Predigt Jo am 4. Fastensonntag
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Predigt Jo am 4. Fastensonntag
Predigt Johanna am 4. Fastensonntag 2010: Liebe Christinnen und Christen an diesem 4. Fastensonntag! Vermutlich haben Sie die Diskussionen und Anfragen an die katholische Kirche im Zusammenhang mit den Fällen von sexueller Gewalt gegen Kinder ein Stück weit mitverfolgt. Möglicherweise sind Sie aufgebracht, enttäuscht, fassungslos oder auch verwirrt und skeptisch. Mich jedenfalls haben diese Auseinandersetzungen so weit bewegt, dass ich nicht umhin konnte, die heutigen Bibelstellen mit dieser Brille zu lesen. Kein leichtes Unterfangen, denn ist schon das Thema der Versöhnung herausfordernd genug, so umso mehr vor dem Hintergrund von Gewalttaten bzw.Übergriffen durch kirchliche Personen.. Mir geht es nicht darum dieses Thema umfassend zu beleuchten, dafür ist der Ort und Rahmen hier nicht gedacht! - aber mir ist es wichtig, diese Brille klar zu benennen und Sie, liebe Mit-Christinnen und Christen nicht im Unklaren zu lassen, was Hintergrund meiner Überlegungen ist. Doch voranstellen möchte ich eine persönliche, durch und durch positive Erfahrung, die ich in letzter Zeit gemacht habe. In der Supervisionsgruppe der PatoralassistentInnen haben wir das Bild einer Blume ausgesucht, die in unsere Stimmung passt. Die Blume sollte für uns selbst stehen und wir schrieben einen inneren Dialog mit ihr. „Das klingt versöhnt!“ war die Rückmeldung zu meinem Bild und Text. Über diese Rückmeldung habe ich mich sehr gefreut. Es war schön, dass jemand anderer dieses „Versöhnt-sein“, so deutlich wahrgenommen und zum Ausdruck gebracht hat. Mir ist dabei ein Licht aufgegangen, denn so bewusst war mir das „Versöhnt-sein“ gar nicht. Die Freude über dieses „Das klingt versöhnt!“ kommt wohl vor allem daher, dass wir es oft als mühselige Arbeit erleben, auf dem Weg der Versöhnung einen Schritt weiter zu kommen. Dort wo es gelingt, sich mit sich selbst, den Vorfällen und Entwicklungen im eigenen Leben – sei es in der Beziehung, der Arbeit, der Gesundheit – zu versöhnen, da hat das immer auch Geschenk-Charakter. Der Freude über gelungene Versöhnung geht die Erfahrung des „Unversöhnt-seins“ voraus. Dieses Unversöhnt-sein kann sich kalt und hart anfühlen, als Verletzung oder gar klaffende Wunde, es kann zu Verschlossenheit führen, aber auch zu dem Gefühl: „Da fehlt was!“ – einem guten Ausgangspunkt für die Suche nach Versöhnung. In der Lesung aus dem 2. Korintherbrief haben wir gehört, dass Gott uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. Das Wort von der Versöhnung ist uns zur Verkündigung anvertraut – insbesondere natürlich jenen, die in der Kirche Verantwortung tragen. Und ich denke, dass es gerade hier ist, wo sich und warum sich der Widerspruch so heftig entzündet in den aktuellen Diskussionen. Denn der Auftrag zur Versöhnung und der Verkündigung der Frohen Botschaft – wie geht der zusammen mit Gewalt, noch dazu Gewalt an Kindern?! Und wie geht es zusammen mit dem, wie die Kirche mit solchen Situationen bisher meist umgegangen ist? Vorgehalten werden ihr Schweigen, vertuschen und das Versetzen von betroffenen Personen. Die Lücke klafft weit auseinander zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In mehreren der Diskussionen hat ein ehemaliger Priester und jetziger Therapeut darauf hingewiesen, dass solche Erfahrungen auch nicht ohne Einfluss bleiben auf Religiosität und Gottesbilder der Kinder und späteren Erwachsenen. Gerade in Anbetracht des heutigen Evangeliums mit dem sehr berührenden Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. auch dem barmherzigen Vater, wie es ebenfalls genannt wird, stimmt mich das nachdenklich, wenn Bilder wie jenes des Vaters, dann nicht mehr greifen. In Bezug auf die aktuellen Diskussionen findet sich wohl so manche/r in dem älteren Bruder wieder: „Er wurde zornig und wollte nicht hinein gehen..“ - jener im Gleichnis zum Fest ins Haus hinein; viele Menschen heutzutage in die Kirche, zum Gottesdienst herein. An diesem älteren Bruder wird deutlich, wie unfassbar und welcher Affront Jesu Umgang mit den SünderInnen und mit Sünde ist. Wo Versöhnung Sündern – auch Tätern – zugesprochen wird, da sind wir plötzlich nahe bei den Schriftgelehrten und Pharisäern, die sich darüber empörten, dass Jesus sich mit Sündern abgibt. Es ist und bleibt Herausforderung! Aber nicht zu schnell - das Gleichnis zeigt, dass auch der jüngere Bruder einen Weg zurückzulegen hat, bevor ihn der Vater wieder in die Arme schließt. Dieser Weg hat viele Etappen, viele Schritte, die es zu tun gilt. Wir hören, dass der Sohn in sich geht. Auf diese Phase der Besinnung folgt ein Aufbruch. Aufbrechen bringt zugleich eine Veränderung mit sich. Schließlich folgt das öffentliche Bekenntnis: („Vater ich habe mich gegen dich und gegen Gott versündigt“) Hier möchte ich noch ein wenig ausholen und auf den Vater blicken. Gerade da wir unsere Fastenzeit unter das Motto „Zuwendung“ gestellt haben, erscheint mir das von Bedeutung. Jenes Eingeständnis des Sohnes geschieht nicht im luftleeren Raum. Dem geht voraus, dass der Vater Ausschau hält, dass er auf sein Kind wartet, was zwar im Text so nicht steht, was aber doch angenommen werden muss, weil er den Sohn bereits von weitem kommen sieht. Der Vater hat Mitleid, läuft seinem Kind entgegen, fällt ihm um den Hals, umarmt und küsst es, bekleidet den Sohn mit Gewand, Ring und Schuhen, schafft Nahrung herbei und veranstaltet zu guter letzt ein Freudenfest mit Musik und Tanz. Jede Menge Zuwendung also. Ein guter Teil dieser Zuwendung geht dem (Schuld-) Bekenntnis voraus. Es zeigt die zuvorkommende Liebe Gottes, die uns dabei hilft, auch unsere Fehler und unsere Schuld anzusehen und zu benennen. Der letzte Schritt ist dann das gegenseitige „Wiederfinden“ und wieder finden lassen – die Versöhnung die im Fest gefeiert wird. Da schließt sich nun wieder der Kreis: zu jenem „Das klingt versöhnt!“ So ende ich mit dem Wunsch an Sie, dass Sie dort, wo Sie auf dem Weg der Versöhnung sind und sich in dieser Fastenzeit auch bewusst Zeit nehmen, gut vorankommen - und dem Wunsch an die Kirche, dass sie diesen Auftrag Jesu zur Versöhnung auch dort ernst nimmt, wo sie selbst gefordert ist! So wie wir Menschen, wird sich auch die Kirche nicht immer in der gleichen Rolle in diesem Gleichnis wieder finden. Manchmal wird es ihr vergönnt sein, in die Rolle des Vaters zu schlüpfen, doch gleicht auch sie immer wieder dem Sohn, der fortzieht und die Schätze bzw. das Erbe verschleudert. Es steht ihr an, in sich zu gehen, aus den alten Mustern aufzubrechen und eigene Schuld zu bekennen. Auch das wäre ein Zeugnis ihres Glaubens. Vielleicht würde es den einen oder die andere gar ermutigen auf dem eigenen Weg der Umkehr. In jedem Fall würde ein solches Handeln die Glaubwürdigkeit der Kirche stärken, wenn es sich nicht nur um eine oberflächliche Geste, sondern ein ehrliches Bemühen handelt. MMag. Johanna Fabjan