann »positive liner Platz zu sehen. Bilder« von der Stadt mit den tausend Gesichtern: von den Kanälen und den Carlos Hulsch zeigt Ihnen heute in den alten Hausfassaden, deren Rustika und Jahren von ca. 1980 bis 2006 entstan- Baudekor wie den Maskarons (Fratzendene Aufnahmen von Berlin, Venedig masken) über den Tür- und Fensterböund last not but least vom weiblichen gen er durch die Wahl seines Standortes, Geschlecht: es wurde für Habermann durch Licht-Schatten-Wirkung und eine bevorzugt als »Frau im Bild« zum Modell entsprechende eigenhändige Bildbearvor Werken aus Berliner Museen. Aufge- beitung zu einem fast gespenstischen nommen mit einer Leica Spiegelreflex- Eigenleben verhalf. Er zeichnete mit kamera und auf Aqua-Papier abgezogen, der Kamera die Fluten unter Venedigs gibt es von jedem Foto eine Auflage von Brücken nach und ließ Gondeln hinter maximal drei Stück. dem Anlegesteg im Wasser verschwinden. Abbröckelndes Mauerwerk wurde In Venedig portätierte sich der Lebens- ihm zur Tiara für den Surrealisten-Papst und Überlebenskünstler Efraim Haber- Salvador Dali, der auf einem Ausstelmann selbst vor der historischen Archi- lungsplakat posiert. Man beachte: der tekturkulisse; ebenfalls in den 1980ern Schwung des Dali-Schnurrbartes und kreierte er in seiner Berliner Wohnung des Stockknaufes treten in kompositoan der Fasanenstraße ein Selbstporträt rische Beziehung zur Rundung der steiin Gary Cooper-Pose, indem er ein Foto nernen Krone. von sich ausschnitt, es in ein Glas auf dem Fensterbrett mit Blick auf die Ber- Neben Venedig wurde Berlin für Haberliner Baumlandschaft stellte und dieses mann Lieblingsschauplatz: doch auch Szenario ablichtete. Die Ironie ist nicht hier ist es ein Berlin, das nicht jeder kennt: zu verkennen, die auch in anderen der Blick über den Rand der Großen seiner Arbeiten ihre Früchte trug. Sie Granitschale auf das Alte Museum am potenziert sich gewissermaßen, weiß Lustgarten macht aus dem Schinkel-Bau man um eine von Habermanns Lieb- mit seiner antikisierenden Säulenfront Fotoszene Variante eines Konstruktivismus in der Art von Piet Mondrian bzw. der niederländischen Künstlergruppe De Stijl oder von einigen Bauhaus-Künstlern. Hier sei noch anzumerken, dass Mondrian selbst ein Verehrer von Cézanne war. © Efraim Habermann ein Rätsel, das der Erklärung hinsichtlich seines Standortes bedarf. Das bronzene Reiterstandbild für König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie Berlin erhält, betrachtet zwischen den Säulen der Kolonnaden am Rande des Museums, ein geradezu martialisches Aussehen. Die Kunst des Sehens, d. h. Vorhandenes neu und anders zu betrachten, ist, wie Habermann auch beteuert, eben nicht erlernbar, sie ist das Charakteristikum des Fotografen, der zwar nur das aufnimmt, was er leibhaftig sehen kann, aber durch das Gesehene zu Neuem inspiriert wird wie der Maler durch eine schöne Frau, einen Blumenstrauß oder eine besondere Lichtstimmung zu einem Gemälde. Fast schon Ikone ist bei den Berliner Fotos und für Habermann-Fans die 1968 entstandene Aufnahme des eigenen Fahrrades vor der Glasfront der Neuen Nationalgalerie am Kulturforum, in deren Scheiben sich die Silhouette der St. Matthäuskirche spiegelt. Aber auch stilllebenhafte Arrangements im urbanen Milieu gehören zum Berliner Themenkreis: eine Rose im Glas auf einem Vorsprung, dessen steinerne Struktur unter Habermanns fotografischem Auge zum Leben erwacht. Ein Obststillleben auf einem Steinplateau gerät zum Bild à la Cézanne, für Habermann als »Verdi der Malerei« ein großes Vorbild. Eine Postkarte von Vermeers berühmtem Gemälde »Mädchen mit dem Perlenohrring« (1666, Mauritshuis in Den Haag) wird vor die leere Kartusche einer Mauerfront gesetzt, die plötzlich die Funktion eines Bildrahmens erhält. In Habermanns open-airMuseum wird Kleines, Unbedeutendes © Efraim Habermann groß und bedeutsam, Bekanntes, Vertrautes erscheint in neuem Gewand. Zugleich erzeugt Efraim Habermann mit den technischen Mitteln der Bildentwicklung eine Ton-Malerei, die den ästhetischen Effekt der reinen Erscheinung der Dinge akzentuiert, wenn nicht gar zum Thema macht. So wirken seine Motive materiell und immateriell zugleich, versöhnen ihre Vergänglichkeit mit ihrer gegenwärtigen Präsenz. Schließlich wurde es auch eine weitere Spezialität von Efraim Habermann, Frauen vor Gemälden abzulichten, wobei neue Sinnzusammenhänge entstehen können. Das junge Mädchen mit dem verführerischen Rückendekolleté scheint 2002 den Sprung in Gustave Courbets »Welle« (1870) aus der Alten Nationalgalerie Berlin zu wagen, die wie eine Urgewalt auf den Betrachter zurollt. Die Frau und nicht der Mann als Voyeur betrachtet 1979 in der Neuen Nationalgalerie Berlin-West kritisch das edle Hinterteil des nackten »Orangenpflückers« - eine lebensgroße Ölstudie, die der Deutschrömer Hans von Marées 1876 für die berühmten Fresken in der Bibliothek der »Zoologischen Station« von Neapel malte. Warum Habermann den Kopf des jungen Adonis aussparte, bleibt der individuellen Interpretation des Betrachters überlassen. Von der Fotografie, deren Aufnahmen er in seinem selbst eingerichteten Labor in seiner Berliner Wohnung bis vor Kurzem selbst entwickelte, kam Habermann in den letzten Jahren zur Malerei: wie kleine Meditationen wirken seine postkartengroßen Aquarelle, in denen er, einzeln oder als Serie, geometrische bunte Konstruktionen auf weißes Papier applizierte: eine spielerische Efraim Habermann kombinierte Kreise und Halbkreise, Quadrate, Recht- und Vierecke, Rhomben, Balken und Punkte zu kleinen delikaten Kompositionen, in denen die Primärfarben Rot, Gelb und Blau eine tragende Rolle spielen. Dabei beließ er es je nach Einfall und Laune bei einer rein flächigen Konstruktion oder weitete diese aus zu Anordnungen, die durchaus eine plastische Wirkung zeigen bzw. eine gewisse Gegenständlichkeit suggerieren können. Diese Aquarelle halten sorgsam und auf witzige Weise alles in der Schwebe, sie laden den Betrachter unaufgeregt dazu ein, mitzupielen im bunten Baukasten der konstruktivistischen Malerei. Fotografie kann hier auch nicht, um nochmals zu Baudelaire zurückzukehren, die Malerei bedrohen, hat sie doch eher auf Habermanns Schwarz-Weiß-Aquarelle vielleicht retour gewirkt. Und auch die stille Poetik von Habermanns »positiven Bilder«, seiner Fotografien, findet sich in diesen Miniaturen, die zu nichts lautstark aufrufen und dem Beschauer keine intellektuelle Dechiffrierungsarbeit aufbürden. Sie wollen einfach da sein und betrachtet werden. Zum achtzigsten Geburtstag: nochmals Happy Birthday! Und Ihnen, liebe Freunde der Galerie Carlos Hulsch, viel Freude bei Efraim Habermanns Kunst! Dr. Angelika Leitzke, Rede zur Ausstellung »Efraim Habermann zum 80. Geburtstag«, Galerie Carlos Hulsch, Berlin, Juni 2013 bis 16. August 2013 Galerie Carlos Hulsch KUDAMM-KARREE Eingang: Lietzenburger Straße 80 10719 Berlin-Charlottenburg Di – Fr 15 – 19 Uhr und nach Vereinbarung brennpunkt 3/2013 65 Fotoszene brennpunkt AWARD 2013 Anlässlich des jährlichen browse fotofestival findet der brennpunkt AWARD statt. Der brennpunkt, renomiertes Fotomagazin seit 29 Jahren, verlieh Auszeichnungen für die beste per Mal eingesandte Schwarz-Weiß-Serie. Der Preis ist ein Portfolioabdruck im Magazin brennpunkt 2013/2014. Ziel des AWARDS ist es, dass der Fotograf eine Serie mit zehn thematisch zusammenhängenden Fotos einreicht. Alle Bilder müssen akzeptabel sein, mit nur wenigen guten Bildern erreicht der Autor sein Klassenziel nicht. Es zählt die Gesamtleistung jedes Fotografen. Auch in diesem Jahr erreichten uns aus aller Welt sehr interessante Portfolios. Leider auch Einsendungen, die den Teilnahmebedingungen nicht entsprachen. Sei es Einsendungen von nur fünf Bildern oder weniger und gemischt mit Farbbildern. Die brennpunkt Jury suchte aus den zahlreichen Einsendungen acht Portfolios aus. Wir haben auf eine Platzierung verzichtet, alle kommenden Veröffentlichungen sind gleichgestellt. © Nils Stelte, »breathing deeply« © Annette Lofy, »citykids« © Christian Werner, »Charoal Children« © Klaus Lundi, »blanco y negro« © Manfred Carpentier, »cuban-coffee« © Yan Boechat, »Taken in Angola« Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank © Birgit Bergmann, »Maybachufermarkt« 66 brennpunkt 3/2013 © Charlotte Thömmes, »Memory & Imagination« Fotoszene Michael Gebur Ulrich Meyer »Leben am Mekong« Am 8. September wird im Rahmen des Mekong-Ländertages in der AlbertEinstein Volkshochschule TempelhofSchöneberg auch eine Fotoausstellung eröffnet. Die beiden asienerfahrenen Fotografen Michael Gebur und Ulrich Meyer zeigen dokumentaristische Fotos, die Einblicke in das Leben der Menschen am Mekong außerhalb der touristischen Höhepunkte geben. Zu sehen sind Fotos aus den Ländern Vietnam, Kambodscha, Laos, Thailand, Myanmar und China, die auf verschiedenen Reisen der Fotografen entstanden. © Michael Gebur, (Original in Farbe) © Michael Gebur, (Original in Farbe) © Ulrich Meyer, (Original in Farbe) © Michael Gebur, (Original in Farbe) © Ulrich Meyer, (Original in Farbe) bis 25. Oktober 2013 Albert Einstein Volkshochschule Barbarossaplatz 5 10718 Berlin-Schöneberg Mo – Fr 8 – 21 Uhr (in den Ferien 9 bis 16 Uhr) Sa + So 10 – 14 Uhr Edition Carpentier Dietrich Oltmanns »Arche bauen – Lauben & Gärten in Leipzig 1990« mit einem Text von Katrin Arrieta ISBN 978-3-925935-69-5 (2013) 132 Seiten, 17 x 21 cm, 127 Farb-Abbildungen, Fadenheftung, Klappenbroschur Euro 24,90 »In Leipzig hat das Schrebergartenwesen als Teil der europäischen Kleingartenbewegung seinen Anfang genommen. Die ältesten und sonderbarsten Blüten dieser Bewegung werden bis heute fortwährend mit stillem Stolz gehegt. Es lohnt sich, nach ihnen zu suchen – nicht zuletzt, um sich den Quellen jener Lust zu nähern, die die Menschen in solch ein labyrinthisches Diesseits und Jenseits von Zäunen, Umfriedungen, Mäuerchen und Bretterwänden zieht, wo ein winziger Mikrokosmos neben dem Anläßlich des 80sten Geburtstags von Efraim Habermann erscheint in der Edition Carpentier das Heft Nr. 8 Buchcover Efraim Habermann »Venedig« 24 Fotografien Hrsg. von Manfred Carpentier und Franziska Rutishauser Berlin : Das Foto, 2013 (Edition Carpentier : 8) ISBN 978-3-944637-08-2 anderen sich in einer Unzahl ähnlicher zu verlieren droht«. (Katrin Arrieta) Dietrich Oltmanns hat die Fotografien 1990 aufgenommen. Heute sieht er in ihnen seine persönliche Erfassung des damaligen Zustands, dessen faszinie- Efraim Habermann rende Ausstrahlung sich durch den Ein- »Berliner Stilleben« fluss der westlichen Konsumgesellschaft Hrsg. von Manfred Carpentier Leipzig : Lehmstedt, 2011 schnell zu verändern begann. ISBN 978-3-942473-13-2 brennpunkt 3/2013 67 Fotoszene Kann man einem Bild trauen? Na ja, kommt darauf an, was Sie erwarten liebe Leser. Wenn es zum Beispiel um Authentizität geht, würde ich die Erwartung nicht zu hoch schrauben. Das Gewinnerfoto von Paul Hansen beim World Press Photo Award 2013 hat mich sehr beeindruckt. Es ist einfach perfekt - zu perfekt? Das Bild besitzt ein Traumlicht, eigentlich zu schön um wahr zu sein... In seiner Ausgabe 19 vom 6. Mai 2013 hat sich auch »DER SPIEGEL« dieses Themas angenommen und äußert seine Bedenken über den Grad der Nachbearbeitung bei diesem Siegerbild. Süffisant weisen die Autoren des Artikels darauf hin, dass Hansen nicht wie versprochen, die Original RAW Datei zum Vergleich vorweisen konnte - angeblich vergessen... Vergleichsweise eine Enthüllung dagegen ist der Slogan an der Eingangstür: »You press the button. We do the rest better«. Sie erinnern sich jetzt sicherlich auch an die alte KODAK-Werbung. Wenn man den Recherchen des SPIEGEL-Artikels glauben darf, so werden die Dienste von Herrn Palmisano von der internationalen Journalistenbranche gerne und häufig in Anspruch genommen... Ich will das jetzt gar nicht werten. Die Geschichte der technischen Entwicklung zeigt aber, daß das was möglich ist, auch gemacht wird. Da sind moralische oder ethische Bedenken allenfalls Anfangshürden die werden in der Regel aber schnell überwunden! Wenn wir mal ehrlich sind, Photographie war doch noch nie authentisch. Es wurde beim Entwickeln und Belichten in der Dunkelkammer gemogelt und manipuliert was das Zeug hielt. Ich erinnere mich noch selbst an abenteuerliche Konstruktionen aus Draht und zu tun, sie sind photographische Kunstwerke - im eigentlichen Wortsinn. Man sieht die Welt eben nicht in schwarz/weiß - es sei denn, man hat einen massiven Augenfehler! Schon immer hat das Gehirn des Betrachters die Wirklichkeit in Bildern interpoliert, es fiel nur niemandem auf. Es muss ja nicht nur die Schwarz/WeißReduktion der analogen Zeit oder das »Post-Processing« (irgendwie gefällt mir das Wort) der heutigen Zeit sein, was die Authentizität der Photographie in Frage stellt, nein alleine der künstlerische Anspruch des Photographen führt doch schon zu einer Interpretation der Realität! Setzen Sie drei gute Photographen auf das gleiche Objekt an - Sie werden drei verschiedene Bilder bekommen. Und das ist auch selbstverständlich, weil jeder Photograph seine eigene Handschrift hat. »Photographie ist Subjektivierung der Umwelt«. Und da wir alle unterschiedliche Individuen sind, werden unsere »Schwäne«: Trauen Sie diesem Bild? Na ja, zumindest Ihr erster Gedanke ist falsch - keiner der Schwäne ist reinkopiert. Aber ansonsten... Interessant ist im weiteren Verlauf des Beitrages der Hinweis auf Herrn Palmisano, ein Meister des so genannten »PostProcessing« - so wird in journalistischen Fachkreisen die digitale Bearbeitung der Bilder etwas kryptisch umschrieben. Das Geschäft von jenem Herrn Palmisano residiert in Rom und trägt den unauffälligen Namen »10b Photography« - was mehr über die Hausnummer des Firmensitzes, als über deren Tätigkeit aussagt. 68 brennpunkt 3/2013 Pappe, die zum Zwecke der Manipulation in dem Lichtstrahl des Vergrößerungsgerätes bewegt wurden. Bei einer Diskussion über dieses Thema, bedauerte neulich ein Kunsthistoriker mir gegenüber den Verlust von »Wahrheit« in der Photographie und verwies auf die gute alte analoge Photographie zu Zeiten Ansel Adams. Na also, nun ausgerechnet der! Ansel Adams, zugegebenermaßen hervorragende Landschaftsbilder haben ja mit der Wirklichkeit nun absolut nichts Umgebung auch unterschiedlich interpretieren und zu unterschiedlichen Bildern des gleichen Motives kommen. Wollen Sie wissen, welche Photographie noch am authentischten ist? Die ganz banale Urlaubs-und Familienknipserei, Blitz an, raufhalten und anschließend printen beim Supermarkt - führt garantiert zum »Aha« des Wiedererkennungseffektes! Manfred Kriegelstein Buchbesprechung Naturfotografie - Die große Der große Fotokurs Besser fotografieren lernen Fotoschule Jacqueline Esen Naturmotive gekonnt in Szene setzen Fotografie als Meditation Eine Reise zur Quelle der Kreativität Verlag: Galileo Design ISBN: 978-3-8362-2030-9 439 S. Komplett in Farbe, 2. Aktualisierte Auflage 19,90 Euro Nun mal wieder etwas für Anfänger sorry, politisch korrekt: Einsteiger! Frau Esen ist freiberufliche Fotografin und Autorin diverser Werke zu Fotografie und Fototechnik. Schon aus der Tatsache, dass dieses Werk jetzt schon für die zweite Auflage aktualisiert wurde kann man ablesen, dass ein großer Bedarf an dieser kompakten Wissensvermittlung vorhanden ist. Mir ist auch schon bei diversen Fototreffen in der Amateurszene aufgefallen, dass es in den letzten Monaten viele gibt, die Ihr Interesse an der Fotografie entdeckt haben. Für diese Zielgruppe ist das Buch eine absolute Empfehlung. Ohne viel Schnickschnack kommt die Autorin auf den Punkt und vermittelt alles was man als Grundlage zur Fototechnik, Bildgestaltung und digitaler Bearbeitung wissen sollte. Übrigens auch sehr informativ und dennoch kurzweilig stellt sich die Internetpräsentation der Autorin dar. Werfen Sie mal einen Blick darauf: www.fotonanny.de Hans-Peter Schaub Torsten Andreas Hoffmann Verlag: dpunkt.verlag ISBN: 978-3-86490-031-0 260 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband 36,90 Euro Warum fotografieren wir eigentlich? Na klar, um zu guten Bildern zu kommen - so werden jedenfalls die meisten antworten. Aber ist nicht der Akt des Fotografierens an sich schon ein sinnliches Erlebnis? Oder umgekehrt, hat nicht jeder schon einmal bemerkt, dass Fotos nicht gelingen, wenn man »nicht gut drauf ist«? In diesem Zusammenhang hat mich das Buch »Fotografie als Meditation« von Torsten Andreas Hoffman fasziniert. Der Autor zeigt uns den engen Zusammenhang zwischen japanischer ZenPhilosophie und der künstlerischen Fotografie. Er weist an Hand von vielen Bildbeispielen nach, wie wichtig der Seelenzustand des Fotografen für das Gelingen seiner Bilder ist. Der geneigte Leser dieses Magazins wird mich sicherlich nicht verdächtigen besonders esoterisch zu sein, dennoch hat mich diese andere Sichtweise von Herrn Hoffman doch sehr beeindruckt - insbesondere durch seine philosphischen Bildanalysen. Manfred Kriegelstein Manfred Kriegelstein Verlag: Galileo Design ISBN: 978-3-8362-1936-5 397 S. Komplett in Farbe, 2. Aktualisierte Auflage 39,90 Euro Wir kommen nicht daran vorbei, dass Landschafts-und Naturbilder sicherlich einen großen, wenn nicht sogar den größten Teil der deutschen Fotoszene beherrschen. Das liegt sicherlich zum einen Teil daran, dass insbesondere für Anfänger das Ablichten von Personen noch eine gewisse Hemmschwelle darstellt. Ich denke aber, dass die innere Naturverbundenheit vieler Menschen der Hauptgrund für diese große fotografische Affinität ist. Wie auch immer, das aktualisierte Werk von Schaub hilft allen Naturfotografen zu besseren Bildern zu kommen. Von Makroaufnahmen über Landschaftsund Tierfotografie wird alles gut erklärt und mit diversen tollen Bildbeispielen untermauert. Mir ist besonders sympathisch, dass der Autor in seinen Lektionen nicht auf perfekte aber langweilige BiologiebuchIllustrationen zielt, sondern sich auch umfassend der kreativen Umsetzung dieses Themas widmet. Für Naturfotografen eine absolute Empfehlung! Manfred Kriegelstein brennpunkt 3/2013 69 Vorschau 4/2013 brennpunkt 4-2013 erscheint am 4. Oktober 2013 Leserfotos Browse Fotofestival 2013 Foto-Marathon Berlin 2013 © Thomas Lingens, »Rudolf Holtappel«, 2013 © Thomas Lingens, »Thomas Hoepker«, 2013 Portfolio Beide Fotografinnen leben und arbeiten in Berlin. Mit unterschiedlicher Sichtweise gehen sie an die Fotografie heran. Diese beiden Portfolios sind das Ergebnis © Birgit Bergmann © Charlotte Thömmes des brennpunkt AWARDS 2013, anlässlich des »browse Fotofestival Berlin«. Birgit Bergmann Charlotte Thömmes In den nächsten brennpunkt Ausgaben »Maybachufermarkt« »Memory & Imagination« werden wir weitere Portfolios der Gewinner veröffentlichen. Was bedeutet die Fotografie für mich? In meiner Serie »Memory & Imagination« Fotografieren ähnelt in meinen Augen zeige ich fragmentarische Momente, einem Gespräch. Statt zuzuhören, beo- Bruchteile von Sekunden, die sich vor bachte ich. Statt zu reden, fotografiere meinem Auge ausdehnten. Traumartige ich. Sequenzen, in denen ich die Flüchtigkeit des Lebens festzuhalte. Gute Fotografie entsteht nur im Dialog Fotografie ist Abbild der Vergangenheit, zwischen Fotograf und Fotomotiv. Die gelebte Zeit, dennoch versuche ich in Kunst dabei ist es zu beobachten und meinen Bildern nicht mein subjektizuzuhören – im richtigen Moment zu ves Konstrukt der Realität einzufangen, reden … und im richtigen Moment zu sondern möchte den Betrachter anreschweigen und zu fotografieren. gen, seine Wahrnehmung zu hinterfragen. Absichtlich jeder Verortung entrissen, gebe ich dem Rezipienten die Möglichkeit eigenen Assoziationen hervorzurufen. 70 brennpunkt 3/2013 Vorschau 4/2013 brennpunkt 3/2013 71 Galerien 72 brennpunkt 3/2013