Das Damm-Modell in der BAW - Bundesanstalt für Wasserbau

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Das Damm-Modell in der BAW - Bundesanstalt für Wasserbau
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Das Damm-Modell in der BAW –
Untersuchungen zu sickerhydraulischen Problemen
Prof. Dr.-Ing. Josef Brauns
Dr.-Ing. Andreas Bieberstein
Abteilung Erddammbau und Deponiebau, Institut für Bodenmechanik und
Felsmechanik, Universität Karlsruhe (TH), Postfach 6980, D-76128 Karlsruhe
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Vorbemerkungen und Einleitung
Wie u.a. aus verschiedenen Publikationen bekannt ist, entstand in den frühen 80er Jahren
auf Initiative des Institutes für Bodenmechanik und Felsmechanik für gemeinsame Untersuchungen mit der Bundesanstalt für Wasserbau das auf dem Gelände der Bundesanstalt
erstellte Damm-Modell. Seither wird dieses Modell über nun rund 20 Jahre für das
experimentelle Studium verschiedenster Probleme im Zusammenhang mit Sickerströmungen
in Dämmen oder auch Deichen genutzt.
Sicherlich ist die Einschätzung gerechtfertigt, dass nicht viele Forschungsinstitutionen auf
der Welt über ein so ausgebildetes Versuchsobjekt verfügen, und da nun die Zeit gekommen
ist, dass die Protagonisten dieses Objektes zurücktreten und der Modelldamm in die Hände
jüngerer Kollegen übergeht, ist es angebracht, an dieser Stelle die Arbeiten mit diesem
Modell zusammenzufassen und die betreffenden Untersuchungen in den allgemeineren
Kontext von Fragestellungen zu stellen.
Folgende Sachpunkte sollen behandelt werden:
(a) Erstens wollen wir auf das Problem eingehen, das hinter der Initiative zum Bau des
Modelldammes steckte, nämlich die Frage nach der Bedeutung kleiner Lecks in dünnen
Dammdichtungen.
(b) Zweitens wird anhand von einigen Bildern der Bau der Versuchsanlage – der ja
weitestgehend mit eigenen Kräften erfolgt ist – kurz dargestellt.
(c) Dann wird das hydraulische Problem der quantitativen Wirkung kleiner Lecks in dünnen
Dammdichtungen kurz in das Gedächtnis zurückgerufen.
(d) Ferner stellt die Ortung solcher Lecks ein spezielles Problem dar, dem man sich mit
verschiedenen Methoden zugewandt hat. Hier werden notgedrungen Anleihen bei der
Geophysik gemacht, und wir nehmen hier selbst nur Bezug auf die betreffenden
geoelektrischen Arbeiten aus unserem Hause (Bieberstein 1999).
(e) Anschließend kommen wir dann auf die instationäre Dammdurchsickerung zu sprechen,
wie sie von Herrn Scheuermann im Zusammenhang mit der Frage der Deichsicherheit in
letzter Zeit untersucht worden ist, und zwar unter Berücksichtigung der Vorfeuchte
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(Scheuermann & Brauns 2002). Der Einfluss der Vorfeuchte spielt nicht nur bei der
Durchfeuchtung der althergebrachten Deiche eine Rolle; vielmehr mag er auch bei
regulären Dämmen relevant werden, wenn z.B. der Querschnitt für stationäre
Sickerströmungsbedingungen speziell im Fall von Dichtungsleckagen nicht konzipiert ist
(vgl. z.B. E DIN 19 700).
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Dünne Dammdichtungen und das Leckageproblem
Es ist eine fast unmittelbare Konsequenz aus der Entwicklung von hoch-qualitativen, qualitätsgesichert herstellbaren synthetischen Baustoffen, dass derartige Materialien auch und
speziell zu Dichtungszwecken im Dammbau eingesetzt werden. Die hohe Qualität bedingt
dabei naturgemäß einen entsprechend hohen Preis, und so wird der Materialaufwand
zwangsläufig minimiert; mit anderen Worten: Die betreffenden Dichtungselemente – seien es
Dichtungen aus Asphaltbeton, Zementbeton oder gar aus Kunststoff-Dichtungsbahnen
(KDB) – sind ausserordentlich dünn. Bei Asphaltbeton (Bild 1) liegt die Dicke der eigentlichen
Dichtungsschicht im Zentimeter-Bereich, bei Zementbeton im Bereich weniger Dezimeter,
bei KDB sind es bekanntlich nur wenige Millimeter.
Bild 1:
Talsperre mit Oberflächendichtung aus Asphaltbeton
Ein zweites – im Hinblick auf die Zuverlässigkeit als Dammdichtung wichtiges – Merkmal der
synthetischen Dichtungselemente ist der Umstand, dass sie zwangsläufig als Bahnen oder
Flächenelemente zum Einbau kommen, die gegeneinander gefügt werden müssen. Die
Fügenähte wie auch die Anschlussfugen an den äußeren Rändern stellen naturgemäß
neuralgische Stellen dar in Bezug auf Dauerhaftigkeit und Dichtheit.
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Bild 2 zeigt eine aufgehende alte Bahnennaht in einer Oberflächendichtung aus
Asphaltbeton. Hierbei muss man einerseits die Alterung des Bitumens mit der begleitenden
Versprödung und andererseits die enormen thermischen Belastungswechsel bedenken,
denen derartige Dichtungen unterliegen.
Bild 2:
Bahnennaht in einer Oberflächendichtung aus Asphaltbeton
Bild 3 zeigt ein Beispiel, bei dem der Anschluss der Kunststoffdichtungsbahn an den
Grundbalken am unseren Ende mitursächlich für das eingetretene Dammversagen war.
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Bild 3:
Gebrochener Damm (mit Oberflächendichtung aus Kunststoffdichtungsbahn)
Schließlich gibt es noch äußere Faktoren, die schädigenden Einfluss auf dünne synthetische
Dichtungen nehmen können. Das in Bild 4 ersichtliche Beispiel aus den 70er Jahren gehört
in den Bereich der Wasserstraßen. Es lässt für diesen Fall die Ursache für den Bruch der
Asphaltbetondichtung erkennen, die in übermäßigen Verformungen aufgrund von Setzungen
einer Baugrubenverfüllung zu suchen waren.
Bild 4:
Blick in die Erosionsbresche eines Kanalseitendammes
Derlei Erfahrung haben Anfang der 80er Jahre unser Augenmerk auf das Problem der Lecks
in dünnen Dammdichtungen gelenkt. Die Bundesanstalt für Wasserbau hat seinerzeit aus
eigenem Interesse an der Problematik unsere Idee aufgegriffen und unterstützt, zum
glaubhaften Nachweis der hydraulischen Zusammenhänge dieses quasi naturmaßstäbliche
Modell zu bauen (Bild 5).
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Bild 5:
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Damm-Modell auf dem Gelände der Bundesanstalt für Wasserbau mit angeordneten
Lecks in der wasserseitigen Oberflächendichtung (Zustand 1984)
Der Bau des Damm-Modells
Der Bau des Damm-Modells sei in diesem Abschnitt mit einigen Bildern beschrieben. Wie
daraus erkenntlich wird, besitzt die Versuchsanlage insgesamt allerlei Messinstallationen
und verschiedene periphere Betriebseinrichtungen. Die Bilder sprechen mehr oder weniger
für sich; aus heutiger Sicht ist fast nicht mehr nachvollziehbar, dass bzw. wie diese Arbeiten
beinahe ausschließlich mit eigenen Kräften bewältigt wurden.
Bild 6:
Für den Bau des Dammes vorbereitete Baugrube mit Pumpensumpf, Messcontainer
sowie Gräben zur Verlegung der Piezometerrohre
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Bild 6 zeigt die den Bau von Damm und Becken vorbereitete Grube; der Pumpensumpf ist
bereits fertig, der Messcontainer aufgestellt. Der Modelldamm ist mit einer Vielzahl von
Piezometerrohren bestückt (vgl. auch Bild 14), deren Leitungen in den ersichtlichen Gräben,
also unterhalb der Dammaufstandsfläche zum Messcontainer führen. Die Beckenauskleidung wurde in PE-HD ausgeführt (Bild 7). Die Durchstoßpunkte für die Piezometer
und weitere Messeinrichtungen, wie Thermofühler, sind zu erkennen.
Bild 7:
Beckenauskleidung aus PE-HD mit Durchstoßpunkten für Messeinrichtungen
Im Bereich der Böschungsfüße des späteren Dammes wurden Gripstreifen zur Erhöhung der
Reibung aufgeschweisst (wegen des Spreizproblems). Nachdem über einige Tage eine
Dichtheitsprüfung durchgeführt wurde, wobei auch die Verdunstungsverluste gemessen
werden mussten, konnte mit dem Einbau des Sandes begonnen werden, aus dem der
Dammkörper überwiegend besteht (Bild 8).
Bild 8: Bau des Dammkörpers
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Das einzige Sicherungselement des aus purem Sand bestehenden Dammes ist ein Sickerfuß aus kiesigem Material entlang des luftseitigen Fußes (Bild 9). Hier treten die Sickerwässer zu Tage, die den Damm durchströmen, und sie können messtechnisch erfasst
werden.
Bild 9:
Sickerfuß des Damm-Modelles
Bild 10 zeigt die Dammschüttung in einem weit fortgeschrittenen Zustand: Die Krone wird
befestigt; luftseitig ist bereits Rollrasen aufgebracht. Der erste Probeeinstau des
ungedichteten Dammes ergab ein standsicheres Verhalten des durchsickerten Dammes bei
einem Durchfluss im stationären Zustand von zusammen ca. Q = 1,2 l/s (Bild 11).
Deutlich sichtbar sind weiter die Enden der metallischen Leiter, die im Rahmen des ersten
Gemeinschaftsprojektes, das von der VW-Stiftung gefördert wurde, durch Kollegen vom
Battelle-Institut eingebaut worden waren. Sie dienten dazu, Sickervorgänge im Damm durch
die Messung von Schallwellen an den Endköpfen der Stäbe zu erkennen und zu lokalisieren.
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Bild 10: Damm-Modell mit aufgebrachtem Rollrasen und Kronenbefestigung
Bild 11: Ersteinstau des noch ungedichteten Damm-Modelles
Was die Ausrüstung des Dammes selbst betrifft, so musste dieser erst einmal eine
wasserseitige Dichtung erhalten, die ebenfalls selbst gebaut wurde (Bild 12). In die Dichtung
wurden in 3 verschiedenen Niveaus Leckageschlitze eingebaut, die mit Klappen zum Öffnen
und Schließen mittels Schnüren von der Dammkrone aus ausgerüstet wurden (Bilder 13 und
14). Alle diese Dinge hat damals unser Mitarbeiter Franz-Peter Degen geplant und
ausgeführt. Es ist ihm glänzend gelungen, und er hat den größten Anteil am Erfolg der
ganzen Installation.
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Bild 12: Bau der wasserseitigen Dichtung mit Leckageschlitzen in 3 Höhenlagen
Bild 13: Fertiggestelltes Damm-Modell (Zustand 1984)
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Bild 14: Querschnitt des Damm-Modells mit Leckageeinbauten (Klappenlecks), Piezometermessstellen, Thermoelementen, Schallwellenleitern u.a.m. (Zustand 1984)
So stand für die vorgesehenen Untersuchungen schließlich ein voll geeignetes Versuchsobjekt zur Verfügung, für das in gegenseitiger Abstimmung ein Betriebsprogramm entwickelt wurde.
Zwei große Projekte standen am Anfang der Arbeiten:
(A) Eines befasste sich mit den hydraulischen Vorgängen im Zusammenhang mit kleinen
Lecks in dünnen Dammdichtungen. Dies wurde vom BMV finanziert, da ja die
negativen Erfahrungen vom Elbeseitenkanal und vom Main-Donau-Kanal bei Katzwang
im Raume standen.
(B) Das andere Projekt befasste sich mit den Möglichkeiten, Lecks in Dammdichtungen zu
erkennen. Es war ein Gemeinschaftsprojekt der Universitätsinstitute für Bodenmechanik und Felsmechanik und für Geologie sowie der BAW. Zusätzlich erhielt das
Battelle-Institut die Möglichkeit, die Schall-Leiter-Technik versuchsweise anzuwenden.
Dieses Gemeinschaftsprojekt wurde von der VW-Stiftung gefördert.
Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Detektion von Strömungen infolge Lecks in Dichtungen
kamen verschiedene Methoden zur Anwendung. Geoelektrische Messungen wurden
insbesondere von Herrn Dr. Merkler vom Geologischen Institut der Universität Karlsruhe
eingesetzt, während die Bundesanstalt für Wasserbau durch Herrn Armbruster zunächst
vorwiegend thermometrische Verfahren angewendet hat und später auch infrarotthermografische Aufnahmen quasi aus der Vogelperspektive gemacht hat. Über die
Ergebnisse ist vielfältig berichtet worden.
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Hydraulische Zusammenhänge bei Lecks in dünnen Dammdichtungen
Über die hydraulischen Zusammenhänge bei Lecks in dünnen Dammdichtungen wurde in
der Folge der am Damm-Modell durchgeführten Untersuchungen verschiedentlich berichtet
(Degen & Brauns 1987, Brauns et al. 1988, vgl. auch Brauns 1978). An dieser Stelle soll nur
das Wesentliche zusammengefasst werden. Obwohl nämlich die Dinge relativ einfach liegen,
scheint das Ergebnis wegen seiner scheinbaren Paradoxie offensichtlich nur schwer zu
überzeugen. – Dieser Sachverhalt hat seinerzeit überhaupt dazu geführt, die Versuche mit
einem großmaßstäblichen Modell anzugehen.
Der entscheidende Gedanke zum Verständnis der Sickervorgänge in Dämmen mit leckbehafteten Dichtungen ist derjenige, dass das Staupotential, das mit dem Aufstau durch den
Damm geschaffen wird, kontinuierlich und monoton zum Unterwasser hin abgebaut werden
muss. Dabei liegt bei einem homogenen Damm mit Dichtung und Leck hydraulisch gesehen
eine Kette aus zwei Widerständen vor: zuerst das Leck selbst, dann der poröse Dammkörper.
Nach dem „Gefühl“ nehmen wir an, dass kleine Lecks nur relativ wenig Wasser durchlassen
und somit – wie unter (a) in Bild 15 dargestellt – eine nennenswerte Dammdurchströmung
ausgeschlossen ist. Für ein „großes Leck“ versteht sich andererseits von selbst, dass sich
der Abbau des Staupotentials in den Dammkörper hinein verlagert, was der Ausbildung einer
Sickerströmung in dem porösen Material gleich kommt (vgl. Brauns 1994). Man kann das
Problem quantitativ – z.B. anhand von Ansätzen für eine Spaltströmung in einem Leckspalt
am unteren Ende einer Oberflächendichtung geringer Dicke und für einen aus mehreren
Fragmenten zusammengesetzten Sickerbereich im Dammkörper – auf einfachem Wege
analysieren. Dabei zeigt sich, dass schon bei wenigen Millimetern Spaltweise und
gewöhnlichen Dammschüttstoffen der Potentialverlust im Leckspalt verschwindend klein ist,
also praktisch der gesamte Potentialabbau im Dammkörper selbst erfolgt.
Bild 15: Abbau des Staupotentials bei unterschiedlichen Leckgrößen (schematisch)
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In Bild 16 ist ein rechnerisches Ergebnis für ein konkretes schematisches Dammbeispiel
dargestellt. Vom Leck am Dammfuß sickert das Wasser quasi fächerförmig in den unteren
Dammbereich ein bis der Porenwasseranstieg mit der anschließenden Sickerlinie die Durchsickerungsmenge durch den Dammkörper abtransportieren kann.
Die Größe des Leckspaltes ist dabei nur in soweit relevant, als sie die Größe des Einströmbereiches in den Dammkörper bestimmt. Natürlich wird gerade in dem Zwickelbereich bei
der Einströmung ein nennenswerter Anteil des Potentials abgebaut, weshalb ja auch der Aufstieg des Sickerwassers nur einen Anteil der Stauhöhe ausmacht.
Bild 16: Ergebnisse vereinfachender Berechnungen zu Leckagen in Dammdichtungen
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Dinge sogleich anders, nämlich noch weit
ungünstiger liegen, wenn – wie in der Praxis oft der Fall – unter der Oberflächendichtung
eine Lage aus Dränmaterial mit im Vergleich zum Dammbaustoff weit größerer Durchlässigkeit angeordnet ist. Unter solchen Verhältnissen muss man davon ausgehen, dass der
Dammkörper über seine gesamte Höhe mit Staupotential benetzt ist, sofern nicht eine Vorflut
an die Dränschicht angeschlossen ist.
Diese zunächst auf analytischem, später auf theoretischem Wege erhaltenen Ergebnisse –
die wir ohne jedwede Bemühung von numerischen Methoden gewannen – wurden
anfänglich mit Zweifeln beargwöhnt.
So waren die Versuche mit dem Modelldamm vor allem darauf gerichtet, konkret zu zeigen,
welches die Wirkungen kleiner Lecks in dünnen Dichtungen von Dämmen wirklich sind. Bild
17 zeigt, dass Lecks einer Breite im Bereich weniger Zentimeter tatsächlich eine verheerende Wirkung auf die Dichtungsfunktion der Oberflächendichtung hatten.
Zwei Lecks von 3 cm Breite und je 80 cm Länge am wasserseitigen Fuß des rund 14 m
langen Dammes ließen 31 % der Sickermenge des ungedichteten Dammes passieren, und
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der Sickerwasserspiegel stieg unter der Dichtung auf mehr als die Hälfte der Stauhöhe im
Becken an.
Bild 17: Ergebnisse der Leckageversuche mit dem Damm-Modell, tiefliegendes Leck
Bei hochliegenden Lecks gleicher Größe in der Nähe des Stauspiegels im Becken war das
Ergebnis noch ungünstiger. Der Durchfluss betrug 56 % desjenigen beim Damm ohne Dichtung und die Stauhöhe unter der Dichtung erreichte beinahe den Beckenwasserstand.
Bild 18: Ergebnisse der Leckageversuche mit dem Damm-Modell, hochliegendes Leck
Es ist vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse einerseits, andererseits angesichts der eingangs nur beispielhaft aufgezeichneten möglichen Ursachen für Defekte in technischen
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Dammdichtungen nur allzu gerechtfertigt, dass in den Bestimmungen der Talsperrennorm (E
DIN 19 700) beim Sicherheitsnachweis auch der Lastfall „Leck in der Dichtung“ zu
betrachten ist.
Als wirksames Sicherungselement zur Abdeckung betreffender Risiken empfiehlt sich in
allen konkreten Dämmen ein hydraulisch effektiver Sickerfuß zur Abfangung der Sickerwässer im Damminneren. Leider muss man konstatieren, dass auch bei Dämmen beträchtlicher Höhe derartige Sicherungselemente gelegentlich fehlen, was die normgemäße Nachweisführung beträchtlich erschwert oder unter Umständen auch letztlich nicht gelingen lässt.
Andererseits folgte aus den kurz angeführten, letztlich doch überraschend ungünstigen Ergebnissen hinsichtlich der Wirkung selbst kleiner Lecks mit verstärkter Dringlichkeit das Erfordernis von Methoden zur Leckdetektion bzw. zur Leckortung.
Auf diesen wesentlichen zweiten Teil unserer gemeinsamen Projektarbeiten wurde eingangs
bereits hingewiesen. An dieser Stelle soll im folgenden Abschnitt kurz Bezug auf die der
Leckageortung gewidmeten Arbeiten genommen werden, die sich zu diesem Zweck
ausführlich mit dem „elektrischen Potentialverfahren“ befasst haben (Bieberstein 1999).
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Leckageortung mittels elektrischem Potentialverfahren
Bieberstein (1999) hat einen wesentlichen Teil seiner experimentellen Untersuchungen
ebenfalls mittels des Damm-Modells in der BAW durchgeführt. Insgesamt hat er aber nicht
nur die hier für seine Untersuchungen zwischenzeitlich eingebaute Oberflächendichtung aus
Kunststoff-Dichtungsbahn betrachtet, die vom Material her in die Gruppe der elektrisch nichtleitenden Dichtungsschichten gehört, wozu ja auch der im Wasserbau viel verwendete
Asphaltbeton zählt. Vielmehr hat er auch Materialien wie Stahl, Beton und mineralische
Dichtwandmassen betrachtet, wodurch die Arbeit komplex wurde und sich hier einer kurzen
Darstellung entzieht. Wenigstens ein wichtiges Ergebnis aus den Untersuchungen soll hier
angeführt werden.
Beim elektrischen Potentialverfahren wird davon ausgegangen, dass ein Leck in einer Dichtung eine Anomalie des betreffenden Systems darstellt. Beim Anlegen eines (stationären)
elektrischen Feldes an das System prägt sich die elektrische Anomalie in der Verteilung der
elektrischen Potentiale im gesamten betreffenden Körper aus. Wenn man die zugehörigen
Gesetzmäßigkeiten kennt, erlauben die Messungen der Potentialfelder – z.B. entlang der
zugänglichen Geländeoberflächen - invers Rückschlüsse auf das Vorhandensein und die
Lage von Lecks.
Am einfachsten gestaltet sich die Leckdetektion naturgemäß in Fällen mit Dichtungen aus
elektrisch isolierendem Material (z.B. Kunststoffdichtungsbahnen oder Asphaltbeton). Hier
stellt ein hydraulisches Leck gleichzeitig ein elektrisches Leck dar, so dass mit dem
Wasserfluss gleichermaßen ein Stromfluss durch das Leck verbunden ist.
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Beim Modelldamm mit einem willkürlich gewählten Leck in der Symmetrieachse am wasserseitigen Dammfuß (Leckstelle 1 in Bild 19) wurde ein elektrisches Feld durch zwei
Elektroden (A und B) beiderseits der Dichtung angelegt:
- eine Linienelektrode (A) parallel zur Dammachse im Becken, also im Wasser,
- eine Punktelektrode (B) am luftseitigen Dammfuß, im dortigen Boden.
Bild 19: Grundriß des Modelldammes mit Oberflächendichtung aus Kunststoffdichtungsbahn
(Zustand 1995): Elektrodenanordnung zum Anlegen des elektrischen Feldes (A und
B) sowie Messpunkte (Kreuze)
Die Verteilungen des elektrischen Potentials wurden sowohl entlang der Wasseroberfläche
im Becken als auch auf der luftseitigen Böschungsoberfläche gemessen und als Felder ausgewertet (vgl. Bild 20). Die betreffenden Ergebnisse, die deutlich werden lassen, dass die
Methode unter günstigen Umständen unmittelbar zielführend ist, lassen sich wie folgt
beschreiben:
• Die gemessenen Potentialverteilungen auf der Wasserseite lassen einen direkten
Schluss auf den Ort der Leckage zu.
• Auf der Luftseite hingegen ist die messtechnische Verfolgung instationärer Vorgänge (in
der Regel der Vergleich von zwei Zuständen) eine hilfreiches Mittel zur Detektion
wasserwegiger Zonen. Die Deutlichkeit des Ergebnisses ist dennoch weniger ausgeprägt
als die Ergebnisse auf der Wasserseite.
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Bild 20: Zusammenfassende Darstellung der erhaltenen Portentialverteilungen:
- Wasserseite: Gemessene Potentialverteilung
- Luftseite: Differenz aus zwei elektrischen Potentialverteilungen bei unterschiedlichen hydraulischen Zuständen (Vollstau und Einstaubeginn)
An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich diese Vorgehensweise auch in praktischen
Anwendungsfällen bereits bewährt hat:
In einem Regenauffangbecken, das mittels Kunststoffdichtungsbahn gedichtet wurde, die
wiederum mit einem Deckwerk überschüttet war, wurden Lecks lokalisiert, die infolge
durchgestoßener Moniereisen entstanden, also ausserordentlich klein waren (Bild 21). Nach
Reparatur der Schadstellen wurde die Dichtheitsprüfung bestanden.
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Bild 21: Leckortung mit dem elektrischen Potentialverfahren an einem leckbehafteten
Regenauffangbecken
Weiter ist ein großmaßstäblicher Einsatz beim mittels Asphaltbeton gedichteten Main-DonauKanal anzuführen, wo es ebenfalls um Lecksuche ging (Bild 22). Bei diesem unter
Schiffahrtsbetrieb durchgeführten Großversuch wurden zwar keine Lecks gefunden (es
waren keine vorhanden). Der Versuch war aber dennoch erfolgreich dahingehend, dass
elektrische Lecks durchaus entdeckt und lokalisiert wurden. Sie bestanden in mit
Metallplatten verschlossenen ehemaligen Öffnungen in der Asphaltbetonsohle des
Schiffahrtskanals, die auf diese Weise elektrische Lecks darstellten (Bild 23). – Eine
Veröffentlichung dieser durchaus allgemein interessierenden Untersuchungen steht noch
aus.
Bild 22: Leckortung mittels elektrischem Potentialverfahren an einer Stauhaltung des MainDonau-Kanales
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Bild 23: Versuchsanordnung zur Leckdetektion in der Asphaltbetonauskleidung einer Stauhaltung des Main-Donau-Kanals (Schema) mit gemessenem Potentialfeld
Die kurz angedeuteten Beispiele zur Leckortung mit dem elektrischen Potentialverfahren
mögen an dieser Stelle genügen. Es ist gewiss nicht allzu verwegen festzustellen, dass mit
den gemeinschaftlichen Arbeiten zu den Problemen der Wirkung von Dichtungslecks und der
Ortung von Leckagen in den 80er und 90er Jahren bedeutsame Schritte nach vorn gemacht
worden sind.
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Instationäre Vorgänge und der Einfluss der „Vorfeuchte“
Im letzten Abschnitt dieses Beitrages soll auf die zuletzt und derzeit laufenden Untersuchungen am Damm-Modell Bezug genommen werden.
Vor dem Hintergrund der wiederholten Hochwasserereignisse haben wir uns seit geraumer
Zeit dem Problem der Deichdurchsickerung zugewandt. Dazu haben wir – mit Unterstützung
durch die BAW - das Damm-Modell zum wiederholten Male umgebaut, im wesentlichen
durch Entfernen der Oberflächendichtung und anschließende Begrünung der wasserseitigen
Oberfläche (Bild 24); ferner durch den Einbau von Feuchtemesseinrichtungen verschiedener
Art, speziell den Einbau von Feuchtemesskabeln, mit denen man Feuchteverteilungen
entlang von Linienprofilen messen kann (Becker et al. 2003).
Diese i.w. von Herrn Scheuermann durchgeführte Arbeit wird uns weiterbringen in der Frage
der zeitabhängigen Durchsickerung von (sandigen) Deichkörpern und – das ist der wesentliche Punkt – ihrer Abhängigkeit von der vorausgehenden Feuchtebelastung – z.B. durch
Niederschläge (Bild 25).
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Bild 24: Ansicht des umgebauten Damm-Modelles zur Untersuchung der zeitabhängigen
Durchsickerung (Zustand 2001)
Im Endeffekt geht es bei den hier angesprochenen Untersuchungen um das Zusammenspiel
von meteorologischen und hydrologischen Belastungen auf Deichkörper und die daraus
resultierende Wahrscheinlichkeit riskanter Situationen. Objekt der Betrachtung sind dabei
weniger moderne Deiche nach neuen Baukonzepten, die ja auf Sicherheit praktisch auch
unter Dauerstaubedingungen zielen. Vielmehr geht es um Beurteilungskriterien für die vielen
überkommenen Deiche, die ja ohne systematisch gegliederten Querschnitt – quasi nach alter
Väter Sitte – aufgebaut sind.
Ohne auf betreffende Ergebnisse näher einzugehen, sei hier auf die Beiträge von
Scheuermann & Brauns (2002) sowie Scheuermann et al. (2002) verwiesen.
Selbstverständlich werden in diesem Zusammenhang auch numerische Berechnungen angestellt (Bild 26), denn die hochgradig instationären Vorgänge lassen sich selbstverständlich
mit übersichtlichen analytischen Ansätzen nicht angemessen beschreiben.
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Bild 25: Instationärer Durchströmungsverlauf entlang der Basis: Vergleich der am
Modelldeich durchgeführten Einstauversuche im Dezember 2000 aus einem
natürlichen Vorfeuchtezustand heraus (schwarz), im Mai/Juni 2001 nach einem für
Karlsruhe 100-jährlichen simulierten Niederschlagsereignis (rot) und im Juli 2001
nach einem kurzfristigen Voreinstau (blau)
Bild 26: Simulation des Einstauversuches im Dezember 2000 aus einem natürlichen
Vorfeuchtezustand heraus
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Mit dem Modelldamm in der BAW haben wir ein Versuchsobjekt zur Verfügung, bei dem wir
einerseits durch künstliche Beregnung, andererseits durch gezielten Einstau vielerlei hydrologische Situationen durchspielen können; und dabei können wir inzwischen das gesamte
Porenwasserhaushaltsgeschehen in hoher Zeitauflösung und automatisiert verfolgen (Bild
27).
Diese Untersuchungen sind nicht nur interessant im Zusammenhang mit der erwähnten
Problematik der alten Deiche. Die Frage des Einflusses der „Vorfeuchte“ auf instationäre
Sickervorgänge beschäftigt uns auch bei ungelösten Aufgaben der Dammdurchfeuchtung,
z.B. im Lastfall Lecks in Dichtungen, nämlich dort, wo – wie bereits erwähnt – die
Bedingungen den Lastfall stationärer Durchsickerung nicht erlauben. Hierbei ist zu bedenken, dass wir über den Feuchte- bzw. Sättigungszustand in realen Dammsituationen in
aller Regel überhaupt nichts wissen. Hier wird die neu entwickelte Messtechnik uns in
Zukunft hoffentlich weiterhelfen.
Bild 27: Einstauversuch im Dezember 2000 aus einem natürlichen Vorfeuchtezustand
heraus: Sättigungsverteilungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit Sickerlinie im
Deichquerschnitt und Beckenwasserstand
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Daher möchten wir an dieser Stelle nochmals unterstreichen, dass das Damm-Modell in der
BAW eine Versuchseinrichtung darstellt, welche in seiner Art einzig in der Welt ist. Es sollte
für künftige Aufgaben erhalten bleiben, was selbstverständlich einen gewissen Aufwand zur
Instandhaltung bedeutet.
Mit den Versuchen zur Frage der Wirkung von Folien auf bruchgefährdeten Hochwasserschutzdeichen wurde kürzlich ein letztes Beispiel gegeben, wie das Damm-Modell sogar
kurzfristig zu aktuellen Fragestellungen herangezogen werden kann (vgl. Brauns &
Bieberstein 2003). Die Zukunft wird zeigen, ob die betreffenden Lehren aus dieser Demonstration wirklich gezogen werden (Bild 28). Beim nächsten Hochwasser wird man es sehen.
Bild 28: Untersuchung der Wirkung von Folien auf Deichen - Besichtigung des Großversuches durch Fachleute während des Tauchganges zur Inspektion der Lage der
Folie
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Schlussbemerkungen
Es ist an dieser Stelle zusammenzufassen, dass die Realisierung einer Versuchsanlage wie
das große Damm-Modell und sein Betrieb über eine so lange Zeitspanne in der Universität
nicht möglich gewesen wäre. Dazu bedarf es institutionell einer staatlichen Institution mit
entsprechender Durchhaltekraft einerseits und des Kooperationswillens der leitenden
Personen wie auch der an den Problemen und Projekten konkret Interessierten.
Daher soll hier die Möglichkeit genutzt werden, allen Beteiligten an dieser Stelle für Ihre
Unterstützung und Hilfe zu danken: Zunächst gilt unser Dank den Leitern der BAW, die das
Projekt begleitet und befürwortet haben, an vorderster Stelle Herrn Kniess, unter dessen
Ägide das Objekt zustande gebracht wurde. Herrn Witte danken wir besonders, dass er das
weitere Interesse am Fortbestand der Versuchsanlage bekundet hat.
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Der zweite Dank gilt allen Personen, die in nachgeschalteter, aber umso aktiverer Position
sich um das Dammobjekt gekümmert haben oder sonst mit Hilfestellungen stets parat
standen. Hier sind in erster Linie die Leiter der Abteilung Geotechnik zu erwähnen, Herr
Schulz zur Bauzeit des Modells und seit 1996 Herr Schuppener; Ihnen und allen sonst
hilfreichen Personen gilt von unserer Seite ein besonderer Dank.
In der Projektgruppe des erwähnten Volkswagenprojektes möchten wir nicht versäumen, die
Kollegen Professor Hötzl und Dr. Merkler zu erwähnen, denen wir für die langjährige Zusammenarbeit an den Modellen in der BAW vielmals zu danken haben.
Unser ganz besonderer Dank gilt Herrn Armbruster, der mit dem großen Damm-Modell in
besonderer Weise verbunden ist. Wir möchten hier betonen, dass das Modell und die vielen
Arbeiten daran ohne die ständige Unterstützung und Befürwortung durch Herrn Armbruster
nicht zustande gekommen wären.
Literatur
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Schlaeger, S., Schuhmann, R. (2003): Nondestructive in situ and online measurments
of soilphysical parameters. In: 12th Panamerican Conference on Soil Mechanics and
Geotechnical Engineering and 39th U.S. Rock Mechanics Symposium, Cambridge,
Massachusetts, USA, June 22 - 26, 2003, S. 277 - 285.
Bieberstein, A. (1999): Leckageortung bei geotechnischen Dichtungen mittels elektrischen
Potentialverfahren. Veröff. d. Inst. f. Bodenmechanik u. Felsmechanik, UNI Karlsruhe,
Heft 148.
Brauns, J., Bieberstein, A. (2003): Über Nutz und Frommen von Folien als Notsicherung von
Flußdeichen. Symposium „Notsicherung von Dämmen und Deichen“, Universität
Siegen.
Brauns, J. (1978): Wasserverluste und Durchsickerung bei Leckagen in schmalen
Dammdichtungen. Wasserwirtschaft 68.
Brauns, J. (1994): Zur hydraulischen Sicherheit von Dämmen mit synthetischen Dichtungen,
Wasserwirtschaft 84 (1994) 11.
Brauns, J., Degen, F.P. und Armbruster, H. (1988): The Leckage Problem with Thin Dam
Seals. Beitrag zum 16. ICOLD-Kongreß, Q. 61, R.8, San Francisco.
Degen, F.P., Brauns, J. (1987): Wirkung von Dichtungsleckagen. Wasserwirtschaft 87, 6.
E DIN 19 700 (2001): Stauanlagen. Beuth-Verlag, Berlin.
Scheuermann, A., Brauns, J. (2002): Die Durchfeuchtung von Deichen – Modellversuche
und Analyse. In: 12. Donau-Europäische Konferenz, Geotechnisches Ingenieurwesen, Passau, Mai 27 - 28, 2002, S. 197 - 200.
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Scheuermann, A., Schlaeger, S., Brauns, J., Hübner, C., Brandelik, A. (2002): Bestimmung
von Feuchteprofilen mittels TDR während eines Einstauversuches an einem
naturgemäßen Deichmodell. Technisches Messen tm1/2002, S. 37 - 42.

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