Managing Soft Factors
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Managing Soft Factors
Managing Soft Factors Evidenz-basierte Umsetzung des Leitbilds Stefan Baldenweg und Heiko Eckert Inhalt 1. Herausforderungen aus dem Umfeld 2. Unser Verständnis von Management 3. Spannungsfelder bei der Umsetzung des Leitbilds 4. Unser Vorgehenskonzept 5. Nutzen 1. Herausforderungen aus dem Umfeld Das Umfeld, in dem sich Unternehmen heute behaupten müssen, ist geprägt von tiefgreifenden Veränderungen. Wir durchlaufen einen fundamentalen Transformationsprozess mit einer Vielzahl von Treibern und einer rasant zunehmenden Dynamik. Detaillierte Prognosen der zukünftigen Entwicklungen sind nicht möglich. Die Halbwertzeit von Strategien ist kürzer geworden. Mit dem Lösungsansatz der Vergangenheit allein können wir nicht die richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft finden. Antizipationsvermögen und die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens werden wichtiger. Die Anpassungsfähigkeit wird immer deutlicher zu einer Schlüsselfähigkeit für die Lebensfähigkeit eines Unternehmens. Anpassungsfähigkeit darf dabei nicht verwechselt werden mit blinder operativer Hektik, mit abrupten und willkürlichen Richtungswechseln. Zeichen guten Managements ist "Kontinuität im Wandel". Dies zeigt sich in der beharrlichen und zielgerichteten Nutzung und Weiterentwicklung der eigenen Stärken in einem sich verändernden Umfeld. 2. Unser Verständnis von Management Peter Drucker definierte den Zweck eines Unternehmens unmissverständlich und prägnant: "the purpose of a company is to create a customer." Zufriedene Kunden kaufen Produkte und bezahlen Rechnungen. Ein Teil dieses Geldes bleibt, wenn gut gearbeitet wird, als Gewinn in der Kasse. Der Profit ist nicht der Beginn, sondern das Ende der Kausalkette. 1 Ausgangspunkt wirksamer Unternehmensführung ist ein im Kundennutzen verankertes Leitbild. Im Leitbild werden der Unternehmenszweck, die Unternehmensziele sowie die grundlegenden Wertvorstellungen beschrieben. Das Leitbild ist damit der Orientierungspunkt für das Gestalten der Manager und das Handeln der Mitarbeiter. Unter Berücksichtigung der Marktlogik und der Wettbewerbsverhältnisse wird das Leitbild in der Strategie konkretisiert. Aufgabe des Managements ist es, zunächst Klarheit über die Strategie zu schaffen, dann aber vor allem dafür zu sorgen, dass diese Strategie umgesetzt wird. Das heisst, dafür zu sorgen, dass aus dem eigenen Wissen und den eigenen Stärken Nutzen, nämlich Kundennutzen wird und dass aus der im Leitbild dokumentierten Absicht am Ende des Tages zählbare Ergebnisse, finanzielle Ergebnisse werden. personenbezogen Leitbild Business Mission kurzfristig langfristig unternehmensbezogen Das kann nur erreicht werden, wenn es gelingt, die Organisation mit all ihren Mitarbeitern im Sinne des Leitbildes zu mobilisieren. Der für den Kunden spürbare Nutzen wird durch das geschaffen, was die Mitarbeiter in ihrer täglichen operativen Arbeit tun. Das Jahresergebnis ist nichts anderes als eine doppelte Summe, die Summe der täglichen Arbeit aller Mitarbeiter - und zwar in allen Funktionsbereichen und auf allen hierarchischen Stufen - über alle Tage des Jahres hinweg. Das St. Galler Management Modell fasst die wesentlichen Gestaltungsfelder einer ganzheitlichen Unternehmensführung zusammen: Strategie, Struktur und Kultur. Diese drei Felder lenken das Verhalten der Mitarbeiter im Kontext des Unternehmens. Eine nachhaltige Umsetzung des Leitbildes bedingt die Balance dieser verschiedenartigen Themenfelder. 2 Umsetzung ist immer an eine „Bewegung“ der Organisation, bzw. an die Gestaltung und Veränderung dessen was die Organisation bewegt, gebunden. In unserem Verständnis hat das Management daher für die adaptive Gestaltung optimaler Bedingungen für die Möglichkeit des Resultateerzielens zu sorgen. 3. Die Spannungsfelder für die Umsetzung des Leitbilds Bei der Suche nach einer Balance zwischen Strategie, Struktur und Kultur bewegen wir uns immer in einem Spannungsfeld in zwei verschiedenen Dimensionen: erstens zwischen der Polarität top-down und bottom-up und zweitens zwischen Stabilität und Dynamik. Bestimmte Aspekte müssen top-down geregelt werden. Gemeinsame, übergeordnete Orientierungspunkte sind unabdingbare Voraussetzung, damit Selbstorganisation überhaupt erst möglich ist. Auch die Frage der richtigen Ressourcenallokation kann nur aus einer übergeordneten Perspektive entschieden werden. Andererseits erfordert die Lösung vieler Aufgaben eine enge Vertrautheit mit der Thematik. Die Kompetenz in der Sache kommt vor der hierarchischen Stellung. Das Bottom-up-Prinzip der Subsidiarität, der Selbstorganisation muss hier gelten. Das Wechselspiel zwischen Stabilität und Dynamik lässt sich anhand von Beispielen aus der Natur illustrieren. Das Bewegungssystem des menschlichen Körpers ist, stark vereinfacht, aus Skelett und Muskeln aufgebaut - mit den Muskeln als Element der Dynamik und mit den Knochen als Stabilität. Es ist offensichtlich, dass wir mit den Muskeln alleine nicht vom Flecke kämen. Erst die Elemente der Stabilität, das Knochengerüst ermöglichen die Fortbewegung, respektive das Wechselspiel zwischen den Elementen der Dynamik und der Stabilität. Elemente der Stabilität sind eine wichtige Voraussetzung für Entwicklungsfähigkeit. Das wird oft vergessen. 3 Top-down Stabilität Dynamik Bottom-up Die Ausprägung dieser Polaritäten können unternehmens- und zeitpunktbezogen unterschiedlich sein. Die katholische Kirche beispielsweise hat ausgeprägte Elemente der Stabilität in ihren Werten, Strukturen und Prozessen. Entscheidungen erfolgen vor allem top-down. Auch bei einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft sorgt ein starker wertkonservativer Grundkonsens für Stabilität. Allerdings werden hier die Entscheidungen basisdemokratisch bottom-up gefällt. Zur Illustration des entgegen gesetzten Feldes mag vielleicht ABB zu Barnevik`s Zeiten herhalten. In kurzer zeitlicher Taktung wurden grundlegende Reorganisationen Top-down durchgesetzt und implementiert. Und Unternehmen schliesslich mit starkem inneren Wandel auf Basis Eigeninitiative und Selbstorganisation sind sicherlich Google oder Goretex. Die in diesen einfachen und bewusst plakativ dargestellten Illustrationsbeispielen aufgezeigten Polaritäten sind wertfrei. Es gibt nicht ein allgemeingültiges Besser oder Shlechter. Entscheidend ist vielmehr die Balance mit den Erfordernissen des Umfeldes und mit dem Leitbild. Und damit sind wir wieder bei der Stimmigkeit mit Strategie, Struktur und Kultur. Diese drei Elemente sind alle wichtig, aber für das Management unterschiedlich direkt gestaltund beeinflussbar. Leitbild und Strategie können explizit dargestellt, im Kreise der Entscheidungsträger diskutiert und dokumentiert werden. Sie sind direkt beeinflussbar. Bei der Ausgestaltung der Organisation liegen direkte und wesentliche Stellhebel für das Management. Dazu gehören die Strukturen der Aufbauorganisation, die Ablauforganisation in den Prozessen, sowie die ganzen Führungsprozesse mit Zielvereinbarung und Leistungsbeurteilung. 4 Wesentlich schwieriger ist es mit der Unternehmenskultur. Diese ist nicht direkt gestaltbar und nur mittelbar beeinflussbar. Die Kultur befindet sich unterhalb der Oberfläche. Meist haben wir nur eine diffuse Vorstellung davon, was sie wirklich ausmacht. Die Kultur entzieht sich dem direkten Zugriff und doch ist sie für die Umsetzung des Leitbilds von eminenter Bedeutung. Sichtbare Spitze (Strategie) Strukturen und Prozesse Tiefenstruktur (Kultur) 4. Unser Vorgehenskonzept Der im Folgenden dargestellte Ansatz stellt die konzeptionelle Logik des Vorgehens sowie die inhaltlichen Orientierungspunkte in den Vordergrund, nicht einzelne Diagnose- und Interventionsverfahren. Die Umsetzung des Leitbilds ist mit vielen Stolpersteinen gepflastert. Eine im Bereich des Veränderungsmanagements immer wieder gemachte Erfahrung ist, dass komplexe Umsetzungsprozesse nur bedingt planbar sind. Die sachlichen Inhalte können durch Planung und weitsichtige Entscheidungen optimal vorbereitet und auf den Weg gebracht werden. Die am Umsetzungsprozess beteiligten Menschen brauchen jedoch eine dichte und sensible Begleitung, um zeitnahe Korrekturen und prozessimmanente Lernschritte zu ermöglichen. Dies erfordert ein Informationssystem, welches alle Ebenen des "Eisberges" umfasst. Dazu gehört erstens eine regelmässige Auditierung der Zielerreichung der sichtbaren Spitze des Eisbergs und zweitens ein fein getaktetes Monitoring des Veränderungs- und Entwicklungsprozesses in den Tiefenstrukturen des Eisbergs. 5 Absicht Zukunftsbild / Leitbild • Zweck • Ziele • Werte Woran erkennen wir, ob wir uns dem Ziel nähern? Soll Profil und Indikatoren Auditierung Zielerreichung Management des Prozesses auf Basis Mustererkennung • • • • Kommunikation Massnahmen / Interventionen Prozessgestaltung Ressourcensteuerung Wirkung Strukturen / Prozesse Monitoring des Veränderungs- und Entwicklungsprozesses Kultur Kulturelle Besonderheiten Erfolgsfaktoren der Umsetzung (Ressourcen) Abb. Vorgehenskonzept bei der Leitbildumsetzung 6 Operationalisierung des Leitbilds Im Leitbild wird der Zustand beschrieben, den das Unternehmen in Zukunft erreichen will. Es soll als ehrgeiziges Ziel dienen, auf dessen Erreichen das Handeln und Verhalten in der Organisation auszurichten ist. Die im Leitbild beschriebenen Zielfelder sind anhand von Indikatoren zu konkretisieren. Durch regelmässige Abfragen/Audits kann überprüft und beurteilt werden, ob man sich den im Leitbild definierten Zielen nähert oder sich von ihnen entfernt. Monitoring des Veränderungs- und Entwicklungsprozesses Um die Wirkung des Veränderungsprozesses in den Tiefenstrukturen des Eisbergs zu verstehen, ist ein fein getaktetes Monitoring der förderlichen und hinderlichen kulturellen Besonderheiten im Umfeld der Mitarbeiter und Führungskräfte erforderlich. Die relevanten Inhalte für das Monitoring werden mit den Führungskräften erarbeitet, deren Abteilungen und Funktionsbereiche bei der Leitbildumsetzung wichtige Aufgaben übernehmen und/oder davon betroffen sind. Hierfür kann auf das ganze Instrumentarium der "Kulturdiagnostik", wie. z.B. Repertory Grid, zurückgegriffen werden. Management des Umsetzungsprozesses Auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen aus der Zielauditierung und aus dem Monitoring der kulturellen Erfolgsfaktoren kann das Management die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Entwicklungs- und Veränderungsprozess schaffen. Die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen, wie bspw. Anpassungen in Aufbau- und Ablauforganisation, Mitarbeiterschulungen, Informationsveranstaltungen, Zielvereinbarungen, u.a., wird unmittelbar ersichtlich, und Muster im Veränderungsprozess werden transparent. Durch die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen dem sichtbaren Teil des Eisbergs und seiner Tiefenstruktur können Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und korrigiert werden. Mit diesem Ansatz können die Einschränkungen eines starren und sequentiellen Vorgehens überwunden werden. Durch ein adaptives Management des Umsetzungsprozesses begegnen wir der Tatsache, dass ein Veränderungsprozess nur bedingt im voraus planbar ist. Die Integration aller Informationsebenen wird durch eine webbasierte Softwarearchitektur sichergestellt. Sie ermöglicht allen am Veränderungsprozess beteiligten Mitarbeitern und Führungskräften erfolgreich durch die Turbulenzen der Veränderung zu navigieren und Verantwortung für das Gelingen der Umsetzung zu übernehmen. Die Datenerfassung erfolgt wahlweise über mobile Endgeräte oder einen stationären PC. Die Einschätzungen der Prozessbeteiligten kann einmal pro Woche oder auch enger getaktet erfolgen. Indem die Beteiligten regelmässig durch das Monitoring in den Prozess eingebunden 7 werden, unterstützen sie den Entwicklungsprozess des Unternehmens. Gleichzeitig begünstigt die kontinuierliche Reflexion die persönliche Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit. Dies bezieht sich auf den eigenen genauso wie den Entwicklungsprozess des Unternehmens. Dieses Vorgehen wird als Real-Time Monitoring bezeichnet – es ist ein Feedback in Form von Zeitreihenprotokollen über den Verlauf der Veränderung „in Echtzeit“. 5. Nutzen Mit dem hier dargestellten Konzept kann die erfolgreiche Umsetzung des Leitbilds wesentlich begünstigt werden. Zusammengefasst sehen wir folgende Vorteile: 1. Über ein systematisches Prozessfeedback werden kritische Projektphasen und Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und können korrigiert werden. 2. Durch das Monitoring der förderlichen und hinderlichen kulturellen Besonderheiten wird die Wirkung der Umsetzungsmassnahmen transparent. 3. Jeder Beteiligte erhält eine „Stimme“ im Veränderungsprozess. Dadurch wird die Topdown Planung der Leitbildumsetzung mit einem Bottom-up Feedback kombiniert. 4. Dadurch entsteht eine motivationale „Sogwirkung“ in Richtung zu erreichender Ziele und Sollzustände. Die am Prozess Beteiligten übernehmen Verantwortung für das Gelingen der Umsetzung. 5. Anstelle von wenigen grossen zeitpunktbezogenen Erhebungen tritt eine kontinuierliche Prozesserfassung, welche es erlaubt, steuerungsrelevante Muster im Zeitverlauf zu erkennen. Die oftmals mit grossen Erhebungen verbundenen unrealistischen Erwartungshaltungen können vermieden werden. Die Idee der lernenden Organisation wurde in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmensleitbildern aufgenommen und medienwirksam thematisiert. Das hier dargestellte Vorgehen kann einen Beitrag leisten, sich diesem Ziel einen wesentlichen Schritt zu nähern. Stefan Baldenweg, Dipl.-Ing. ETH, MBA Insead, ist Mitglied der Geschäftsleitung Corporate Consulting & Development des Malik Management St. Gallen. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen auf Strategie, Organisationsentwicklung und Mergers & Acquisitions. [email protected] Dr. Heiko Eckert, Dipl. oec., ist Project Manager am Malik Management St. Gallen. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen auf Corporate Governance, Strategie und Strategieumsetzung und Real-time Prozessmonitoring. [email protected] 8