Marine Paintings
Transcrição
Marine Paintings
Werfttage 2006 Franz Amonn Schiffsportraits und Marinemalerei aus der Sicht des Modellbauers Bildliche Darstellungen von Schiffen sind wohl fast so alt wie das Schiff selbst. So verfügen wir dank ihnen über klare Vorstellungen von Wasserfahrzeugen nicht nur der Antike, sondern gar aus prähistorischer Zeit. Die ersten eigentlichen Schiffsportraits kamen allerdings erst später als Votivbilder in den katholischen Ländern auf. Mit dem gewaltigen Aufschwung des Handels und dem zunehmend Wohlstand stieg im 18. Jh. das allgemeine Interesse an individuellen Schiffsdarstellungen. Es blieb nicht nur bei der kostspieligen Mode begüterter Reeder oder Kapitäne, sich ihr stolzes Schiff malen zu lassen, sondern auch Zimmer- und Bootsleute, ja sogar Matrosen sparten ihre Heuer für ein solches Portrait. So wurde das ausgehende 19. Jh. zur Blütezeit der Schiffs- und Hafenmaler (engl.: pierhead painters), die überall in Europa, Amerika und sogar im fernen Osten tätig waren. Im Gegensatz zu berühmten Meistern wie Vater Thomas und Sohn James Edward Buttersworth (17681842 bzw. 1817-1894, GB u. USA), Reuben Chappell (1870-1940, GB), Domenico Gavarrone (aktiv 18401875, I), Jakob Petersen (17741855, DK), T.G. Purvis (1861-1933, GB), der Familie Roux, insbesondere Antoine und François Roux (1811-1882, F) sowie manchen anderen, sind viele Maler selbst hervorragender Bilder oft aber gar nicht bekannt. Antoine Roux, Corvette vor Marseille Nebst den frühen Radierungen waren zuerst vor allem die Oelmalerei, dann auch zum Teil kolorierte Kupfer- und Stahlstiche verbreitet. Das Oelbild und die aufwendige Technik der besonders in Belgien gepflegten Hinterglasmalerei, welche manchmal eine fast dreidimensionale Wirkung erreichte, wurden aber mit der Zeit weitgehend vom Aquarell verdrängt. Unter dem Einfluss der sachkundigen Auftraggeber wandelten sich die Werke von den ursprünglich naiven, stark stilisierten Schiffsbildern mit unnatürlich geblähten Segeln und rudimentärer Takelage zu wirklichkeitsgetreuen, präzisen Darstellungen bestimmter Schiffe. Diese sind heute von grösstem historischem Wert und auch für den Modellbauer äusserst interessant: Oft sind sie überhaupt die einzigen bildlichen Zeugnisse oder liefern – im Gegensatz zu den alten Photographien – auch Hinweise auf die damals übliche Farbgebung. Die Bilder zeigen fast sämtliche je gebauten Schiffstypen in all ihren Varianten. Zudem können sie wichtige Aus- künfte über Flaggen geben (Aussehen der Reedereiflaggen, Erkennungscode des Schiffes als Flaggensignal, Ort des Setzens bestimmter Flaggen), illustrieren oft interessante seemännische Situationen (beigedreht in Erwartung des Lotsen, beim Segelsetzen, unter gerefften Segeln oder gar beiliegend im Sturm), oder erlauben aus dem mitgemalten Hintergrund Rückschlüsse auf den Aktionsbereich und typische Ladungen der betreffenden Einheit. Bei sorgfältigem Studium lassen sich ihnen oft selbst kleinste Details des Riggs oder der Ausrüstung, manchmal gar der Kleidung der Mannschaft entnehmen. Oft sind auch Alterungs- und Gebrauchsspuren realistisch dargestellt. Eine praktische Eigenheit besonders älterer Portraits ist, dass sie gelegentlich auf dem selben Bild zwei oder drei verschiedene Ansichten des gleichen Schiffes zeigen. Für den Modellbauer lohnt es sich auf jeden Fall, in den Museen nicht nur den ausgestellten Originalen und Modellen, sondern auch den SchiffsportraitSammlungen genügend Beachtung zu schenken und diese wertvolle Quelle bei den Nachforschungen über ein bestimmtes Vorbild gezielt zu nutzen. Nebst spezialiserten Büchern enthalten viele weitere Publikationen unzählige (oft allerdings leider nicht farbige) Reproduktionen. COLUMBIA beats SHAMROCK, 1900 R. Chappell, SPINAWAY, Fowey, 1877 Literatur: - R. Finch: The Pierhead Painters. Barri & Jenkins, London, 1893, ISBN 0 09 153870 X“ - E. Archibald: Kaptiänsbilder. Stalling, Oldenbur, 1978, ISBN 3 7979 1892 5 - A. Peluso: The Bard Painters – Painting America Under Steam and Sail. Abrams, New York, 1997, ISBN 0 8109 1240 6 - Schiffahrtsmuseum Rostock: Kapitänsbilder. Ostsee Druck, Wismar 1965 - W. Timm: Kapitänsbilder. Hinstorff, Rostock, 1971 - J. Bracker/C. Prange: Alster, Elbe und die See. Topographikon, Hamburg, 1981, ISBN 3 920953 18 5