Arbeit mit Textquellen im Geschichtsunterricht Vorzüge der
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Arbeit mit Textquellen im Geschichtsunterricht Vorzüge der
Arbeit mit Textquellen im Geschichtsunterricht Vorzüge der Quellenarbeit: • Quellen ermöglichen einen vergleichsweise unmittelbaren, authentischen Zugang zur Geschichte • Im Umgang mit Quellen kann der Anfänger erfahren, wie historisches Wissen entsteht • Hilfe zur Einsicht darin, dass die Geschichte keine „für sich“ existierende Realität, sondern ein Konstrukt ist, das die jeweils lebenden Generationen schaffen • Quellenarbeit lehrt, dass die alten Texte nicht per se richtiger, „objektiver“ sind als Geschichtsschreibung, die sondern Ergebnisse ebenso der späteren standpunkt- uns irrtumsbehaftet sind und einer kritischen Überprüfung bedürfen • Vermittlung einer Methodenkompetenz (Handhabung des geschichtswissenschaftlichen „Werkzeugs“) • Leichterer Übergang zu produktivem Arbeiten und entdeckendem Lernen (im Vergleich zu Darstellungen) • Schulung der „Kunst des richtigen Fragens“ (unerlässlich für kreatives Denken) Die „sieben Todsünden“ der Quellenarbeit • Tilgung der Differenz zwischen Quellen und Sachtexten • Streichen von Fremd- und Andersartigem • Kürzen auf eine Aussage • Keine Quellengattung nennen • Keine verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten • Vermeiden von Methodenlernen • Keine Heuristik Die Auswahl der Quellentexte • Texte müssen eine angemessene Länge und Ausführlichkeit besitzen • Die Aussagen sollten nicht offensichtlich sein, sondern eine Mehrdeutigkeit und Komplexität als intellektuellen Anreiz beinhalten • Texte bevorzugen, die Emotionen und Sympathie / Antipathie hervorrufen und die Phantasie anregen • Zurückhaltung bei Texten, die „Betroffenheit“ auslösen (Stichwort: Abwehrreaktionen) • (für die Sek. I): Vorgänge sind eindrucksvoller als Zustände, Personen interessanter als Ideen und Programme, Entscheidungssituationen näher als Verfassungsordnungen oder Wirtschaftssysteme • Multiperspektivische, kontrapunktische Anordnung der Quellen (wenn möglich) • Mut zur Langsamkeit bei der Interpretation und Auswahl (Schneider, 1994, S. 75) • Methodenvielfalt im Umgang mit Textquellen Fragen zur Texterschließung Mögliche Stufenfolge - flexible Handhabung! (nach Sauer, 2001, 90 – 92 und Darwich /Pandel 1995, 35f.): 1. Sinnerschließung und Verständnissicherung 2. Problematisierung 3. Stellungnahme und Bewertung 4. Zusammenfassung und Übertragung Literaturauswahl: El Darwich, Renate / Pandel, Hans-Jürgen, Wer, was, wo warum? Oder nenne, beschreibe, zähle, begründe. Arbeitsfragen für die Quellenerschließung, in: Geschichte lernen Sammelband, Geschichte lehren und lernen, Seelze 1997, 31-35 Geschichte lernen H. 46 (1995), Arbeit mit Textquellen Geschichte lernen, Sammelband Geschichte lehren und lernen, Seelze 1997 Pandel, Hans-Jürgen, Quellenarbeit, Quelleninterpretation, in: K. Bergmann u.a. (Hg.), Handbuch der Geschichtsdidaktik, Düsseldorf 1985ff., 475 - 480 Ders., Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2000 Ders., Quelleninterpretation, in: Ders. / U Mayer / G. Schneider (Hg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht, Schwalbach / Ts. 2004, 152-171 Rohlfes, Joachim, Arbeit mit Textquellen, in: GWU46, 1995, Heft 10, 583 – 590 Rusinek, Bernd- A. u.a. (Hg.), Die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit, Paderborn 1992 Sauer, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze 2001, 85 – 94 und 147-153 Schneider, Gerhard, Die Arbeit mit schriftlichen Quellen, in: H. J. Pandel / G. Schneider (Hg.), Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, 2. Aufl., Schalbach / Ts. 2002, 15-45 Ders., Über den Umgang mit Quellen im Geschichtsunterricht, in: GWU 45, 1994, Heft 2, 73 – 90 Zurwehme, Martin, Möglichkeiten und Grenzen der Bearbeitung von Quellen für den Geschichtsunterricht, in: GWU 47, 1996, Heft 3, 189 - 197 Didaktische Positionen (Joachim Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, Göttingen 1971 (ff.) Ders., Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen 1986 (ff.)) I. Kategoriale Qualifikationen (= „grundlegende Einsichten in den Charakter des Historischen“) 1) Die fundamentale Ordnungskategorie der Geschichte ist die Zeit („lange Dauer“ / Zeitalter - Epochen / Zeitspanne - Generation) 2) Die Zeitlichkeit der Geschichte stellt sich immer auch als Veränderung, Wandel, Entwicklung dar („Wer mit Historischem zu tun hat, muß genetisch denken können“) = Prozesscharakter der Geschichte 3) Strukturhaftigkeit der Geschichte (ergänzt den Prozesscharakter der Geschichte) 4) Geschichte besteht aus einer Kette von Situationen, die die betreffenden Menschen zu Entscheidungen herausfordern („in der Rekonstruktion dieser Aspekte besteht ein Großteil der historischen Arbeit“). 5) Historisches Geschehen gehorcht dem Kausalitätsprinzip 6) Diskrepanz zwischen Intentionen und Ergebnissen = Mehrdimensionalität der Geschichte – Multiperspektivische Geschichtsbetrachtung (Erkennen der Perspektivität aller historischen Aussagen. Daraus ergibt sich die Aufgabe, verschiedene Perspektiven „so miteinander in Beziehung zu setzen, daß sie sich wechselseitig erhellen.“ = eigenen Standpunkt offen legen und auch probeweise andere Standpunkte einnehmen) II. Methodisch – instrumentale Qualifikationen (= Kenntnis der Methoden: hermeneutisches, analytisches, strukturierendes, vergleichendes Verfahren) III. Inhaltliche Qualifikationen („Inhaltliche Lernziele in die Form von Problemen, offenen Fragen, Alternativen, kontroversen Deutungen kleiden“) IV. Soziale Qualifikationen 1) Imitations-, Identifikations- und Rollenlernen = Bewusstseinsbildung Personalisierung / Personifizierung 2) GU soll zeigen, dass die Gesellschaft ohne die freiwillige Respektierung sozialer Regeln nicht existieren kann 3) rationale Aufklärung der Triebe und Affekte 4) Herausarbeiten der Sozialität des menschlichen Daseins (Individuum / Kollektiv) V. Einstellungs- und handlungsbezogene Qualifikationen 1) Das Vergangene im Gegenwärtigen wahrnehmen 2) Historisches Bewusstsein ist nicht ohne ein reflektiertes Verhältnis zur Tradition denkbar 3) Standpunktbezogenheit und Perspektivität 4) Wer historisch denkt, ist in der Lage, die eigene zeitliche und soziokulturelle Umwelt aus der Distanz zu betrachten 5) Historie erzieht zu „konkretem Denken“ 6) Historie zur Vermeidung eines affirmativen Denkens Multiperspektivität /Kontroversität 1. Multiperspektivität Perspektivität der geschichtlichen Ereignisse (und damit auch der Quellen) den Schülern dadurch transparent machen, dass möglichst häufig Quellen (Text- und Bildquellen) mit unterschiedlichen Sichtweisen präsentiert werden. Hierzu benötigen die SchülerInnen aber das nötige Hintergrundwissen, um die unterschiedlichen Urteile adäquat bewerten zu können!!! Faktoren, die diese unterschiedlichen Perspektiven prägen: kulturelle, religiöse, nationale Zugehörigkeit; soziale Position; Geschlecht; politisches oder wirtschaftliches Interesse. Problem: Oft fehlen Originalquellen unterschiedlicher Position 2. Kontroversität Geschichte wird von den Nachgeborenen unterschiedlich gedeutet. Diese Multiperspektivität auf Ebene der Betrachter von Geschichte wird als KONTROVERSITÄT bezeichnet (Ursachen siehe 1.). Klaus Bergmann, Multiperspektivität. Geschichte selber denken, Schwalbach / Ts. 2000 Der Beutelsbacher Konsens (1977) Der Beutelsbacher Konsens gilt als ein informeller Minimalkonsens für politische Bildungsarbeit, benannt nach einer Tagung von Fachdidaktikern. Eine Übertragung auf den GU ist nirgends festgeschrieben, aber sinnvoll. Drei Grundsätze politischer Bildung 1. Überwältigungsverbot: Es ist nicht erlaubt, den Schüler im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern. 2. Kontroversitätsgebot: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. 3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Zum Begriff Geschichtsbewusstsein (aus: Richtlinien NRW) Jedes Mitglied der Gesellschaft hat spezifische Vorstellungen von der Vergangenheit. Gesellschaft ist durch vergangenes Geschehen geprägt und bestimmt, ohne dass sie sich dessen bewusst ist (somit auch Schüler). Häufig Geschichte als Bündel von Geschichten kennen gelernt und bringen dementsprechend Erwartungen an den GU mit. Hieraus in Schule Interdependenz zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erstellen. Gb ist somit das Ergebnis der menschlichen Reflexionen, die Vergangenheit deuten, um Gegenwart zu bewältigen und Zukunft zu gestalten. GB entsteht in einem komplexen Prozess historischen Lernens (auch Veränderung von Einstellungen und Werthaltungen beinhaltend). Deutungsmuster von Geschichte, die nicht mehr den demokratischen Prinzipien unserer Gesellschaft entsprechen. GU Angebote zur positiven Identifikation mit Gemeinwesen machen. Didaktische Entwürfe zum GU dürfen ihn nicht auf eine dogmatisch verkündete Inhaltlichkeit der Darstellung und der Urteile festlegen. Kein Element des GB ist für Unterricht legitimiert, das nicht der Forderung nach wissenschaftlicher Überprüfbarkeit unter Rückbezug auf die Erarbeitung, Erschließung und Deutung der Quellen genügt. Ziel: Sich kritisch mit unterschiedl. Historischen Angeboten, Vorstellungen und Deutungsmustern auseinander zu setzen, eigene Wertmaßstäbe und Denkgewohnheiten und Gefühlshaltungen als geschichtlich bedingt zu erkennen und nicht unbedacht auf andere Epochen und Gesellschaften anzuwenden, sich mit deren Lebensformen , Denkgewohnheiten und Wertmaßstäben vertraut zu machen und eine rational begründete eigene Position zu gewinnen und zu vertreten. Methodenkonzeption nach Franz E. Weinert Allgemeine Prinzipien von gutem Unterricht • Guter Unterricht kann auf verschiedenen, aber nicht beliebigen Weisen verwirklicht werden. • Guter Unterricht verbessert Lernfreude, Lernqualität und Lerneffektivität • Guter Unterricht berücksichtigt Prinzipien der Differenzierung und Individualisierung • Unterricht wird von den Rahmenbedingungen fast genauso bestimmt wie vom Lehrer Lehrer brauchen 4 Kompetenzen Sachkompetenz / Klassenführungskompetenz / Diagnostische Kompetenz (z. B. Feststellen von Lerndefiziten) / Didaktische Kompetenz 6 Bildungsziele nach Franz Weinert Erwerb: A. von intelligentem Wissen B. von anwendungsfähigem Wissen C. des Lernen Lernens D. von Schlüsselqualifikationen E. von sozialen Kompetenzen F. von Wertorientierungen Methodentraining nach Klippert Kernaussagen • Die Methodenkompetenz der Schüler ist über weite Strecken unbefriedigend. • In der Schule wird zu viel Unterricht mit direktiven, lehrerzentrierten Verfahren ausgefüllt, die fast ausschließlich der (rezeptiven) Wissensvermittlung dienen. • Methodentraining fördert Mündigkeit und Lernerfolg, daher • müssen den Schülern möglichst oft Lernsituationen und –aufgaben angeboten werden, die ihnen Gelegenheit geben, sich in puncto Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und persönliche Kompetenz zu üben und weiterzuentwickeln. • Im Zentrum des Methodentrainings steht das eigenverantwortliche Arbeiten. • Methodenkompetenz meint zum einen das Vertraut-Sein mit grundlegenden Makromethoden (Projektarbeit, Wochenplanarbeit, Planspiel, Referat, Debatte...), zum anderen das Beherrschen elementarer Mikromethoden (vom einfachen Markieren eines Textes über das Strukturieren und Visualisieren von Lernergebnissen bis zum Anfertigen von Mitschriften und Protokollen). • Es ist illusorisch anzunehmen, dass sich die nötige Methodenbeherrschung von selbst einstellt, wenn man die Schüler nur selbständig arbeiten lässt: Methoden müssen im Wege des „Learning by doing“ eingeübt werden! • Das Methodentraining rückt phasenweise in das Zentrum der Unterrichtsarbeit und hat dann Vorrang vor der Stoffvermittlung (z.B. Methodentrainingswochen). Aufgabe der Methodik im GU „Eine Methodik muss generalisieren, aber sie ist praxisnah und sollte den Lehrenden befähigen, das aus Erfahrungen und empirischer Forschung gewonnene Regelwerk der Methodik bei Entscheidungen vor, im und nach dem Unterricht anzuwenden und zu reflektieren.“ „ Eine Methodik des Geschichtsunterrichts muss auf das Regelwerk und seine Begrifflichkeiten zurückgreifen und es so anordnen, dass es historisches Lernen ermöglicht.“ (Zitat nach Günther-Arndt, Geschichtsdidaktik..., Berlin 2003, 151, 156). „Unterrichtsmethoden des Lehrers und Arbeitstechniken der Schüler/innen stehen miteinander in Beziehung. Richtig ist eine Methode u.a. dann eingesetzt, wenn sie - die bisher erreichte Leistungsfähigkeit der Schüler/innen in Anspruch nimmt, um sie zu entwickeln, - die Leistungsbereitschaft der Schüler/innen steigert, indem sie ihnen zu Erfolgserlebnissen verhilft. -die historischen Inhalte strukturiert, damit sie in vertretbarem Zeitaufwand lernwirksam werden. [...] Es müssen Unterrichtsmethoden gewählt werden, die der Schülerin / dem Schüler historische Vorgänge in Vergangenheit und Gegenwart anschaulich und durchschaubar machen und ihm damit den Weg zur eigenen Erkenntnis ermöglichen (Projektunterrichtsform, offene Unterrichtsformen, vielfältige Kommunikationsformen, etc.). (Zitat aus: Lehrplan Geschichte RP, Sek. I., 90) Strukturierungskonzepte des GU Inhaltsbezogene Strukturierungskonzepte (genetische, diachrone, synchrone Strukturierung, das exemplarische Prinzip, das biographische Verfahren) Historische Erkenntnisverfahren (die Historische Methode / der historische Vergleich, das multiperspektivische Verfahren) Unterrichtsmethodische Strukturierungskonzepte (Problemorientierter GU, Handlungsorientierter GU) Lehr-Lernkonzepte (= methodische Großformen nach Hilbert Meyer): Allgemeine Feststellungen der empirischen Forschung: • Offene Lernformen eignen sich besonders für leistungsstarke, motivierte und selbstsichere Schüler. • Für Lernschwache sind von der Lehrperson eng geführte und kurzschrittige Methoden des Lernens wirksamer. • „Schülerorientierung“ wirkt in der Regel als Leistungsbremse (aus Sicht der Schüler: Zeitverschwendung oder nur das Erledigen des Nötigsten) • Dagegen sind Klarheit und Strukturiertheit des Unterrichts, zügiges Voranschreiten im „Stoff“ und anspruchsvolles Üben vergleichsweise erfolgreich. Vorschlag: Unterscheidung der Lehr-Lern-Konzepte des GU in 1. Erarbeitender GU 2. Aufgabenbasierter GU 3. Projektförmiger GU A. Erarbeitender GU Das Grundmuster des erarbeitenden GU bietet viele Variationen an, auch wenn eine eindeutige Konzentration des gesamten Unterrichtsgeschehens auf die Lehrperson stattfindet! Typische Realisationsform: der Frontalunterricht Dieser bietet sich in der Regel im GU in folgenden Situationen an: • Strukturierte Aneignung von historischen Sachverhalten (historisches Orientierungswissen) • Einübung von „Denkmustern“ (Metakognition) • Forderung von Hilbert Meyer: So wenig Frontalunterricht wie möglich – aber wenn schon, dann bitte ohne schlechtes Gewissen und mit didaktisch-methodischer Phantasie). Folgerung: Schaffung einer entspannten Unterrichtsatmosphäre, interessante Themengestaltung, angemessenes Niveau der verbalen Darbietung, altersgemäße Aufgaben (Berücksichtigung der Lernprogression), freundliches Agieren der Lehrperson B. Aufgabenbasierter GU - Vorläufer ist das Konzept des gelenkten entdeckenden Lernens nach HeinzDieter Schmid, das vier Phasen umfasst: Problemstellung durch den Lehrer / Fragenbildung durch den Lehrer / Untersuchung mithilfe von Medien und Arbeitsaufträgen / Bewertung der Arbeitsergebnisse ( Diskussion) - Im Zentrum dieses GU stehen Materialien oder Arbeitsanordnungen. Merkmale des aufgabenbasierten GU sind: • Individualisierung des Lernens (Berücksichtigung des unterschiedlichen Lerntempos und des unterschiedlichen Leistungsvermögens, Verantwortung für das eigene Lernen) • Die Lehrperson steuert den Lernprozess über die Materialien und Arbeitsaufträge • Dieser GU fördert multiperspektivische Verfahren • Dieser GU ist überwiegend kognitives Lernen • Fördert die Kooperation der Lehrenden (Austausch und gemeinsame Nutzung von Materialien) Drei Grundmuster des aufgabenbasierten GU: • Das Stationenlernen (Lernzone, Lernstraße, Lernladen, Lernzirkel): Problem: Anordnung der Inhalte • Die Planarbeit • Das Leitprogramm (vor allem in der Schweiz praktiziert): Das Leitprogramm ist im Grunde ein Lernbuch, das jeder Lernende mit begleitenden Informationsträgern (z.B. CD-Rom) individuell bearbeitet. • Ablaufmuster: Kurze Zusammenfassung als Einführung in das Kapitelthema (advance organizer) / Angabe der Lernziele (Transparenz) / Darstellung des Lerninhalts / Aufgaben und Übungen zum Lerninhalt C. Projektförmiger GU Das Hauptmerkmal des projektförmigen GU ist das kooperative Lernen. Das Ziel ist mit B identisch: die Steigerung des selbständigen und eigenverantwortlichen Lernens Die Hauptformen: Gruppenarbeit / Gruppenpuzzle / historische Projektarbeit / Zukunftswerkstatt zur Geschichte Zum Einsatz von Gruppenarbeit: • Der historische Sachverhalt muss von der Lehrkraft in der Vorbereitung in sinnvolle Probleme und Aufgaben eingeteilt werden. • Die Materialien müssen schüler- und aufgabenangemessen sein. Fragen: Ist das Thema geeignet, wenn ja: themengleiche oder themendifferenzierte Bearbeitung? Haben die Schüler die nötigen Lernvoraussetzungen? Wie soll der Arbeitsauftrag gestaltet werden: offen / geschlossen? Sind die Teilthemen in der zur Verfügung stehenden Zeit zu bearbeiten? • Bedeutsam ist die Qualität der integrierenden Fragestellung in der Auswertungsphase. Die Schüler müssen die Ergebnisse sinnvoll darstellen können, die Teilergebnisse müssen in ein entsprechendes Gesamtergebnis fließen. • Schüler müssen die Spielregeln für die Gruppenarbeit erlernen. • Die institutionellen, organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen müssen geschaffen sein. Der entscheidende Unterschied zwischen GA und Gruppenpuzzle liegt in der Präsentationsphase: Beim Gruppenpuzzle werden die Lernenden teilweise zu Lehrenden, da das Puzzle in der Reihenfolge Erarbeitungsgruppe und Austauschgruppe abläuft (4xAAAABBBBCCCCDDDD) zu 4X ABCD Schüler müssen also ihr Wissen strukturieren. Besondere Förderung des kommunikativen Aushandelns Arbeit mit (stehenden) Bildern im Geschichtsunterricht • Bilder sind Quellen eigener Art und bedürfen hinsichtlich ihres Einsatzes besonderer didaktischer Überlegungen und methodischer Anstrengungen (auch hinsichtlich des nötigen Fachvokabulars) • Sie werden im GU noch zu oft zur Illustration verwendet, die eine Abbildung der Realität suggerieren (Stichwort: Quellenkritik) Leitfrage: Welche Lernziele lassen sich mit einem Bild besser als mit anderen Quellen, Medien oder Methoden erreichen? Wichtige Voraussetzung: Bildvorlagen guter Qualität Bilder können vor allem für die folgenden Bereiche als Quellen dienen: Sachkultur, Mentalitätsgeschichte; „Propaganda“ Vorgehensweise bei der Interpretation von Bildern (nach Erwin Panowsky) 1. Bildbeschreibung (ikonografische Bildbetrachtung) = Beschreibung dessen, was auf dem Bild zu sehen ist, Äußerung von Eindrücken 2. Bildanalyse (ikonografische Bildanalyse) = Erschließen von Thema und Inhalt, Identifikation der Personen, Untersuchung der Darstellungsmittel) 3. Bildinterpretation (ikonologische Bildinterpretation) = Zusammenfassende Deutung der Bildaussage im historischen Kontext Ziel: Den Blick der Schülerinnen und Schüler für das jeweils Zeittypische zu schärfen und ihnen langfristig ein elementares Verständnis der „visuellen Handschrift“ verschiedener historischer Zeiten zu vermitteln. Arbeit mit Karikaturen im Geschichtsunterricht Wichtigstes formales Element: Überzeichnung und klare Aussageabsicht Analytisches Ziel: Rekonstruktion der Aussageabsicht, dazu Untersuchung der künstlerischen Gestaltung (Bildformen wie Metaphern, Symbole und Allegorien) Besonderheit: Benutzung kultureller Traditionen (Bildwelten früherer Zeiten, die für die Analyse bekannt sein müssen) Die Aussageabsicht lässt sich nach Pandel wie folgt differenzieren: • deskriptive Karikaturen, die eine Situation eher beschreiben • kommentierende K., die Ereignisse zusammenfassend (und objektiver) bewerten • analytische K., die Ursachen nennen, Zusammenhänge klären • agitatorische K., die einen eindeutig ideologischen Charakter besitzen Vorzunehmende Unterscheidungen, die sich auf den Zeitaufwand mit Karikaturen im GU auswirken: „Pointierte Karikaturen: Begrenzen den Inhalt, den Situationsbezug und sind meistens eindeutig in der Aussage (daher besonders für Einstiege geeignet) „Komplexe Karikaturen: Umfassender, Vielfältiger in den Details und schwieriger in ihrem ideellen Standpunkt zu erkennen Kartenarbeit im Geschichtsunterricht Geschichtskarten sind heutige Darstellungen der Verhältnisse in vergangener Zeit (die auch selbst zu Quellen werden können) Wichtige Einsicht für Schüler: Geschichtskarten zeigen historische Sachverhalte nicht einfach „objektiv“, sondern sie sind zugleich auch zu deuten. Es gilt vier verschiedene Präsentationsformen zu unterscheiden: Atlaskarte / Schulbuchkarte / Wandkarte / Folienkarte (Overlayverfahren etc.) Grundlegende Unterscheidungen: Statische Karte / dynamische Karte / eindeutige / komplexe Karte Grundlegende Probleme: • Dimension der zeitlichen Veränderung (dynamische Karte) • Farbgestaltung und deren psychologische Wirkung • Komplexität vieler Karten (Überforderung der Schüler) – didaktische Reduktion Schüler müssen in die Lage versetzt werden, die Funktion der einzelnen Kartenteile (Titel, Legende, Maßstab, Signaturen, Zeichensystem) und die Darstellungsabsicht (Karten als abstrakte und schematische Darstellungen, die Darstellungsinteresse entschlüsseln. komplexe hin Realitäten reduzieren oder auf ein bestimmtes vereinheitlichen) zu Literaturübersicht: Bergmann, Klaus / Schneider, Gerhard, Das Bild, in: Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach / Ts. 1999 Geschichte lernen, Heft 5, 1988: Bilder im Unterricht Geschichte lernen, Heft 18, 1990, Politische Karikaturen Geschichte lernen, Heft 59, 1997, Arbeit mit Geschichtskarten Hüttermann, Armin, Kartenlesen –(k)eine Kunst. Einführung in die Didaktik der Schulkartografie, München 1998 Kaufmann, Günter, Neue Bücher – alte Fehler. Zur Bildpräsentation in Schulgeschichtsbüchern, in: GWU 51 (2000), Heft 2, 68 - 87 Pandel, Hans-Jürgen, Karikaturen. Gezeichnete Kommentare und visuelle Leitartikel, in: Ders. / Schneider, Handbuch Medien im GU, Schwalbach / Ts. 1999, 255-276 Praxis Geschichte, Heft 4, 1999, Kartenarbeit Sauer, Michael, Bilder im Geschichtsunterricht. Typen – Interpretationsmethoden – Unterrichtsverfahren, Seelze 2000 Ders., Karten und Kartenarbeit im Geschichtsunterricht, in: GWU 51 (2000), Heft 1, 37 - 46 Wilharm, Irmgard (Hg.), Geschichte in Bildern. Von der Miniatur zum Film als historische Quelle, Pfaffenweiler 1995 Wunderer, Hartmann, Abbildungen der Welt? Zur Problematik von Fotografien im Geschichtsunterricht, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 28 (2000), Heft 1 / 2, 47 – 56. Der Gegenwarts- und Zukunftsbezug im Geschichtsunterricht „Wir wollen aus der Vergangenheit das Feuer retten, nicht die Asche bewahren“ Ausgangsthese: Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit von Geschichte ist eine wesentliche Kategorie historischen Denkens. Die Geschichtswissenschaft ist eine Gegenwartswissenschaft, die auf ihre besondere Weise an den großen Herausforderungen der Gegenwart und absehbaren Zukunft „herumdenkt“. Ausgangspunkt: Gegenwärtige Schwierigkeiten, die im GU über historische Fragen „umgeleitet werden. „Große Fragen“ (epochale Schlüsselprobleme): Gerechtigkeit und gutes Leben / Glauben und Hoffnungen / Partizipation und Mitbestimmung / Gewalt, Krieg und Frieden / Gleichberechtigung der Geschlechter / Solidarität / Arbeit und Arbeitslosigkeit / Armut und Ausbeutung / „Heimat“, Flucht, Vertreibung, Migrationen / Umgang mit Minderheiten / Nationalismus, Rassismus und Fundamentalismus / Gesundheit und Krankheit / Protest und Widerstand / Umwelt / Freiheit... Die Anfragen an das Wissenschaftswissen können auf einen URSACHENZUSAMMENHANG oder auf einen SINNZUSAMMENHANG gerichtet sein: Ursachenzusammenhang: Frage richtet sich auf historische Entwicklungen, die als Ursachen der gegenwärtig und künftig anstehenden Probleme gelten können = NAHERINNERUNG (Neueste Geschichte / Zeitgeschichte) Sinnzusammenhang: Frage richtet sich darauf, ob es in der Vergangenheit Situationen und Entwicklungen gegeben hat, die mit der gegenwärtigen Situation bedingt vergleichbar ist. Es handelt sich um „FERNERINNERUNG“ (Längsschnitt, Fallstudie) Interkulturelles Lernen Prämisse: Jedes historische Lernen ist interkulturelles Lernen im Sinne eines Lernens über andere Kulturen (= „Fremdverstehen“). Schüler tragen alle sehr unterschiedliche Geschichten in sich, die in hohem Maße kulturabhängig sind! Interkulturelles Lernen ist ein Unterrichtsprinzip , das alle Schulformen und Schulfächer umfasst. Veränderte gesellschaftliche Ausgangssituation in D. im 21. Jh.: Migration, Zuwanderung Kulturbegriff: Keine Hochkultur, sondern Kultur als „ein einer Gesellschaft gemeinsames System von Kenntnissen, Werten und Haltungen, das die Lebensweise einer Gesellschaft ausmacht“. Damit meint interkulturelles Lernen vor dem Hintergrund dieses Kulturbegriffs, „dass Menschen verschiedener kultureller Zugehörigkeit gleichberechtigt mit- und voneinander etwas über ihre kulturellen Bezugssysteme und Bedingtheiten lernen, sei es nun direkt über persönlichen Kontakt, sei es vermittelt über Medien.“ Konsequenzen für den GU: 1. Geschichtsunterricht als Geschichte der „neuen Heimat“ zur verbesserten Integration (=Anpassung der Methoden, nicht aber der Zielsetzungen und Inhalte) 2. Ethnisch-kulturell getrennter GU (s. Religionsunterricht) (=kein anderes Konzept des GU, sondern nur Erweiterung um zusätzliche Konzepte, etwa türkischer GU) 3. Konzeptionelle Veränderung des GU zur Förderung der „interkulturellen historischen Kompetenz“ Ziele: 1. Fremdverstehen 2. Durch Fremdverstehen ein verändertes Selbstverstehen erreichen (Reflexion der eigenen kulturellen Prägung historischen Denkens) – Förderung des Identitätsbildungsprozesses Folgen für GU: Keine völlige Umgestaltung, sondern andere Akzentuierungen und Umstellung auf andere geschichtsdidaktische Konzepte (Multiperspektivität, Exemplarität) Probleme und Grenzen Interkulturelles Lernen löst keine gesellschaftlichen oder politischen Probleme: Wenn in der Gesellschaft / Politik kein Klima der Akzeptanz herrscht, kann es auch diese Form des GU nicht erreichen Anteil des Schulsystems an der Diskriminierung von Migrantenkindern Interkulturelles Lernen ist in der deutschen Gesellschaft nur bedingt konsensfähig (s. Diskussion über Leitkultur, Ausländersprachtests), auch unter Schülern können Schwierigkeiten auftreten (Identitätsfindungsprozess) Erhöhter Arbeitsaufwand für Lehrende aufgrund mangelnder Materialien Themen für den Geschichtsunterricht sind besonders geeignet, wenn sie • Erfahrungen von historischer und / oder kultureller Andersartigkeit und damit Fremdverstehen ermöglichen, [Lehnswesen, Familie als Längsschnitt, fremde Kulturen] • die Einsicht vermitteln, dass das Denken und Handeln von Menschen immer zeit-, standort- und interessengebunden sind, [Kreuzzüge, Soziale Frage] • anthropologische Einsichten über mögliche Verhaltensweisen von Menschen zulassen, [Sklaverei, Holocaust] • die Fähigkeit schärfen, langfristige Entwicklungstrends wahrzunehmen, die von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft reichen, [Industrialisierung, Globalisierung, Automatisierung, Mentalitätsgeschichte] • der Erklärung, Einordnung und Relativierung von Gegenwartsphänomenen dienen, [Migration, Armut, Verkehr] • Sch. helfen, mit dem öffentlichen Gebrauch von Geschichte umzugehen, [Nationalismus, Rassismus, Migration, Vernichtung] • An historischen Beispielen Kategorien politischen und sozialen Handelns und Urteilens vermitteln und gegenwärtiges Engagement historisch begründen. [Herrschaft / politische Teilnahme – Parteien] „Kampf der Kulturen“? Das Entdeckungszeitalter und seine Folgen am Beispiel der Landung von Columbus auf Guanahani „Kriegsverherrlichung und Kriegswirklichkeit“: Unterschiedliche Wahrnehmungen des „Fronterlebnisses“ im Ersten Weltkrieg an Beispielen aus der ersten Flandernschlacht im Oktober / November 1914 „Auferstanden aus Ruinen“? Gesellschaftlicher und politischer Protest in der DDR Ende der 1980er Jahre „Ein Reich, ein Volk, ein Führer“? Zum Herrschaftsverständnis des Adolf Hitler „Republik ohne Demokraten“? Ursachen des Untergangs der Weimarer Republik Die Krise der römischen Republik – Lösungsmodelle am Beispiel ... Die Schrift – Kunst oder notwendiges Hilfsmittel in Ägypten? „Nicht sich, sondern dem Vaterland gehören!“ Zur Erziehung in Sparta „Gebt mir fünf Jahre Zeit“! Nationalsozialistische Wirtschaftspolitik am Beispiel ... „Ein Gespenst geht um in Europa“ – das Kommunistische Manifest und seine zeitgenössische Wirkung „Nur Schafe zur Schlachtbank?“ – Aspekte des jüdischen Widerstands im Warschauer Ghetto Untersuchungsverfahren helfen, Themen sinnvoll miteinander zu strukturieren! Jedes Untersuchungsverfahren ermöglicht besondere Erkenntnismöglichkeiten! Chronologisches Verfahren – genetisches Prinzip Längsschnitt – diachrones Verfahren Querschnitt – synchrones Verfahren Schwerpunktbildung und Fallanalyse Vergleichendes Verfahren Perspektivisch – ideologiekritisches Verfahren Möglichkeiten des Stundeneinstiegs A. Einstieg zur Festigung des Gelernten (z. B. Frage- / Wissensspiele) B. Einstieg als Reflexion des Unterrichtsgeschehens • kontroverse Quellen zur Bewertung eines Ereignisses • diachroner Vergleich (Oberhausen 1800 1850 1900 / Landkartenvergleich (Versailler Vertrag) • Einstieg mit synchronen Vergleichen (Wohnen im Kaiserreich / Zahlenvergleich (Kriegsopfer) • Einstieg als Provokation (Äußerung / Erzählung / Karikaturen / Propaganda) • Weckung der Neugier (Geschichte fortschreiben / erzählende Quelle als Einstieg – Landung Columbus / Spekulationen) • Einstieg mit Gegenwartsbezug (israelisch-palästinensischer Konflikt)/ • Einstieg mit aktuellen Kontroversen in der Gesellschaft (Arbeitslosigkeit) • Einstieg mit Verweis auf Alltagsphänomene (Rassismus) • Nachwirkungen geschichtlicher Ereignisse (Erinnerungssteine) • Einstieg als Brainstorming • Einstieg in spielerischer Form (Rätsel) • Interview / Befragung als Einstieg • Einstieg durch Vorführen / Experiment • Internetrecherche