Gastrointestinale Blutung
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Gastrointestinale Blutung
Gastrointestinale Blutung Wolfram Trudo Knoefel Chirurgische Klinik A Allgemeine, Thorax-, Viszeral- und Kinderchirugie Heinrich Heine Universität Düsseldorf Gastrointestinale Blutung Obere Gastrointestinale Blutung Varizenblutung Ösophagus, Magen, Duodenum) Ulcusblutung (Magen, Duodenum) Tumorblutung iatrogene Verletzung, Fremdkörper, Gerinnungsstörung Untere Gastrointestinale Blutung Divertikelblutung Adenom-/ Tumorblutung Hämorrhoidenblutung Verletzung Treitzsches Band Epidemiologie Inzidenz der oberen Gastrointestinalen Blutung: 48-160/100.000 Gesamtmortalität 10-14% Mortalität <60 Jahre ohne wesentliche Begleiterkrankungen 0% Lassen A, Am J Gastroenterol, 2006 Targownik LE, Clin Gastroenterol, 2006 Quan S, W J Gastroenterol, 2014 Klinische Symptomatik • • • • • • Hämatemesis Blut in der Magensonde Meläna Hämatochezie Okkulte Blutung (mikrozytäre Anämie) Hämorrhagischer Schock mit Massentransfusion und Reanimation Ätiologie der OGIB • • • • • • • • Gastrointestinales peptisches Ulkus (20-50%) Gastroduodenale Erosion (8-15%) Mallory-Weiss-Läsion (8-15%) erosive Ösophagitis (5-15%) arterio-venöse Malformation (5%) Magenkarzinom (10%) Ösophaguskarzinom (<5%) Sonstige (Dieulafoy Läsion, GIST, Leiomyom, Lymphom) Barkun A, Ann Intern Med, 2003 Bluttransfusion Gabe von Blutprodukten wird empfohlen abhängig von: – – – – Alter Hämodynamischem Status Zeichen der Hypoxie Koronare Herzerkrankung Ziel-Hb zwischen 7 und 9g/dl Marik PE, Crit Care Med 2008 Barkun AN, Ann Intern Med 2010 Hebert PC, N Eng J Med 1999 Aber: Patienten mit massiver Blutung sollten mit Bluttransfusionen, FFP, Thrombozyten nach lokalem klinischem Standard substituiert werden. Antikoagulation • INR, wenn möglich unter 1,5 bei aktiver Blutung bringen. • Bei INR >1,8 konnte eine höhere Mortalität und Rezidivblutung nachgewiesen werden. • Thrombozyten über 50.000/µl halten • Nicht-Vitamin K-abhängige orale Antikoagulatien sind nicht mit höherer Blutungsneigung assoziiert als Marcumar Wolf AT, Am J Gastroenterol, 2007 Barkun AN, Gastroenterol, 2009 Baradarian R, Am J Gastroenterol 2004 Acute Upper Gastrointestinal Bleeding, London 2012 Caldeira D, Aliment Pharmacol Ther 2015 Medikamentöse Therapie • Weiter wiedersprüchliche Datenlage bezüglich PPITherapie vor der endoskopischen Therapie – 80% aller Ulkusblutungen sistieren ohne Therapie – Metaanalysen zeigten keine Unterschiede bezüglich Rezidivblutung, Notwendigkeit der chirurgischen Intervention oder Mortalität bei alleiniger PPI Gabe – Cochrane Analysen zeigten eine Reduktion der Rezidivblutungen und chirurgischer Eingriffe, aber nicht der Mortalität bei Patienten unter PPI und Endoskopischer Therapie – Hochdosierte PPI (z.B. 2x80mg i.v.) und endoskopische Therapie zusammen reduzieren Rezidivblutungen, Chirurgische Interventionen und Mortalität – PPI als Bolus (2x) ist genauso effektiv wie ein Perfusor Dorward S, Cochrane Database Syst Rev 2006 Lau JY, N Eng J Med, 2007 Leontiadis GI, Cochrane Database Syst Rev 2006 Laine L, Clin Gastroenterol Hepatol 2009 Sachar H, JAMA 2014 Neumann I, Cochrane Database Syst Rev 2013 Endoskopische Therapie First-Line-Diagnostik/ Behandlung • Lokalisationsdiagnostik • Diagnostik der Genese (Ulcusblutung, Varizen, Schleimhauteinriß, Tumor, etc.) • Histologiegewinnung im blutungsfreien Intervall • Diagnostik einer Helicobacter pylori-Infektion • Therapie der Blutung Blatchford Score Prädiktion der Notwendigkeit einer endoskopischen Intervention Blachtford O, Lancet, 2000 Rockall Score Prädiktion der Rezidivblutung und der Mortalität Rezidivblutungen in bis zu 24% der Fälle! Rockall TA, Gut 1996 Zeitpunkt der Endoskopie • Frühe Endoskopie innerhalb von 24 h korreliert mit – – – – Überleben von Hochrisikopatienten Frühe Entlassungsfähigkeit bei niedrigem Risiko Geringerer Transfusions-Bedarf Kürzerer Intensivaufenthalt • Verzögerte Endoskopie bei Hochrisikopatienten nur zur vorherigen Stabilisierung • Sofortige Endoskopie wird empfohlen bei: – Hämodynamischer Instabilität – Blutungszeichen in der Magensonde – Hb < 8g/dl und Leukozyten >12G/l Barkun, Ann Intern Med, 2003 Jairath V, Endoscopy, 2012 Lin HJ, J Clin Gastroenterol, 1996 Hearnshaw SA, Gut, 2011 Adamopoulos AB, Eur J Gastroenterol Hepatol, 2003 Endoskopische Therapie Sachar H Jama, 2014 • Unterspritzung mit Adrenalin ist der alleinigen PPI Kim JW, Endoscopy 2015 Gabe überlegen Sung JJ, Gut 2007 • Kombination mit Klipapplikation senkt die Mortalität Yuan Y Gastrointest Endosc 2008 und die Rezidivblutungsgefahr Chiu PW, Gut 2003 • Kein Unterschied in der Komplikationsrate • Second-look Endoskopie wird kontrovers diskutiert • Empfehlung nur bei ausgewählten Hochrisikopatienten Messmann H, Endoscopy 1998 • Rezidivblutung tritt innerhalb von 3 Tagen auf Spiegel BM, Am J Gastroenterol 2003 • Ausgesuchte Patienten mit Ulkus<15mm, keinen Defreyne L, Radiology 2001 relevanten Begleiterkrankungen mit entspr. Compliance können ambulant gemanaged werden. Endoskopische Therapie • Unterspritzung Adrenalin, Fibrin, Äthoxysclerol • Klips • OTSC Klips Endoskopische Therapie • Argon Plasma • Gummibandligaturen • Hämostatisches Puder (z.B. Hemospray) Endoskopische Therapie • Unterspritzung mit Adrenalin als alleinige Therapie wird nicht empfohlen (Rezidivgefahr) • Klipp-Applikation ist prognostisch deutlich überlegen • Adrenalin in Kombination mit Thermoablation oder mit Klips sind Goldstandard • Bei flächigen Blutungen Adrenalin- und Fibrinunterspritzung • Kombination der Therapiemöglichkeiten erhöht die Sicherheit • OTSC-Klipps scheinen bei Blutung auch bei mukosalen Einrissen (Mallory-Weiss) vielversprechend • Kombinationen mit Hemospray zeigen eine sichere Blutstillung Baracat F, Surg Endosc, 2015 Therapie des gastroduodenalen Ulcus im Wandel der Zeit: Deutlicher Rückgang der OP-Zahlen seit den letzten 15 Jahren Einführung der H2-Blocker 1979 Protonenpumpenhemmer 1992 Eradikationstherapie 1994 Fortschritt der Endoskopie (Unterspritzung mit Suprarenin und Fibrinkleber, Clipping, OTSC, Naht, Hemospray, APC) Chirurgische Therapie • Indikation bei frustraner endoskopischer Blutstillung • Häufig Kreislaufinstabilität • Begleiterkrankungen (häufig cardiales Risiko, Niereninsuffizienz, Apoplex) • schwere Rezidivblutung nach Endoskopie Stellenwert der Chirurgie Risikofaktoren für Rezidivblutung: •Größe des Ulkus (>2cm) •Größe des Gefäßdurchmessers (Forrest Ia, IIa) •Patientenalter •Init. Hb < 10g/dl •Co-Morbiditäten - Leberzirrhose - Gerinnungsstörungen Blutungsaktivität nach Forrest Spontane Rezidivblutungsrate Forrest I Läsion mit aktiver Blutung Ia spritzende Blutung 90% Ib Sickerblutung 30% Forrest II IIa IIb IIc Läsion mit Blutungsstigmata sichtbarer Gefäßstumpf Ulkus mit Blutgerinsel Ulkus mit Hämatinbelag 50% 20% <5% Forrest III Läsion ohne Blutungszeichen <5% Guglielmi A 2002, Endoscopy OP-Technik: nicht resezierende Verfahren • Trunkuläre Vagotomie mit Pyloroplastik • Selektive gastrale Vagotomie • Proximal gastrische Vagotomie Seit Einführung der Protonenpumpenhemmer und der Beschreibung des Helicobacter pylori als wegweisende Ursache des gastroduodenalen Ulcus sind diese Operationen keine Routine mehr OP-Technik: resezierende Verfahren • Exzision und Übernähung beim einfachen gastralen Ulcus • Ausschluß eines „kissing ulcer“ beim Ulcus ad pylorum • Übernähung und Ligatur der A. gastroduodenalis beim Ulcus duodeni • Subtotale Gastrektomie bei großen Ulcera und komplexen Perforationen im Corpus mit Bilroth I, II oder Roux Y Rekonstruktion • Totale Gastrektomie abhängig von der Lokalisation der Perforation bei subcardial gelegenen Ulcera • Operation nach Kausch-Whipple bei in den Pankreaskopf penetrierenden Ulcera • Ggf. erweiterte Resektionen bei tiefen in benachbarte Organe perforierenden Ulcera (Leber, Colon, Dünndarm) Chirurgisches Vorgehen Ulkus duodeni Ulkusblutungen, die eine chirurgische Intervention erforderlich machen, sind zu 35-65% im Bulbus duodeni lokalisiert Bulut 1996, World J Surg OP Vorgehen: Duodenotomie mit Ulkusübernähung Extraduodenale Ligatur der Arteria gastroduodenalis Ggf. intraduodenalen Umstechung der Arteria gastroduodenalis proximal und distal des Ulkus Cave: - Penetration des Ulkus in den Pankreaskopf - iatrogene Pankreatitis Chirurgisches Vorgehen Ulkus ventrikuli Ziel: Sichere Hämostase durch einen möglichst limitierten Eingriff Methode der Wahl: Ulkusexzision und Übernähung Bessere funktionelle Ergebnisse und geringeres Operationstrauma als bei Magenteilresektion Indikation zur partiellen Gastrektomie: - Giant ulcers - Magenausgangsstenose durch Vernarbung (insbes. im Antrum) Subtotale Gastrektomie nach Billroth 1885 Magenteilresektion (BII) Verschluss von Magen und Duodenum Gastrojejunostomie Theodor Billroth 1829-1894 Billroth 1889 Komplikationsmöglichkeiten • Persistierende Blutung • Anastomosenblutung • Anastomoseninsuffizienz • Duodenalstumpfinsuffizienz • Peritonitis • Abdominelle Sepsis mit Multiorganversagen Komplikationen sind aufgrund der Grunderkrankung mit resezierenden Verfahren in bereits entzündlich verändertem Gewebe stark erhöht und nimmt mit der Zeitdauer der Perforation zu. Zeitintervall (h) Letalität (%) 0-6 1,5 7 - 12 18,2 13 - 18 32,8 19 - 24 40 25 - 28 50 Becker und Peiper n = 205 Alternative Therapie - arterielle Embolisation • • • • • Instabile Patienten mit zu hohem OP-Risiko Erfolgsrate zwischen 52 und 98% Rezidivblutung bei 10 bis 20% Mortalität 25 bis 30% Komplikationsmöglichkeiten: – Darmischämie – Magenperforation, -nekrose – Leber- oder Milzinfarkt Loffroy R, J Clin Gastroenterol 2008 Lee HH, Scand J Gastroenterol 2015 Poultsides GA, Arch Surg 2008 Zusammenfassung Endoskopie steht an erster Stelle der Diagnostik und Therapie Rezidivblutung nach initialer endoskopischer Therapie stellt einen lebensbedrohlichen Notfall dar Bei erhöhtem Risiko für Rezidivblutung entweder in ausgesuchten Fällen second look Endoskopie oder Frühelektive OP zur definitiven Hämostase erwägen! Untere GI-Blutung Blutungsquelle dist. des Treitz‘schen Bandes • 90% der Blutungsquellen im Colon • Inzidenz unterer GI-Blutungen steigt mit dem Alter an • 20-27/100000 Ew • Blutungsursache bei älteren Patienten: Colondivertikel Adenome Neoplasien Malignome Angiodysplasien • Blutungsursache bei Kindern u. jungen Erwachsenen: Meckel Divertikel chron. Entzündl. Darmerkrankungen Untere GI-Blutung • • • • Medianes Alter zwischen 63 und 77 Jahren Ansteigende Inzidenz mit dem Lebensalter Mortalität 2-4% Ätiologie vielfältig (Divertikel, Adenom, Malignom, AV-Malformation, Hämorrhoiden, Colonischämie, Dünndarm in 0,7-9%) Foutch PG, Am J Gastroenterol 1993 Mc Guire HH, Ann Surg 1994 Untere GI-Blutung Diagnostik Nach initialer Stabilisierung, ist die Coloskopie Methode der Wahl • Identifikation von 80% der Blutungsquellen • Erfolgreiche therapeutische Intervention in 50% der Fälle • Schlechtere Ergebnisse aufgrund der dünnen Darmwand • Dünndarm ist nur partiell einsehbar • Untere GI-Blutungen sistieren oft spontan Jensen 1997, Gastr Endosc Clin North Am. Cave: - Bei starker Blutung oft frustran - Ausmaß der Darmvorbereitung umstritten Hoedema 2005, Dis Colon Rectum Häufig wird auf eine orthograde Darmspülung verzichtet Chaudry 1998, Am Surg. Untere GI-Blutung Diagnostik Lokalisationsdiagnostik und Artdiagnostik sind für die Therapie essentiell Goldstandard: coloskopische Diagnostik, wenn möglich Raphaeli T, Clin Colon Rect Surg 2012 Wenn coloskopisch kein Blutungsnachweis möglich: Angiographie • Blutungsaktivität von > 2ml/min. • Methode der Wahl zum Nachweis von Angiodysplasien • Möglichkeit der therapeut. Intervention gegeben Neumann 2005, Am Surg. • in ~70% erfolgreiche Hämostase Cave: Risiko einer segmentale Ischämie DeBarros 2002, Dis Colon Rectum Erythrozytenszintigraphie spielt im Notfall eine untergeordnete Rolle Blutungsaktivität von >0,1ml/ min auch bei intermittierender Blutung Dusold R, Am J Gastroenterol 1994 Chirurgische Therapie der unteren GI-Blutung Not-OP: Bei Kreislaufinstabilität, bzw. Transfusionsbedarf > 6 EK‘s Bei persistierender nicht lokalisierbarer Blutung Bei Rezidivblutung nach Coloskopie / Angiographie Dringliche OP: Nach interventioneller Stabilisierung bei entsprechender Grundkrankheit (z.B. AV-Malformation) Bei okkulter Blutung eines Colonkarzinoms im Rahmen einer radikalen onkologischen Resektion Op-Vorgehen richtet sich nach der Grunderkrankung und dem AZ des Patienten Okkulte Blutungen z.B. eines Zökumkarzinoms können eine mikrozytäre hypochrome Eisenmangelanämie mit Hb<5g/dl mit entsprechend reduziertem AZ zur Folge haben Untere GI-Blutung Operative Verfahren Segmentresektion bei lokalisierter Blutungsquelle Ultima Ratio bei nicht lokalisierbarer Blutungsquelle: Subtotale Kolektomie Colotomie und intraoperative Coloskopie/ Enteroskopie in zu- und abführenden Schenkel Es gibt keine kontrollierten Studien zur Frage des Resektionsausmaßes Raphaeli T, Clin Colon Rect Surg 2012 Algorythmus UGIT Raphaeli T, Clin Colon Rect Surg 2012 Zusammenfassung Lokalisationsdiagnostik per Koloskopie, ggf. Angiographie mit gleichzeitiger Interventionsmöglichkeit Ermöglicht die Planung einer chirurgischen Sanierung der Grundkrankheit Notfall-OP bei massiver Hämorrhagie, bzw. bei nicht lokalisierbarer persistierender Blutung