Leseprobe 200405
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Leseprobe 200405
Musikbetrieb Jubiläumskonzert mit Orgel im Leipziger Gewandhaus: Mit Siegfried Matthus’ Gewandhaussinfonie wurde 1993 das 250-jährige Bestehen des Gewandhausorchesters gefeiert. Bei der Orgel handelt es sich um das Opus 499 von 1981 aus der Werkstatt von Alexander Schuke Potsdam Orgelbau GmbH. Kleines Bild auf der rechten Seite: Der Autor, Organist Felix Friedrich Felix Friedrich „Die Orgel ist zu laut und stets zu spät…“ Erfahrungen im Zusammenspiel der Orgel mit einem sinfonischen Orchester 22 Das Orchester 5/04 Musikbetrieb Foto: dpa Obwohl die Orgel zu den herausragenden Soloinstrumenten zählt, stellt ihr Zusammenspiel mit dem Orchester keineswegs einen seltenen Sonderfall dar. Seit dem 19. Jahrhundert setzen zahlreiche Komponisten die „Königin der Instrumente“ als charakteristische Klangfarbe im sinfonischen Orchester ein. Der nachfolgende Beitrag geht den unterschiedlichen Problemen nach, die sich aus dieser Kombination von Orgel mit dem Orchester auf dem aufführungspraktischen Gebiet ergeben und die für Organist, Dirigent und Orchester gleichermaßen relevant sind. Der vorliegende Beitrag spiegelt in konzentrierter Form die Erfahrungen und Erkenntnisse wider, die ich als Konzertorganist im Zusammenspiel mit den verschiedensten, zum Teil namhaften Orchestern und Dirigenten sammeln konnte. Dabei möchte ich die Continuopraxis ausklammern, der spezielle Gesetzmäßigkeiten innewohnen. Es geht vielmehr um die Aufführung sinfonischer und chorsinfonischer Werke des 19. und 20. Jahrhunderts, bei denen die Orgel integrierter Bestandteil des Orchesters ist. Die Orgel besitzt durch ihre Größe und ihre enormen klanglichen Möglichkeiten den dominierenden Status eines Soloinstruments, sei es im gottesdienstlichen Spiel oder in Kirchenoder Orgelkonzerten, die seit dem 20. Jahrhundert in zunehmendem Maß auch in Konzertsälen stattfinden. Die zahlreichen repräsentativen Konzertpodien der Welt sind in der Regel mit einer großen sinfonischen Orgel ausgestattet, die sowohl solis- Das Orchester 5/04 tisch wie auch zum gemeinsamen Musizieren mit einem Orchester genutzt wird. Dabei gelangen nicht nur die seit Händel entstandenen Konzerte für Orgel und Orchester zur Aufführung. „Das 19. Jahrhundert, in dem sich das bürgerliche öffentliche Konzertwesen im heutigen Sinne entfaltete, bescherte uns zusammen mit einer Vielzahl schöner und teilweise weltberühmter Konzertsäle auch die zugehörigen Orgeln, sodass fortan manche Komponisten nicht zögerten, in ihre Orchesterpartituren die Orgel einzubeziehen.“1 Spätestens Richard Strauss und seine Instrumentationsästhetik sicherten der Orgel einen festen Platz im sinfonischen Orchester. Ihren Einzug in die Welt der Oper hielt sie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts mithilfe von Louis Spohr und Giacomo Meyerbeer. Von diesem Zeitpunkt an nutzten zahlreiche Komponisten die Orgel für klangliches Kolorit in sinfonischen Werken und Bühnenmusiken.2 Dabei ist der Bogen gespannt von Tschaikowsky (Manfred-Sinfonie) über William Walton, Edward Elgar, Ottorino Respighi, Gustav Mahler bis Richard Strauss (Alpensinfonie).3 Hinzu kommen die erst in den vergangenen Jahren wieder in den Blickpunkt gerückten Konzerte für Orgel und Orchester wie zum Beispiel die oft gespielten Werke von Joseph Rheinberger, Enrico Bossi, Alfredo Casella, Francis Poulenc, Marcel Dupré, Ernst Krenek, Paul Hindemith u. a. In den Opern und Schauspielmusiken4 erhielt die Orgel die Aufgabe, Kirchenszenen zu untermalen oder eine sakrale Atmosphäre zu vermitteln (z. B. Richard Wagner: Lohengrin, Charles Gounod: Margarethe, Edvard Grieg: Peer Gynt). Aber auch in Oratorien übertrug man der Orgel einen zum Teil dominieren- 23 Musikbetrieb den und technisch sehr anspruchsvollen Part (Franz Schmidt: Das Buch mit sieben Siegeln, Frank Martin: Golgotha und Requiem, Andrew Lloyd Webber: Requiem, Sofia Gubaidulina: Alleluia, Krzysztof Penderecki: Lukas-Passion). Die Orgel ist also durchaus im Konzertbetrieb gefordert. Die wenigsten Orchester können sich aber einen fest engagierten Organisten leisten, sodass in der Regel eine Aushilfe vertraglich gebunden wird. Für einen Organisten, der im Normalfall auf einer Kirchenempore agiert, bedeutet dies, sich einer ungewohnten und im Studium leider nie trainierten Situation anzupassen. So leicht und einfach, so überschaubar und oft sehr knapp der jeweilige Orgelpart eines Werks bemessen sein mag, so können sich dennoch ungeahnte Schwierigkeiten im Zusammenspiel mit dem Orchester auftun. Ein Musterbeispiel hierfür ist die Alpensinfonie von Strauss. Der nur auf einfachen Akkorden aufgebaute Orgelpart erweist sich in der Gewitterszene im Zusammenspiel mit dem fulminant agierenden und schwer durchhörbaren Orchester als äußerst schwer realisierbar. Erfahrungen mit den Dirigenten … Lesen Sie weiter in Heft 2004/5 Foto: Daniel Sumesgutner Für einen Organisten, ausschließlich gewöhnt an solistisches Spiel in halligen Kirchen, ist es zunächst eine gravierende Umstellung, sich als Mitspieler in einem Orchester einzuordnen und sich einem Dirigenten unterzuordnen. Auch die hallarme Saalakustik ist ungewohnt. In dieser Situation treffen zudem ein Musikerensemble und ein sonst allein Musizierender aufeinander. Der Organist bleibt auch innerhalb des Orchesters ein Individualist, der sich dennoch anzupassen hat und keinen mitspielenden Pultnachbarn neben sich hat. Der Musiker eines Orchester ist es gewohnt, präzise auf den Schlagpunkt des Dirigenten zu spielen. Dazu kommt das Agieren innerhalb der Gruppe und eines Pults, das das einfühlsame Hören auf den Nachbarn erfordert. In einem Orchester ist es das oberste Gesetz, die Noten so zu beherrschen, dass man jederzeit die Augen auf den Dirigenten richten und entsprechend reagieren kann. Auch für den Organisten sind die Zeichen des Dirigenten wichtig, doch in der Regel erhält er sehr spärliche oder gar keine von ihm. Es gehört zwar zum Handwerkszeug eines jeden Dirigenten, über alle Orchesterinstrumente und deren klangliche und technische Spezifika Bescheid zu wissen. Lediglich mit der Orgel tun sich die Dirigenten teilweise schwer, da sie oft nicht mit allen spieltechnisch relevanten Problemen im Allgemeinen und den Details einer elektrisch gesteuerten Pfeifenorgel im Speziellen vertraut sind. Eine rühmliche Ausnahme bilden natürlich die Dirigenten, die selbst ein Orgel- bzw. Kirchenmusikstudium absolviert haben. … 24 Das Orchester 5/04