beseelte Worte - Verse und Zeilen von Arno Hohensee

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beseelte Worte - Verse und Zeilen von Arno Hohensee
Genius – ein später Nachruf auf Michael Jackson
Zuletzt wurde seine Kunst exemplarisch auf weniger als zwei Stunden aus über Hundert
Stunden filmischen Materials zusammengeschnitten, die von seinem letzten und nun
unvollendeten Werk zeugen und den Zuschauern einen nie dagewesenen Einblick in die
Fähigkeiten und Wesenszüge des Ausnahmekünstlers geben sollen, der „Michael Jackson“ hieß.
Und mit der Betonung auf das Wort „Einblick“ ist es wohl gelungen, denn in der Tat zeigt der
Film einen Menschen in einer künstlerischen Schaffenskraft, die von weitem Bewusstsein für all
ihre Bestandteile erfüllt ist, insbesondere von dem bewundernswerten Feingefühl für
musikalisches und choreografisches Timing sowie für den Gesamtausdruck der Bühne, um das
-hier noch nicht vorhandene- Publikum abzuholen und mitzureißen. Und doch zeigt dies nur
einen Bruchteil seiner Einmaligkeit.
Michael Jackson war eben nicht der „Durchschnittskünstler“ der nur hin und wieder eine
Textzeile selbst schreibt, sich an den Kompositionen wenig beteiligt und für seine Bühnenshow
Bild und Tanz aus fremder Hand beifügt. Stattdessen war er der Genius, der alle Bestandteile
seiner Kunst meist höchstselbst iniziierte und inszenierte und in jedem dieser Bestandteile
Ausnahmetalent bewies. Und er war auch nicht der „Durchschnittssänger“, denn obwohl seine
Stimme eher dünn gewesen sein und nicht die Spannweite mancher Kollegen erreichen
mochte, so war sein Gesang doch von einmaliger emotionaler Kraft, die nicht nur Wut und
Verzweiflung („Earth song“), Wehmut und Sehnsucht („Have you seen my childhood“), Freude
und Appell („Man in the mirror“) fühlbar machte sondern auch binnen einer Zeile zwischen
ihnen zu wechseln vermochte und -als wäre das noch nicht genug- den Text stets mit
unnachahmlicher Lautmalerei zu unterstützen wusste.
Nur Michael Jackson selbst vermochte seiner Musik solch bewegende Konzerte zu kreieren, die
bereits in der Vergangenheit mehr wie vollständige Musicals anmuteten als wie die anderweitig
üblichen Aneinanderreihungen von Liedern und Tänzen; er selbst, der offenkundig jede Nuance
und Facette seiner Musik genau kannte und fühlte, der vor allem aber deren emotionale
Botschaft zu verkörpern und zu äußern wusste durch die verschiedensten Sprachen des
Selbstausdrucks.
agil, schöpferisch, erschöpft
Von all dem geben uns die Aufzeichnungen der Proben aus den letzten Wochen seines Lebens
eine Idee, wenn man seine Sinne und Vorstellungskräfte auf die entsprechenden Details in und
die Energien zwischen den Bildern lenkt – und eben nicht nur das vergleichend prüfende Auge
auf das Körperliche des Künstlers fokussiert.
Doch auch Letzteres sei erlaubt und lässt viel Raum für individuelle Bewertung. Unbestreitbar
dabei ist, dass Michael Jackson eine Agilität an den Tag legt, die in seiner Altersklasse
ihresgleichen suchen dürfte. Doch wenn man annehmen darf, dass der Zusammenschnitt die
körperlich fittesten und in puncto „Performance“ überzeugendsten Passagen der gesamten
Aufzeichnungen beinhaltet, so liegt die Vermutung nahe, dass nicht Beweglichkeit und
Präzision den Sänger in einem Comeback-Erfolg beschränkt hätten, noch nicht einmal die
Schnelligkeit. Wohl aber die Ausdauer und die körperliche Kraft im Allgemeinen. Denn so
beeindruckend der 50jährige seinen Körper auch noch beherrschte -mit dem Maßstab der
Normalität betrachtet- , so lässt die einzige wirklich faszinierende Tanzdarbietung -mit dem
Maßstab Michael Jacksons betrachtet- ihn sichtlich atemlos und pausenbedürftig zurück, obwohl
sie nicht einmal das komplette Lied (Billie Jean) über dauerte. Dies zeigt die Begrenztheit eines
menschlichen Körpers, der einst so unbegrenzt gewirkt hatte.
Nein, fünfzig Konzerte mit Darbietungen der von den Fans erhofften Art wären ihm wohl nicht
mehr zuzutrauen gewesen, wie er selbst befürchtet hatte. Dem Künstler, der sich in Musik,
Medien und Szenenbild einst so unendlich ausgedehnt hatte und die Massen wohl nicht in
erster Linie durch Tanz und Rhythmus ergriffen hatte sondern mit der emotionalen Qualität
seiner Werke, die so viele Zuhörer und Zuschauer berührten, merkte man seine Jahre doch ein
wenig an – keinesfalls aber all die ihm nachgesagten Krankheiten. Und das Genie, das so
bewundert wurde für seine Fähigkeit, das innere Kind in sich auszudrücken und dadurch das
unsere anzusprechen, war den Gesetzmäßigkeiten des Körperlichen doch genauso unterworfen
wie wir es sind.
das Herz eines Mannes, der nie Kind war, und das Kind in sich
doch fühlen konnte
Doch es ist nicht das Körperliche, das Michael Jackson im Wesentlichen auszeichnete. Viel eher
war es die Zielstrebigkeit, unsere Welt zu erspüren, und das, was er dabei fühlte, auf seine
besondere Art mit allen zu teilen, um die Welt ein Stück besser zu machen. „Love“ war für Ihn
das, um das es ging und das er bis zuletzt seinem Publikum geben wollte. Nicht nur von ihm an
den Rest der Menschheit, sondern als Botschaft an die Menschen untereinander. Und er war mit
einem beeindruckenden Repertoire an Talenten ausgestattet, das zu tun. Die Wurzel für Liebe,
globale Liebe, sah er in der Kindheit eines jeden, die ebenso das Gegenteil hervorbringen
konnte bzw. kann, wenn sie in ihrem Herzen erschüttert wird. Er brachte öffentlich die Gewalt
in der Welt mit der Tatsache in Verbindung, dass ebendiese Kindheit, die für ihn persönlich
soviel ambivalente Prägung bedeutet hatte, global solche vielfache Beschädigung erleidet. Wie
einfach, wie naiv und wie wahr.
Er lebte seine Sehnsucht nach Veränderung nicht nur über Kunst aus, er spendete mehrfach
hohe Summen an Krankenhäuser und soziale Einrichtungen, vor allem eben für Kinder. Ganz
still und ohne Medienpräsenz, denn darum ging es ihm nicht. Er kam, sah, hinterließ Millionen
und ging. Es ging ihm um Liebe, und die braucht nicht immer Kameras und Schlagzeilen.
Diese waren in den letzten Jahren eher auf die vermeintlichen Fehler der Person gerichtet.
Was auch immer davon wahr gewesen sein mochte: Die Leidenschaft, mit der manche Blätter
und Münder abwertend über ihn sprachen, glich der Leidenschaft, mit denen Menschen gerne
auf die Schattenseiten der anderen zeigen, weil sie ihre eigenen nicht sehen wollen. Ein Los,
dass viele „Große“ der Geschichte erlitten haben: Projektionsfläche zu sein.
Diese war er sicherlich schon zuvor, doch schlug sie schließlich ins Negative um. Darum zog
sich der Mensch zurück, ließ jedoch nie einen Akt des Grolls oder der Rache oder des Spottes
seinerseits gegenüber anderen vernehmen. Künstler und Kollegen beschrieben ihn weiterhin
als stets wertschätzend und im direkten Kontakt auf Augenhöhe begegnend. Bis zuletzt, wo er
wieder den Mut gefasst hatte, noch einmal ins Rampenlicht zu treten.
große Seele, früh gegangen
Doch dies sollte nicht mehr geschehen. Die spirituellen Lehren sagen, dass kein wesentliches
Ereignis im Leben aus barem Zufall geschieht; dies gilt wohl insbesondere für den Tod. Und
wenn man Michael Jackson aus der Perspektive betrachtet, dass es sich bei ihm um eine Seele
handelt(e), die die Botschaften der Liebe, des farblosen Miteinanders und des Mitgefühls für
eine wunde Welt, für deren Heilung unsere Kinder der Schlüssel sind, in ebendiese Welt und
die Gemüter von Milliarden Menschen hineinsingen und -tanzen wollte, dann lässt sich -allem
Bedauern zum Trotz- eine Sinnhaftigkeit in seinem so frühen Tod zu genau diesem Zeitpunkt
sehen. Denn mehr denn je und wohl auch mehr, als es zu seinen Lebzeiten noch einmal
geschehen wäre, werden diese Qualitäten über Radio, Fernsehen, CDs, DVDs und nun sogar
Zelluloid rund um den Globus wahrgenommen. Und wieder steigt die Leuchtkraft dieser
Botschaften im Gesamtgemälde unserer Welt an, wie es vielleicht keine Regierung, keine
Agenda und keine noch so große Demonstration je in so kurzer Zeit erreicht hätten – und
eben, so steht wohl einzusehen, wohl auch keine Comeback-Konzerte des Künstlers selbst.
Denn nach den eigenartigen Prioritäten, die die Menschen und ihre Medien in ihrer
Wahrnehmung setzen, hätte man in einer neuen Konzertreihe weniger das betrachtet und
wertgeschätzt, was an inhaltlichem, emotionalem und spirituellem Wert in der Kunst
vorhanden ist, sondern den Menschen und seine Darbietungen verglichen und bewertet anhand
unserer eigenen Erwartungen, die vorwiegend auf ehemaligen Äußerlichkeiten wie Tanz und
Show beruht hätten. Und diesen Vergleich hätte Michael Jackson wohl nur verlieren können
und zum Verlust der Kraft seiner Botschaften geführt.
Und so mutet der Verlauf seiner letzten Lebensmonate – die Ankündigung und Vorbereitung
eines Comebacks, die gerade neu erwachte Medienpräsenz und schließlich das abrupte Ableben
– wie die letzte große Choreographie einer Bestimmung an; einer Entscheidung auf Ebene
seiner Seele, die einst mit unzähligen, sicherlich schwer in einem Menschen zu inkarnierenden
Fähigkeiten angetreten war, um ihre Werte ins irdische Bewusstseins-Kollektiv zu senden; und
die genau dies nun ein letztes, möglichst kraftvolles Mal tun wollte. Auch wenn es das Ende des
Menschenlebens bedeutete.
Für westliche Augen mag sich das esoterisch und religiös
„...was durch Liebende an Liebe,
fraglich lesen, und für einen um den Verschiedenen
durch Künstler an Trost und Heiterkeit
Trauernden vielleicht sogar zynisch. Doch Michael Jackson
in unsere Welt getragen ist und oft
nach Jahrzehnten so hell strahlt wie
selbst schien über diese Dinge jenseits des Weltlichen
am ersten Tage...“
durchaus ein ahnendes Bewusstsein zu haben: So
- Hermann Hesse (aus: „Über das
bedankte er sich in einer Rede vor laufender Kamera bei
Glück“)
„allen, die mir geholfen haben, meine Talente hier auf die
Erde zu bringen“, verabschiedete sich wenige Tage vor
seinem Tod ein letztes Mal von seinem Trainer Lou Ferrigno und zwar auf eine überraschend
endgültig klingende Weise (wie Ferrigno sich Wochen später in einem Interview noch gut
erinnerte), und noch während seiner letzten, unvollendeten Proben sagte Michael Jackson:
„...aus diesem Grund mache ich solche Musik: Um den Menschen ein Stück Bewusstsein,
Erwachen und Hoffnung zu geben...“ Diese für einen Menschen eher überheblich klingenden
Worte lassen sich aus Seelenperspektive in ihrer Wahrheit erkennen, denn wenn man unter
diesen Begriffen nicht die Endpunkte einer Reise des spirituellen Erwachens versteht, die in
Wirklichkeit nämlich nie zu Ende geht, sondern eben die Richtung, in die sich die Reise des
Lebens entwickeln kann, dann hat dieser Mann, diese Seele, genau das getan: Sie hat über
unvergleichliche Kunst Menschen aller Länder in Kontakt gebracht mit den Quellen von
„Bewusstsein, Erwachen und Hoffnung“: unseren tieferen Gefühlen und dem Körper als ihren
Sitz, unseren wesentlichen Sehnsüchten als Gemeinsamkeiten aller Menschen, unserer
Verbundenheit mit allem als das Wesen unserer Verantwortung für uns, für einander und für
die Erde, auf der wir gehen, und unserer Stimme als Instrument unserer Kraft („there is
nothing that can´t be done, if we raise our voices as one“).
Ob uns das nun intellektuell bewusst war oder nicht, während wir „Heal the world“, „Man in the
mirror“, „Black or white“, den „Earth song“, „Will you be there?“, „We are the world, we are the
children“ hörten oder während wir Bilder sahen von Kinderhänden, die die Weltkugel halten,
Kindern, die Soldaten Blumen bringen, Farbigen, die gemeinsam mit Weißen tanzen, oder
gefällten Urwaldriesen, die wieder auferstehen, spielt dabei keine Rolle. Denn die
Suggestivkraft solcher Klänge und Bilder wirkt intuitiv auf jeden, der sein Herz nur ein Stück
weit für sie offenhält. Und sie hat gewirkt, kollektiv und nachhaltig. Allen etwaigen
Fragwürdigkeiten der menschlichen Person zum Trotz.
Und sollte ihre Seele die Erde eines Tages wiederum beehren, so werden die Menschen sie
sicherlich an genau diesen besonderen Qualitäten wiedererkennen können: wahrhaftiger
Ausdruck von großer, emotionaler Kraft und spiritueller Botschaft.
Und bis dahin ein herzliches
Danke und Bon Voyage
© Arno Hohensee
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